4a O 523/05 – Dachfenster

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 666

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 23. Januar 2007, Az. 4a O 523/05

Rechtsmittelinstanz: 2 U 10/07

I. Die Beklagten werden verurteilt,

1.
es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft im Hinblick auf die Beklagte zu 1) an ihrem jeweiligen Geschäftsführer zu vollziehen ist,
es zu unterlassen
im deutschen territorialen Geltungsbereich des europäischen Patents 1 061 xxx
a) Fenster zum Einbau in eine Dachstruktur, aufweisend einen Rahmen mit einer Anzahl von Rahmenelementen und mehreren Befestigungsbügeln, von denen jeder einen ersten Schenkel zur Verbindung mit der Außenseite eines Rahmenelements und einen im wesentlichen senkrecht dazu verlaufenden zweiten Schenkel zur Verbindung mit der Dachstruktur aufweist, der mit dem ersten Schenkel an einem Verbindungspunkt verbunden ist, und bei dem die mit den Befestigungsbügeln zu verbindende Außenseite zumindest der Rahmenelemente eine längliche Kennzeichnung hat, die sich in Längsrichtung des Rahmenelements erstreckt,
anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
bei denen jeder Befestigungsbügel eine Kennzeichnung aufweist, die eine geteilte Skala zum Zusammenwirken mit der länglichen Kennzeichnung des Rahmenelements hat;
b) Befestigungsbügel, aufweisend einen ersten Schenkel zur Verbindung mit der Außenseite des Elements und einen zweiten, im wesentlichen senkrecht dazu verlaufenden Schenkel zur Verbindung mit der Dachstruktur, der mit dem ersten Schenkel an einem Verbindungspunkt verbunden ist, für den Einbau eines Elements, insbesondere eines Fensters in eine Dachstruktur,
anzubieten oder in den Verkehr zu bringen,
wenn diese eine Kennzeichnung aufweisen, die eine geteilte Skala zum Zusammenwirken mit der Kennzeichnung am Element hat.

2.
der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die unter Ziffer I. 1 a) und b) bezeichneten Handlungen seit dem 03.10.2003 begangen haben, und zwar unter Angabe
a) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und –preisen sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer,
c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und –preisen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhen, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns, der nicht durch den Abzug von Fixkosten und variablen Gemeinkosten gemindert ist, es sei denn, diese könnten den unter I. 1. bezeichneten Gegenständen unmittelbar zugeordnet werden,

3.
die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder in ihrem Eigentum befindlichen, unter Ziffer I. 1. bezeichneten Erzeugnisse zu vernichten oder nach ihrer Wahl an einen von ihnen zu benennenden Treuhänder zum Zwecke der Vernichtung auf ihre – der Beklagten – Kosten herauszugeben.

II.
Es wird festgestellt, dass die Beklagten gesamtverbindlich verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die unter Ziff. I. 1. bezeichneten und seit dem 03.10.2003 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

III.
Die Kosten des Rechtsstreits werden den Beklagten als Gesamtschuldnern auferlegt.

IV.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 300.000,00 € vorläufig vollstreckbar.
Die Sicherheit kann auch durch eine unwiderrufliche, unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Europäischen Union als Zoll- oder Steuerbürgin anerkannten Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand:

Die Klägerin, ein in Dänemark ansässiges Unternehmen, nimmt die Beklagten wegen Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents 1 061 xxx (Klagepatent) auf Unterlassung, Rechnungslegung und Schadensersatz in Anspruch. Das Klagepatent wurde am 09.06.2000 angemeldet, und seine Erteilung wurde am 03.09.2003 veröffentlicht. Das Patent steht in Kraft.

Das Klagepatent, dessen Verfahrenssprache Englisch ist, bezieht sich auf ein Fenster, das zum Einbau in eine Dachstruktur vorgesehen ist, sowie auf winkelförmige Befestigungswinkel, die einer möglichst einfachen und präzisen Montage des Dachflächenfensters dienen sollen.
Die von der Klägerin geltend gemachten Patentansprüche 1 und 7 des Klagepatents, lauten in der veröffentlichten deutschen Übersetzung wie folgt:
1. Fenster (1; 101) zum Einbau in eine Dachstruktur, aufweisend einen Rahmen mit einer Anzahl von Rahmenelementen (2; 102) und mehreren Befestigungsbügeln (7; 107), von denen jeder einen ersten Schenkel (7a, 7b; 107a) zur Verbindung mit der Außenseite eines Rahmenelements und einen im wesentlichen senkrecht dazu verlaufenden zweiten Schenkel (7b, 7a; 107 b) zur Verbindung mit der Dachstruktur aufweist, der mit dem ersten Schenkel an einem Verbindungspunkt (7c; 107 c) verbunden ist, und bei dem die mit den Befestigungsbügeln zu verbindende Außenseite zumindest der Rahmenelemente eine längliche Kennzeichnung (16; 116) hat, die sich in Längsrichtung des Rahmenelements erstreckt, dadurch gekennzeichnet, dass jeder Befestigungsbügel mindestens eine Kennzeichnung aufweist, die eine geteilte Skala (17, 18; 117) zum Zusammenwirken mit der länglichen Kennzeichnung (16; 116) des Rahmenelements hat.
7. Verwendung eines Befestigungsbügels für den Einbau eines Elements, insbesondere eines Fensters, in eine Dachstruktur, aufweisend einen ersten Schenkel (7a, 7b; 107a) zur Verbindung mit der Außenseite des Elements und einen zweiten, im wesentlichen senkrecht dazu verlaufenden Schenkel (7b, 7a; 107 b) zur Verbindung mit der Dachstruktur, der mit dem ersten Schenkel an einem Verbindungspunkt (7 c; 107 c) verbunden ist, dadurch gekennzeichnet, dass jeder Befestigungsbügel zumindest eine Kennzeichnung aufweist, die eine geteilte Skala (17, 18; 117) zum Zusammenwirken mit der Kennzeichnung (16; 116) am Element hat.

Wegen des Wortlauts der von der Klägerin „insbesondere“ geltend gemachten Unteransprüche 3, 4, 9 und 10 wird auf die Klagepatentschrift verwiesen.
Die nachfolgend wiedergegebenen Zeichnungen stammen aus der Klagepatentschrift. Figur 2 zeigt eine Schnittansicht eines Fensters in einer vom Klagepatent vorgesehenen Einbausituation. Figur 3 zeigt eine perspektivische Darstellung eines Befestigungsbügels gemäß der Erfindung.

Die Beklagte zu 1) hat am 17.11.2006 Klage auf Nichtigerklärung des Klagepatents beim Bundespatentgericht eingereicht, über die noch nicht entschieden ist.

Die Beklagte zu 1), deren Geschäftsführer der Beklagte zu 2) ist, ist die deutsche Vertriebs- und Tochtergesellschaft der weltweit tätigen F-Gruppe, deren Muttergesellschaft ihren Sitz in Polen hat. Letztere stellt in Polen Dachfenster und entsprechendes Zubehör her und vertreibt diese in Deutschland über die Beklagte zu 1) Auf der deutschsprachigen Internet-Seite www.F.de der Beklagten zu 1) beschreibt die Beklagte zu 1) Fenster zum Einbau in eine Dachstruktur und die zugehörigen Winkelstücke. Die Winkelstücke haben die nachfolgend wiedergegebene Form.

Im Folgenden wird auszugsweise Seite 5 der dort zu findenden Einbauanleitung wiedergegeben, die den Einbau eines Dachfensters auf dem Dachsparren beschreibt:

Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagten verletzten durch den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform das Klagepatent.

Sie beantragt,
– wie tenoriert -.

Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen;
den Beklagten nachzulassen, die Zwangsvollstreckung gegen
Sicherheitsleistung (Bankbürgschaft) abzuwenden.

Hilfsweise beantragt die Beklagte,
den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Erledigung der gegen den deutschen Teil des EP 1 061 xxx B 1 erhobenen Nichtigkeitsklage auszusetzen.
Die Klägerin tritt dem Aussetzungsantrag entgegen mit der Begründung, die von der Beklagten zu 1) erhobene Nichtigkeitsklage habe keine Aussicht auf Erfolg.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zu den Akten gelangten Schriftsätze einschließlich der Anlagen sowie auf tatsächliche Feststellungen in den Entscheidungsgründen verwiesen.

Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und begründet.
Der Klägerin kann von den Beklagten Unterlassung, Schadensersatz und Rechnungslegung aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ; §§ 139 Abs. 1 und 2, 140b Abs. 1 PatG; §§ 242, 259 BGB verlangen. Die angegriffene Ausführungsform macht von den Ansprüchen 1, 3, 4, 7, 9 und 10 des Klagepatents wortsinngemäß Gebrauch, ohne dass die Beklagten dazu berechtigt sind (§ 9 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 PatG). I.
Das Klagepatent schützt in den Patentansprüchen 1, 3, 4, 7, 9 und 10 ein Dachflächenfenster und dessen Befestigung auf tragenden Dachteilen durch Montagewinkel. Zum technischen Hintergrund führt das Klagepatent in der Beschreibung aus, dass es beim Einbau von Dachflächenfenstern darauf ankommt, die der Befestigung der Fenster dienenden Befestigungsbügel so positionieren, dass das Fenster in einer solchen Höhe angebracht wird, die es ermöglicht, die jeweils vorgefertigte, am Dachflächenfenster seitlich hochführende Verkleidung anzubringen, ohne sie vor Ort anpassen zu müssen. Um eine gleichmäßige Höhe des Dachflächenfensters zu erreichen, sind üblicherweise die Seitenflächen der Dachfenster mit einer längs verlaufenden Kennzeichnung, z.B. einer Nut, versehen. So können die Befestigungsbügel jeweils in einer gewünschten Höhe positioniert werden. Der Nachteil dieser Art der Befestigung besteht jedoch darin, dass der Nutzer, bevor er die Montagewinkel in einer der vorgefrästen Nuten des Rahmens befestigt, ausmessen muss, welche Einbauhöhe im konkreten Fall benötigt wird. Hierzu müssen diejenigen Dachteile vermessen werden, die oberhalb der Befestigungsbügel auf dem Dach angebracht werden und als Auflagefläche für die Dachverkleidung dienen. Diese erforderlichen Messungen bilden eine regelmäßige Fehlerquelle.

Die WO 88/04348, die in der Beschreibung des Klagepatents als nächstliegender Stand der Technik angesehen wird, beschreibt Montagewinkel, die Flachdorne aufweisen. Diese Flachdorne können in die im Rahmen vorgesehenen Halterungsnuten gesteckt werden.

Das Klagepatent setzt sich zum Ziel, ein Fenster der beschriebenen Art derart zu verbessern, dass der Einbau vereinfacht und das Risiko fehlerhafter Messungen reduziert wird.

Dies soll durch folgende Merkmalskombination erreicht werden:
(1) Fenster (1; 101) zum Einbau in eine Dachstruktur, aufweisend
a) einen Rahmen mit einer Anzahl von Rahmenelementen (2; 102) und
b) mehrere Befestigungsbügel (7; 107).
(2) Die Außenseite der Rahmenelemente, die mit den Befestigungsbügeln verbunden werden, weist auf
a) eine längliche Kennzeichnung (16, 116),
b) die sich in Längsrichtung des Rahmenelements erstreckt.

(3) Jeder Befestigungsbügel weist auf,
a) einen ersten Schenkel (7a, 7b; 107a) zur Verbindung mit der Außenseite eines Rahmenelements und
b) einen zweiten Schenkel (7b, 7a; 107b) zur Verbindung mit der Dachstruktur,
aa) der im wesentlichen senkrecht zum ersten Schenkel verläuft und
bb) mit dem ersten Schenkel in einem Verbindungspunkt (7c; 107 c) verbunden ist;
c) eine Kennzeichnung, die eine geteilte Skala (17, 18, 117) zum Zusammenwirken mit der länglichen Kennzeichnung (16; 116) des Rahmenelements hat.

II. Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht sämtliche Merkmale der Patentansprüche 1 und 7. Dies ist zwischen den Parteien – zu Recht – außer Streit, so dass es insoweit keiner weiteren Erläuterungen bedarf.

III.
Die Aussetzung der Verhandlung ist nicht veranlasst. Eine Aussetzung nach § 148 ZPO kommt nur in Betracht, wenn das Klagepatent mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht rechtsbeständig ist. Diese hohe Wahrscheinlichkeit besteht nur dann, wenn das Klagepatent im Stand der Technik neuheitsschädlich vorweggenommen oder die Erfindungshöhe angesichts des vorliegenden Standes der Technik so fragwürdig geworden ist, dass sich ein vernünftiges Argument für die Zuerkennung der Erfindungshöhe nicht finden lässt (BGH GRUR 1987, 284 – Transportfahrzeug). Diese Voraussetzungen liegen vorliegend nicht vor.

Aus dem Vorbringen der Beklagten in der von ihr erhobenen Nichtigkeitsklage ergibt sich nicht, dass der Gegenstand der Patentansprüche 1, 3, 4, 7, 9 und 10 wegen fehlender Neuheit für nichtig erklärt werden wird. An der Neuheit fehlt es nicht etwa deshalb, weil eine angegriffene Ausführungsform, die die patentgemäße Lehre neuheitsschädlich vorwegnimmt, durch die Beklagte offenkundig vorbenutzt wurde.

Denn selbst wenn die von den Beklagten beschriebenen Fenster und Montagewinkel tatsächlich – wie die Beklagten behaupten – bereits im Jahre 1998 an verschiedene Kunden geliefert worden wären, so begründet dies keine Neuheitsschädlichkeit. Die von den Beklagten gelieferte Befestigungslösung unterscheidet sich von der durch das Klagepatent geschützte Lehre dadurch, dass sich bei dem vom Patent geschützten Ausführung die Messskala unmittelbar auf den Montagewinkel befindet und nicht etwa – wie bei den gelieferten Dachfenstern – unbemaßte Nuten an den Rahmenelementen des Dachfensters angebracht sind. Die im Merkmal 3 c) genannte, auf dem Montagewinkel integrierte Messskala ist damit in der nach dem Vortrag der Beklagten vorbenutzten Ausführung nicht offenbart. Nicht neu im Sinne des § 3 PatG ist aber nur das, was ohne Zutun des Erfinders bereits im Stand der Technik zur Verfügung stand oder aus verfügbarem Wissen durch routinemäßige Tätigkeit erwachsen konnte (Busse/Keukenschrijver, PatG, 6. Aufl. 2003, § 3 Rn. 17). Indem der Erfinder der mit dem Klagepatent geschützten Lehre vorgeschlagen hat, eine Messskala unmittelbar am Montagewinkel anzubringen, weicht er vom Stand der Technik ab.

Die Beklagten haben auch nicht hinreichend dargetan, dass sich die Erfindung in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik, insbesondere aus der von ihnen bereits im Jahre 1998 vorgenommenen Vorbenutzung ergeben hat. Zwar gehören zum Stand der Technik auch durch Benutzung der Öffentlichkeit zugänglich gemachte Kenntnisse, soweit diese ihrer Art nach geeignet sind, das Wesen der Erfindung kundbar zu machen und die nicht zu entfernte Möglichkeit eröffnen, dass beliebige Dritte und damit auch Fachkundige zuverlässige, ausreichende Kenntnis von der Erfindung erhalten (BGH GRUR 2001, 1129, 1134 – zipfelfreies Stahlband).

Eine Aussetzung kommt aber wegen der geltend gemachten Vorbenutzung vorliegend schon deshalb nicht in Betracht, weil die Tatsachen, die die behauptete offenkundige Vorbenutzung stützen sollen, nicht lückenlos durch liquide Beweismittel belegt sind. Fehlt es an solchen liquiden Beweismitteln, so bleibt der Aussetzungsantrag ohne Erfolg (Kühnen/Geschke, Die Durchsetzung von Patenten in der Praxis, 2. Aufl. 2005, Rn. 427). Denn eine Beweisaufnahme durch das Verletzungsgericht zur weiteren Klärung des voraussichtlichen Erfolgs der Nichtigkeitsklage als Grundlage für die Aussetzungsentscheidung nach § 148 ZPO kommt nicht in Betracht (OLG Düsseldorf GRUR 1979, 636, 637 – Ventilanbohrvorrichtung). Eine Aussetzung des Verfahrens im Hinblick auf ein im Nichtigkeitsverfahren angetretenen Zeugenbeweis scheidet ebenfalls aus. Denn der Inhalt und die Glaubhaftigkeit der Aussagen der im Nichtigkeitsverfahren zu vernehmenden Zeugen sind derart unvorhersehbar, dass von einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit einer Vernichtung des Patents nicht ausgegangen werden kann. Zwischen den Parteien ist streitig, ob die von der Beklagten zu 1) gelieferten Dachfenster nebst Montagewinkel bereits im Jahr 1998 und damit noch vor dem Prioritätszeitpunkt produziert und geliefert wurden und ob die vorgelegte Einbauanleitung in deutscher, polnischer und niederländischer Sprache bereits im Jahr 1998 gedruckt und an Dritte ausgehändigt wurde. Die Klägerin bestreitet dies in zulässiger Weise mit Nichtwissen gemäß § 138 Abs. 4 ZPO. Die Beklagte kann den ihr obliegenden Beweis der offenkundigen Vorbenutzung nicht durch Urkunden lückenlos belegen. Aus den vorgelegten Lichtbildern ergibt sich nicht, wann die dort abgebildeten Fenster eingebaut wurden, und auch die vorgelegten Einbauanleitungen tragen keine Datumsbezeichnung.

Aber auch dann, wenn man die behauptete Vorbenutzung im Jahre 1998 als zutreffend unterstellt, wird die Erfindungshöhe nicht so fragwürdig, dass sich kein vernünftiges Argument für die Zuerkennung der Erfindungshöhe finden lässt. Die von den Beklagten als naheliegend entgegen gehaltene vorbenutzte Ausführungsform offenbart dem Durchschnittsfachmann eine Möglichkeit, beim Befestigen des Dachfensters die Einbauhöhe dadurch zu regulieren, dass die Montagewinkel mit einem vorbestimmten Halterungsloch an einer von verschiedenen Halterungsnuten befestigt werden. Diese Ausführungsform ermöglicht es aber nicht, vorhandene Dachlatten, deren Dicke dem Benutzer nicht schon vorab bekannt ist, ohne Aufwand auszumessen. Dies leistet dagegen das Klagepatent. Eine in Merkmal 3. c) aufgeführte Messskala fehlt bei der von der Beklagten nach ihrer Behauptung vorbenutzten Ausführungsform vollständig. Es ist nicht ersichtlich, dass es für einen Durchschnittsfachmann nahe lag, zum einen eine solche Messskala vorzusehen und zum anderen diese Skala auch noch unmittelbar auf dem Montagewinkel anzubringen. Eine Aussetzung ist daher nicht geboten.

IV.
Aus der Verwirklichung sämtlicher Merkmale der Ansprüche 1 und 7 ergeben sich die tenorierten Rechtsfolgen. Da die Beklagten widerrechtlich von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch machen, sind sie der Klägerin zur Unterlassung verpflichtet (Art. 64 EPÜ; § 139 Abs. 1 PatG).

Die Beklagten haben der Klägerin außerdem Schadensersatz zu leisten (Art. 64 EPÜ; § 139 Abs. 2 PatG). Denn als Fachunternehmen hätte die Beklagte zu 1), vertreten durch ihren Geschäftsführer, den Beklagten zu 2), die Patentverletzung durch die angegriffene Ausführungsform bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt erkennen und vermeiden können, § 276 BGB. Die Beklagten haften nach § 840 Abs. 1 BGB als Gesamtschuldner.

Die genaue Schadenshöhe steht derzeit noch nicht fest. Da jedoch hinreichend wahrscheinlich ist, dass der Klägerin durch die rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten ein Schaden entstanden ist und dieser von der Klägerin lediglich noch nicht beziffert werden kann, weil sie ohne eigenes Verschulden in Unkenntnis über den Umfang der Benutzungs- und Verletzungshandlungen ist, ist ein rechtliches Interesse der Klägerin an einer Feststellung der Schadensersatzverpflichtung dem Grunde nach anzuerkennen, § 256 Abs. 1 ZPO.

Damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadensersatzanspruch zu beziffern, sind die Beklagten im zuerkannten Umfang zur Rechnungslegung verpflichtet (§§ 242, 259 BGB). Die Klägerin ist auf die zuerkannten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt, und die Beklagten werden durch die von ihnen verlangten Auskünften nicht unzumutbar belastet. Die Beklagten haben schließlich über Herkunft und Vertriebsweg der rechtsverletzenden Erzeugnisse Auskunft zu erteilen, § 140b PatG und diese – wie zuerkannt – zu vernichten, § 140a PatG.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 100 Abs. 4, 709 ZPO.

Streitwert: 300.000,00 Euro