4b O 285/08 – Tampon II

Düsseldorfer Entscheidung Nr.:  1868

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 13. März 2012, Az. 4b O 285/08

I. Die Beklagte wird verurteilt,

der Klägerin unter Vorlage eines einheitlichen, geordneten Verzeichnisses darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie (die Beklagte) in der Zeit vom 9.3.1994 bis zum 31.12.2009 sowie vom 26.1.2010 bis zum 11.10.2010

Tampons, insbesondere für die Frauenhygiene, die etwa zylindrisch sind und aus bandförmigem aufgewickeltem Faservlies geformt sind und einen zentralen, etwa kreisförmigen Faserkern hoher Verdichtung und hoher Knickfestigkeit und eine gerade Anzahl von mindestens sechs in Umfangsrichtung benachbarten, in gleichen Winkelabständen voneinander angeordneten Längsrippen aufweisen, die sich von dem Faserkern radial nach außen erstrecken und von weicherer Faserstruktur mit gröberer Kapillarstruktur sind,

in der Bundesrepublik Deutschland hergestellt, angeboten, in Verkehr gebracht, gebraucht oder zu den genannten Zwecken eingeführt oder besessen hat,

bei denen die Längsrippen durch schmale, streifenförmige in gleichen Winkelabständen voneinander auf der Umfangsfläche angeordnete Längsnuten voneinander getrennt sind, wobei sich nur die äußeren Enden der Längsrippen berühren, um eine im Wesentlichen glattzylindrische Oberfläche zu bilden,

und zwar unter Angabe

a) der Herstellungsmengen und –zeiten
b) der einzelnen Lieferungen und Bestellungen, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen, Liefer- und Bestellmengen, -zeiten und -preisen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,
c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen, Angebotsmengen, -zeiten und -preisen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Herstellungs- und Verbreitungsauflage, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
w o b e i

– die Beklagte zu den Angaben gemäß a) und b) die zugehörigen Rechnungen vorzulegen hat,
– der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer nicht gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten und in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten übernimmt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Angebotsempfänger oder Abnehmer in der Rechnung enthalten ist.

II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, welcher – jeweils durch die unter Ziffer I. genannten Benutzungshandlungen –
1. der A, Inc., B, C XXX (US) in der Zeit vom 9.3.1994 bis zum 31.12.2009
2. sowie der Klägerin selbst in der Zeit vom 26.1.2010 bis zum 11.10.2010
entstand.
III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
IV. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
V. Das Urteil ist für die Klägerin vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 25.000.
VI. Der Streitwert beträgt
– bis zum 9.2.2012: EUR 250.000,
– danach EUR 60.000 zuzüglich der bis dahin angefallenen Kosten.

T a t b e s t a n d :
Die Klägerin ist seit dem 26.1.2010 (vgl. den Rollenauszug gemäß Anlage rop 12) eingetragene Inhaberin des europäischen Patents 0 422 XXX B 2 (nachfolgend: „Klagepatent“, Anlage rop 1), welches eine deutsche Priorität vom 12.10.1998 (3934XXX) in Anspruch nimmt. Zuvor war die A, Inc., B, C XXX (US) als Inhaberin des Klagepatents eingetragen. Das Klagepatent beruht auf der Anmeldung vom 11.10.1990, die am 17.4.1991 veröffentlicht wurde. Die Veröffentlichung des Hinweises der Patenterteilung erfolgte am 9.2.1994. Als Vertragsstaat ist unter anderem die Bundesrepublik Deutschland benannt. Der deutsche Teil des Klagepatents, welcher beim Deutschen Patent- und Markenamt unter dem Az. 690 06 XXX T3 (Anlage rop 1a) geführt wird, stand bis zum 11.10.2010 in Kraft.
In einem das Klagepatent betreffenden Einspruchsverfahren schränkte die ehemalige Patentinhaberin den Anspruch 1 mit Schriftsatz vom 26.6.1995 ein (Anlage B 3). Die Einspruchsentscheidung des Europäischen Patentamtes vom 23.3.2000 liegt als Anlage B 4 vor.
Das Klagepatent trägt die Bezeichnung „Tampon, insbesondere für die weibliche Hygiene, Verfahren und Vorrichtung für dessen Herstellung“. Der im vorliegenden Rechtsstreit vornehmlich interessierende Anspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

„Tampon, insbesondere für die Frauenhygiene, der aus einem durch Aufwickeln eines Längenabschnitts aus bandförmigen Faservlies geformten, etwa zylindrischen Rohling gebildet ist, dessen Umfangsfläche auf einer geraden Anzahl von mindestens sechs in Umfangsrichtung des Wickelrohlings benachbarten Abschnitten radial zur Mittellängsachse des Rohlings gepresst ist, dadurch gekennzeichnet, dass ausschließlich schmale, streifenförmige, in gleichen Winkelabständen voneinander angeordnete Abschnitte der Umfangsfläche des Wickelrohlings zu einem Vorformrohling gepresst sind, der, im Querschnitt gesehen, aus einem zentralen, etwa kreisförmigen Faserkern (16) hoher Verdichtung und Knickfestigkeit und sich von dem Faserkern radial nach außen erstreckenden Längsrippen (17) von weicherer Faserstruktur mit gröberer Kapillarstruktur besteht, die durch nach außen offene Längsnuten (18) voneinander getrennt sind, und dass danach ausschließlich die weichen Längsrippen (17) des Vorformlings (15) einem schwachen, gleichmäßigen, zur Mittellängsachse des Vorformlings (15) radialen Druck ausgesetzt wurden, derart dass sich nur die äußeren Enden der Längsrippen (17) berühren, um eine weiche, im Wesentlichen glattzylindrische Oberfläche kleineren Durchmessers unter Beibehaltung der größeren Kapillarstruktur entsprechend der Endform des Tampons zu bilden (10).“

Die nachfolgenden Abbildungen der Klagepatentschrift verdeutlichen den Gegenstand eines bevorzugten Ausführungsbeispiels. Die Figur 1 zeigt einen erfindungsgemäßen Tampon in einem mittleren Längenschnitt und Figur 4 einen Querschnitt des Tampons in vergrößerter Darstellung.

Die Beklagte stellt her und vertreibt in Deutschland Tamponprodukte der Marke „D“, der Marke „E“ und der Marke „F“ (nachfolgend: „angegriffene Ausführungsformen“, wobei die Klage sich allerdings nicht gegen die Tampons der Größen „G“, „H“, „I“ und „J“ richtet). Die nähere Ausgestaltung des Tampons „D“ ergibt sich aus den als Anlage rop 5 vorgelegten Mustern. Die übrigen angegriffenen Ausführungsformen stimmen im hier interessierenden Zusammenhang mit dem Tampon „D“ überein.

Die Klägerin behauptet, sie sei schon vor ihrer Eintragung in die Rolle aufgrund der aus Anlage rop 2 ersichtlichen Prozessstandschafts- und Abtretungsvereinbarung mit der früheren Patentinhaberin A zur Geltendmachung aller streitgegenständlichen Ansprüche berechtigt gewesen. Ihr habe insbesondere ein eigenes schutzwürdiges Interesse an der Geltendmachung der streitgegenständlichen Ansprüche zugestanden; dies ergebe sich unter anderem daraus, dass sie unmittelbare Wettbewerberin der Beklagten auf dem deutschen Markt für die streitgegenständlichen Produkte sei. Die Übertragung des Klagepatents sei bereits mit Wirkung zum 1.1.2010 in rechtswirksamer Weise auf sie erfolgt (Anlage rop 10). Jedenfalls folge ihre Aktivlegitimation daraus, dass die ursprüngliche Patentinhaberin vorsorglich die Abtretung der Ansprüche aus dem Klagepatent an sie (die Klägerin) bestätigt und weiterhin äußerst vorsorglich die Ansprüche erneut an sie abgetreten und das Klagepatent übertragen habe (vgl. Anlagen rop 13 ff.). Sie ist der Ansicht, die angegriffenen Ausführungsformen machten wortsinngemäß von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch. Insbesondere wiesen die angegriffenen Ausführungsformen Längsrippen von weicherer Faserstruktur mit gröberer Kapillarstruktur auf. Zudem berührten sich nur die äußeren Enden der Längsrippen, um eine weiche, im Wesentlichen glattzylindrische Oberfläche kleineren Durchmessers unter Beibehaltung der gröberen Kapillarstruktur zu bilden. Zur Untermauerung des Verletzungsvorwurfes nimmt die Klägerin auf die Lichtbildaufnahme gemäß Anlage rop 6 Bezug sowie auf die Prüfberichte gemäß Anlagen rop 9, rop 11. Die von den Beklagten durchgeführten Vergleichsmessungen zur Absorptionsfähigkeit der angegriffenen Ausführungsformen seien irrelevant; deren Ergebnisse sowie die Frage, ob alle Messungen methodisch gleich erfolgt seien, bestreitet die Klägerin mit Nichtwissen.

Die Klägerin hat mit ihrer Klageschrift vom 5.12.2008 ursprünglich beantragt,

I. die Beklagte zu verurteilen,
1. es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 € – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Falle mehrfacher Zuwiderhandlung bis zu insgesamt 2 Jahren, wobei die Ordnungshaft an den gesetzlichen Vertretern der Beklagten zu vollziehen ist, zu unterlassen,

Tampons, insbesondere für die Frauenhygiene, die etwa zylindrisch sind und aus bandförmigem aufgewickeltem Faservlies geformt sind und einen zentralen, etwa kreisförmigen Faserkern hoher Verdichtung und hoher Knickfestigkeit und eine gerade Anzahl von mindestens sechs in Umfangsrichtung benachbarten, in gleichen Winkelabständen voneinander angeordneten Längsrippen aufweisen, die sich von dem Faserkern radial nach außen erstrecken und von weicherer Faserstruktur mit gröberer Kapillarstruktur sind,

herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,

bei denen die Längsrippen durch schmale, streifenförmige in gleichen Winkelabständen voneinander auf der Umfangsfläche angeordnete Längsnuten voneinander getrennt sind, wobei sich nur die äußeren Enden der Längsrippen berühren, um eine im Wesentlichen glattzylindrische Oberfläche zu bilden;

2. ihr unter Vorlage eines einheitlichen, geordneten Verzeichnisses vollständig darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie (die Beklagte) die zu 1. bezeichneten Handlungen seit dem 9.3.1994 begangen hat, und zwar unter Angabe

a) der Herstellungsmengen und –zeiten
b) der einzelnen Lieferungen und Bestellungen, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen, Liefer- und Bestellmengen, -zeiten und -preisen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,
c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen, Angebotsmengen, -zeiten und -preisen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Herstellungs- und Verbreitungsauflage, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

wobei

– die Beklagte zu den Angaben gemäß a) und b) Auftragsbelege, Auftragsbestätigungen, Rechnungen sowie Liefer- und Zollpapiere vorzulegen hat,
– der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer nicht-gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten und in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte die durch dessen Einschaltung entstehenden Kosten übernimmt und ihn ermächtigt, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter nicht-gewerblicher Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Rechnungslegung enthalten ist;

3. die unter Ziffer 1. beschriebenen Erzeugnisse zurückzurufen und aus den Vertriebswegen endgültig zu entfernen, wobei der Rückruf gegenüber den gewerblichen Abnehmern unter Hinwies auf den patentverletzenden Zustand der Sache und mit der verbindlichen Zusage zu erfolgen hat, etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige Kosten, insbesondere Verpackungs- und Transportkosten, zu übernehmen;

4. die im unmittelbaren und mittelbaren Besitz oder Eigentum der Beklagten befindlichen, unter 1. bezeichneten Erzeugnisse zu vernichten oder nach ihrer (der Beklagten) Wahl an einen von der Klägerin zu benennenden Treuhänder zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten herauszugeben;

II. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu Ziffer I.1. bezeichneten, seit dem 9.3.1994 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

Am 27.1.2009 hat die Klägerin ihr Begehren zu Ziffer I.2 auf die Vorlage von Rechnungen beschränkt. Am 21.1.2010 hat die Klägerin den Antrag zu Ziffer II. mit der Maßgabe gestellt, dass ihr derjenige Schaden, welcher der A, Inc., in der Zeit vom 9.3.1994 bis zum 31.12.2009 entstanden ist, und der Schaden, welcher ihr selbst ab dem 1.1.2010 entstand, zu ersetzen ist. Ferner hat die Klägerin die Anträge zu Ziffer I.3. in der Fassung gemäß Anlage zum Protokoll vom 21.1.2010 gestellt, wobei sie den Antrag auf Verurteilung zur endgültigen Entfernung aus den Vertriebswegen am 9.2.2012 mit Zustimmung der Beklagten zurückgenommen hat.
Am 9.2.2012 hat die Klägerin – vor dem Hintergrund des zwischenzeitlichen Erlöschens des Klagepatents durch Zeitablauf – zudem die Anträge zu Ziffer I.1., I.3. und I.4. für erledigt erklärt und die Anträge zu Ziffer I.2. sowie II. auf den Zeitraum bis zum 11.10.2010 beschränkt.

Die Beklagte hat sich den Teilerledigungserklärungen angeschlossen und beantragt im Übrigen,
die Klage abzuweisen.

Die Beklagte stellt eine Patentverletzung im Wesentlichen wie folgt in Abrede: Sie ist der Auffassung, der Anspruch 1 des Klagepatents schütze nur in einer bestimmten Verfahrensweise hergestellte Tampons, die bei den angegriffenen Ausführungsformen nicht zur Anwendung gelange. Im Übrigen fehle es den angegriffenen Ausführungsformen auch an einer Reihe von Sachmerkmalen: Unter Hinweis auf das Anlagenkonvolut B5a bis 5c meint die Beklagte, es berührten sich bei den angegriffenen Ausführungsformen nicht nur die äußeren Enden der Längsrippen, sondern es liege eine flächige anstatt der vom Klagepatent vorausgesetzten linienförmigen Berührung vor. Infolge dessen komme es nicht zur Ausbildung regelrechter Kanäle parallel zur Längsrichtung der Rippen, sondern allenfalls zu vereinzelten kleineren, zwickelartigen Hohlräumen. Das liege daran, dass bereits gleichzeitig mit der Ausbildung des Faserkerns auch das Material der sich ausprägenden Längsrippen durch Werkzeugschultern in erheblichem Maße verpresst und so verdichtet würden. Die Beklagte bestreitet mit Nichtwissen, dass die Aufnahme gemäß Anlage rop 6 ein Exemplar der angegriffenen Ausführungsformen zeige; im Übrigen sei auch auch dort eine flächige Berührung zu sehen. Ebenso bestreitet die Beklagte mit Nichtwissen, dass die Prüfberichte gemäß Anlagen rop 9 und rop 11 die angegriffenen Ausführungsformen zum Gegenstand hätten. Der in Anlage rop 9 beschriebene Test sei überdies methodisch ungeeignet; die aus Anlage rop 6 ersichtlichen „Kanäle“ seien erst durch im Rahmen des Tests einströmendes Gießharz entstanden, also bei bestimmungsgemäßem Gebrauch des Tampons nicht existent. Die flächige Berührung bei den angegriffenen Ausführungsformen sei durch die Art und Weise ihrer Herstellung bedingt, die in den sich aus Anlage B 6 ergebenden Herstellungsschritten begründet sei. Anhand dessen sei auch ersichtlich, dass bei den angegriffenen Ausführungsformen nicht von einer „Beibehaltung der gröberen Kapillarstruktur“ im Vergleich zu einem vorangehenden Formling die Rede sein könne. Erfindungsgemäß dürfe die vor dem letzten Verformungsschritt, der kein Pressvorgang sein dürfe, bereits vorhandene gröbere Kapillarstruktur nicht mehr verändert werden. Die nachfolgende Verformung dürfe nur mit so schwachem Druck erfolgen, dass sich eben nur die äußeren Enden der Längsrippen (und nicht mehr als das) berühren. Hierzu nimmt die Beklagte auf die Prinzipskizze gemäß Anlage rop 8 Bezug. Es dürften sich ausschließlich die äußeren Enden berühren. Letzteres sei bei den angegriffenen Ausführungsformen nicht der Fall. Wie Anlagen B5a bis 5c zeigten, komme es allenfalls zu kleinsten Luftlöchern zwischen den Längsrippen, und auch das nur – was erfindungsgemäß nicht ausreiche – vereinzelt; derartige Lufteinschlüsse könnten die vermeintlichen erfindungsgemäßen Vorteile nicht erzielen. Es fehle auch an der klagepatentgemäß erforderlichen Weichheit infolge einer radialen Nachgiebigkeit. Von ihr in Auftrag gegebene Messungen hätten ergeben, dass die spezifische Absorptionsfähigkeit der angegriffenen Ausführungsformen keinerlei Verbesserung gegenüber dem Stand der Technik aufweise (Anlage B 7); die Messungen entsprächen dem üblichen Standard (Anlage B 9). Die Beklagte bestreitet mit Nichtwissen, dass die Klägerin ursprünglich Lizenznehmerin am Klagepatent gewesen sei und klagepatentgemäße Tampons in Deutschland vertrieben habe. Letzteres folge schon daraus, dass die technische Lehre des Klagepatents in der Praxis nicht durchführbar sei, wie nicht zuletzt das als Anlage B 10 vorgelegte Muster bestätige. Die Tampons der Klägerin würden nach anderen technischen Lehren hergestellt (vgl. Anlagen B11a, 11b); Versuche der Klägerin, klagepatentgemäß herzustellen, seien fehlgeschlagen.

Die Kammer hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen Prof Dr. K gemäß Beweisbeschluss vom 25.2.2010 (Blatt 120 ff. GA) und gemäß Ergänzungsbeweisbeschluss vom 17.6.2011 (Blatt 209 GA). Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Sachverständigengutachten vom 11.3.2011 (Blatt 175 ff. GA), das schriftliche Ergänzungsgutachten vom 9.8.2011 (Blatt 221 f. GA) sowie auf die mündliche Anhörung des Sachverständigen gemäß Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 9.2.2012 (Blatt 244 ff. GA) Bezug genommen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die zulässige Klage hat – soweit noch rechtshängig – in der Sache ganz überwiegend Erfolg; abzuweisen waren die Anträge auf Verurteilung zur Auskunft/Rechnungslegung sowie Feststellung der Schadensersatzpflicht nur hinsichtlich eines geringfügigen Zeitraumes.

I.
Das Klagepatent betrifft einen Tampon, insbesondere für die Frauenhygiene, sowie ein Verfahren und eine Vorrichtung zum Herstellen des Tampons.

Nach den Ausführungen der Klagepatentschrift ist aus der DE-AS 14 91 XXX ein Tampon bekannt, welcher durch spitze Pressbacken verursachte Längsrillen aufweist, an deren beiden Seiten Längsrippen entstehen, die bei einem anschließenden Pressvorgang mittels Pressbacken mit teilzylindrischen Pressflächen auf die etwa zylindrische Endform des Tampons gepresst sind. Dieser Tampon hat sich wegen seiner hohen Absorptionsfähigkeit, Flüssigkeitsrückhaltefähigkeit, Absorptionsgeschwindigkeit und Stand- bzw. Knickfestigkeit in der Praxis bewährt.

Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, den Tampon der genannten Gattung so zu verbessern, dass die bisher erreichte Absorptionsfähigkeit und Absorptionsgeschwindigkeit im Wesentlichen erhalten bleibt, aber die spezifische Absorptionsfähigkeit (ml/gr.) des Tampons erhöht wird.

Zur Lösung dieses technischen Problems (der Aufgabe) sieht das Klagepatent in Anspruch 1 einen durch Herstellungsverfahrensschritte gekennzeichneten Tampon mit folgenden Merkmalen vor:

1. Der Tampon (10) ist etwa zylindrisch und aus einem bandförmigen aufgewickeltem Faservlies geformt.

2. Der Tampon (10) weist einen zentralen, etwa kreisförmigen Faserkern (16) hoher Verdichtung und Knickfestigkeit auf.

3. Der Tampon weist eine gerade Anzahl von mindestens sechs in Umfangsrichtung benachbarten, in gleichen Winkelabständen voneinander angeordneten Längsrippen (17) auf, die
a) sich von dem Faserkern (16) radial nach außen erstrecken,
b) von weicherer Faserstruktur mit gröberer Kapillarstruktur und
c) durch schmale, streifenförmige und in gleichen Winkelabständen voneinander auf der Umfangsfläche angeordnete Längsnuten (18) voneinander getrennt sind, wobei
d) sich nur die äußeren Enden der Längsrippen (17) berühren, um eine weiche, im Wesentlichen glattzylindrische Oberfläche kleineren Durchmessers unter Beibehaltung der gröberen Kapillarstruktur zu bilden.

Dem Klagepatent zufolge hat sich überraschend gezeigt, dass sich mit einem Tampon dieser Merkmale bei verbesserter Stabilität eine merkliche Erhöhung der spezifischen Absorptionsfähigkeit unter Beibehaltung der bisher erzielten Absorptionsfähigkeit und Absorptionsgeschwindigkeit bei einem überraschend geringeren Einsatz an Fasermaterial erreichen lässt. Diese Wirkung ist – so das Klagepatent – auf eine gröbere Kapillarstruktur des Fasermaterials in der Außenschicht des Tampons zurückzuführen.
II.
1)
Der Anspruch 1 des Klagepatents ist ein sog. product-by-process Anspruch. Es handelt sich um einen auf einen Tampon gerichteten Sachanspruch, der jedoch in seinem Wortlaut nicht (nur) unmittelbar durch räumlich-körperliche oder funktional umschriebene Sachmerkmale des Endproduktes, sondern zum ganz überwiegenden Teil lediglich durch Herstellungsschritte und die dabei verwendeten bzw. entstehenden Vorprodukte (Wickelrohling/Vorformrohling) definiert ist. Zu klären ist mithin, welche Sachmerkmale des beanspruchten (End-)Gegenstandes und erfindungsgemäßen körperlichen oder funktionalen Eigenschaften sich aus der Anwendung des genannten Verfahrens bei der Herstellung ergeben. Dies ist durch Auslegung des Patentanspruchs zu ermitteln, wobei – wie stets – maßgebend ist, wie der angesprochene Fachmann die Angaben zum Herstellungsweg versteht und welche Schlussfolgerungen er hieraus für die erfindungsgemäße Beschaffenheit der auf diesem Weg herstellbaren Sache zieht (BGH GRUR 2001, 1129 – zipfelfreies Stahlband; BGH GRUR 2005, 749 – Aufzeichnungsträger).

Ausgehend hiervon ist der erfindungsgemäße Tampon durch die in der unter II. aufgeführten Merkmalsanalyse genannten Sachmerkmale charakterisiert. Die im Anspruch 1 beschriebenen Herstellungsschritte, die sich auf den Wickelrohling und sodann auf den Vorformrohling beziehen, führen zu einem Endprodukt, wie es aus dieser Merkmalsanalyse hervorgeht.

Zunächst sieht Anspruch 1 als Ausgangsprodukt einen durch Aufwickeln eines Längenabschnitts aus bandförmigen Faservlies geformten, etwa zylindrischen gebildeten Rohling vor, so dass – wie der Fachmann insbesondere auch der Beschreibung eines bevorzugten Ausführungsbeispiels (Anlage rop 1, Absatz [0020]) entnehmen kann – auch der Tampon selbst in etwa zylindrisch und aus einem aufgewickelten bandförmigen Faservlies geformt ist. Dies führt zu Merkmal 1.

Der Anspruch verlangt sodann, dass die Umfangsfläche des Wickelrohlings auf einer geraden Anzahl von mindestens sechs in Umfangsrichtung des Wickelrohlings benachbarten Abschnitten radial zur Mittellängsachse des Rohlings gepresst ist, wobei ausschließlich schmale, streifenförmige, in gleichen Winkelabständen voneinander angeordnete Abschnitte der Umfangsfläche des Wickelrohling gepresst sind. Der so gepresste Wickelrohling wird im Anspruch als Vorformrohling bezeichnet. Da der Fachmann weder dem Anspruch selbst noch der Beschreibung einen Anhalt dafür entnehmen kann, dass diese Pressung im Hinblick auf die Lage bzw. die Ausrichtung, die Anzahl und Ausgestaltung der zu pressenden Abschnitte im weiteren Herstellungsverfahren eine Abänderung erfährt, weist auch der erfindungsgemäße Tampon eine gerade Anzahl von mindestens sechs in Umfangsrichtung benachbarten, in gleichen Winkelabständen voneinander angeordnete gepresste Abschnitte auf, die – wie die im folgenden zu erläuternden weiteren Angaben des Anspruchs 1 zeigen – als sich vom Faserkern radial nach außen erstreckende Längsrippen ausgestaltet sind, welche – wie sich ebenfalls aus dem im folgenden erläuterten weiteren Anspruchswortlaut ergibt – durch Längsnuten voneinander getrennt sind. Dies spiegeln die Merkmale 3, 3 a und 3 c wider.

Das Vorprodukt, den Vorformrohling, beschreibt Anspruch 1 als im Querschnitt gesehen aus einem zentralen, etwa kreisförmigen Faserkern (16) hoher Verdichtung und Knickfestigkeit bestehend, mit sich von dem Faserkern radial nach außen erstreckenden Längsrippen (17) von weicherer Faserstruktur mit gröberer Kapillarstruktur, die durch nach außen offene Längsnuten (18) voneinander getrennt sind. Dies findet zum einen mit Blick auf den Vorformrohling und zum anderen für den Tampon selbst in der Beschreibung eines bevorzugten Ausführungsbeispiels sowie hinsichtlich des zentralen Faserkerns des Endproduktes in der allgemeinen Beschreibung seinen Niederschlag (Anlage rop 1a, Absatz [0021], Absatz [0031] f., Figur 4, Absatz [0006])). Der Fachmann erkennt mangels Ansatzpunktes für eine sich anschließende Veränderung des Vorformrohlings bei diesen räumlich-körperlichen Eigenschaften zwanglos, dass auch das Endprodukt einen zentralen, etwa kreisförmigen Faserkern hoher Verdichtung und Knickfestigkeit (Merkmal 2) aufweist und – im Querschnitt gesehen – sich von dem Faserkern radial nach außen erstreckende Längsrippen hat, die eine weichere Faserstruktur mit gröberer Kapillarstruktur haben (Merkmale 3, 3 a und 3 b). Der zentrale Faserkern sorgt infolge der Faserverdichtung für die erfindungsgemäße Stabilität; die weniger verdichteten Längsrippen zeichnen sich durch eine weichere Faserstruktur mit gröberer Kapillarstruktur aus. Beides steht im Fokus des Klagepatents. Insbesondere letzteres dient der Erfüllung der Aufgabe, die spezifische Absorptionsfähigkeit unter Beibehaltung der bisher erzielten Absorptionsfähigkeit und Absorptionsgeschwindigkeit bei geringem Einsatz von Fasermaterial zu erreichen. Selbstredend hat dies nicht nur Geltung für den (beschriebenen) Vorformrohling, sondern auch für das Endprodukt.
Wie dem Anspruch und der Beschreibung in der Klagepatentschrift ferner zu entnehmen ist, werden in einem weiteren Verfahrensschritt ausschließlich die weichen Längsrippen (17) des Vorformrohlings (15) einem schwachen, gleichmäßigen, zur Mittellängsachse des Vorformrohlings (15) radialen Druck ausgesetzt, derart, dass sich nur die äußeren Enden der Längsrippen (17) berühren. Infolge dessen bewegen sich die äußeren Enden der Längsrippen aufeinander zu und die bis dahin (beim Vorformrohling) offenen Längsnuten (18) werden verschlossen. Hierdurch entsteht erfindungsgemäß eine weiche, im Wesentlichen glattzylindrische Oberfläche kleineren Durchmessers unter Beibehaltung der größeren Kapillarstruktur im Außenbereich des Tampons. (Anlage rop 1a, Absatz [0021], Absatz [0032]). Dies führt zu der in Merkmal 3 d beschriebenen endgültigen Oberfläche bzw. Oberflächenform des Tampons. Darüber hinaus verdeutlicht auch dieser Verfahrensschritt dem Fachmann das Vorhandensein von zwei unterschiedlichen Verdichtungszonen innerhalb des Endprodukts. Im Inneren des Tampons befindet sich der im ersten Schritt gepresste Faserkern mit hoher Verdichtung, während die Faserstruktur des Außenbereichs infolge des zweiten, nur schwachen Druck auf die Längsrippen ausübenden Schrittes einen geringeren Verdichtungsgrad aufweist (Merkmale 2, 3 b).

Weitere Sachmerkmale und räumlich-körperliche oder funktionale Eigenschaften des Endproduktes, die aus dem im Anspruch genannten Herstellungsverfahren erwachsen, gibt das Klagepatent dem Fachmann nicht an die Hand.

2)
Das durch einen product-by-process Anspruch geschützte Erzeugnis genießt absoluten Schutz, und zwar unabhängig von der Art seiner Herstellung. Denn Gegenstand des Patents ist trotz der Beschreibung durch das Herstellungsverfahren das Erzeugnis als solches. Mithin ist ein Erzeugnis, welches die gleichen Eigenschaften wie das durch den product-by-process Anspruch Geschützte aufweist, als patentverletzend anzusehen, gleichgültig, ob es mittels eines von dem in Anspruch genannten Weg hergestellt wurde (BGH GRUR 1993, 651 – Tetraploide Kamille; BGH GRUR 2001, 1129 – zipfelfreies Stahlband; BGH GRUR 2005, 749 – Aufzeichnungsträger).

Dies ist vorliegend bei den angegriffenen Ausführungsformen, welche in den hier interessierenden Zusammenhängen unstreitig identisch ausgebildet sind, der Fall. Sie weisen sämtliche Sacheigenschaften auf wie das durch Anspruch 1 geschützte Erzeugnis.

a)
Die angegriffenen Ausführungsformen verwirklichen das Merkmal 3b), wonach die Längsrippen von weicherer Faserstruktur mit gröberer Kapillarstruktur sind.

aa)
Der Fachmann erkennt, dass das Erfordernis einer gröberen Kapillarstruktur eine reine Verhältnisangabe in Bezug auf den Faserkern enthält. Der Anspruch gibt nämlich nicht eine bestimmte Verdichtung bzw. einen bestimmten Verdichtungsgrad des Faserkerns und/oder der Längsrippen vor, sondern setzt diese in ein Verhältnis zueinander. Der Faserkern muss demnach von beiden Bereichen den höheren Verdichtungsgrad aufweisen, während die Längsrippen im Vergleich dazu eine weichere Struktur in ihren Fasern haben müssen.
Soweit die gröbere Kapillarstruktur der Längsrippen im Merkmal 3b) thematisiert ist, geht es um ein Herstellungsstadium vor dem Verpressen der Längsrippen, während sich das Merkmal 3d) der betreffenden Situation nach einem Verpressen widmet. Die Einwendungen der Beklagten im Zusammenhang mit der „gröberen Kapillarstruktur“ zielen allein auf die im Merkmal 3d) thematisierte Herstellungssituation ab – also auf das Endprodukt. Sie haben nicht etwa zum Inhalt, dass die Kapillarstruktur der Längsrippen vor dem Verpressen gleichermaßen grob sei wie jene des Faserkerns.
Jedenfalls ergibt sich mittelbar aus den Ausführungen des Sachverständigen auf Seite 2, vorletzter Absatz des Ergänzungsgutachtens, dass bei den angegriffenen Ausführungsformen im für das Merkmal 3b) maßgeblichen Stadium eine gröbere Kapillarstruktur der Längsrippen im Vergleich zum Faserkern denknotwendig vorhanden ist. Dies gilt ungeachtet des Umstandes, dass der Sachverständige allein Eigenschaften des fertigen Tampons untersuchen konnte: Nach den tatsächlichen Feststellungen des Sachverständigen steht in Bezug auf das Endprodukt fest, dass die Längsrippen eine gröbere Kapillarstruktur als der Faserkern aufweisen. Ist dem so, muss es sich im Vorstadium jedoch erst recht so verhalten, dass die Längsrippen eine gröbere Kapillarstruktur als der Faserkern aufweisen. Die dem Endprodukt vorausgehende Verpressung führt nämlich dazu, dass die Dichte der Längsgrippen zunimmt, ihre Kapillarstruktur mithin vor der Verpressung gröber gewesen sein muss als danach. Die Beklagte stellt dies auch nicht in Abrede, sondern macht allein geltend, dass die Kapillarstruktur der Längsrippen der angegriffenen Ausführungsformen nach dem Verpressen nicht mehr exakt mit jener vor dem Verpressen übereinstimme. Letzteres kann aber allenfalls für das Merkmal 3d) von Bedeutung sein, worauf unten näher eingegangen wird.

bb)
Die Längsgrippen der angegriffenen Ausführungsformen verfügen auch über eine weichere Faserstruktur im Sinne von Merkmal 3b).
Auch in Bezug auf diese Anforderung gilt, dass der Anspruch 1 keine absoluten Vorgaben in Bezug auf die Weichheit der Längsrippen macht, sondern lediglich postuliert, dass die Faserstruktur der Längsgrippen weicher ist als jene des Faserkerns.
Die Längsrippen mit derart weicherer Faserstruktur tragen wesentlich zur Erfüllung der Aufgabe des Klagepatents bei, die spezifische Absorptionsfähigkeit des Tampons unter Reduzierung des einzusetzenden Fasermaterials zu verbessern. Da die Längsrippen im ersten Herstellungsschritt nicht gepresst werden und im zweiten Schritt auf sie lediglich ein schwacher Druck ausgeübt wird, verdichten sich die Fasern der Längsrippen nicht in einem so hohen Grad wie im gepressten Faserkern mit der Folge, dass eine lockere Faser- und gröbere Kapillarstrukturen vorhanden und ein besseres Aufsaugen pro Gramm des Faservlieses möglich ist (Absatz [0004] f., Absatz [0022], Absatz [0032] des Klagepatents). Nicht nur die Längsrippen selbst können dadurch schneller mehr Flüssigkeit aufnehmen, sondern auch der davon umgebene Faserkern bietet eine größere Oberfläche und die Möglichkeit besser zu expandieren sowie zu absorbieren.
Dass die angegriffenen Ausführungsformen diesen Anforderungen genügen, ergibt sich aus der nachfolgend eingeblendeten Abbildung 1 des gerichtlichen Sachverständigengutachtens (Blatt 184 GA).

Die vorstehende Abbildung wurde mittels Micro-CT-Technik gewonnen, einem bildgebenden Verfahren auf Basis der Röntgentechnik. Mit diesem Verfahren können Dichteunterscheide von Materialien ermittelt werden. Aus der ermittelten Strukturdichte lässt sich die Materialweichheit erschließen. Wie anhand obiger Abbildung deutlich zu erkennen ist, erscheint der Kern als kompakte Masse im Vergleich heller als die Längsrippen, die als lockere Struktur dunkler erscheinen. Dem überzeugenden Rückschluss des Sachverständigen (S. 5, 2. Absatz des Erstgutachtens, Blatt 179 GA) aus diesem Umstand darauf, dass die Längsrippen eine geringere Dichte und damit eine weichere Struktur als der Faserkern aufweisen, ist die Beklagte zu Recht nicht entgegen getreten.

b)
Auch das Merkmal 3d) ist durch die angegriffenen Ausführungsformen wortsinngemäß verwirklicht.

aa)
Das gilt zunächst hinsichtlich der Anforderung, dass sich nur die äußeren Enden der Längsrippen berühren.
Im Anspruch selbst wird hervorgehoben, dass eine Berührung nur der äußeren Enden der Längsrippen dazu dient, eine weiche, im Wesentlichen glattzylindrische Oberfläche kleineren Durchmessers zu bilden. Diese Zweckangabe wird nahezu wortgleich im Absatz [0021] des Klagepatents wiederholt.

aaa)
Zweckangaben in einem Sachanspruch können die Bedeutung haben, dass die Vorrichtung nicht nur die räumlich-körperlichen Merkmale erfüllen muss, die der Anspruch explizit formuliert, sondern dass diese darüber hinausgehend so ausgebildet sein muss, dass sie die im Anspruch erwähnte Wirkung/Funktion hat (BGH, GRUR 2009, 837 – Bauschalungsstütze). Dann kommt der Zweckangabe Schutzbereichsrelevanz zu (BGH, GRUR 2006, 923 – Luftabscheider für Milchsammelanlage). Es kann sich aber auch so verhalten, dass die explizit im Anspruch enthaltenen Sachmerkmale bereits alle Bedingungen umschreiben, die aus technischer Sicht zur Erzielung der angegebenen Wirkung notwendig sind, so dass die Zweckangabe für die Verletzungsprüfung dann irrelevant ist (Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 5. Auflage, Rn 39).
Ob vorliegend von der ein oder der anderen Konstellation auszugehen ist, kann im Ergebnis offen bleiben. Welche konstruktive Ausgestaltung das Klagepatent in Bezug auf die Anforderung, dass sich nur die äußeren Enden der Längsrippen berühren, unter anderem genügen lässt, zeigt das bevorzugte Ausführungsbeispiel gemäß der oben bereits abgebildeten Figur 4 des Klagepatents nebst der entsprechenden Beschreibung gemäß Absatz [0032] des Klagepatents. In der genannten Beschreibungspassage heißt es, in Figur 4 sei gezeigt, dass sich die äußeren Enden der Längsrippen berührten. Anhand dessen erkennt der Fachmann, dass der technische Sinngehalt dieses Teilmerkmals nicht notwendig eine linienförmige Berührung verlangt, sondern in gewissem Umfang auch flächige Berührungen ausreichen lässt.

bbb)
Entgegen den Mutmaßungen des Sachverständigen (vgl. Protokoll vom 9.2.2011, S. 5, 1. Absatz a.E., Blatt 248 GA) und der Ansicht der Beklagten ergibt sich auch nicht etwa aus dem Hergang des Erteilungs- bzw. Einspruchsverfahrens, dass die Figur 4 des Klagepatents einschließlich der zugehörigen Beschreibung nach der Einschränkung des Anspruchs 1 nicht mehr vom Schutzumfang erfasst sei. In diesem Zusammenhang ist zunächst festzuhalten, dass die Erteilungsakten im Hinblick auf § 14 PatG bzw. Art. 69 EPÜ nicht zu den Unterlagen gehören, welche zur Auslegung von Patentansprüchen heranzuziehen sind (BGH, GRUR 2002, 511 – Kunststoffrohrteil); eine Äußerung des Anmelders im Rahmen des Prüfungsverfahrens kann daher allenfalls indizielle Bedeutung für das einschlägige Verständnis des Fachmanns haben (vgl. Kühnen, a.a.O., Rn 45 ff. unter Hinweis auf die verfassungsrechtliche Problematik; vgl. auch BGH, Mitt. 1997, 364 – Weichvorrichtung II).
Der Bundesgerichtshof hat es zuletzt allerdings offen gelassen, ob der vorgenannte Grundsatz, wonach nicht auf Vorgänge im Erteilungsverfahren zurückgegriffen werden darf, die im Patent keinen Niederschlag gefunden haben, es auch verbietet, beispielsweise auf frühere Fassungen einer später geänderten Patentschrift zurückzugreifen, wenn sich der Gehalt der maßgeblichen Fassung der Patentschrift erst aus einem Vergleich mit diesen erschließt und damit zu einem Niederschlag auch in dieser geführt hat (BGH, GRUR 2011, 701, 704 – Occlusionsvorrichtung; vgl. schon BGH, GRUR 2010, 602 – Gelenkanordnung). Selbst wenn man die Zulässigkeit einer entsprechenden Ausnahme zu bejahen hätte, bestünde im vorliegenden Einzelfall kein Anlass zur Annahme, das Ausführungsbeispiel gemäß Figur 4 sei ein bloßes Relikt in der Beschreibung des Klagepatents, das nach der Einschränkung des Klagepatents zu Unrecht noch Bestandteil desselben sei.
Die gegenteilige Ansicht der Beklagten verkennt nämlich, dass die Einspruchsabteilung in ihrer Entscheidung gemäß Anlage B 4 unter Randziffer 22. wie selbstverständlich davon ausgeht, dass die technische Lehre gemäß Figur 4 des Klagepatents und der zugehörige Beschreibungstext auch der geänderten Anspruchsfassung immanent sind. So verneint die Einspruchsabteilung eine unzulässige Erweiterung gerade mit dem Argument, dass das neu in den Patentanspruch aufgenommene Merkmal „… nur die äußeren Enden der Längsrippen berühren sich, um eine weiche, im wesentlichen glattzylindrische Oberfläche […] zu bilden“ insbesondere der schon zu den ursprünglichen Anmeldeunterlagen gehörenden Figur 4 des Klagepatents zu entnehmen war. Nach der sachkundigen Einschätzung der Einspruchsabteilung verhält es sich also gerade nicht so, dass die Figur 4 des Klagepatents eine Ausgestaltung zeige, bei der sich mehr als nur die äußeren Enden der Längsrippen berühren. Sodann greift die Einspruchsabteilung unter Randziffer 24 ihrer Entscheidung gemäß Anlage B 4 ein weiteres Mal auf die Figur 4 des Klagepatents zurück, und zwar im Zusammenhang mit den Anforderungen der Artt. 83 f. EPÜ bezüglich der Begriffe „äußere Enden“ und „berühren“. Auch das verdeutlicht, dass die Figur 4 keineswegs versehentlich Gegenstand des Klagepatents blieb, weil deren Eliminierung im Rahmen der Anpassung an die Anspruchsbeschränkung vergessen worden sei. Insofern entbehrt die Annahme, die Einspruchsabteilung sei von einer zwingenden, rein linienförmigen Berührung ausgegangen, jedweder objektiven Grundlage.
Schließlich verfängt das Argument der Beklagten, wonach die Einspruchsabteilung explizit betonte, dass nur die äußeren Enden einander berühren, nicht. Soweit die Beklagte in den Worten „… und nur an ihren Enden…“ (vgl. Rn 22. Der Anlage B 4) nochmals eine weitere Einschränkung in Bezug auf die äußeren Enden sehen möchte, überzeugt dies nicht. Denn offensichtlich sah die Einspruchsabteilung eine solche Ausgestaltung in der Figur 4 gerade als verwirklicht an. Damit korrespondiert, dass die äußeren Enden der Längsrippen in den Figuren des Klagepatents mit der Bezugsziffer 20 versehen sind, die in der Figur 4 den gesamten „Pilzkopf“ in Bezug nimmt. Aus alldem ersieht der Fachmann, dass das Wort „nur“ lediglich der Klarstellung dient, dass die äußeren Enden der Längsrippen nicht vollflächig aneinander liegen dürfen, so dass einerseits die Außenfläche des Tampons eine angenehme Handhabung gewährleistet (vgl. Absatz [0006] des Klagepatents) und andererseits zum Kern hin Leitungskanäle entstehen.
Vor diesem Hintergrund ist auch kein Widerspruch zwischen dem Anspruchswortlaut und dem betreffenden Ausführungsbeispiel zu erkennen, so dass die Figur 4 auch nicht unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt bei der Auslegung außen vor zu bleiben hat (vgl. dazu BGH, GRUR 2011, 701, 704 – Okklusionsvorrichtung). Denn die Figur 4 stellt vielmehr eine mögliche Konkretisierung der für sich genommen offen formulierten Anspruchsfassung dar.
ccc)
Soweit der Sachverständige davon ausgeht (vgl. S. 2, drittletzer Absatz des Protokolls, Blatt 245 GA), in Figur 4 des Klagepatents sei die Situation eines aufgequollenen Tampons illustriert, kann auch dem nicht gefolgt werden. Denn ausweislich Absatz [0032] des Klagepatents zeigt Figur 4 in vergrößerter Darstellung die Faserstruktur des erfindungsgemäßen Tampons im Querschnitt. Daraus ergeben sich keine Anhaltspunkte für die Prämisse des Sachverständigen. Insbesondere können die Worte „vergrößerte Darstellung“ nicht als Beleg für diese dienen. Wäre es dem Anmelder darum gegangen, die spezifische Situation eines aufgequollenen Tampons zu illustrieren, wäre insoweit eine explizite Klarstellung erfolgt.

ddd)
Nach alledem berühren sich auch bei den angegriffenen Ausführungsformen nur die äußeren Enden der Längsrippen.
Wie sich aus der oben bereits wiedergegebenen Abbildung 1 des Sachverständigengutachtens ergibt, entsprechen die angegriffenen Ausführungsformen nahezu vollkommen dem Ausführungsbeispiel gemäß Figur 4 des Klagepatents.
Insbesondere besteht eine dahingehende Übereinstimmung, dass die Kanallänge vom (fiktiven) äußeren Kreisbogen des Tampons bis zur Berührungsfläche jeweils etwa ein Drittel ausmacht. Soweit der Sachverständige meint, eine derart „furchige“ Außenfläche sei nicht erfindungsgemäß, verkennt er die Bedeutung der Figur 4 des Klagepatents, die – wie erläutert – anhand eines Ausführungsbeispiels verdeutlicht, wann auch (noch) von einer Berührung nur der äußeren Enden der Längsrippen auszugehen ist und eine „im Wesentlichen glattzylindrische Oberfläche“ vorliegt. Das Klagepatent enthält insoweit – wie stets – sein eigenes Lexikon, mittels dessen die Begrifflichkeiten des Anspruchs definiert werden. Durch die anspruchsgemäße Einschränkung „im Wesentlichen glattzylindrisch“ kommt zum Ausdruck, dass Abweichungen vom „Ideal“ eines ganz glatten zylindrischen Tampons durchaus als erfindungsgemäß toleriert werden und die Figur 4 mit dem Anspruch in Einklang steht.
Ein Unterschied der angegriffenen Ausführungsformen zur Figur 4 des Klagepatents mag darin begründet sein, dass die Ausdehnung des Kanals zwischen Berührungsfläche und Faserkern nur ein Drittel gegenüber zwei Dritteln bei der Figur 4 ausmacht (vgl. Anlagen 1 und 2 zum Protokoll vom 9.2.2012, Blatt 251 f. GA). Dies ist jedoch jedenfalls deshalb patentrechtlich irrelevant, weil die angegriffenen Ausführungsformen zumindest den – im Anspruch selbst hervorgehobenen – Zweck der Ausbildung einer im Wesentlichen glattzylindrischen Oberfläche erreichen. Das genügt für die Bejahung einer sog. verschlechterten Ausführungsform, da eine wortsinngemäße Verletzung nicht voraussetzt, dass sämtliche intendierten Wirkungen (vollständig) erreicht werden (vgl. BGH, GRUR 2006, 131 – Seitenspiegel). Insofern kommt es nicht darauf an, ob bei den angegriffenen Ausführungsformen ausreichend dimensionierte Leitungskanäle vorhanden sind. Dies gilt umso mehr, als dass der Sachverständige im Rahmen der mündlichen Anhörung erläuterte, dass das Absorptionsvermögen eines Tampons nicht durch die Leitungskanäle, sondern durch den Vliesstoff bestimmt wird (S. 3 unten des Protokolls, Blatt 246 GA); dieser technischen Einschätzung stimmte die Beklagte – wenn auch in anderem Kontext – im abschließenden Plädoyer ausdrücklich zu.
Schließlich ist es unerheblich, dass sich einige benachbarte Längsrippen gar nicht mit ihren äußeren Enden berühren (vgl. wiederum die oben wiedergegebene Abbildung 1 des Sachverständigengutachtens). Zunächst erkennt der Fachmann, dass der Anspruch selbst gerade keine ausdrückliche Vorgabe macht, wonach sich alle benachbarten Längsrippen mit ihren äußeren Enden berühren müssten. Sodann ergibt eine Betrachtung der Figur 2 des Klagepatents, die einen Querschnitt II-II gemäß Figur 1 zeigt, welche wiederum den erfindungsgemäßen Tampon in einem Längsschnitt zeigt, dass dessen technischer Lehre kein solch enges Verständnis zugrundeliegt. Denn nach diesem (entsprechend den Erläuterungen in Abschnitten [0012] f. auf das Endprodukt bezogenen) Ausführungsbeispiel besteht überhaupt keine Berührung (der äußeren Enden) der Längsgrippen. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass es erst recht auch erfindungsgemäß ist, wenn sich nur ein Teil der äußeren Enden aller Längsrippen berührt. Demgegenüber vermochten weder der Sachverständige (vgl. Seite 5, vorletzter Absatz des Gutachtens, Blatt 179 GA; vgl. Seite 1 unten f. des Protokolls vom 9.2.2012, Blatt 244 f. GA) noch die Beklagte ein am Klagepatent orientiertes Argument für die gegenteilige Auslegung zu benennen.

bb)
Bei den angegriffenen Ausführungsformen wird auch die „gröbere Kapillarstruktur beibehalten“ im Sinne von Merkmal 3d).

aaa)
Wie bereits im Rahmen der Ausführungen zum Merkmal 3b) erläutert, bezieht sich das Merkmal 3d) auf den Endzustand des Tampons. Der Fachmann versteht unter der Beibehaltung der gröberen Kapillarstruktur nicht, dass die Kapillarstruktur des Endproduktes zwingend 1:1 mit derjenigen des Vorformlings übereinstimmen müsse. Wesentlich ist nur, dass die Längsrippen im Endprodukt bei der gebotenen relativen Betrachtung im Vergleich zum Faserkern immer noch die gröbere Kapillarstruktur aufweisen müssen, obwohl zwischenzeitlich eine Verpressung des Wickelrohlings und eine Ausübung radialen Drucks auf die Längsrippen erfolgt ist.
An mehreren Beschreibungsstellen, z.B. Absätze [0021], [0032] und [0038] geht das Klagepatent davon aus, dass nicht etwa nur der Faserkern, sondern auch die Längsrippen des Tampons im Rahmen der Herstellung einem Druck ausgesetzt und jedenfalls verformt werden. Anhand dessen ist dem Fachmann klar, dass der Durchmesser des Tampons verringert wird, und zwar auch bedingt durch die Verformung der Längsrippen. Damit ist es zwangsläufig verbunden, dass auch die Längsrippen ihre Kapillarstruktur verändern.
Soweit die Beklagte einwendet, das Material der Längsrippen bilde sich nach erfolgter Verformung wieder (vollständig) zurück, überzeugt dies nicht. Wie nämlich der Sachverständige u.a. auf Seite 2, drittletzter Absatz des Ergänzungsgutachtens (Blatt 222 GA) nachvollziehbar ausführte, bedingt die Ausübung eines flächigen radialen Drucks bei einem Vliesstoff immer eine Verdichtung desselben, so dass sich zwangsläufig auch dessen Kapillarstruktur verändert. Letztere wird trotz einer Rückfederung des Materials nicht mehr völlig in ihren Ausgangszustand zurückkehren, weil es an einer dafür erforderlichen Biegesteifigkeit fehlt. Denn die Herstellung der gewünschten weichen Oberfläche des Tampons bedingt die Verwendung dünner, biegeschlaffer Fasern.
Vor diesem technischen Hintergrund erkennt der Fachmann, dass eine exakte Beibehaltung der gröberen Kapillarstruktur gemäß Merkmal 3b) im Endprodukt unmöglich ist. Diese Erkenntnis wird ihn in der Annahme bestärken, dass eine solche bei verständiger Würdigung schlichtweg nicht postuliert sein kann. Insofern wird ihn auch keineswegs die Verwendung des bestimmten Artikels im Anspruch („der gröberen Kapillarstruktur“) annehmen lassen, das Klagepatent habe gleichwohl die vollständige, identische Erhaltung der Kapillarstruktur des Vorformlings zum Ziel. Vielmehr wird der Fachmann unter Berücksichtigung der technischen Gegebenheiten bestrebt sein, dem Klagepatent diesbezüglich einen technisch sinnvollen Gehalt zu entnehmen (vgl. BGH, GRUR 2009, 653 – Straßenbaumaschine; GRUR 2008, 887 – Momentanpol II). Diesen erblickt der Fachmann darin, dass es auch in Bezug auf das Endprodukt allein darauf ankommt, dass die Kapillarstruktur der Längsrippen im Vergleich zum Faserkern gröber ist, also wiederum eine bloße Verhältnisangabe aufgestellt wird.

bbb)
Dass der „Witz der Erfindung“ gerade darin liege, exakt diejenige Kapillarstruktur beizubehalten, die schon der Vorformling hatte, ergibt sich entgegen der Ansicht der Beklagten ebenso wenig aus der ursprünglichen Anmeldung. Folgerichtig benennt sie hierzu auch keine konkrete Textstelle, die sich von der diesbezüglichen aktuellen Fassung des Klagepatents unterscheidet und ihre abweichende Auslegung rechtfertigen könnte. Soweit sie auf die ursprüngliche Fassung der T2-Veröffentlichung Bezug nimmt (vgl. Seite 6 oben der Klageerwiderung, Blatt 35 GA), heißt es auch dort: „unter Beibehaltung der gröberen Kapillarstruktur“. Auch aus dem Hergang des Einspruchsverfahrens lässt sich kein Argument für die Beklagte herleiten: Aus den von der Beklagten angeführten Passagen in den Anlagen B 3 und B 4 ergibt sich keine Einschränkung in Bezug auf die gröbere Kapillarstruktur gemäß Merkmal 3d) im Vergleich zur ursprünglichen Anmeldung.

ccc)
Soweit die Beklagte auf die Figur 9 des Klagepatents, insbesondere die dort gezeigten Presswerkzeuge (nur die sog. Pressschneiden tauchen ein) verweist, verfängt auch dieses Argument nicht. Dies gilt schon deshalb, weil die Figur 9 ein bloßes Ausführungsbeispiel illustriert, auf welches die technische Lehre des Anspruchs 1 gerade nicht beschränkt ist (vgl. BGH, GRUR 2008, 779 – Mehrgangnabe). Im Übrigen kommt es entsprechend der obigen Ausführungen auch in diesem Falle zu einer Verformung und damit gewissen Änderung der Kapillarstruktur der Längsrippen, die nicht wieder vollständig zurückgebildet wird.

ddd)
Mit Rücksicht auf diese Auslegung wird auch bei den angegriffenen Ausführungsformen die gröbere Kapillarstruktur der Längsrippen beibehalten, mag es auch zu einer – wie die Beklagte im Termin vom 9.2.2012 behauptet hat – „signifikanten“ Änderung gegenüber dem Stadium gemäß Merkmal 3b) kommen. Wie die Untersuchung des Sachverständigen ergab (siehe Ergänzungsgutachten, S. 2 unten, Blatt 222 GA), verhält es sich im Endprodukt so, dass in den Längsrippen eine gröbere Kapillarstruktur als im Faserkern vorherrscht. Letzeres wurde von der Beklagten bis zum Haupttermin vom 9.2.2012 auch in tatsächlicher Hinsicht nicht in Abrede gestellt, sondern allein die oben abgelehnte, gegenteilige Auslegung eingewendet.
Zutreffend verweist die Beklagte nunmehr darauf, dass die Kapillarstruktur der Längsrippen nicht homogen ist. Wie die oben eingeblendete Abbildung 1 des Sachverständigengutachtens belegt, verhält es sich vielmehr sogar so, dass einzelne Teile, und zwar im Bereich nahe am Faserkern, dichter ausgestaltet sind als der Faserkern. In der Abbildung 1 des Sachverständigengutachtens kommt dies dadurch zum Ausdruck, dass die Rippen im Übergangsbereich zum Kern kräftiger abgebildet sind als der Kern selbst. Jedoch steht auch dieser Umstand einer wortsinngemäßen Verletzung nicht entgegen:
Zunächst ist festzuhalten, dass ausweislich der Figur 4 des Klagepatents es nicht erforderlich ist, dass die Kapillarstruktur über die gesamte Längsrippe hinweg gleich ausgestaltet ist. Denn in der betreffenden Zeichnung kommen unterschiedliche Dichtigkeitsverhältnisse dadurch zum Ausdruck, dass zum Kern hin eine dichtere Struktur zeichnerisch wiedergegeben ist. Dass die Höhe der Verdichtung des Faserkerns in die Längsrippen hineinstrahlt (vgl. S. 4 unten des Protokolls vom 9.2.2012) und in diesem Bereich sogar eine höhere Dichtigkeit als im Kern selbst vorherrscht, steht der Lehre des Klagepatents ebenfalls nicht entgegen, wie sich (mittelbar) der Figur 9 des Klagepatents entnehmen lässt. In Anbetracht des dort gezeigten beispielhaften Herstellungsverfahrens mittels der dort zum Einsatz kommenden Werkzeuge ist dem Fachmann klar, dass im Übergangsbereich zwischen Rippen und Kern der ausgeübte radiale Druck am höchsten ist und deshalb dort auch der größte Einfluss auf die Kapillarstruktur vorherrscht. Wesentlich ist insofern nur, dass die Längsgrippen insgesamt betrachtet eine gröbere Kapillarstruktur als der Kern aufweisen, es mithin zur Ausbildung verschiedener Verdichtungszonen zwischen Kern und Längsrippen kommt, so dass (zumindest) der äußere Bereich der Längsrippen „tuffiger“ als der Kern ist. Auch insofern erweisen sich die angegriffenen Ausführungsformen demnach jedenfalls als sog. verschlechterte Ausführungsformen.
III.
1)
Gemäß Art. 64 EPÜ i. V. m. § 139 Abs. 2 PatG ist die Beklagte im Hinblick auf die Verletzung des Klagepatents schadensersatzpflichtig. Denn als Fachunternehmen hätte sie die Patentverletzung bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt zumindest erkennen können, § 276 BGB. Überdies ist es hinreichend wahrscheinlich, dass durch die rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten ein Schaden entstanden ist, der derzeit noch nicht beziffert werden kann, weil der Umfang der rechtsverletzenden Benutzungshandlungen ohne Verschulden der Klägerin nicht im Einzelnen bekannt ist. Ein rechtliches Interesse der Klägerin an der Feststellung der Schadensersatzverpflichtung ist demnach anzuerkennen, § 256 ZPO.
Die Klägerin ist für die aus dem Urteilstenor zu Ziffer II. ersichtlichen Zeiträume aktivlegitimiert zur Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen (vgl. zum Folgenden Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 5. Auflage, Rn 698 ff. m.w.N.): Wird ein Patent übertragen, so entscheidet gemäß § 30 Abs 3 Satz 2 PatG der Rollenstand des Patentregisters darüber, wer prozessführungsbefugt und anspruchsberechtigt ist. Ist die Umschreibung erfolgt, so ist daher der neu eingetragene Erwerber prozessführungsbefugt, und zwar unabhängig davon, ob er tatsächlich materiell-rechtlich Inhaber des Patents geworden ist oder nicht. Die Maßgeblichkeit des Registerstandes gilt auch für die („rückwärts“ gerichteten) Schadenersatzansprüche: Übergreift der schadenersatzpflichtige Zeitraum – wie hier – sowohl die Periode, in der der Veräußerer materieller Inhaber und/oder in der Rolle eingetragen war, als auch diejenige Periode, in der der Erwerber materieller Inhaber und/oder in der Rolle eingetragen war, ist der Schadenersatzantrag darauf zu richten, dass in Bezug auf Benutzungshandlungen während des erstgenannten Zeitraumes der Schaden des Veräußerers und in Bezug auf Benutzungshandlungen während des letztgenannten Zeitraumes der Schaden des Erwerbers zu ersetzen ist. Damit der zu ersetzende Schaden im genannten Sinne »personalisiert« werden kann, muss die materielle Übertragung, das heißt ihre Wirksamkeit und ihr Zeitpunkt, nicht aufgeklärt werden. Der in der Rolle als Patentinhaber Eingetragene ist daher aufgrund seiner Registereintragung befugt, Ersatz seines Schadens zu verlangen, die durch Benutzungshandlungen eingetreten sind, welche seit seiner Rolleneintragung vorgefallen sind. Ersatz desjenigen Schadens, der durch Benutzungshandlungen während der Rolleneintragung des Voreingetragenen entstanden ist, kann – entsprechend dem für die betreffende Zeitspanne gegebenen Registerstand – der Voreingetragene geltend machen, wobei insoweit der ihm entstandene Schaden zu ersetzen ist (OLG Düsseldorf, InstGE 12, 261 – Fernsehmenü-Steuerung). Ihm bleibt es freilich überlassen, seine Schadenersatzansprüche abzutreten, womit ein Dritter (z.B. der aktuell eingetragene Patentinhaber) klageberechtigt wird (OLG Düsseldorf, InstGE 12, 261 – Fernsehmenü-Steuerung).
In Anwendung vorstehender Grundsätze kann die Klägerin eigenen Schaden nur für die Zeit ab ihrer Eintragung am 26.1.2010 ersetzt verlangen, so dass die Klage für den Zeitraum vom 1.1.2010 bis 25.1.2010, für den sie auch ihren eigenen Schaden ersetzt verlangt, aber nicht in der Rolle eingetragen war, unbegründet ist.
Für die Zeit vom 9.3.1994 bis zum 31.12.2009 folgt die Aktivlegitimation der Klägerin daraus, dass die vormalig als Patentinhaberin eingetragene A ihr die betreffenden Ansprüche abtrat. An einer wirksamen Abtretung besteht angesichts der zuletzt eingereichten Anlagen rop 13 ff., zu denen die Beklagte trotz ausdrücklicher Einräumung entsprechender Gelegenheit (vgl. Verfügung vom 25.1.2012, Blatt 241 GA; Protokoll vom 9.2.2012, S. 6, Blatt 249 GA) keine Stellungnahme abgab, kein vernünftiger Zweifel (mehr).

2)
Damit die Klägerin die ihr zustehenden Schadensersatzansprüche beziffern kann, ist die Beklagte ihr gegenüber zur Rechnungslegung unter Vorlage von Rechnungen verpflichtet, §§ 242, 259 BGB, wobei (wie im Klageantrag berücksichtigt) ein Wirtschaftsprüfervorbehalt einzuräumen war. Die Klägerin ist auf die zuerkannten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt. Die Beklagte wird durch die von ihr verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet. Hinsichtlich der Aktivlegitimation der Klägerin gilt das unter 1) Ausgeführte entsprechend.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91a, 92 Abs. 2, 269 Abs. 3 S. 2 ZPO.
Soweit die Parteien teilweise übereinstimmende Erledigungserklärungen abgegeben haben, fallen die betreffenden Kosten gemäß § 91 a ZPO der Beklagten zur Last. Dies entspricht unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes der Billigkeit. Denn ohne das durch Zeitablauf bedingte Erlöschen des Klagepatents am 12.10.2010 wäre die Beklagte im Hinblick auf die Verletzung des Klagepatents auch zur Unterlassung, Vernichtung sowie zum Rückruf aus den Vertriebswegen zu verurteilen gewesen (Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. §§ 139 Abs. 1, 140a PatG). Die betreffende Aktivlegitimation ergab sich ohne Weiteres aufgrund der seit dem 26.1.2010 bestehenden Eintragung der Klägerin als Inhaberin des Klagepatents (vgl. Kühnen, a.a.O., Rn 697).

Die Anordnung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 S. 1 ZPO.