4a O 5/12 – Schwingungsdämpfervorrichtung

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 2060

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 18. Juni 2013, Az. 4a O 5/12

I. Die Beklagte wird verurteilt,

1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu 2 Jahren, wobei die Ordnungshaft an einem der Geschäftsführer zu vollstrecken ist, zu unterlassen,

(0) Legeköpfe zur Bildung von Wicklungen von kontinuierlichen und im Wesentlichen geradlinigen Walzerzeugnissen, umfassend

(1) eine Halteanordnung,

(2) einen Drehkörper,

(2.1) der dafür angepasst ist, um seine eigene Achse unter der Einwirkung einer Motoreinrichtung zu rotieren und

(2.2) der durch die Halteanordnung mittels Lagern in Rotation gehalten wird,

in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen, zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken zu besitzen oder einzuführen,

(3) bei denen es nur zwei Lager gibt,

(4) wobei wenigstens eines der beiden Lager ein Schwingungsdämpfungsmittel einschließt, das ein Ölfilm-Lager des hydrodynamischen Typs umfasst;

2. der Klägerin für die Zeit seit dem 05.06.2010 Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der vorstehend unter Ziffer I. 1. beschriebenen Vorrichtungen zu erteilen, insbesondere unter Angabe der Namen und Anschriften des Lieferanten und/oder anderer Vorbesitzer, der gewerblichen Abnehmer oder Auftraggeber;

3. der Klägerin über den Umfang der vorstehend zu Ziffer 1. bezeichneten und seit dem 05.06.2010 begangenen Handlungen Rechnung zu legen, und zwar unter Vorlage eines geordneten Verzeichnisses unter Beifügung der Belege, und zwar unter Angabe

a) der Herstellungsmengen und -zeiten,

b) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer sowie der bezahlten Preise,

c) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preise (und ggf. Typenbezeichnungen) sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer einschließlich der Verkaufsstellen, für welche die Vorrichtungen bestimmt waren,

d) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen (und ggf. Typenbezeichnungen) sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

e) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

f) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

• wobei die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben betreffend vorstehend a) und b) durch entsprechende Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie nachzuweisen ist,

• wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist.

II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu Ziffer I.1. bezeichneten und seit dem 05.06.2010 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

III. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

IV. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 250.000,- EUR vorläufig vollstreckbar.

Die Sicherheitsleistung kann auch durch eine unwiderrufliche, unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Europäischen Union als Zoll- oder Steuerbürgin anerkannten Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen der Verletzung des deutschen Teils des Europäischen Patents 1 725 XXX (im Folgenden Klagepatent) auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung sowie Feststellung der Schadensersatzpflicht dem Grunde nach in Anspruch. Die Klägerin ist eingetragene und ausschließlich verfügungsberechtigte Inhaberin des Klagepatents. Die Anmeldung des Klagepatents erfolgte am 23.02.2005; die Eintragung wurde am 05.05.2010 bekannt gegeben. Das Klagepatent steht in Kraft. Ein Einspruchsverfahren gegen das Klagepatent ist vor dem Europäischen Patentamt anhängig. Die Beklagte ist dem bereits anhängigen Einspruchsverfahren beigetreten. Über die Einsprüche ist derzeit noch nicht entschieden.

Das Klagepatent trägt die Bezeichnung „Legekopf mit einer Schwingungsdämpfervorrichtung“. Der Patentanspruch 1, dessen Verfahrenssprache Englisch ist, lautet in seiner deutschen Fassung wie folgt:

Legekopf zur Bildung von Wicklungen von kontinuierlichen und im Wesentlichen geradlinigen Walzerzeugnissen, umfassend eine Halteanordnung (2), einen Drehkörper (3), der dafür angepasst ist, um seine eigene Achse (X) unter der Einwirkung einer Motoreinrichtung zu rotieren, und der durch die Halteanordnung (2) mittels Lagern (4) in Rotation gehalten wird, dadurch gekennzeichnet, dass es nur zwei Lager gibt, und dass wenigstens eines der beiden Lager (4) ein Schwingungsdämpfungsmittel einschließt, das ein Ölfilmlager (10) des hydrodynamischen Typs umfasst.

Nachfolgend wird eine aus der Klagepatentschrift stammende zeichnerische Darstellung einer bevorzugten Ausführungsform der Erfindung abgebildet.
Figur 7 zeigt einen Schnitt in der Achsenebene eines Ausführungsbeispiels eines erfindungsgemäßen Legekopfes. Der Drehkörper (3) wird durch die Halteanordnung (2) mittels eines abgebildeten Ölfilmlagers (10) gehalten.

Im Betrieb rotiert der Windungsleger um die Wellenachse mit einer Geschwindigkeit um die 2500 U/Min. Gleichzeitig wird dem Windungsleger entlang der Wellenachse das drahtförmige Walzgut mit der Geschwindigkeit zugeführt, die das Walzgut am Auslauf aus dem letzten Walzgerüst der Walzstraße besitzt. Das Walzgut läuft in das Einlassende des Legerohrs ein und tritt tangential zum Rotor aus dem Auslassende aus und bildet somit eine Serie von Ringen, die auf einen Rollgang zum Transport und zur Zwangsluftkühlung abgelegt werden. Der Windungsleger, als mechanische Struktur, der auf Trägern mit einer eigenen Nachgiebigkeit montiert ist, ist durch eine eigene natürliche Resonanzfrequenz gekennzeichnet. Die Resonanzgeschwindigkeit begrenzt die Drehzahl. Die nachfolgende Abbildung, die einem klägerischen Schriftsatz entnommen worden ist, zeigt eine Prinzipienskizze.

Die Beklagte ist auf dem Gebiet der Herstellung und des Vertriebs von Walzanlagen tätig. Sie ist Inhaberin des Europäischen Patents 1 175 XXX B 1. Sie stellt sogenannte Windungsleger her und vertreibt diese. Die Beklagte präsentierte auf einer in Mönchengladbach am 27./28.10.2009 stattfindenden Tagung ihre „Neue Generation“ eines Windungslegers und verteilte eine Präsentation, wegen deren Inhalts auf die Anlage LS 6 verwiesen wird. Die „Generation 4“ (angegriffene Ausführungsform) wird auf den Seiten 16 ff dargestellt. Die nachfolgend abgebildete grafische Darstellung ist der Anlage LS 7 entnommen und zeigt ein „Oil film bearing“ der vierten Generation. Die Abbildung wurde mit Anmerkungen der Klägerin versehen.

Die Klägerin trägt vor, die Beklagte biete derartige Windungsleger weiterhin an. Sie ist der Auffassung, die angegriffene Ausführungsform mache von der technischen Lehre des Klagepatents wortsinngemäß Gebrauch.

Die Klägerin beantragt unter teilweiser Rücknahme und Ergänzung des Rechnungslegungsanspruchs,

zu erkennen, wie geschehen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen;

hilfsweise,
den Rechtsstreit bis zur Entscheidung über das gegen das Klagepatent anhängige Einspruchsverfahren beim Europäischen Patentamt auszusetzen.

Die Beklagte ist der Auffassung, sie müsse auf den Vortrag der Klägerin, sie habe die angegriffene Ausführungsform auch nach Erteilung des Klagepatents angeboten, nicht erwidern, da der Sachvortrag der Klägerin in Bezug auf diesen Zeitraum unsubstantiiert sei.

Die Beklagte ist ferner der Auffassung, die angegriffene Ausführungsform verfüge über mehr als zwei Lager. In Weiterentwicklung zur dritten Generation der Windungsleger der Beklagten, welche noch auf der Auslassseite über ein Rollenlager verfügte, werde bei der angegriffenen Ausführungsform dieses Rollenlager durch ein hydrodynamisches Lager ersetzt. Zusätzlich werde ein drittes Lager vorgesehen, welches in der Präsentation als „additional sliding shoes“ bezeichnet werde. Bei diesem dritten Lager handele es sich um ein in der Gesamtanordnung unverzichtbares, gleichwohl selbständiges Bauelement. Das zweite auslassseitige Lager sei nicht in der Lage, die im Betrieb auftretenden Lagerkräfte zu bewältigen. Das dritte Lager sei selbständig, weil es nicht nur räumlich von dem auf der Auslassseite angeordneten hydrodynamischen Gleitlager getrennt sei, sondern auch unabhängig von dem auslassseitigen Lager die Traghülse des Legekopfes stütze und als Lager einstellbar sei. Das dritte hydrodynamische Lager bestehe aus den Gleitschuhen, die als Bogensegmente die Rotorwelle erfassten, mit ausreichendem Radialspiel zur Außenseite der Rotorwelle, so dass sich zwischen der Innenseite der bogensegmentförmigen Gleitschuhe und der Außenseite der Rotorwelle im Betrieb ein Ölfilm aufbaue, auf dem die Rotorwelle gleite. Aus den in dem Klagepatent genannten Gründen komme es zu einer Unwucht im eigentlichen Drahtlegekopf und die Welle laufe nicht mehr rund. Dadurch biege sich die Welle auch zwischen den beiden äußeren Lagern. Dem dritten Lager komme die Funktion zu, die Rotorwelle abzustützen. Eine Ausführungsform mit drei Lagern kritisiere das Klagepatent als nachteilig. Im Übrigen sei das Klagepatent nicht rechtsbeständig.

Die Klägerin tritt dem entgegen. Die patentgemäße Lösung ermögliche es mit einem Ölfilm-Lager auf genaue und unmittelbare Weise jeglichen negativen Zustand zu regeln, der in irgendeiner Stellung und in irgendeinem Augenblick um den 360-Grad-Winkel herum entstehen kann. Der gattungsbildende Stand der Technik gemäß dem Europäischen Patent 1 175 XXX ermögliche auch eine Kontrolle des Vollwinkels entsprechend der Figur 4, aber nur durch die zusätzliche Verwendung von Magneten, die von einem Rechner gesteuert sind. Mit der technischen Lehre des Klagepatents sei ein integriertes Schwingungsdämpfungssystem in denselben Austrittslagern erfunden worden, das nicht davon – wie bei den Legeköpfen, welche aus dem Stand der Technik bekannt seien – getrennt sei. Das Schwingungsdämpfungsmittel müsse nicht baulicher Bestandteil eines der beiden Lager sein. Auch die englische Originalfassung der Klagepatentschrift setze dies nicht voraus, da aus dem Begriff „incorporate“ dies nicht hergeleitet werden könne. Es müsse lediglich ein funktionaler Zusammenhang zwischen dem Schwingungsdämpfungsmittel und mindestens einem Lager bestehen. Schließlich sei der „sliding shoe“ der angegriffenen Ausführungsform kein Lager im Sinne des Klagepatents.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die Schriftsätze und deren Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage hat Erfolg.

Der Klägerin stehen gegen die Beklagte Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft, Rechnungslegung und Feststellung der Verpflichtung zur Schadensersatzleistung dem Grunde nach gemäß Art. 64 Abs. 1 EPÜ, §§ 9, 139 Abs. 1, 2, 140b PatG, §§ 242, 259 BGB zu. Die angegriffene Ausführungsform macht von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch.

I.
Das Klagepatent schützt im Patentanspruch 1 einen Legekopf mit einer Schwingungsdämpfungsvorrichtung.

In der Beschreibung des Klagepatents wird ausgeführt, dass eine relativ verbreitete Lösung, die verwendet wird, um Legeköpfe zu realisieren, darin besteht, einen Drehkörper vorzusehen, in welchem das Legerohr untergebracht ist. Der Drehkörper wird mittels zweier Rollenlager oder Abstützungen als Ausleger auf einem Statoraufbau gehalten, und der Stator wiederum ist starr an eine Befestigung gezwängt, die fest in den Boden eingebaut ist. Der Drehkörper rotiert um seine eigene Achse, gewöhnlich bei hohen Winkelgeschwindigkeiten, welche 2200 U/Min erreichen, entsprechend einer Walzgeschwindigkeit von 120 m/s. Die Rotation wird durch einen externen Motor erzeugt, der mittels eines Kegelradantriebsystems zugeschaltet ist. Einige Legekopftypen weisen Drehkörper auf, die den Motor innen liegend integrieren und den Motorstator koaxial einrichten. In einem Legekopf tritt als eine Folge der betriebsbedingten Rohrabnutzung das Problem auf, dass die rotierenden Komponenten nicht länger dynamisch ausgewuchtet sind, wodurch Schwingungen verursacht werden, die an Intensität zunehmen, sobald die Drehzahl zunimmt. Insbesondere werden diese Schwingungen durch dynamische Effekte verstärkt, wenn sich die Drehzahlen in der Nähe von Systemgeschwindigkeiten befinden, insbesondere kritischen Geschwindigkeiten.

In Legeköpfen des herkömmlichen Typs, die derzeit in Gebrauch sind, treten dynamische Verstärkungsphänomene auf, die bei 2000 – 2200 U/Min beginnen, die folglich die maximalen Betriebsgeschwindigkeiten sind, die diese Maschinen derzeit erreichen können. Daher ist im Laufe der Zeit nach Mitteln gesucht worden, um die kritischen Geschwindigkeiten der Legeköpfe zu erhöhen, um die maximalen Betriebsgeschwindigkeiten zu erhöhen.

Das Dokument US 6,543,XXX, welche dem deutschsprachigen Europäischen Patent 1 175 XXX B 1 entspricht, hat die Aufgabe, eine Walzgeschwindigkeit von mehr als 120 m/s zu erreichen. Hierfür wird eine dritte Abstützung verwendet, die in einer Zwischenstellung zwischen den zwei Lagern angeordnet ist. Dies verringert eine Deformation der Drehkörperwelle, mit dem Ergebnis, dass sich der Wert der kritischen Drehzahlen bzw. Geschwindigkeiten erhöht. Nachfolgende wiedergegebene schematische Zeichnungen sind der EP 1 175 XXX B 1 entnommen.
Dieser Typ von Abstützung setzt sich aus Rollen zusammen, die in Bezug auf die Welle radial angeordnet sind. Diese Vorrichtung ist in mechanischer Hinsicht sehr kompliziert und weist eine niedrige Effizienz auf, da auch die Rollen mit ihrer eigenen Flexibilität vorgesehen sind. Da die Rollen kleine Durchmesser aufweisen, sind sie extrem hohen Drehzahlen ausgesetzt. Ein weiterer Nachteil dieser Lösung besteht in der Tatsache, dass selbst minimale Unterschiede in der Koaxialität zwischen den Endlagern und der zusätzlichen Abstützung inakzeptable Schwingungen in dem System verursachen.

Die Europäische Patentschrift 0 684 XXX schlägt die Verwendung von Magnetlagern vor, um den Kopf zu stützen. Dies hat den Vorteil, dass hohe Drehzahlen des Drehkörpers erreicht werden, rund 3000 U/Min, entsprechend über 160 m/s für die Aufrollgeschwindigkeit, und zwar ohne dass Schwingungen verursacht werden. Ein Nachteil dieser Art von Vorrichtungen besteht in den hohen Kosten.

Die US 2003/0113049 beschreibt stattdessen eine Einheit, um eine Rotation einer Spindel in dem Gehäuse eines Legekopfs zu tragen. Diese Einheit umfasst ein erstes und ein zweites mechanisches Rollenlager, die einen axialen Abstand aufweisen und zwischen der Spindel eingefügt sind. Eine radiale Vorspannkraft wirkt auf das erste Lager in einem ersten Bereich entlang seines Umfangs. Dieser Vorspannkraft wird eine Auflagekraft entgegengesetzt, die auf das zweite Lager in einem zweiten Bereich entlang seines Umfangs einwirkt, und zwar bei einem Winkelabstand von 180° von dem ersten Bereich. Auf diese Weise werden einige Abstände und die gegenseitigen Vibrationen teilweise reduziert, aber die Lösung ist nicht sehr zweckmäßig, und es können keine optimalen Ergebnisse erzielt werden.

Die Europäische Patentschrift 0 679 453 schlägt vor, den Überhang des das Rohr tragenden Drehkörpers zu verringern, um die kritischen Drehzahlen bzw. Geschwindigkeiten zu erhöhen. Hierfür wird der Durchmesser des mechanischen Rollenlagers an der Auslassseite des Walzerzeugnisses, normalerweise ungefähr 400 mm, im Hinblick auf das neue Rohrmaß auf einen Wert von 500 mm erhöht. Es ist bekannt, dass mechanische Rollenlager mit derartig großen Ausmaßen bei hohen Drehzahlen besonders kritisch werden, und daher ist diese Lösung nicht sehr zweckmäßig, und außerdem tritt häufig ein Bruch dieser mechanischen Lager auf.

Dem Klagepatent liegt vor diesem Hintergrund die Aufgabe (das technische Problem) zugrunde, einen Legekopf zu entwickeln, der bei einer Walzgeschwindigkeit von über 120 m/s betrieben werden kann, vorzugsweise mindestens 140 m/s, ohne durch nachteilige Schwingungen beeinträchtigt zu werden, die durch dynamische Verstärkungsphänomene verursacht werden, wobei die Erfindung zu akzeptablen technischen Kosten verwirklicht werden soll, ohne die Vorrichtung mechanisch zu verkomplizieren und ohne zu ernsten Abnutzungszuständen der mechanischen Elemente zu führen.

Dies soll durch den Klagepatentanspruch 1 erreicht werden, dessen Merkmale wie folgt gegliedert werden können.

(0) Legeköpfe zur Bildung von Wicklungen von kontinuierlichen und im Wesentlichen gradlinigen Walzerzeugnissen, umfassend

(1) eine Halteanordnung (2),

(2) einen Drehkörper (3),

(2.1) der dafür angepasst ist, um seine eigene Achse (X) unter der Einwirkung einer Motoreinrichtung zu rotieren und

(2.2) der durch die Halteanordnung (2) mittels Lagern (4) in Rotation gehalten wird,

(3) bei denen es nur zwei Lager gibt,

(4) wobei wenigstens eines der beiden Lager (4) ein Schwingungsdämpfungsmittel einschließt, das ein Ölfilm-Lager (10) des hydrodynamischen Typs umfasst.

II.
Die angegriffene Ausführungsform macht von der Lehre des Klagepatents Gebrauch. Die Parteien gehen zu Recht übereinstimmend davon aus, dass die angegriffene Ausführungsform die Merkmale 0 bis 2.2 des Klagepatents verwirklicht. Gleiches gilt aber auch für die zwischen den Parteien streitigen Merkmalen 3 und 4.

1.
Die Beklagte ist der Auffassung, Merkmal 3 sei nicht verwirklicht, weil die angegriffene Ausführungsform ein drittes Lager in Form von sogenannten sliding shoes enthalte, die trotz ihrer nur stützenden Funktion als Lager im Sinne des Klagepatents zu verstehen seien. Diese Auffassung überzeugt nicht.

a)
Merkmal 3 verlangt von seinem Wortlaut her einen Legekopf mit „nur zwei Lager(n)“.

Gemäß Art. 69 EPÜ ist der Inhalt der Patentansprüche maßgebliche Grundlage dafür, was durch ein europäisches Patent geschützt ist. Der Wortlaut verlangt, dass ein erfindungsgemäßer Legekopf nur zwei Lager aufweisen darf. Da der Wortlaut des Patentanspruchs im Hinblick auf die Anzahl der Lager eindeutig ist, ist er in Bezug auf die Anzahl keiner weiteren Auslegung mehr zugänglich. Insbesondere kann auch die Patentbeschreibung für ein anderes Verständnis eines Fachmanns nicht herangezogen werden, um das insoweit völlig eindeutige Merkmal in einem zahlenmäßig erweiterten Sinne verstehen zu können (vgl. BGH, GRUR 2011, 701, 703 – Okklusionsvorrichtung).

b)
Die Klägerin ist der Auffassung, dass ein Vorrichtungsbauteil einer Druckvorrichtung im Sinne des Europäischen Patents 1 175 XXX B 1 oder eine Abstützung an sich kein „Lager“ im Sinne des Klagepatents sei. Dieser Auffassung ist zuzustimmen.

Das Klagepatent selbst definiert den Begriff des Lagers nicht ausdrücklich. Der Fachmann wird jedoch zum technischen Verständnis des Begriffs „Lager“ auch die weiteren Merkmale des Klagepatentanspruchs in Betracht ziehen. Merkmale 2 bzw. 2.2 verlangen, dass ein Drehkörper (3) durch die Halteanordnung (2) mittels Lager (4) in Rotation gehalten wird. Der Fachmann erkennt, dass die Lager in einem funktionalen Zusammenhang mit dem Drehkörper stehen. Dieser funktionale Zusammenhang ergibt sich bereits aus dem allgemeinen Sprachverständnis des Begriffs „Lager“. Er deutet auf eine Stütz- bzw. Führungsfunktion von relativ zueinander beweglichen Teilen eines Lagers hin. Dies entspricht dem allgemeinen Verständnis eines Fachmannes, so wie es auf Seite 455 der Literaturstelle Roloff/Matek, Maschinenelemente, 11. Auflage (vgl. Anlage B 5.1), zum Ausdruck kommt.

Neben der Stützfunktion kommt nach der technischen Lehre des Klagepatents dem Lager darüber hinaus eine Haltefunktion zu. Nach dem Anspruchswortlaut soll der Drehkörper durch die Halteanordnung mittels zweier Lager in Rotation gehalten werden. Zweck-, Wirkungs- oder Funktionsangaben eines Sachanspruchs haben die Funktion, die geschützte Sache als solche zu beschreiben, so dass der auf diese Weise regelmäßig räumlich-körperlich definierte Gegenstand unabhängig davon geschützt ist, wie er hergestellt worden ist oder zu welchem Zweck er verwendet wird. Die Zweck-, Wirkungs- oder Funktionsangaben sind aber nicht schlechterdings bedeutungslos. Sie können vielmehr als Bestandteile des Patentanspruchs an dessen Aufgabe teilnehmen, den geschützten Gegenstand zu bestimmen und damit zugleich zu begrenzen, wenn sie das Vorrichtungselement, auf das sie sich beziehen, als ein solches definieren, das so ausgebildet sein muss, die betreffende Funktion erfüllen zu können (BGH, GRUR 2006, 923, 925 – Luftabschneider für Milchsammelanlage). Der Fachmann erkennt, dass allein eine Abstützung des Drehkörpers keine Halterung im Sinne des Klagepatents ist. Technischer Hintergrund ist, dass der Legekopf, bestehend aus einer Halteanordnung und einem Drehkörper mittels – nur noch zweier – Lager in Rotation gehalten wird. Mithin müssen die beiden Lager technisch geeignet sein, den Drehkörper in seiner Drehbewegung halten zu können, mithin axiale und dynamische Kräfte begrenzen können. Darüber hinaus muss eines der Lager besonders ausgestaltet sein, nämlich ein Ölfilm-Lager umfassen (Merkmal 4). Damit wird in Abgrenzung zu Vorrichtungen, welche aus dem Stand der Technik, insbesondere aus dem Europäischen Patent 1 175 XXX, bekannt gewesen sind, die Halte- und Dämpfungsfunktion in zumindest einem Lager kombiniert. Ein derartiges Lager weist – wie es in Abschnitt [0018] der Beschreibung zum Ausdruck kommt – eine duale Funktion einer hydrodynamischen Halterung für die Drehkörperwelle und einer hydraulischen Dämpfung von Schwingungen auf. Die erfindungsgemäße Lehre schafft allerdings nur die grundsätzliche Möglichkeit, mit der in Abschnitt [0018] formulierten dualen Funktion von zumindest einem Lager auf die Notwendigkeit einer dritten Abstützung zu verzichten, schließt als negatives Merkmal solche aber nicht aus.

Dass ein Lager um die Rotorwelle herum verlaufen muss, setzt der Klagepatentanspruch dagegen nicht voraus. Diese von der Klägerin vertretene Auffassung findet keinen Rückhalt in der Patentschrift und erlaubt deshalb keine einschränkende Auslegung des die Erfindung allgemein kennzeichnenden Patentanspruchs. Soweit sich die Beschreibung an verschiedenen Stellen über das Lager verhält (vgl. Abschnitte [0017], [0018], [0020], [0037] und [0039 f]), kann diesen Stellen nicht entnommen, dass das Klagepatent dem Fachmann genaue Vorgaben über die Ausgestaltung des Lagers machen würde.

Der Fachmann wird deshalb dem Begriff „Lager“ dahingehend verstehen, dass es über eine Haltefunktion für axiale und radiale Kräfte und zumindest ein Lager über eine Dämpfungsfunktion im Sinne eines hydrodynamischen Ölfilm-Lager verfügt.

2.
Merkmal 3 ist verwirklicht, da die angegriffene Ausführungsform kein weiteres, drittes Lager im Sinne des Klagepatents enthält. Die angegriffene Ausführungsform weist, wie sich aus der nachfolgend eingefügten schematischen Skizze ergibt, zwei (äußere) Lager auf, wobei zumindest eines eine Dämpfungseinrichtung beinhaltet. Die angegriffene Ausführungsform verfügt daneben über eine Abstützung in Form eines „sliding shoes“.

Die Abstützung ist neben einem Lager auf der Einlassseite und einem zweiten Lager auf der Auslassseite angeordnet. Dieser sog. sliding shoe dient dem Drehkörper dahingehend, auftretende Schwingungen zu dämpfen. Eine Haltefunktion im Sinne des Klagepatents kommt dem „sliding shoe“ nicht zu. Dass dem „sliding shoe“ nur eine Stützfunktion zukommt, kann dem Sachvortrag der Beklagten an Hand der in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Skizze entnommen werden. Der als Ziffer 3 bezeichnete sog. sliding shoe greift ersichtlich nur an der oberen Seite des Führungsrohres an, um den Radius der Eigenschwingungsform des Führungsrohres zu reduzieren. Die Beklagte hat auch nicht vorgetragen, dass die angegriffene Ausführungsform ihrer Funktion als Legekopf nachkommen kann, wenn nur eines der beiden äußeren Lager und der „sliding shoe“, mithin nach dem Verständnis der Beklagten zwei Lager vorhanden wären. Aber nur in einem solchen Fall käme dem sog. sliding shoe die Funktion eines Lagers im Sinne des Klagepatents zu. Hat der sog. sliding shoe nur eine Stützfunktion, ist er nicht als Lager im Sinne des Klagepatents zu verstehen.

Soweit die Beklagte darauf verweist, die Verwendung der sog. sliding shoes sei für eine ordnungsgemäße Funktion der angegriffenen Ausführungsform notwendig, ändert dies an der Verwirklichung von Merkmal 3 nichts. Bei einer wortsinngemäßen Verletzung der technischen Lehre des Klagepatents kommt es nicht darauf an, ob die erfindungsgemäßen Wirkungen und Vorteile überhaupt oder vollständig erzielt werden (vgl. BGH, GRUR 2006, 399 – Rangierkatze).

3.
Merkmal 4 ist ebenfalls verwirklicht. Unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen weist die angegriffene Ausführungsform zumindest ein Ölfilm-Lager des hydrodynamischen Typs auf.

III.
Da die angegriffene Ausführungsform sämtliche Merkmale des Klagepatentanspruchs verwirklicht, ergeben sich die nachstehenden Rechtsfolgen.

a)
Der Unterlassungsanspruch ist nach Art. 64 Abs. 1 EPÜ, § 139 Abs. 1 i. V. m. § 9 S. 2 Nr.1 PatG begründet. Die Beklagte hat die angegriffene Ausführungsform angeboten.

Anbieten ist jede Handlung, die nach ihrem objektiven Erklärungswert den Gegenstand der Nachfrage in äußerlich wahrnehmbarer Weise zum Erwerb der Verfügungsgewalt bereitstellt (BGH, GRUR 2006, 927, 928 – Kunststoffbügel; Schulte/Kühnen, PatG, 8. Aufl., § 9 Rz. 51). Auf subjektive Interessen, die sich nicht nach außen hin manifestiert haben, kommt es nicht an. Weder das Verständnis des Werbenden noch das Verständnis einzelner Empfänger eines Prospekts, an die sich das Werbemittel wendet, bilden einen brauchbaren Maßstab (BGH, GRUR 2003, 1031 – Kupplung für optische Geräte).

Es ist für einen substantiierten Sachvortrag erforderlich, dass die vorgetragenen Tatsachen in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als entstanden erscheinen zu lassen (BGH, NJW 2002, 2862, 2863). Die Klägerin trägt vor, die Beklagte habe die angegriffene Ausführungsform am 27./28.10.2009 in Mönchengladbach präsentiert. Die Klägerin trägt weiter vor, die Beklagte biete die angegriffene Ausführungsform weiterhin, auch nach dem Zeitpunkt der Veröffentlichung des Hinweises auf die Patenterteilung an. Dieser Sachvortrag der Klägerin ist in Bezug auf die Darlegung einer Verletzungshandlung hinreichend substantiiert.

Von einer unzulässigen Behauptung der Klägerin „ins Blaue hinein“ kann diesbezüglich nicht ausgegangen werden. Es liegt kein Verstoß gegen die Wahrheitspflicht auf Seiten der Klägerin vor, da sie ihren Sachvortrag aufgrund von greifbaren Anhaltspunkte vorgetragen hat (vgl. BGH, NJW-RR 2003, 69, 70; BGH, NJW 1995, 2111, 2112; Benkard/Rogge/Grabinski, PatG, 10. Aufl., § 139 Rz. 116). Bei der Annahme eines Sachvortrags ohne greifbare Anhaltspunkte als missbräuchliches Verhalten ist Zurückhaltung geboten, denn oftmals wird es einer Partei nicht erspart bleiben, in einem Zivilprozess Tatsachen zu behaupten, über die sie keine genauen Kenntnisse haben kann, die sie nach Lage der Dinge aber für wahrscheinlich hält. In der Regel wird nur das Fehlen jeglicher tatsächlicher Anhaltspunkte den Vorwurf einer Behauptung „ins Blaue hinein” rechtfertigen können (BGH, NJW-RR 2003, 69, 70; BGH, NJW 1995, 2111, 2112). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Angesichts der Präsentation eines hochwertigen, technisch und größenmäßig umfangreichen Produkts der Beklagten, welches kein Produkt des täglichen Lebens darstellt, kann nicht davon ausgegangen werden, dass es sich bei der Präsentation am 27./28.10.2009 nur um eine Präsentation zum einmaligen Angebot der angegriffenen Ausführungsform gehandelt hat. Im Regelfall ist eine solche Präsentation auf einen Absatz des Produkts in der Zukunft gerichtet. Dass ein einmaliges Angebot von Produkten eine geläufige und hier im Fall zum Tragen kommende Geschäftspraxis der Beklagten gewesen ist, hat diese nicht vorgetragen. Der Klägerin ist es aber dann nicht verwehrt, sich auf nachvollziehbare Vermutungen für ihren Sachvortrag zu stützen (vgl. BGH, NJW 1988, 2100). Dass ein Fall des § 138 Abs. 1 ZPO vorläge, der eine Verletzung der Wahrheitspflicht einer Partei regelt, indem eine Partei erkennen lässt, dass sie selbst ihre Behauptung für falsch hält, wird von den Parteien nicht vorgetragen und ist auch nicht ersichtlich (vgl. Mes, Si tacuisses – Zur Darlegungs- und Beweislast im Prozess des gewerblichen Rechtsschutzes, GRUR 2000, 934, 937).

Aus Vorstehendem ergibt sich, dass die Beklagte auf den Sachvortrag der Klägerin hätte erwidern müssen. Allein der Vortrag, sie müsse sich auf den Sachvortrag der Klägerin nicht einlassen, ist unzureichend. Damit gilt der Sachvortrag der Klägerin gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden.

b)
Des Weiteren hat die Beklagte der Klägerin Schadenersatz zu leisten (Art. 64 Abs. 1 EPÜ, § 139 Abs. 2 PatG), denn als Fachvertreterin hätte sie die Patentverletzung durch die angegriffene Ausführungsform bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt erkennen können, § 276 BGB.

Die genaue Schadenshöhe steht derzeit noch nicht fest. Da es jedoch ausreichend wahrscheinlich ist, dass der Klägerin durch die rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten ein Schaden entstanden ist und dieser von ihr noch nicht beziffert werden kann, weil sie ohne eigenes Verschulden in Unkenntnis über den Umfang der Benutzungs- und Verletzungshandlungen ist, ist ein rechtliches Interesse der Klägerin an einer Feststellung der Schadenersatzverpflichtung dem Grunde nach anzuerkennen, § 256 ZPO.

c)
Damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadenersatzanspruch zu beziffern, ist die Beklagte im zuerkannten Umfang zur Rechnungslegung verpflichtet (Art. 64 Abs. 1 EPÜ, §§ 242, 259 BGB). Die Klägerin ist auf die zuerkannten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt. Darüber hinaus wird die Beklagte durch die von ihnen verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet. Die Beklagte hat schließlich über Herkunft und Vertriebsweg der rechtsverletzenden Erzeugnisse Auskunft zu erteilen (Art. 64 Abs. 1 EPÜ, § 140 b PatG). Soweit ihre nicht gewerblichen Abnehmer und bloßen Angebotsempfänger hiervon betroffen sind, ist der Beklagten im Hinblick auf ihre Rechnungslegungspflicht in Bezug auf ihre nicht gewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger ein Wirtschaftsprüfervorbehalt einzuräumen (vgl. Oberlandesgericht Düsseldorf, Urteil vom 20.09.2001, Az.: 2 U 91/00).

IV.
Zu einer Aussetzung nach § 148 ZPO besteht in Bezug auf den Hauptantrag kein Anlass. Ein Einspruch gegen das Klagepatent oder die Erhebung der Nichtigkeitsklage als solche stellen noch keinen Grund dar, den Verletzungsrechtsstreit auszusetzen, da dies faktisch darauf hinauslaufen würde, dem Angriff auf das Klagepatent eine den Patentschutz hemmende Wirkung beizumessen, die dem Gesetz fremd ist (§ 58 Abs. 1 PatG). Die Interessen der Parteien sind vielmehr gegeneinander abzuwägen (BGH, GRUR 1987, 284 – Transportfahrzeug; OLG Düsseldorf, GRUR 1979, 188 – Flachdachabläufe). Die Aussetzung kommt danach in Betracht, wenn mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein Widerruf des Klagepatents zu erwarten ist. Dies ist nicht der Fall.

1.
Die Beklagte trägt vor, es bestünden begründete Zweifel daran, dass die technische Lehre des Klagepatents auf einem erfinderischen Schritt beruhe. Dem kann nicht beigetreten werden.

a)
Hinreichend begründete Zweifel, dass die technische Lehre des Klagepatents ausgehend von der Entgegenhaltung D 1 (EP 0 684 XXX) nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, bestehen nicht. Der Fachmann muss durch seine Kenntnisse und Fähigkeiten in der Lage gewesen sein, die erfindungsgemäße Lösung des technischen Problems aus dem Vorhandenen zu entwickeln. Darüber hinaus muss der Fachmann einen konkreten Grund gehabt haben, den Weg der Erfindung zu beschreiten (vgl. BGH, GRUR 2012, 378 – Installiereinrichtung II). Der Vortrag der Beklagten, dass die Entgegenhaltung D 1 in Kombination mit dem allgemeinen Wissen eines Fachmanns, die erfindungsgemäße Lehre nahelege, überzeugt nicht.

Bei der D 1 handelt es sich um geprüften Stand der Technik (vgl. Abschnitt [0010] der Klagepatentschrift). Unter diesen Umständen kann die Kammer aus eigener Sachkunde hinreichend begründete Zweifel am Rechtsbestand des Klagepatents nicht feststellen, da sich die Kammer damit in der Sache in direkten Widerspruch zum Erteilungsakt setzen würde.

Der Vortrag der Beklagten lässt darüber hinaus auch keinen konkreten Grund erkennen, warum der Fachmann von vorbekannten Lagertypen gerade das hydrodynamische Gleitlager zum Bestandteil eines Legekopfes machen sollte. Der Hinweis der Beklagten, es habe für den Fachmann auf der Hand gelegen, erscheint als eine rückschauende Betrachtung. Soweit die Beklagte in ihrer Einspruchsbegründung unter Ziffer V.3 (Seite 17) ausführt, es habe einen Anlass für den Fachmann gegeben, zumindest ein Lager durch ein hydrodynamisches Ölfilm-Lager zu ersetzen, „da derartige Lager als besonders vorteilhaft bei der Dämpfung von Vibrationen beschrieben werden“, lässt dies keinen Grund erkennen, warum sich der Fachmann mit dieser Problematik auseinandersetzen sollte. Die nur in englischer Sprache vorliegende Entgegenhaltung lässt nach dem Vortrag der Beklagten gerade keinen Anlass erkennen, aus welchen Gründen der Fachmann gerade ein hydrodynamisches Lager verwenden sollte.

b)
Gleiches gilt im Ergebnis für den weiteren Einwand der Beklagten, die offensichtlich mangelnde Erfindungshöhe ergebe sich an Hand der Entgegenhaltung US 6,543,XXX = EP 1 175 XXX (Entgegenhaltung D9, Anlage LS 3/4). Die Begründung der Beklagten, die Begrenzung auf zwei Lager, wobei eines der Lager ein hydrodynamisches Ölfilm-Lager ist, sei eine rein handwerkliche Maßnahme, erschöpft sich in allgemeinen Aussagen. Dass der Fachmann, so wie es die Beklagte vorträgt, ein Lager durch die Druckvorrichtung aus der EP 2 275 XXX in Form eines hydrodynamischen Ölfilm-Lagers ersetzt, lässt keinen unmittelbaren Anlass erkennen, den Weg der Erfindung zu beschreiten. Im Übrigen handelt es sich auch bei dieser Entgegenhaltung um geprüften Stand der Technik.

2.
Schließlich trägt der von der Beklagten erhobene Einwand der unzulässigen Erweiterung eine Aussetzungsentscheidung der Kammer nicht.

Gemäß Art. 100 lit. c) EPÜ kann ein Einspruch darauf gestützt werden, dass der Gegenstand eines Patents über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht. Der danach maßgebliche Inhalt ist anhand der Gesamtheit der ursprünglich eingereichten Unterlagen zu ermitteln. Zur Feststellung einer unzulässigen Erweiterung ist der Gegenstand des erteilten Patents mit dem Inhalt der ursprünglichen Unterlagen zu vergleichen. Entscheidend ist, ob die ursprüngliche Offenbarung für den Fachmann erkennen ließ, dass der geänderte Lösungsvorschlag von vornherein von dem Schutzbegehren mit umfasst werden sollte. Die Beurteilung, was Inhalt der Anmeldung ist, erfordert die Ermittlung des Gesamtinhalts der Anmeldung. Maßgeblich ist, welche technische Information dem Fachmann offenbart wird. Zum Offenbarungsgehalt einer Patentanmeldung gehört auch im Zusammenhang mit der Frage, ob eine unzulässige Erweiterung vorliegt, nur das, was den ursprünglich eingereichten Unterlagen „unmittelbar und eindeutig” zu entnehmen ist, nicht hingegen weitergehende Erkenntnisse, zu denen der Fachmann auf Grund seines allgemeinen Fachwissens oder durch Abwandlung der offenbarten Lehre gelangen kann (OLG Düsseldorf, Urteil vom 20.01.2011, I-2 U 92/10, Rz. 87 ff, zitiert nach juris).

Die Beklagte ist der Auffassung, Merkmal 3 sei in der ursprünglichen Offenlegungsschrift (WO 2005/084842 A 1, Anlage B 6.3), die die Beklagte lediglich in englischer Sprache vorlegt, nicht offenbart. Vielmehr sei dieses Merkmal im Erteilungsverfahren zur Abgrenzung des Gegenstandes des Klagepatents gegenüber der Entgegenhaltung D 9 eingefügt worden. Diese Auffassung überzeugt nicht.

Ausgehend von der Aufgabenstellung des Klagepatents nach Abschnitt [0013] bzw. Seite 2, Zeile 29 bis Seite 3 Zeile 3 der Offenlegungsschrift soll unter anderem eine mechanische Vereinfachung einer erfindungsgemäßen Vorrichtung herbeigeführt werden. In Abgrenzung zur Vorrichtung, die im Stand der Technik, insbesondere in der Entgegenhaltung LS 3/4 mit einer dritten Abstützung erwähnt werden, kann dieses Vereinfachungsziel erfindungsgemäß mit nur zwei Lagern ohne dritte Abstützung erreicht werden. Darin wird der Fachmann eine technische Lehre mit nur zwei Lagern als mitoffenbart ansehen. Dies auch deshalb, weil sowohl im Anspruch 1 der Offenlegungsschrift als auch im Unteranspruch 6 lediglich zwei Lager erwähnt werden und dies im Unteranspruch 6 durch die Formulierung „the two bearings“ besonderes herausgehoben wird. Diesem Verständnis stehen auch nicht die Ausführungen auf Seite 8 Zeile 24 ff der Offenlegungsschrift entgegen. Dass dort drei Lager Erwähnung finden, führt den Fachmann nicht zu der Annahme, dass lediglich zwei Lager nicht mitoffenbart sind.

V.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 269 Abs. 3 ZPO.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 S. 1 ZPO.

Streitwert: 250.000,- EUR.