4a O 491/05 – Presseerklärung auf dem Messestand

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 380

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 20. Dezember 2005, Az. 4a O 491/05

I.
Auf den Widerspruch der Antragsgegnerin wird die einstweilige Verfügung des Landgerichts Düsseldorf vom 21. Oktober 2005 – 4a O 491/05 – im Kostenpunkt (Ziffer III.) dahin abgeändert, dass der Antragstellerin die Verfahrenskosten auferlegt werden.

II.
Die weiteren Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.

T a t b e s t a n d :

Die Antragstellerin und der A-Konzern, zu welchem die Antragsgegnerin als deutsche Gesellschaft gehört, sind weltweit tätige Medizintechnik-Unternehmen. Sie fertigen und vertreiben unter anderem Navigationssysteme für die computerunterstützte Chirurgie. Auf der Grundlage der US-Patente 4 722 xxx, 5 383 xxx, 5 389 xxx und 5 603 xxx erhob die A-Gruppe im Jahre 1998 gegen die Antragstellerin Klage vor dem US-District Court for the District of Colorado mit der Behauptung, die B würden die genannten Schutzrechte verletzen. Am 30. September 2005 entschied die Jury, dass die Antragstellerin an A wegen Patentverletzung eine angemessene Lizenzgebühr in Höhe von 51 Millionen Dollar zu zahlen habe. Das Urteil wurde bisher nicht formell ausgefertigt. Das Urteil betrifft lediglich die Rechtslage in den USA. In anderen Ländern, insbesondere in Deutschland, sind keine parallelen Prozesse anhängig.

Mit Rundschreiben vom 11. Oktober 2005, von welchem die Antragstellerin eine Ablichtung als Anlage EVK 7 zur Gerichtsakte gereicht hat, wies die Antragsgegnerin darauf hin, dass die Antragstellerin zu einer Schadensersatzzahlung in Höhe von 51 Millionen US-Dollar an A-Navigation verurteilt worden sei und dass mit jedem Verkauf eines B Navigationssystems Patente von A verletzt würden. Die Unterlassung von diesem Rundschreiben entsprechenden Behauptungen war Gegenstand eines parallelen einstweiligen Verfügungsverfahrens vor der Kammer (Az. 4a O 485/05). Mit einstweiliger Verfügung vom 19. Oktober 2005 wurden der Antragsgegnerin in jenem Verfahren Behauptungen des zitierten Inhalts untersagt, weil die Antragsgegnerin mit ihnen den unzutreffenden Eindruck erweckte, die Patentrechtssituation sei – auch in der Bundesrepublik Deutschland – gerichtlich geklärt.

Gegenstand des vorliegenden Verfahrens war die Verwendung einer englischsprachigen Presseerklärung vom 30. September 2005 auf dem Messestand der Antragsgegnerin auf der in Berlin vom 1. bis 21.10.2005 stattfindenden Medizintechnikmesse „1. Gemeinsamer Kongress Orthopädie und Unfallchirurgie, 91. Tagung der Gesellschaft für Orthopädie und orthopädische Chirurgie e.V. (DGOOC) sowie 69. Jahrestagung der deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie e.V. (DGO)„. Dort brachte die Antragsgegnerin die genannte Presseerklärung in einer Größe von ca. 1,20 m x ca. 0,80 m unmittelbar neben ihrem Gerät zum Aushang. Mit einstweiliger Verfügung vom „21. Oktober 2004„ (richtig: 21. Oktober 2005) ist der Antragsgegnerin auch die Verbreitung dieser Presseerklärung im geschäftlichen Verkehr mit Navigationssystemen für die computerunterstützte Chirurgie untersagt worden.

Gegen die einstweilige Beschlussverfügung hat die Antragsgegnerin mit einem am 28. Oktober 2005 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Kostenwiderspruch eingelegt, mit dem sie geltend macht, von der Antragstellerin nicht abgemahnt worden zu sein.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die einstweilige Verfügung vom 21. Oktober 2005 im Kostenausspruch abzuändern und die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens der Antragstellerin aufzuerlegen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze und der zur Gerichtsakte gereichten Anlagen Bezug genommen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

I.

Weil die Antragsgegnerin ihren Widerspruch ausdrücklich auf die Kostenentscheidung beschränkt hat, steht die Berechtigung der gegen sie ergangenen Beschlussverfügung fest. Obwohl die Antragsgegnerin damit als in der Sache unterlegene Partei anzusehen ist, trifft sie – entgegen der allgemeinen Vorschrift des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO – die Kostenlast nicht, weil sie die Unterlassungsverfügung sofort anerkannt hat, ohne der Antragstellerin durch ihr vorheriges Verhalten Veranlassung zur Anbringung eines gerichtlichen Verfügungsantrages gegeben zu haben. Gemäß § 93 ZPO – der auch im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes anwendbar ist (Zöller/Herget, ZPO, 23. Aufl., § 93 Rdnr. 6, Stichwort: Einstweilige Verfügung) – ist vielmehr die Antragstellerin verpflichtet, die Verfahrenskosten zu tragen, obwohl sie in der Sache obsiegt hat.

Die Antragstellerin hat nicht in Zweifel gezogen, dass das Anerkenntnis der Antragsgegnerin „sofort„ im Sinne des § 93 ZPO erfolgt ist. Auch hat die Antragstellerin nicht dargetan, dass die Antragsgegnerin Veranlassung zur gerichtlichen Durchsetzung ihres Unterlassungsanspruches im einstweiligen Verfügungsverfahren gegeben habe. Veranlassung zur Beantragung einstweiliger Verfügungen gibt der in Anspruch Genommene dann, wenn sein Verhalten vor Prozessbeginn gegenüber der klagenden beziehungsweise antragstellenden Partei so war, dass diese annehmen musste, sie werde ohne die Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe nicht zu ihrem Recht kommen. In wettbewerbs- und markenrechtlichen Unterlassungsfällen ist dies in der Regel erst dann der Fall, wenn der in Anspruch Genommene auf eine Abmahnung nicht oder negativ reagiert hat (OLG Düsseldorf, GRUR 1991, 479f.). Eine Abmahnung ist allerdings entbehrlich, wenn sie aus der Sicht des Antragstellers zu der Zeit, zu der er entscheiden muss, ob er im jeweiligen Einzelfall abmahnt oder dies unterlässt, bei Anlegung eines objektiven Maßstabs unzumutbar ist (OLG Düsseldorf, InstGE 2, 237 Rn. 3). Im vorliegenden Fall hat die Antragstellerin nicht dargetan, dass und warum eine vorherige Abmahnung der Antragsgegnerin nicht zumutbar gewesen sein sollte. Die bloße Eilbedürftigkeit, wie sie etwa im Fall einer Verletzung im Zuge eines Messeauftritts gegeben ist, macht eine Abmahnung noch nicht unzumutbar. Vielmehr ist es dem Gläubiger eines Unterlassungsanspruchs auch in diesen Fällen zuzumuten, den Verletzer unter Setzung einer der Situation angemessenen kurzen Frist – sei es mündlich am Messestand – abzumahnen. Schließlich durfte die Antragstellerin nicht davon ausgehen, eine Abmahnung sei von vornherein zwecklos. Die Antragstellerin ist dem Vortrag der Antragsgegnerin, den Aushang der vergrößerten Pressemitteilung bereits unmittelbar nach Zustellung der einstweiligen Verfügung vom 19. Oktober 2005 (LG Düsseldorf, Az. 4a O 485/05) am 20. Oktober 2005 vom Messestand entfernt zu haben, nicht entgegengetreten. Damit war aber auch zu erwarten, dass die Antragsgegnerin dies in gleicher Weise aufgrund einer Abmahnung durch die Antragstellerin vorgenommen hätte. Es ist daher nicht ersichtlich, aus welche Grunde die Antragstellerin ausnahmsweise davon hätte ausgehen dürfen, sie bedürfe zu einer effektiven Durchsetzung ihres Unterlassungsanspruchs der unmittelbaren Anrufung des Gerichts ohne eine vorherige Abmahnung der Antragsgegnerin.

II.

Die Entscheidung zu den weiteren Verfahrenskosten beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

III.

Der Streitwert für das einstweilige Verfügungsverfahren wird wie folgt festgesetzt:
– bis zum 28. Oktober 2005: 250.000,00 €,
– sodann: Kosteninteresse.