Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 13. Dezember 2005, Az. 4b O 240/05
I.
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 653,25 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.8.2002 aus einem Betrag in Höhe von 233,28 € und seit dem 21.8.2004 aus einem Betrag in Höhe von 419,97 € zu zahlen.
II.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.
III.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 1.200,00 € abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicherr Höhe leistet.
IV.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 653,25 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin macht für verschiedene Sortenschutzinhaber und Inhaber von ausschließlichen Nutzungsrechten an Sortenschutzechten die diesen zustehenden Auskunfts-, Zahlungs- und Schadenersatzansprüche im Zusammenhang mit dem von Landwirten durchgeführten Nachbau von geschützten Pflanzensorten geltend.
Zu ihren Gesellschaftern gehören die A GmbH (nachf.: A) und die. B & Co. (nachf.: B). Die SW C GmbH (nachf.: SW C) ist Mitglied des Bundesverbandes Deutscher Pflanzenzüchter, der seinerseits Gesellschafter der Klägerin ist.
In den Jahren 1997 bis 2000 bestanden für die Winterweizensorte „X1“ zugunsten der A, für die Winterweizensorte „X2“ zugunsten der SW C und für die Winterweizensorte „X3“ zugunsten der B Sortenschutz nach den Bestimmungen des SortG bzw. der GemSortV.
Der Beklagte ist Landwirt und Inhaber der Z Gutsverwaltung. Er hat in den Vegetationsperioden 1997/98, 1998/99 und 1999/00 bei der Firma D Landhandel Saatgut aufbereiten lassen. Die jeweiligen Mengen wurden der Klägerin durch die aufbereitende Firma mitgeteilt. Nach diesen Mitteilungen wurden für die Vegetationsperiode 1997/98 4.800 kg Weizen der Sorten „X1“ und „X2“, für die Vegetationsperiode 1998/99 3.600 kg „X1“, 1.800 kg „X2“ und 1.250 kg „X3“ sowie für die Vegetationsperiode 1999/2000 2.500 kg „X1“ aufbereitet.
Die Klägerin behauptet, der Beklagte habe die ihr von dem Aufbereiter mitgeteilten Weizensorten für den Nachbau verwendet. Die auf den entsprechenden Belegen handschriftlich hinzugefügten Sortenbezeichnungen seien von der Aufbereiterfirma zutreffend notiert worden. Unter der Anschrift XY seien jährlich Auskunftsersuchen an den Beklagten gesandt worden, auf die keine Reaktionen erfolgt seien. Nach der Mitteilung des Aufbereiters seien dem Beklagten die als Anlagenkonvolut K 3 zur Akte gereichten Auskunftsersuchen unter dem 4.6.2002 und 14.10.2003 zugesandt worden, in denen der Beklagte darauf hingewiesen worden sei, dass ihr die dort bezeichneten (und oben dargestellten) Mengen an Nachbaussatgut benannt worden seien. Nachdem der Beklagte auch auf diese Schreiben, die ihm allesamt zugegangen seien, nicht reagiert habe, seien ihm in der Folge die als Anlagenkonvolut K 2 zur Akte gereichten Rechnungen übersandt worden.
Das aufbereitete Saatgut könne aufgrund der Beize des Getreides nur für den Nachbau verwendet werden. Eine andere Verwendung scheide aus, und etwaig nicht verwendetes Getreide müsse entsorgt werden.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, wie erkannt.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er bestreitet, von der Klägerin irgendwelche Auskunftersuchen erhalten zu haben. Zudem könne die jeweilige handschriftliche Sortenangabe auf den Lieferscheinen des Aufbereiters nicht nachvollzogen werden. Er, der Beklagte, sei nicht in der Lage das Saatgut zu bestimmen. Das von ihm verwendete Saatgut habe er spätestens 1996 erworben. Zu dieser Zeit sei in dem Kaufpreis bereits die Lizenzgebühr für den Nachbau enthalten gewesen, weswegen es ihm freigestanden habe, dieses in den Folgejahren immer wieder auf-bereiten zu lassen. Schließlich könne aufbereitetes Saatgut nicht ausschließlich für den Nachbau verwendet werden.
Etwaig bestehende Ansprüche der Sortenschutzinhaber seien jedenfalls verjährt
Wegen des Sach- und Streitstandes im übrigen wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie der zu den Akten gereichten Unterlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klägerin kann von dem Beklagten Schadenersatz in Höhe von 653,25 € wegen verhehlten Nachbaus der für ihre Gesellschafterinnen A GmbH und B sowie für die SW C in den Wirtschaftsjahren 1997/1998, 1998/1999, 1999/2000 sortenschutzrechtlich geschützten Winterweizensorten mit den Bezeichnungen „X2“, „X1“ und „X3“ gem. Art. 94 Abs. 2 GemSortV verlangen.
Der Beklagte hat Nachbau betrieben. Er hat Ernteerzeugnisse von unter Sortenschutz fallenden Getreidesorten wiederaufbereiten lassen, um diese als Saatgut für Vermehrungszwecke in seinem eigenen Betrieb zu verwenden. Dies wird von ihm nicht hinreichend in Abrede gestellt. Soweit der Beklagte anführt, was –entgegen dem Tatsachenvortrag der Klägerin- mit aufbereitetem Saatgut geschehen kann, ist dies nicht als Bestreiten der Tatsache anzusehen, dass er das von ihm –unbestritten- aufbereitete Saatgut für den Nachbau verwendet hat. Dass er dieses aufbereitete Getreide nicht zur Aussaat gebracht oder stattdessen zur Wildfütterung verwendet hat, wird von ihm nicht behauptet. Er weist insoweit nur auf andere –denkbare- Verwendungsmöglichkeiten hin.
Das Recht, Nachbau zu betreiben, steht grundsätzlich (vgl. Art. 13 Abs. 1 und 2 GemSortV) ausschließlich dem Sortenschutzinhaber zu. Jedoch sieht Art. 14 Abs. 1 GemSortV hierfür eine Ausnahme für Landwirte vor, die ohne Erlaubnis des Sortenschutzinhabers Erntegut, das sie in ihren Betrieben erzeugt haben, dort wieder als Vermehrungsmaterial verwenden. Diese Privilegierung greift jedoch nur solange ein, wie der Landwirt seinen in dem Absatz 3 festgelegten Verpflichtungen nachkommt. Absatz 3, sechster Spiegelstrich des Art. 14 GemSortV sieht hierbei für Landwirte, die Nachbau betreiben, die Verpflichtung vor, den Sortenschutzinhabern auf Antrag relevante Informationen mitzuteilen. Nach der Rechtsprechung des EuGH besteht diese Verpflichtung aber nur dann, wenn der Sortenschutzinhaber sein Auskunftsbegehren mit Anhaltspunkten für einen Nachbau geschützter Sorten durch den Landwirt versieht.
Diese Voraussetzung ist vorliegend erfüllt. Die Klägerin hat mit den als Anlagenkonvolut K 3 überreichten Schreiben vom 4.6.2002 und 14.10.2003 darauf hingewiesen, dass ihr die dort näher angegebenen Sorten und Mengen an Nachbausaatgut benannt worden seien, die für den Beklagten im jeweils zur Rede stehenden Wirtschaftsjahr aufbereitet wurden.
Es ist vorliegend davon auszugehen, dass dem Beklagten diese Auskunftsersuchen auch zugegangen sind. Die Klägerin hat unwidersprochen vorgetragen, dass die Schreiben von ihr zur Post aufgegeben wurden. Die Frage, welche Betriebsnummern auf diesen Schreiben angeführt waren, ist für die Entscheidung ohne Belang, da für die postalische Versendung alleine die Adressierung maßgeblich ist.
Ausweislich der zur Akte gereichten Kopien der Auskunftsersuchen sind diese jeweils nicht an den Beklagten persönlich adressiert worden, sondern an die „XY“, deren Inhaber der Beklagte ist. Dass diese Schreiben in seinem Betrieb eingegangen sind, wird von dem Beklagten nicht hinreichend bestritten. In seinem Schriftsatz vom 25.11.2005 hat er vortragen lassen, dass gegebenenfalls diese Schreiben an seinen Sohn, Herrn Michael H gelangt seien, der – da dieser selber keinen Nachbau betrieben habe- diese auch nicht an die Klägerin habe zurückreichen müssen. Mit diesem Tatsachenvortrag ist es jedoch nicht als bestritten anzusehen, dass die Schreiben in die Gutsverwaltung und somit in den Herrschaftsbereich des Beklagten gelangt sind. Als Inhaber dieser Verwaltung hat der Beklagte die organisatorischen Vorkehrungen zu treffen, dass ihn angehende Schreiben auch an ihn gelangen und nicht von Dritten –wie hier seinem Sohn- zurückgehalten bzw. nicht bearbeitet werden. Somit ist von einem Zugang auszugehen.
Gleichwohl hat der Beklagte die geschuldeten Auskünfte nicht erteilt. Soweit er die in den Mitteilungen des Aufbereiters angeführten Sortenangaben bestreitet, ist dieses Bestreiten unbeachtlich. Die Klägerin hat substantiiert vorgetragen, dass die Aufbereiterfirma der Saatgutaufzeichnungsverordnung entsprechend die Sortenbezeichnungen zutreffend aufgezeichnet hat. Es hätte dem Beklagten bei diesem Tatsachenvortrag oblegen, vollständig und wahrheitsgemäß vorzutragen (§ 138 Abs. 1 ZPO), welche Sorten er statt dessen bei der Aufbereitung abgeliefert habe und welche Bezeichnungen dem Aufbereiter mitgeteilt worden sind. Es widerspricht jeglicher Lebenserfahrung, dass der Beklagte als Landwirt nicht weiß, welche Fruchtsorten er auf seinem Boden ausbringt. Dies bereits vor dem Hintergrund, dass er für einen späteren Absatz der Ernte wissen muß, was er an seine Abnehmer veräußert.
Hat der Beklagte somit die Bedingungen für die Wirksamkeit der Ausnahmeregelung des Art. 14 Abs. 1 GemSortV nicht erfüllt, ist er dem jeweiligen Sortenschutzinhaber zum Ersatz des diesem entstandenen Schadens verpflichtet; Art. 94 Abs.2 GemSortV. Dieser besteht darin, dass er für den betriebenen Nachbau nicht die Lizenzgebühr erhalten hat, die er hätte erhalten können. Nach dem unbestritten gebliebenen Vortrag der Klägerin errechnet sich unter Zugrundelegung der in dem Anlagenkonvolut K 2 angegebenen Mengen und Z-Lizenzgebühren eine Gesamtforderung in Höhe von 653,25 €.
Der Einwand des Beklagten, er habe ohne Auskunfts- bzw. Kostenpflicht Nachbau betreiben dürfen, da er das in Rede stehende Getreide bereits 1996 erworben habe, steht vorliegend einer Schadenersatzverpflichtung nicht entgegen. Nach Art. 116 Abs. 4 zweiter Spiegelstrich GemSortV ist für eine Ausnahme der Zahlungsverpflichtung des Landwirtes gem. Art. 14 GemSortV Voraussetzung, dass die geschützte Sorte bereits vor Inkrafttreten dieser Verordnung erworben wurde. In Kraft getreten ist die Verordnung jedoch am 2.9.1994 (vgl. Art. 118 GemSortV), so dass ein Erwerb des geschützten Getreides im Jahr 1996 den Beklagten nicht von seinen Verpflichtungen befreien kann.
Der geltend gemachte Anspruch ist auch nicht verjährt. Nach Art. 96 Gem SortV verjähren Ansprüche wegen Verletzung eines Sortenschutzrechtes innerhalb von drei Jahren. Die Frist beginnt von dem Zeitpunkt an zu laufen, in dem der Berechtigte von der Verletzung und der Person des Verpflichteten Kenntnis erlangt. Da die Klägerin vorliegend Schadenersatzansprüche wegen verhehlten Nachbaus geltend macht, ist Voraussetzung für den Lauf der Verjährungsfrist die positive Kenntnis der den Schadenersatz begründenden Tatbestandsmerkmale. Hierzu gehört, wie oben ausgeführt, dass der Nachbau betreibende Landwirt auf ein qualifiziertes Auskunftsersuchen hin keine Auskünfte erteilt. Die entsprechenden Auskunftersuchen stammen aus den Jahren 2002 bzw. 2003. Frühestens nach Ablauf der dort gesetzten Fristen konnte die Klägerin davon ausgehen, dass Auskünfte nicht erteilt werden sollten. Der die Verjährung unterbrechende Mahnbescheid wurde am 29.12.2004 erlassen, also in unverjährter Zeit.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 288 BGB, da der Beklagte sich mit der Klageforderung seit den aus dem Tenor ersichtlichen Zeitpunkten in Verzug befand.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Anordnung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.