4a O 213/10 – Fahrradschaltvorrichtung

Düsseldorfer Entscheidung Nr.:  1856

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 13. März 2012, Az. 4a O 213/10

I. Die Beklagten werden verurteilt,

1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu verhängenden Ordnungsgeldes von bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten, oder Ord-nungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungs-haft bis zu 2 Jahren, zu vollziehen an den jeweiligen Ge-schäftsführern der Beklagten, zu unterlassen,

eine Fahrradschaltsteuervorrichtung, welche einen Schaltmechanismus über ein Schaltsteuerkabel betätigt,

in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen,

wobei die Schaltsteuervorrichtung umfasst:

– eine Montageklammer zur Montage der Schaltsteuervorrichtung an der Lenkstange, wobei die Montageklammer eine ringförmige Montagehülse aufweist, welche eine Lenkstangenmontageachse definiert;

– einen Steuerkörper, drehbar bezüglich einer Achse (X) zum Steuern des Schaltsteuerkabels, wobei die Achse (X) im Wesentlichen rechtwinklig zur Lenkstangenmontageachse ist;

– einen Linearschaltkörper mit einem Anschlag in einer Position beabstandet von dem Steuerkörper und gekoppelt bezüglich der Schaltsteuervorrichtung zur linearen Versetzung zwischen einer Ausgangs- oder Ruheposition und einer Schaltposition;

– eine Übertragung, die Versetzung des Linearschaltkörpers von der Ausgangsposition zu der Schaltposition umsetzend in eine Rotationsversetzung des Steuerkörpers, wobei die Übertragung eine Vielzahl von Rastzähnen umfasst; und

– ein Schnittstellenelement, beweglich montiert relativ zu dem Linearschaltkörper und aufweisend eine Betätigungskraftaufnahmefläche und eine Betätigungskraftanwendungsfläche, wobei die Betätigungskraftaufnahmefläche ausgelegt ist, zum Empfangen einer Betätigungskraft von einem Fahrer, und wobei die Betätigungskraftanwendungsfläche die Betätigungskraft bezüglich des Anschlages des Linear-schaltkörpers bewirkt, um den Linearschaltkörper von der Ausgangsposition zu der Schaltposition zu bewegen,

und/oder

eine Fahrradschaltsteuervorrichtung, welche einen Schaltme-chanismus über ein Schaltsteuerkabel betätigt,

in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen,

wobei die Schaltsteuervorrichtung umfasst:

– eine Montageklammer zur Montage der Schaltsteuervor-richtung an der Lenkstange, wobei die Montageklammer eine ringförmige Montagehülse aufweist, welche eine Lenkstangenmontageachse definiert;

– einen Steuerkörper, drehbar bezüglich einer Achse (X) zum Steuern des Schaltsteuerkabels, wobei die Achse (X) im Wesentlichen rechtwinklig zur Lenkstangenmontageachse ist;

– einen Linearschaltkörper, einen Anschlag in einer Position beabstandet von dem Steuerkörper ausbildend und zur Linear-Versetzung zwischen einer ersten Ausgangsposition und einer ersten Schaltposition mit der Schaltsteuervorrichtung gekoppelt;

– ein Schnittstellenelement beweglich montiert, relativ zu dem Linearschaltkörper und aufweisend einen ersten Fingerkontaktbereich und eine Betätigungskraftanwendungsfläche, wobei die Betätigungskraftanwendungsfläche die Betätigungskraft bezüglich des Anschlages des Linearschaltkörpers bewirkt, um den Linearschaltkörper von der ersten Ausgangsposition zu der ersten Schaltposition zu bewegen;

– einen zweiten Schaltkörper, welcher einen zweiten Fingerkontaktteil ausbildet, und zwar in einer Position beabstandet von dem Steuerkörper und welcher mit der Schaltsteuervorrichtung zur Versetzung zwischen einer zweiten Ausgangsposition und einer zweiten Schaltposi-tion gekoppelt ist;

– eine erste Übertragung, die Linearversetzung des Linear-schaltkörpers von der ersten Ausgangsposition zu der ersten Schaltposition umsetzend in eine Rotationsverset-zung des Steuerkörpers, wobei die erste Übertragung eine Vielzahl von Rastzähnen umfasst, die in einer Rastzahnebene (T) angeordnet sind;

– eine zweite Übertragung, welche die Versetzung des zweiten Schaltkörpers von der zweiten Ausgangsposition zu der zweiten Schaltposition umsetzt in eine Rotationsversetzung des Steuerkörpers; und

– wobei ein Bewegungspfad des Linearschaltkörpers im Wesentlichen parallel zur Rastzahnebene (T) ist;

2. der Klägerin unter Vorlage eines einheitlichen, geordneten Verzeichnisses und der entsprechenden Belege in Form von Aufträgen, Auftragsbestätigungen, Rechnungen, Liefer- oder Zollpapieren vollständig darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die vorstehend unter Ziffer I. 1. bezeichneten Handlungen nach dem 31.03.2011 begangen haben, unter Angabe

a) der Anzahl der von den Beklagten erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, unter Angabe der Namen und Adressen der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer sowie der bezahlten Preise,

b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen und Typenbezeich-nungen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer einschließlich der Verkaufstellen, für welche die Erzeugnisse bestimmt waren,

c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

wobei

f) den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden und ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf Anfrage mitzuteilen, ob bestimmte Abnehmer, Angebotsempfänger oder Lieferungen in der Aufstellung enthalten sind.

II. Die Beklagte zu 2) wird verurteilt,

1. die nach dem 31.03.2011 in ihrem unmittelbaren oder mittelba-ren Besitz oder Eigentum befindlichen Erzeugnisse entspre-chend Ziffer I. 1. zu vernichten oder nach ihrer Wahl an einen von ihr zu benennenden Treuhänder zum Zwecke der Vernichtung auf ihre – der Beklagten zu 2) – Kosten herauszugeben;

2. die vorstehend zu Ziffer I. 1. bezeichneten, nach dem 31.03.2011 im Besitz Dritter befindlichen Erzeugnisse aus den Vertriebswegen zurückzurufen, indem diejenigen Dritten, denen durch die Beklagte zu 2) oder mit deren Zustimmung Besitz an den Erzeugnissen eingeräumt wurde, unter Hinweis darauf, dass die angerufene Kammer auf eine Verletzung des Klagepatents EP 1 134 XXX B1 erkannt hat, ernsthaft aufgefordert werden, die Erzeugnisse an die Beklagte zu 2) zurückzugeben, und den Dritten für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Rückzahlung des gegebenenfalls bereits gezahlten Kaufpreises sowie die Übernahme der Kosten der Rückgabe zugesagt wird.

III. Es wird festgestellt, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch ver-pflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die in Ziffer I. 1. bezeichneten und nach dem 31.03.2011 begange-nen Handlungen entstanden ist und/oder dieser noch entstehen wird.

IV. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin zu 10 Prozent und den Beklagten als Gesamtschuldner zu 90 Prozent auferlegt.

V. Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 1.000.000,- EUR und für die Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Sicherheitsleistung kann auch durch eine unwiderrufliche, unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Europäischen Union als Zoll- oder Steuerbürgin anerkannten Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand:

Die Klägerin nimmt die Beklagten aus dem europäischen Patent EP 1 134 XXX B1 (nachfolgend: Klagepatent) auf Unterlassung, Rechnungslegung und Feststellung der Schadenersatzpflicht dem Grunde nach sowie die Beklagte zu 2) zusätzlich auf Vernichtung und Rückruf in Anspruch. Das Klagepatent wurde unter Inanspruchnahme der Priorität einer US-Patentschrift vom 17.03.2000 am 13.03.2001 in englischer Sprache angemeldet. Die Veröffentlichung der Erteilung des Klagepatents erfolgte am 15.02.2006. Der deutsche Teil des Klagepatents (DE 601 17 XXX T2) ist in Kraft, wobei das Klagepatent im Einspruchsverfahren durch das Europäische Patentamt eingeschränkt aufrecht erhalten wurde. Die Klägerin macht das Klagepatent vorliegend nur in dieser aufrecht erhaltenen Fassung geltend. Gegen die das Klagepatent in eingeschränkter Form aufrecht erhaltende Entscheidung der Einspruchsabteilung legte die Beklagte zu 2) Beschwerde ein, über die noch nicht entschieden wurde.

Der daher durch die Klägerin geltend gemachte Patentanspruch 1 lautet:

„A bicycle shift control device (105) which operates a shifting mechanism via a shift control cable (104), the shift control device comprising:

a mounting bracket (103) for mounting the shift control device (105) to a handlebar (101), the mounting bracket having an annular mounting sleeve (103A) defining a handlebar mounting axis;

a control body (170) rotable about an axis (X) for controlling the shift control cable (104), the axis (X) being substantially perpendicular to the handlebar mounting axis;

a lineary operating body (220) having an abutment in a position spaced apart from the control body (170) and which is coupled to the shift control device (105) for linear displacement between a home position and a shift position;

a transmission (150) which converts the displacement of the lineraly operating body (220) from the home position to the shift position into a rotational displacement of the control body (170), wherein the transmission includes a plurality of ratchet teeth (172, 173); and

an interface member (202) movably mounted relative to the linearly opera-ting body (220) and having an operating force receiving surface (203) and an operating force applying surface (204), wherein the operating force receiving surface (203) is adapted to receive an operating force from a ri-der, and wherein the operating force applying surface (204) applies the operating force to the abutment of the linearly operating body (220) for moving the linearly operating body (220) from the home to the shift posi-tion.“

Diesen Anspruch hat die Klägerin unter Zugrundelegung der durch sie vorge-legten Merkmalsgliederung wie folgt übersetzt:

„Fahrradschaltsteuervorrichtung (105), welche einen Schaltmechanismus über ein Schaltsteuerkabel (104) betätigt, wobei die Schaltsteuervorrichtung umfasst:

eine Montageklammer (103)

zur Montage der Schaltsteuervorrichtung (105) an der Lenkstange (101),

wobei die Montageklammer (103) eine ringförmige Montagehülse (103A) aufweist, welche eine Lenkstangenmontageachse definiert;

einen Steuerkörper (170),

drehbar bezüglich einer Achse (X) zum Steuern des Schaltsteuerkabels (104),

wobei die Achse (X) im Wesentlichen rechtwinklig zur Lenkstangenmontageachse ist;

einen Linearschaltkörper (220)

mit einem Anschlag in einer Position beabstandet von dem Steuerkörper (170) und

gekoppelt bezüglich der Schaltsteuervorrichtung (105) zur linearen Ver-setzung zwischen einer Ausgangs- oder Ruheposition und einer Schaltposition;

eine Übertragung (150),

die Versetzung des Linearschaltkörpers (220) von der Ausgangsposition zu der Schaltposition umsetzend in eine Rotationsversetzung des Steuerkörpers (170),

wobei die Übertragung eine Vielzahl von Rastzähnen (172, 173) umfasst;

ein Schnittstellenelement (202),

beweglich montiert relativ zu dem Linearschaltkörper (220) und

aufweisend eine Betätigungskraftaufnahmefläche (203), die ausgelegt ist zum Empfangen einer Betätigungskraft von einem Fahrer

und eine Betätigungskraftanwendungsfläche (204), weIche die Betätigungskraft bezüglich des Anschlages des Linearschaltkörpers (220) bewirkt, um den Linearschaltkörper (220) von der Ausgangsposition zu der Schaltposition zu bewegen.“

Der durch die Klägerin ebenfalls geltend gemachte Patentanspruch 2 weist folgende Fassung auf:

„A bicycle shifter control device (105) which operates a shifting mechanism via a shift control cable (104), the shift control device (105) comprising:

a mounting bracket (103) for mounting a shift control device (105) to a handlebar (101), the mounting bracket (103) having an annular mounting sleeve (103A) defining a handlebar mounting axis;

a control body (170) rotatable about an axis (X) for controlling the shift control cable (104), the axis (X) being substantially perpendicular to the handlebar mounting axis;

a linearly operating body (220) which forms an abutment in a position spaced apart from the control body (170) and which is coupled to die shift control device (105) for linear displacement between a first home position and a first shift position;

an interface member (202) movably mounted relative to the linearly opera-ting body (220) and having a first finger contact surface (203) and an ope-rating force applying surface (204), wherein die operating force applying surface applies the operating force to the abutment of the linearly opera-ting body (220) for moving the linearly operating body from the first home position to the first shift position;

a second operating body (130) which forms a second finger contact part in a position spaced apart from die control body (170) and which is coupled to the shift control device (105) for displacement between a second home position and a second shift position;

a first transmission (150) which converts the linear displacement of the linearly operating body (220) from the first home position to the first shift position into a rotational displacement of the control body (170), wherein the first transmission includes a plurality of ratchet teeth (173) disposed in a ratchet teeth plane (T);

a second transmission (160) which converts the displacement of the se-cond operating body (130) from the second home position to the second shift position into a rotational displacement of die control body (170); and wherein a path of movement of die linearly operating body (220) is substantially parallel to die ratchet teeth plane (T).“

Diesen Anspruch hat die Klägerin in der durch sie vorgelegten Merkmalsgliederung wie folgt übersetzt:

„Fahrradschaltsteuervorrichtung (105), welche einen Schaltmechanismus über ein Schaltsteuerkabel (104) betätigt, wobei die Schaltsteuervorrichtung (105) umfasst:

eine Montageklammer (103)

zur Montage der Schaltsteuervorrichtung (105) an der Lenkstange (101),

wobei die Montageklammer (103) eine ringförmige Montagehülse (103A) aufweist, welche eine Lenkstangenmontageachse definiert;

einen Steuerkörper (170),

drehbar bezüglich einer Achse (X) zum Steuern des Schaltsteuerkabels (104),

wobei die Achse (X) im Wesentlichen rechtwinklig zur Lenkstangenmontageachse ist;

einen Linearschaltkörper (220),

einen Anschlag in einer Position beabstandet von dem Steuerkörper (170) ausbildend und

zur Linearversetzung zwischen einer ersten Ausgangsposition und einer ersten Schaltposition mit der Schaltsteuervorrichtung (105) gekoppelt;

ein Schnittstellenelement (202)

beweglich montiert, relativ zu dem Linearschaltkörper (220) und

aufweisend einen ersten Fingerkontaktbereich

und eine Betätigungskraftanwendungsfläche (204), wobei die Betäti-gungskraftanwendungsfläche (204) die Betätigungskraft bezüglich des Anschlages des Linearschaltkörpers (220) bewirkt, um den Linearschalt-körper von der ersten Ausgangsposition zu der ersten Schaltposition zu bewegen;

einen zweiten Schaltkörper (130), welcher

einen zweiten Fingerkontaktteil ausbildet, und zwar in einer Position beabstandet von dem Steuerkörper (170)

und welcher mit der Schaltsteuervorrichtung (105) zur Versetzung zwi-schen einer zweiten Ausgangsposition und einer zweiten Schaltposition gekoppelt ist;

eine erste Übertragung (150),

die Linearversetzung des Linearschaltkörpers (220) von der ersten Aus-gangsposition zu der ersten Schaltposition umsetzend in eine Rotations-versetzung des Steuerkörpers (170),

wobei die erste Übertragung eine Vielzahl von Rastzähnen (173) umfasst, die in einer Rastzahnebene (T) angeordnet sind;

eine zweite Übertragung (160), welche die Versetzung des zweiten Schaltkörpers (130) von der zweiten Ausgangsposition zu der zweiten Schaltposition umsetzt in eine Rotationsversetzung des Steuerkörpers (170); und

wobei ein Bewegungspfad des Linearschaltkörpers (220) im Wesentlichen parallel zur Rastzahnebene (T) ist.“

Nachfolgend werden verkleinert einige Figuren aus der Klagepatentschrift wiedergegeben, die nach der Klagepatentbeschreibung ein bevorzugtes Ausführungsbeispiel der Erfindung zeigen. Bei Figur 3 handelt es sich um eine Explosionsansicht der Schaltsteuervorrichtung in einem nicht betätigten Zustand.
Die Figuren 4 und 5 sind Querschnittsansichten der Schaltsteuervorrichtung in einem nicht betätigten Zustand (Figur 4) sowie mit dem Linearkörper in einer Betriebsstellung (Figur 5).
Figur 6 ist eine Detailansicht des Linearschaltkörpers in einer Ausgangs- oder Ruheposition, der in Figur 7 in einer Betriebs- oder Betätigungs- bzw. Schaltposition gezeigt ist.
Die Beklagten haben in der Bundesrepublik Deutschland unter der Bezeichnung „A“ Fahrradschaltvorrichtungen (im Folgenden: angegriffene Ausführungsform) angeboten und vertrieben, deren Ausgestaltung sich der nachstehend eingeblendeten, der Anlage HL 11.7 entsprechenden Abbildung entnehmen lässt:
Die gezeigte Vorrichtung ist nach dem Vortrag der Klägerin Gegenstand der von der Beklagten zu 2) am 19.03.2004 eingereichten und am 06.10.2005 of-fengelegten deutschen Patentanmeldung 10 2004 014 035 (Anlage HL 12), deren Figuren 4 und 5 nachfolgend verkleinert eingeblendet sind:
Nach Auffassung der Klägerin macht die angegriffene Ausführungsform von der technischen Lehre der streitgegenständlichen Patentansprüche 1 und 2 wortsinngemäß Gebrauch. Dies lasse sich bereits anhand der Argumentation des Oberlandesgerichts Düsseldorf in einem Urteil aus einem parallelen Ge-brauchsmusterverletzungsverfahren (Az:I – 2 U 89/06) feststellen. Insbeson-dere könne dem Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf entnommen werden, dass die angegriffene Ausführungsform in Form des dort verwendeten, durch die Klägerin in der nachfolgend eingeblendeten Abbildung eingefärbten c-förmigen Bauteils über einen Linearschaltkörper verfüge, wobei das c-förmige Bauteil bei der angegriffenen Ausführungsform zugleich die Funktion der Übertragung wahrnehme.
Hinsichtlich des vollständigen Inhalts des Urteils des Oberlandesgerichts Düs-seldorf wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Anlage HL 2 Bezug genommen.
Soweit die Klägerin für die Zeit bis zum 31.03.2011 zunächst Rechnungslegung und Feststellung der Schadenersatzpflicht dem Grunde nach sowie Rückruf und von der Beklagten zu 2) zusätzlich Vernichtung verlangt hat, hat sie die Klage insoweit ebenso zurückgenommen wie hinsichtlich der Geltendmachung eines Anspruchs auf Urteilsveröffentlichung sowie eines Anspruchs auf Rückruf, soweit Letzterer gegen die Beklagte zu 1) geltend gemacht wurde.

Die Klägerin beantragt zuletzt,

zu erkennen wie geschehen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen;

hilfsweise:
den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Entscheidung in dem gegen das europäische Patentamt EP 1 134 XXX B1 anhängigen Einspruchsbe-schwerdeverfahren auszusetzen.

Die auf die Gestattung der Urteilsveröffentlichung gerichtete Widerklage haben die Beklagten mit Schriftsatz vom 13.02.2012 zurückgenommen.

Die Beklagten meinen, die angegriffene Ausführungsform mache von der technischen Lehre des Klagepatents keinen Gebrauch.

Zunächst fehle es an einem linear schaltenden Körper („linearly operating body“) im Sinne des Klagepatents, da die Bewegung des als Schaltkörper angesprochenen c-förmigen Bauteils nicht linear im Sinne des Klagepatents erfolge. Die Bewegung enthalte vielmehr eine erhebliche nichtlineare Komponente. Insbesondere sei bei der Auslegung des Begriffes „linear schaltender Körper“ zu berücksichtigen, dass dieser im Einspruchsverfahren zur Abgrenzung zu der US 3,901,XXX eingefügt worden sei. Wie aus den nachfolgend verkleinert eingeblendeten, durch die Beklagten eingefärbten Figuren 3 und 4 dieser Schrift ersichtlich sei, finde auch dort zunächst eine Linear- und erst später, nachdem die Klinke (42) eingerastet sei, eine Ro-tationsbewegung statt, weshalb es patentgemäß auf eine streng mathematische Linearität ankomme.
Des Weiteren handele es sich bei dem c-förmigen Bauteil auch um keinen Schaltkörper, der sich durch Versetzung zwischen einer Ausgangs- oder Ruheposition und einer Schaltposition auszeichne. Stattdessen wechsle das c-förmige Bauteil zwischen zwei Positionen, in denen es jeweils über eigene Rastzähne in Wirkverbindung mit einer weiteren, die Bewegung des Steuerkörpers sperrenden bzw. freigebenden Zahnscheibe stehe. Räumlich-körperlich handele es sich bei dem c-förmigen Bauteil somit nicht um einen Schaltkörper, sondern um ein Übertragungsteil.

Darüber hinaus weise die angegriffene Ausführungsform auch kein Schnittstellenelement auf. Bei dem Schnittstellenelement handele es sich patentgemäß um ein Element, das die Betätigung des Linearschaltkörpers dahingehend modifiziere, dass der Daumen nicht mehr unmittelbar auf den Linearschaltkörper aufgesetzt zu werden brauche. Daran fehle es bei der angegriffenen Ausführungsform bereits mangels Vorliegens eines Linearschaltkörpers. Der einzige Schaltkörper, den die angegriffene Ausführungsform aufweise, sei der schräg gelagerte, von der Klägerin als Schnittstellenelement angesprochene Hebel selbst.
Der schräg gelagerte Schaltkörper der angegriffenen Ausführungsform weise ferner keine Betätigungskraftaufnahmefläche zusammen mit einer Betätigungskraftanwendungsfläche auf. Zwar sei dort außen auf dem schräg angebrachten Hebel ein Fingerkontaktbereich vorhanden, der Betätigungskraft aufnehme. Diese gebe er aber nicht im Sinne eines Schnittstellenelementes sogleich an eine Betätigungskraftanwendungsfläche weiter. Vielmehr werde diese in eine Schwenkbewegung des Schalters umgesetzt. Die Einleitung von Kraft in den Schaltmechanismus erfolge erst am Ende des Schaltkörpers, und zwar an einer der Achse, auf der der Schaltkörper gelagert sei, gegenüberliegenden Stelle, so dass die in den Schaltmechanismus eingeleitete Kraft eine andere Größe und eine andere Richtung aufweise als die eingeleitete Kraft. Die Einleitung der Schaltkraft erfolge ferner unmittelbar auf das c-förmige Übertragungselement, das in seinem Bewegungsablauf und seiner Funktion mit der Klinke (151) des Klagepatents und mit der Klinke des gattungsbildenden Stands der Technik korrespondiere.
Schließlich weise die angegriffene Ausführungsform keine Übertragung auf, welche die Linearversetzung eines Linearschaltkörpers von einer Ausgangsposition zu einer Schaltposition in eine Rotationsversetzung eines Steuerkörpers umsetze. Bei der angegriffenen Ausführungsform werde eine Schwenkbewegung des schräg angebrachten Hebels unmittelbar in die aus dem c-förmigen Element und der mit dem Steuerkörper verbundenen Zahnscheibe bestehende Übertragungsvorrichtung eingeleitet, bewirke dort aber nicht eine lineare Bewegung des c-förmigen, der Klinke (151) des Klagepatents entsprechenden Teils, und diese bewirke dann über die schrittweise Freigabe der Zähne der Zahnscheibe die rotatorische Bewegung des Steuerkörpers.

Im Übrigen werde sich das Klagepatent im Einspruchsbeschwerdeverfahren, insbesondere im Hinblick auf die US 3,901,XXX (Entgegenhaltung E7), als nicht rechtsbeständig erweisen.
Die Klägerin tritt diesem Vorbringen entgegen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die einge-reichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage hat in der Sache Erfolg. Der Klägerin stehen gegen die Beklagten im tenorierten Umfang Ansprüche auf Unterlassung, Rechungslegung, Vernichtung, Rückruf sowie Feststellung der Schadenersatzpflicht dem Grunde nach aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ i. V. m. §§ 139 Abs. 1 und 2, 140a Abs. 1 und 3, 140b Abs. 1 und 3 i. V. m. §§ 242, 259 BGB zu.

I.
Das Klagepatent betrifft eine Fahrradschaltsteuervorrichtung, die über ein Schaltsteuerkabel einen Schaltmechanismus betätigt; insbesondere betrifft es eine Vorrichtung, in welcher ein erster Schalthebel den das Schaltsteuerkabel aufnehmenden Aufnahmekörper veranlasst, das Schaltzugseil teilweise einziehend in eine Aufnahmerichtung zu drehen, und in welcher ein zweiter Schalthebel den Aufnahmekörper veranlasst, in eine Ausgaberichtung zu drehen und die zuvor eingezogenen Abschnitte des Schaltzuges wieder auszugeben (Anlage HL 3a, Abs. [0001]).

Wie die Klagepatentschrift weiter ausführt (Abs. [0002]), offenbart die US-Pa-tentschrift 5 921 138 (Anlage HL 7), deren Figuren 12 und 13 nachstehend verkleinert wiedergegeben sind, eine Vorrichtung der vorbezeichneten Art.

Die Schaltsteuervorrichtung umfasst einen Steuerkörper (170; Bezugszeichen entsprechen den vorstehenden Abbildungen), der an der Lenkstange (101) ei-nes Fahrrades montiert wird und das Ziehen und Lösen des Kabelzuges steu-ert. Ein erster, um die Rotationsachse (107) des Steuerkörpers schwenkbarer Hebel (130) bewirkt ein Ziehen, ein zweiter, linear beweglich zu dem Steuerkörper gekoppelter Hebel (120) bewirkt ein Lösen des Kabels. Der Linearhebel (120) ist mit einem Übertragungsmechanismus gekoppelt, bestehend aus einer Klinke (151), die an einem Schwenkzapfen (152) drehbar gelagert ist und mit dem an dem Aufnahme- und Steuerkörper (170) angeordneten Zahnkranz (171) zusammenwirkt. Der Linearhebel (120) verschwenkt die Klinke (151) so (vgl. Figur 13 der älteren Druckschrift), dass diese mit ihren Zähnen (151A und 151B) wechselweise in Zähne des Zahnkranzes eingreift und auf diese Weise dessen schrittweise Rotation ermöglicht. Da beide Hebel auf denselben Steuerkörper einwirken, der zugleich den Kabelzug aufnimmt, kann stets nur einer von ihnen betätigt werden. Um die wahlweise Betätigung zu ermöglichen und die Betätigung des jeweils anderen Schalthebels nicht zu blockieren, müssen beide nach ihrer Betätigung in ihre jeweilige Ausgangsposition zurückkehren.

An diesem Stand der Technik beanstandet das Klagepatent (vgl. Anlage HL 3a, Abs. [0003]), der Benutzer müsse seinen Daumen für den optimalen Betrieb unmittelbar gegenüber dem Linearbetätigungshebel anordnen und diesen in einer Richtung senkrecht zur Lenkstange beaufschlagen, was unter Wettkampfbedingungen unerwünscht sei.

Daraus resultiert die dem Klagepatent zugrundeliegende Aufgabe (das techni-sche Problem), eine Schaltsteuervorrichtung zur Verfügung zu stellen, bei welcher der Benutzer seinen Daumen nicht exakt gegenüber dem Linearbetätigungs- oder Schalthebel anordnen muss (vgl. Anlage HL 3a, Abs. [0003] und [0004]).

Zur Lösung dieser Aufgabe sieht Patentanspruch 1 in der im Einspruchsverfahren aufrecht erhaltenen Fassung eine Fahrradschaltsteuervorrichtung mit folgenden Merkmalen vor, wobei der Merkmalsgliederung die durch die Klägerin vorgelegte Übersetzung des Klagepatentanspruchs zugrunde liegt:

1.1. Fahrradschaltsteuervorrichtung (105), welche einen Schaltme-chanismus über ein Schaltsteuerkabel (104) betätigt, wobei die Schallsteuervorrichtung umfasst:

1.2. eine Montageklammer (103)

1.2a. zur Montage der Schaltsteuervorrichtung (105) an der Lenkstange (101),

1.2b. wobei die Montageklammer (103) eine ringförmige Montagehülse (103A) aufweist, welche eine Lenkstan-genmontageachse definiert;

1.3. einen Steuerkörper (170),

1.3a. drehbar bezüglich einer Achse (X) zum Steuern des Schaltsteuerkabels (104),

1.3b. wobei die Achse (X) im Wesentlichen rechtwinklig zur Lenkstangenmontageachse ist;

1.4. einen Linearschaltkörper (220)

1.4a. mit einem Anschlag in einer Position beabstandet von dem Steuerkörper (170) und

1.4b. gekoppelt bezüglich der Schaltsteuervorrichtung (105) zur linearen Versetzung zwischen einer Ausgangs- oder Ruheposition und einer Schaltposition;

1.5. eine Übertragung (150),

1.5a. die Versetzung des Linearschaltkörpers (220) von der Ausgangsposition zu der Schaltposition umsetzend in eine Rotationsversetzung des Steuerkörpers (170),

1.5b. wobei die Übertragung eine Vielzahl von Rastzähnen (172, 173) umfasst.

1.6. ein Schnittstellenelement (202),

1.6a. beweglich montiert relativ zu dem Linearschaltkörper (220) und

1.6b. aufweisend eine Betätigungskraftaufnahmefläche (203), die ausgelegt ist zum Empfangen einer Betätigungskraft von einem Fahrer

1.6c. und eine Betätigungskraftanwendungsfläche (204), weIche die Betätigungskraft bezüglich des Anschlages des Linearschaltkörpers (220) bewirkt, um den Linearschaltkörper (220) von der Ausgangsposition zu der Schaltposition zu bewegen.

Der durch die Klägerin ebenfalls geltend gemachte Patentanspruch 2 weist unter Heranziehung der Übersetzung der Klägerin in der durch das Europäische Patentamt aufrecht erhaltenen Fassung folgende Merkmale auf:

2.1. Fahrradschaltsteuervorrichtung (105), welche einen Schaltme-chanismus über ein Schaltsteuerkabel (104) betätigt, wobei die Schaltsteuervorrichtung (105) umfasst:

2.2. eine Montageklammer (103)

2.2a. zur Montage der Schaltsteuervorrichtung (105) an der Lenkstange (101),

2.2b. wobei die Montageklammer (103) eine ringförmige Montagehülse (103A) aufweist, welche eine Lenkstan-genmontageachse definiert;

2.3. einen Steuerkörper (170),

2.3a. drehbar bezüglich einer Achse (X) zum Steuern des Schaltsteuerkabels (104),

2.3b. wobei die Achse (X) im Wesentlichen rechtwinklig zur Lenkstangenmontageachse ist;

2.4. einen Linearschaltkörper (220),

2.4a. einen Anschlag in einer Position beabstandet von dem Steuerkörper (170) ausbildend und

2.4b. zur Linearversetzung zwischen einer ersten Ausgangsposition und einer ersten Schaltposition mit der Schaltsteuervorrichtung (105) gekoppelt;

2.5. ein Schnittstellenelement (202)

2.5a. beweglich montiert, relativ zu dem Linearschaltkörper (220) und

2.5b. aufweisend einen ersten Fingerkontaktbereich

2.5c. und eine Betätigungskraftanwendungsfläche (204), wo-bei die Betätigungskraftanwendungsfläche (204) die Betätigungskraft bezüglich des Anschlages des Linear-schaltkörpers (220) bewirkt, um den Linearschaltkörper von der ersten Ausgangsposition zu der ersten Schaltposition zu bewegen;

2.6 einen zweiten Schaltkörper (130), welcher

2.6a. einen zweiten Fingerkontaktteil ausbildet, und zwar in einer Position beabstandet von dem Steuerkörper (170)

2.6b. und welcher mit der Schaltsteuervorrichtung (105) zur Versetzung zwischen einer zweiten Ausgangsposition und einer zweiten Schaltposition gekoppelt ist;

2.7. eine erste Übertragung (150),

2.7a. die Linearversetzung des Linearschaltkörpers (220) von der ersten Ausgangsposition zu der ersten Schaltposition umsetzend in eine Rotationsversetzung des Steuerkörpers (170),

2.7b. wobei die erste Übertragung eine Vielzahl von Rastzäh-nen (173) umfasst, die in einer Rastzahnebene (T) an-geordnet sind;

2.8. eine zweite Übertragung (160), welche die Versetzung des zweiten Schaltkörpers (130) von der zweiten Ausgangsposition zu der zweiten Schaltposition umsetzt in eine Rotationsverset-zung des Steuerkörpers (170); und

2.9. wobei ein Bewegungspfad des Linearschaltkörpers (220) im Wesentlichen parallel zur Rastzahnebene (T) ist.

II.
Die angegriffene Ausführungsform macht von der technischen Lehre des Kla-gepatents wortsinngemäß Gebrauch.

1.
Zurecht ist zwischen den Parteien die Verwirklichung der Merkmalsgruppen 1.1. – 1.3. sowie 2.1. – 2.3. nicht umstritten, so dass es insoweit keiner weiteren Ausführungen bedarf.

2.
Entgegen der Auffassung der Beklagten weist die angegriffene Ausführungsform in Gestalt des c-förmigen, den Rotationskörper etwa auf der Hälfte seines Umfangs umgreifende Bauteil, jedoch ohne die beiden mit den Rastzähnen in Eingriff bringbaren Klinken, einen Linearschaltkörper (220) im Sinne der Merkmale 1.4., 1.4b, 1.5a, 1.6a sowie 2.4., 2.5a und 2.7a auf.

a)
Insoweit kommt es unter Zugrundelegung der gebotenen funktionsorientierten Auslegung zunächst nicht darauf an, ob der für die Auslegung des in englischer Verfahrenssprache angemeldeten Klagepatents ohnehin maßgebliche Begriff „linearly operating body“ mit „Linearschaltkörper“ oder mit „linear schaltender Körper“ zu übersetzen ist. Entscheidend ist vielmehr, wie der Fachmann den Begriff unter Berücksichtigung der Patentbeschreibung nebst der zugehörigen Figuren versteht.

b)
Wie der Fachmann den Merkmalen 1.4a. bzw. 2.4a. entnimmt, soll der Linear-schaltkörper (220), der zwischen einer Ausgangs- bzw. Ruheposition und einer Schaltposition linear versetzt werden kann (Merkmale 1.4.b und 2.4.b), mit Abstand vom Steuerkörper einen Anschlag ausbilden. Insoweit hat das Oberlandesgericht Düsseldorf in dem parallelen Gebrauchsmusterverfahren nach Anhörung eines Sachverständigen ausgeführt, hierzu müsse der Bewegungsweg des Linearschaltkörpers nicht exakt geradlinig im mathematischen Sinne verlaufen. Vielmehr seien geringfügige Abweichungen grundsätzlich möglich und seien auch im Rahmen der schutzbeanspruchten Erfindung nicht ausgeschlossen. Lege man die in der dortigen Klagegebrauchsmusterschrift – auch objektiv zutreffend – beschriebene Problemstellung einer Verbesserung der Betätigung der Schaltung und deren im Schutzanspruch beschriebene Lösung zugrunde, mache es in der Tat keinen Unterschied, ob der Schaltkörper exakt oder nur im wesentlichen linear verschoben werde. Mit den weiteren, vom gerichtlichen Sachverständigen in der dortigen mündlichen Verhandlung angesprochenen Aspekten, die möglicherweise einen exakt linearen Bewegungsablauf erfordern, etwa eine vereinfachte Herstellbarkeit der Schaltsteuervorrichtung, die Vermeidung von Reibungen durch Querkräfte oder die Senkung der Herstellungskosten, befasse sich das dortige Klagegebrauchsmuster demgegenüber nicht (vgl. Anlage HL 2, S. 22 unten – 23 oben).

c)
Soweit die Beklagten das Merkmal des „linearly operating body“ demgegenüber unter Verweis auf das Einspruchsverfahren gleichwohl im Sinne einer strikten mathematischen Linearität auslegen wollen, bietet das Einspruchsverfahren hierfür keine Veranlassung. Zwar trifft es zu, dass die Klägerin als Patentinhaberin dort das Merkmal der Linearität an mehreren Stellen in die Patentbeschreibung und insbesondere in den Patentanspruch aufgenommen hat. Dies geschah jedoch in Abgrenzung zu der Entgegenhaltung E7 (US 3,901,XXX). Da nach Auffassung der Einspruchsabteilung dort bis auf die Art der Befestigung der Vorrichtung alle Merkmale offenbart waren (vgl. Anlage B 2a, S. 11 unten und 12 Mitte), die Befestigung mit Klammer und Hülse jedoch zumindest naheliegend war (vgl. Anlage B 2a, S. 12 unten), konkretisierte die Klägerin das ursprünglich nur auf einen „operating body“ gerichtete Merkmal 1.4. bzw. 2.4. auf einen „linearly operating body“.

Dies bedeutet jedoch nicht ohne Weiteres, dass dieser Begriff automatisch im Sinne einer strengen mathematischen Linearität zu verstehen wäre. Zwar hat die Einspruchsabteilung, deren Auffassung die Kammer als sachverständige Stellungnahme zu berücksichtigen hat, insoweit ausgeführt, der Begriff solle als „Körper, der in linearer Weise operiert“ verstanden werden (vgl. Anlage B 2a, S. 13 Mitte). Auch dies bedeutet jedoch nicht zwingend, dass der Bewegungsweg des Linearschaltkörpers exakt geradlinig im mathematischen Sinn verlaufen müsste.

Insbesondere ist eine derartige Einschränkung auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Abgrenzung der beanspruchten technischen Lehre zu der Entgegenhaltung E7 geboten. Wie die Einspruchsabteilung im Rahmen der Erörterung der erfinderischen Tätigkeit ausgeführt hat, mag es zwar sein, dass die Komponente (36) nach der in den Figuren 3 und 4 der Entgegenhaltung offenbarten technischen Lehre eine geringfügige lineare Anfangsbewegung ausführt. Jedoch operiert die Komponente (36) über einen großen Teil der Verlagerung, die entsprechend dem Anspruch zwischen der Ausgangs- und der Schaltposition verläuft (vgl. Merkmal 1.4b.), in nicht-linearer Weise, so dass bis zu der in Figur 4 der E7 gezeigten Position, die als Schaltposition angesehen werden könnte, jeglicher lineare Anteil der Bewegung der Komponente (36) lange vor Erreichen dieser Position geendet habe (vgl. Anlage B 2a, S. 14). Da die kurzzeitige lineare Anfangsbewegung nach der in der E7 offenbarten technischen Lehre somit lediglich eine untergeordnete Rolle spielt, ist eine Abgrenzung zu der durch das Klagepatent beanspruchten technischen Lehre auch dann möglich, wenn man dort eine geringfügige Abweichung von der mathematischen Linearität zulässt.

Für den weiteren Vortrag der Beklagten, nach der technischen Lehre des Kla-gepatents (dort insbesondere die Figuren 6 und 7) werde die Schaltposition durch die Freigabe der Übertragung erreicht, wohingegen der eigentliche Schaltvorgang (über die vorgespannte Steuervorrichtung) erst erfolge, wenn der Linearschaltkörper zurückgeführt sei, so dass auch dort zwischen einer Phase mit einer Linearbewegung und einer weiteren Phase, in welcher keine lineare Bewegung stattfinde, unterschieden werde, findet sich für eine derartige Differenzierung in der Klagepatentschrift keine hinreichende Grundlage.

d)
Soweit die Beklagten weiterhin vortragen, die Klägerin habe im Einspruchsver-fahren durch den Verweis auf die Ausführungsbeispiele des Klagepatents auf einen über eine strikte mathematische Linearität hinausgehenden Schutz ver-zichtet, überzeugt dies bereits deshalb nicht, weil auch den Ausführungsbei-spielen des Klagepatents das Erfordernis einer strikten Linearität im mathematischen Sinne nicht zu entnehmen ist. Im Übrigen lässt sich auch der als Anlage HL 14 vorgelegten Beschwerdeerwiderung kein abweichendes Verständnis der Klägerin an das Erfordernis der Linearität entnehmen. Vielmehr erläutert die Klägerin im Zusammenhang mit der Entgegenhaltung E7 die Abgrenzung zwischen einer linearen und einer schwenkenden Betriebsweise, wobei nach Auffassung der Klägerin nach der technischen Lehre des Klagepatents kein signifikantes rotorisches Element (vgl. Anlage HL 14, S. 3 f., Hervorhebung hinzugefügt) vorhanden sein darf. Eine exakte mathematische Linearität fordert die Klägerin somit auch hier nicht.

e)
Ausgehend von diesen Überlegungen handelt es sich bei dem bei der ange-griffenen Ausführungsform vorhandenen c-förmigen Bauteil, jedoch ohne die beiden mit den Rastzähnen in Eingriff bringbaren Klinken, um einen Linear-schaltkörper („linearly operating body“) im Sinne des Klagepatents. Wie dem Anlagenkonvolut HL 11 sowie der als Anlage HL 12 vorgelegten Offenlegungsschrift zu entnehmen ist, bildet das c-förmige Bauteil beabstandet vom Steuerkörper einen Anschlag aus, der mit dem das Schnittstellenelement der Merkmalsgruppe 1.6 bzw. 2.6. verkörpernden und in dem Anlagekonvolut HL11 schwarz abgebildeten Schalthebel zusammenwirkt und bei Betätigung dieses Schalthebels so verschoben wird, dass die Klinken des c-förmigen Teils außer Eingriff mit der Rastzahnscheibe gelangen. Diese wird hierdurch entsperrt und dreht sich daraufhin entsprechend ihrer Federvorspannung zusammen mit dem Steuerkörper um die Rotationsachse. Diese Sperr- und Freigabemöglichkeit ist die in Merkmal 1.4b. bzw. 2.4b. geforderte Kopplung mit der Schaltsteuervorrichtung zur Linearversetzung aus einer ersten Ausgangsposition in eine erste Schaltposition. Dass diese Bewegung nicht mathematisch exakt verläuft, ist entsprechend den vorstehenden Ausführungen unerheblich. Soweit die Beklagten demgegenüber anhand der Anlage B 6A die Bewegungsabfolge beim Hochschalten, das heißt bei der Betätigung des zweiten Hebels beschrieben haben, kommt es auf diese Ausführungen nicht an, da Patentanspruch 2, welcher anders als Patentanspruch 1 den zweiten Schaltkörper näher beschreibt, keine Vorgabe enthält, dass es sich auch dabei um einen Linearschaltkörper handeln muss.

Entgegen der Auffassung der Beklagten stellt das c-förmige Bauteil auch einen Schaltkörper dar. Dem steht nicht entgegen, dass die Klinken dieses Bauteils Bestandteil der Übertragungsvorrichtung sind, so dass die nach Merkmal 1.5a. bzw. 2.5a. verlangte Umsetzung der Linearbewegung des Linearschaltkörpers bei einem Schaltvorgang in eine Rotationsbewegung des Körpers dadurch erfolgt, dass beim Beaufschlagen und Verschieben des c-för-migen Bauteils die beiden Klinken außer Eingriff mit den Rastzähnen der Zahnscheibe gebracht werden, diese entsperren und deren Rückdrehung zusammen mit dem Steuerkörper ermöglichen. Wie bereits das Oberlandesgericht Düsseldorf im parallelen Gebrauchsmusterverletzungsverfahren ausgeführt hat, können Linearschaltkörper und erste Übertragung erfindungsgemäß auch einstückig durch ein und dasselbe Bauteil gebildet werden (vgl. Anlage HL 2, S. 26, zweiter Absatz). Zwar unterscheiden die Patentansprüche 1 und 2 nach dem Wortlaut beide Teile voneinander, dieser Unterschied bezieht sich jedoch nur auf die unterschiedlichen Funktionen dieser Elemente und nicht auf deren konstruktive Gestaltung (vgl. OLG Düsseldorf a. a. O.).

Soweit die Beklagten die Merkmale 1.4b und 1.5a bzw. 2.4b und 2.7a demgegenüber nunmehr dahingehend auslegen wollen, dass der Linearschaltkörper ausschließlich dann in seine Schaltposition bewegt werde, wenn in der dem Linearschaltkörper zugeordneten Richtung umgeschaltet werden solle, während er sonst in Ruhe in seiner Ausgangs- oder Ruheposition bleibe, während sich die Übertragung sowohl bewege, wenn der ihr zugeordnete Linearschaltkörper zur Gangumschaltung betätigt werde, als auch dann, wenn der zweite Schaltkörper betätigt werde, findet sich für ein derartiges eingeschränktes Verständnis in den hier streitgegenständlichen Ansprüchen kein Anhaltspunkt, so dass die technische Lehre des Klagepatents auch insbesondere nicht auf das Ausführungsbeispiel reduziert werden darf.

Auch der weitere Hinweis der Beklagten auf die in der Klagepatentschrift als nächstliegender Stand der Technik gewürdigte US 5,921,138 (vgl. Anlage HL 7) rechtfertigt keine andere Bewertung. Wie bereits das Oberlandesgericht Düsseldorf im parallelen Gebrauchsmusterverletzungsrechtsstreit in Bezug auf das Schnittstellenelement ausgeführt hat, bedeutet allein die Tatsache, dass die in den Figuren 12 und 13 der US-Patentschrift dargestellte Vorrichtung, abgesehen von der Ausgestaltung des Linearschaltkörpers und dem nicht vorhandenen Schnittstellenelement, mit dem in den Figuren 3 – 7 der Klagepatentschrift wiedergegebenen bevorzugten Ausführungsbeispiel übereinstimmt, nicht, dass die Patentansprüche 1 und 2 in den nicht das Schnittstellenelement betreffenden Merkmalen zwingend eine Vorrichtung voraussetzen, die mit der bevorzugten Ausführungsform aus der US-Patentschrift übereinstimmt. Maßgebend ist vielmehr auch hier der Inhalt der Patentansprüche, deren ihnen vom angesprochenen Durchschnittsfachmann beigemessener Sinngehalt unter Heranziehung der Beschreibung und der Zeichnungen ermittelt werden muss (vgl. Anlage HL 2, S. 22, zweiter Absatz).

3.
Die angegriffene Ausführungsform weist mit dem im Anlagenkonvolut HL 11 schwarz abgebildeten Hebel auch ein Schnittstellenelement im Sinne der Merkmalsgruppe 1.6. auf. Soweit die Beklagten die Verwirklichung dieses Merkmals allein mit der Begründung verneint haben, die angegriffene Ausfüh-rungsform weise keinen Schaltkörper auf, wird zur Vermeidung von Wiederho-lungen auf die vorstehenden Ausführungen Bezug genommen. Gleiches gilt, soweit die Beklagten die Verwirklichung der Merkmale 1.5a. bzw. 2.7a. mit der Begründung in Frage gestellt haben, bei der angegriffenen Ausführungsform werde eine Schwenkbewegung des schräg angebrachten Hebels unmittelbar in die aus dem c-förmigen Element und der mit dem Steuerkörper verbundenen Zahnscheibe bestehende Übertragungsvorrichtung eingeleitet, wodurch eine nicht lineare Bewegung des c-förmigen, der Klinke (151) des Klagepatents entsprechenden Teils bewirkt werde, wobei diese dann über die schrittweise Freigabe der Zähne der Zahnscheibe die rotatorische Bewegung des Steuerkörpers bewirke.

4.
Schließlich weist die angegriffene Ausführungsform auch eine Betätigungsaufnahmefläche zusammen mit einer Bewegungskraftanwendungsfläche im Sinne der Merkmale 1.6b., 1.6c. bzw. 2.5b., 2.5.c auf.

Wie der Fachmann den Merkmalsgruppen 1.6. bzw. 2.5. entnimmt, soll das Schnittstellenelement eine Betätigungskraftaufnahmefläche (203) sowie eine Betätigungskraftanwendungsfläche (204) aufweisen. Während die Betätigungskraftaufnahmefläche (203) dazu dient, die Betätigungskraft von dem Fahrer zu empfangen, bewirkt die Betätigungskraftanwendungsfläche die Betätigungskraft bezüglich des Anschlags des Linearschaltkörpers (220), um diesen von der Ausgangs- zu der Schaltposition zu bewegen.

Derartige Betätigungskraftaufnahme- bzw. Betätigungskraftanwendungsflächen sind bei der angegriffenen Ausführungsform vorhanden, wie die durch die Klägerin mit farbigen Markierungen versehene Figur 4 der als Anlage HL 12 vorgelegten Offenlegungsschrift zeigt:

Entsprechend den Merkmalen 1.6b. und 2.6b. weist das Schnittstellenelement eine Betätigungskraftaufnahmefläche in Form der Berührungsfläche (6) des Freigabehebels auf.

Wie zudem Figur 6 der Anlage HL 12 zu entnehmen ist, ist bei der angegriffe-nen Ausführungsform zudem eine „Kontaktfläche“ (16) vorhanden, welche die Betätigungskraft des Fahrers auf den Anschlag („Abstützung 23“) wendet und dadurch die Bewegung des c-förmigen Bauteils von der Ausgangs- zur Schalt-position bewegt.
Soweit die Beklagten demgegenüber einwenden, die Einleitung von Kraft in den Schaltmechanismus erfolge erst am Ende des Schaltkörpers, steht dies der Verwirklichung der technischen Lehre des Klagepatents bereits deshalb nicht entgegen, da den Patentansprüchen 1 und 2 keine über die Merkmale 1.6a. bis 1.6c. bzw. 2.5a bis 2.5c. hinausgehenden konstruktiven Vorgaben hinsichtlich der Gestaltung des Schnittstellenelementes zu entnehmen sind. Insbesondere fordern die hier streitgegenständlichen Patentansprüche auch nicht, dass die Betätigungskraft des Fahrers unmittelbar von der Betätigungskraftaufnahmefläche auf die Betätigungskraftanwendungsfläche übertragen werden muss.

III.
Da die angegriffene Ausführungsform somit von der technischen Lehre des Klagepatents wortsinngemäß Gebrauch macht, ohne dass die Beklagten zu einer Nutzung des Klagepatents berechtigt sind, stehen der Klägerin folgende Ansprüche zu:

1.
Die Beklagten machen durch das Angebot und den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform in Deutschland widerrechtlich von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch, so dass sie gegenüber der Klägerin zur Unterlas-sung verpflichtet sind (Art. 64 Abs. 1 EPÜ i. V. m. § 139 Abs. 1 PatG).

2.
Des Weiteren haben die Beklagten der Klägerin Schadenersatz zu leisten (Art. 64 Abs. 1 EPÜ i. V. m. § 139 Abs. 2 PatG), denn als Fachunternehmen hätten sie die Patentverletzung durch die angegriffene Ausführungsform bei Anwen-dung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt erkennen können, § 276 BGB. Die genaue Schadenshöhe steht derzeit noch nicht fest. Da es jedoch ausreichend wahrscheinlich ist, dass der Klägerin durch die rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten ein Schaden entstanden ist und dieser von der Klägerin noch nicht beziffert werden kann, weil sie ohne eigenes Verschulden in Unkenntnis über den Umfang der Benutzungs- und Verletzungshandlungen ist, ist ein rechtliches Interesse der Klägerin an einer Feststellung der Schadenersatzverpflichtung dem Grunde nach anzuerkennen, § 256 ZPO.

3.
Damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadener-satzanspruch zu beziffern, sind die Beklagten zur Rechnungslegung verpflichtet (§§ 242, 259 BGB). Die Klägerin ist auf die zuerkannten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt. Darüber hinaus werden die Beklagten durch die von ihnen verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet. Die Beklagten haben schließlich über Herkunft und Vertriebsweg der rechtsverletzenden Erzeugnisse Auskunft zu erteilen (Art. 64 Abs. 1 EPÜ i. V. m. § 140b PatG). Soweit ihre nicht gewerblichen Abnehmer und bloßen Angebotsempfänger hiervon betroffen sind, ist den Beklagten im Hinblick auf ihre Rechnungslegungspflicht in Bezug auf ihre nicht gewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger ein Wirtschaftsprüfervorbehalt einzuräumen (vgl. Oberlandesgericht Düsseldorf, Urteil vom 20.09.2001, Az.: 2 U 91/00).

4.
Ferner hat die Klägerin gegen die Beklagte zu 2) einen Anspruch auf Rückruf der angegriffenen Ausführungsform aus den Vertriebswegen, Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 140 a Abs. 3 PatG.

5.
Außerdem kann die Klägerin von der in der Bundesrepublik Deutschland an-sässigen Beklagten zu 2) die Vernichtung der in der Bundesrepublik Deutsch-land in ihrem Besitz befindlichen Erzeugnisse verlangen, aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 140 a Abs. 1 S. 1 PatG.

IV.
Für eine Aussetzung der Verhandlung besteht keine Veranlassung,
§ 148 ZPO.

1.
Nach ständiger Rechtsprechung der Kammer (Mitt. 1988, 91 – Nickel-Chrom-Legierung; BIPMZ 1995, 121 – Hepatitis-C-Virus), die auch vom Oberlandesge-richt Düsseldorf (GRUR 1979, 188 – Flachdachabläufe; Mitt. 1997, 257, 258 – Steinknacker) und vom Bundesgerichtshof (GRUR 1987, 2784 – Transportfahrzeug) gebilligt wird, stellen ein Einspruch gegen das Klagepatent oder die Erhebung einer Nichtigkeitsklage als Solche noch keinen Grund dar, den Verletzungsrechtstreit auszusetzen, weil dies faktisch darauf hinauslaufen würde, dem Angriff auf das Klagepatent eine den Patentschutz hemmende Wirkung beizumessen, die dem Gesetz fremd ist. Die Interessen der Parteien sind vielmehr gegeneinander abzuwägen, wobei grundsätzlich dem Interesse des Patentinhabers an der Durchsetzung seines erteilten Patents Vorrang gebührt. Die Aussetzung kommt deshalb nur dann in Betracht, wenn mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein Widerruf oder eine Vernichtung des Klagepatents zu erwarten ist. Dies kann regelmäßig dann nicht angenommen werden, wenn der dem Klagepatent am nächsten kommende Stand der Technik bereits im Erteilungsverfahren berücksichtigt worden ist oder wenn neuer Stand der Technik lediglich belegen soll, dass das Klagepatent nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, sich jedoch auch auf eine Bejahung der Erfindungshöhe, die von der wertenden Beurteilung der hierfür zuständigen Instanzen abhängt, zumindest noch vernünftige Argumente finden lassen.

2.
Ausgehend von diesen Grundsätzen besteht für eine Aussetzung der Verhandlung keine Veranlassung.

a)
Soweit die Beklagte zu 2) in ihrer Beschwerdebegründung auf die Entgegen-haltung E3 (US 5,921,138) Bezug nimmt, handelt es sich dabei um geprüften Stand der Technik, von welchem das Klagepatent zudem in der Klagepatentbeschreibung als nächstliegendem Stand der Technik ausgeht.

b)
Zudem rechtfertigt auch die US 3,901,XXX (E7) eine Aussetzung der Verhand-lung nicht. Insoweit gilt es zu berücksichtigen, dass sich bereits die sachkundig besetzte Einspruchsabteilung ausführlich mit dieser Entgegenhaltung auseinandergesetzt und die durch das Klagepatent beanspruchte technische Lehre gleichwohl mangels Offenbarung eines Linearschaltkörpers als neu und erfinderisch angesehen hat. Auch wenn man – was hier dahingestellt bleiben kann – in den Figuren 3 und 4 am Anfang des Schaltvorgangs bis zum Einrasten der Klinke (42) eine Linearbewegung annehmen würde, fehlt es gleichwohl – was bereits die Einspruchsabteilung nachvollziehbar dargestellt hat – an der Offenbarung eines linear schaltenden Körpers (bzw. Linearschaltkörpers), da ein großer Teil der Verlagerung, die entsprechend dem Anspruch zwischen der Ausgangsposition und der Schaltposition verläuft, in nicht-linearer Weise erfolgt. Bis zu der in Figur 3 der Entgegenhaltung gezeigten Position, die man als Schaltposition ansehen könnte, hat jeglicher lineare Anteil der Bewegung der Komponente (36) lange zuvor geendet.

V.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO i. V. m. § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO. Soweit die Parteien angekündigt haben, keinen Kostenantrag zu stellen, steht dies der tenorierten Kostenentscheidung nicht entgegen, da die Kammer bei einer teilweisen Klagerücknahme über die Kosten insgesamt von Amts wegen zu entscheiden hat. Eines Antrages bedarf es hierfür nicht (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 28. Auflage, § 269 Rz. 19a).

Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgen aus §§ 709 S. 1 (und 2); 108 ZPO.

Der Streitwert wird auf 1.000.000,- EUR festgesetzt. Davon entfallen 200.000,- EUR auf die beantragte Feststellung der gesamtschuldnerischen Pflicht zur Schadensersatzleistung. Die Aufteilung des Streitwerts ist notwendig, weil nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (GRUR-RR 2008, 460, 461) bei den hier streitgegenständlichen Ansprüchen nur der gesamtschuldnerisch gegen die Beklagten geltend gemachte Anspruch auf Schadensersatz gebührenrechtlich eine Angelegenheit darstellt, für die eine Erhöhungsgebühr in Betracht kommt.