Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 1854
Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 29. März 2012, Az. 4a O 175/10
I. Die Beklagte wird verurteilt,
1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wie-derholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jah-ren, die Ordnungshaft zu vollziehen an dem jeweiligen Geschäftsführer der Beklagten, zu unterlassen,
maschinell auslesbare, individualisierte Filmträger für analoge und digitale Informationen, die in einer konti-nuierlichen Abfolge auf dem Filmträger enthalten und zur Wiedergabe bestimmt sind, wobei auf dem Träger in einem ersten Abschnitt zur Wiedergabe bestimmte analoge Informationen als redundante sekundäre Infor-mationsquelle und in wenigstens einem zweiten Ab-schnitt zur Wiedergabe bestimmte digitale Informationen als primäre Informationsquelle enthalten sind,
in Deutschland anzubieten, in den Verkehr zu bringen, zu gebrauchen und/oder zu diesen Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen,
bei denen im ersten Abschnitt ein Identifizierungs-Code in Form einer den Träger individualisierenden Abfolge örtlich beabstandeter Markierungen ausgebildet ist, die zusammen mit dem zur Wiedergabe bestimmten Infor-mationen auslesbar ist, um die Wiedergabe der im ersten Abschnitt enthaltenen analogen Informationen in einer den Träger individualisierenden Weise zu ändern, wobei die digitalen Informationen stellenweise nicht auslesbar sind, um zur Wiedergabe der Markierungen einen Übergang von der primären auf die sekundäre Infor-mationsquelle zu erzwingen (EP 1 644 XXX B1),
wobei sich die Verurteilung der Beklagten nicht auf die durch die A GmbH, B 14, 64XXX C, in der genannten Weise codierten Filme bezieht;
2. der Klägerin Auskunft zu erteilen und Rechnung zu le-gen, in welchem Umfang die Beklagte die zu I. 1. be-zeichneten Handlungen seit dem 08.12.2006 begangen hat, und zwar durch Vorlage eines verbindlich unter-zeichneten Verzeichnisses, aus dem ersichtlich sind:
a) die Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferan-ten und anderer Vorbesitzer sowie der gewerblichen Abnehmer bzw. Benutzer,
b) die Menge der erhaltenen, bestellten, ausgelieferten oder Dritten zur Benutzung überlassenen Filmträger gem. Ziff. I. 1. sowie die Ein- und Verkaufspreise so-wie die Entgelte für Gebrauchsüberlassung, die hierfür bezahlt wurden;
c) die einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, -preisen und Adressaten unter Angabe der jeweiligen Bezeichnung, Serien-nummer, Kopienanzahl, Kopie-Nr. und Benutzungszeitraum,
d) die einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen sowie Na-men und Anschriften der Angebotsempfänger,
e) der erzielte Gewinn unter Angabe der nach den ein-zelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Geste-hungskosten,
f) die betriebene Werbung, aufgeschlüsselt nach Wer-beträgern, Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum, Verbreitungsgebiet und ggf. Empfängern,
wobei es der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten Wirt-schaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein be-stimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist,
wobei die Angaben zu I. 2. b) in Bezug auf die Ein- und Verkaufspreise und Entgelte erst für die Zeit ab dem 01.09.2008 sowie die Angaben zu I. 2. e) erst für die Zeit seit dem 01.01.2008 mitzuteilen sind;
3. im Umfang der Auskunftsverpflichtung gemäß I. 2. a) und b) sowie im Umfang der Rechnungslegung zum Nachweis der jeweiligen Angaben die entsprechenden Einkaufs- und Verkaufs- bzw. Gebrauchsüberlassungsbelege (Rechnungen oder Lieferscheine) vorzulegen, wobei geheimhaltungsbe-dürftige Details außerhalb der zu beauskunftenden bzw. rechnungslegungspflichtigen Daten geschwärzt werden können.
II. Es wird festgestellt,
1. dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der für die Zeit vom 01.01.2008 bis zum 16.09.2011 Herrn Gerhardt D und für die Zeit ab dem 17.09.2011 der Klägerin durch die zu Ziffer I. 1. bezeichneten Handlungen entstanden ist oder noch entstehen wird;
2. dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin dasjenige herauszugeben, was sie durch die unter Ziffer I. 1. genannten Handlungen in der Zeit vom 08.12.2006 bis zum 31.12.2007 erlangt hat.
III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
IV. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
V. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 1.000.000,- EUR vorläufig vollstreckbar.
Die Sicherheitsleistung kann auch durch eine unwiderrufliche, unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Europäischen Union als Zoll- oder Steuerbürgin anerkannten Bank oder Sparkasse erbracht werden.
Tatbestand:
Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des Europäischen Patents 1 644 XXX B1 (im Folgenden: Klagepatent) sowie des deutschen Gebrauchsmusters DE 20 2004 XXX E U1 (im Folgenden: Klagegebrauchsmuster). Ursprünglicher eingetragener Inhaber der Klageschutzrechte war Herr Gerhardt D, welcher die Klageschutzrechte nach dem Vortrag der Klägerin auf diese übertragen hat. Die Eintragung der Klägerin im Patent- bzw. Gebrauchsmusterregister erfolgte am 12.09.2011 (Klagegebrauchsmuster) bzw. am 16.09.2011 (Klagepatent). Mit einer „Prozessstandschafts- und Abtretungserklärung“ vom 06.04.2010 er-mächtigte Herr D die Klägerin unter anderem, alle Ansprüche wegen einer Verletzung der Klageschutzrechte gerichtlich geltend zu machen. Zugleich trat er Auskunfts-, Entschädigungs- und Schadenersatzansprüche an die Klägerin ab. Hinsichtlich des vollständigen Inhalts der Erklärung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Anlage K 1 Bezug genommen.
Das Klagepatent wurde am 17.06.2004 in deutscher Sprache unter In-anspruchnahme der Priorität der EP 03015XXX vom 11.07.2003 sowie der DE 202004XXXE U vom 02.03.2004 angemeldet, wobei die Veröffentlichung der Anmeldung am 12.04.2006 erfolgte. Die Veröffentlichung des Hinweises auf die Patenterteilung erfolgte am 08.11.2006. Das Klagepatent ist in Kraft. Mit Schriftsatz vom 12.07.2011 hat die Beklagte Nichtigkeitsklage erhoben, über die bisher nicht entschieden wurde.
Das am 02.03.2004 unter Inanspruchnahme der Priorität der EP 03 01 5XXX.5 vom 11.07.2003 angemeldete Klagegebrauchsmuster wurde am 29.04.2004 eingetragen. Die Veröffentlichung der Eintragung erfolgte am 03.06.2004. Ein Löschungsverfahren ist nicht anhängig.
Die Klageschutzrechte tragen die Bezeichnung „Kennzeichnung eines Trägermaterials für zur Wiedergabe bestimmte Informationen“.
Der durch die Klägerin geltend gemachte Patentanspruch 10 des Klagepatents ist wie folgt gefasst:
„Maschinell auslesbarer, individualisierter Filmträger (10) für analoge und digitale Informationen, die in einer kontinuierlichen Abfolge auf dem Filmträger (10) enthalten und zur Wiedergabe bestimmt sind, wobei auf dem Träger (10) in einem ersten Abschnitt (20) zur Wiedergabe bestimmte analoge Informationen als redundante sekundäre Informationsquelle und in wenigstens einem zweiten Abschnitt (30, 32) zur Wiedergabe bestimmte digitale Informationen als primäre Informationsquelle enthalten sind, dadurch gekennzeichnet,
– dass im ersten Abschnitt (20) ein Identifizierungs-Code in Form einer den Träger individualisierenden Abfolge örtlich beabstandeter Markierungen (14) ausgebildet ist, die zusammen mit den zur Wiedergabe bestimmten Informationen auslesbar ist, um die Wiedergabe der im ersten Abschnitt (20) enthaltenen analogen Informationen in einer den Träger (10) individualisierenden Weise zu ändern, wobei die digitalen Informationen stellenweise fortgelassen und/oder nicht auslesbar sind, um zur Wiedergabe der Markierungen einen Übergang von der primären auf die sekundäre Informationsquelle zu erzwingen.“
Patentanspruch 11 ist wie folgt formuliert:
„Filmträger nach Anspruch 10, dadurch gekennzeichnet, dass der Träger (10) im Wesentlichen planar und insbesondere bandförmig ist.
Patentanspruch 12 weist folgende Fassung auf:
„Filmträger nach einem der Ansprüche 10 oder 11, dadurch gekenn-zeichnet, dass die Markierungen (14) derart ausgebildet sind, dass die Wahrnehmung der wiedergegebenen Informationen seitens eines Publikums nicht oder nur kaum beeinflusst ist.“
Patentanspruch 13 lautet:
„Filmträger nach einem der Ansprüche 10 bis 12, dadurch gekennzeich-net, dass sich eine einzelne der Markierungen (14) zumindest senktrecht zur Ausleserichtung (A) erstreckt.“
Zudem ist Patentanspruch 14 wie folgt formuliert:
„Filmträger nach einem der Ansprüche 1 bis 13, dadurch gekennzeich-net, dass sich die analogen und digitalen Informationen entsprechen.“
Patentanspruch 15 lautet:
„Filmträger nach Anspruch 14, dadurch gekennzeichnet, dass die digita-len Informationen, die solchen analogen Informationen entsprechen, im Bereich derer die Markierungen (14) ausgebildet sind, durch Einwirken mechanischer Mittel nicht vorhanden und/oder nicht auslesbar sind.“
Ferner weist Patentanspruch 17 folgende Formulierung auf:
„Filmträger nach einem der Ansprüche 10 bis 16, dadurch gekennzeich-net, dass der erste Abschnitt (20) eine Lichttonspur ist.“
Patentanspruch 18 weist folgende Fassung auf:
„Filmträger nach einem der Ansprüche 10 bis 17, dadurch gekennzeich-net, dass der zweite Abschnitt (30, 32) eine digitale Tonspur ist.“
Schließlich ist Patentanspruch 19 wie folgt gefasst:
„Filmträger nach den Ansprüchen 10 bis 17, dadurch gekennzeichnet, dass die digitale Tonspur (30, 32) an einer zu den Markierungen (14) auf der Lichttonspur (20) benachbarten Stelle nicht vorhanden und/oder nicht auslesbar ist.“
Die Klägerin macht das Klagegebrauchsmuster im Umfang der Ansprüche 10 bis 15 und 17 bis 19 des Klagepatents geltend.
Nachfolgend wird eine Figur aus den Klageschutzrechten wiedergegeben, die ein bevorzugtes Ausführungsbeispiel der Erfindung betrifft. Figur 4 zeigt ein Ausführungsbeispiel eines erfindungsgemäßen Trägers in Gestalt eines Zelluloid-Films.
Wie aus Figur 4 ersichtlich ist, sind auf dem als Zelluloid-Film ausgebildeten Träger (10) neben einem ersten Abschnitt mit zur Wiedergabe bestimmten analogen Informationen, nämlich der Lichttonspur (20), zwei weitere Abschnitte (30, 32), die jeweils zur Wiedergabe bestimmte digitale Informationen beinhalten, vorhanden. Bei diesen beiden weiteren Abschnitten handelt es sich um jeweils eine digitale Tonspur (30, 32), die jeweils parallel zur Lichttonspur (20) verläuft. Bei der ganz am Rand des Trägers (10) ausgebildeten digitalen Tonspur (30) handelt es sich um eine Hälfte einer SDDS-Tonspur. Die zwischen der dem Filmtransport dienenden Perforation ausgebildete zweite digitale Tonspur (32) ist eine SRD-Tonspur. Zusätzlich ist eine Tonsteuerspur (40) vorgesehen, die während der Wiedergabe ausgele-sen und deren Inhalt einem DTS-Wiedergabegerät übermittelt wird.
Die in den insgesamt drei Tonspuren (20, 30, 32) enthaltenen und/oder aus der Zeitcode-Spur (40) ableitbaren Informationen stimmen in redundanter Weise miteinander überein. Aus diesem Grund wird üblicherweise lediglich eine der Spuren ausgelesen. Ein Auslesen der analogen Tonspur (20) findet dabei lediglich dann statt, wenn das Auslesegerät ein Auslesen der Spuren (30, 32, 40) nicht gestattet oder wenn die Spuren (30, 32, 40) verschmutzt, gestört oder anderweitig nicht auslesbar sind, so dass es sich dabei um eine „Rückfalllösung“ handelt.
Wie in Figur 4 erkennbar ist, sind die digitalen Tonspuren (30, 32) und die Zeitcode-Spur (40) an zu den Markierungen (14) der Lichttonspur (20) benach-barten Stellen entfernt bzw. deren Auslesen verhindert worden. Dies bewirkt, dass das Auslesegerät an den Stellen (34, 36, 38, 42) auf die Lichttonspur (20) zurückgreift und die dort ausgebildeten analogen Informationen ausliest. Gleichzeitig mit den analogen Informationen wird dann auch die Abfolge von Markierungen (14), wie oben beschrieben, ausgelesen. Ein Auslesen einer oder beider der digitalen Tonspuren (30, 32) sowie der Zeitcode-Spur (40) wird daher absichtlich vereitelt, um das zwangsweise Auslesen (und Wiedergeben) der Markierungsabfolge (14) zu bewirken.
Die Beklagte ist in der C dafür zuständig, Filmkopien herzustellen, anzubieten und in den Verkehr zu bringe, wobei nach dem Vortrag der Klägerin „sämtliche Filme, die von der Beklagten in Deutschland Filmtheatern zur Vorführung überlassen werden, soweit für die Klägerin feststellbar, unter Verwendung der technischen Lehre der Klageschutzrechte codiert“ wurden (im Folgenden: angegriffene Ausführungsformen).
Dies gelte beispielsweise für den Film „D“. Insoweit ist nachfolgend ein im Jahr 2008 gefertigter Scan aus der Kopie Nr. 475, Akt 2, eingeblendet:
Gleiches gelte für den Film „E“. Insoweit wird nachfolgend ein Scan vom 12.12.2007 aus der Kopie Nr. 303, Akt 2 eingeblendet:
Schließlich handelt es sich bei der nachfolgenden Einblendung um einen am 30.11.2006 hergestellten Scan einer Version des Films „V“ aus der Kopie Nr. 1494, Akt 24:
Nach Auffassung der Klägerin macht die Beklagte wortsinngemäß und wider-rechtlich von der technischen Lehre der Klageschutzrechte Gebrauch.
Die Klägerin beantragt daher,
zu erkennen wie geschehen, jedoch mit der Maßgabe, dass sich die Verurteilung auch auf die durch die A GmbH codierten Filmträger erstrecken soll und dass die Klägerin die Feststellung der Schadenersatzpflicht sowie die Verurteilung zur Auskunftserteilung und Rechnungslegung über den erzielten Gewinn (I. 2. lit. e) auch für die Zeit vom 03.07.2004 bis zum 31.12.2007 und die Feststellung des Bestehens eines Anspruchs auf Herausgabe des durch ungerechtfertigte Bereicherung Erlangten lediglich hilfsweise für den Fall, dass die Kammer von einer Verjährung ausgeht, für die Zeit vor dem 31.12.2006 begehrt hat.
Im Hinblick auf die durch die Klägerin als „insbesondere, wenn“-Anträge formulierten Hilfsanträge wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Klageschrift Bezug genommen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen;
hilfsweise:
den Rechtstreit bis zur rechtskräftigen Erledigung der gegen den deut-schen Teil des EP 1 644 XXX B1 erhobenen Nichtigkeitsklage auszusetzen.
Die Beklagte behauptet im Wesentlichen, die A GmbH habe bereits im Prioritätszeitpunkt zahlreiche Kinofilme mit der technischen Lehre der Klage-schutzrechte codiert. Kunden der A GmbH seien neben der Beklagten zahlreiche weitere Filmstudios gewesen, unter anderem die Filmverleiher der anderen „F, G, H und I).
Die von der Klägerin angegriffene Toncodierung von 35 mm Filmkopien sei 1988 durch Heinz J und dessen Sohn Thomas J entwickelt worden. Vertretern der Filmwirtschaft sei das Codierungssystem unter anderem anlässlich des „Second International Film and Video Anti-Piracy Meeting, Munich“ am 30.09.1988 vorgestellt worden. Zu diesem Zeitpunkt sei – mangels Existenz – noch keine kurzfristige Löschung der digitalen Tonspur erfolgt. Im Jahr 1989 habe die Fa. Heinz J Filmkennzeichnungen über das von ihr „Comp Coding“ genannte Toncodierungsverfahren mit der K GmbH in Berlin einen Li-zenzvertrag abgeschlossen.
Im Jahr 1997 sei durch die Fa. Heinz J Filmkennzeichnungen im Auftrag des Filmverleihers L der Film „M“ codiert worden.
Ende 2001 habe erstmals die Beklagte die A GmbH mit der Codierung einzelner bevorstehender Kinofilme beauftragt. Dazu hätten die Filme „N“ (Kinostart: 22.11.2001), „O“ (Kinostart: 19.12.2001), „P“ (Kinostart: 10.01.2002) sowie „Q“ (Kinostart: 28.08.2002) gehört. Bei diesen Filmen sei – mit Ausnahme des Films „Q“ – von der A GmbH von einer Löschung der digitalen Tonspur abgesehen worden, da zu diesem Zeitpunkt die digitale Wiedergabe des Tons in den meisten Kinos noch unüblich gewesen sei.
Ebenfalls in den Jahren 2000 bis Mitte 2002 seien durch die A GmbH beispielsweise im Auftrag der Filmverleiher Sony Pictures (= Columbia Tri Star), I sowie United International Pictures (Verleih von Universal und Paramount) die Filme „R“, „S“ und „T“ codiert worden.
Im Jahr 2002 habe die A GmbH neben der Anbringung des Identifizie-rungscodes in der analogen Lichttonspur damit begonnen, die Digitalspur an der entsprechenden Stelle zu löschen. Zu diesem Zweck hätten Tests bei dem Kinobetreiber „U“ stattgefunden, um festzustellen, ob das Umschalten von Digitalton auf die analoge Lichttonspur bei den diversen Projektionsgeräten tatsächlich funktioniere. Seither seien sämtliche Filme durch die A GmbH in der Weise codiert worden, dass die digitale Tonspur unkenntlich gemacht worden sei.
Die Toncodierung der A GmbH sei in der Branche der Filmverleiher allgemein bekannt gewesen, wobei auf Treffen der Filmverleiher und ihres Verbandes Erfahrungen mit der „J-Technik“ ausgetauscht worden seien. Zudem sei auch die Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen e. V. (GVU), die von der gesamten Filmindustrie mit der Verfolgung der Kinopiraterie beauftragt sei, ständig in die technische Analyse der Raubkopien involviert gewesen.
Seit Ende 2003 bis Herbst 2008 habe die Beklagte die A GmbH für nahezu jede ihrer Kinoveröffentlichungen mit der Codierung der Filmkopien be-auftragt. So stamme auch die von der Klägerin vorgelegte Kodierung des Films „V“ von der A GmbH.
Seit 2006 seien die Filmkopien bereits werkseitig durch den Hersteller der Filmkopien, die Fa. W, mit der Toncodierung versehen worden, wobei hierzu auch die Filme „D“ (Anlage K 10) und „E“ (Anlage K 11) gehören würden. Dies habe den Vorteil, dass die Codierung nicht habe nachträglich aufgebracht werden müssen. Vielmehr sei es dadurch möglich, diese schon bei der Herstellung des Films in die Lichttonspur einzubetten. Das technische Prinzip der Toncodierung sei dabei jedoch identisch.
Dennoch habe die Beklagte bis 2008 weitgehend nur die Toncodierung der A GmbH genutzt, was zum Teil an logistischen Schwierigkeiten gelegen habe, den in Rom und Madrid ansässigen Kopierwerken der Fa. W aufgefundene Raubkopien schnell zu Auswertungszwecken zu übermitteln.
Die Beklagte, die sich im Übrigen auf Verjährung und Verwirkung beruft, meint daher, sie könne sich auf ein privates Vorbenutzungsrecht berufen. Zudem seien die Klageschutzrechte unter dem Gesichtspunkt der offenkundigen Vor-benutzung auch nicht rechtsbeständig.
Die Klägerin tritt diesem Vorbringen entgegen. Sie behauptet, die Firmen X (bis 1999) und Y (ab 2000) habe es zwar gegeben. Diese hätten vor dem Prioritätstag jedoch nur ein Bildcodierverfahren angeboten, das in Einzelfällen Verwendung gefunden habe. Dieses habe darin bestanden, eine 3- oder 4-stellige Nummer in einem festgelegten Bild der Filmkopie aufzubringen, z. B. durch Einbrennen.
Ende 2002 habe Herr Gerhardt D als Inhaber eines Unternehmens für die Film-Untertitlung mit der Entwicklung des patentgemäßen Toncodierver-fahrens begonnen. In allgemeiner Form habe er dies Ende Januar 2003 anlässlich der Berliner Filmfestspiele mit durch die Klägerin im Einzelnen benannten Vertretern der GVU, des Verleiherverbandes, der Senator Film und von Sony besprochen. Zudem hätten am 24.06.2003 auf der Cinema Expo in Amsterdam unter anderem Vertreter der I sowie von Warner Bros. (UK) gesprochen. In ihren Reden hätten alle Redner darauf hingewiesen, dass die Filmindustrie dringend ein System brauche, mit dem man jede einzelne Filmkopie identifizieren könne, um daraus Maßnahmen der Pirateriebekämp-fung herleiten zu können.
Herr Gerhardt D habe in mehreren Schreiben die Filmverleiher in Deutschland und im Ausland auf das von ihm entwickelte Toncodierverfahren hingewiesen. In Folge dieser Informationen habe am 17.09.2003 in Potsdam unter Geheimhaltungsvorbehalt ein Gespräch mit Vertretern von Y. stattgefunden. Dabei sei das patentgemäße Verfahren erstmals im Detail vor-gestellt worden, wobei erkennbar gewesen sei, dass Y. auf der Suche nach einem geeigneten Verfahren gewesen sei. Am Ende des Gespräches habe man sich darauf geeinigt, dass Y. Herrn D mehrere Filmkopien für eine testweise Codierung zur Verfügung stellen werde. Am 10.10.2003 habe Y. Herrn Gerhard D sodann jedoch per Mail mitgeteilt, dass man sein Verfahren nicht anwenden werde, da ein anderes Verfahren zur Anwendung kommen werde.
Ab Oktober 2003 seien in nahezu allen Filmkopien der Verleiher Y., Z, AA, Sony u. a. Toncodierungen nach dem patentgemäßen Verfahren enthalten, mechanisch hergestellt durch die A GmbH. Ab 2005 seien dann entsprechende kopiertechnische Toncodierungen durch W und Deluxe hergestellt worden, wobei auch diese weltweit durch die Verleiher Y., Z, AA, BB, CC u. a. in die Kinos gebracht worden seien.
Trotz intensiver Suche zwecks Überprüfung der Behauptungen von Herrn J hätten die Klägerin und Herr D keine einzige toncodierte Filmkopie aus den Jahren 2000 bis September/Oktober 2003 gefunden. Auch gebe es keinerlei Beleg dafür, dass das patentgemäße Toncodierverfahren vor dem September/Oktober 2003 irgendeinem Dritten bekannt gewesen sei.
Die Kammer hat durch Vernehmung der Zeugen J, DD, EE, FF, GG und D Beweis erhoben. Hinsichtlich des Inhalts der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 12.01.2012 verwiesen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die einge-reichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage hat in der Sache im tenorierten Umfang Erfolg. Der Kläge-rin stehen insoweit gegen die Beklagte Ansprüche auf Unterlassung, Aus-kunftserteilung und Rechnungslegung sowie Feststellung der Pflicht zum Schadenersatz dem Grunde nach und zur Herausgabe des durch die Verletzung des Klagepatents Erlangten aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ i. V. m. §§ 139 Abs. 1 und 2, 140 b Abs. 1 und 3 PatG i. V. m. §§ 242, 259, 852 BGB zu. Die Klägerin kann der Beklagten das Angebot und den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsformen in der Bundesrepublik Deutschland jedoch nicht untersagen, soweit diese durch die A GmbH in der unter Ziffer I. 1. des Tenors genannten Weise codiert wurden, da sich die Beklagte hinsichtlich dieser Filme auf ein Vorbenutzungsrecht der A GmbH berufen kann, § 12 Abs. 1 PatG.
Der Klägerin stehen gegen die Beklagte aus einer möglichen Verletzung des Klagegebrauchsmusters keine Ansprüche zu, da das Klagegebrauchsmuster unter dem Gesichtspunkt der offenkundigen Vorbenutzung nicht schutzfähig ist, § 13 Abs. 1 GebrMG i. V. m. § 15 Abs. 1 Nr. 1 GebrMG.
I.
Nachdem die Klägerin als Inhaberin der Klageschutzrechte eingetragen ist, ist sie im Hinblick auf die Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen wegen einer Verletzung der Klageschutzrechte aktivlegitimiert.
Zudem hat der vormalige Inhaber der Klageschutzrechte, Herr Gerhardt D, der Klägerin die darüber hinaus geltend gemachten Ansprüche auf Aus-kunftserteilung, Feststellung der Schadenersatzpflicht sowie Entschädigung abgetreten, so dass die Klägerin auch insoweit aktivlegitimiert ist. Bei sachge-rechter Auslegung der Abtretungserklärung ist die Geltendmachung von An-sprüchen aus ungerechtfertigter Bereicherung in der Abtretung von Ansprüchen auf Feststellung der Schadenersatzpflicht enthalten.
II.
Die Klageschutzrechte betreffen die Individualisierung maschinell auslesbarer Filmträgermaterialien.
Wie das Klagepatent einleitend ausführt, stehen Mechanismen zur Wiedergabe von Informationen im Mittelpunkt vieler technischer Gebiete. Üblicherweise sind die zur Wiedergabe bestimmten Informationen auf einem körperlichen Träger enthalten, der mittels geeigneter Vorrichtungen ausgelesen wird. Anschließend werden die ausgelesenen Informationen optisch, akustisch, kombiniert optisch und akustisch oder auf sonstige wahrnehmbare Weise wiedergegeben.
Dabei kann es aus verschiedensten Gründen wünschenswert sein, den Träger zu kennzeichnen. Als eine Möglichkeit hierfür nennt das Klagepatent zunächst die Anbringung einer Seriennummer auf der Oberfläche des Trägers. Daran bezeichnet es das Klagepatent jedoch als nachteilig, dass eine derart angebrachte Kennzeichnung leicht manipulierbar sei.
Aus der EP 0 802 XXX A1 sei eine optische Disc bekannt, die neben einem Aufzeichnungsbereich für sog. „Hauptdaten“ auch einen solchen für „Hilfsdaten“ aufweise, wo Markierungen in Form von Burst Cutting Area-(BCA) Streifen ausgebildet sind.
Zudem sei aus der US 6,259,575 B1 ein Informationsträger mit Datenspuren und davon beabstandeten Nutzspuren bekannt, so dass der Datenträger im Bereich der Nutzspuren unter Verwendung eines sich wiederholenden Bitmusters codiert werden könne.
Darüber hinaus lehre die WO 94/24665 A einen plattenförmigen optischen Träger für maschinell auslesbare Informationen, bei dem im Bereich der maschinell auslesbaren Informationen eine visuell wahrnehmbare Beschriftung ausgebildet sei.
Ferner sei aus der US 5,400,319 A ein scheibenförmiger Informationsträger bekannt, der neben einem ersten Aufzeichnungsbereich für Daten einen zweiten Bereich aufweise, in dem eine maschinenlesbare Abfolge von Strichen ausgebildet sei.
Außerdem sei aus der DE 37 07 608 A1 ein kombiniertes Ton-/Bildcodierverfahren bekannt, bei dem zur Kodierung im Ton wenigstens ein schmalbandiger Frequenzbereich ausgefiltert werde, um eine Fehlstelle im Frequenzband zu erzeugen. Die Position der Fehlstelle sowie deren Positionsänderung würden einen Identitätscode für einen Film oder eine Filmkopie darstellen. Zur Bildkodierung würden in einer Kopiermaschine Codierzeichen auf eine Filmkopie (Original) aufbelichtet. Dadurch werde es möglich, jeder Film-Kopie einen anderen Code (beispielsweise eine fortlaufende Nummer) zu geben.
Des Weiteren werde in der WO 01/35163 A1 ein Verfahren beschrieben, bei dem ein maschinenlesbarer Barcode zwischen den Perforationen und dem Rand eines Filmstreifens angeordnet werde.
Außerdem werde in der WO 85/02293 A1 ein Verfahren erläutert, bei dem ein Markierungssignal auf ein Tonsignal aufmoduliert und das so erhaltene Tonsignal auf einer Tonspur aufgezeichnet werde.
Schließlich sei aus der EP 0 574 239 A ein Filmträger bekannt, welcher die Merkmale des Oberbegriffs von Anspruch 10 enthalte.
Den Klageschutzrechten liegt daher die Aufgabe (das technische Problem) zu-grunde, einen verbesserten Ansatz zum Kennzeichnen eines maschinell aus-lesbaren Filmträgers anzugeben, der zur Wiedergabe bestimmte Informationen beinhaltet.
Dies geschieht nach Patentanspruch 10 des Klagepatents durch eine Kombination der folgenden Merkmale:
a) Maschinell auslesbarer, individualisierter Filmträger (10),
b) für analoge und digitale Informationen,
c) die in einer kontinuierlichen Abfolge auf dem Filmträger (10) enthalten und
d) zur Wiedergabe bestimmt sind.
e) Auf dem Träger (10) sind in einem ersten Abschnitt (20) zur Wiedergabe bestimmte analoge Informationen als redundante se-kundäre Informationsquelle enthalten und
f) in wenigstens einem zweiten Abschnitt (30, 32) zur Wiedergabe bestimmte digitale Informationen als primäre Informationsquelle.
g) Im ersten Abschnitt (20) ist ein Identifizierungs-Code
h) in Form einer den Träger (10) individualisierenden Abfolge örtlich beabstandeter Markierungen (14) ausgebildet,
i) die zusammen mit den zur Wiedergabe bestimmten Informationen auslesbar ist,
j) um die Wiedergabe der im ersten Abschnitt (20) enthaltenen analogen Informationen in einer den Träger (10) indi-vidualisierenden Weise zu ändern,
k) wobei die digitalen Informationen stellenweise fortgelassen und/oder nicht auslesbar sind,
l) um zur Wiedergabe der Markierungen einen Übergang von der primären auf die sekundäre Informationsquelle zu erzwingen.
III.
Dass die angegriffenen Ausführungsformen von der technischen Lehre von Patentanspruch 10 des Klagepatents wortsinngemäß Gebrauch machen, steht zwischen den Parteien zurecht nicht in Streit, so dass es insoweit keiner weite-ren Ausführungen bedarf. Jedoch kann sich die Beklagte in Bezug auf die durch die A GmbH in der in Ziffer I. 1. des Tenors genannten Weise codierten Filme mit Erfolg auf ein privates Vorbenutzungsrecht der A GmbH berufen, § 12 Abs. 1 S. 1 PatG. Demgegenüber steht der Beklagten in Bezug auf die Filmträger, bei denen der Identifizierungscode bereits bei der Herstellung des Filmträgers durch örtlich beabstandete Markierungen/Auslassungen in der Lichttonspur angebracht wird (vgl. insbesondere Anlagen K 10 und K 11), kein privates Vorbenutzungsrecht zu.
1.
Auf der Grundlage der Beweisaufnahme ist die Kammer davon überzeugt, dass sich die A GmbH im Prioritätszeitpunkt im Erfindungsbesitz befand.
a)
Nach allgemeiner Auffassung erwirbt der Vorbenutzer ein Weiterbenutzungs-recht nur dann, wenn er bei der Vorbenutzung den Erfindungsbesitz, also eine für das Nacharbeiten ausreichende Kenntnis der später patentierten technische Lehre gehabt hat (Kraßer, Patentrecht, 5. Aufl., S. 850).
Erfindungsbesitz hat, wer weiß, welche Maßnahmen er treffen muss, um zum erfindungsgemäßen Erfolg zu gelangen, also den der Erfindung entsprechen-den äußeren Kausalzusammenhang erkannt hat, auch wenn ihm die wissen-schaftliche Erkenntnis der zugrundeliegenden Vorgänge fehlt (Kraßer, a.a.O.). Das heißt, der Vorbenutzer muss über die Kenntnis einer fertigen, ausführbaren technischen Lehre verfügen; Versuche, durch die eine brauchbare Problemlösung erst ermittelt werden soll, begründen kein Vorbenutzungsrecht.
Dies erfährt seine Rechtfertigung darin, dass es sich bei dem Vorbenutzungs-recht insoweit um ein Recht handelt, das sich zwar nicht wie die Lizenz vom Patent ableitet, aber gleichwohl im Erfinderrecht wurzelt. Der Vorbenutzer kann sich auf dieses Recht nur dann berufen, wenn er subjektiv den Erfindungsgedanken der – objektiv vorliegenden – Erfindung erkannt hat; ein Wissen um die Patentfähigkeit der Erfindung ist dagegen für die Entstehung des Vorbenutzungsrechts nicht erforderlich. Wer subjektiv nicht in der Lage ist, die Erfindungsleistung nachvollziehbar zu beschreiben, dem steht aus dem Erfinderrecht des Patentgesetzes von vornherein kein Anspruch zu (Busche, Das Vorbenutzungsrecht im Rahmen des deutschen und europäischen Patentrechts, GRUR 1999, 645, 646).
Der Vorbenutzer muss somit die unter Schutz gestellte technische Lehre derart erkannt haben, dass ihm die Nacharbeitung planmäßig, dauerhaft und nicht nur in Form von „Zufallstreffern“ möglich war und er auch nicht mehr ausprobieren musste, ob er auf dem richtigen Weg war, und dass er am Anmeldetag die Erfindung bereits im Inland in Benutzung genommen oder zumindest die dafür erforderlichen Veranstaltungen getroffen hat (OLG Düsseldorf, Urt. vom 11.01.2007, 2 U 65 / 05 – Klimagerät).
Bei der Beurteilung der Frage des Vorliegens des Erfindungsbesitzes ist zu berücksichtigen, dass die erhobenen Beweise zum Nachweis der ein Vorbenutzungsrecht begründenden Tatsachen sehr kritisch zu würdigen und an ihren Beweis strenge Anforderungen zu stellen sind, weil erfahrungsgemäß nach Offenlegung brauchbarer Erfindungen häufig andere Personen behaupten, entsprechendes schon vorher gemacht zu haben. Andererseits dürfen die Anforderungen an den Beweis nicht so hoch gespannt werden, dass der Nachweis eines privaten Vorbenutzungsrechtes praktisch unmöglich gemacht wird. Das gilt insbesondere dann, wenn schriftliche Unterlagen oder andere objektive Umstände die Aussagen der vernommenen Zeugen bestätigen. In solchen Fällen treten die einer Zeugenaussage in aller Regel anhaftenden und insbesondere durch das nachlassende Erinnerungsvermögen der Zeugen verursachten Unsi-cherheiten umso weiter zurück, je mehr objektive Anhaltspunkte für die Richtigkeit der Aussagen sprechen (OLG Düsseldorf, Urt. vom 11.01.2007, 2 U 65 / 05 – Klimagerät).
b)
Dies vorweg geschickt ist die Kammer auf der Grundlage der durchgeführten Beweisaufnahme davon überzeugt, dass sich die A GmbH im Priori-tätszeitpunkt bereits im Erfindungsbesitz befand.
(a)
Wie die als Anlagen B 17a bis B 19e vorgelegten Unterlagen zeigen, waren zumindest drei Filme, deren Filmstart vor dem Prioritätstag der Klageschutz-rechte liegt, mit einer der A GmbH angebrachten Toncodierung einschließlich der Störung im Digitalton, wie sie in den Klageschutzrechten beansprucht wird, versehen.
So sind entsprechende Markierungen ebenso wie die Störungen im Digitalton in dem Anlagenkonvolut B 17, welches den Film „Der Anschlag“ (2002) betrifft, zu erkennen. Wie der als Anlage B 17b vorgelegten Rechnung vom 27.08.2002 zu entnehmen ist, hat die A GmbH für diesen Film für eine Codierung Arbeiten in Rechnung gestellt, wobei aus der Rechnung jedoch nicht erkennbar ist, ob es sich dabei um eine Bild- oder Tonkodierung handelt. Insbesondere ist daraus nicht ersichtlich, ob auch der Digitalton gestört wurde. Laut dem als Anlage B 17c vorgelegten Prüfbericht vom 04.11.2002 wurde in dem Film „Der Anschlag“ jedenfalls eine Toncodierung, nicht aber eine Bildcodierung gefunden. Soweit die Klägerin im Hinblick auf diesen Film eingewandt hat, die gezeigte Dose trage die Bezeichnung „Kopie Nr. 1 (neu)“, hat die Beklagte dies nachvollziehbar damit begründet, dass nach Beendigung der Kinoverwertung und dem Rücklauf der eingesammelten Kinokopien diese zu einem großen Teil vernichtet und nur wenige Archivkopien einbehalten würden. In diesem Zusammenhang würden die Filme bei manchen Archivierungssystemen eine neue Nummer erhalten. Dies steht im Einklang mit der in dem Anlagenkonvolut B 17a gezeigten Filmdose, bei welcher deutlich erkennbar ist, dass das ursprüngliche Etikett überklebt wurde und die Filmkopie nunmehr ausdrücklich als „Archivkopie“ ge-kennzeichnet ist. Dem diesbezüglichen Vortrag der Beklagten ist die Klägerin auch nicht entgegen getreten.
Des Weiteren hat die Beklagte als Anlagenkonvolut B 18 Unterlagen zu dem Film „Minority Report“ vorgelegt. Wie die insoweit zur Akte gereichten Rech-nungen zeigen, wurden am 07.10.2002 sowie am 10.10.2002 durch 20th Cen-tury Fox Codierarbeiten in Auftrag gegeben und am 17.10.2002 abgerechnet. Die durch die Beklagte vorgelegten Scans lassen deutlich die Markierungen im Analogton sowie die Störung im Digitalton erkennen. Zudem ist auch erkennbar, dass die Scans von der Kopie-Nummer 362 stammen. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei den in Auftrag gegebenen Codierarbeiten gleichwohl um eine analoge Codierung oder gar nur um eine Bildcodierung gehandelt haben soll, sind weder hinreichend vorgetragen, noch ersichtlich.
Schließlich haben die Beklagten als Anlagenkonvolut B 19 Unterlagen zu dem ebenfalls 2002 gestarteten Film „Triple X“ vorgelegt, wobei die Scans neben den Markierungen im Analogton deutlich eine Störung des Digitaltons zeigen. Zudem hat die Beklagte eine Rechnung der A GmbH vom 25.10.2002 zur Akte gereicht, mit welcher „Codierungsarbeiten“ abgerechnet wurden. Fer-ner ist auch nach dem als Anlage B 19c vorgelegten GVU-Prüfprotokoll eine Ton-Codierung gefunden worden. Darüber hinaus hat auch der Zeuge DD, unabhängig davon, ob dieser bei der Codierung selbst anwesend war, bestätigt, dass der Film „Triple X“ digital codiert war. Darauf, ob der Zeuge DD eine codierte Kopie dieses Films selbst gesehen hat, kommt es nicht an, da er im Rahmen seiner Vernehmung über seine Tätigkeit als Mitarbeiter bei Columbia und das in diesem Zusammenhang erworbene Wissen berichtet hat.
Zwar hat die Klägerin im Hinblick auf diesen Film darauf hingewiesen, ihr liege eine Kopie des Films vor, in welcher neben der Bild- auch eine Toncodierung einschließlich einer Störung des Digitaltons vorhanden sein soll, bei welcher jedoch der Privatgutachter Bergfried in den als Anlagen K 21, K 34 und K 38 aufgrund der vorhandenen Emulsionsreste und Gebrauchsspuren darauf schließe, dass die Codierung erst nachträglich, das heißt nachdem der Film in den Kinos gelaufen sei, angebracht worden sein müsse. Jedoch ist dem Vortrag der Klägerin nicht zu entnehmen, woher die durch den Privatgutachter Bergfried untersuchte Kopie stammt. Zudem lässt auch die Kombination von Gebrauchsspuren und Emulsionsresten nicht den zwingenden Schluss zu, dass der Film nachträglich manipuliert wurde. Vielmehr haben die Zeugen DD und EE übereinstimmend ausgesagt, dass Premierenkopien (zunächst) nicht codiert wurden, wobei der Aussage des Zeugen EE weiter zu entnehmen ist, dass auch diese sog. „Showkopien“ nach der Premiere noch codiert wurden. Auch diese Kopien sind somit zunächst bei der Premiere „gelaufen“ und erst danach mit einer Codierung versehen worden. Da der Vortrag der Klägerin die Herkunft der ihr vorliegenden Kopie nicht erkennen lässt, kommt es vorliegend auch nicht darauf an, ob dort, wie von der Klägerin behauptet, die Bild- und Toncodierung unterschiedliche Zahlen zeigen.
Dass sich die Filmcodierungen an unterschiedlichen Stellen der Filme finden, hat der Zeuge J nachvollziehbar damit erklärt, dass die Filme immer so codiert wurden, wie sie aus den Kopierwerken kamen. Da diese die Filme einmal vor- und einmal rückwärts kopieren, seien die Markierungen damit zwangsläufig an unterschiedlichen Stellen zu finden.
(b)
Das weitere Vorbringen der Klägerin ist ebenso wenig wie die Aussagen der durch die Klägerin benannten Zeugen geeignet, Zweifel daran zu begründen, dass sich die A GmbH im Prioritätszeitpunkt im Erfindungsbesitz befand.
Dem als Anlage K 13 vorgelegten Auszug aus der Festschrift zum 20-jährigen Bestehen der GVU, wonach „präventive Sicherheitsmaßnahmen schon lange eingestellt wurden“, lässt sich bereits nicht entnehmen, was unter derartigen präventiven Sicherheitsmaßnahmen zu verstehen ist. Im Übrigen bedeutet diese allgemein gehaltene Aussage auch nicht, dass nicht gleichwohl – wie von der Beklagten behauptet – einzelne Filme bereits codiert wurden. Dies gilt umso mehr, als die Klägerin selbst einräumt, dass die Firmen X (bis 1999) und Y (ab 2000) ein Bildcodierverfahren anboten, bei welchem es sich ebenfalls um eine präventive Sicherungsmaßnahme handeln könnte. Entsprechend kann sich die Klägerin auch nicht mit Erfolg darauf berufen, am 24.06.2003 hätten auf der „Cinema Expo“ drei Redner betont, dass die Filmindustrie dringend ein System brauche, mit dem man jede der einzelnen Filmkopien identifizieren könne.
Der weitere Vortrag der Klägerin, Versuche mit dem Film „James Bond – Stirb an einem anderen Tag“ hätten gezeigt, dass das Bildcodierverfahren der A GmbH unzuverlässig sei, rechtfertigt keine andere Bewertung, da selbst dann, wenn die Bildcodierung unzuverlässig wäre, sich kein Rückschluss darauf ziehen lässt, ob die A GmbH nicht darüber hinaus ein Ton-Codierverfahren entwickelt und eingesetzt hat. Dass es bei den Tests um eine Überprüfung der Bild- und Toncodierung ging, hat lediglich der Zeuge Bernd GG ausgesagt. Nach Aussage des Zeugen II ging es demgegenüber – im Einklang mit dem Vortrag der Klägerin – bei diesen Versuchen um eine Überprüfung der Zuverlässigkeit der Bild-Codierung durch die A GmbH.
Auch wenn Herr Gerhardt D, wie die Klägerin behauptet, bei einem Gespräch am 17.09.2003 in Potsdam Vertretern von Y. das durch ihn entwickelte Verfahren vorgestellt haben sollte, lässt auch dies keinen Rückschluss darauf zu, welche Kenntnisse die Beklagte bzw. die A GmbH zu diesem Zeitpunkt be-reits hatte.
Der weitere Hinweis der Klägerin, es sei jederzeit möglich, in vorhandenen Filmkopien nachträglich eine mechanische Toncodierung (Einritzen der Bar-code-ähnlichen Querstreifen) anzubringen, soweit Zugang zu den Filmkopien besteht, rechtfertigt keine andere Bewertung, da die Klägerin im Hinblick auf die o. g. Filme keine konkreten Anhaltspunkte für eine derartige Manipulation genannt hat. Der bloße Hinweis, die Kopien aller Filme der Verleiher würden im Lager der E. F. S. liegen, bei der es sich um die wirtschaftliche Eigentümerin der A GmbH handele, genügt hierfür nicht. Dies gilt umso mehr, als die Beklagte diesen Vortrag bestritten hat.
Die durch die Klägerin vorgelegten Prüfberichte des Zentral-Filmlagers II vom 28.04.2004 vermögen Zweifel am Erfindungsbesitz der A GmbH bereits deshalb nicht zu begründen, weil der Zeuge II, unabhängig davon, ob sich eine Störung im Digitalton bei einem „durch die Finger laufen lassen“ des Films mit ca. 20facher Geschwindigkeit, das heißt mit einer Geschwindigkeit von 480 Bildern pro Sekunde, überhaupt ertasten lässt, die oben genannten Filme nicht untersucht hat.
Des Weiteren verfängt auch der Hinweis der Beklagten auf die als Anlage K 30 vorgelegte Preisliste nicht. Diese stammt vom April 2006, so dass sich daraus kein Rückschluss auf den Preis für Bild- und Toncodierungen in den vorangegangenen Jahren ziehen lässt. Im Übrigen belegen auch die durch die Beklagten als Anlagen B 36 bis B 39 vorgelegten Chatprotokolle, dass zumindest die Frage der Codierung des Analogtons unter Filmvorführern bereits im Jahr 2002 diskutiert wurde.
Ferner lässt auch die Reaktion des Zeugen J auf die Frage nach der Dauer der Abschaltung des Digitaltons nicht den zwingenden Schluss zu, diesem sei die genaue Verfahrensweise bei der Störung des Digitaltons zur Ge-währleistung der Umschaltung auf den Analogton nicht bekannt. Zwar führt dieser – vage – aus, die Dauer der Abschaltung hänge entscheidend davon ab, welcher Weg in der Maschine zurückgelegt werden müsse. Insoweit hat jedoch auch der Zeuge D ausgesagt, er habe zahlreiche Experimente durch-geführt, um herauszufinden, wie lang der Digitalton gestört werden müsse, um eine möglichst effektive Umschaltung auf den Analogton zu gewährleisten, ohne dass die Umschaltung allerdings hörbar sei. In diesem Zusammenhang steht auch die Aussage des Zeugen J, der zunächst ebenfalls schilderte, es habe eine Lösung gefunden werden müssen, um eine möglichst effektive Umschaltung vom Analog- auf den Digitalton sicherzustellen. Auf die anschließende Frage nach der Dauer der Abschaltung bezog sich der Zeuge J – allgemein – auf den in der Maschine zurückzulegenden Weg. Der folgende Satz, sobald die Störung des Analogtons beendet sei, schalte die Maschine wieder auf den Digitalton um, kann ohne Weiteres auch so verstanden werden, dass die Störung im Digitalton so lang gewählt werden muss, damit die Maschine erst unmittelbar nach dem Ende der Störung des Analogtons zurückschaltet. Ein zwingender Widerspruch zum SRD-Digitalton-Standard besteht somit nicht.
2.
Weil das Startdatum der durch die Beklagte herangezogenen Filme vor dem Prioritätsdatum liegt, hat die A GmbH ihren Erfindungsbesitz auch hinreichend betätigt.
3.
Da das Vorbenutzungsrecht neben dem Vorbenutzungsberechtigten selbst auch seinen Abnehmern auf den nachfolgenden Handelsstufen zugute kommt (vgl. OLG Düsseldorf, InstGE 11, 193 – Desmopression-Tablette; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 5. Auflage, Rz. 1321), kann sich die Beklagte hinsichtlich der Filme, die durch die A GmbH codiert wurden, als de-ren Abnehmerin auf ein privates Vorbenutzungsrecht berufen (vgl. insbeson-dere Anlage K 12 [„V“]).
4.
Auf das der A GmbH zustehende Vorbenutzungsrecht kann sich die Beklagte jedoch nicht hinsichtlich der Filme berufen, die von der Fa. W mit einer Toncodierung versehen wurden (vgl. insbes. Anlagen K 10 und K 11 „D“ und „E“). Dass auch der Fa. W ein privates Vorbenutzungsrecht an den Kla-geschutzrechten zusteht, ist weder hinreichend vorgetragen, noch ersichtlich. Damit könnte sich die Beklagte hinsichtlich der durch die Fa. W codierten Filme nur dann auf ein privates Vorbenutzungsrecht berufen, wenn sie selbst Inhaberin eines entsprechenden Vorbenutzungsrechts wäre. Dies ist jedoch nicht der Fall.
Grundsätzlich ist anerkannt, dass auch ein Händler oder Importeur ein eigenes und nicht nur ein von seinem Lieferanten abgeleitetes Vorbe-nutzungsrecht erlangen kann, da auch ihm zuzugestehen ist, dass er einen vor dem Prioritätszeitraum begründeten Besitzstand wahren kann. Es geht zum einen nicht darum, unfertigen oder unvollständigen Maßnahmen die Anerkennung zu versagen. Zum anderen bedeutet es für den objektiven Besitzstand des Händlers oder Importeurs keinen Unterschied, ob er sich im Erfindungsbesitz befindet und ob sein Lieferant eine Benutzungshandlung im Inland vorgenommen hat oder ob keine seiner Handlungen einen Inlandsbezug aufweist (vgl. LG Düsseldorf, InstGE, 10, 17 ff., Urt. v. 04.09.2008, Az. 4b O 402/06; so auch Kraßer, Patentrecht, 6. Auflage, S. 823; Eichmann, GRUR 1993, 73, 80).
Diese Grundsätze sind jedoch nicht auf die Beklagte übertragbar. Bei der Be-klagten handelt es sich weder um eine Händlerin, noch um eine Importeurin. Diese ist vielmehr in der JJ Unternehmensgruppe dafür zuständig, Filmkopien herzustellen, anzubieten und in den Verkehr zu bringen, insbesondere durch Gebrauchsüberlassung an Filmtheater, auch wenn sie sich dabei Unternehmen wie der A GmbH oder W bedient. Die genannten Grundsätze gelten demgegenüber nur für Vorbenutzer, die sich auf den Handel mit patentgemäßen Erzeugnissen beschränken und die diesen Handel deshalb fortsetzen dürfen. Nur in diesem Fall ist es gerechtfertigt, dem Händler ein eigenes Vorbenutzungsrecht zuzubilligen, so dass seine Berechtigung zum Vertrieb nicht davon abhängt, ob der Hersteller vor dem Stichtag die Erzeugnisse im Inland in Verkehr gebracht und dadurch sowohl ein Vorbenut-zungsrecht erlangt als auch Erschöpfung bewirkt hat (vgl. Kraßer, Patentrecht, 6. Auflage, S. 823). Lässt die Beklagte demgegenüber – wie hier – selbst her-stellen, kann sie sich auf ein Vorbenutzungsrecht nur dann berufen, wenn sie sich im Prioritätszeitpunkt selbst im Erfindungsbesitz befand.
Dass dies der Fall war, ist weder hinreichend vorgetragen, noch ersichtlich. Der bloße Hinweis, die Beklagte habe die Erfindung der A GmbH seit Oktober 2001 gekannt und um die technische Ausführbarkeit gewusst, genügt hierfür ebenso wenig wie der pauschale Verweis darauf, die Beklagte habe über alle wesentlichen Informationen und Kenntnisse verfügt, um den Identifizie-rungscode in der Lichttonspur anbringen zu können. Darüber hinaus ist auch nicht erkennbar, inwiefern und in welchem Umfang der Auftragserteilung an die A GmbH tatsächlich – wie von der Beklagten behauptet – eine eingängige Erläuterung des Codierungssystems vorausging. Der lediglich allgemeine Hinweis, das Verfahren der A GmbH sei in der Branche allgemein bekannt gewesen, rechtfertigt schließlich ebenfalls keine andere Bewertung, da sich daraus kein Rückschluss darauf ziehen lässt, dass gerade die Beklagte mit den Einzelheiten des Codierverfahrens der A GmbH vertraut war.
III.
Da die Beklagte somit, soweit ihre Filme nicht durch die A GmbH codiert wurden, widerrechtlich von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch macht, stehen der Klägerin folgende Ansprüche zu:
1.
Die Beklagte macht durch das Angebot und den Vertrieb der nicht durch die A GmbH codierten angegriffenen Ausführungsformen in Deutschland wi-derrechtlich von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch, so dass sie gegenüber der Klägerin im tenorierten Umfang zur Unterlassung verpflichtet ist (Art. 64 Abs. 1 EPÜ i. V. m. § 139 Abs. 1 PatG).
2.
Des Weiteren hat die Beklagte der Klägerin im tenorierten Umfang Schadener-satz zu leisten (Art. 64 Abs. 1 EPÜ i. V. m. § 139 Abs. 2 PatG), denn als Fach-unternehmen hätten sie die Patentverletzung durch die angegriffenen Ausführungsformen bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt erkennen können, § 276 BGB. Die genaue Schadenshöhe steht derzeit noch nicht fest. Da es jedoch ausreichend wahrscheinlich ist, dass der Klägerin durch die rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten ein Schaden entstanden ist und dieser von der Klägerin noch nicht beziffert werden kann, weil sie ohne eigenes Verschulden in Unkenntnis über den Umfang der Benutzungs- und Verletzungshandlungen ist, ist ein rechtliches Interesse der Klägerin an einer Feststellung der Schadenersatzverpflichtung dem Grunde nach anzuerkennen,
§ 256 ZPO.
Ein Anspruch auf Schadenersatz steht der Klägerin jedoch nur für die Zeit ab dem 01.01.2008 zu, da die Beklagte für die Zeit davor mit Erfolg die Einrede der Verjährung erhoben hat.
Gemäß § 141 PatG verjähren Ansprüche wegen einer Verletzung des Patent-rechts, der auch entsprechend auf europäische Patente Anwendung findet, innerhalb von drei Jahren. Die Verjährungsfrist beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Tatsachen sowie der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat, § 141 PatG i. V. m. § 199 Abs. 1 BGB.
Vor diesem Hintergrund sind die zunächst Herrn D gegen die Beklagte zustehenden Ansprüche wegen der Verletzung des Klagepatents am 31.12.2007 verjährt. Die dreijährige Verjährungsfrist begann aufgrund der Kenntniserlangung im März 2004, die sich sowohl aus dem Vortrag der Be-klagten, als auch aus der als Anlagenkonvolut B 1 vorgelegten Korrespondenz ergibt, am 31.12.2004 zu laufen. Da die Klägerin vorliegend den Anspruch auf Schadenersatz für die Zeit vor ihrer Eintragung im Patentregister aus abgetretenem Recht geltend macht, kann die Beklagte den Verjährungseinwand gemäß § 404 BGB auch gegenüber der Klägerin erheben.
Allerdings führt die Verjährungseinrede im Ergebnis höchstens zu einer Be-schränkung der Höhe der Ansprüche auf eine Geldleistung, da der Klägerin gegen die Beklagte auch nach Verjährung der auf das Patentrecht gestützten Ansprüche ein Anspruch auf Herausgabe des durch die Verletzungshandlungen Erlangten nach den Vorschriften der ungerechtfertigten Bereicherung zuzubilligen ist (§ 852 BGB i. V. m. §§ 812, 818 BGB; vgl. BGH GRUR 1977, 250 ff. – Kunststoffhohlprofil; BGH GRUR 1982, 301 – Kunststoffhohlprofil II; Kühnen, Die Durchsetzung von Patenten in der Praxis, 5. Auflage, Rz. 1372).
3.
Damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadener-satzanspruch zu beziffern, ist die Beklagte im tenorierten Umfang zur Aus-kunftserteilung und Rechnungslegung verpflichtet (§§ 242, 259 BGB). Da sich der Bereicherungsanspruch der Klägerin nach den Grundsätzen der Lizenz-analogie bemisst, bedarf es einer Kenntnis der Kosten- und Gewinnsituation beim Verletzer nicht, so dass die Klägerin für den Zeitraum, in dem sie lediglich einen Anspruch auf Herausgabe des durch die Patentverletzung Erlangten hat, keinen Anspruch auf Auskunftserteilung und Rech-nungslegung über den erzielten Gewinn hat (vgl. BGH GRUR 2009, 515 – Mo-torradreiniger; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 5. Auflage, Rz. 1038).
Die Klägerin ist auf die zuerkannten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt. Darüber hinaus wird die Beklagte durch die von ihr verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet. Die Beklagte hat schließlich über Herkunft und Vertriebsweg der rechtsverletzenden Er-zeugnisse Auskunft zu erteilen (Art. 64 Abs. 1 EPÜ i. V. m. § 140 b PatG). So-weit ihre nicht gewerblichen Abnehmer und bloßen Angebotsempfänger hiervon betroffen sind, ist der Beklagten im Hinblick auf ihre Rechnungslegungspflicht in Bezug auf ihre nicht gewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger ein Wirtschaftsprüfervorbehalt einzuräumen (vgl. Oberlandesgericht Düsseldorf, Urteil vom 20.09.2001, Az.: 2 U 91/00).
IV.
Ohne Erfolg hat die Beklagte den Einwand der Verwirkung erhoben.
Der aus dem allgemeinen Gedanken von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ab-geleitete Verwirkungseinwand setzt neben dem Zeitmoment auch ein Um-standsmoment voraus, so dass sich aus den Umständen einhergehend mit dem Zeitmoment bei objektiver Beurteilung ergeben muss, dass sich der Verletzer darauf einrichten durfte, dass die Rechte nicht mehr gegen ihn geltend gemacht werden (vgl. Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 5. Auflage, Rz. 1384).
Daran fehlt es hier jedoch bereits deshalb, weil Herr D im Rahmen der im Jahr 2004 geführten Korrespondenz keine formelle Verzichtserklärung abgegeben hat, so dass für die Beklagte über das Zeitmoment hinaus kein Anhaltspunkt für die Annahme bestand, Herr D bzw. die Klägerin würden gegen sie aus den Klageschutzrechten nicht mehr vorgehen.
V.
Der Klägerin stehen gegen die Beklagte aus dem Klagegebrauchsmuster keine Ansprüche zu, da das Klagegebrauchsmuster unter dem Gesichtspunkt der offenkundigen Vorbenutzung nicht schutzfähig ist, § 13 Abs. 1 GebrMG i. V. m.
§ 15 Abs. 1 Nr. 1 GebrMG.
Eine offenkundige und daher neuheitsschädliche Vorbenutzung des Gegen-standes eines Gebrauchsmusters liegt vor, wenn die in Frage stehende Benut-zungshandlung es ermöglicht hat, dass beliebige, zur Geheimhaltung ver-pflichtete Dritte vom beanspruchten Gegenstand zuverlässig Kenntnis erlangen konnten (BGH GRUR 1962, 518, 520 – Blitzlichtgerät; Benkard/Goebel, Patentgesetz, 10. Auflage, § 3 GebrMG Rz. 11).
Dies ist hier der Fall. Im Hinblick auf das Vorliegen einer Vorbenutzung durch die A GmbH wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen zum Vorbenutzungsrecht Bezug genommen. Darüber hinaus war die Vorbenutzung auch offenkundig. Zwar hatte die A GmbH ebenso wie die Filmverleiher kein Interesse daran, dass Dritte Kenntnis der Codierung er-langen. Allerdings war die Codierung des Tons ohne Weiteres gerade für Film-vorführer zu erkennen. Auch wenn die Markierung lediglich aus wenigen Stri-chen in der Tonspur besteht, verursacht sie aber ein hörbares „Knacken“, so dass der Ort der Markierung ohne Weiteres auffindbar war. Dass insbesondere Filmvorführer die Toncodierung erkennen konnten, belegen die durch die Be-klagte als Anlagen B 36 bis B 39 vorgelegten Chatprotokolle, in denen unter anderem die Frage der Toncodierung diskutiert wird. Hinweise auf das Vorlie-gen von die Toncodierung betreffenden Geheimhaltungsvereinbarungen sind demgegenüber weder vorgetragen, noch ersichtlich.
VI.
Für eine Aussetzung der Verhandlung besteht keine Veranlassung, § 148 ZPO.
1.
Nach ständiger Rechtsprechung der Kammer (Mitt. 1988, 91 – Nickel-Chrom-Legierung; BIPMZ 1995, 121 – Hepatitis-C-Virus), die auch vom Oberlandesge-richt Düsseldorf (GRUR 1979, 188 – Flachdachabläufe; Mitt. 1997, 257, 258 – Steinknacker) und vom Bundesgerichtshof (GRUR 1987, 2784 – Transportfahrzeug) gebilligt wird, stellen ein Einspruch gegen das Klagepatent oder die Erhebung einer Nichtigkeitsklage als Solche noch keinen Grund dar, den Verletzungsrechtstreit auszusetzen, weil dies faktisch darauf hinauslaufen würde, dem Angriff auf das Klagepatent eine den Patentschutz hemmende Wirkung beizumessen, die dem Gesetz fremd ist. Die Interessen der Parteien sind vielmehr gegeneinander abzuwägen, wobei grundsätzlich dem Interesse des Patentinhabers an der Durchsetzung seines erteilten Patents Vorrang gebührt. Die Aussetzung kommt deshalb nur dann in Betracht, wenn mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein Widerruf oder eine Vernichtung des Klagepatents zu erwarten ist. Dies kann regelmäßig dann nicht angenommen werden, wenn der dem Klagepatent am nächsten kommende Stand der Technik bereits im Erteilungsverfahren berücksichtigt worden ist oder wenn neuer Stand der Technik lediglich belegen soll, dass das Klagepatent nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, sich jedoch auch für eine Bejahung der Erfindungshöhe, die von der wertenden Beurteilung der hierfür zuständigen Instanzen abhängt, zumindest noch vernünftige Argumente finden lassen.
2.
Ausgehend von diesen Überlegungen liegen die Voraussetzungen einer Aus-setzung der Verhandlung nicht vor.
Auch wenn die Kammer über die Frage der offenkundigen Vorbenutzung in Bezug auf das Klagegebrauchsmuster selbst Beweis erhoben hat, kommt eine Aussetzung der Verhandlung im Hinblick auf das Klagepatent unter diesem Gesichtspunkt bereits deshalb nicht in Betracht, weil sich die Beklagte auch im Nichtigkeitsverfahren auf Zeugenbeweis stützt, so dass die offenkundige Vorbenutzung nicht lückenlos durch liquide Beweismittel belegt ist (vgl. OLG Düsseldorf, GRUR 1979, 636, 637 – Sportschuhsohle; Kühnen, Die Durchsetzung von Patenten in der Praxis, 5. Auflage, Rz. 1402 m. w. N.). Somit ist bereits unvorhersehbar, in welcher Weise die benannten Zeugen im Nichtigkeitsverfahren überhaupt aussagen werden und ob ihre Aussagen, wenn sie für die Nichtigkeitsklägerin günstig sind, durch das Bundespatentgericht für glaubhaft gehalten werden. Dies gilt umso mehr, als die Beklagte im Nichtigkeitsverfahren auch Zeugen benannt hat, die durch die Kammer nicht vernommen wurden. Umgekehrt hat die Beklagte im Nichtigkeitsverfahren bisher auch nicht alle Zeugen, welche die Kammer vernommen hat, benannt. Da somit keine sichere Prognose über den Ausgang des Nichtigkeitsverfahrens gegeben werden kann, verbietet sich die Annahme, es sei mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine Vernichtung des Klagepatents zu erwarten (vgl. Kühnen a. a. O.).
Soweit die Beklagte in ihrer Nichtigkeitsklage demgegenüber zusätzlich auf druckschriftlichen Stand der Technik Bezug nimmt (Entgegenhaltungen D1 – D9), handelt es sich bei diesen Entgegenhaltungen überwiegend um den be-reits in den Abschnitten [0006] – [0013] gewürdigten Stand der Technik, so dass bereits aus diesem Grund eine Aussetzung der Verhandlung ausscheidet (vgl. Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 5. Auflage, Rz. 1394). In Bezug auf die bisher nicht gewürdigte Entgegenhaltung D9 (DE 694 23 311 T2) hat die Beklagte demgegenüber bereits nicht dargelegt, anhand welcher Überlegungen der Fachmann diese sich mit einer Fehlerkorrektur der Audiodaten befassende Schrift mit der bereits im Erteilungsverfahren geprüften Entgegenhaltung D6 (DE 37 07 608 A1) kombinieren sollte, ohne in eine unzulässige rückschauende Betrachtung zu verfallen.
Im Übrigen hat die Beklagte die meisten Entgegenhaltungen lediglich in engli-scher bzw. französischer Sprache und ohne nachvollziehbare Begründung vorgelegt, so dass eine Aussetzung auch unter diesem Gesichtspunkt nicht veranlasst erscheint (vgl. LG Düsseldorf, 3, 231 – wasserloses Urinal).
VII.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgen aus §§ 709 Satz 1 und 2; 108 ZPO.
Der Streitwert wird auf 1.000.000,- EUR festgesetzt.