4a O 179/12 – Sterilcontrainer II

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 2079

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 18. Juni 2013, Az. 4a O 179/12

Rechtsmittelinstanz: 15 U 19/14

A. Die Beklagte wird verurteilt,

I. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlungen bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an den jeweiligen gesetzlichen Vertretern der Beklagten zu vollstrecken ist, zu unterlassen,

Sterilcontainer für medizinische Zwecke mit einem wannenförmigen Unterteil und einem dichtend auf dieses aufsetzbaren Deckel, der durch einen Verschluss gegen das Unterteil spannbar ist, wobei der Verschluss eine zwischen einer Offenstellung und einer Schließstellung um eine Achse schwenkbare Klappe mit einem Rastvorsprung und eine Rastnase mit einem Rücksprung zur Aufnahme des Rastvorsprungs in der Schließstellung der Klappe aufweist,

in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,

wenn der Rastvorsprung in der Klappe in einer Richtung elastisch verschiebbar ist, in der er aus dem Rücksprung der Rastnase entfernt wird;

II. der Klägerin in einer geordneten Aufstellung unter Vorlage von Belegkopien, wie Rechnungen oder Lieferscheinen oder Quittungen, hinsichtlich der Angaben zu A.Il.1. und A.ll.2. darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu A.I. bezeichneten Handlungen seit dem 12.08.2001 begangen haben, und zwar unter Angabe

1. der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer;

2. der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen und der jeweiligen Typenbezeichnungen, sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer;

3. der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen und der jeweiligen Typenbezeichnungen, sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger;

4. der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, im Falle von Internet- Werbung der Domain, der Zugriffszahlen und der Schaltungszeiträume jeder Kampagne;

5. der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns;

wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht-gewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;

III. die vorstehend unter Ziffer A.I. bezeichneten, seit dem 01.09.2008 im Besitz Dritter befindlichen Erzeugnisse aus den Vertriebswegen zurückzurufen, indem diejenigen Dritten, denen durch die Beklagte oder mit deren Zustimmung Besitz an den Erzeugnissen eingeräumt wurde, unter Hinweis darauf, dass die Kammer mit dem hiesigen Urteil auf eine Verletzung des Klagepatents erkannt hat, ernsthaft aufgefordert werden, die Erzeugnisse an die Beklagte zurückzugeben, und den Dritten für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Rückzahlung des gegebenenfalls bereits gezahlten Kaufpreises sowie die Übernahme der Kosten der Rückgabe zugesagt wird.

B. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche Schäden zu ersetzen, die ihr durch die zu A.l. bezeichneten und seit dem 12.08.2001 begangenen Handlungen entstanden sind und noch entstehen werden.

C. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

D. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 1.000.000,- EUR vorläufig vollstreckbar.

Die Sicherheitsleistung kann auch durch eine unwiderrufliche, unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Europäischen Union als Zoll- oder Steuerbürgin anerkannten Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen der Verletzung des deutschen Patents 197 55 XXX C 2 (im Folgenden Klagepatent) auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Rückruf aus den Vertriebswegen und Feststellung der Schadensersatzpflicht dem Grunde nach in Anspruch. Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des Klagepatents. Die Anmeldung des Klagepatents erfolgte am 13.12.1997; die Eintragung wurde am 12.07.2001 im Patentblatt bekannt gegeben. Das Klagepatent steht in Kraft.

Das Klagepatent trägt die Bezeichnung Sterilcontrainer für medizinische Zwecke. Der Patentanspruch 1 lautet wie folgt:

Sterilcontainer für medizinische Zwecke mit einem wannenförmigen Unterteil und einem dichtend auf diesen aufsetzbaren Deckel, der durch einen Verschluss gegen das Unterteil spannbar ist, wobei der Verschluss eine zwischen einer Offenstellung und einer Schließstellung um eine Achse schwenkbare Klappe mit einem Rastvorsprung und eine Rastnase mit einem Rücksprung zur Aufnahme des Rastvorsprungs in der Schließstellung der Klappe aufweist, bei denen der Rastvorsprung in der Klappe in einer Richtung elastisch verschiebbar ist, in der er aus dem Rücksprung der Rastnase entfernt wird.

Die Beklagte ist nach ihren Angaben eine türkische Organisation ohne eigenes Profitstreben. Sie fördert die Teilnahme ihrer Mitgliedsfirmen auf nationalen und internationalen Messen. Sie war auf der Messe „A 2012“ in B vertreten. Auf dem Messestand „Turkish Pavilion“ wurden Sterilcontainer, wie aus der nachfolgenden Fotografie, die der Klageschrift entnommen worden ist, ersichtlich ist, ausgestellt (angegriffene Ausführungsform).

Neben den ausgestellten Produkten lagen dazugehörige Prospekte. Die Firmen, die auf dem Stand vertreten waren, brachten ihre Produkte selbst mit. Ausweislich des im Internet abrufbaren Profils war die Beklagte als Hauptaussteller des „Turkish Pavilion“ bezeichnet und eine Vertretungsperson von ihr dort aufgeführt. Der Namenszug der Beklagten war auf dem Messestand für Besucher zu erkennen. Der Messestand sah wie folgt aus.

Die Fotografie wurde einem Schriftsatz der Klägerin entnommen.

Die Klägerin trägt vor, die Beklagte habe auf der „A 2012“ in B die angegriffene Ausführungsform angeboten. Die „A 2012“ sei eine Verkaufsmesse, mit der auch das deutsche Fachpublikum angesprochen worden sei. Ziel der Messeteilnahme sei der internationale Export unter anderem der angegriffenen Ausführungsform und auch das Anbieten für den deutschen Markt gewesen. Die Beklagte habe die angegriffenen Ausführungsformen selbst angeboten, denn sie war in allen offiziellen Broschüren als Aussteller aufgeführt und der Messestand sei unter dem Namen der Beklagten gelaufen. Die Beklagte habe alles dafür getan, mangels Kontaktmöglichkeiten mit den Herstellern von potentiellen Kunden auch als Anbieter und Adressat von Bestellungen direkt angesprochen zu werden. Ein Hinweis auf die Hersteller der Produkte sei auf dem Messestand nicht erfolgt. Kunden mussten den Eindruck haben, dass die Beklagte Anbieter verschiedener Produkte unterschiedlicher Firmen sei. Als Aussteller obliege ihr die Pflicht, die angegriffene Ausführungsform auf die Verletzung von Schutzrechten Dritter zu untersuchen. Die Beklagte sei auch deshalb Verletzer, weil sie die Verwirklichung der Benutzungshandlung durch einen Anderen objektiv gefördert oder ermöglicht habe, obwohl sie mit zumutbaren Aufwand die Kenntnis hätte verschaffen können, dass die von ihr unterstütze Handlung das Klagepatent verletzen würde. Schließlich würde die Beklagte als Störer auf Unterlassung haften.

Die Klägerin beantragt unter Rücknahme ihres Vernichtungsanspruchs,

zu erkennen, wie geschehen.

Wegen der weiteren klägerseits gestellten „insbesondere“-Anträge wird auf die Klageschrift verwiesen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, sie sei nicht Verletzerin. Sie behauptet, die Messe „A 2012“ sei keine Verkaufsmesse, sondern eine Leistungsschau. Die ausstellenden Firmen hätten mit den Kunden selbst gesprochen. Die Beklagte habe zusammen mit der Industrie- und Handelskammer Samsun an der Messe teilgenommen, die von der Export-Union für Mineralien und Metallprodukte Istanbul unstreitig ermöglicht worden ist. Im Rahmen eines internationalen Wettbewerb-Entwicklung-Unterstützungsprogramms habe die Teilnahme von 14 Firmen auf der „A 2012“ stattgefunden. Sie habe lediglich die teilnehmenden Firmen unterstützt, den Einstieg in den internationalen Markt zu finden und den Export zu steigern. Eine Verantwortung für die angegriffene Ausführungsform der Firma C D E Ldt. Sti. bestehe jedoch nicht. Dies stelle deshalb auch kein Anbieten im Sinne von § 9 PatG dar. Die Beklagte habe auch nicht die Benutzungshandlung der Firma C ermöglicht oder gefördert. Die Klägerin habe nicht dargelegt, dass die Beklagte über die Produkte der Firma C habe verfügen können. Eine Erstbegehungsgefahr bestünde ferner nicht.

Wegen des weiteren Sachvortrags der Parteien wird auf deren Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage hat Erfolg.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Rückruf und Feststellung der Verpflichtung zur Schadensersatzleistung dem Grunde nach gemäß §§ 9, 139 Abs. 1, 2, 140a Abs. 3, 1. Var., 140b PatG, §§ 242, 259 BGB zu.

I.
Die Beklagte ist passivlegitimiert. Verletzer ist zunächst, wer die patentierte Erfindung in eigener Person im Sinne des § 9 PatG unmittelbar benutzt oder wer als Teilnehmer im Sinne des § 830 Abs. 2 BGB eine fremde unmittelbare Benutzung im Sinne des § 9 PatG ermöglicht oder fördert (BGH, GRUR 2004, 845 — Drehzahlermittlung).

1.
Die Beklagte hat die angegriffene Ausführungsform in Deutschland angeboten.

a)
Anbieten ist jede Handlung, die nach ihrem objektiven Erklärungswert den Gegenstand der Nachfrage in äußerlich wahrnehmbarer Weise zum Erwerb der Verfügungsgewalt bereitstellt (BGH, GRUR 2006, 927, 928 – Kunststoffbügel; Schulte/Kühnen, PatG, 8. Aufl., § 9 Rz. 51). Nicht erforderlich ist es, dass das „Angebot“ eine rechtswirksame Offerte im Sinne eines Vertragsangebots enthält (BGH, GRUR 2003, 1031 – Kupplung für optische Geräte). Für die Verwirklichung der Benutzungshandlung des Anbietens ist es ebenfalls ohne Bedeutung, wenn der Anbieter die angebotene Ausführungsform nicht selbst herstellt, sondern von Dritten bezieht (BGH, GRUR 2006, 927, 928 – Künststoffbügel). Auf subjektive Interessen, die sich nicht nach außen hin manifestiert haben, kommt es nicht an. Weder das Verständnis des Werbenden noch das Verständnis einzelner Empfänger eines Prospekts, an die sich das Werbemittel wendet, bilden einen brauchbaren Maßstab (BGH, GRUR 2003, 1031 – Kupplung für optische Geräte).

Unter Anwendung dieser Grundsätze hat die Beklagte die angegriffene Ausführungsform auf der Messe „A 2012“ in B angeboten.

Dass es sich bei der Messe „A“ auch um eine Verkaufsmesse handelt und nicht um eine reine Leistungsschau, ist gerichtsbekannt. Dies ergibt sich auch aus der eigenen Präsentation des Messeveranstalters im Internet, wonach es bei der „A“ als Fachmesse um Businesskontakte mit dem Ziel einer Geschäftsanbahnung und letztendlich um den Abschluss von Geschäften geht (vgl. Anlage K 7). Dies spiegeln auch die Besucherzielgruppen, welche der Messeveranstalter angibt (vgl. Anlage K 7), wieder. Zu der Besucherzielgruppe zählen unter anderem Ärzte, Krankenaus-Management, Krankenhaus-Technische Leiter, medizinischer Fachhandel und medizinische Industrie, mithin typische Verkäufer- und Käufervertreter von Medizinprodukten im Rahmen von zukünftigen oder bestehenden Geschäftsverbindungen. Auch die Außendarstellung der Messestände ist gerade auf die Werbung von Kunden für Hersteller und Händler ausgerichtet.

Nach dem äußeren Erscheinungsbild des Messestandes musste es sich für unbefangene Besucher des Messestandes so darstellen, dass die Beklagte als Aussteller der auf dem Stand präsentierten Ware diese gleichzeitig interessierten Kunden angeboten hat. Der Name der Beklagten stand deutlich sichtbar für Kunden auf den Plakatwänden zur Information. Die angegriffene Ausführungsform wurde in durchsichtigen Präsentationkästen dem interessierten Kundenkreis zur Schau gestellt. Neben den präsentierten Produkten lagen dazugehörige Kataloge zur weiteren Information. Beratungspersonal und Sitzgarnituren für Geschäftskontakte waren vorhanden.

Zwar wurde im Rahmen der Präsentation der angegriffenen Ausführungsform auf den eigentlichen Hersteller hingewiesen, indes reicht dieser Umstand allein nicht aus, um für den interessierten Kunden – nach objektiven Kriterien – zum Ausdruck zu bringen, die Beklagte sei als Veranstalter nur logistisch unterstützend tätig geworden. Soweit die Beklagte aus der Stellungnahme der Industrie- und Handelskammer Samsun zitiert, sind dies alles Umstände und Aspekte die für den interessierten Kunden nicht zu erkennen gewesen sind. Subjektive Interessen, die sich nicht nach außen manifestiert haben, bleiben für die Prüfung einer Angebotshandlung außer Betracht. Der gesamte Hintergrund der Organisation und die finanzielle Unterstützung sowie die Zielsetzung der Beklagten als zivilgesellschaftliche Organisation sind Umstände, die allein in der Sphäre der Beklagten lagen. Für eine Angebotshandlung der Beklagten spricht, dass sie und ihr Vertretungsorgan ausweislich des von der Klägerin vorgelegten Ausstellerprofils als Hauptaussteller bezeichnet wurden. Bei einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise, die einer Angebotshandlung im Sinne von § 9 PatG zugrunde zu legen ist (BGH, GRUR 2006, 927, 928 – Kunststoffbügel), kommt der Beklagten als Hauptaussteller verschiedener Produkte, unter anderem der angegriffenen Ausführungsform, die Funktion eines Ansprechpartners für den Vertrieb der Produkte zu. Andere Hinweise auf Geschäftsdetails der einzelnen Hersteller hat die Beklagte in Bezug auf den Messestand nicht vorgetragen.

Dass die Beklagte unstreitig die angegriffene Ausführungsform nicht selbst auf den Messestand mitgebracht hat bzw. selbst herstellt, ist ohne Bedeutung, da es sich um nicht nach außen hin manifestierte Umstände handelt. Wille und Möglichkeit zum Herstellen und Inverkehrbringen sind keine für den Tatbestand des Anbietens notwendigen Merkmale (Kraßer, Patentrecht, 6. Aufl., § 33 II c). Allein der Umstand, dass nach dem Vortrag der Beklagten die Kunden jeweils mit einem Herstellervertreter gesprochen hätten, vermag an der Angebotshandlung der Beklagten nichts zu ändern, solange für den interessierten Kunden erkenntlich gewesen ist, dass zumindest auch die Beklagte die ausgestellten Produkte, einschließlich der angegriffenen Ausführungsform, präsentiert. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung unwidersprochen vorgetragen, dass die Personen, die die Kunden auf dem Stand der Beklagten in Empfang genommen haben, keine Namens- bzw. Firmenschilder trugen. Mithin war es für einen unbefangenen Besucher nicht hinreichend möglich, den Vortrag der Beklagten unterstellt, die auf dem Messestand tätigen Personen nicht auch der Beklagten zuzuordnen, sondern einzelnen Firmen, deren Produkte auf dem Messestand ausgestellt worden sind.

Insofern musste ein interessierter Kunde aus dem objektiven Erscheinungsbild des Messestandes schließen, dass die Werbemaßnahme des Herstellers der angegriffenen Ausführungsform zumindest auch eine Werbemaßnahme der Beklagten darstellt und diese die präsentierte angegriffene Ausführungsform anbietet.

b)
Unabhängig davon ist die Beklagte auch als Nebentäterin für das Angebot der angegriffenen Ausführungsform auf dem Messestand verantwortlich.

Schuldner von Ansprüchen wegen Patentverletzung ist neben den Verantwortlichen nach § 830 Abs. 2 BGB auch, wer die Verwirklichung des Benutzungstatbestandes durch einen Anderen objektiv ermöglicht oder fördert, obwohl er sich mit zumutbarem Aufwand die Kenntnis verschaffen kann, dass die von ihm unterstützte Handlung das absolute Recht des Patentinhabers verletzt (vgl. BGH, GRUR 2009, 1142, 1145 – MP3- Player-lmport). Dabei kann die Haftung grundsätzlich an jede vorwerfbare
(Mit-)Verursachung der Rechtsverletzung einschließlich der ungenügenden Vorsorge gegen solche Verstöße angeknüpft werden. Damit die Verantwortlichkeit nicht über die Maßen ausgedehnt wird, muss zu dem objektiven Verursachungsbeitrag hinzukommen, dass eine Rechtspflicht verletzt wird, die – zumindest auch – dem Schutz des verletzten Rechts dient und bei deren Beachtung der Mitverursachungsbeitrag entfallen wäre (BGH, GRUR 2009, 1142, 1145 – MP3-Player-lmport). Das Bestehen und der Umfang einer Rechtspflicht zur Vermeidung eines schutzrechtsverletzenden Erfolgs ist eine Frage des Einzelfalls. Mitentscheidend ist, ob und inwieweit dem in Anspruch Genommenen nach den Umständen des Falles ein Tätigwerden zuzumuten ist (BGH, GRUR 2007, 890, 894 – Jugendgefährdende Medien bei eBay).

Hiervon ausgehend ist von einem Verursachungsbeitrag der Beklagten auszugehen, denn die Beklagte hat die organisatorische Leitung des Messestandes übernommen und es den jeweiligen Herstellern ermöglicht, ihre Produkte, unter anderem die angegriffene Ausführungsform, auszustellen. Aber auch eine Rechtspflicht zur Vermeidung der Patentverletzung bestand auf Seiten der Beklagten. Die Beklagte ist nach außen hin als Veranstalterin des gesamten Messestandes aufgetreten und war auch in dem Ausstellerverzeichnis als Hauptausstellerin geführt. Als Hauptausstellerin traf sie eine Prüfungspflicht hinsichtlich der Nichtverletzung von Schutzrechten Dritter, denn in ihrer Funktion musste es ihr klar sein, dass es auf einer internationalen Messe wie der „A“, bei der auch technische Medizinprodukte wie die angegriffene Ausführungsform ausgestellt werden, zu einer Beeinträchtigung von technischen Schutzrechten Dritter kommen kann.

Zumindest hätte sie sich aber bei den Herstellern der ausgestellten Gegenstände auf dem Messestand bzw. den aus ihrer Sicht verantwortlichen ausstellenden türkischen Unternehmen erkundigen müssen, ob im Hinblick auf die angebotenen Gegenstände eine Prüfung im Hinblick auf die Verletzung technischer Schutzrechte Dritter stattgefunden hat. Dazu bestand auch Anlass, weil nach den Teilnehmerbedingungen der „A“, Ziffer 11, (vgl. Anlage K 9) gewerbliche Schutzrechte Dritter nicht verletzt werden dürfen. Die Beklagte hat derartige Prüfungen oder Nachfragen bei den ausstellenden Herstellern nicht vorgetragen. Dass zumindest eine dahingehende Nachfrage unzumutbare gewesen wäre, trägt die Beklagte ebenfalls nicht vor.

2.
Damit ist die Beklagte auch verpflichtet, die weiteren Benutzungshandlungen des § 9 S. 2 Nr. 1 PatG zu unterlassen.

Bei einem Aussteller wie der Beklagten schafft jede Angebotshandlung grundsätzlich auch die Gefahr für die Verwirklichung der weiteren Benutzungsvarianten und rechtfertigt daher auch regelmäßig die Verurteilung wegen dieser weiteren Handlungen (vgl. OLG Karlsruhe, InstGE 11, 15 – SMD-Widerstand; Schulte/Kühnen, PatG, 8. Aufl., § 139 Rz. 40). Die Beklagte hat die angegriffene Ausführungsform in der Bundesrepublik Deutschland ohne Zustimmung der Klägerin angeboten.

II.
Die angegriffene Ausführungsform macht von der Lehre des Klagepatents Gebrauch. Die Klägerin hat unter Vorlage von Fotografien der angegriffenen Ausführungsform vorgetragen, dass diese das Klageschutzrecht der Klägerin verletzen. Die angegriffene Ausführungsform ist ein Sterilcontainer für medizinische Zwecke mit einem wannenförmigen Unterteil und einem dichtend auf diesen aufsetzbaren Deckel. Am Deckel ist eine Verschlusstasche schwenkbar um eine Achse befestigt. Der Verschluss weist eine Rastnase auf, welcher einen Rücksprung zur Aufnahme des Rastvorsprungs in der Schließstellung der Klappe besitzt. Die Verschlusstasche weist an ihrer Seite ein Langloch auf. In diesem Langloch ist der als Rastvorsprung fungierende Rundstab angeordnet und verschiebbar gelagert.

Die Beklagte hat die Verwirklichung lediglich pauschal in Frage gestellt. Dies stellt kein substantiiertes Bestreiten dar.

III.
Da die angegriffene Ausführungsform sämtliche Merkmale des Klagepatentanspruchs verwirklicht, ergeben sich die nachstehenden Rechtsfolgen.

a)
Der Unterlassungsanspruch ist nach § 139 Abs. 1 i.V.m. § 9 S. 2 Nr. 1 PatG begründet.

b)
Des Weiteren hat die Beklagte der Klägerin Schadenersatz zu leisten (§ 139 Abs. 2 PatG), denn als verantwortliche Ausstellerin hätte sie die Patentverletzung durch die angegriffene Ausführungsform bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt erkennen können, § 276 BGB.

Die genaue Schadenshöhe steht derzeit noch nicht fest. Da es jedoch ausreichend wahrscheinlich ist, dass der Klägerin durch die rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten ein Schaden entstanden ist und dieser von ihr noch nicht beziffert werden kann, weil sie ohne eigenes Verschulden in Unkenntnis über den Umfang der Benutzungs- und Verletzungshandlungen ist, ist ein rechtliches Interesse der Klägerin an einer Feststellung der Schadenersatzverpflichtung dem Grunde nach anzuerkennen, § 256 ZPO.

c)
Damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadenersatzanspruch zu beziffern, ist die Beklagte zur Rechnungslegung verpflichtet (§§ 242, 259 BGB). Die Klägerin ist auf die zuerkannten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt. Darüber hinaus wird die Beklagte durch die von ihr verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet (§ 242 BGB).

d)
Der Rückrufanspruch beruht auf § 140a Abs. 3 PatG. Dem ist die Beklagte inhaltlich nicht entgegengetreten.

IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 S.1 ZPO.

Streitwert: 1.000.000,- EUR.

Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Klägerin vom 05.06.2013 (§ 296a ZPO) gibt keinen Anlass, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen. Ein Grund hierfür liegt nach § 156 ZPO nicht vor.