4a O 40/12 – WC-Duftspülung II

Düsseldorfer Entscheidung Nr.:  1843

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 29. März 2012, Az. 4a O 40/12

I. Die Beklagte zu 2) wird verurteilt,

1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu zwei Jahren, zu unterlassen,

Abgabevorrichtungen zur Abgabe von Wirkstofffluiden in die Spülflüssigkeit in einem Toilettenbecken mit einem am Rand des Toilettenbeckens aufhängbaren Halter und zwei im Halter vorgesehenen, voneinander separierten Vorratsbehältern für jeweils ein Wirkstofffluid, die am Halter austauschbar nebeneinander angeordnet sind, wobei jeder der beiden Vorratsbehälter eine eigene, in Gebrauchsstellung der Vorratsbehälter bodenseitig angeordnete Auslassöffnung aufweist, über die das jeweilige Wirkstofffluid in die Spülflüssigkeit abgebbar ist, wobei die Vorratsbehälter gegen den Eintritt von Spülflüssigkeit in ihr Inneres geschützt sind und die Auslassöffnungen der Vorratsbehälter so angeordnet sind, dass nur Wirkstofffluid austritt und dass bei jedem Spülvorgang die Abgabe einer Teilmenge des Wirkstofffluids aus jedem der Vorratsbehälter in die Spülflüssigkeit erfolgt,

im Geltungsbereich des deutschen Teils 501 15 XXX des europäischen Patents 2 116 XXX anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,

wobei die Vorratsbehälter bezogen auf die Mitte der gesamten Abgabevorrichtung asymmetrisch ausgeführt sind mit zur Mitte der gesamten Abgabevorrichtung insgesamt hin versetzt an den Vorratsbehältern angeordneten Auslassöffnungen;

2. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 11.12.2009 begangen hat, und zwar unter Angabe

a) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,

b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen sowie der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer und unter Vorlage sämtlicher Rechnungen,

c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen -zeiten und -preisen,

d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

wobei die Angaben zu e) nur für die Zeit ab dem 07.10.2011 zu machen sind;

3. die vorstehend zu I. 1. bezeichneten, seit dem 07.09.2011 im Besitz Dritter befindlichen Erzeugnisse aus den Vertriebswegen zurückzurufen, indem diejenigen gewerblich handelnden Dritten, denen durch die Beklagte oder mit deren Zustimmung Besitz an den Erzeugnissen eingeräumt wurde, unter Hinweis darauf, dass die Kammer mit dem hiesigen Urteil auf eine Verletzung des Klagepatents EP 2 116 XXX B1 erkannt hat, ernsthaft aufgefordert werden, die Erzeugnisse an die Beklagte zurückzugeben, und den Dritten für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Rückzahlung des gegebenenfalls bereits gezahlten Kaufpreises sowie die Übernahme der Kosten der Rückgabe zugesagt wird.

II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 2) verpflichtet ist,

1. der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die zu I. 1. bezeichneten, seit dem 07.10.2011 begangenen Handlungen entstanden ist und künftig noch entstehen wird;

2. gesamtschuldnerisch mit der Beklagten zu 1) der Klägerin eine angemessene Entschädigung für die zu I. 1. bezeichneten, im Zeitraum vom 11.12.2009 bis zum 06.10.2011 begangenen Handlungen zu zahlen.

III. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu I. 1. bezeichneten Handlungen im Zeitraum vom 11.12.2009 bis zum 06.09.2011 begangen hat, und zwar unter Angabe

a) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,

b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen sowie der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer und unter Vorlage sämtlicher Rechnungen,

c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen -zeiten und -preisen,

d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

IV. Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 1) verpflichtet ist, gesamtschuldnerisch mit der Beklagten zu 2) der Klägerin eine angemessene Entschädigung für die zu I. 1. bezeichneten, im Zeitraum vom 11.12.2009 bis zum 06.09.2011 begangenen Handlungen zu zahlen.

V. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

VI. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen
1. die Klägerin 45 % der Gerichtskosten und 90 % der außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1),
2. die Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner 10 % der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten der Klägerin und
3. die Beklagte zu 2) darüber hinaus 45 % der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.

VII. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin in Bezug auf die Beklagte zu 1) gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 25.000,- Euro und in bezug auf die Beklagte zu 2) gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 250.000,00 EUR und für die Beklagte zu 1) gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Die Sicherheitsleistung kann auch durch eine unwiderrufliche, unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Europäischen Union als Zoll- oder Steuerbürgin anerkannten Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen einer Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents 2 116 XXX (nachfolgend: Klagepatent) auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Rückruf aus den Vertriebswegen (nur Beklagte zu 2)) und Feststellung der Entschädigungs- und Schadensersatzpflicht in Anspruch.

Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des Klagepatents, das von ihr – damals noch firmierend unter B KGaA – am 09.11.2001 unter Inanspruchnahme von vier deutschen Prioritäten vom 17.11.2000, vom 17.03.2001, vom 17.08.2001 und vom 04.10.2001 in deutscher Verfahrenssprache angemeldet wurde. Die Anmeldung wurde am 11.11.2009 veröffentlicht, der Hinweis auf die Patenterteilung am 07.09.2011. Das Klagepatent steht in Deutschland in Kraft.

Das Klagepatent hat eine Abgabevorrichtung zur Abgabe von Wirkstofffluiden zum Gegenstand. Der hier geltend gemachte Patentanspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

Abgabevorrichtung zur Abgabe von Wirkstofffluiden in die Spülflüssigkeit in einem Toilettenbecken mit einem am Rand des Toilettenbeckens aufhängbaren Halter (1) und zwei im Halter (1) vorgesehenen, voneinander separierten Vorratsbehältern (2, 3) für jeweils ein Wirkstofffluid, die am Halter (1) austauschbar nebeneinander angeordnet sind, wobei jeder der beiden Vorratsbehälter (2, 3) eine eigene, in Gebrauchsstellung der Vorratsbehälter (2, 3) bodenseitig angeordnete Auslassöffnung (4) aufweist, über die das jeweilige Wirkstofffluid in die Spülflüssigkeit abgebbar ist,
wobei die Vorratsbehälter (2, 3) gegen den Eintritt von Spülflüssigkeit in ihr Inneres geschützt sind und die Auslassöffnungen (4) der Vorratsbehälter (2, 3) so angeordnet sind, dass nur Wirkstofffluid austritt und
dass bei jedem Spülvorgang die Abgabe einer Teilmenge des Wirkstofffluids aus jedem der Vorratsbehälter (2, 3) in die Spülflüssigkeit erfolgt und
wobei die Vorratsbehälter (2, 3) bezogen auf die Mitte der gesamten Abgabevorrichtung asymmetrisch ausgeführt sind mit zur Mitte der gesamten Abgabevorrichtung insgesamt hin versetzt an den Vorratsbehältern (2, 3) angeordneten Auslassöffnungen (4).

Nachstehend ist ein bevorzugtes Ausführungsbeispiel einer erfindungsgemäßen Abgabevorrichtung in der Seitenansicht wiedergegeben. Die Abbildung stammt aus der Klagepatentschrift.

Die Beklagte zu 1) ist eine in Italien ansässige Wettbewerberin der Klägerin. Sie lieferte jedenfalls vor der Erteilung des Klagepatents an die Beklagte zu 2) WC-Körbchen, die die Beklagte zu 2) weiterveräußerte. Unter anderem erwarb die Klägerin von der Beklagten zu 2) ein Muster der angegriffenen Ausführungsform, das sie als Anlage K 2 (angegriffene Ausführungsform) zur Akte gereicht hat. Mit anwaltlichem Schreiben vom 19.09.2011 teilte die Beklagte zu 2) der Klägerin mit, dass sie zwar anbiete, die angegriffenen Ausführungsformen bis zum Termin zur mündlichen Verhandlung im vorliegenden Verfahren nicht mehr weiter zu vertreiben, dass davon jedoch Restbestände aus einer ersten Verkaufsaktion vom August 2011 ausgenommen bleiben sollten. Darauf ließ sich die Klägerin nicht ein.

Die konkstruktive Gestaltung und die Funktionsweise der angegriffenen Ausführungsform entsprechen im Wesentlichen der schematischen Darstellung eines WC-Körbchens in den Figuren 1 bis 3A und der zugehörigen Beschreibung in der von der Beklagten zu 1) eingereichten PCT-Anmeldung mit der Veröffentlichungsnummer WO 2004/072XXX, auf die mittlerweile das Patent EP 1 595 XXX B1 erteilt wurde. Auf die entsprechenden Druckschriften (Anlagen K 8a und B 1) wird Bezug genommen. Soweit Unterschiede in der Konstruktion und der Funktionsweise zwischen der angegriffenen Ausführungsform und der Darstellung in den Druckschriften bestehen, sind diese vorliegend unbeachtlich. Von Bedeutung ist lediglich die in der nachfolgenden Abbildung wiedergegebene Seitenansicht der angegriffenen Ausführungsform.

Die Klägerin trägt vor, die Beklagte zu 2) habe auch nach Inkrafttreten des Klagepatents 2 die angegriffenen Ausführungsformen in Deutschland angeboten und vertrieben, was die Beklagte zu 1) mit Nichtwissen bestreitet. Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte zu 1) hafte ebenso wegen einer Patentverletzung, weil sie den weiteren Vertrieb durch die Beklagte zu 2) ermöglicht habe, indem sie die Restbestände der Beklagten zu 2) nicht zurückgefordert habe. Zudem werde eine Erstbegehungsgefahr dadurch begründet, dass die Beklagte zu 1) ihre vermeintliche Berechtigung zum Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform betone.
Die Klägerin ist weiterhin der Auffassung, nach dem technischen Wortsinns des Klagepatentanspruchs sei dieser dahingehend zu verstehen, dass bei Betrachtung der (A)Symmetrie nicht beide Vorratsbehälter gemeinsam die Grundlage bildeten, sondern jeder Vorratsbehälter für sich genommen asymmetrisch sein müsse. Nur dann ergebe sich eine Asymmetrie in Bezug auf die Mitte der Abgabevorrichtung. Dies sei auch aus den Figuren der Klagepatentschrift ersichtlich.

Die Klägerin beantragt,

I. die Beklagten zu verurteilen,

1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu zwei Jahren, zu unterlassen,

Abgabevorrichtungen zur Abgabe von Wirkstofffluiden in die Spülflüssigkeit in einem Toilettenbecken mit einem am Rand des Toilettenbeckens aufhängbaren Halter und zwei im Halter vorgesehenen, voneinander separierten Vorratsbehältern für jeweils ein Wirkstofffluid, die am Halter austauschbar nebeneinander angeordnet sind, wobei jeder der beiden Vorratsbehälter eine eigene, in Gebrauchsstellung der Vorratsbehälter bodenseitig angeordnete Auslassöffnung aufweist, über die das jeweilige Wirkstofffluid in die Spülflüssigkeit abgebbar ist, wobei die Vorratsbehälter gegen den Eintritt von Spülflüssigkeit in ihr Inneres geschützt sind und die Auslassöffnungen der Vorratsbehälter so angeordnet sind, dass nur Wirkstofffluid austritt und dass bei jedem Spülvorgang die Abgabe einer Teilmenge des Wirkstofffluids aus jedem der Vorratsbehälter in die Spülflüssigkeit erfolgt,

im Geltungsbereich des deutschen Teils 501 15 XXX des europäischen Patents 2 116 XXX anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,

wobei die Vorratsbehälter bezogen auf die Mitte der gesamten Abgabevorrichtung asymmetrisch ausgeführt sind mit zur Mitte der gesamten Abgabevorrichtung insgesamt hin versetzt an den Vorratsbehältern angeordneten Auslassöffnungen;

2. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagten die zu I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 11.12.2009 begangen haben, und zwar unter Angabe

a) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,

b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen sowie der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer und unter Vorlage sämtlicher Rechnungen,

c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen -zeiten und -preisen,

d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

wobei die Angaben zu e) nur für die Zeit ab dem 07.10.2011 zu machen sind;

3. (nur die Beklagte zu 2) die vorstehend zu I. 1. bezeichneten, seit dem 30.04.2006 im Besitz Dritter befindlichen Erzeugnisse aus den Vertriebswegen zurückzurufen, indem diejenigen gewerblich handelnden Dritten, denen durch die Beklagte oder mit deren Zustimmung Besitz an den Erzeugnissen eingeräumt wurde, unter Hinweis darauf, dass die Kammer mit dem hiesigen Urteil auf eine Verletzung des Klagepatents EP 2 116 XXX B1 erkannt hat, ernsthaft aufgefordert werden, die Erzeugnisse an die Beklagte zurückzugeben, und den Dritten für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Rückzahlung des gegebenenfalls bereits gezahlten Kaufpreises sowie die Übernahme der Kosten der Rückgabe zugesagt wird;

II. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind,

1. der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu I. 1. bezeichneten, seit dem 07.10.2011 begangenen Handlungen entstanden ist und künftig noch entstehen wird;

2. der Klägerin eine angemessene Entschädigung für die zu I. 1. bezeichneten, im Zeitraum vom 11.12.2009 bis zum 06.10.2011 begangenen Handlungen zu zahlen.

hilfsweise ihr zu gestatten, die Zwangsvollstreckung wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung abwenden zu dürfen.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen,

Die Beklagten sind der Auffassung, dass nach der Lehre des Klagepatentanspruchs die Vorratsbehälter in Bezug auf eine durch die Mitte der gesamten Abgabevorrichtung verlaufenden Symmetrie- oder Spiegelachse asymmetrisch zueinander sein müssten. Dies sei nur der Fall, wenn beide Vorratsbehälter unterschiedliche Formen hätten oder bei gleichen Formen die Mitte der gesamten Abgabevorrichtung nicht genau zwischen den beiden Vorratsbehältern verlaufe. Das Verständnis der Klägerin widerspreche dem Wortlaut des Klagepatentanspruchs und ergebe technisch keinen Sinn. Eine asymmetrische Ausbildung der Vorratsbehälter zueinander hätte stattdessen den Sinn, dass eine zeitgleiche Entleerung der Behälter erreicht werden könne, wenn die Wirkstoffkomponenten in unterschiedlichen Mengen vorgehalten werden müssten oder unterschiedliche Viskositäten hätten.

Die Klägerin hat einen Antrag auf Auskunft über die Herstellungsmengen -zeiten und -preise und einen gegen die Beklagte zu 1) gerichteten Antrag auf Rückruf aus den Vertriebswegen in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, aber nur teilweise begründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte zu 2) Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Zahlung einer angemessenen Entschädigung und von Schadensersatzpflicht dem Grund nach und auf Rückruf aus den Vertriebswegen aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. §§ 139 Abs. 1 und 2, 140a Abs. 3, 140b Abs. 1 PatG, Art. 2 § 1 Abs. 1 IntPatÜG und §§ 242, 259 BGB.

Gegen die Beklagte zu 1) bestehen lediglich Ansprüche auf Zahlung einer angemessenen Entschädigung dem Grund nach und auf eine diesbezügliche Auskunft und Rechnungslegung aus Art. 2 § 1 Abs. 1 IntPatÜG, Art. 64 Abs. 1 EPÜ und §§ 242, 259 BGB. Unterlassung, Schadensersatz und eine diesbezüglich Auskunft kann die Klägerin von der Beklagten zu 1) mangels Patentverletzung nicht verlangen.

I.
Das Klagepatent betrifft eine Vorrichtung zur Abgabe von Wirkstofffluiden in die Spülflüssigkeit in einem Toilettenbecken, die als „WC-Körbchen“ in verschiedenen Ausführungen bekannt ist.

Mit Wirkstofffluiden meint die Klagepatentschrift fließfähige, also flüssige bis zähflüssige, gegebenenfalls gel- oder pastenartige, granulatartige oder anderweit schüttfähige Wirkstoffzubereitungen mit reinigender, desinfizierender, desodorierender, bleichender oder ähnlicher Wirkung.

Die Klagepatentschrift beschreibt zunächst diversen druckschriftlichen Stand der Technik, der sich mit Abgabevorrichtungen für ein einzelnes Wirkstofffluid befasst. Das Wirkstofffluid befindet sich dort innerhalb eines in einem Halter fest angeordneten oder auswechselbar eingesetzten Vorratsbehälters mit einer bodenseitigen Auslassöffnung. Im Hinblick auf Abgabevorrichtungen für ein einzelnes Wirkstofffluid beschreibt die Klagepatentschrift ein mit dem Wirkstofffluid tränkbares, mit der Spülflüssigkeit zu beaufschlagendes Betätigungselement, bei dem die Auslassöffnung von einem am Halter ortsfest angeordneten Dichtungselement großflächig verschlossen wird, so dass nur noch ein Strömungsweg mit geringem Querschnitt für das Wirkstofffluid zur Verfügung steht. Diese Vorrichtung funktioniert unter Nutzung der Kapillarwirkung des offenporigen Schaumstoffs (als Betätigungselement), wobei eine ähnliche Konstruktion auch mit einer der Verteilung dienenden Rippenplatte bekannt sei. Bei beiden Varianten sei es jedoch nicht optimal, dass die Auslassöffnung im Grundsatz dauernd geöffnet ist, so dass auch bei längerer Nichtbenutzung Wirkstofffluid weiter heraussickern könne. Weiter wird eine Abgabevorrichtung für ein einzelnes Wirkstofffluid beschrieben, bei der am Vorratsbehälter ein ventilartiges Dichtungselement zwischen einer Schließstellung und einer die Auslassöffnung geringfügig freigebenden Stellung mittels eines schwenkbar gelagerten Betätigungselements hin und her bewegt werden kann. Weitere ventilgesteuerte Dichtungselemente werden im Absatz [0006] genannt.

Hinsichtlich aller Abgabevorrichtungen für ein einzelnes Wirkstofffluid sieht es die Klagepatentschrift als nachteilig an, dass sämtliche Komponenten, die in die Spülflüssigkeit gelangen sollen, in dem einzigen Wirkstofffluid gemeinsam enthalten sein müssen. Dies wird deshalb als problematisch beschrieben, weil manche Wirkstoffkomponenten nicht gemeinsam lagerstabil zu realisieren seien.

Die Klagepatentbeschreibung befasst sich in dieser Hinsicht weiter mit der in der europäischen Anmeldeschrift EP 0 960 984 A2 behandelten Mehrkammer-Abgabevorrichtung. In dem am Rand des Toilettenbeckens aufhängbaren Halter befindet sich ein Behälter zum Bevorraten der Wirkstofffluide, der mindestens zwei nebeneinander angeordnete eigenständige Kammern aufweist. Jede Kammer hat eine Abgabevorrichtung mit einem Abgaberöhrchen, das mit seinem unteren freien Ende über den Boden des Behälters in die Umgebung austritt und an seinem anderen freien Ende führend von einer Abdeckung umgeben ist. Beim Spülvorgang gelangt über schlitzartige Durchlässe eines beide Kammern überspannenden Deckelteils Spülflüssigkeit in die Kammern des Behälters, löst dort Teile der Wirkstoffsubstanz und tritt nach Art eines Siphons oder Überlaufs über die Abgaberöhrchen unter Mitnahme des gelösten Wirkstoffs in das Toilettenbecken aus. Dabei sieht die Klagepatentschrift ein Problem darin, dass der Siphoneffekt (die freien Enden der Abgaberöhrchen bestimmen den Flüssigkeitspegel) in den beiden Kammern einen erheblichen Flüssigkeitspegel zurücklässt. Die in den Kammern verbleibende Spülflüssigkeit wirkt auch nach Abschluss des Spülvorgangs weiterhin auf das Wirkstofffluid in der jeweiligen Kammer ein. Der Verbrauch von Wirkstofffluid – so die Klagepatentschrift – sei damit praktisch nicht optimal zu steuern.

Zu dem aus der WO 92/20XXX A1 bekannten Stand der Technik einer Zweikammer-Abgabevorrichtung für gelartige Wirkstofffluide führt die Beschreibung aus, dass die Auslassöffnungen als bodenseitige Perforation ausgeführt und dadurch dauernd offen seien. Durch die Viskosität und Oberflächenspannung des Gels könne dieses normalerweise nicht von selbst durch Einwirkung der Schwerkraft austreten, sondern nur, wenn überlaufende Spülflüssigkeit von unten her in die Auslassöffnungen eintritt, das dort befindliche Gel etwas anlöst und Teilmengen der Wirkstofffluide austrägt. Bei diesem Zweikammer-System sieht es das Klagepatent als nachteilig an, dass die Auslassöffnungen im Grundsatz dauernd geöffnet sind, so dass bei längerer Nichtbenutzung des Toilettenbeckens die Wirkstofffluide entweder heraussickern könnten oder unter Einfluss der Umgebungsatmosphäre verhärten und danach nicht mehr aktivierbar seien. Von diesem Stand der Technik geht die Klagepatentschrift nach eigenem Bekunden aus.

Dem Klagepatent liegt vor dem Hintergrund dieses Standes der Technik von Mehrkammer-Abgabevorrichtungen die Aufgabe (das technische Problem) zugrunde, die zuvor erläuterte Abgabevorrichtung mit mindestens zwei voneinander separierten Vorratsbehältern hinsichtlich der Steuerungsmöglichkeit für die Abgabe der Wirkstofffluide zu optimieren.

Der geltend gemachte Klagepatentanspruch 1 kann wie folgt gegliedert werden:

1. Abgabevorrichtung zur Abgabe von Wirkstofffluiden in die Spülflüssigkeit in einem Toilettenbecken.
2. Die Vorrichtung weist auf
2.1 einen Halter (1), der am Rand des Toilettenbeckens aufhängbar ist, und
2.2 zwei Vorratsbehälter (2, 3).
3. Die Vorratsbehälter (2, 3) sind
3.1 im Halter (1) vorgesehen,
3.2 voneinander separiert für jeweils ein Wirkstofffluid und
3.3 am Halter (1) austauschbar nebeneinander angeordnet.
4. Jeder der beiden Vorratsbehälter (2, 3) weist eine eigene Auslassöffnung (4) auf, über die das jeweilige Wirkstofffluid in die Spülflüssigkeit abgebbar ist.
5. Die Vorratsbehälter (2, 3) sind gegen den Eintritt von Spülflüssigkeit in ihr Inneres geschützt.
6. Die Auslassöffnungen (4) der Vorratsbehälter (2, 3) sind
6.1 in Gebrauchsstellung der Vorratsbehälter (2, 3) bodenseitig und
6.2 so angeordnet, dass nur Wirkstofffluid austritt.
7. Bei jedem Spülvorgang erfolgt die Abgabe einer Teilmenge des Wirkstofffluids aus jedem der Vorratsbehälter (2, 3) in die Spülflüssigkeit.
8. Die Vorratsbehälter (2, 3) sind bezogen auf die Mitte der gesamten Abgabevorrichtung asymmetrisch ausgeführt mit zur Mitte der gesamten Abgabevorrichtung insgesamt hin versetzt an den Vorratsbehältern (2, 3) angeordneten Auslassöffnungen (4).

II.
Unstreitig werden die Merkmale 1 bis 7 durch die angegriffene Ausführungsform verwirklicht. Darüber hinaus sind die Vorratsbehälter der angegriffenen Ausführungsform bezogen auf die Mitte der gesamten Abgabevorrichtung asymmetrisch ausgeführt mit zur Mitte der gesamten Abgabevorrichtung hin versetzt an den Vorratsbehältern angeordneten Auslassöffnungen (Merkmal 8).

1.
Die Beklagten sind der Auffassung, nach der Lehre des Klagepatentanspruchs müssten die Vorratsbehälter in Bezug auf eine durch die Mitte der gesamten Abgabevorrichtung verlaufenden Symmetrie- oder Spiegelachse asymmetrisch zueinander sein. Dies sei nur der Fall, wenn beide Vorratsbehälter unterschiedliche Formen haben oder bei gleichen Formen die Mitte der gesamten Abgabevorrichtung nicht genau zwischen den beiden Vorratsbehältern verläuft. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden, weil sie ausgehend von der das Merkmal 8 in zwei Untermerkmale unterteilenden Merkmalsgliederung in der Klageschrift den ersten Teil des Merkmals 8 und damit die Symmetrie der Vorratsbehälter isoliert betrachtet und bei einer rein philologischen Auslegung des Klagepatentanspruchs stehenbleibt, nicht aber den technischen Wortsinn ermittelt.

Den Beklagten ist zuzugestehen, dass der bloße Wortlaut von Merkmal 8 den Eindruck erweckt, dass die Vorratsbehälter bezogen auf eine durch die Mitte der gesamten Abgabevorrichtung verlaufende Symmetrieachse und damit zueinander asymmetrisch sein sollen. Beim Wortlaut darf die Auslegung des Klagepatentanspruchs jedoch nicht stehenbleiben, sondern hat auch die Beschreibung und die Zeichnungen einzubeziehen. In der einzigen Textstelle in der Klagepatentschrift zu dem Merkmal 8 wird ausgeführt, dass das dargestellte Ausführungsbeispiel ein Betätigungselement für mindestens zwei, vorzugsweise für alle Vorratsbehälter aufweise. Weiter heißt es:

„Darauf abgestimmt ist die Anordnung der Auslassöffnungen 4 an den Vorratsbehältern 2, 3. Diese sind nämlich bezogen auf die Mitte der gesamten Abgabevorrichtung asymmetrisch ausgeführt mit zur Mitte der Abgabevorrichtung insgesamt versetzten Auslassöffnungen 4 (Fig. 2). Dadurch erhält man eine Konzentration des Wirkstoffaustrittes auf einen relativ eng begrenzten Bereich ungeachtet der Tatsache, dass zwei Vorratsbehälter 2, 3 vorgesehen sind“ (Abs. [0036]; Textstellen ohne Bezugsangaben stammen aus dem Klagepatent, Anlage K 16).

Die asymmetrische Ausführung der Vorratsbehälter erhält ihre Bedeutung also erst durch die Anordnung der Auslassöffnungen. Für die Asymmetrie der Vorratsbehälter genügt es bereits, dass die Auslassöffnungen bezogen auf die Mitte der gesamten Abgabevorrichtung zu dieser Mitte versetzt angeordnet sind. Die Funktion dieses Merkmals für die technische Lehre liefert ebenfalls die zitierte Textstelle: Obwohl zwei Vorratsbehälter mit zwei Auslassöffnungen (und gleichem Volumen wie ein aus dem Stand der Technik bekannter einzelner Vorratsbehälter mit einer Auslassöffnung) verwendet werden, soll der Wirkstoff aus den Auslassöffnungen konzentriert auf einen relativ eng begrenzten Bereich austreten. Dahinter steckt die Vorstellung, dass die beiden Wirkstoffkomponenten trotz ihrer durch die mangelnde Lagerstabilität bedingte getrennte Bevorratung (Abs. [0007]) zusammen wirken und möglichst gleichmäßig in der Spülflüssigkeit und im Toilettenbecken verteilt werden sollen. Dies kann besser erreicht werden, wenn die Auslassöffnungen zur Mitte der Abgabevorrichtung versetzt sind.

Davon ausgehend kann die Wendung im Klagepatentanspruch, dass „die Vorratsbehälter bezogen auf die Mitte der gesamten Abgabevorrichtung asymmetrisch ausgeführt sind“ nur dahingehend verstanden werden, dass der einzelne Vorratsbehälter asymmetrisch ist, weil – das ergibt sich aus den weiteren Anforderungen des Klagepatentanspruchs – die Auslassöffnung nicht mittig unter dem Vorratsbehälter, sondern zur Mitte der gesamten Abgabevorrichtung hin versetzt angeordnet ist. Die Wendung „bezogen auf die Mitte der gesamten Abgabevorrichtung“ beschreibt insofern nicht die Symmetrieachse, sondern zeigt an, dass die Asymmetrie des jeweiligen Vorratsbehälters nicht beliebig sein kann, sondern zur Mitte der Abgabevorrichtung orientiert ist, indem die Auslassöffnung in diese Richtung versetzt angeordnet ist. Dies ist auch aus der im dargestellten Ausführungsbeispiel genannten Figur 2 der Klagepatentschrift ersichtlich. Denn beide Vorratsbehälter sind zueinander symmetrisch. Sie sind jedoch für sich genommen asymmetrisch, weil jedenfalls die Auslassöffnungen zur Mitte hin versetzt sind. Dass die Figur 2 auch andere Ausführungsformen und technische Details als nur die des Klagepatentanspruchs 1 verdeutlicht und sich sogar in anderen Patenten der zum Klagepatent gehörigen Patentfamilie findet, ist unschädlich.

Die Auffassung der Beklagten, dass die Vorratsbehälter zueinander symmetrisch sein müssten, hat technisch keinen Sinn. Dass die Asymmetrie durch unterschiedliche Mengen an Wirkstoffkomponenten bedingt sein könnte, hat im Klagepatentanspruch keinen Niederschlag gefunden und widerspricht auch den Ausführungen in der Klagepatentschrift. Aus dem Umstand, dass im Klagepatentanspruch von „jeder Vorratsbehälter“ die Rede ist, wenn der einzelne Vorratsbehälter gemeint ist, und von „die Vorratsbehälter“, wenn beide zusammen gemeint sind, kann jedenfalls nicht hergeleitet werden, dass die Vorratsbehälter zueinander asymmetrisch ausgeführt sein sollen.

2.
Ausgehend von der vorstehenden Auslegung wird das Merkmal 8 des Klagepatentanspruchs durch die angegriffene Ausführungsform verwirklicht, weil die Auslassöffnungen der Vorratsbehälter ersichtlich zur Mitte der Abgabevorrichtung versetzt sind und daher die Vorratsbehälter für sich genommen asymmetrisch sind.

III.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte zu 2) einen Anspruch auf Unterlassung aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ, § 139 Abs. 1 PatG, weil sie die angegriffene Ausführungsform in der Bundesrepublik Deutschland vertrieben und damit angeboten und in Verkehr gebracht hat, ohne dazu berechtigt zu sein. Die Klägerin hat vorgetragen, dass die Beklagte zu 2) die angegriffene Ausführungsform auch nach dem 07.09.2011 angeboten und vertrieben hat. Dem ist die Beklagte zu 2) nicht entgegengetreten. Dass die Beklagte zu 1) den Vortrag mit Nichtwissen bestritten hat, ist im Prozessrechtsverhältnis der Klägerin zur Beklagten zu 2) unbeachtlich.

Der Unterlassungsanspruch besteht jedoch nicht gegen die Beklagten zu 1). Die Klägerin hat keine Benutzungshandlungen der Beklagten zu 1) im Sinne von § 9 S. 2 Nr. 1 PatG für den Zeitraum nach der Erteilung des Klagepatents dargelegt, die eine Wiederholungsgefahr begründen könnten. Die Beklagte zu 1) hat insofern in Abrede gestellt, nach der Erteilung des Klagepatents die angegriffene Ausführungsform nach Deutschland geliefert zu haben. Die Beklagte zu 1) war auch nicht verpflichtet, die Beklagte zu 2) von weiteren Vertriebshandlungen abzuhalten. Denn die vor der Erteilung des Klagepatents erfolgten Lieferungen der angegriffenen Ausführungsform waren rechtmäßig und sind daher grundsätzlich nicht geeignet, eine Verpflichtung zur Abwendung eines durch den Abnehmer später verursachten rechtswidrigen Erfolgs zu begründen. Ebenso wenig besteht für Vertriebshandlungen, die gegen das Klagepatent verstoßen, eine Erstbegehungsgefahr. Benutzungshandlungen aus dem Zeitraum vor Erteilung eines Schutzrechts sind zur Begründung einer Wiederholungs- oder Erstbegehungsgefahr für den Zeitraum ab der Erteilung grundsätzlich nicht ausreichend. Sie begründen keine Befürchtung, die Beklagte werde sich auch nach Erteilung des Klageschutzrechts nicht entsprechend der dann geltenden Rechtslage verhalten (BGH GRUR 1996, 109 (111 f) – Klinische Versuche; LG Düsseldorf InstGE 7, S. 1 Rn 11 – Sterilisationsverfahren). Schließlich begründet auch der pauschale Vortrag der Klägerin, die Beklagte zu 1) habe ihre vermeintliche Berechtigung zur Benutzung des Klagepatents betont, keine Erstbegehungsgefahr. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern die angebliche „Betonung“ über die zulässige Verteidigung gegen den Klagevorwurf hinausgeht.

Weiterhin hat die Klägerin gegen die Beklagte zu 2) dem Grunde nach einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ, § 139 Abs. 1 und 2 PatG, weil die Beklagte zu 2) die Patentverletzung schuldhaft beging. Dafür genügt bereits fahrlässiges Verhalten, das heißt die Außerachtlassung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt, § 276 BGB. Bei der Beklagten zu 2) handelt es sich um ein Handelsunternehmen, das jedenfalls deswegen ohne die erforderliche Sorgfalt handelte, weil es ein Erzeugnis in den Verkehr gebracht hat, ohne begründetermaßen annehmen zu dürfen, dass die notwendige Prüfung auf die Verletzung absoluter Rechte Dritter zumindest einmal durchgeführt worden ist (vgl. BGH GRUR 2006, 575 – Melanie). Es ist auch nicht unwahrscheinlich, dass der Klägerin als Inhaberin des Klagepatents durch die Patentverletzung ein Schaden entstanden ist. Das für die Zulässigkeit des Feststellungsantrags gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich daraus, dass die Klägerin derzeit nicht in der Lage ist, den konkreten Schaden zu beziffern. Ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu 1) besteht hingegen mangels Darlegung einer Verletzungshandlung nicht.

Unabhängig vom Verschulden hat die Klägerin gegen beide Beklagte einen Anspruch auf Zahlung einer angemessenen Entschädigung dem Grunde nach aus Art. II § 1 Abs. 1 IntPatÜG. Beide Beklagten haben den Erfindungsgegenstand genutzt, obwohl sie wussten oder jedenfalls wissen mussten, dass die benutzte Erfindung Gegenstand der Anmeldung des Klagepatents war. Lieferungen der Beklagten zu 1) an die Beklagte zu 2) nach der Offenlegung der Patentanmeldung haben die Beklagten nicht bestritten. Hinsichtlich der Beklagten zu 1) ist der Anspruch jedoch beschränkt auf den Zeitraum bis zur Erteilung des Klagepatents am 07.09.2011. Die Feststellung der Zahlungspflicht der Beklagten zu 2) bis zum 06.10.2011 ist hingegen dadurch gerechtfertigt, dass die Klägerin durch die für den Schadensersatzanspruch geltende einmonatige Überlegungsfrist nicht schlechter gestellt werden darf als bei einer rechtmäßigen Benutzung der Patentanmeldung, die eine Entschädigungspflicht begründet.

Der Klägerin steht gegen beide Beklagten auch ein Anspruch auf Rechnungslegung und Auskunft zu. Der Umfang der Auskunftspflicht unterscheidet sich bei beiden Beklagten jedoch deshalb, weil die Beklagte zu 1) anders als die Beklagte zu 2) nicht auf Schadensersatz haftet, sondern nur auf Zahlung einer angemessenen Entschädigung. Entsprechend ergibt sich der Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte zu 2) aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ, § 140b Abs. 1 PatG, §§ 242, 259 BGB und gegen die Beklagte zu 1) aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ, §§ 242, 259 BGB. Die Klägerin ist auf die tenorierten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt, und die Beklagten werden durch die von ihnen verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet.

Schließlich hat die Klägerin gegen die Beklagte zu 2) einen Anspruch aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 140a Abs. 3 PatG darauf, dass die Beklagte zu 2) gegenüber ihren gewerblichen Abnehmern die seit dem 07.09.2011 in deren Besitz gelangten angegriffenen Ausführungsformen zurückruft. Die Beklagte zu 2) hat mit dem Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform die klagepatentgemäße Erfindung im Sinne von § 9 S. 2 Nr. 1 PatG benutzt, ohne dazu berechtigt zu sein. Der Anspruch besteht jedoch erst seit dem 07.09.2011, da zu diesem Zeitpunkt das Klagepatent erteilt wurde.

IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 100 Abs. 4, 269 Abs. 3 S. 2 2. HS ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 und 2 ZPO. Dem von der Klägerin hilfsweise geltend gemachten Vollstreckungsschutzantrag war nicht stattzugeben, da sie die Voraussetzungen des § 712 Abs. 1 ZPO weder dargelegt, noch gemäß § 714 Abs. 2 ZPO glaubhaft gemacht hat.

Streitwert: 250.000,00 EUR, auf die Feststellung der gesamtschuldnerischen Pflicht zur Schadensersatzleistung und Entschädigungszahlung entfallen 75.000,00 EUR