2 U 112/10 – Messergriff

Düsseldorfer Entscheidung Nr.:  1810

Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil vom 22. März 2012, Az. 2 U 112/10

Vorinstanz: 4b O 140/09

A.

Auf die Berufung wird das Urteil der 4b Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 19. August 2010 – AZ. 4b O 140/09 – teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

I. Es wird festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dadurch entstanden ist oder noch entstehen wird, dass die Beklagten in der Bundesrepublik Deutschland

Griffe für ein Messer oder Schneidwerkzeug, herstellbar durch Lasersintern, mit im Inneren des Griffs befindlichen, einstückig mit dem Griff verbundenen Verriegelungselementen für das Verbinden einer Klinge mit dem Griff durch eine Einschnappverbindung

sowie

Messer mit einem durch Lasersintern herstellbaren Griff, der im Inneren ein mit dem Griff einstückig verbundenes biegsames Element aufweist, welches in eine Ausnehmung in einer im Griff befindlichen Verlängerung eingerastet ist,

angeboten, in Verkehr gebracht oder gebraucht oder zu den genannten Zwecken eingeführt oder besessen haben,

und zwar

– die Beklagte zu 1) seit dem 23. November 2007,

– der Beklagte zu 2) in der Zeit vom 23. November 2007 bis zum 23. April 2010 und

– der Beklagte zu 3) in der Zeit vom 15. April 2007 (soweit nicht Handlungen der Beklagten zu 1) in Rede stehen),

wobei derjenige Schaden zu ersetzen ist, der Frau A durch die vorstehend bezeichneten, bis zum 25. August 2008 begangenen Handlungen und der Klägerin durch die vorstehend bezeichneten, seit dem 26. August 2008 begangenen Handlungen entstanden ist oder noch entstehen wird.

II. Die Beklagten werden verurteilt,

– die Beklagte zu 1) seit dem 23. November 2007,

– der Beklagte zu 2) für die Zeit vom 23. November 2007 bis zum 23. April 2010 und

– der Beklagte zu 3) für die Zeit seit dem 15. April 2007, soweit nicht Handlungen der Beklagten zu 1) in Rede stehen,

der Klägerin über den Umfang der vorstehend zu Ziffer I. bezeichneten Handlungen Rechnung zu legen, und zwar unter Angabe

a) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer sowie der bezahlten Preise;

b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und –preisen sowie Typenbezeichnungen und Namen und Anschriften der Abnehmer, einschließlich der Verkaufsstellen, für welche die Erzeugnisse bestimmt waren;

c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und –preisen sowie Typenbezeichnungen und der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger;

d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeiträumen und Verbreitungsgebiet;

e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

wobei

– sich die Auskunftsverpflichtung zu a) auf den Beklagten zu 3) in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der Komplementärin der B GmbH & Co KG beschränkt,

– den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und den Wirtschaftsprüfer ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Nachfrage Auskunft darüber zu erteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Rechnungslegung enthalten ist,

– die Beklagten zum Nachweis der Angaben zu a) und b) die entsprechenden Einkaufs- und Verkaufsbelege (Rechnungen oder Lieferscheine) in Kopie vorzulegen haben, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der rechnungspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen.

III. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

B.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

C.

Die Kosten des Rechtsstreits verteilen sich wie folgt:

1. Kosten erster Instanz:

Die Gerichtskosten trägt die Klägerin zu 64 %, die Beklagte zu 1) zu 24 %, die Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner zu 12 %. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin trägt diese zu 64 %, die Beklagte zu 1) zu 24 %, die Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner zu 12 %. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) trägt die Klägerin zu 10 %, im Übrigen die Beklagte zu 1). Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2) trägt die Klägerin zu 82 %, im Übrigen der Beklagte zu 2) selbst. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 3) trägt die Klägerin.

2. Kosten des Berufungsverfahrens:

Die Gerichtskosten trägt die Klägerin zu 58,2 %, die Beklagte zu 1) zu 21,8 %, der Beklagte zu 3) zu 9,1 %, die Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner zu 10,9 %. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin trägt diese zu 58,2 %, die Beklagte zu 1) zu 21,8 %, der Beklagte zu 3) zu 9,1 %, die Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner zu 10,9 %. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) trägt die Klägerin zu 10 %, im Übrigen die Beklagte zu 1). Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2) trägt die Klägerin zu 82 %, im Übrigen der Beklagte zu 2) selbst. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 3) trägt die Klägerin zu 76,9 %, im Übrigen der Beklagte zu 3) selbst.

D.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in jeweils gleicher Höhe leisten. Im Übrigen können die Beklagten die Zwangsvollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleistung von jeweils 10.000,– € abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

E.

Die Revision wird nicht zugelassen.

F.

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 130.000,– € und das erstinstanzliche Verfahren auf 100.000,– € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Klägerin ist seit dem 26. August 2008 eingetragene Inhaberin des Gebrauchsmusters DE 20 2006 018 XXX (Anlage K 2.1, nachfolgend „Klagegebrauchsmuster“), das unter Inanspruchnahme einer inneren Priorität der DE 10 2006 011 XXY.9 vom 8. März 2006 am 8. Dezember 2006 angemeldet wurde. Die Eintragung erfolgte am 15. März 2007, die Veröffentlichung der Eintragung am 19. April 2007.

Ursprünglich eingetragene Inhaberin des Klagegebrauchsmusters war Frau A, die mit „Abtretungserklärung und Prozessführungsermächtigung“ vom 5. August 2009 (Anlage K 1) der Klägerin sämtliche ihr während der Inhaberschaft des Klagegebrauchsmusters wegen Nutzung desselben entstandenen Ansprüche abtrat.

Die erstinstanzlich geltend gemachten Ansprüche 1 und 8 des Klagegebrauchsmusters lauten:

1. Teil für ein Messer oder Schneidwerkzeug, herstellbar durch Lasersintern.

8. Messer nach Anspruch 1, mit einem Griff, der im Inneren ein mit dem Griff einstückig verbundenes biegsames Element aufweist, welches in eine Ausnehmung in einer im Griff befindlichen Verlängerung eingerastet ist.

Schutzanspruch 2, der in der Berufungsinstanz zusätzlich geltend gemacht wird, hat folgenden Wortlaut:

2. Griff (1, 12) nach Anspruch 1, mit im Inneren des Griffs befindlichen, einstückig mit dem Griff verbundenen Verriegelungselementen (2, 19) für das Verbinden einer Klinge (5) mit dem Griff durch eine Einschnappverbindung.

Wegen des Wortlauts des lediglich hilfsweise geltend gemachten Schutzanspruchs 9 wird auf die Klagegebrauchsmusterschrift verwiesen.

Die nachstehend wiedergegebene Figur 1 des Klagegebrauchsmusters zeigt ein Ausführungsbeispiel eines erfindungsgemäßen Griffs im Schnitt:

Die Beklagte zu 1), welche am 23. November 2007 gegründet wurde, firmierte bis zum 9. September 2009 unter C GmbH. Geschäftsführer der Beklagten zu 1) waren die Beklagten zu 2) und 3) – letzterer seit dem 9. September 2009. Seit dem 23. April 2010 ist der Beklagte zu 2) nicht mehr Geschäftsführer der Beklagten zu 1) und seit dem 20. Mai 2011 ist auch der Beklagte zu 3) als Geschäftsführer der Beklagten zu 1) ausgeschieden. Alleingeschäftsführer ist seit dem 20. Mai 2011 Herr D. Die Beklagte zu 1) betreibt unter anderem die Entwicklung und den Vertrieb von Messern und Schneidwaren jedweder Art. Insbesondere vertrieb die Beklagte zu 1) in der Bundesrepublik Deutschland Messer mit der Bezeichnung „E“ (nachfolgend: „angegriffene Ausführungsform“, vgl. Ausdruck des Prospektes gemäß Anlage 4 der Klägerin). Die angegriffene Ausführungsform bezog die Beklagte zu 1) von der inzwischen insolventen B GmbH & Co KG (nachfolgend „B“), welche bis zum 7. Februar 2009 unter der Bezeichnung C GmbH & Co KG (nachfolgend „C“) firmierte. Geschäftsführer der Komplementärgesellschaft der „B“ war der Beklagte zu 3).

An der Entwicklung der angegriffenen Ausführungsform vom Prototypen bis zur Serienfertigung war der Ehemann der ursprünglichen Schutzrechtsinhaberin, der Zeuge F A, maßgeblich beteiligt. Dieser wurde Anfang April 2006 von der „C“ beauftragt, die technische Gestaltung der Messerserie „E“ zu begleiten. Die entsprechenden Arbeiten stellte Herr A mit Rechnungen vom 27. April 2006 (Anlage B 2) und 23. Juni 2006 (Anlage B 3) gegenüber „C“ in Rechnung. Der Zeuge A ist auch Erfinder der dem Klagegebrauchsmuster zugrunde liegenden Erfindung. Nachfolgend wiedergegeben wird die Rechnung vom 27. April 2006.

Auf der Rechnung vom 23. Juni 2006 befindet sich in vergleichbarer Form der Zusatz, dass die zur Anwendung kommenden geschützten Verfahren „Wasserzeichen“, „Formdamast“ und „Freie Kunststoffgestaltung mittels Sintertechnik“ gesondert über Stücklizenzen abgerechnet werden.

Mit Email vom 23. Oktober 2006 (Anlage B 4) forderte der Zeuge A „C“ zur Abrechnung der Stücklizenz in Höhe von 5 % vom Nettoumsatz auf, was mit Email vom 24. Oktober 2006 (Anlage B 5) kategorisch zurückgewiesen wurde. Mit Email vom gleichen Tage (Anlage B 6) machte der Zeuge A seine behaupteten Ansprüche erneut deutlich und erklärte die Kündigung der Lizenzvereinbarung wegen Zahlungsverweigerung.

Mit den aus den Anlagen B 8, B 10 und B 11 ersichtlichen Schreiben ihrer Patentanwälte ließ der Zeuge A allein (Anlage B 10) sowie gemeinsam mit der ursprünglichen Klagegebrauchsmusterinhaberin, der Zeugin A, „C“ wegen angeblicher Verletzung des Klagegebrauchsmusters abmahnen (Anlagen B 10, B 11).

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, das Klagegebrauchsmuster, von dessen technischer Lehre die angegriffene Ausführungsform unstreitig Gebrauch macht, sei schutzfähig. Auf dem Gebiet der Messerherstellung sei das Lasersintern vor der Anmeldung des Klagegebrauchsmusters nicht angewandt worden.

Die Klägerin hat (nachdem sie ursprünglich auch Ansprüche wegen vermeintlicher Herstellungshandlungen der Beklagten verfolgt und bis zum erstinstanzlichen Haupttermin ihre Klage auf die Ansprüche 2, 8 und 9 des Klagegebrauchsmusters gestützt hat) zuletzt sinngemäß beantragt,

I. festzustellen,

dass die Beklagten verpflichtet sind, ihr allen Schaden zu ersetzen, der ihr und der früheren Rechtsinhaberin des Klagegebrauchsmusters dadurch entstanden ist, dass die Beklagte zu 1) in der Zeit ab dem 23. November 2007 Messer oder Schneidwerkzeuge mit einem durch Lasersintern herstellbaren Griff, der im Inneren ein mit dem Griff einstückig verbundenes biegsames Element aufweist, welches in eine Ausnehmung in einer im Griff befindlichen Verlängerung eingerastet ist, in der Bundesrepublik Deutschland angeboten, in Verkehr gebracht oder gebraucht oder zu den genannten Zwecken eingeführt, ausgeführt oder besessen hat, wobei die Schadensersatzverpflichtung des Beklagten zu 3) erst ab dem 15. April 2007 festgestellt werden soll;

II. die Beklagten zu verurteilen,

der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagte zu 1) die zu Ziffer I. bezeichneten Messer oder Schneidwerkzeuge seit dem 23. November 2007 – hinsichtlich des Beklagten zu 3) seit dem 15. April 2007 – angeboten, in Verkehr gebracht, ausgeführt oder eingeführt hat, und zwar unter Angabe

a) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer sowie der bezahlten Preise;

b) einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen sowie Typenbezeichnungen und Namen und Anschriften der Abnehmer, einschließlich der Verkaufsstellen, für welche die Erzeugnisse bestimmt waren;

c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und –preisen sowie Typenbezeichnungen und Namen und Anschriften der Angebotsempfänger;

d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeiträumen und Verbreitungsgebiet;

e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

wobei

– der Beklagte zu 3) nur für die Zeit ab dem 15. April 2007 Angaben zu machen hat,

– den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer nichtgewerbli-chen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, dieser gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten und in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Nachfrage Auskunft darüber zu erteilen, ob ein ob ein bestimmter nichtgewerblicher Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Rechnungslegung enthalten ist,

– die Beklagten hinsichtlich der Angaben zu a) und b) die entsprechenden Einkaufs- und Verkaufsbelege (Rechnungen oder Lieferscheine) in Kopie vorzulegen haben, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der rechnungslegungspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten haben die Ansicht vertreten, die Benutzungshandlungen der Beklagten zu 1) seien rechtmäßig. Es sei lediglich im Zeitraum von Januar 2008 bis Juni 2008 sowie nach dem 8. Juli 2009 zu Benutzungshandlungen gekommen, wobei ab dem letztgenannten Zeitpunkt lediglich noch ein Restposten von 142 Messern veräußert worden sei. Alle Messer habe die Beklagte zu 1) von „C“ bezogen. In diesem Zusammenhang verweisen die Beklagten auf die Rechnungen gemäß Anlagenkonvolut B 13, wobei die die angegriffene Ausführungsform betreffenden Lieferungen jeweils durch ein handschriftliches Kreuz markiert sind. „C“ habe die betreffenden Messer berechtigt hergestellt und vertrieben. Der Zeuge A, der unstreitig an der Entwicklung der Messerserie beteiligt war, habe „sämtliche Schutzrechte, die im Zusammenhang mit seiner Beauftragung entstanden seien, auf „C“ übertragen“, was mit der Zahlung eines Honorars von insgesamt 14.848,– € abgegolten worden sei. Jedenfalls seien – abgegolten durch das das Honorar von 14.848,– € – die Nutzungsrechte übertragen bzw. eine Lizenz erteilt worden. Der Zeuge A habe „C“ zu keiner Zeit darauf hingewiesen, dass ihm bzw. seiner Ehefrau hinsichtlich der Ausgestaltung der entwickelten Messer Schutzrechte zustünden. Überdies sei Erschöpfung eingetreten. Schließlich sei ihnen kein schuldhaftes Verhalten anzulasten, weil sie (die Beklagten) von den Auseinandersetzungen der Eheleute A mit „C“ nichts gewusst hätten. Nach dem 8. Juli 2008 veräußerte Produkte seien nicht mittels Lasersintern hergestellt worden. Die Kunststoffgestaltung mittels Sintertechnik habe ohnehin bereits lange zum Stand der Technik gehört. Anspruch 8 des Klagegebrauchsmusters beruhe schon insofern nicht auf einem erfinderischen Schritt.

Das Landgericht hat die Klage mit dem angefochtenen Urteil vom 19. August 2010 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Klägerin stünden die geltend gemachten Ansprüche nicht zu. Die von den Beklagten eingeräumten Benutzungshandlungen (1.338 Messer) seien rechtmäßig erfolgt. Weitere Benutzungshandlungen habe die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Klägerin auch nach Hinweis des Gerichts nicht vorgetragen. Die Veräußerung sei deshalb rechtmäßig gewesen, weil hinsichtlich der fraglichen 1.338 Messer, welche die Beklagte zu 1) erhalten habe, Erschöpfung eingetreten gewesen sei. Der Zeuge A habe sich mit der Herstellung in Serienreife und dem Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform einverstanden erklärt. Dieses Einverständnis habe nicht mit Wirkung ex tunc beseitigt werden können. Unschädlich sei, dass das Klagegebrauchsmuster im Zeitpunkt der Vereinbarung noch nicht angemeldet gewesen sei, denn auch an noch nicht angemeldeten Erfindungen könnten Lizenzrechte gewährt werden. Der Zeuge A habe auch im Einverständnis mit der ursprünglichen Schutzrechtsinhaberin, seiner Ehefrau, gehandelt.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Berufung. Sie macht geltend: Zwar sei unstreitig, dass die Beklagte zu 1) insgesamt 1.338 angegriffene Ausführungsformen von „C“ erhalten, diese im Jahre 2008 vertrieben und hiermit einen Umsatz in Höhe von 61.504,61 € getätigt habe. Der Beklagte zu 3) als ehemaliger Geschäftsführer der Komplementärin von „B“, also der Herstellerfirma, habe jedoch bisher keine Auskunft erteilt, was jedoch notwendig sei, da ansonsten der Auskunftsanspruch gegenüber dem Hersteller leer liefe. Erschöpfung sei nicht eingetreten. Weder die ehemalige Klagegebrauchsmusterinhaberin noch deren Ehemann hätten eine Zustimmung zur Nutzung des Klagegebrauchsmusters ohne ein zusätzliches Entgelt gegeben. Eine Zurechnung des Einverständnisses könne daher nicht erfolgen. Jedenfalls ab dem Zeitpunkt der Kündigung am 24. Oktober 2006 sei dem Beklagten zu 3) bzw. dem von ihm vertretenen Unternehmen die Nutzung untersagt gewesen. Da der Vertrieb der angegriffenen Messer unstreitig im Jahre 2008 bzw. (hinsichtlich des Restbestandes) im Jahre 2009 erfolgt sei, habe jedenfalls zu diesem Zeitpunkt eine Zustimmung zur Schutzrechtsnutzung nicht mehr vorgelegen. Die Vereinbarung einer stückzahlenbasierten Lizenz ergebe sich insbesondere aus den „P.S.“-Vermerken auf den Rechnungen vom 27. April 2006 und 23. Juni 2006. Es handele sich um kaufmännische Bestätigungsschreiben und „C“ habe nach Erhalt der Rechnungen nicht widersprochen, so dass durch das Schweigen eine entsprechende Vereinbarung zustande gekommen sei.

Die Klägerin beantragt,

zu erkennen wie geschehen sowie eine Auskunftsverpflichtung auch wegen etwaiger Herstellungshandlungen und eine zeitlich unbeschränkte Verurteilung der Beklagten zu 2) und 3) sowie eine Verurteilung der Beklagten auch hinsichtlich der Auskunftsverpflichtung (Ziffer II.1. des Tenors) sowie des Beklagten zu 3) wegen Handlungen der Beklagten zu 1) auszusprechen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Sie sind der Ansicht, dass Ansprüche gegenüber dem Beklagten zu 3) auf Grund seiner Stellung als ehemaliger Geschäftsführer der Komplementärin von „B“ unbegründet seien. Der Beklagte zu 3) sei lediglich wegen seiner Stellung als Mitgeschäftsführer der Beklagten zu 1) in Anspruch genommen worden. Soweit nunmehr eine Verpflichtung des Beklagten zu 3) wegen seiner ursprünglichen Stellung als Geschäftsführer der Komplementärin von „B“ im Wege der Klageerweiterung erfolge, werde einer solchen Erweiterung nicht zugestimmt. Die Klage sei zu Recht abgewiesen worden, da die Beklagte zu 1) im Hinblick auf die 1.338 angegriffene Ausführungsformen, welche sie von „C“ erhalten habe, zum Vertrieb berechtigt gewesen sei. Es sei Erschöpfung eingetreten, da „C“ die angegriffenen Ausführungsformen mit Zustimmung des Zeugen A bzw. der Zeugin A in Verkehr gebracht habe. Herr B sowie der Zeuge A hätten eine (abgesehen von dem Honorar von 14.848,– €) unentgeltliche Lizenzvereinbarung getroffen, wonach sie zur Produktion und zum Vertrieb der Messer berechtigt sein sollte. Die Lizenzvereinbarung sei zum Zeitpunkt des Verkaufs der angegriffenen Ausführungsform von „C“ an die Beklagte zu 1) noch wirksam gewesen. Eine Beendigung der Vereinbarung durch Kündigung, welche die Klägerin erstinstanzlich nicht geltend gemacht habe, sei nicht erfolgt. Ein Kündigungsgrund bestehe nicht. Eine entgeltliche Stücklizenz sei nicht vereinbart worden. Vielmehr seien mit der Pauschalzahlung in Höhe von 12.800,– € alle Ansprüche abgegolten worden. Wäre eine Nutzung bereits bestehender Schutzrechte von dieser Pauschalsumme nicht umfasst gewesen, hätte die Klägerin hierauf hinweisen müssen. Die auf den Rechnungen des Zeugen A vom 27. April 2006 und 23. Juni 2006 erfolgten „P.S.“-Vermerke hätten eine nachträgliche – anderslautende – kostenpflichtige Lizenzvereinbarung nicht begründen können.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Eheleute A als Zeugen sowie durch Anhörung des Beklagten zu 3) als Partei. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 19. Januar 2012 verwiesen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin hat ganz überwiegend Erfolg. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung sowie Feststellung der Schadensersatzpflicht aus §§ 24 Abs. 2, 24b GebrMG, §§ 242, 259 BGB im tenorierten Umfang zu. Die angegriffene Ausführungsform macht von der technischen Lehre des Klagegebrauchsmusters wortsinngemäß Gebrauch und die Beklagten waren zu dessen Benutzung nicht berechtigt.

1.
Das Klagegebrauchsmuster betrifft Teile für Messer und Schneidwaren.

Nach den einleitenden Bemerkungen des Klagegebrauchsmusters umfasst beispielsweise ein Klappmesser neben einer Klinge üblicherweise zwei Außenschalen für den Griff, Verschraubungen und/oder für am oder im Griff angebrachte Teile etc. (vgl. z.B. EP 1177864 A2). Ferner bestehen nach dem Stand der Technik auch Zubehörteile aus mehreren Teilen, wobei federnde Klemmenelemente getrennt von den anderen Teilen hergestellt werden und anschließend noch bestimmungsgemäß in der Messerscheide befestigt werden müssen.

Vor diesem technischen Hintergrund liegt dem Klagegebrauchsmuster die Aufgabe zugrunde, Teile für Messer und Schneidwaren preiswert und zugleich qualitativ hochwertig herstellen zu können.

Zur Lösung dieses technischen Problems schlägt das Klagegebrauchsmuster mit den in der Berufung nunmehr geltend gemachten Ansprüchen 1, 2 und 8 ein Messer bzw. Schneidwerkzeug mit folgenden Merkmalen vor:

1. Messer oder Schneidwerkzeuge mit einem durch Lasersintern herstellbaren Griff (1, 12).

2. Der Griff (1, 12) ist folgendermaßen gestaltet:

2.1 Im Inneren befinden sich einstückig mit dem Griff verbundene Verriegelungselemente (2, 19) für das Verbinden einer Klinge (5) mit dem Griff durch eine Einschnappverbindung.

2.2 Der Griff weist im Inneren ein mit ihm einstückig verbundenes biegsames Element auf.

2.2.1 Das biegsame Element ist in eine Ausnehmung (4) in einer im Griff befindlichen Verlängerung eingerastet.

Als Vorteil seiner Lösung mittels Herstellung durch Lasersintern hebt das Klagegebrauchsmuster hervor (Abschnitt [0006]), dass komplizierte innenliegende Geometrien in einem Arbeitsgang einteilig mit außen liegenden Elementen herstellbar sind, so dass Werkzeug- und Montagekosten entfielen; daher könne auch bei kleinen Stückzahlen preiswert produziert werden. Zudem entstehe eine hochwertig wirkende Oberflächenstruktur. Zudem wirke es sich optisch vorteilhaft aus, dass die Notwendigkeit der Anbringung außen sichtbarer Befestigungselemente entfalle.

2.
Unstreitig macht die angegriffene Ausführungsform, die Messerserie „E“, von der beschriebenen technischen Lehre des Klagegebrauchsmusters dem Wortsinn nach Gebrauch.

3.
Die Beklagten sind zur Benutzung der angegriffenen Ausführungsform nicht berechtigt, so dass die Benutzungshandlungen rechtswidrig erfolgten.

a)
Mit der Berufung unstreitig geworden ist das Vorbringen der Beklagten, dass die Beklagte zu 1) 1.338 angegriffene Ausführungsformen im Jahre 2008 von „C“ bezogen hat, welche hauptsächlich noch im Jahre 2008, in Restbeständen im Jahr 2009 verkauft wurden. Unstreitig ist desweiteren, dass die Beklagte zu 1) hiermit einen Umsatz von 61.504,61 € erzielt hat.

Weitere Benutzungshandlungen hat die für den Verletzungssachverhalt darlegungs- und beweisbelastete Klägerin nicht vorgetragen. Das Landgericht hat insoweit zu Recht die Ansicht vertreten, dass sich die Klägerin angesichts ihrer Darlegungslast nicht darauf beschränken könne zu bestreiten, dass es – jenseits des Weitervertriebs der von „C“ bezogenen Messer – nicht zu anderen Benutzungshandlungen gekommen sei. Weitergehendes Vorbringen zu etwaigen Benutzungshandlungen der Beklagten zu 1) erfolgte indessen nicht. Soweit die Klägerin geltend macht, die Beklagte zu 1) habe zu einer Veränderung der angegriffenen Ausführungsform im Jahre 2008 nicht substantiiert vorgetragen, bleibt dieser Einwand ohne Erfolg. Die Beklagten haben – was ausreicht – behauptet, dass die Messerserie „E“ seit Juli 2008 nicht mehr durch Lasersintern hergestellt wird. Diesem Einwand ist die Klägerin nicht in der gebotenen Form entgegengetreten, insbesondere wurden keine eigenen Untersuchungen angestrengt, um das Gegenteil zu belegen.

b)
Soweit die Benutzungshandlungen der Beklagten zu 1) in Rede stehen, bleibt die Berufung gegenüber dem Beklagten zu 3) – als Mitgeschäftsführer der Beklagten zu 1) – ohne Erfolg, da dieser erst zum 9. September 2009 Mitgeschäftsführer der Beklagten zu 1) wurde, die entsprechenden Vertriebshandlungen der Beklagten zu 1) indes zu diesem Zeitpunkt schon abgeschlossen waren.

Ansprüche wegen Gebrauchsmusterverletzung bestehen gegenüber dem Beklagten zu 3) hingegen im Hinblick auf seine vormalige Stellung als Geschäftsführer der Komplementärin von „B“ (vormals „C“). Sie sind Gegenstand einer nachträglichen Klageerweiterung in der Berufungsinstanz, welche zuzulassen ist.

Ein entsprechender Anspruch ist entgegen der Ansicht der Klägerin nicht bereits im erstinstanzlichen Verfahren geltend gemacht worden. Die Klageerweiterung vom 27. Januar 2010 in Bezug auf den Beklagten zu 3) erfolgte, nachdem die Beklagten zu 1) und 2) in der Klageerwiderung vom 22. September 2009 vorgetragen hatten, dass der Beklagte zu 3) zum Mitgeschäftsführer der Beklagten zu 1) bestellt wurde. In dem Klageerweiterungsschriftsatz wurde dementsprechend ausgeführt, dass der Beklagte zu 3) zum weiteren Geschäftsführer der Beklagten zu 1) bestellt wurde, was den Schluss zulässt, dass der Beklagte zu 3) wegen seiner Stellung als Mitgeschäftsführer der Beklagten zu 1) in Anspruch genommen werden sollte. Zwar wurde in der Begründung zur Klageerweiterung auch darauf hingewiesen, dass der Beklagte zu 3) zuvor Geschäftsführer der B Verwaltungs GmbH, d.h. der Komplementärgesellschaft von „B“ war. Hieraus kann indes ohne weitere Anhaltspunkte nicht geschlossen werden, dass er nunmehr auch auf Grund dieser Organstellung in Anspruch genommen werden sollte. Denn in den weiteren Schriftsätzen der Klägerin wird dieser Gesichtspunkt nirgends aufgegriffen. In Anbetracht dessen genügt für eine Inanspruchnahme des Beklagten zu 3) als ehemaliger Geschäftsführer der Komplementärgesellschaft von „B“ nicht allein die zeitliche Antragsfassung, der zufolge der Beklagte zu 3) nicht erst ab seinem Eintritt als Mitgeschäftsführer bei der Beklagten zu 1) am 9. September 2009, sondern bereits ab Eintragung des Klagegebrauchsmusters (15. März 2007) zuzüglich der einmonatigen Karenzfrist, d.h. ab dem 15. April 2007, in Anspruch genommen wurde. Im angefochtenen Urteil wurden keine Ausführungen zu einer etwaigen Verantwortlichkeit des Beklagten zu 3) als ehemaliger Geschäftsführer der Komplementärgesellschaft von „B“ gemacht. Unter Ziffer II. der Entscheidungsgründe, bei der Frage der Benutzungshandlungen, finden sich lediglich Ausführungen zur Frage etwaiger Benutzungshandlungen der Beklagten zu 1).

Die Geltendmachung eines entsprechenden Anspruchs gegenüber dem Beklagten zu 3) mit der Berufung stellt eine nachträgliche Klageerweiterung war. Die Zulässigkeit einer nachträglichen Klageerweiterung, die wie eine Klageänderung im Sinne des § 263 ZPO behandelt wird (BGH, NJW 1985, 1842, 1842; Senat, Urt. v. 04. August 2011, Az. I-2 U 22/11 zitiert nach juris; Zöller/Greger, a.a.O. § 263 Rdnr. 2), hängt von der Einwilligung des Beklagten oder der Sachdienlichkeit ab sowie von der Frage, ob der erweiterte Antrag auf Tatsachen gestützt werden kann, die das Berufungsgericht nach § 529 ZPO ohnehin berücksichtigen muss (§§ 263, 533 Nr. 1 und 2 ZPO). Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Die mangels Zustimmung der Beklagten erforderliche Sachdienlichkeit liegt vor. Sie setzt voraus, dass ein ansonsten drohender neuer Rechtsstreit vermieden wird und der bisherige Streitstoff der ersten Instanz verwendet werden kann.

Beides ist hier zu bejahen. Der für eine Auskunfts- und Schadensersatzpflicht des Beklagten zu 3) als ehemaliger Geschäftsführer der Komplementärgesellschaft von „B“ erforderliche Prozessstoff ist von beiden Parteien bereits erstinstanzlich dargelegt worden. Da die Beklagte zu 1) – wie nunmehr unstreitig ist – die angegriffene Ausführungsform von „C“ bezogen hat, steht fest, dass „C“ auch Handlungen unter Benutzung der Erfindung nach dem Klagegebrauchsmuster vorgenommen hat, indem sie – was unstreitig ist – die angegriffene Ausführungsform hergestellt und vertrieben hat. Bereits hieraus folgt eine entsprechende Auskunfts- und Schadensersatzverpflichtung von „B“ bzw. des Beklagten zu 3) als deren ehemaliger gesetzlicher Vertreter der Komplementärgesellschaft. Es ist nicht ersichtlich, was noch an weiterem Prozessstoff vorgetragen werden könnte. Auch im Hinblick auf die Benutzungshandlungen der „B“ (vormals „C“) kommt es darauf an, ob diese zur Herstellung und zum Vertrieb von Messern unter Benutzung der Erfindung berechtigt war. Hierfür kommt es auf den Gegenstand der Vereinbarung zwischen „C“ und Herrn F A bzw. der vormaligen Klagegebrauchsmusterinhaberin an, welche auch für die ursprüngliche Klageforderung maßgeblich ist.

c)
Der Vertrieb der von „C“ bzw. „B“ erhaltenen Messer durch die Beklagte zu 1) war rechtswidrig. Die Beklagten vermochten die dem geltend gemachten Einwand der Erschöpfung zugrundeliegenden Tatsachen nicht zu beweisen.

Der Erschöpfungseinwand setzt voraus, dass der Schutzrechtsinhaber oder ein mit dessen Zustimmung handelnder Dritter (z.B. ein Lizenznehmer) das geschützte Erzeugnis in einem der Vertragsstaaten der EU in den Verkehr gebracht hat (vgl. BGH, GRUR 2001, 223, 224 – Bodenwaschanlage; GRUR 2000, 299 – Karate; GRUR 1997, 116 – Prospekthalter; GRUR 1980 38, 39 – Fullplastverfahren). Der Erwerber eines solchen Erzeugnisses darf im Rahmen des bestimmungsgemäßen Gebrauchs über dieses ungehindert verfügen. Darzutun und zu beweisen sind die genannten tatsächlichen Voraussetzungen der Erschöpfung im Streitfall von demjenigen, der sich auf den ihm günstigen Tatbestand beruft. Stützt sich der Erschöpfungseinwand auf eine Lizenzvereinbarung (z.B. des Vorlieferanten) mit dem Schutzrechtsinhaber, so ist nicht nur die Benutzungsgestattung als solche, sondern auch der zugrundeliegende, für den Umfang und die Bedingungen der Benutzungsgestattung relevante Inhalt der Lizenzvereinbarung darzulegen und notfalls zu beweisen. Ist deshalb – wie hier – die Einräumung eines vertraglichen Benutzungsrechts für sich genommen unstreitig und setzen sich die Parteien nur darüber auseinander, ob eine Freilizenz oder eine entgeltliche (und deswegen bei Zahlungsverzug kündbare) Lizenz vereinbart wurde, so gehört die Unentgeltlichkeit der Benutzungseinräumung zur Beweislast des Beklagten. Sobald dem genügt, d.h. ein Lizenzsachverhalt bewiesen ist, der nach Lage der Dinge durch eine Kündigung beendet worden sein kann, hat derjenige, der sich auf die vorzeitige Auflösung des Lizenzverhältnisses beruft, die Kündigungsvoraussetzungen darzutun (z.B. einen zur Kündigung berechtigenden Zahlungsverzug des Lizenznehmers sowie den Zugang einer Kündigungserklärung nachzuweisen).

Dass der „C“ eine (nicht wegen Zahlungsverzuges kündbare) Freilizenz erteilt worden ist, haben die Beklagten nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme (§ 286 Abs. 1 ZPO) nicht zu beweisen vermocht.

aa)
Dass der Zeuge A im Rahmen der Zusammenarbeit mit „C“ entstandene Schutzrechte (stillschweigend) an „C“ übertragen hat, ist schon nicht schlüssig dargelegt. Das Klagegebrauchsmuster nimmt eine Priorität der DE 10 2006 011 XXY vom 8. März 2006 in Anspruch, also eines Zeitpunktes, zu welchem der Zeuge A noch nicht von „C“ mit der konstruktiven Beratung für die Fertigung der Serie „E“ bis zum Prototypen beauftragt war. Da eine Priorität nur wirksam in Anspruch genommen werden kann, wenn es sich um „dieselbe“ Erfindung handelt (vgl. Benkard/Goebel, PatG GebrMG, 10. Aufl. § 5 GebrMG Rdn. 6), existierte der Gegenstand der Erfindung nach dem Klagegebrauchsmuster schon vor Beginn der Tätigkeit des Zeugen A, was eine Übertragung auf die „C“ als lebensfremd erscheinen lässt. Die Beklagten haben auch nicht darzulegen vermocht, welchen Anlass der Zeuge A für eine solche Verfügung über das Klagegebrauchsmuster gehabt haben sollte.

bb)
Soweit die Beklagten – was allein ernsthaft in Betracht kommen kann – behaupten, „C“ und der Zeuge A hätten eine Lizenzvereinbarung dahingehend getroffen, dass „C“ berechtigt sein sollte, die angegriffene Ausführungsform (abgesehen von dem Honorar von 12.800,– €) unentgeltlich in Serienreife herzustellen und zu vertreiben („Freilizenz“), hat die durchgeführte Beweisaufnahme derartiges nicht bestätigt, was zu Lasten der Beklagten geht.

Zwar hat der als Partei vernommene Beklagte zu 3) ausgesagt, dass eine entgeltliche Lizenzvereinbarung nicht getroffen worden sei. Es sei lediglich ein Pauschalhonorar auf Basis der Vorschläge des Zeugen A vereinbart worden. Über Schutzrechte, die von der Herstellung der angegriffenen Ausführungsform betroffen sein könnten, sei nicht gesprochen worden. Demgegenüber hat der Zeuge A bekundet, dass das Pauschalhonorar für die Entwicklung des Prototypen 5.000,- € betragen sollte zzgl. einer 5 %-igen Lizenz von den Nettoverkäufen für die Nutzung von Schutzrechten. Nachdem der Prototyp vorgelegen habe, sei er von Herrn B gebeten worden, auch die Serienfertigung in Angriff zu nehmen und weiter zu begleiten, was er zugesagt habe und was sich in den beiden Rechnungen vom 27. April 2006 und 23. Juni 2006 widerspiegelt. Die Zeugin A bestätigte, dass nach den Aussagen ihres Ehemannes, des Zeugen A, ein Pauschalhonorar vereinbart worden sei, welches auf Bitten des Herrn B niedriger angesetzt worden sei, und eine 5 %-ige Lizenzgebühr. Dies habe ihr Ehemann ihr mitgeteilt.

Der Beklagte zu 3) hatte in seiner Vernehmung als Partei nur ein selektives Erinnerungsvermögen zum Inhalt der Vereinbarung zwischen ihm und dem Zeugen A. Er gab an, dass das vereinbarte Pauschalhonorar auf den Vorschlägen und Vorstellungen des Zeugen A beruht habe; eine Verhandlung hierüber habe nicht stattgefunden. Entsprechend sei auch nicht zunächst ein höheres Pauschalhonorar und eine niedrigere Lizenz gewünscht worden. Er konnte sich demgegenüber nicht mehr erinnern, dass zunächst eine Beauftragung bis zum Prototypen erfolgte und erst im Anschluss hieran eine Beauftragung auch zur Serienfertigung, wie dies den als Anlagen B 2 und B 3 vorgelegten Rechnungen vom 27. April 2006 und 23. Juni 2006 entspricht. Er konnte zwar bestätigen, dass der Zeuge A ihm einmal ein Jagdmesser gezeigt hat, in welchem eine bestimmte Technik von ihm angewandt worden war, die auch für die entwickelte Messerserie von Relevanz war. Er konnte indes keine genauen Angaben machen, zu welchem Zeitpunkt ihm das Jagdmesser gezeigt wurde. Er vermutete, dass dies nach Fertigstellung der angegriffenen Messerserie der Fall war. Keine Erinnerung besaß der Beklagte zu 3) dazu, ob sich auf den Arbeitsplänen, die ihm von dem Zeugen A im Rahmen des Projektes übergeben worden sind, Hinweise auf Schutzrechte befanden. Ebenso wenig konnte er sich erinnern, zu welchem Zeitpunkt ihn der Zeuge A auf Lizenzen angesprochen hat. Er vermutete lediglich, dass dies zum Zeitpunkt der zweiten Rechnungsstellung erfolgte. Die Angaben des Beklagten zu 3) sind zudem widersprüchlich. Der Beklagte zu 3) vermochte nicht zu erklären, aus welchem Grunde sich in dem vorgerichtlichen Anwaltsschreiben vom 27. Oktober 2006, welches als Anlage zum Protokoll der Verhandlung vom 19. Januar 2012 genommen wurde, der Hinweis auf eine Lizenzvereinbarung bezüglich der Erfindung „Wasserzeichen“ findet. Er gab lediglich an, dass der Zeuge A ihm insofern eine Lizenz angeboten habe, die aber mangels Interesses nicht angenommen worden sei. Das Anbieten einer Lizenz nur für die Erfindung „Wasserzeichen“ steht indes im Widerspruch zu seiner Angabe, dass über Schutzrechte nicht gesprochen worden sei bzw. keine Lizenzen vereinbart worden seien. Denn in dem Schreiben wird eindeutig darauf hingewiesen, dass eine Lizenzvereinbarung für das Verfahren „Wasserzeichen“ erfolgt ist, das Verfahren jedoch nicht genutzt werde.

Die Bekundungen des Zeugen A sind demgegenüber in sich schlüssig und widerspruchsfrei. Der Zeuge A bekundete, dass er vor dem Hintergrund seiner angespannten finanziellen Situation für die Entwicklung des Prototypen zunächst ein Pauschalhonorar in Höhe von 15.000,– € zuzüglich einer Lizenz von 3 % vorgeschlagen habe. Es sei dann eine Einigung auf ein Pauschalhonorar von 5.000,– € zuzüglich einer Lizenz von 5 % erfolgt, da dem Beklagten zu 3) das Pauschalhonorar von 15.000,– € zu hoch gewesen sei. Der Beklagte zu 3) habe ihm noch mitgeteilt, dass er damit gleich behandelt würde wie der Designer G, auf dessen Designvorschlägen die neue Messerserie basieren sollte. Auch die Zeugin A bekundete, dass ihr Ehemann davon berichtet habe, er solle nach den Bekundungen des Beklagten zu 3) mit der 5 %-igen Lizenz genauso viel haben wie Herr G. Diese Bekundung steht im Einklang mit den Angaben des Beklagten zu 3), wonach der Designer G tatsächlich eine Lizenz von 5 % erhalten sollte. Der Zeuge A bekundete weiter, dass er den Beklagten zu 3) im Rahmen der Zusammenarbeit ein Messer aus dem Jagdmesserbereich gezeigt habe, bei welchem die Sintertechnik bereits angewendet worden sei. In diesem Zusammenhang habe er dem Beklagten zu 3) auch – allerdings ohne die konkrete Anmeldungsnummer zu nennen – mitgeteilt, dass dafür konkrete Schutzrechte angemeldet worden seien. Er habe den Beklagten zu 3) darauf hingewiesen, dass bei dem Projekt, für welches der Zeuge A beauftragt wurde, Techniken zum Einsatz kämen, die auf seinen Ideen beruhen und für welche Schutzrechte angemeldet worden seien. Die Bekundungen des Zeugen A finden eine Bestätigung in den von ihm erstellten Rechnungen vom 27. April 2006 und 23. Juni 2006 (Anlagen B 2 und B 3). Die erste Rechnung verhält sich über die Abrechnung der Arbeiten bis zum Prototypen der angegriffenen Messerserie, während mit der zweiten Rechnung die Tätigkeit bis zur Serienfertigung abgerechnet wird. Unter beiden Rechnungen befindet sich der Zusatz, dass die zur Anwendung kommenden geschützten Verfahren gesondert über Stücklizenzen abgerechnet werden: In der zweiten Rechnung wird dieser Zusatz noch dahingehend spezifiziert, dass die Stücklizenz 5 % vom Umsatz beträgt. Dass sich dieser Hinweise auf die 5 %-ige Lizenz nicht auch auf der ersten Rechnung befindet, hat der Zeuge A nachvollziehbar damit erklärt, dass mit den jeweiligen Bemerkungen nur festgehalten werden sollte, dass neben dem konkreten Pauschalhonorar noch eine Lizenz fällig wird.

Vor dem Hintergrund der lückenhaften und widersprüchlichen Angaben des Beklagten zu 3) vermag der Senat den Aussagen des Beklagten zu 3) keinesfalls mehr Glauben zu schenken als den Bekundungen der Zeugen A, insbesondere des Zeugen A. Beide Zeugen sowie der Beklagte zu 3) sind gleich glaubwürdig und haben ein Eigeninteresse am Ausgang des Rechtsstreits. Für den Beklagten zu 3) folgt dies bereits aus seiner Stellung als Partei des Rechtsstreits. Die Zeugin A hat das Klagegebrauchsmuster, dessen Erfindung auf den Leistungen des Zeugen A beruht, auf die Klägerin übertragen, so dass vermutet werden kann, dass ihnen ein finanzieller Vorteil bei einem Obsiegen im Rechtstreit zuwächst. Alles in allem kann danach allenfalls ein offenes Beweisergebnis, ein sog. „non liquet“, festgestellt werden. Ein solches geht zu Lasten der beweispflichtigen Partei.

Entsprechend dem – nicht widerlegten – Sachvortrag der Klägerin ist bei der gegebenen Beweislage davon auszugehen, dass der „C“ eine entgeltliche Lizenz erteilt worden ist, die angesichts der ernsthaften und endgültigen Zahlungsverweigerung der „C“ fristlos gekündigt werden konnte und das der „B“ bzw. „C“ eingeräumte Benutzungsrecht am Gegenstand des Klagegebrauchsmusters mit Wirkung für die Zukunft (24. Oktober 2006) zum Fortfall brachte. Einer Wirksamkeit der Kündigungserklärung steht nicht entgegen, dass Inhaberin des Klagegebrauchsmusters seinerzeit die Zeugin A war, die Kündigung hingegen von ihrem Ehemann, dem Zeugen A, erklärt worden ist. Zum einen hat die Beweisaufnahme ergeben, dass der Zeuge A der Erfinder des Klagegebrauchsmusters und dessen Ehefrau nur als Strohfrau eingetragen war. Zum anderen hatte der Zeuge A – anstelle der Schutzrechtsinhaberin – schon die Lizenzvereinbarung abgeschlossen, was die Beklagten mit ihrer Berufung auf eine Benutzungserlaubnis am Gegenstand des Klagegebrauchsmusters ausdrücklich als ihnen günstig gegen sich gelten lassen. Dann müssen sie aber auch hinnehmen, dass es der Zeuge A war, der für seine Ehefrau die Kündigung des Lizenzvertrages ausgesprochen hat. Die Lieferungen von „C“ an die Beklagte zu 1) erfolgten mithin zu einer Zeit, als der Lizenzvertrag bereits seit langem beendet war, weswegen sie nicht mehr zu einer (die Rechtswidrigkeit der Handlungen der Beklagten rechtfertigenden) Erschöpfung führen konnten.

3.
Die dem Klagegebrauchsmuster zu Grunde liegende Erfindung ist schutzfähig. Sie ist neu und beruht auf einem erfinderischen Schritt gemäß § 1 Abs. 1 GebrMG. Die Beklagten haben keinen Stand der Technik vorgelegt, welcher der Neuheit oder dem erfinderischen Schritt der Erfindung entgegen stehen könnten. Die Beklagten benennen keine konkreten Dokumente aus dem Stand der Technik, auf Grund dessen ein Fachmann ohne weiteres zu der Erfindung nach dem Klagegebrauchsmuster hätte gelangen sollen.

4.
Da die Beklagten widerrechtlich von der technischen Lehre des Klagegebrauchsmusters Gebrauch machen, haben sie der Klägerin (teils aus eigenem, teils aus abgetretenem Recht der Zeugin A) Schadensersatz im tenorierten Umfang zu leisten, § 24 Abs. 2 GebrMG. Denn als Fachunternehmen hätten die Beklagte zu 1) und die „B“, jeweils vertreten durch ihre Geschäftsführer, die Verletzung des Gebrauchsmusters durch die angegriffene Ausführungsform bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt erkennen und vermeiden können, § 276 BGB. Die genaue Schadenshöhe steht derzeit noch nicht fest. Da jedoch hinreichend wahrscheinlich ist, dass der Klägerin bzw. der Zeugin A durch die rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten ein Schaden entstanden ist und dieser von der Klägerin lediglich noch nicht beziffert werden kann, weil sie ohne eigenes Verschulden in Unkenntnis über den Umfang der Benutzungs- und Verletzungshandlungen ist, ist ein rechtliches Interesse der Klägerin an einer Feststellung der Schadensersatzverpflichtung dem Grunde nach anzuerkennen, § 256 Abs. 1 ZPO.

Damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadensersatzanspruch zu beziffern, sind die Beklagten im zuerkannten Umfang zur Auskunft und Rechnungslegung verpflichtet (§ 24b GebrMG, §§ 242, 259 BGB). Die Klägerin ist auf die zuerkannten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt, und die Beklagten werden durch die von ihnen verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet. Die Auskunftsverpflichtung zu den Bezugsquellen der angegriffenen Ausführungsform ist durch das Anlagenkonvolut B 13 erfüllt, soweit es die Beklagten zu 1) und 2) betrifft. In vollem Umfang auskunftspflichtig ist deshalb nur noch der Beklagte zu 3), soweit es um Handlungen der „C“ bzw. „B“ geht. Die Verpflichtung zur Rechnungslegung trifft demgegenüber alle Beklagten ungeschmälert, weil die Angaben in Anlage B 12 gänzlich pauschal sind und deshalb keine Erfüllungshandlung darstellen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeben sich aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 108 Abs. 1 ZPO.

Es bestand keine Veranlassung, die Revision zuzulassen, weil die hierfür in § 543 ZPO aufgestellten Voraussetzungen nicht vorliegen. Als Einzelfallentscheidung hat die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO noch erfordern die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung oder die Fortbildung des Rechts eine revisionsgerichtliche Entscheidung im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.