9 O 3000/04 – Fräsanlage

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 228

Landgericht Braunschweig
Urteil vom 7. Dezember 2004, Az. 9 O 3000/04 (437)

I. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.
II. Die Verfügungsklägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Verfügungsklägerin darf die Vollstreckung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Verfügungsbeklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV. Der Streit wird auf 100.000,00 € festgesetzt.

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Tatbestand

Die Verfügungsklägerin (im Folgenden Klägerin) nimmt die Verfügungsbeklagte (im Folgenden Beklagte) wegen einer Patentverletzung in Anspruch.

Die Parteien stellen Fräsmaschinen her und vertreiben diese. Unter anderem jeweils sogenannte „HSC-Portal-Fräsanlagen“ (HSC = High Speed Cutting), wie sie etwa im Flugzeugbau Verwendung finden.
Die Klägerin ist ausschließliche Lizenznehmerin des am … angemeldeten und am … veröffentlichten Deutschen Patentes …. Das Patent steht in Kraft. Der Inhaber des Patents ist der Geschäftsführer der Klägerin.

Die Erfindung betrifft eine Vorrichtung zum Spannen einer zu bearbeitenden Platte, wobei das Bearbeiten insbesondere als Herausfräsen von Formen mit unterschiedlichen Umrissen zu verstehen ist.
Patentanspruch 1 des erteilten Patents lautet in der erteilten Fassung:
Vorrichtung zum Spannen von zu bearbeitenden Platten mit einer durchgehende Bohrungen aufweisenden, ebenen Grundplatte und einer auf der Platte zugekehrten Oberseite der Grundplatte angeordneten begrenzt luftdurchlässigen Schicht, wobei die Bohrungen an der Platte abgekehrten Unterseite der Grundplatte an eine Vakuumpumpe angeschlossen sind und wobei die begrenzt luftundurchlässige Schicht beim Halten der Platte zwischen der Grundplatte und der Platte angeordnet ist, dadurch gekennzeichnet, dass die Bohrungen (4) in der Grundplatte einen Durchmesser von 0,1 – 1 mm aufweisen, so dass Platten (8) beliebigen Umrisses auf der luftdurchlässigen Schicht abdichtungslos gehalten werden.

Unteranspruch 6 des Patents lautet in der erteilten Fassung:
Vorrichtung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass das Verhältnis der Länge der Bohrungen (4) zu ihrem Durchmesser größer als 3:1 ist.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Patentschrift (Anlage ASt 1) Bezug genommen.

Die Klägerin behauptet,
dass die Beklagte eine HSC-Portal-Fräsmaschine herstelle, die eine Grundplatte mit Bohrungen von maximal 1 mm verwende und so die Ansprüche des Patents wortsinngemäß verletze. Dies habe sie durch ihre Mitarbeiter prüfen lassen, die sich als potentielle Käufer bei der Beklagten ausgegeben und die Maschine besichtigt hätten.
Selbst wenn die Grundplatte der Beklagten tatsächlich Bohrungen mit einem Durchmesser von 1,4 mm aufweise, liege dies unter Berücksichtigung der Rechtsprechung einer Beschwerdekammer des EPA noch in der Rundungstoleranz und sei daher eine wortsinngemäße Verletzung des Patentanspruchs.

Die Klägerin beantragt:

Der Beklagten wird bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzendes Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten verboten,

in der Bundesrepublik Deutschland Vorrichtungen zum Spannen von zu bearbeitenden Platten herzustellen, anzubieten oder in Verkehr zu bringen, die folgende Merkmale aufweisen:
– Eine ebene Grundplatte mit durchgehenden Bohrungen,
– eine auf der Platte zugekehrten Oberseite der Grundplatte angeordnete begrenzt luftdurchlässige Schicht,
– die Bohrungen sind an der der Platte abgekehrten Unterseite der Grundplatte an eine Vakuumpumpe angeschlossen,
– die begrenzt luftdurchlässige Schicht ist beim Halten der Platte zwischen der Grundplatte und der Platte angeordnet,
– die Bohrungen in der Grundplatte weisen einen Durchmesser von 1 mm auf, so dass Platten beliebigen Umrisses auf der luftdurchlässigen Schicht abdichtungslos gehalten werden.

Hilfsweise beantragt sie,

den oben gestellten Antrag mit der Maßgabe, dass es im 5. Spiegelstrich heißen muss: „Durchmesser von 1,4 mm“.

Die Beklagte beantragt,
wie erkannt.

Die Beklagte behauptet,
dass die von ihr verwendeten Bohrungen einen Durchmesser von 1,4 mm hätten. Es fehle daher an einer Patentverletzung. Die Patentschrift sei insoweit eindeutig und könne nicht ausdehnend ausgelegt werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 07.12.2004 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist nicht begründet.

1.
Das Patent betrifft eine Vorrichtung zum Spannen einer zu bearbeitenden Platte. Solche Spannvorrichtungen werden insbesondere als Bestandteil von Fräsmaschinen verwendet, um die zu bearbeitende Platte während des gesamten Fräsvorganges sicher zu halten. Üblicherweise werden Vakuumspannvorrichtungen verwendet, die die zu bearbeitende Platte durch einen erzeugten Unterdruck auf einer Grundplatte halten. Solche Vorrichtungen, die die Merkmale des Oberbegriffs des Anspruchs 1 umfassen, sind aus dem Stand der Technik bekannt. So ist aus dem … eine Vakuumspannvorrichtung bekannt, bei der beim Spannen der zu bearbeitenden Platte diese die Saugplatte vollständig abdecken muss, um den Aufbau eines ausreichenden Vakuums zu ermöglichen. Die Patentschrift schildert es als nachteilig, dass beim Bearbeiten der Platte diese durchtrennt wird und so ein Vakuumeinbruch auftritt, der zum ungewollten Lösen der Platte führen könne. Die Bohrungen der Grundplatte würden wegen ihres großen Durchmessers einem Vakuumeinbruch nicht entgegen wirken.
Weiter ist aus der … eine Vakuumspannvorrichtung bekannt, bei der die selbsttragende Grundplatte aus einem porösen, begrenzt luftdurchlässigen, gesinterten Material besteht. Durch die Feinporigkeit des gesinterten Materials soll bei nicht vollständiger Bedeckung der Grundplatte der Zusammenbruch eines an der Unterseite der Grundplatte angelegten Vakuums verhindert werden. Auch hier schildert es die Patentschrift es als nachteilig, dass die vergleichsweise große Dicke des porösen Materials der Grundplatte eine erhebliche Leckage auftrete, sobald die Grundplatte teilweise unbedeckt sei. Dies sei insbesondere beim Ausfräsen kleiner Formen nachteilig, da diese nicht mehr sicher gehalten werden könnten. Weiter bestehe die Gefahr des Beschädigens der Grundplatte durch den Fräsvorgang und des Verstopfens der Grundplatte durch die Abfallprodukte des Fräsens.
Weiter ist aus der … eine Vakuumspannvorrichtung bekannt, bei der die Grundplatte durchgehende Bohrungen aufweist. Bei dieser Vorrichtung wird auf die der Platte zugekehrte Oberseite der Grundplatte ein weicher Bogen mit einem luftundurchlässigen Randbereich und einem luftdurchlässigen Innenbereich aufgelegt. Beim Spannen verschließt die zu bearbeitende Platte den luftdurchlässigen Bereich nach außen vollständig. Die Patentschrift schildert es als nachteilig, dass beim Ausfräsen kleinflächiger Formen das Vakuum im luftdurchlässigen Bereich zusammenbrechen könne und ein Halten der ausgefrästen Formen damit nicht mehr sicher gestellt sei. Weiter sei aus dieser Patentschrift eine Vakuumspannvorrichtung bekannt, bei der die Bohrungen in der Grundplatte einen Durchmesser von größer als 2 mm aufwiesen und der Abstand der Bohrungen untereinander im cm-Bereich liege. Dadurch entstehe ein relativ geringer Unterdruck, der es nur erlaube, großflächige Platten sicher zu halten.
Weiter ist eine Spannvorrichtung mit einer durchgehende Bohrungen aufweisenden Grundplatte ohne eine zwischen der Grundplatte und der zu bearbeitenden Platte beim Spannen angeordneten begrenzt luftdurchlässigen Schicht bekannt, bei der die Bohrungen ebenfalls einen Durchmesser größer als 2 mm aufweisen, aber jeweils einzeln verschließbar sind. Als nachteilig schildert die Patentschrift die hohen Rüstzeiten und dass durch Anzahl und Form der Bohrungen kein sicherer Halt beim Ausfräsen kleiner Teile gewährleistet sei.
Ausgehend von dem Stand der Technik liegt der Erfindung die Aufgabe zugrunde, eine Vorrichtung aufzuzeigen, mit der es möglich ist, auch kleinflächige Formen in einem Arbeitsgang aus gespannten Platten herauszufräsen.
Gelöst wird diese Aufgabe durch eine Vorrichtung, die aus einer Kombination der nachfolgend wiedergegebenen Merkmale besteht:

1. Vorrichtung zum Spannen von zu bearbeitenden Platten,
2. mit einer ebenen Grundplatte, die durchgehende Bohrungen aufweist,
3. mit einer der der Platte zugekehrten Oberseite der Grundplatte angeordneten begrenzt luftdurchlässige Schicht,
4. wobei die Bohrungen an der der Platte abgekehrten Unterseite der Grundplatte an eine Vakuumpumpe angeschlossen sind,
5. und wobei die begrenzt luftdurchlässige Schicht beim Halten der Platte zwischen der Grundplatte und der Platte angeordnet ist.
6. Die Bohrungen in der Grundplatte weisen einen Durchmesser von 0,1 – 1 mm auf, so dass Platten beliebigen Umrisses auf der luftdurchlässigen Schicht abdichtungslos gehalten werden.
2.
Unstreitig verletzt die angegriffene Ausführungsform die Merkmale 1 bis 5. Die Klägerin konnte hingegen nicht glaubhaft machen, dass die von der Beklagten verwendeten Bohrlöcher nur einen Durchmesser von 1,0 mm haben und so das Merkmal 6 verwirklichen.

Die Aussagen der sistierten Zeugen … und … sind zur Glaubhaftmachung nicht geeignet. Die Kammer hat bereits Zweifel daran, ob es mit der erforderlichen Verlässlichkeit und Genauigkeit möglich ist, durch bloßen Augenschein die Durchmesser von Bohrlöchern im 10tel mm-Bereich exakt zu bestimmen. Sicher ist es möglich bei entsprechender Erfahrung Größenordnungen zuverlässig anzugeben. Es ist weiter möglich, im unmittelbaren Vergleich festzustellen, ob ein Bohrloch größer als ein anderes ist. Ohne einen solchen klaren Bezugsmaßstab für den unmittelbaren Vergleich wird sich eine Bestimmung des Bohrlochdurchmessers durch bloßen Augenschein ohne Messen immer im Bereich einer Schätzung bewegen.
Dabei verkennt die Kammer nicht die durch Ausbildung und berufliche Tätigkeit gewonnene Erfahrung der Zeugen. Wie schwierig aber die genaue Einordnung im 10tel mm-Bereich ist, zeigt schon der Umstand, dass der Zeuge … die Stärke der zum Fräsen mitgebrachten Platte auf etwa 1,5 mm bestimmt hat, während der Zeuge … 2 mm angegeben hat. Bereits diese Differenz von 0,5 mm schließt es aus, die Aussagen der Zeugen zur Grundlage einer einstweiligen Verfügung zu machen.
Dem steht weiter die Aussage des Zeugen … entgegen. Dieser ist als technischer Leiter bei der Beklagten tätig und hat damals auch die Zeugen der Klägerin als potentielle Käufer betreut. Der Zeuge … hat angegeben, dass von der Beklagten nur Grundplatten mit Bohrungen zwischen 1,4 und 1,7 mm verwendet würden und dass die damals gezeigte Maschine Bohrungen mit einem Durchmesser von 1,4 mm aufgewiesen habe.

3.
Die Verwendung von Bohrlöchern mit einem Durchmesser von 1,4 mm verletzt das Merkmal 6 nicht wortsinngemäß.

a)
Auf der Grundlage der Rechtsprechung des BGH gelten für die Auslegung von Patentansprüchen folgende Grundsätze:
Nach § 14 PatG wird der Schutzbereich des Patents durch den Inhalt der Patentansprüche bestimmt, zu deren Auslegung die Beschreibung und die Zeichnungen heranzuziehen sind. Die Auslegung der Patentansprüche dient nicht nur der Behebung etwaiger Unklarheiten, sondern auch zur Erläuterung der darin verwendeten technischen Begriffe sowie zur Klärung der Bedeutung und der Tragweite der dort beschriebenen Erfindung. Abzustellen ist dabei auf die Sicht des Fachmanns, von dessen Verständnis bereits die Bestimmung des Inhalts der Patentansprüche einschließlich der dort verwendeten Begriffe abhängt und das auch bei der Feststellung des über den Wortlaut hinausgehenden Umfangs des von den Patentansprüchen ausgehenden Schutzes maßgebend ist. Bei der Prüfung der Frage, ob die im Patent unter Schutz gestellte Erfindung benutzt wird, ist daher zunächst unter Zugrundelegung dieses Verständnisses der Inhalt der Patentansprüche festzustellen, d.h. der dem Anspruchswortlaut vom Fachmann beigelegte Sinn zu ermitteln.
Die Grundsätze der Schutzbereichsbestimmung sind auch dann anzuwenden, wenn der Patentanspruch Zahlen- oder Maßangaben enthält. Solche Angaben nehmen an der Verbindlichkeit des Patentanspruchs als maßgeblicher Grundlage für die Bestimmung des Schutzbereichs teil. Die Aufnahme von Zahlen- oder Maßangaben in den Anspruch verdeutlicht, dass sie den Schutzgegenstand des Patents mitbestimmen und damit auch begrenzen sollen. Es verbietet sich daher, solche Angaben als minder verbindliche, lediglich beispielhafte Festlegungen der geschützten technischen Lehre anzusehen. Wie jeder Bestandteil eines Patentanspruchs sind Zahlen- und Maßangaben grundsätzlich der Auslegung fähig. Wie auch sonst kommt es darauf an, wie der Fachmann solche Angaben im Gesamtzusammenhang des Patentanspruchs versteht, wobei auch hier zur Erläuterung dieses Zusammenhangs Beschreibung und Zeichnungen heranzuziehen sind. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Zahlen- und Maßangaben schon nach ihrem objektiven Gehalt, der auch das Verständnis des Fachmanns prägen wird, nicht einheitlich sind, sondern in unterschiedlichen Formen Sachverhalte mit durchaus verschiedenen Inhalten bezeichnen können.
Schon diese Umstände schließen es aus, dass der Fachmann Zahlen-, Maß- oder Bereichsangaben eine immer gleiche feste Bedeutung zuweisen wird. Jedoch wird er solchen Angaben in aller Regel einen höheren Grad an Eindeutigkeit und Klarheit zubilligen, als dies bei verbal umschriebenen Elementen der erfindungsgemäßen Lehre der Fall wäre. Denn Zahlen sind als solche eindeutig, während sprachlich formulierte allgemeine Begriffe eine gewisse Abstraktion von dem durch sie bezeichneten Gegenstand bedeuten. Aus der Sicht des fachmännischen Lesers kann durch Zahlen- und Maßangaben konkretisierten Merkmalen deshalb die Bedeutung zukommen, dass der objektive, erfindungsgemäß zu erreichende Erfolg genauer und gegebenenfalls enger eingegrenzt wird, als dies bei bloß verbaler Umschreibung der Fall wäre. Da es Sache des Anmelders ist, dafür zu sorgen, dass in den Patentansprüchen alles niedergelegt ist, wofür er Schutz begehrt, darf der Leser der Patentschrift annehmen, dass diesem Erfordernis auch bei der Aufnahme von Zahlenangaben in die Formulierung der Patentansprüche genügt worden ist. Dies gilt um so mehr, als der Anmelder bei Zahlenangaben besonderen Anlass hat, sich über die Konsequenzen der Anspruchsformulierung für die Grenzen des nachgesuchten Patentschutzes klar zu werden.
Eine eindeutige Zahlenangabe bestimmt und begrenzt den geschützten Gegenstand grundsätzlich insoweit abschließend; ihre Über- oder Unterschreitung ist daher in aller Regel nicht mehr zum Gegenstand des Patentanspruchs zu rechnen
Ein Verständnis, dass ein Wert genau einzuhalten ist, wird vor allem dann der Vorstellung des Fachmanns entsprechen, wenn er erkennt, dass es sich um einen „kritischen“ Wert handelt. Wie eine bestimmte Zahlen- oder Maßangabe im Patentanspruch demnach zu verstehen ist, ist eine Frage des der tatrichterlichen Beurteilung unterliegenden fachmännischen Verständnisses im Einzelfall (BGH GRUR 2002, 527 – Custodiol II)

b)
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die Maßangabe hier als 1,0 mm zu verstehen. Die Patentschrift schildert Bohrlöcher im Bereich von 2 mm als zum Stand der Technik gehörend. Sie hebt darauf ab (Spalte 3 Zeile 39), dass „die im Vergleich zum Stand der Technik sehr klein dimensionierten Bohrungen“ es erlauben, den erforderlichen Unterdruck auch dann aufrecht zu erhalten, wenn die Bohrungen nicht zusätzlich von den zu bearbeitenden Platten abgedeckt werden. Der „geringe Durchmesser der Bohrungen“ verhindere einen Zusammenbruch des Vakuums (Spalte 3 Zeile 55). Ein Durchmesserbereich von 0,2 – 0,8 mm sei für die Ausführungen der Bohrungen besonders geeignet (Spalte 4 Zeile 52). Bei einem Durchmesser von 0,7 mm sei der optimale Kompromiss zwischen einer guten Drosselwirkung der Bohrungen und einer hinreichend hohen Saugleistung erreicht (Spalte 4 Zeile 53).

Vor diesem Hintergrund ist eine ausdehnende Auslegung des Wortlauts des Patentanspruchs über einen Bereich von 1,0 mm hinaus nicht möglich.
Es handelt sich eben bei 1 mm um einen „kritischen Wert“, der nicht nach oben überschritten werden darf. Dies wird auch dadurch unterstrichen, dass es sich um eine Bereichsangabe „von …. bis …“ handelt.
Die Kammer folgt nicht der Auffassung, dass es einer allgemeinen technischen Konvention entspräche, dass die fehlende Kommastelle hinter einer Maßangabe dazu führe, dass der Fachmann die Maßangabe im Rahmen der Rundungskonvention so verstehen müsse, dass ein Bereich bis 1,4 mm abgedeckt sei.
Die Klägerin beruft sich für diese Auffassung auf eine Entscheidung der Beschwerdekammer des EPA …. Diese Entscheidung beschäftigt sich allerdings mit der Frage der Neuheit und nicht mit dem Schutzbereich.
Jedenfalls für die Schutzbereichsbestimmung ist an einer strengen Auffassung festzuhalten. Die Klägerin hat es in der Hand, ihren Patentanspruch zu formulieren. Wenn sie den Schutzbereich auf 1,4 mm erstrecken wollte, hätte sie dies entsprechend klarstellen können. Dann hätte sich auch die Prüfung der Erteilungsfähigkeit darauf bezogen. Die vorgenommene Beschränkung kann nicht im Verletzungsprozess aufgehoben

werden. Wenn präzise Maßangaben gemacht werden, ist es im Interesse der Rechtssicherheit auch erforderlich, diese entsprechend präzise auszulegen.
Die von der Klägerin vorgenommene Ausdehnung würde den Inhalt des Patents deutlich verändern. Es kommt – wie oben ausgeführt – gerade auf den geringen Durchmesser der Bohrlöcher an um die erforderliche Drosselwirkung zu erreichen.
Die Kreisfläche berechnet sich nach der Formel: Kreisfläche =  x r² (Brockhaus, Naturwissenschaft und Technik „Kreis“).
Die einen Bohrlochdurchmesser von 1 mm ist r = 0,5 mm. Die Kreisfläche beträgt dann 0,785 mm².
Bei einem Bohrlochdurchmesser von 1,4 mm ist r = 0,7 mm. Die Kreisfläche beträgt dann 1,538 mm².
Damit verdoppelt sich die Fläche nahezu. Dies zeigt – vor dem Hintergrund, dass es dem Patent ja gerade auf „kleine“ Bohrlöcher ankommt – dass die von Klägerin gewollte ausdehnende Auslegung nicht möglich ist.

4.
Es fehlt auch an einer äquivalenten Patentverletzung.

a)
Nach der Rechtsprechung des BGH (BGH GRUR 2002, 527 – Custodiol II; Nieder, Die Patentverletzung, Rn. 23) ist es für die Zugehörigkeit einer vom Wortsinn des Patentanspruchs abweichenden Ausführung zum Schutzbereich folgendes erforderlich:
• das der Erfindung zu Grunde liegende Problem muss mit zwar abgewandelten, aber objektiv gleichwirkenden Mitteln gelöst werden (Gleichwirkung)
• seine Fachkenntnisse müssen den Fachmann befähigen, die abgewandelten Mittel als gleichwirkend aufzufinden (Auffindbarkeit)
• die Überlegungen, die der Fachmann anstellen muss, müssen derart am Sinngehalt der im Patentanspruch unter Schutz gestellten technischen Lehre orientiert sein, dass der Fachmann die abweichende Ausführung mit ihren abgewandelten Mitteln als der gegenständlichen gleichwertige Lösung in Betracht zieht (Gleichwertigkeit)

Bei Zahlen- und Maßangaben müssen im Rahmen der Äquivalenzprüfung strenge Maßstäbe angelegt werden (LG Düsseldorf, GRUR-RR 2001, 205 – Kaminrohr).

b)
Danach fehlt es hier wegen der Verdopplung der Querschnittsfläche an einer Gleichwirkung.
Der Klägervertreter hat in der mündlichen Verhandlung nach Prüfung der durch die Beklagte vorgelegten Platte nebst dazugehörigen Konstruktionszeichnungen auch vom Vorwurf einer äquivalenten Patentverletzung Abstand genommen. Die Bohrungen der Beklagten sind nur im oberen – der zu bearbeitenden Platte zugewandten – Teil der Grundplatte 1,4 mm stark und weiten sich dann nach einer Länge von etwa 2,8 mm auf einen Durchmesser von 2,5 mm, der sich bis zum unteren – der Vakuumpumpe zugewandten – Teil der Grundplatte fortsetzt.

5.
Die erste von den Zeugen … und … besichtigte Fräsmaschine mit einer dickeren Schaumstoffauflage wird nach der Erklärung des Klägervertreters in der mündlichen Verhandlung nicht als das Patent verletzend angegriffen.

6.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

7.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 6, 711 ZPO.

8.
Der Streitwert war gemäß § 53 GKG auf 100.000,00 € festzusetzen.