4a 0 218/10 – UMTS-System

Düsseldorfer Entscheidung Nr.:  1994

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 11. Dezember 2012, Az. 4a 0 218/10

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Die Sicherheitsleistung kann auch durch eine unwiderrufliche, unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Europäischen Union als Zoll- oder Steuerbürgin anerkannten Bank oder Sparkasse erbracht werden.

T a t b e s t a n d :

Bei der Klägerin (HRA 93XXX) handelt es sich nach ihrem Vortrag um die Rechtsnachfolgerin der unter gleichem Namen firmierenden A GmbH & Co. KG (HRA 89XXX), die aufgrund eines Verschmelzungsvertrages vom 19.09.2011 und der Beschlüsse der Gesellschafterversammlungen vom selben Tag auf die Klägerin als übernehmenden Rechtsträger verschmolzen wurde. Die Verschmelzung wurde am 17.10.2011 in das Handelsregister eingetragen.

Die Klägerin nimmt die Beklagten aus dem Europäischen Patent 1 226 XXX (nachfolgend: Klagepatent), dessen eingetragene Inhaberin die A GmbH & Co. KG (HRA 89XXX) ist, auf Unterlassung, Rechnungslegung so¬wie Feststellung der Schadenersatzpflicht dem Grunde nach in An¬spruch. Das Klagepatent wurde am 19.09.2000 angemeldet. Die Veröffentlichung der Erteilung des Klagepatents erfolge am 27.09.2006. Das Klagepatent ist in Kraft. Mit Entscheidung vom 20.07.2011 hat die technische Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts das Einspruchsverfahren an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Klagepatent mit den Ansprüchen 1 bis 13 des ersten Hilfsantrags aufrechtzuerhalten. Unter dem 04.01.2012 hat die Beklagte zu 1 gegen die Erteilung des Klagepatents Nichtigkeitsklage beim Bundespatentgericht erhoben.

Das Klagepatent betrifft ein Verfahren zum Betreiben eines Mobilfunknetzes. Patentanspruch 1 lautet in der im Einspruchsbeschwerdeverfahren aufrechterhaltenen Fassung wie folgt:

„Verfahren zum Betreiben eines Mobilfunknetzes (30), in dem Nutzdaten durch eine erste Konvergenzprotokollschicht (1) einer ersten Funkstation (15) vor dem Übertragen an eine zweite Konvergenzprotokollschicht (2) einer zweiten Funkstation (16) zu mindestens einer ersten Dateneinheit zusammengesetzt werden, wobei die Nutzdaten von mindestens einem Nutzer (21, 22) in einer Netzwerkschicht (5) an die erste Konvergenzprotokollschicht (1) geliefert werden, wobei mindestens eine Protokollinstanz (35) der ersten Konvergenzprotokollschicht (1) in Abhängigkeit einer von der zweiten Funkstation (16) empfangenen Konfigurationsaufforderung (40, 41, 42) konfiguriert wird, um aus den von dem mindestens einen Nutzer (21, 22) empfangenen Daten die mindestens eine erste Dateneinheit zu bilden und durch einen Träger (45) an eine Verbindungssteuerungsschicht zu übertragen, dadurch gekennzeichnet, dass bei der Konfiguration eine Protokollinstanzidentität festgelegt wird, durch die die Protokollinstanz (35) referenzierbar ist, dass bei der Konfiguration der Träger (45) festgelegt wird, über den die Nutzdaten von der Protokollinstanz (35) an die Verbindungssteuerungsschicht (10) übertragen werden, und dass die Protokollinstanzidentität derart festgelegt wird, dass sie der Identität des ihr zugeordneten Trägers (45) entspricht, wobei die Konfigurationsaufforderung (40, 41, 42) in dem Fall, in dem ein Träger (45) mittels einer Trägerkonfigurationsnachricht (70) aufgebaut, rekonfiguriert oder abgebaut wird, in die Trägerkonfigurationsnachricht eingefügt wird.“

Die nachfolgenden Abbildungen (Figuren 1 bis 3 der Klagepatentschrift) veranschaulichen den Erfindungsgegenstand anhand bevorzugter Ausführungsbeispiele. Figur 1 zeigt das Mobilfunknetz mit einer ersten und zweiten Funkstation (15, 16) sowie einer Netzwerkeinheit (80). Die Figuren 2 und 3 verdeutlichen den Schichtenaufbau in den Funkstationen, wobei in Figur 3 das Verhältnis der Konvergenzprotokollschicht (1) zu der über ihr liegenden Netzwerkschicht (5) und der unter ihr befindlichen Verbindungssteuerungsschicht (10) näher dargestellt wird.
Die Beklagte zu 1, deren Vorstandsvorsitzender der Beklagte zu 2 ist, stellt Mobilfunkgeräte her. Bei der Beklagten zu 3 handelt es sich um die deutsche Vertriebsgesellschaft der Beklagten zu 1. Nachdem sich die Klägerin mit ihrer Klage zunächst nur gegen Angebot und Vertrieb der Mobilfunkgeräte Nokia E72 und Nokia N8 in der Bundesrepublik Deutschland gewandt hat, hat sie ihre Klage nunmehr auf sämtliche UMTS-fähigen Mobiltelefone der Beklagten (nachfolgend: angegriffene Ausführungsformen) erweitert.

UMTS (Universal Mobile Telecommunications System) beruht auf Mobilfunkstandards des 3rd-Generation-Partnership-Projects (3GPP), die in einzelnen Dokumenten des ETSI niedergelegt sind.

In dem standardrelevanten Dokument mit der Bezeichnung ETSI TS 125 323, Version 8.4.0 (Anlagen K 7/K 7a) wird die Spezifikation des Paketdatenkonvergenzprotokolls (Packet Data Convergence Protocol, PDCP) beschrieben (nachfolgend: PDCP-Standard). Das standardrelevante Dokument mit dem Titel ETSI TS 125 331, Version 8.2.0 (Anlagen K 8/K 8a) hat die Funkressourcensteuerung (Radio Resource Control, RRC) zum Gegenstand (nachfolgend: RRC-Standard). Im Folgenden ist Figur 1 des PDCP-Standards (dort unter Abschnitt 4.2) wiedergegeben, die das Model des PDCP innerhalb der Radio-Interface-Protokoll-Architektur zeigt, wobei die PDCP-Schicht mittels der höheren Schicht [2] durch das PDCP-C-SAP konfiguriert wird.
Dem PDCP kommt gemäß Abschnitt 5 des PDCP-Standards u.a. die Funktion der Header-Kompression und Dekompression von IP-Datenflüssen sowie der Übermittlung von Benutzerdaten, nämlich für die Beförderung von Daten zwischen den Nutzern von PDCP-Diensten zu. Die nachfolgend abgebildete Figur 2 des PDCP-Standards (dort unter Abschnitt 5.3.1) veranschaulicht den Datentransfer über den bestätigten RLC-Modus.
Für das PDCP-Protokoll sind verschiedene PDU-(Packet Data Unit)-Formate definiert, und zwar eines, das keinen Overhead zu der (komprimierten) PDCP SDU (Service Data Unit) einführt, und andere, welche einen solchen Overhead einführen. In den Abschnitten 8.2.1 und 8.2.2 des PDCP-Standards heißt es dazu:

Zu den PDCP-Parametern findet sich im Standard 25.306 (UE radio access capability parameter value ranges) folgender Tabellenauszug (Anlage B 19):

Die zu Figur 1 des PDCP-Standards angesprochene Konfiguration der PDCP-Schicht durch die höhere Schicht [2] wird im RRC-Standard erläutert. In Abschnitt 8.2 dieses Standards werden dazu verschiedene Verfahren zur Steuerung des Funkträgers (radio bearer control procedures) beschrieben (vgl. auch die nachfolgende Figur 8.2.2-1).

Gemäß Abschnitt 8.2.2.3 des RRC-Standards führt das UE (User Equipment) die in Abschnitt 8.6 angeführten Aktionen aus, wenn es eine radio bearer setup message empfängt. In Abschnitt 8.6.4.10 heißt es u.a.:

„If IE „PDCP info“ is included, the UE shall: …
configure the PDCP entity for that radio bearer accordingly“

Ist im Zusammenhang mit einzurichtenden RB-(radio bearer)-Informationen das Informationselement (IE) „RB information to setup“ enthalten, hat das UE für den mit dem IE „RB identity“ identifizierten radio bearer (Funkträger) die Aktionen für das eventuell vorhandene IE „PDCP info“ gemäß Abschnitt 8.6.4.10 für den radio bearer auszuführen (Abschnitt 8.6.4.3 des RRC-Standards). Eine entsprechende Regelung enthält der RRC-Standard in Abschnitt 8.6.4.5 für den Fall von zu rekonfigurierenden RB-Informationen, nämlich wenn das IE „RB information to reconfigure“ enthalten ist. Der mit PDCP info überschriebene Abschnitt 10.3.4.2 des RRC-Standards führt als Zweck dieses Informationselements an, anzuzeigen, welche Algorithmen festgelegt werden sollen, und die Parameter für die einzelnen Algorithmen zu konfigurieren. Im Anschluss findet sich folgende Tabelle:

In der nachfolgend aus Abschnitt 10.3.20 wiedergegebenen Tabelle (Anlage B 20) des RRC-Standards wird der vorgenannte Abschnitt zu PDCP info in Bezug genommen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die zitierten Standarddokumente verwiesen.

Nach Auffassung der Klägerin machen die Beklagten mit Angebot und Vertrieb der angegriffenen Ausführungsformen mittelbar im Sinne von § 10 PatG von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch. Sie macht dazu im Wesentlichen geltend: Die UMTS-fähigen Mobiltelefone der Beklagten seien in der Lage, im Rahmen des patentgeschützten Verfahrens nach den für die Verwirklichung der Lehre des Klagepatents relevanten Teilen des UMTS-Standards zu arbeiten. Insbesondere würden hier auch Nutzdaten durch eine erste Konvergenzprotokollschicht der Mobilstation vor dem Übertragen an die Konvergenzprotokollschicht einer zweiten Funkstation zu mindestens einer ersten Dateneinheit zusammengesetzt. Dieses Zusammensetzen habe nicht in einem Bereich vor der ersten Konvergenzprotokollschicht, sondern erst vor dem Übertragen an eine zweite Konvergenzprotokollschicht einer zweiten Funkstation zu erfolgen. Dies korreliere mit weiteren Teilmerkmalen des Patentanspruchs, nach denen die Protokollinstanz aus den Nutzdaten Dateneinheiten bilde, nämlich mindestens eine erste Dateneinheit, um diese durch einen Träger an eine Verbindungssteuerungsschicht zu übertragen. Der Patentanspruch befasse sich insoweit nicht mit dem Zusammensetzen einer Dateneinheit, sondern mit der darüber hinausgehenden größeren Struktur des Datenstroms, der aus mindestens einer Dateneinheit gebildet und zusammengesetzt sein soll. Dies stehe auch in Einklang mit der Patentbeschreibung. Bei dem in Abs. 0021 der Beschreibung angeführten zusammengesetzten Paketdatenstrom handele es sich um die über die Luftschnittstelle zu übertragenden Daten.

Die von den UMTS-Netzbetreibern in Deutschland tatsächlich erfolgende Nutzung des Informationselements PDCP info, wie sie aus dem Gutachten gemäß Anlage K 17 (Jondral) ersichtlich sei, führe dazu, dass das patentgemäße Verfahren angewandt werde. Werde das Informationselement PDCP info aus dem Netz an die angegriffenen Mobilstationen versendet, sei das Konfigurationselement PDCP PDU header absent zwingend enthalten. Entsprechend dieser Konfigurationsvorgabe werde dann die Konvergenzprotokollschicht aufgebaut und einem Träger (radio bearer bzw. RLC-SAP) zur Verbindung mit der RLC-Schicht zugeordnet, wobei die Identität des Trägers der Identifizierung bzw. der Referenzierbarkeit der derart aufgebauten Protokollinstanz bzw. Konvergenzprotokollschicht diene. Hieraus folge zwingend die Benutzung der Lehre des Klagepatents. Ferner würde es sich im Standard bei den aus Figur 1 des PDCP-Standards ersichtlichen RLC-SDU um die in patentgemäßer Weise zusammengesetzten und gebildeten Dateneinheiten handeln. Von oben nach unten würden die PDCP-SDU-Nutzdaten den PDCP-Protokollinstanzen (PDCP entities) zugeführt, um dort zu RLC-SDU-Dateneinheiten zwecks Übertragung verarbeitet und gebildet zu werden. Dies stehe auch in Einklang mit der Auffassung der technischen Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts, welche in Bezug auf eine frühere Standardversion in den RLC-SDU eine Vorwegnahme des Merkmals einer zusammengesetzten Dateneinheit gesehen hat. Aufgrund der Standardwesentlichkeit des Klagepatents sei schließlich die Eignung und Bestimmung der angegriffenen Ausführungsformen zur Benutzung der Lehre des Klagepatents offenkundig.

Nachdem die Klägerin ihren Unterlassungsantrag auf die im Einspruchsbeschwerdeverfahren aufrechterhaltene Fassung des Patentanspruchs 1 beschränkt, ihren auf Feststellung der Entschädigungsverpflichtung gerichteten Klageantrag zurückgenommen und ihren Rechnungslegungsantrag teilweise eingeschränkt hat, beantragt sie nunmehr noch,

I. die Beklagten zu verurteilen,

1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,00 – ersatzweise Ordnungshaft – oder eine Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt 2 Jahren, zu unterlassen,

Abnehmern im Geltungsbereich des deutschen Teils des EP 1 226 XXX B1 Mobilfunkstationen, die für ein Verfahren zum Betreiben eines Mobilfunknetzes geeignet sind, anzubieten und/oder zu liefern,

in dem Nutzdaten durch eine erste Konvergenzprotokollschicht einer ersten Funkstation vor dem Übertragen an eine zweite Konvergenzprotokollschicht einer zweiten Funkstation zu mindestens einer ersten Dateneinheit zusammengesetzt werden, wobei die Nutzdaten von mindestens einem Nutzer in einer Netzwerkschicht an die erste Konvergenzprotokollschicht geliefert werden, wobei mindestens eine Protokollinstanz der ersten Konvergenzprotokollschicht in Abhängigkeit einer von der zweiten Funkstation empfangenen Konfigurationsaufforderung konfiguriert wird, um aus den von dem mindestens einen Nutzer empfangenen Daten die mindestens eine erste Dateneinheit zu bilden und durch einen Träger an eine Verbindungssteuerungsschicht zu übertragen, wobei bei der Konfiguration eine Protokollinstanzidentität festgelegt wird, durch die die Protokollinstanz referenzierbar ist, dass bei der Konfiguration der Träger festgelegt wird, über den die Nutzdaten von der Protokollinstanz an die Verbindungssteuerungsschicht übertragen werden und dass die Protokollinstanzidentität derart festgelegt wird, dass sie der Identität des ihr zugeordneten Trägers entspricht, wobei die Konfigurationsaufforderung in dem Fall, in dem ein Träger mittels einer Trägerkonfigurationsnachricht aufgebaut, rekonfiguriert oder abgebaut wird, in die Trägerkonfigurationsnachricht eingefügt wird;

2. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagten die vorstehend zu 1. vorgenannten Handlungen seit dem 27.10.2006 vorgenommen haben, wobei die Rechnungslegung die folgenden Angaben (aufgeschlüsselt nach Kalendervierteljahren und Bundesländern) zu enthalten hat:

a. der einzelnen Lieferungen (unter Vorlage der Rechnungen oder Lieferscheine), aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie Typenbezeichnung, Artikelbezeichnung, laufender Produktnummer,

b. der einzelnen Angebote (unter Vorlage schriftlicher Angebote) mit Angebotsmengen, -zeiten und -preisen sowie Typenbezeichnung, Artikelbezeichnung, laufender Produktnummer sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,

c. der nach den einzelnen Faktoren aufgeschlüsselten Kosten sowie des erzielten Gewinns,

d. der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer, jeweils mit der Anzahl der hergestellten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse,

wobei von dem Beklagten zu 2 sämtliche Angaben nur für die Zeit seit dem 21.09.2010 zu machen sind;

II. festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu erstatten, der ihr ab dem 23.05.2007 und ihrer Rechtsvorgängerin A B GmbH vom 27.10.2006 bis zum 22.05.2007 durch die zu I.1. bezeichneten, seit dem 27.10.2006 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird, wobei diese Verpflichtung für den Beklagten zu 2. nur ab dem 21.09.2010 gilt.

Die Beklagten beantragen,

I. die Klage abzuweisen;

II. hilfsweise, den Rechtsstreit bis zur Entscheidung des Bundespatentgerichts über die Rechtsbeständigkeit des Klagepatents auszusetzen;

III. hilfsweise, den Beklagten im Fall einer Verurteilung gemäß den Klageanträgen zu gestatten, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung ohne Rücksicht auf eine Sicherheitsleistung der Klägerin abzuwenden;

IV. hilfsweise, der Klägerin die Vollstreckung nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von € 100.000.000,00 zu gestatten.

Die Beklagten machen u.a. geltend: In Abweichung von der patentgemäßen Lehre befänden sich beim UMTS-Standard die Konvergenzprotokollschicht nicht in den beiden Funkstationen (Mobilstation und Basisstation), sondern in der Mobilstation und dem RNC, welcher nicht mit der Basisstation gleichgesetzt werden dürfe. Die angegriffenen Mobilstationen würden keine patentgemäße Konvergenzprotokollschicht aufweisen, die in der Lage ist, Daten in irgendeiner Form zusammenzusetzen oder zu bilden. Erst Recht werde keine Protokollinstanz zu diesem Zweck konfiguriert. Bei den angegriffenen Ausführungsformen sei mangels Unterstützung der lediglich optional vorgesehenen PDCP-Funktionalitäten nichts vorhanden und werde nichts konfiguriert, was Nutzdaten zu einer Dateneinheit zusammensetzen oder sie bilden könne. Die unveränderte und transparente Weitergabe der Nutzdateneinheiten vom PDCP an die RLC-Schicht falle nicht unter die Lehre des Klagepatents. Eine Konfiguration, bei der ein patentgemäßer Träger festgelegt werde, finde ebenfalls nicht statt. Der von der Klägerin insoweit unter Hinweis auf den Standard angeführte radio bearer und die RLC-SAP könnten nicht als patentgemäße Träger angesehen werden. Auch die weiteren auf der Konfiguration der Protokollinstanz aufbauenden Merkmale des Patentanspruchs 1 (Merkmale 5 bis 9 der noch unten folgenden Merkmalsgliederung) würden bei Verwendung der UMTS-fähigen angegriffenen Ausführungsformen nicht verwirklicht. Ferner handele es sich bei den angegriffenen Ausführungsformen nicht um Mittel, die sich auf ein wesentliches Element der technischen Lehre des Klagepatents beziehen. Auch könne die Klägerin – eine mittelbare Patentverletzung unterstellt – kein Schlechthinverbot verlangen.

Das Klagepatent – so die Beklagten – werde sich im anhängigen Nichtigkeitsverfahren als nicht rechtsbeständig erweisen, weshalb der Rechtsstreit zumindest auszusetzen sei. Ihre ursprünglich auf § 110 Abs. 1 ZPO und § 145 PatG gestützten Einreden haben die Beklagten im Prozessverlauf fallen lassen.

Die Klägerin tritt dem Vorbringen der Beklagten und dem Aussetzungsantrag entgegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der beiderseitigen Schriftsätze und der mit ihnen vorgelegten Urkunden und Anlagen Bezug genommen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Rechnungslegung und Feststellung der Verpflichtung zum Schadensersatz (Art. 64 Abs. 1 EPÜ i. V. m. §§ 139 Abs. 1 und 2, 140b Abs. 1 und 3 PatG, §§ 242, 259 BGB) nicht zu, da die angegriffenen Ausführungsformen von der technischen Lehre des Klagepatents nicht im Sinne von § 10 Abs. 1 PatG mittelbar Gebrauch machen.

I.

Das Klagepatent betrifft ein Verfahren zum Betreiben eines Mobilfunknetzes.
Die Klagepatentschrift verweist einleitend darauf, dass aus der deutschen Patentanmeldung 1 99 44 XXX.3 ein Verfahren zum betreiben eines Mobilfunknetzes vorbekannt ist, in dem Daten durch eine erste Konvergenzprotokollschicht vor dem Übertragen an eine zweite Konvergenzprotokollschicht zu mindestens einer ersten Einheit, insbesondere einer Paketdateneinheit zusammengesetzt werden, wobei die Daten von einem Nutzer in einer Netzwerkschicht an die erste Konvergenzprotokollschicht geliefert werden.

Des Weiteren ist nach den Ausführungen der Klagepatentschrift aus der DE 198 47 XXX A1 ein Verfahren zum Betreiben eines Mobilfunknetzes bekannt, bei dem Daten durch eine erste Konvergenzprotokollschicht zu Einheiten zusammengesetzt werden, bevor eine Übertragung an eine zweite Protokollschicht auf derselben Protokollebene erfolgt. Das Verfahren umfasse das Zuordnen mindestens einer Zugriffspunktkennung zu jedem Teilnehmer sowie das Austauschen mindestens einer Einstellmeldung zwischen der ersten und der zweiten Schicht, wobei jede Meldung eine Kennung zum Daten-Kompressions/Entkompressions-Algorithmus, einen Satz von Parametern für den gekennzeichneten Algorithmus sowie eine Bitkarte der Zugriffspunktkennungen enthält.

Das Klagepatent will gegenüber diesem Stand der Technik Vorteile erreichen, wobei die zu lösende Aufgabe (technisches Problem) darin gesehen werden kann, eine schnellere und effizientere Konfiguration der Protokollinstanz der Konvergenzprotokollschicht zu erreichen (vgl. auch S. 21 der Entscheidung der technischen Beschwerdekammer vom 20.07.2011, Anlage K 15). Zur Lösung dieser Aufgabe sieht Patentanspruch 1 in der im Einspruchsbeschwerdeverfahren aufrechterhaltenen Fassung die Kombination folgender Merkmale vor:

1. Verfahren zum Betreiben eines Mobilfunknetzes (30),

2. in dem Nutzdaten

a. durch eine erste Konvergenzprotokollschicht (1) einer ersten Funkstation (15)

b. vor dem Übertragen an eine zweite Konvergenzprotokollschicht (2) einer zweiten Funkstation(16)

c. zu mindestens einer ersten Dateneinheit zusammengesetzt werden,

3. wobei die Nutzdaten

a. von mindestens einem Nutzer (21, 22) in einer Netzwerkschicht (5)

b. an die erste Konvergenzprotokollschicht (1)

geliefert werden,

4. wobei mindestens eine Protokollinstanz (35) der ersten Konvergenzprotokollschicht (1) in Abhängigkeit einer von der zweiten Funkstation (16) empfangenen Konfigurationsaufforderung (40, 41, 42) konfiguriert wird,

a. um aus den von dem mindestens einen Nutzer (21, 22) empfangenen Daten die mindestens eine erste Dateneinheit zu bilden und

b. um durch einen Träger (45) an eine Verbindungssteuerungsschicht (10) zu übertragen;

5. bei der Konfiguration wird eine Protokollinstanzidentität festgelegt;

6. durch die Protokollinstanzidentität ist die Protokollinstanz referenzierbar;

7. dass bei der Konfiguration der Träger (45) festgelegt wird, über den die Nutzdaten von der Protokollinstanz (35) an die Verbindungssteuerungsschicht (10) übertragen werden;

8. und dass die Protokollinstanzidentität derart festgelegt wird, dass sie der Identität des ihr zugeordneten Trägers (45) entspricht;

9. wobei die Konfigurationsaufforderung (40, 41, 42) in dem Fall, in dem ein Träger (45) mittels einer Trägerkonfigurationsnachricht (70) aufgebaut, rekonfiguriert oder abgebaut wird, in die Trägerkonfigurationsnachricht eingefügt wird.

Die Klagepatentschrift (Abs. 0009) bezeichnet es als vorteilhaft, wenn die Protokollinstanzidentität derart festgelegt wird, dass sie der Identität des ihr zugeordneten Trägers entspricht. Auf diese Weise könne die Übertragung eines zusätzlichen Informationselements zur Identifikation der Protokollinstanz und damit Übertragungsbandbereite eingespart werden. Ein weiterer Vorteil ergebe sich, wenn ein Träger mittels einer Trägerkonfigurationsnachricht aufgebaut, rekonfiguriert oder abgebaut wird. Denn dadurch, dass die Konfigurationsaufforderung in diesem Fall in die Trägerkonfigurationsnachricht eingefügt wird, könne auch insoweit ein zusätzliches Informationselement für die Übertragung der Konfigurationsaufforderung und somit Übertragungsbandbreite eingespart werden (Abs. 0012).

II.

Die Beklagten verletzen das Klagepatent durch Angebot und Vertrieb der angegriffenen Ausführungsformen nicht mittelbar gemäß § 10 Abs. 1 PatG. Denn sie sind nicht zur Benutzung im Rahmen des patentgeschützten Verfahrens objektiv geeignet. Es fehlt zumindest an einer Verwirklichung der Merkmale 2c und 4a. Ob die weiteren zwischen den Parteien umstrittenen Merkmale (2a, 3b, 4, 4b, 5 bis 9) verwirklicht sind, kann vor diesem Hintergrund dahinstehen.

1.a.
Merkmal 2c sieht vor, dass die Nutzdaten zu mindestens einer ersten Dateneinheit zusammengesetzt werden. Dabei werden nach dem Anspruchswortlaut die Nutzdaten zunächst von einem Nutzer (21, 22) in der Netzwerkschicht (PDP-Schicht, 5) an die erste Konvergenzprotokollschicht (PDCP-Schicht, 1) geliefert (Merkmalsgruppe 3) und dann durch die erste Konvergenzprotokollschicht (Merkmal 2a) zu einer ersten Dateneinheit zusammengesetzt (Merkmal 2c). Merkmal 2c steht auch in Zusammenhang mit Merkmal 4a, nach welchem die Protokollinstanz (35) der ersten Konvergenzprotokollschicht konfiguriert wird, um aus den von einem Nutzer (21, 22) empfangenen Daten die mindestens eine erste Dateneinheit zu bilden.

Nach dem insoweit eindeutigen Anspruchswortlaut handelt es sich bei dem Zusammensetzen und Bilden der ersten Dateneinheit um einen aktiven Vorgang, in dem die Nutzdaten einer Verarbeitung unterzogen werden. Dieser Vorgang ist der Konvergenzprotokollschicht bzw. ihrer Protokollinstanz zugewiesen. Allein diese Betrachtung steht auch in Übereinstimmung mit der in der Klagepatentschrift angegebenen Aufgabe der Konvergenzprotokollschicht (PDCP). In Abs. 0021 der Klagepatentschrift heißt es dazu:

„Das PDCP, dessen Aufgabe es ist, die zwischen Mobilstation 15 und Basisstation 16 zu übertragenden Daten für eine effiziente UMTS-Übertragung aufzubereiten, passt die Nutzdaten, die von einem PDP-Kontext kommen, der Übertragung über eine Luftschnittstelle an [Unterstreichung diesseitig], indem es die Nutzdaten und/oder die den Nutzdaten zugefügten Kontrolldaten oder Protokollsteuerinformationen optional komprimiert und eventuell Paketdatenströme von verschiedenen PDP-Kontexten 21, 22, die die gleiche Übertragungsqualität benötigen, zu einem Paketdatenstrom zusammensetzt oder multiplext.“

Konkrete inhaltliche Vorgaben dazu, in welcher Weise die erste Dateneinheit vor dem Übertragen an die zweite Konvergenzprotokollschicht zusammengesetzt und gebildet werden soll, lassen sich Patentanspruch 1 nicht unmittelbar entnehmen. Insbesondere lässt sich aus seiner technischen Lehre nicht herleiten, dass hierbei die als PDCP-Protokollinstanzparameter bezeichneten Kompressionsalgorithmen, Kompressionsparameter und Multiplexinformationen (vgl. Abs. 0025) zwingend zur Anwendung kommen müssen. Wie sich aus dem obigen Zitat des Abs. 0021 ergibt, sind die dort genannten Aufbereitungs- und Anpassungsmaßnahmen nur beispielhaft („optional“, „eventuell“) aufgeführt. Darüber hinaus ist die – technisch sinnvolle – Festlegung von Kompressionsalgorithmen, Kompressionsparametern und Multiplexeigenschaften erst Gegenstand der Unteransprüche 2 bis 4 mit der Folge, dass der Fachmann Patentanspruch 1 mit seinem weiter gefassten Anspruchswortlaut nicht auf diese bevorzugten Ausführungsvarianten beschränken wird. Daran ändert auch der Umstand nichts, wenn der in der Klagepatentschrift in den Abs. 0002 und 0003 gewürdigte Stand der Technik entsprechende Protokollinstanzparameter vorsieht. Zwingende Vorgaben zu den PDCP-Parametern finden sich in Patentanspruch 1 lediglich zu Parametern, die die Konfiguration der Protokollinstanzidentität und die Festlegung des Trägers (vgl. Merkmale 5 bis 9) betreffen.

Auch wenn es sich bei den in Abs. 0021 und den Unteransprüchen 2 bis 4 genannten Protokollinstanzparametern nur um bevorzugte Ausführungsvarianten handelt, ist Voraussetzung für eine Erfüllung des Merkmals 2c jedoch zumindest, dass die Konvergenzprotokollschicht eine von ihr zusammengesetzte und gebildete erste Dateneinheit überhaupt als Ergebnis eines ihr zuzurechnenden Arbeitsvorgangs hervorbringt und bereitstellt. Dass die Konvergenzprotokollschicht überhaupt ein Datenstrom verlässt, der aus mindestens einer Dateneinheit gebildet und zusammengesetzt ist, ist demgegenüber noch nicht ausreichend, wenn es an einer (aktiven) Bildung und Zusammensetzung durch die Konvergenzprotokollschicht fehlt. Eine andere Sichtweise ist mit dem Anspruchswortlaut nicht vereinbar. Er verweist mit dem Begriff der Nutzdaten zunächst auf den zu übertragenden Dateninhalt. Dementsprechend wird in Abs. 0021 auch zwischen den Nutzdaten und den den Nutzdaten hinzugefügten Kontrolldaten und Protokollsteuerinformationen unterschieden. Von den den Dateninhalt betreffenden Nutzdaten ist der in Merkmal 2c verwendete Begriff der Dateneinheit zu unterscheiden. Er verweist für den Fachmann erkennbar nicht mehr (nur) auf den Dateninhalt, sondern hat die formale Struktur bzw. den Aufbau der Daten im Blick. Sie werden durch die Konvergenzprotokollschicht bzw. deren Protokollinstanz zu einer oder mehreren Einheiten zusammengesetzt. Hieran fehlt es aber, wenn die Nutzdaten ohne irgendeine Änderung bzw. Einflussnahme auf den Datenstrom einfach durch die Konvergenzprotollschicht durchgeleitet werden. Eine andere Betrachtung stünde zudem in Widerspruch zu dem in Abs. 0021 niedergelegten Zweck der Konvergenzprotokollschicht bzw. ihrer Protokollinstanz, die Nutzdaten für eine effiziente UMTS-Übertragung aufzubereiten. Aufbereitung ist ein aktiver Verarbeitungsvorgang. Dass dies auch im vorliegenden Zusammenhang nicht anders zu verstehen ist, zeigt sich daran, dass die in Abs. 0021 angeführten Beispiele für Aufbereitungsmaßnahmen (Komprimieren und Multiplexen) die aktive Einwirkung auf die Datenstruktur gemeinsam haben. Davon ausgehend kann auch nicht der – in der mündlichen Verhandlung geäußerten – Auffassung der Klägerin beigetreten werden, ausreichend für die Verwirklichung von Merkmal 2c sei es, wenn die Dateneinheiten (formal) überhaupt der Konvergenzprotokollschicht zugeordnet werden können.

Hinzu kommt, dass in der Patentbeschreibung (Abs. 0019; Sp. 4, Z. 41-45) das transparente Durchreichen von Daten allein im Hinblick auf die oberhalb der Netzwerkschicht angeordnete Transportschicht angesprochen und diese Form der Datenweitergabe gerade nicht auf die unterhalb der Netzwerkschicht liegende Konvergenzprotokollschicht übertragen wird. Soweit in Abs. 0025 der Patentbeschreibung ausgeführt wird, die sog. PDCP-Protokollinstanzparameter könnten noch weitere Parameter wie z.B. Informationen über den von der entsprechenden PDCP-Protokollinstanz zu verwendenden Träger umfassen, besagt dies nicht mehr, als dass neben der Fähigkeit der Konvergenzprotokollschicht bzw. ihrer Protokollinstanz zur Bildung und Zusammensetzung von Dateneinheiten auch noch Trägerinformationsparameter vorhanden sein können. Dies entspricht auch der Merkmalsstruktur des geltend gemachten Patentanspruchs 1, dessen auf den Zusammenhang von Protokollinstanz (bzw. Protokollinstanzidentität) und Träger (bzw. Trägeridentität) abstellende Merkmale (insbesondere 5 bis 9) auf der allgemeinen Fähigkeit der Konvergenzprotokollschicht aufbauen, die Nutzdaten zu mindestens einer ersten Dateneinheit zusammensetzen zu können.

Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich ein anderes Auslegungsergebnis auch nicht aus der Zusammenschau des Merkmals 2c mit der Merkmalsgruppe 4. Im Gegenteil: Auch bei der Auslegung der Merkmalsgruppe 4 darf nicht unbeachtet bleiben, dass die Konfiguration der Protokollinstanz dem in Merkmal 4a genannten Zweckerfordernis genügen muss. D.h. die Konfigurierung muss zur Folge haben, dass die Protokollinstanz in der Lage ist, aus den empfangenen Nutzdaten mindestens eine erste Dateneinheit zu bilden. Entsprechende Funktionalitäten müssen demgemäß innerhalb der Konvergenzprotokollschicht als Folge der Konfiguration vorhanden sein (vgl. auch Abs. 0017).

b.
Ausgehend von dieser Auslegung lässt sich nicht feststellen, dass es sich bei den aus dem Standard ersichtlichen RLC-SDU (vgl. Fig. 1 des PDCP-Standards) um Dateneinheiten handelt, die durch die PDCP-Schicht im Sinne von Merkmal 2c gebildet und zusammengesetzt werden. Dass die PDCP-SDU-Nutzdaten von oben nach unten den PDCP-Protokollinstanzen (PDCP entities) zugeführt werden, um dort zu RLC-SDU-Dateneinheiten zu werden, reicht hierzu nicht aus.

Dass es nach dem Vorbringen der Beklagten bei den angegriffenen Ausführungsformen an der Unterstützung optionaler PDCP-Funktionalitäten fehlt, wie sie aus Tabelle 5.1 des Standards 25.306 (Anlage B 19) ersichtlich ist, führt zwar noch nicht zu dem Schluss, im Sinne von Merkmal 2c finde keine Zusammensetzung zu mindestens einer Dateneinheit durch die PDCP-Schicht statt. Entscheidend ist, ob die PDCP-Schicht eine von ihr zusammengesetzte und gebildete erste Dateneinheit als Ergebnis eines ihr zuzurechnenden Vorgangs hervorbringt und bereitstellt.

Dass derartiges bei den angegriffenen Ausführungsformen in Bezug auf die von der Klägerin angeführten RLC-SDU der Fall ist, lässt sich indes nicht feststellen. Aus der – auch von der Klägerin nicht in Abrede gestellten – Verwendung des in Abschnitt 8.2.1 des PDCP-Standards wiedergegebenen Formats PDCP-No-Header PDU ergibt sich nicht, dass die PDCP-Schicht in irgendeiner Form aktiv auf die empfangenen Nutzdaten (PDCP SDU) einwirkt und Dateneinheiten zusammensetzt und bildet. Derartiges wird von der Klägerin auch nicht konkret vorgetragen und ist auch sonst nicht ersichtlich. Mangels abweichender Anhaltspunkte ist daher davon auszugehen, dass die unter 8.2.1 des PDCP-Standards angegebene Nichthinzufügung eines Overheads zu den PDCP-SDU und die Konfiguration durch die höhere Schicht entsprechend dem Vortrag der Beklagten zur Folge haben, dass die PDCP-Schicht in diesem Fall nur der Weiterleitung von Dateneinheiten dient, und zwar ohne dass sie mit anderen Datenpaketen zusammengesetzt oder verschachtelt werden und ohne dass Header oder irgendwelche sonstigen Informationen (wie Adressen oder Längenangaben) hinzugefügt werden. Unter welchem technischen Aspekt dann das Bilden und Zusammensetzen der mindestens einen ersten Dateneinheit einem Vorgang in der PDCP-Schicht zugerechnet werden kann, ist damit aber nicht mehr ersichtlich. Das einfache, unveränderte Weiterreichen von Daten ist gemäß der obigen Auslegung für die Verwirklichung von Merkmal 2c nicht ausreichend. Insbesondere wird das Merkmal nicht schon deshalb verwirklicht, weil die PDCP-Schicht überhaupt ein Datenstrom verlässt, der aus mindestens einer Dateneinheit gebildet und zusammengesetzt ist.

Die Verwirklichung von Merkmal 2c lässt sich auch nicht aus der Mitteilung PDCP PDU Header present herleiten. Zunächst kann schon nicht davon ausgegangen werden, dass auch dieser Parameter von den UMTS-Betreibern in Deutschland in Bezug auf die angegriffenen Ausführungsformen ausgesendet wird. Das Gutachten gemäß Anlage K 17 (Jondral) gibt hierfür nichts her. Eine derartige Mitteilung hätte auch keinen technischen Sinn, da nach dem Vortrag der Beklagten, dem die Klägerin nicht erheblich entgegengetreten ist, die angegriffenen Mobilstationen dem Netzwerk zuvor bereits mittels der PDCP-Capabilities-Nachricht mitgeteilt haben, dass Headerfunktionen nicht unterstützt werden, und die angegriffenen Mobilstationen im Falle der Mitteilung PDCP PDU Header present mit einer Fehlermeldung (Radio Bearer Setup Failure) reagieren würden.

Dass die technische Beschwerdekammer in Bezug auf eine Vorgängerversion des PDCP-Standards (dort Entgegenhaltung O1) in ihrer Entscheidung vom 20.07.2011 (Anlage K 15, S. 14 f.) in den RLC-SDU die patentgemäße erste Dateneinheit gesehen hat, führt zu keinem anderen Ergebnis. Dort hat die Beschwerdekammer lediglich in dem Zusammenführen zweier Dateneinheiten (PDCP-SDU) zu einer Dateneinheit (RLC-SDU) ein Zusammensetzen im Sinne von Merkmal 2c gesehen. Eine solche Konstellation liegt in Bezug auf die angegriffenen Ausführungsformen jedoch nicht vor.

2.
Merkmal 4a ist danach ebenfalls nicht verwirklicht. Es verlangt, dass die mindestens eine Protokollinstanz der ersten Konvergenzprotokollschicht infolge ihrer Konfiguration in der Lage ist, aus den von mindestens einem Nutzer empfangenen Daten die mindestens eine erste Dateneinheit zu bilden. Insoweit gelten die Ausführungen zu Merkmal 2c in entsprechender Weise. Aus der Konkretisierung auf die Protokollinstanz und deren Konfiguration ergeben sich für die Verletzungsprüfung keine relevanten Abweichungen.

III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 269 Abs. 3 S. 2 ZPO.

Die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit und Sicherheitsleistung folgen aus §§ 709 S. 1 u. 2, 108 ZPO.

Der Streitwert beträgt nach Erweiterung der Klage auf sämtliche UMTS-fähige Mobilstationen der Beklagten 30.000.000,– EUR.

Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Beklagten vom 04.12.2012 bietet für eine Wiedereröffnung der Verhandlung keine Veranlassung, §§ 296a, 156 ZPO.