4a O 55/12 – Isoliertes antigenbindendes Fragment

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 2112

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 10. September 2013, Az. 4a O 55/12

Rechtsmittelinstanz: 15 U 35/14

Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Sicherheitsleistung kann auch durch eine unwiderrufliche, unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Europäischen Union als Zoll- oder Steuerbürgin anerkannten Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents EP 1 301 XXX (im Folgenden: Klagepatent) auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Rechnungslegung, Rückruf sowie Feststellung der Schadenersatzpflicht dem Grunde nach in Anspruch.

Das Klagepatent wurde am 15.11.2000 von der Klägerin unter Inanspruchnahme von sechs US-amerikanischen Prioritäten vom 15.11.1999, 23.11.1999, 28.01.2000, 07.02.2000, 11.04.2000 und 13.04.2000 in englischer Verfahrenssprache angemeldet. Die Veröffentlichung des Hinweises auf die Erteilung des Klagepatents erfolgte am 17.01.2007.

Gegen die Erteilung des Klagepatents wurde kein Einspruch erhoben. Der deutsche Teil des Klagepatents steht in Kraft.

Das Klagepatent trägt die Bezeichnung „Antigen-Binding Fragments Specific For Dentritic Cells, Compositions And Methods Of Use Thereof Antigens Recognized Thereby And Cells Obtained Thereby“ („Antikörper Spezifisch für Dentritische Zellen, Zusammensetzungen und Verfahren, die diese Antikörper verwenden, das durch die Antikörper detektierte Antigen und die dadurch erhaltenen Zellen“). Patentanspruch 1 des Klagepatents ist wie folgt gefasst:

„An isolated antigen-binding fragment comprising a polypeptide domain that specifically binds a BDCA-2 protein encoded by SEQ ID NO:1, wherein said BDCA-2 protein is encoded by exons 1-6; exons 1 and 3-6; exons 1-2 and 4-6; or exons 1-3 and 5-6 of SEQ ID NO:1.“

In der eingetragenen deutschen Übersetzung des Klagepatents nach der T2-Schrift ist Patentanspruch 1 wie folgt formuliert:

„Isoliertes antigenbindendes Fragment, umfassend eine Polypeptiddomäne, die spezifisch ein BDCA-2-Protein bindet, für das Seq.-ID Nr. 1 kodiert, worin für das BDCA-2-Protein die Exone 1-6; die Exone 1 und 3-6; die Exone 1-2 und 4-6; oder die Exone 1-3 und 5-6 der Seq.-ID Nr. 1 kodieren.“

Nachfolgend werden in verkleinerter Form aus der Klagepatentschrift stammende zeichnerische Darstellungen der Erfindung abgebildet. Fig. 12 zeigt die cDNA-Sequenz von BDCA-2 (Seq.-ID Nr. 1).
Fig. 5 zeigt die Aminosäuresequenz einer Isoform von BDCA-2 mit allen sechs Exons, die exprimiert werden (Seq.-ID Nr. 2).
Fig. 20 zeigt die Spleißvarianten des BDCA-2-Transkripts. Die Spleißvarianten wurden mittels RT-PCR unter Einsatz der spezifischen Primer für BDCA-2, die in der Expressionsanalyse verwendet wurden, analysiert. Die amplifizierten Fragmente wurden zu Plasmid-Vektoren kloniert und sequenziert.
Bei der Beklagten handelt es sich um ein Unternehmen, das mit der Klägerin in Wettbewerb steht. Die Beklagte hat in Deutschland mehrere Arten von Antikörpern vertrieben, die spezifisch an menschliches BDCA-2/CD303-Protein binden (in folgenden: die angegriffenen Ausführungsformen). Im Einzelnen handelt es sich um die Antikörper:

BDCA-2: human CD303 clone 104C12.08 (Produkt DDX0041),
BDCA-2: human CD303 clone 108H10.03 (Produkt DDX0040),
BDCA-2: human CD303 clone 110H7.05 (Produkt DDX0042),
BDCA-2: human CD303 clone 109B8.10 (Produkt DDX0045),
BDCA-2: human CD303 clone 124B3.13 (Produkt DDX0043).

Hinsichtlich der Einzelheiten der angegriffenen Ausführungsformen und der Ausgestaltung des Angebotes der Beklagte auf der Internetseite unter der Domain www.A.net wird auf die Anlage K 1 und das Anlagenkonvolut K 2, das nach der mündlichen Verhandlung in teilweiser Übersetzung als Anlage K 2a zur Akte gereicht wurde, Bezug genommen.

Nach Auffassung der Klägerin machen die angegriffenen Ausführungsformen wortsinngemäß von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch, weil sie ein BDCA-2 Protein binden, das von einer der in Anspruch 1 definierten Gensequenzen codiert ist. Hierbei handele es sich um das sogenannte „full length protein“, für das eine Kombination aller sechs Exons des Antigens BDCA-2 gemäß der Seq.-ID Nr. 1 kodiere. Ob die angegriffenen Ausführungsformen über das „full length protein“ hinaus auch an andere Varianten des menschlichen BDCA-2 Proteins binden könnten oder an andere Proteine, sei für die Verwirklichung von Anspruch 1 nicht relevant, weil das Vorhandensein alternativer Bindungsmöglichkeiten und Kreuzreaktionen nach dem geläufigen Verständnis eines Fachmanns auf dem Gebiet der Biologie/Biotechnologie nicht ausschlösse, von einer spezifischen Bindung an ein bestimmtes Protein zu sprechen.

Dass die angegriffenen Ausführungsformen an ein „full length protein“ binden, habe die Beklagte nicht bestritten. Zudem seien die von der Beklagten angebotenen Antikörper bereits nach der Produktbeschreibung spezifisch für menschliches CD303/BDCA-2. Wenn die angegriffenen Ausführungsformen aber, was für eine solche Spezifität jedenfalls Voraussetzung sei, an ein Epitop bzw. einen Abschnitt irgendeiner Spleißvariante eines BDCA-2-Proteins binden würden, ergebe sich daraus zwingend, dass sie auch an das „full length protein“ binden. Denn das „full length protein“ weise den entsprechenden Abschnitt bzw. das entsprechende Epitop in jedem Fall auch auf, weil es von allen Exons kodiert werde und daher alle Abschnitte aufweise, an die ein auf BDCA-2 spezifisch bindender Antikörper binden könne.

Diese Argumentation hat die Klägerin im Rahmen der mündlichen Verhandlung unter Vorlage der nachfolgend verkleinert eingeblendeten Abbildung von sechs verschiedenen Spleißvarianten des menschlichen Antigens BDCA-2 wiederholt. Von den abgebildeten Spleißvarianten entsprechen die ersten vier den in Patentanspruch 1 aufgezählten. Die beiden letzten werden in der als Anlage rop 2 zur Akte gereichten Veröffentlichung „BDCA-2, ein neuartiges plasmazytoide dentritische Zellen-spezifisches Typ II C-Typ Lektin, vermittelt die Antigen-Erkennung und ein potenter Inhibitor der Interferon α/β -Induktion“ von Dzionek u.a. erwähnt.

Nachdem sie ihre Anträge präzisiert hat, beantragt die Klägerin,

I. die Beklagte zu verurteilen,

1. es bei Meldung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000 – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, wobei die Ordnungshaft an den jeweiligen gesetzlichen Vertretern der Beklagten zu vollziehen ist und insgesamt zwei Jahre nicht übersteigen darf, zu unterlassen, in der Bundesrepublik Deutschland

ein isoliertes antigenbindendes Fragment, umfassend eine Polypeptiddomäne, die spezifisch ein BDCA-2-Protein bindet, wobei das BDCA-2-Protein eine menschliche Sequenz hat,

anzubieten, in Verkehr zu bringen, zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen (EP 1 301 XXX B1, Anspruch 1);

2. der Klägerin

a. Auskunft über Herkunft und Vertriebsweg der unter I. 1. bezeichneten Erzeugnisse zu erteilen durch schriftliche Angaben über

aa. die Namen und Anschriften sämtlicher Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer (insbesondere Transport- und Lagerunternehmen),
bb. die Namen und Anschriften sämtlicher gewerblicher Abnehmer und Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
cc. die Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden,

wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;

b. unter Vorlage einer übersichtlichen, in sich verständlichen Zusammenstellung Rechnung zu legen über

aa. die mit den unter I. 1. bezeichneten Erzeugnissen erzielten Umsätze, aufgeschlüsselt nach einzelnen Lieferungen und jeweils mit Angabe
— des Zeitpunkts der Lieferung,
— der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,
— der gelieferten Stückzahlen,
— des Stückpreises,
— der zur Identifizierung der gelieferten Erzeugnisse notwendigen Typenbezeichnungen,

bb. die nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungs- und Vertriebskosten der unter I. 1. bezeichneten Erzeugnisse,

cc. den mit den unter I. 1. bezeichneten Erzeugnissen erzielten Gewinn,

dd. den Umfang der Werbung für die unter I. 1. bezeichneten Erzeugnisse, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

wobei

— die Angaben zu a. nur für die Zeit seit dem 17. Januar 2007 zu machen sind,

— die Angaben zu b. nur für die Zeit seit dem 17. Februar 2007 zu machen sind,

— der Beklagten bei den Angaben zu b. vorbehalten bleiben mag, die Namen und Anschriften der nicht-gewerblichen Abnehmer statt der Klägerin einem von der Klägerin zu benennenden und ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder eine bestimmte Lieferung in der Aufstellung enthalten ist;

3. die unter I. 1. bezeichneten, nach dem 17. Januar 2007 in Verkehr gebrachten und im Besitz Dritter befindlichen Erzeugnisse aus den Vertriebswegen zurückzurufen, indem diejenigen Dritten, die keine Endabnehmer sind und denen durch die Beklagte oder mit deren Zustimmung Besitz an den Erzeugnissen eingeräumt wurde, unter Hinweis darauf, dass die Kammer mit dem hiesigen Urteil auf eine Verletzung des Klagepatents EP 1 301 XXX B1 (DE 600 33 XXX) erkannt hat, ernsthaft aufgefordert werden, die Erzeugnisse an die Beklagte zurückzugeben und den Dritten für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Rückzahlung des gegebenenfalls bereits gezahlten Kaufpreises sowie die Übernahme der Kosten der Rückgabe zugesagt wird;

II. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die unter I. 1. bezeichneten, seit dem 17. Februar 2007 begangenen Handlungen entstanden ist oder künftig noch entstehen wird;

IV. das Urteil für vorläufig vollstreckbar zu erklären, gegebenenfalls gegen Sicherheitsleistung, wobei die Sicherheitsleistung für den Auskunft- und Rechnungslegungsantrag (I. 2.) einerseits und die restlichen Ansprüche andererseits gesondert festgesetzt wird.

Hilfsweise,
für den Fall, dass die Kammer die in der Klageschrift gewählte Anspruchsfassung für unzulässig erachten sollte, den Tenor in Ziffer I.1. wie folgt zu fassen:

die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vorn Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000, – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, wobei die Ordnungshaft an den jeweiligen gesetzlichen Vertretern der Beklagten zu vollziehen ist und insgesamt zwei Jahre nicht übersteigen darf, zu unterlassen,

in der Bundesrepublik Deutschland

ein isoliertes antigenbindendes Fragment, umfassend eine Polypeptiddomäne, die spezifisch ein BDCA-2-Protein bindet, für das die folgende Sequenz kodiert:

worin für das BDCA-2-Protein die Exone 1-6; die Exone 1 und 3-6; die Exone 1-2 und 4-6; oder die Exone 1-3 und 5-6 der vorstehenden Sequenz kodieren,

anzubieten, in Verkehr zu bringen, zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen (EP 1 301 XXX B1, Anspruch 1).

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Nach Auffassung der Beklagten macht die Klägerin mit ihrem Hauptantrag eine gegenüber den Patentansprüchen des Klagepatents nicht schutzfähige Unterkombination geltend und hat auch im Übrigen eine Verletzung des Klagepatents durch die angegriffenen Ausführungsformen nicht schlüssig dargelegt.

Insbesondere ergebe sich aus dem Vortrag der Klägerin nicht, dass und warum die angegriffenen Ausführungsformen spezifisch an eine der vier in Klagepatentanspruch 1 genau bezeichneten Varianten des Antigens BDCA-2 binden. Maßgeblich für eine spezifische Bindung auf dem Gebiet der Chemie oder Biochemie sei, dass die Bindung an ein bestimmtes Protein charakteristisch für die Polypeptiddomäne des antigenbindenden Fragments sei. Hierfür sei nicht ausreichend, dass die Bindung nur bevorzugt an ein bestimmtes Protein erfolge, und neben diesem auch andere Antigene erkannt würden. Denn eine solche Art der Bindung würde ein Fachmann nicht als „spezifisch“, sondern als „selektiv“ bezeichnen. Bindungen zwischen Antikörper und Antigen seien, ebenso wie chemische Bindungen, klassische Bindungen, auch wenn sie nicht kovalent seien. Die Frage, ob eine Bindung reversibel sei (was auch für kovalente Bindungen zutreffe), sei für die Beurteilung ihrer Spezifizität irrelevant.

Da sich aus den von der Klägerin zur Begründung einer Verletzungshandlung ausschließlich in Bezug genommenen Datenblättern gemäß Anlage K 2 eine Spezifizität in dem vorgenannten Sinne hinsichtlich der durch das Klagepatent beanspruchten Spleiß-Varianten von BDCA-2 nicht entnehmen lasse, treffe die Beklagte auch keine sekundäre Darlegungslast. Dies gelte im besonderen Maße, weil die angegriffenen Ausführungsformen nicht einmal durch humane Antigene gewonnen worden seien, sondern durch rekombinierte, dem BDCA-2 lediglich ähnliche Proteine („recombinant BDCA-2 like protein“). Der Fachmann wisse, dass verschiedene Antikörper existieren, die jeweils als CD303-, CLEC4C- und/oder BDCA-2-Antikörper bezeichnet würden. Gleichwohl aber unterschieden sich diese Antikörper in ihrer biologischen Aktivität und riefen im Zusammenwirken mit denselben Proteinen unterschiedliche Reaktionen hervor. Dies sei darauf zurückzuführen, dass die den Antikörpern zugrunde liegenden Immunogene unterschiedlich seien und die Bindung der verschiedenen Antikörper an dasselbe Protein daher verschieden sei. Diese Unterschiede könnten etwa die Spezifität und Kreuzreaktivität oder die Epitope, an die die Antikörper bänden, betreffen. Vor diesem Hintergrund habe sich die Klägerin nicht darauf beschränken dürfen, eine Spezifizität der von der Beklagten angebotenen Antikörper im Sinne von Klagepatentanspruch 1 zu behaupten, ohne diese Behauptung als im hier relevanten Bereich der Biotechnologie selbst forschendes Unternehmen anhand praktischer Versuche zu überprüfen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Rechnungslegung, Rückruf und Feststellung der Schadenersatzpflicht dem Grunde nach aus Art. 64 EPÜ i. V. m. §§ 139 Abs. 1 und 2, 140a Abs. 3, 140 b Abs. 1 und 3 PatG i. V. m. §§ 242, 259 BGB nicht zu, da die angegriffenen Ausführungsformen von der technischen Lehre des Klagepatents keinen Gebrauch machen.

I.
Das Klagepatent betrifft unter anderem Antikörper und Derivate davon, die für Subpopulationen von dendritischen Zellen (DC) spezifisch sind (vgl. T2-Schrift Abs. [0001]). Eine dieser Subpopulationen sind die sogenannten plasmazytoiden dentritischen Zellen (PDC). Dendritische Zellen finden sich in großer Zahl in Oberflächengeweben des Körpers, wie z.B. der Haut, dem Rachen und der Speiseröhre, aber auch in den inneren Schleimhäuten und im Blut. DC sind ein Teil des Immunsystems. Sie haben die Funktion, die Immunabwehr gegen körperfremde Strukturen wie z.B. Mikroorganismen und deren Bestandteile, zu verstärken. DC sind auch für die Entwicklung von Toleranz gegenüber körpereigenen Strukturen wesentlich. Umgekehrt können einige DC Auslöser für Autoimmunerkrankungen und Allergien sein. Die Ursachen hierfür sind nur teilweise bekannt.

Das Klagepatent führt zum Stand der Technik aus, dass Studien über DC in Blut durch das Fehlen von Zellen behindert worden seien wie durch das relative Fehlen von DC-spezifischen Zelloberflächenmarkern. Bekannte Verfahren zur DC-Isolation könnten auf einer Reifungsveränderung nach einer kurzen Kulturperiode, wie dem Erwerb geringer Schwebedichte oder Expression von DC-Aktivierung/Reifungsantigenen (CD83, CMRF-44 und CMRF-56) beruhen.

Funktionelle CD1a+-DC würden typischerweise ex vivo aus Monozyten und aus hämatopoetischen CD34+-Vorläuferzellen erzeugt. Es sei nicht bekannt, ob DC, die in vitro aus Monozyten und hämatopoetischen Vorläuferzellen erzeugt würden, alle Eigenschaften von In-vivo-DC be- oder erhielten. Außerdem seien viele Versuche, monoklonale Antikörper (mAb) zu erzeugen, die für menschliche DC spezifisch seien, fehlgeschlagen, weil nur mAb erzeugt würden, die Antigene binden, die sowohl von DC als auch von anderen Leukozyten exprimiert würden. Menschliche DC teilten eine große Zahl an immunogenen Zelloberflächenstrukturen mit anderen Blutzellen, einschließlich HLA-Moleküle CD18, CD29, CD31, CD43, CD44, CD45, CD54 und CD58. Diese Antigene könnten die Immunreaktion auf eine injizierte DC bis zu einem Grad dominieren, bei welchem B-Zellen mit Spezifität für DC-spezifische Antigene gar nicht oder nur sehr selten unter B-Zellen zu finden seien, welche die Fähigkeit hätten, mit Myelomzellen zu fusionieren.

Viele Forscher hätten versucht, dieses Problem zu beheben, indem erwachsenen Mäusen Nicht-DC und Cyclophosphamid injiziert wurde, um B-Zellen mit Spezifität für gemeinsame Antigene zu entfernen, oder indem neugeborenen Mäusen Nicht-DC injiziert wurde, um B-Zellen mit Spezifität für gemeinsame Antigene zu tolerieren. Ein mAb, der CMRF44 genannt würde, sei verwendet worden, um DCs bei Stammzelltransplantationspatienten zu überwachen. Diese CMRF44+-Zellen würden als geeignet zur Verwendung zum Initiieren, Aufrechterhalten und Steuern von Immunreaktionen vorgeschlagen.

DC seien meistens durch die Verwendung einer Kombination von Zelloberflächenmarken isoliert worden. Zum Beispiel beschreibe US-Patent Nr. 5.972.627 hämatopoetische Zellen, die für menschliche hämatopoetische dendritische Vorläuferzellen angereichert sind so, dass zumindest 80% CD34, CD45RA und CD10 exprimieren, aber kein CD19, CD2, CD3, CD4, CD8, CD20, CD14, CD15, CD16, CD56 und Glykophorin.

Die Isolation von DC aus Blut basiere auf einer Vielzahl von immunphänotypischen Kriterien, wie der Abwesenheit einer Gruppe von Antigenen, die für die Leukozytenfamilie (lin) spezifisch sind (z.B. CD3, CD14, CD19 und CD56) und der Gegenwart von HLA-DR, CD4 oder CD33.

Aus Analysen von DC, die aus nicht-kultiviertem Blut isoliert wurden, wurde offensichtlich, dass Blut-DC keine homogene Zellpopulation ist, sondern ein Gemisch aus zumindest zwei Populationen. Die erste Blut-DC-Subpopulation sei CD123brightCD11c–DC, die eine plasmazytoide Morphologie und eine potente T-Zell-Stimulationsfunktion besitze. Die zweite Blut-DC-Subpopulation sei CD123dimCD11cbright, die in ihrer Erscheinung eher monocytoid sei, CD45RO exprimiere und sich spontan zu typischen reifen DC entwickele, auch wenn sie ohne jegliche exogene Cytokine kultiviert werde. Plasmazytoide CD123brightCD11c–DC zeigten einige Eigenschaften, wie die Expression der Prä-T-Zellrezeptor-α-Kette, die anzeigten, dass sie aus Lymphoidvorläufern stammen könnten.

DC, die plasmazytoiden CD123brightCD11c–DC ähnelten, seien in den T-zellreichen Bereichen des Lymphoidgewebes detektiert worden und seien aufgrund ihrer Morphologie und ihrem Phänotyp anfänglich irrtümlich plasmazytoide T-Zellen oder plasmazytoide Monozyten genannt worden. DCs, die CD123dimCD11cbright-Blut-DC ähnelten, seien in der dunklen und hellen Zone von Keimzentren gefunden worden.

Schätzungen der Gesamtzahl von exprimierten Genen reichten von 40.000 bis mehr als 150.000. Diese Zahl spiegele die Zahl von Proteinen, für welche kodiert werde, nicht genau wider, da in vielen Fällen mehr als eine Spleißvariante aus den mRNAs (Transkriptomen) aus diesen Genen erzeugt würden. Die Schätzungen variierten ebenfalls, aber vielleicht würden beim Menschen 500.000 verschiedene mRNAs produziert. Es würde geschätzt, dass zumindest 30% der menschlichen Gene verschiedene Spleißvarianten aufwiesen. Von diesen Zahlen nähmen einige an, dass sie konservativ seien. Es werde davon ausgegangen, dass auf Mäuse und Ratten ähnliche Zahlen zutreffen, und alternatives Spleißen trete auch in niedrigeren Organismen auf, wie z.B. Drosophila melanogaster und Caenorhabditis elegans. Proteine, die aus verschiedenen Spleißvarianten translatiert würden, könnten signifikant unterschiedliche Funktionen haben, wie durch eine zunehmende Zahl von Forschungsdokumenten belegt würde. Verschiedene Spleißvarianten könnten in verschiedenen Geweben, verschiedenen Entwicklungsstufen und verschiedenen Krankheitsstadien exprimiert werden.

Vor diesem Hintergrund verfolgt das Klagepatent daher unter anderem die – nicht ausdrücklich definierte – Aufgabe (das technische Problem), erstmals im Wesentlichen reine Populationen plasmazytoider dendritischer Zellen bereitzustellen, d.h. Mengen einer bestimmten Unterart dendritischer Zellen, die nicht durch andere Arten dendritischer Zellen oder Blutzellen verunreinigt sind. Dies gelang durch die Identifikation des Oberflächenmoleküls BDCA-2 (für „Blood Dendritic Cell Antigen 2“; nach alternativen Bezeichnungen auch CD303 oder CLEC4C). BDCA-2/CD303 ist ein Protein (Eiweiß), das für plasmazytoide dendritische Zellen charakteristisch ist (vgl. Abs. [0027], [0080]-[0082].

Mit Hilfe der Erfindung sollen unter anderem entsprechende, das Antigen BDCA-2 bindende Fragmente und die dadurch erkannten Antigene bereitgestellt werden.

Dies geschieht nach Patentanspruch 1 durch eine Kombination der folgenden Merkmale:

1. ein isoliertes antigenbindendes Fragment,

2. umfassend eine Polypeptiddomäne,

3. die spezifisch ein BDCA-2-Protein bindet, für das Seq.-ID Nr. 1 kodiert,

3.1 worin für das BDCA-2 Protein die Exone 1-6, die Exone 1 und 3-6, die Exone 1-2 und 4-6; oder die Exone 1-3 und 5-6 der Seq.-ID Nr. 1 kodieren.

Die Seq.-ID-Nr. 1, auf die Merkmal 3.1 Bezug nimmt, ist in der in Figur 12 des Klagepatents wiedergegeben, im Hilfsantrag der Klägerin mit Beschriftungen der Klägerin wie nachstehend eingeblendet und zeigt die nur Exons aufweisende cDNA-Sequenz von BDCA-2 mit den Exons 1-6.

II.
Dem Klagepatent geht es nach Anspruch 1 somit darum, ein antigenbindendes Fragment bereitzustellen, das eine Polypeptiddomäne umfasst, die spezifisch an mindestens eine von vier genau bezeichnete Varianten eines BDCA-2-Proteins bindet. Die vier Varianten werden durch spezielle, im Patentanspruch bezeichnete und für sie kodierende Exon-Kombinationen definiert. Die Polypeptiddomäne des beanspruchten antigenbindenden Fragments soll entweder an ein Protein binden, das durch die Exons 1 bis 6 oder durch die Exons 1 und 3 bis 6 oder durch die Exons 1 bis 2 und 4 bis 6 oder durch die Exons 1 bis 3 und 5 bis 6 der Seq.-ID Nr. 1 kodiert wird.

Zwischen den Parteien ist nicht streitig, dass das BDCA-2 bzw., nach anderer Terminologie, CD303-Protein im menschlichen Körper in mindestens vier verschiedenen Varianten hergestellt wird, indem das BDCA-2/CD303-Gen auf verschiedene Weisen ausgelesen wird, bei denen jeweils verschiedene Exons des Gens, nicht notwendigerweise alle, gespleißt, das heißt miteinander verbunden werden.

Darüber hinaus ist spätestens in der mündlichen Verhandlung durch die von der Klägerin vorgelegte Übersicht unstreitig geworden, dass es zwei weitere Spleißvarianten von BDCA-2 gibt, und zwar die von Dzionek u.a. (vgl. Anlage rop 2a) beschriebenen, für die die Exons 1 und 4 bis 6 bzw. 1, 3 und 5 bis 6 kodieren.

Nach den alternativen Spleißungen liegen unterschiedliche Varianten von mRNA vor, die entsprechend in sich unterscheidende Proteine übersetzt werden.

Die Klägerin hat den Weg von der DNA zu unterschiedlichen mRNAs und unterschiedlichen Proteinen anhand der nachstehend eingeblendeten, der Klageschrift entnommenen Grafik verdeutlicht:

Dass unterschiedliche Spleißvarianten von BDCA-2 im Fall ihrer Translation unterschiedliche Isoformen von BDCA-2 erzeugen, ergibt sich zudem ausdrücklich aus der von der Beklagten vorgelegten Veröffentlichung von Dzionek u.a. (Anlage rop 2a, vgl. dort S. 10, 1. Abs.).

Der Vortrag der Parteien deckt sich mit den Ausführungen des Klagepatents zum Hintergrund der Erfindung, das insoweit erklärt, dass zumindest 30% der menschlichen Gene verschiedene Spleißvarianten aufweisen und nach Schätzungen 40.000 bis 150.000 exprimierten Genen 500.000 verschiedene mRNAs gegenüberstehen. In diesem Zusammenhang stellt das Klagepatent ebenfalls fest, dass Proteine, die aus verschiedenen Spleißvarianten eines Gens translatiert werden, signifikant unterschiedliche Funktionen haben können und in verschiedenen Geweben, verschiedenen Entwicklungsstufen und verschiedenen Krankheitsstadien exprimiert werden.

1.
Zu Recht ist zwischen den Parteien die Verwirklichung der Merkmale 1 und 2 des Anspruchs 1 nicht umstritten, so dass es insoweit keiner weiteren Ausführungen bedarf. Entgegen der Ausführungen der Klägerin machen die angegriffenen Ausführungsformen von der Merkmalsgruppe 3 aber keinen Gebrauch.

Anspruch 1 beansprucht ein isoliertes antigenbindendes Fragment, das eine Polypeptiddomäne umfasst, die spezifisch ein BDCA-2-Protein bindet, für das Seq.-ID Nr. 1 kodiert, worin für das BDCA-2-Protein die Exons 1-6; die Exons 1 und 3-6; die Exons 1-2 und 4-6; oder die Exons 1-3 und 5-6 der Seq.-ID Nr. 1 kodieren.

Nach der Formulierung der maßgeblichen englischen Fassung der Merkmalsgruppe 3 („polypeptide domain that specifically binds a BDCA-2 protein […]“) steht außer Frage, dass die Bindung spezifisch erfolgen soll, wobei zwischen den Parteien zu Recht Einigkeit dahingehend besteht, dass das Klagepatent nicht ausdrücklich definiert, was unter einer spezifischen Bindung zu verstehen ist.

Insofern gewinnt für die Auslegung dieses Begriffs Bedeutung, welches allgemeine Verständnis ein Fachmann auf dem relevanten technischen Gebiet der Immunbiochemie oder Molekularbiologie dem Begriff einer spezifischen Bindung entgegen bringt (vgl. BGH, GRUR 1999, 909 – Spannschraube).

a)
Nach Auffassung der Beklagten, welche insbesondere durch zwei in der Klageerwiderung eingeblendete Auszüge aus dem Chemielexikon von Römpp, Bd. 5, 9. Auflage 1992, gestützt wird, ist der Begriff der Spezifität in der Chemie und Biochemie weitverbreitet und wird allgemein dahingehend verstanden, dass es sich um die Fähigkeit von Substanzen handelt, aus einer Anzahl gebotener Reaktionsmöglichkeiten nur eine ganz bestimmte wahrzunehmen. Maßgeblich sei demnach, dass die Bindung an ein bestimmtes Protein charakteristisch für die Polypeptiddomäne des antigenbindenden Fragments sei. Hierbei sei nicht ausreichend, dass die Bindung nur bevorzugt an ein bestimmtes Protein erfolge, denn diese Art der Bindung würde ein Fachmann auf dem in Frage stehenden Gebiet nicht als spezifisch bezeichnen, sondern als selektiv (vgl. Römpp, a.a.O., S. 4239f. und 4105).

Diesem Verständnis ist die Klägerin insbesondere mit Schriftsatz vom 18.04.2013 unter Vorlage eines Auszuges aus der Online-Enzyklopädie Wikipedia (Anlage K 9) und eines entgegen der Vorgaben in der prozessleitenden Verfügung vom 18.04.2012 nur in englischer Sprache vorgelegten Auszuges aus einem Lehrbuch über Immunologie des Autors Kuby (Anlage K 10) entgegen getreten. Sie argumentiert, die Beklagte habe in undifferenzierter Weise einen Begriff aus der Chemie/Biochemie auf die Biologie/Biotechnologie übertragen. Dies liege neben der Sache, weil die Bindung der Polypeptiddomäne eines antigenbindenden Fragments keine chemische Reaktion sei. Vielmehr erfolge sie in nicht kovalenter Weise, unterliege dem Massenwirkungsgesetz und sei reversibel, das heißt Antigen und Antikörper könnten wieder getrennt werden. Entsprechend sei das Begriffsverständnis von Spezifität im einschlägigen Bereich der Biologie/Biotechnologie ein anderes, weil dem Fachmann bekannt sei, dass viele oder die meisten antigenbindenden Fragmente/Antikörper „kreuzreaktiv“ seien. Das heiße, sie könnten unter Umständen auch andere Molekülarten erkennen. Spezifität bezogen auf antigenbindende Fragmente und Antikörper bedeute nur, dass ein bestimmtes Antigen (zum Beispiel das BDCA-2/CD303-Protein) erkannt werde. Die Spezifität bedeute aber keine Aussage darüber, ob nur ein einziges oder – als Kreuzreaktion – mehrere Antigene erkannt würden. Dass die von der Beklagten angebotenen Ausführungsformen im vorgenannten Sinne eine spezifische Bindung an BDCA-2 eingehen könnten, ergebe sich bereits daraus, dass die Beklagte in den als Anlage K2 vorgelegten Datenblättern die von ihr angebotenen Antikörper als „spezifisch“ für menschliches BDCA-2-Protein bezeichne.

b)
Diese Ausführungen der Klägerin sind nicht geeignet, das von der Beklagten anhand der von ihr vorgelegten Auszüge dargelegte gebräuchliche Begriffsverständnis eines Fachmanns auf dem relevanten Gebiet der Immunbiochemie von einer spezifischen Bindung in Frage zu stellen.

Den von der Beklagten zitierten Stellen aus dem Fachlexikon von Römpp lässt sich entnehmen, dass diese grundsätzlich Geltung für das in Frage stehende Fachgebiet beanspruchen. Denn bei der Immunbiochemie, die sich mit der Bindung von Antikörpern an Antigene beschäftigt, handelt es sich um ein Teilgebiet der Biochemie. Wie das Fachlexikon hinsichtlich der Begriffe „Spezifisch“ und „Selektiv“ jeweils einleitend ausführt versteht man „in Chemie, Biochemie usw.

 unter „spezifisch“ die Fähigkeit von Substanzen, Organismen usw., aus einer Anzahl gebotener Reaktions- od. allg. Einwirkungsmöglichkeiten nur eine ganz bestimmte wahrzunehmen.“
 unter „selektiv“ die Fähigkeit bestimmter Substanzen oder Organismen, aus einer Anzahl gebotener Möglichkeiten zur Reaktion od. allg. Einwirkung eine bevorzugt auszuwählen.“

Bereits diese einleitenden Formulierungen verdeutlichen, dass die entsprechenden Definitionen nicht auf chemische Reaktionen beschränkt sein sollen, sondern allgemeiner, das heißt auch für andere „Einwirkungsmöglichkeiten“ Geltung beanspruchen. Dass die genannten allgemeinen Einwirkungsmöglichkeiten insbesondere auch die Bindung von Antikörpern oder Fragmenten von diesen an ein Antigen umfassen, ergibt sich aus dem Artikel über den Fachbegriff „spezifisch“ zudem deutlich, soweit dieser ausführt, dass man bei der Affinitätschromotographie oder bei Immunreaktionen von spezifischen Prozessen sprechen könne und dass Spezifität in diesem Sinne auch in der Analyse, […], der Serodiagnostik und bei Enzymen eine wichtige Rolle spielen könne [Hervorhebungen hinzugefügt].

Demgegenüber lässt sich den von der Klägerin vorgelegten Textstellen nicht entnehmen, dass und aus welchem Grund das Auftreten von Kreuzreaktionen zu einem abweichenden Verständnis von – in diesem Fall auf die Bindung eines Antigens durch einen Antikörper bezogenen – Spezifität führen sollte. Wie die Beklagte in diesem Zusammenhang zutreffend ausgeführt hat, ergibt sich auch aus der von der Klägerin selbst vorgelegten Anlage K 10, dass Antikörper, die bei genau einem Antigen auslösen, in manchen Fällen und nicht regelmäßig mit einem unverwandten Antigen kreuzreagieren können. Grundsätzlich ändert das Auftreten von Kreuzreaktion aber nichts an der Bindung an genau ein Antigen und damit an der (ausschließlichen) Wahrnehmung (genau) einer von mehreren gebotenen Bindungsmöglichkeiten. Aus der erwähnten Textstelle zu folgern, dass Spezifität im Bereich der Immunbiochemie das Erkennen eines bestimmten (neben beliebig vielen anderen) Antigenen bedeutet, würde das dargestellte Regel-Ausnahme-Verhältnis negieren und den Begriff der Spezifität mit dem der Selektivität gleichsetzen.

Ein derartiges Verständnis ließe sich auch mit der Lehre des Klagepatents nicht in Übereinstimmung bringen. Denn selbst wenn sich dem Klagepatent weder eine ausdrückliche Definition des Begriffs „spezifisch“ entnehmen lässt, noch die Kammer auf Grundlage der Patentschrift oder des Parteivortrags feststellen kann, dass das durch das Klagepatent unter anderen verfolgte Ziel, im Wesentlichen reine Populationen plasmazytoider dentritischer Zellen zu isolieren, zwingend voraussetzt, dass ausschließlich die von Anspruch 1 genannten vier Varianten von BDCA-2 gebunden werden, entnimmt der Fachmann bereits der Fassung von Anspruch 1, dass das Klagepatent im Hinblick auf die zu erkennenden Antigene eine Auswahl von genau vier Varianten aus einer größeren denkbaren Anzahl von Spleißmöglichkeiten der Seq.-ID Nr. 1 für BDCA-2 getroffen hat.

Dass das Klagepatent dem Fachmann bereits einleitend in Erinnerung ruft, dass unterschiedliche Kombinationen der Exons der gleichen DNA nach Translation zu unterschiedlichen Proteinen mit unterschiedlichen Eigenschaften werden können (vgl. T2-Schrift, Abs. [0016]), schließt aus, dass er der in Merkmal 3.1 getroffenen Auswahl in Bezug auf die zu bindenden Exon-Kombinationen überhaupt keine technische Bedeutung beimisst.

Insoweit kann die Frage, wie viele Varianten des BDCA-2 Proteins im menschlichen Körper (nicht nur auf der Stufe der mRNA) tatsächlich nachweisbar sind, dahinstehen. Denn Anspruch 1 lässt sich eine Beschränkung des Einsatzes der beanspruchten Fragmente auf den menschlichen Körper nicht ohne weiteres entnehmen.

Ein weiterer Hinweis darauf, dass die Auswahl der eine Reaktion des isolierten antigenbindenden Fragments auslösenden Varianten des BDCA-2-Proteins gemäß Anspruch 1 nicht ohne Grund erfolgt ist, ergibt sich für den Fachmann zudem aus der unterschiedlichen Fassung der Unteransprüche 25 und 26, die ihrerseits nicht die antigenbindenden Fragmente, sondern jeweils ein isoliertes, Anit-BDCA-2-antikörperbindendes BDCA-2-Protein beanspruchen. Während in Unteranspruch 26 die gleiche Auswahl an Exon-Kombinationen getroffen wird, die für das beanspruchte Protein kodieren wie in Anspruch 1, umfasst Unteranspruch 25, auf den Anspruch 26 zurückbezogen ist, nicht nur die genannten 4 sondern alle Exon-Kombinationen, für die das Seq. ID Nr. 1 kodieren kann. Das Klagepatent selbst unterscheidet demnach nach der Fassung seiner Ansprüche unterschiedlich spezifische Bindungen zwischen Antikörper(framgente)n und menschlichem BDCA-2. Auch aus diesem Grund ist ausgeschlossen, dass der Fachmann jede Art einer Bindung zwischen einem antigenbindenden Fragment und einem menschlichen BDCA-2-Protein als ausreichend erachtet, um die Merkmale 3 und 3.1 von Anspruch 1 zu verwirklichen.

III.
Legt man diese Auslegung zugrunde, lässt das Vorbringen der Parteien die tatsächliche Feststellung nicht zu, dass die angegriffenen Ausführungsformen von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch machen.

Die Klägerin hat bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht dargelegt, dass die von den Beklagten vertriebenen Ausführungsformen spezifisch ein BDCA-2-Protein binden, für das Seq.-ID Nr. 1 kodiert, worin für das BDCA-2 Protein entweder die Exons 1-6, die Exons 1 und 3-6, die Exons 1-2 und 4-6 oder die Exons 1-3 und 5-6 der Seq.-ID Nr. 1 kodieren. Eine spezifische Bindung an ein BDCA-2-Molekül in diesem Sinne kann nicht gleichgesetzt werden mit einer Bindung an irgendein menschliches BDCA-2-Molekül.

Soweit die Klägerin sich auf die in Anlage K 2 vorgelegten Datenblätter der angegriffenen Ausführungsformen stützt, ist diesen zwar zu entnehmen, dass die entsprechenden Antikörper spezifisch ein menschliches CD303/BCDA-2-Molekül binden, nicht aber, dass sie im Sinne der Merkmalsgruppe 3 spezifisch gerade nur die in Anspruch 1 wiedergegebenen Spleißvarianten von BDCA-2 binden.

Ein anderes Ergebnis kann die Klägerin insbesondere nicht mit dem Argument herleiten, die für menschliches BDCA-2 spezifischen angegriffenen Ausführungsformen würden jedenfalls an die erste in Merkmal 3.1 definierte Variante eines BDCA-2-Proteins binden, bei der alle Exons 1 bis 6 für das fertige „full length protein“ kodierten, weil das „full length protein“ alle Abschnitte aufweise und somit stets auch die Abschnitte, die von Teilkombinationen der Exons 1 bis 6 kodiert würden. Dieses von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung wiederholte Argument ist nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 19.08.2013 und in der mündlichen Verhandlung bereits deshalb nicht tragfähig, weil die für die Antikörper-Antigen-Bindung maßgeblichen Epitope der nicht-linearen, gefalteten Proteinstruktur nicht mit den auf der linearen, nicht-gefalteten Struktur der gespleißten Exons vor der Translation auf der mRNA-Ebene gleichgesetzt werden können. Zudem begründet die Klägerin auch mit diesem Argumentationsansatz nicht, dass die angegriffenen Ausführungsformen an eine oder mehrere der durch Anspruch 1 vorgegebenen Varianten des BDCA-2-Proteins binden, nicht aber an andere Varianten dieses Proteins.

Nichts anderes gilt, soweit die Klägerin argumentiert, die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die angegriffenen Ausführungsformen nicht von der Lehre des Klagepatents Gebrauch machen, liege bei der Beklagten und nicht bei ihr. Dies ist, ausgehend von den in den Produktdatenblättern gemachten Angaben der Beklagten, nicht der Fall, weil sich aus diesen ein Anhaltspunkt für eine Verwirklichung von Merkmal 3.1., das heißt eine Spezifität der Antikörper gerade für die dort aufgezählten vier Varianten von BDCA-2, nicht entnehmen lässt. Insoweit durfte sich die Klägerin bei einer zutreffenden Auslegung des Klagepatents nicht darauf beschränken, eine – nicht spezifische – Bindung der angegriffenen Ausführungsformen an das sogenannte full length BDCA-2-Protein gemäß der ersten Variante von Anspruch 1 (Exons 1-6) zu behaupten, sondern hätte, ggf. nach Untersuchung der im Markt erhältlichen angegriffenen Ausführungsformen, darlegen müssen, dass eine Bindung an andere als die in Anspruch 1 genannten Exon-Kombinationen von BDCA-2 und an andere Proteine nicht erfolgt.

IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 (1. Hs) ZPO.

Das Urteil ist gemäß §§ 709 S. 1 und 2, 108 ZPO vorläufig vollstreckbar.

Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Klägerin bietet für eine Wiedereröffnung der Verhandlung keine Veranlassung, §§ 296a, 156 ZPO.

Der Streitwert wird auf € 100.000,- festgesetzt.