4b O 269/04 – Wellnessgerät II

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 409

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 22. Februar 2005, Az. 4b O 269/04

I. Die Beklagten werden – unter Abweisung der weitergehenden Klage – verurteilt,

1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,– EUR – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt 2 Jahren, zu unterlassen,

Wellnessgeräte in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,

die aus elastischem, insbesondere zu Schwingungen anregbarem Material sind, im Wesentlichen bestehend aus einem stab- bzw. stangenförmigen Gebilde mit einem Griff und Gewichten und/oder an den in Längsrichtung gesehenen Enden des stab- bzw. stangenförmigen Gebildes angeordneten als Gewicht ausgebildeten Schutzvorrichtungen, wobei die Schutzvorrichtungen und/oder die Gewichte austauschbar ausgebildet sind und das die Gewichte und den Griff bildende Material ausreichende Spannkraft besitzt, um diese axial zu fixieren;

2. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu 1. bezeichneten Handlungen seit dem 15. Oktober 2003 begangen haben, und zwar unter Angabe

a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, Lieferzeiten und Lieferpreisen unter Einschluss der Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,

b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, Angebotszeiten und Angebotspreisen unter Einschluss der Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns;

wobei vom Beklagten zu 2) sämtliche Angaben und von beiden Beklagten die Angaben zu d) nur für die Zeit seit dem 18. April 2004 zu machen sind;

wobei den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist.

II. Es wird festgestellt,

1. dass die Beklagte zu 1) verpflichtet ist, der Klägerin für die zu I.1. bezeichneten, in der Zeit vom 15. Oktober 2003 bis zum 17. April 2004 begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen;

2. dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu I.1. bezeichneten, seit dem 18. April 2004 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

III. Die Kosten des Rechtsstreits werden den Beklagten als Gesamtschuldnern auferlegt.

IV. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 250.000,–EUR vorläufig vollstreckbar.

T a t b e s t a n d :

Die Klägerin ist seit dem 15. Oktober 2003 Inhaberin einer ausschließlichen Lizenz (Anlage K 1) an dem Gegenstand des deutschen Patents 101 27 xxx (Klagepatent, Anlage K 3), dessen Anmeldung am 19. Dezember 2002 offengelegt und dessen Erteilung am 18. März 2004 veröffentlicht wurde. Gegen die Patenterteilung wurde u.a. von der Beklagten zu 1) Einspruch erhoben. Das Klagepatent trifft ein Wellnessgerät. Der im vorliegenden Rechtsstreit allein interessierende Patentanspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

Wellnessgerät aus elastischem, insbesondere zu Schwingungen anregbarem Material, im Wesentlichen bestehend aus einem stab- bzw. stangenförmigen Gebilde (1) mit einem Griff (2) und Gewichten (4) und/oder an den in Längsrichtung gesehenen Enden des stab- bzw. stangenförmigen Gebildes (1) angeordneten als Gewicht ausgebildeten Schutzvorrichtungen (3), wobei die Schutzvorrichtung (3) und/oder die Gewichte (4) austauschbar ausgebildet sind und das die Gewichte (4) und den Griff (2) bildende Material ausreichende Spannkraft besitzt, um diese axial zu fixieren.

Die nachfolgenden Abbildungen (Figuren 1 u. 2 der Klagepatentschrift) veranschaulichen den Erfindungsgegenstand anhand eines bevorzugten Ausführungsbeispiels.

Die unter der Geschäftsführung des Beklagten zu 2) stehende Beklagte zu 1) vertreibt unter der Bezeichnung „X“ ein Wellnessgerät. In der Internetwerbung (Anlage K 8 S. 2) der Beklagten zu 1) heißt es auszugsweise wie folgt:

X besteht aus einem Fiberglasstab mit zwei Endgewichten und einem Griffstück. Die beiden Endgewichte und der mittig angebrachte Griff besteht aus einem hautfreundlichen Synthesekautschuk und liegen durch die ergonomische Ausführung sehr gut in der Hand. Durch verschieden starke Durchmesser des Fiberglasstabes erreicht der X unterschiedlich starke Schwingungsverhalten, was zu den Variationen Standard und Fortgeschrittene führt.“

Die Klägerin hat als Anlage K 10 ein Muster eines Stabes der Beklagten zu 1) zur Akte gereicht. Bei diesem sind die stabendseitigen Endgewichte nicht nur auf dem Stab mittels einer Sackbohrung aufgesteckt, sondern auch verklebt. In der mündlichen Verhandlung haben die Beklagten ein weiteres Muster ihres Stabes zur Akte gereicht.

Die Klägerin sieht durch das Verhalten der Beklagten ihre Rechte aus dem Klagepatent verletzt und nimmt sie deshalb auf Unterlassung, Rechnungslegung, Entschädigung und Schadensersatz in Anspruch.

Die Klägerin macht geltend: Der von der Beklagten zu 1) vertriebene X-Stab mache unabhängig davon, dass die Endgewichte zusätzlich verklebt sind, von der technischen Lehre des Klagepatents wortsinngemäß Gebrauch.

Die Klägerin beantragt,

sinngemäß wie erkannt, wobei sie jedoch weitergehend Rechnungslegung und Entschädigung für die Zeit seit dem 19. Januar 2003 verlangt und Entschädigungsansprüche auch gegen den Beklagten zu 2) geltend macht. Ferner begehrt sie Rechnungslegung ohne Einräumung des tenorierten Wirtschaftsprüfervorbehalts.

Die Beklagten beantragen,

1. die Klage abzuweisen;

2. hilfsweise, den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Erledigung des gegen das Klagepatent erhobenen Einspruchs auszusetzen.

Die Beklagten stellen den Vorwurf der Patentverletzung in Abrede und machen geltend: Bei der angegriffenen Ausführungsform sei eine erfindungsgemäße Austauschbarkeit von endseitigen Schutzeinrichtungen nicht gegeben, da die Endgewichte an den Stabenden fest verklebt seien. Allein die Spannkraft sei – schon aus sicherheitstechnischen Gründen – nicht ausreichend, um eine hinreichend feste Verbindung herzustellen. Entferne man die Endgewichte gewaltsam unter erheblichem, nicht erfindungsgemäßem Kraftaufwand, verblieben Material und Kleberückstände in einem Umfang, der ausschließe, die Endgewichte unter Herbeiführung einer sicheren Steckverbindung wieder auf die Stabenden aufstecken zu können. Ersatzgewichte – die von der Beklagten zu 1) auch gar nicht angeboten würden – ließen sich ohne Bearbeitung der Stange nicht aufstecken. Die Antragsfassung der Klägerin sei mit Aufnahme der in Patentanspruch 1 enthaltenen „und/oder“ Formulierung zu weit, da auch Ausführungsvarianten erfasst würden, die von der Beklagten zu 1) nicht vertrieben würden.

Im übrigen – so meinen die Beklagten – werde sich das Klagepatent im anhängigen Einspruchsverfahren als nicht rechtsbeständig erweisen, weshalb der Rechtsstreit zumindest auszusetzen sei.

Die Klägerin tritt dem Aussetzungsantrag entgegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der beiderseitigen Schriftsätze und der mit ihnen vorgelegten Urkunden und Anlagen Bezug genommen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die zulässige Klage ist überwiegend begründet.

Der Klägerin stehen die zuerkannten Ansprüche auf Unterlassung, Rechnungslegung, Entschädigung und Schadensersatz zu, da die Beklagten Wellnessgeräte vertrieben haben, die von der technischen Lehre des Klagepatents wortsinngemäß Gebrauch machen. Unbegründet ist die Klage lediglich, soweit die Klägerin Entschädigung von der Beklagten zu 2) und vor Abschluss des Lizenzvertrages vom 15. Oktober 2003 verlangt und soweit sie Rechnungslegung ohne Einräumung des tenorierten Wirtschaftsprüfervorbehalts begehrt.

I.

Das Klagepatent betrifft ein Wellnessgerät aus elastischem Material, im Wesentlichen bestehend aus einem stab- bzw. stangenförmigen Gebilde.

Derartige kinetische Therapiegeräte sind der Klagepatentschrift zufolge vorbekannt gewesen und dienen der therapeutischen Behandlung von Verspannungen und zur Auflockerung von verspannten Muskelpartien. Ferner werden sie bei neuromuskulären Beeinträchtigungen und Schäden eingesetzt.

Die Klagepatentschrift verweist auf das aus der DE-OS 199 56 957 (Anlage K 5) vorbekannte stabförmige Therapiegerät aus Federstahl und kritisiert daran das hohe Eigengewicht des Geräts, die Verletzungsgefahr bei seiner Verwendung und den durch die Genauigkeitsanforderungen und das hochwertige Material bedingten Kostenaufwand. Die aus dem deutschen Gebrauchsmuster 200 01 973 (Anlage K 6) vorbekannte Aerobicstange aus Fiberglas ist nach den Darlegungen der Klagepatentschrift aufgrund der Größe der Schwingungen und der vorgesehenen Verwendung als Expander nicht zur Behandlung neuromuskulärer Beeinträchtigungen und Schäden geeignet. Auch hier ist das Verletzungsrisiko bedeutend. Schließlich nimmt die Klagepatentschrift auf ein aus der WO 90 04436 (Anlage K 7) vorbekanntes isokinetisches Oszillationsgerät Bezug, welches einen im Querschnitt rechteckigen Grundkörper aufweist, in dessen Zentrum ein Griff befestigt ist und an dem Gewichte angebracht werden können. Die jeweiligen Enden des Grundkörpers können infolge einer teleskopischen Anordnung verstellt werden. Sowohl durch die Teleskopiereinrichtung als auch durch die Befestigung des Griffs an dem Grundkörper ergibt sich der Klagepatentschrift zufolge eine Schwingungscharakteristik, die zur Beeinflussung des neuromuskulären Bereichs nicht problemlos von jedermann nutzbar ist. Die Konstruktion ist materialaufwendig, kompliziert in der Herstellung und besitzt ein relativ hohes Gewicht.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Erfindung nach dem Klagepatent die Aufgabe, ein sicheres Gerät zur Verfügung zu stellen, das die Möglichkeit bietet, im Wellness-, Aerobic-, Sport- und Freizeitbereich gefahrlos eingesetzt werden zu können. Insbesondere soll die Benutzung von jedermann für die Durchführung von Übungen zur Kräftigung der Muskulatur im neuromuskulären Bereich ohne Anleitung eines Therapeuten möglich sein. Das Gerät soll sich durch ein relativ geringes Gewicht und einen unkomplizierten Aufbau auszeichnen und mit geringem Kostenaufwand herstellbar sein. Zur Lösung dieser Aufgabe sieht Patentanspruch 1 die nachfolgende Merkmalskombination vor:

Wellness-Gerät

1. aus elastischem, insbesondere zu Schwingungen anregbarem Material,

2. im Wesentlichen bestehend aus einem stab- bzw. stangenförmigen Gebilde (1),

3. mit einem Griff (2) und

4. Gewichten (4) und/oder Schutzeinrichtungen (3),

4.1 wobei die Schutzeinrichtungen (3) als Gewichte ausgebildet sind

4.2 und an den in Längsrichtung gesehenen Enden des stab- bzw. stangenförmigen Gebildes (1) angeordnet sind,

5. wobei die Schutzvorrichtung (3) und/oder die Gewichte (4) austauschbar ausgebildet sind und das die Gewichte (4) und den Griff (2) bildende Material ausreichende Spannkraft besitzt, um diese axial zu fixieren.

Gemäß den weiteren Darlegungen der Klagepatentschrift können die Schutzvorrichtungen unterschiedliche Gewichte aufweisen. Dadurch lässt sich das Schwingungsverhalten des erfindungsgemäßen Wellnessgeräts variieren, so dass je nach Bedarf eine Erhöhung oder Verringerung der Intensität der Übungen möglich ist (Abs. 0020).

II.

Die Beklagten haben X-Stäbe vertrieben, die von der technischen Lehre des Klagepatents wortsinngemäß Gebrauch machen. Die Parteien streiten – mit Recht – lediglich darüber, ob bei der angegriffenen Ausführungsform die stabendseitigen Schutzvorrichtungen (Endgewichte) austauschbar ausgebildet sind (vgl. Merkmal 5).

Austauschbar ist ein Bauteil, wenn es ohne Beschädigung der Gesamtvorrichtung, dessen Bestandteil es ist, entfernt und durch ein Austauschteil ersetzt werden kann. Dieses Kriterium ist bei der angegriffenen Ausführungsform erfüllt, da der Stab im Falle der Entfernung der Gewichte als solches unbeschädigt bleibt und auf ihn jedenfalls prinzipiell ein anderes Gewicht aufgeschoben werden kann.

Ob Austauschbarkeit weiter voraussetzt, dass auch das auszutauschende Bauteil nicht beschädigt werden darf bzw. wiederverwendbar sein muss, lässt sich nicht abstrakt beantworten, sondern ist nach dem mit der Austauschbarkeit verbunden Erfindungszweck zu beurteilen. Im allgemeinen Teil der Patentbeschreibung (Abs. 0020) wird der Austauschbarkeit der Vorteil zugewiesen, das Gewicht der Schutzvorrichtungen variieren zu können, um das Schwingungsverhalten des Stabes und die Intensität der Trainingsbelastung bei seiner Benutzung zu verändern. Einen anderen Sinn – welchen auch? – kann die Austauschbarkeit vernünftigerweise nicht haben, da die Endgewichte ersichtlich keinem Verschleiß unterliegen, der einen regelmäßigen Austausch notwendig machen würde. Die erfindungsgemäße Austauschbarkeit bildet demgemäß die (noch) dem Gegenstand von Patentanspruch 1 zuzuschreibende Grundlage für die (nur) bevorzugte Erfindungsvariante, unterschiedlich schwere Gewichte für ein und denselben Stab (tatsächlich) vorzusehen (vgl. Unteranspruch 2 sowie Abs. 0029, vorletzter Satz der Klagepatentschrift).

Ausgehend hiervon steht für den Fachmann außer Zweifel, dass die Endgewichte/Schutzvorrichtungen nach dem Austausch wiederverwendbar sein müssen, d.h. infolge des Austauschs nicht in einer Weise beschädigt werden dürfen, dass sie selbst nicht mehr als Austauschmittel eingesetzt und mit dem Stab in erfindungsgemäßer Weise zur erneuten Verwendung verbunden werden können. Bei den Schutzvorrichtungen handelt es sich nicht um Verschleiß- oder sonstige (kostengünstige) Wegwerfartikel. Vielmehr soll die Variation zwischen verschiedenen Gewichten ermöglicht werden. Je nach Bedarf soll der Benutzer auf die mit dem Stab verwendbaren Gewichte zurückgreifen und diese austauschen können, was einschließt, dass die Gewichte als Teil der Gesamtvorrichtung mehrfach verwendbar sein müssen. Anderenfalls käme der Austauschbarkeit in der Anwendung, nämlich der in der Klagepatentschrift hervorgehobenen, den individuellen Benutzerbedürfnissen angepassten flexiblen Veränderbarkeit der Trainingsintensität und des Schwingungsverhaltens, praktisch betrachtet keine Bedeutung zu.

Inwieweit die Größe der Kräfte bzw. Anstrengungen, die zum Entfernen und Aufstecken der Schutzeinrichtungen/Gewichte aufgewandt werden müssen, einer Austauschbarkeit entgegenstehen kann, ist ebenfalls danach zu beurteilen, was die technische Lehre des Klagepatents mit der Austauschbarkeit bezweckt. Danach muss die Verbindung der Schutzvorrichtungen mit dem Stab in einer Weise lösbar sein, dass der (durchschnittliche) Benutzer in die Lage versetzt wird, ihm zur Verfügung stehende Gewichte (unterschiedlicher Schwere) mit dem Stab benutzen und untereinander austauschen zu können. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Austausch leichtgängig oder komfortabel sein muss und solche Verbindungen nicht unter das Klagepatent fallen, die dem Benutzer einige Mühe und Anstrengung beim Austausch abverlangen. Gemäß dem Klagepatent ist zur Befestigung der Schutzeinrichtungen, die als Gewichte ausgebildet sind (Merkmal 4.1) und daher entsprechend den in der Klagepatentschrift gezeigten Ausführungsbeispielen keinen geringeren Anforderungen unterliegen als die zusätzlichen Gewichte (4), eine Spannkraft erforderlich, die so groß sein muss, dass sich die Schutzeinrichtungen beim Gebrauch nicht lösen. Da sie stabendseitig befestigt sind, befinden sie sich am Punkt der größten Schwingungsamplitude und sind in besonderem Maße der (Flieh-)Krafteinwirkung ausgesetzt. Die (reib- bzw. spannschlüssige) Verbindung muss daher schon nach dem Gegenstand der Erfindung zwangsläufig einen bedeutenden Widerstand gegen ein (fliehkraftbedingtes oder manuelles) Abziehen der Schutzreinrichtung bereitstellen. Diese axiale Fixierungskraft vor einem Austausch überwinden zu müssen, kann der Austauschbarkeit von vornherein nicht entgegenstehen, da ihr Vorhandensein der Erfindung, so wie sie in den Ausführungsbeispielen offenbart wird, immanent ist.

Ausgehend von dem als Anlage K 10 vorgelegten Muster der angegriffenen Ausführungsform, welches unstreitig ein von der Beklagten zu 1) vertriebener Gegenstand ist, ist im Entscheidungsfall eine erfindungsgemäße Austauschbarkeit vorhanden:

Die Schutzeinrichtungen lassen sich trotz der Klebeverbindung von Hand entfernen, und zwar am einfachsten und in – auch für den durchschnittlichen Anwender – naheliegender Weise durch ein vom Stabende weg gerichtetes Abdrehen. In umgekehrter Weise lassen sich die Schutzeinrichtungen wieder auf die Stabenden aufschieben. Auch wenn beim erstmaligen Abziehen bzw. Abdrehen in kleinen Teilbereichen Materialpartikel der Schutzeinrichtung auf dem Stab anhaften bleiben, sind die Schutzeinrichtungen wiederverwendbar. Wie der Augenschein zeigt, lassen sich die Schutzeinrichtungen auch ohne Klebewirkung der zerstörten Klebeverbindung weiterhin derart fest und dicht auf den Stab aufschieben bzw. -drehen, dass die Schutzeinrichtungen auch bei intensiver Handhabung des Stabes nicht – auch nicht in geringem Umfang – von den Stabenden gleiten. Ist dem aber so, besitzen die Schutzeinrichtungen die vom Klagepatent vorausgesetzte Spannkraft zur axialen Fixierung an den Stabenden auch ohne den Einsatz von Klebstoff. Da sich die Klebeverbindung lösen lässt, ohne die Wiederverwendbarkeit der Schutzreinrichtungen aufzuheben, stellt die Verwendung von Kleber eine patentrechtlich irrelevante zusätzliche Maßnahme dar. Dass sich die Anwender wegen der Klebeverbindung ggf. abgehalten sehen werden, die Schutzeinrichtungen tatsächlich auszutauschen, ist unerheblich, da für die Verwirklichung von Patentanspruch 1 bereits die objektive Möglichkeit ausreicht, die Schutzeinrichtungen austauschen zu können. Aus dem gleichen Grund spielt es auch keine Rolle, dass die Beklagten zu ihren Stäben keine Austauschgewichte anbieten.

Ferner sind die Kräfte bzw. Anstrengungen, die man unternehmen muss, um die Schutzeinrichtungen – auch noch im verklebten Zustand – abziehen bzw. abdrehen zu können, nicht dergestalt, dass sie eine Austauschbarkeit durch den Anwender in praktischer Hinsicht ausschließen. Es ist zwar bis zu einem gewissen Grade mühsam, zeitaufwendig und bedarf einer nicht ganz unerheblichen Kraftanstrengung, um den zwischen Stabende und Schutzeinrichtung wirkenden Spann- und Reibwiderstand zu überwinden. Dies nimmt – wie bereits ausgeführt – die Erfindung nach dem Klagepatent jedoch in Kauf, da dieser Widerstand für eine sichere axiale Fixierung der Schutzeinrichtungen notwendig ist, und steht der Patentverletzung daher nicht entgegen. Die Klebeverbindung hindert – wie der Augenschein belegt – das Abziehen bzw. –drehen nicht in einer erheblich darüber hinaus gehenden Weise, die als relevant angesehen werden könnte. Dass an dem als Anlage K 10 vorgelegten Musterstab und der Verbindung der Endgewichte nachträglich Manipulationen vorgenommen worden sind, ist nicht ersichtlich.

Soweit die Beklagten in genereller Hinsicht in Frage stellen, ob ohne Klebeverbindung und bei mehrfach durchgeführtem Austausch der Gewichte ein den sicherheitstechnischen Anforderungen gerecht werdender Halt der Gewichte beim Gebrauch des Fitneßstabes gewährleistet werden kann, kann dies einer Patentverletzung schon deshalb nicht entgegenstehen, weil es sich um eine Problematik handelt, die sich zwangsläufig aus der technischen Lehre des Klagepatents ergeben würde, dieser gleichsam immanent wäre und deshalb aus Sicht des Fachmanns vom Klagepatent (stillschweigend) in Kauf genommen würde. Eine andere Betrachtung hätte die nicht zu rechtfertigende Konsequenz, dass das Klagepatent praktisch betrachtet keinen Schutzbereich aufwiese.

III.

1.
Aufgrund des festgestellten Verletzungstatbestandes sind die Beklagten der Klägerin, die insoweit als ausschließliche Lizenznehmerin aktivlegitimiert ist, im zuerkannten Umfang gemäß § 139 Abs. 1 PatG zur Unterlassung verpflichtet.

Die Übernahme des Wortlauts von Patentanspruch 1 in den Unterlassungstenor zu Kennzeichnung der angegriffenen Ausführungsformen ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht im Hinblick auf die Verwendung der “und/oder“ Formulierungen für Schutzeinrichtungen und Gewichte zu beanstanden. Zwischen einem (endseitig) aufgesteckten Gewicht und einer als Gewicht ausgebildeten Schutzeinrichtung besteht patentrechtlich kein Unterschied. Wie der Fachmann Abs. 0031 der Klagepatentschrift entnimmt, ist ein Unterschied zwischen als Gewichten ausgebildeten Schutzkappen und Gewichten lediglich darin zu sehen, dass “bei der Ausführung als Gewicht 4 eine durchgehende Bohrung vorgesehen ist, während bei der Ausführung als Schutzkappe die Bohrung bevorzugt nicht als Durchgangsbohrung ausgebildet ist“ (vgl. auch Unteransprüche 3 u. 4). Wenn sich Schutzkappe und Gewichte jedoch nur hierdurch unterscheiden, liegt für den Fachmann auf der Hand, dass ein Gewicht ohne weiteres die Stelle der Schutzkappe einnehmen kann, da es aufgrund seiner Durchgangsbohrung an sämtlichen Stellen des Stabes und damit auch an seinen Endbereichen in Übernahme der Funktion einer Schutzeinrichtung aufgezogen werden kann. Da das Fehlen einer Durchgangsbohrung zudem nur eine bevorzugte Eigenschaft der Schutzkappe ist, was im Umkehrschluss heißt, dass Schutzkappen mit Durchgangsbohrungen auch erfindungsgemäß sind, besteht in diesem Fall zwischen Gewicht und als Gewicht ausgebildeter Schutzeinrichtung überhaupt kein Unterschied mehr, so dass auch von daher nicht zu beanstanden ist, die beiden für die Verwendung als Schutzkappe gleichwertigen Bauteile in ein Alternativverhältnis zu stellen.

Schließlich stellt es nur eine bevorzugte Variante dar, zu den Schutzeinrichtungen zusätzlich Gewichte vorzusehen. Insoweit ist der Unterlassungsantrag der Klägerin nicht anders als ein nur “insbesondere“ geltend gemachtes Merkmal zu behandeln, welches die Reichweite des Unterlassungstenors nicht berührt.

2.
Da die Beklagten zumindest fahrlässig gehandelt haben, sind sie der Klägerin gemäß § 139 Abs. 2 Satz 2 PatG zum Schadensersatz verpflichtet. Der Entschädigungsanspruch folgt aus § 33 Abs. 1 PatG. Dieser steht der Klägerin jedoch nur gegen die Beklagte zu 1) und nur für die Zeit ab Vergabe der ausschließlichen Lizenz (15. Oktober 2003; vgl. auch § 22 des Lizenzvertrages) zu. Der Entschädigungsanspruch besteht stets nur gegenüber dem Benutzer, nicht aber auch gegenüber dessen Vertretungsorgan (z.B. Geschäftsführer), welches den Gegenstand der Patentanmeldung selbst nicht benutzt hat (vgl. BGH GRUR 1989, 411, 413 – 0ffenend-Spinnmaschine). Vor Geltung der ausschließlichen Lizenz stehen Entschädigungsansprüche nur der Patentinhaberin zu.

3.
Die Entschädigungs- und Schadenshöhe ist derzeit ungewiss. Die Klägerin hat daher ein berechtigtes Interesse daran, dass die Entschädigungs- und Schadensersatzhaftung zunächst dem Grunde nach gemäß § 256 Abs. 1 ZPO festgestellt wird. Damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, ihre Ansprüche auf Entschädigung und Schadensersatz zu beziffern, haben die Beklagten im zuerkannten Umfang Rechnung über ihre Benutzungshandlungen zu legen (§§ 242, 259 BGB; § 140b PatG). Hinsichtlich der nicht gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger ist den zur Klägerin in einem Wettbewerbsverhältnis stehenden Beklagten nach der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Düsseldorf allerdings – auch von Amts wegen – ein Wirtschaftsprüfervorbehalt einzuräumen (OLG Düsseldorf InstGE 3, 176 – Glasscheibenbefestiger).

4.
Dass bei dem von den Beklagten in der mündlichen Verhandlung überreichten Muster eines X-Stabes die Endgewichte derart fest verklebt oder sonst in einer Weise zusätzlich befestigt sind, dass sie sich nicht unter vertretbarem Kraftaufwand abdrehen bzw. abziehen lassen und ggf. nicht zerstörungsfrei entfernen lassen, ist für den Rechtsfolgenausspruch unerheblich, da insoweit bereits ausreicht, dass die Beklagte zu 1) (auch) X-Stäbe entsprechend dem patentverletzenden Muster gemäß Anlage K 10 vertrieben hat.

IV.

Eine Aussetzung des Rechtsstreits gemäß § 148 ZPO kommt nicht in Betracht.

1.
Dass in den Merkmalen 4 und 5 von Patentanspruch 1 Gewichte und Schutzeinrichtungen nicht nur kumulativ, sondern auch alternativ nebeneinander gestellt werden, beinhaltet keine unzulässige Erweiterung in Vergleich zum Offenbarungsgehalt der Offenlegungsschrift der Patentanmeldung. Absatz 0031 der Offenlegungsschrift stimmt mit dem bereits oben unter III.1. abgehandelten Absatz gleicher Ziffer der Klagepatentschrift überein. Wie dargelegt wurde, besteht danach aus Sicht des Fachmanns zwischen Gewicht und als Gewicht ausgebildeter Schutzeinrichtung in patentrechtlicher Hinsicht kein Unterschied, da es sich um für die Verwendung als Schutzeinrichtung gleichwertige Bauteile handelt. Diese in ein Alternativverhältnis zu stellen, kann den Schutzbereich von vornherein nicht erweitern.

Entgegen der Auffassung der Beklagten folgt ferner auch nicht daraus eine unzulässige Erweiterung, dass nach Patentanspruch 1 Schutzeinrichtungen und Gewichte austauschbar sind, ohne dass die austauschbaren Schutzvorrichtungen entsprechend Unteranspruch 11 und Sp. 3 Z. 9-12 der Offenlegungsschrift zugleich unterschiedliche Gewichte aufweisen müssen. Wie der Fachmann Sp. 5 Z. 4-10 der Offenlegungsschrift (Abs. 0029) entnimmt, ist auch die isolierte Austauschbarkeit offenbart, da die Verwendung unterschiedlicher Gewichte dort nur als besonders bevorzugt bezeichnet wird.

2.
Das von der Beklagten zu 1 im Einspruchsverfahren zur Begründung der Schutzunfähigkeit herangezogene Gebrauchsmuster DE 299 20 792 (Teil des Anlagenkonvoluts B 1) entspricht der im Erteilungsverfahren berücksichtigten und im Klagepatent (Abs. 0005/0006) ausführlich gewürdigten DE-OS 199 56 957 (Anlage K 4), was schon für sich einen Widerruf des Klagepatents nicht überwiegend wahrscheinlich erscheinen lässt. Im Übrigen zeigt die Entgegenhaltung auch keinen Griff sowie Schutzeinrichtungen oder Gewichte oder legt solche offenkundig nahe, die aus Material gebildet sind, welches im Sinne von Merkmal 5 schon von sich aus eine ausreichende Spannkraft besitzt, um axial fixierend zu wirken. Das Gebrauchsmuster DE 299 20 792 offenbart vielmehr eine von der Spannkraft des Materials unabhängige Fixierung mittels Feststellschrauben oder einer Gewindeverbindung (vgl. S. 2/3 der Gebrauchsmusterschrift bzw. Sp. 1 Z. 44 ff der DE-OS 199 56 957).

Ferner erscheint es nicht frei von einer unzulässigen rückschauenden Betrachtung, wenn die Beklagte zu 1) aus der Kombination des Gebrauchsmusters DE 299 20 792 mit dem US-Patent 5 147 262 (Anlage B 5) die fehlende Erfindungshöhe begründen will. Beide Druckschriften stellen spezielle Lösungen für einen Fitneßstab vor, von denen nicht ersichtlich ist, weshalb der Fachmann in Unkenntnis der Erfindung Anlass haben sollte, einzelne Elemente auf den jeweils anderen Stab zu übertragen. Der Gegenstand der US-Schrift entspricht dem Gegenstand der WO 90/04436 (Anlage K 6), welche im Erteilungsverfahren berücksichtigt und in der Patentbeschreibung (Abs. 0009) gewürdigt worden ist. Die Entgegenhaltung offenbart auch nicht in offenkundiger Weise einen Griff und Gewichte, die allein aufgrund der Spannkraft des Materials axial fixierbar sind. Soweit die Beklagte zu 1) – unter Bezugnahme auf den Bescheid (Anlage B 7) des Prüfers im europäischen Patentanmeldungsverfahren zu EP 1 266 676 (Anlage B 6) – auf Sp. 6 Z. 56-62 des US-Schrift verweist, lässt sich auch dieser Beschreibungsstelle nicht in eindeutiger Weise entnehmen, dass die in Fig. 8 der Druckschrift dargestellten Gewichte 74 allein aufgrund der Spannkraft ihres Materials axial so fixierbar sind, dass sie als Schutzeinrichtungen oder Endgewichte verwendet werden können. Dies zeigt sich schon darin, dass die Gewichte 74 in Fig. 8 gerade nicht als Schutzvorrichtungen bzw. Endgewichte vorgesehen sind, die das Stabende abschließen und sich daher am Punkt der größten Schwingungsamplitude befinden. Schließlich haben die Beklagten die englischsprachige US-Schrift entgegen der Auflage der Kammer im frühen ersten Termin vom 31. August 2004 nicht in deutscher Übersetzung vorgelegt, was schon für sich rechtfertigen würde, die Druckschrift im Rahmen der Beurteilung des Aussetzungsantrags unberücksichtigt zu lassen.

V.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Zuvielforderung der Klägerin ist verhältnismäßig geringfügig und hat keine besonderen Kosten veranlasst.

Die Anordnungen zur Sicherheitsleistung und vorläufigen Vollstreckbarkeit folgen aus §§ 709, 108 ZPO.

Der Streitwert beträgt 250.000,– EUR.