4a O 159/07 – Isolierglasscheiben

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 846

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 5. August 2008, Az. 4a O 159/07

I. Es wird festgestellt, dass die Beklagte keine Ansprüche gegen die Klägerin hat, derer sie sich ihr gegenüber in ihrer Abmahnung vom 03.11.2006 (Anlage K3) berühmt hat, nämlich
a) es mit sofortiger Wirkung zu unterlassen, im Geltungsbereich des deutschen Teils des europäischen Patents 0 674 086 Gasfüllpressen herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen,
die zur Durchführung eines Verfahrens zum Zusammenbauen von mit Schwergas gefüllten Isolierglasscheiben bestimmt oder geeignet sind,
bei dem man zwischen Platten ein Paket aus einer ersten Glasscheibe, einer zweiten Glasscheibe und einem auf die zweite Glasscheibe angesetzten Abstandhalter im Wesentlichen lotrecht stehend anordnet, wobei zwischen dem Abstandhalter und der ersten Glasscheibe wenigstens im Bereich des unteren Randes des Paketes aus den Glasscheiben und dem Abstandhalter ein spaltförmiger Zugang in den Raum zwischen den Glasscheiben des Paketes vorliegt, bei dem man neben dem Paket aus den Glasscheiben und dem Abstandhalter im Wesentlich lotrecht ausgerichtete Dichteinrichtungen vorsieht, bei dem man Schwergas aus einer unter den Glasscheiben angeordneten Gaszuführleitung in den Raum zwischen den Glasscheiben einleitet und bei dem man, nachdem der Raum zwischen den Glasscheiben mit Schwergas gefüllt worden ist, die eine Glasscheibe an den auf der anderen Glasscheibe angesetzten Abstandhalter anlegt,
sofern bei diesem Verfahren der untere horizontale Rand des Paketes aus den Glasscheiben und dem Abstandhalter durch eine Dichtung abgedichtet wird und Schwergas an mehreren Stellen über den abgedichteten, unteren Rand des Paketes aus den Glasscheiben und dem Abstandhalter durch ausschließlich dem Abstandhalter gegenüberliegende Öffnungen, über die der Raum zwischen den Glasscheiben mit der Gaszuführleitung in Verbindung steht zugeführt wird;
b) Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Klägerin die unter lit. a) bezeichneten Handlungen seit dem 27.10.1995 begangen hat;
c) der Beklagten jeglichen Schaden zu ersetzen, der ihr in Folge der Handlungen der Klägerin gemäß lit. a) entstanden ist und zukünftig noch entstehen wird;
d) der Beklagten die durch die Tätigkeit des Patentanwalts Dipl.-Ing. A in dieser Sache entstandenen Kosten auf der Grundlage eines Gegenstandswertes von 1.000.000,00 EUR gemäß RVG sowie die notwendigen Auslagen zu erstatten.

II. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 11.244,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 02.08.2007 zu zahlen.

III. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Die Sicherheit kann auch durch eine unwiderrufliche, unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Europäischen Union als Zoll- oder Steuerbürgin anerkannten Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand

Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des europäischen Patents 0 674 xxx B2 (Klagepatent), das am 22.03.1995 unter Inanspruchnahme von vier österreichischen Prioritäten vom 24.03.1994 (zweifach), 17.06.1994 und 13.09.1994 angemeldet wurde. Die Anmeldung des Klagepatents, dessen Verfahrenssprache deutsch ist, wurde am 27.09.1995 veröffentlicht, der Hinweis auf die Erteilung des Klagepatents am 20.05.1998. Die Klägerin legte gegen die Erteilung des Klagepatents Einspruch beim Europäischen Patentamt (EPA) ein. Das Klagepatent wurde aufgrund des Einspruchs von der Beschwerdekammer beim EPA beschränkt aufrechterhalten. Das Patent steht in Kraft.

Das Klagepatent bezieht sich unter anderem auf ein Verfahren zum Zusammenbauen von Isolierglasscheiben, deren Innenraum mit einem Schwergas gefüllt ist. Der Patentanspruch 1 des Klagepatents lautet in der geänderten Fassung wie folgt:

1. Verfahren zum Zusammenbauen von mit Schwergas gefüllten Isolierglasscheiben (10), bei dem man zwischen Platten (1, 2) ein Paket aus einer ersten Glasscheibe (13), einer zweiten Glasscheibe (11) und einem auf die zweite Glasscheibe (11) angesetzten Abstandhalter (14) im Wesentlichen lotrecht stehend anordnet, wobei zwischen dem Abstandhalter (14) und der ersten Glasscheibe (13) wenigsten im Bereich des unteren Randes des Paketes aus den Glasscheiben (11, 13) und dem Abstandhalter (14) ein spaltförmiger Zugang (60) in den Raum zwischen den Glasscheiben (11, 13) des Paketes vorliegt, bei dem man neben dem Paket aus den Glasscheiben (11, 13) und dem Abstandhalter (14) im Wesentlichen lotrecht ausgerichtete Dichteinrichtungen (30, 31) vorsieht, bei dem man Schwergas aus einem unter den Glasscheiben (11, 13) angeordneten Kanal (122) in dem Raum zwischen den Glasscheiben (11, 13) einleitet, und bei dem man, nachdem der Raum zwischen den Glasscheiben (11, 13) mit Schwergas (40) gefüllt worden ist, die eine Glasscheibe (13) an den auf der anderen Glasscheibe (11) angesetzten Abstandhalter (14) anlegt,
dadurch gekennzeichnet, dass man den unteren, horizontalen Rand des Paketes aus den Glasscheiben (11, 13) und dem Abstandhalter (14) durch eine Dichtung (9) abdichtet, und dass man Schwergas an mehreren Stellen, über den abgedichteten, unteren Rand des Paketes aus den Glasscheiben (11, 13) und dem Abstandhalter (14) durch ausschließlich dem Abstandhalter (14) gegenüberliegende Öffnungen (124), über die der Raum zwischen den Glasscheiben (11, 13) mit dem Kanal (122) in Verbindung steht, zuführt.

Nachfolgend abgebildet sind aus der Klagepatentschrift entnommene zeichnerische Darstellungen bevorzugter Ausführungsbeispiele, mit denen das patentgeschützte Verfahren durchgeführt werden kann. Die Figur 3 zeigt eine Gasfüllvorrichtung in Ansicht ohne bewegliche Pressplatte. In den Figuren 5 und 6 wird eine Gasfüllpresse in der Seitenansicht in zwei verschiedenen Arbeitsstufen dargestellt. Eine Detailansicht der Vorrichtung im Bereich des unteren Randes der beiden Platten ist in der Figur 7 zu sehen.

Die Klägerin ist ein Unternehmen, das Lösungen zur Isolierglasherstellung entwickelt und produziert. Der Vertrieb der Produkte erfolgt unter der Marke B unmittelbar an Endabnehmer und teilweise über Unternehmen der B-Gruppe, mit der die Klägerin konzernverbunden ist. Die Klägerin stellte im Jahr 2005 eine Isolierglas-Produktionslinie (nachfolgend als angegriffene Ausführungsform bezeichnet) her, die im September 2005 in Atlanta/USA auf der Messe „Glass Build America 2005“ ausgestellt wurde. Unter Beteiligung der B Inc., einem mit der Klägerin konzernverbundenen Unternehmen mit Sitz in Hauppage/New York/USA, wurde die Maschine an die C Co. verkauft und geliefert. Am 31.03.2006 besichtigten zwei Mitarbeiter der Firma D Produktions- und Verfahrenstechnik GmbH dort die mit dem Typenschild HXR versehene Gasfüllpresse.

Nachfolgend sind eine Schrägansicht der Unterseite der beweglichen Pressplatte und ein Vertikalschnitt durch den unteren Bereich der Pressplatten der angegriffenen Ausführungsform abgebildet. Beide Ansichten einschließlich Bezugsziffern sind von der Klägerin als Anlagen K17 und K18 zur Akte gereicht worden ist. Die in der nachfolgenden Beschreibung der angegriffenen Ausführungsform verwendeten Bezugsziffern beziehen sich auf diese Detailzeichnungen (Anlage K17 und K18).

Die Maschine weist zwei Pressplatten (111, 112) auf, die um 6° gegen die Senkrechte geneigt sind. Eine der Pressplatten (111) ist stationär, die andere (112) beweglich. Die ein- und auslaufseitigen Ränder der lotrechten Platten können mit Verschlussorganen verschlossen werden. Am unteren Rand der beweglichen Platte (112) werden für den Befüllungsvorgang Kammern gebildet, die sich in Längsrichtung der Pressplatte erstrecken und zur vorderen, der stationären Platte (111) zugewandten Seite offen sind. Die Kammern werden jeweils an drei Seiten durch Schaumstoffstreifen (102, 103, 104) begrenzt, nach unten werden sie durch ein Federblech (100) und nach oben durch die bewegliche Platte (112) verschlossen. An der Unterseite der beweglichen Platte (112) befindet sich weiterhin in Längsrichtung eine Nut (105), in der Rohre (106) so angeordnet sind, dass sie sich in den Kammern in Längsrichtung erstrecken. Jeweils zwei Rohre (106) sind mit einem T-Stück (107) miteinander verbunden und an ihrem anderen Ende verschlossen. Jedes T-Stück (107) hat einen absperrbaren Anschluss (107a) für eine Schwergaszuleitung.

Zur Herstellung der Isolierglasscheibe wird zunächst eine erste Glasscheibe (116) in die Vorrichtung bewegt, danach die zweite Glasscheibe (117) mit dem an ihr befestigten Abstandhalterrahmen (118). Das Förderband (110) wird nach oben in die Horizontale verschwenkt, so dass die auf dem Förderband (110) aufliegenden Federbleche (100) gegen die Schaumstoffstreifen (102, 103, 104) gedrückt werden und die Kammern nach unten verschließen. Die zur stationären Pressplatte (111) gerichtete Öffnung der Kammern ist nunmehr teilweise durch die an der beweglichen Platte (112) hängende „erste“ Glasscheibe (116) verdeckt. Da aber die Glasscheiben um 6° gegen die Vertikale geneigt sind, befindet sich zwischen der ersten Glasscheibe (116) und dem Förderband (110) ein Spalt. Die zweite Glasscheibe (117) steht hingegen auf dem Förderband auf. Zudem ist die entsprechende stationäre Pressplatte (111) mit einer Dichtung (120) gegenüber dem Förderband (110) abgedichtet. Schwergas wird nun über die T-Stücke (107) in die Rohre (106) geleitet, wo es sich verteilt und aus den Poren der Rohre (106) in die durch die Schaumstoffstreifen (102, 103, 104) gebildeten Kammern tritt. Von dort fließt es durch den von der ersten Glasscheibe (116) und dem Förderband (110) gebildeten Spalt aus den Kammern in den Zwischenraum zwischen den beiden Glasscheiben (116, 117) und steigt durch den Spalt zwischen der ersten Glasscheibe (116) und dem Abstandhalter (118) auf.

Mit patentanwaltlichem Schreiben vom 03.11.2006 (Anlage K 3) wandte sich die Beklagte an die Klägerin und erklärte, sie – die Klägerin – stelle eine Gasfüllpresse unter der Bezeichnung E her, biete sie an und verkaufe sie zumindest an die B AG, die sie weiter veräußere. Damit verletze die Klägerin unter anderem die Rechte der Beklagten aus dem Klagepatent. Die beanstandete Gasfüllpresse sei dazu geeignet und bestimmt, das im Klagepatentanspruch 1 beschriebene Verfahren wortsinngemäß zu verwirklichen. Die Beklagte forderte die Klägerin auf, bis zum 20.11.2006 eine strafbewehrte Unterlassungserklärung hinsichtlich der Herstellung und des Vertriebs der beanstandeten Gasfüllpresse abzugeben. Weiterhin sollte sich die Klägerin verpflichten, Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen über Vertriebshandlungen seit dem 27.10.1995 und der Beklagten jeglichen Schaden – einschließlich der patentanwaltlichen Kosten bei einem Gegenstandswert von 2.000.000,00 EUR – aus dem Vertrieb der beanstandeten Vorrichtung ersetzen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Abmahnschreibens vom 03.11.2006 wird auf die Anlage K3 Bezug genommen.

Die im Abmahnschreiben genannte Gasfüllpresse E wird nicht von der Klägerin, sondern von der F Maschinenbau GmbH hergestellt und vertrieben. Daher teilten die von der Klägerin beauftragten Rechts- und Patentanwälte der Beklagten mit Schreiben vom 20.11.2006 mit, dass ihr Abmahnschreiben auf unzutreffenden Annahmen beruhe, und forderten sie unter Fristsetzung bis zum 24.11.2006 auf zu erklären, dass sie die mit Schreiben vom 03.11.2006 geltend gemachten Ansprüche nicht weiter aufrechterhalten werde. Zugleich verlangte die Klägerin die Kosten der Gegenabmahnung für jeweils einen Rechtsanwalt und einen Patentanwalt in Höhe einer 1,5-fachen Geschäftsgebühr zuzüglich Auslagenpauschale bei einem Gegenstandswert von 2.000.000,00 EUR.

Die Beklagte erklärte daraufhin mit patentanwaltlichen Schreiben vom 24.11.2006 und 08.12.2006, dass die fehlerhafte Typenbezeichnung zur Kenntnis genommen werde, der Vorwurf der Patentverletzung aber unabhängig von der Typenbezeichnung weiter aufrechterhalten bleibe und Klageauftrag bestehe. Die Klägerin ihrerseits drohte eine negative Feststellungsklage an, wenn nicht bis Ende Januar 2007 die Klage zugestellt sei.

Die Klägerin behauptet, die beanstandete Gasfüllpresse sei von ihr an die B Inc. verkauft und auf der Messe „Glass Build America 2005“ ausgestellt worden. Die B Inc. habe die Maschine dann weiter an die C Co. verkauft. Die auf den Abbildungen (Anlagen NSL 3.5 bis 3.7) Dichtungen seien bei der an die B Inc. gelieferten und auf der Messe in Atlanta ausgestellten Gasfüllpresse nicht vorhanden gewesen. Die Maschine sei – dies ist unstreitig – auch ohne die Zwischendichtungen voll funktionsfähig. Die Rohre (106) seien aus gesinterten Kunststoff und porös. Dadurch werde der Gasstrom vergleichmäßigt und das Gas trete diffus aus den Rohren in die Kammern aus den Kunststoffstreifen (102, 103, 104) und den Federblechen (100).

Die Klägerin beantragt,

wie erkannt zu entscheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise ihr zu gestatten, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung (Bank- oder Sparkassenbürgschaft) abzuwenden.

Die Beklagte behauptet, die Klägerin habe die streitgegenständliche Gasfüllpresse an die C Co. geliefert. Bei dieser Maschine seien zwischen den beiden äußeren Rändern der beweglichen Platte zwei leistenförmige, lotrechte Dichtungen vorhanden, die aus einer in die Platte zurückgezogenen Wartestellung in eine über die bewegliche Platte auf die ortsfeste Platte stehende Wirklage verstellt werden könnten. Die Klägerin hat mit Nichtwissen bestritten, dass die angegriffene Ausführungsform bei der Besichtigung durch die Mitarbeiter der D Produktions- und Verfahrenstechnik GmbH solche Zwischendichtungen aufgewiesen habe.
Die Beklagte ist der Ansicht, die angegriffene Ausführungsform sei geeignet und bestimmt, das geschützte Verfahren anzuwenden. Es sei nicht erforderlich, dass die Glasscheiben ein zusammenhängenden Paket darstellten. Außerdem genüge es, dass sie aufrecht verarbeitet würden. Für die seitlichen Dichteinrichtungen im Sinne der Lehre des Klagepatentanspruchs reiche es aus, wenn diese jeweils am Rand der Pressplatten angeordnet seien. Weiterhin sei es nicht erforderlich, dass sich der Kanal für die Schwergaszufuhr unter der Fördereinrichtung befinde. Es genüge, wenn der Kanal unter den Glasscheiben angeordnet sei, was bei den Rohren (106) der Fall sei. Für die Abdichtung nach unten reiche es aus, dass die bewegliche Pressplatte (112) durch die Schaumstoffstreifen (102, 103, 104) und die Federbleche (100) gegenüber der Fördereinrichtung abgedichtet sei. Im Übrigen seien die Öffnungen des Kanals zum Raum zwischen den Glasscheiben ausschließlich dem Abstandhalter gegenüberliegend angeordnet.

Wegen des weiteren Sachvortrags beider Parteien wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

A
Die Klage ist zulässig. Das gilt auch für den unter Ziffer 1) geltend gemachten negativen Feststellungsantrag. Die Voraussetzungen des § 256 Abs. 1 HXO liegen vor.

Die Klägerin begehrt die Feststellung des Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses in Form von Ansprüchen aus einer – zwischen den Parteien streitigen – Patentverletzung. Ein Rechtsverhältnis ist die Beziehung einer Person zu einer anderen Person oder Sache, die ein subjektives Recht enthält oder aus der solche Rechte entspringen können. Insbesondere stellt jedes Schuldverhältnis zwischen den Parteien ein Rechtsverhältnis dar. Im vorliegenden Fall streiten die Parteien über Ansprüche auf Unterlassung, Entschädigung, Schadensersatz, Rechnungslegung und Auskunft aufgrund einer Patentverletzung, die regelmäßig ein gesetzliches Schuldverhältnis begründet.

Weiterhin hat die Klägerin auch ein schutzwürdiges Interesse im Sinne von § 256 Abs. 1 HXO an der alsbaldigen Feststellung. Für eine negative Feststellungsklage ist das Feststellungsinteresse regelmäßig gegeben, wenn sich dem subjektiven Recht der Klägerin eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit dadurch droht, dass sich die Beklagte eines Rechts gegen die Klägerin berühmt und wenn das erstrebte Urteil infolge seiner Rechtskraft geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen. So liegt der Fall hier, weil die Beklagte mit ihrem Schreiben vom 03.11.2006 Ansprüche aufgrund einer von ihr behaupteten Patentverletzung gegen die Klägerin geltend gemacht hat und diese Ansprüche trotz Aufforderung seitens der Klägerin nicht fallen gelassen hat.

B
Die Klage ist hinsichtlich des Klageantrags zu 1) begründet.

Die Beklagte hat gegen die Klägerin keine Ansprüche auf Unterlassung, Schadensersatz, Auskunft und Rechnungslegung (bezüglich Entschädigung und Schadensersatzansprüchen), wie sie mit der Abmahnung vom 03.11.2006 erstmals gegenüber der Klägerin außergerichtlich geltend gemacht wurden. Diese Ansprüche ergeben sich nicht aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. §§ 10 Abs. 1, 139 Abs. 1 und 2, 140b Abs. 1 PatG, §§ 242, 259 BGB.

Die Beklagte hat sich gegenüber der Klägerin Ansprüche wegen mittelbarer Patentverletzung im Sinne von § 10 Abs. 1 PatG berühmt. Sie erklärte in der Abmahnung vom 03.11.2006, eine von der Klägerin hergestellte Gasfüllpresse sei dazu geeignet und bestimmt, das durch das Klagepatent geschützte Verfahren wortsinngemäß zu verwirklichen. Die Klägerin sei daher zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung verpflichtet. Die beigefügte vorformulierte Erklärung bezog sich dementsprechend auf das Verbot einer mittelbaren Verletzung des Klagepatents und auf die Verpflichtung zur Zahlung von Schadensersatz und zur Rechnungslegung und Auskunft.

Soweit die Beklagte mit der Abmahnung geltend gemacht, es zu unterlassen, die beanstandete Gasfüllpresse herzustellen oder zu gebrauchen oder zu diesen Zwecken einzuführen oder zu besitzen, hat die Klage allein deshalb Erfolg, weil eine mittelbare Verletzung im Sinne von § 10 Abs. 1 PatG durch diese Benutzungshandlungen nicht begründet werden kann. § 10 Abs. 1 PatG verbietet lediglich das Anbieten und Liefern von Mitteln zur Benutzung des Erfindungsgegenstands. Die Beklagte hat jedoch im vorliegenden Rechtsstreit auch nicht dargelegt, dass die Klägerin in der Bundesrepublik Deutschland eine Gasfüllpresse zur Anwendung des geschützten Verfahrens in der Bundesrepublik Deutschland angeboten oder geliefert hat. Sie muss auch im Falle einer negativen Feststellungsklage anlässlich einer Berühmung von Ansprüchen die Berechtigung der Berühmung darlegen und beweisen (Zöller/Greger, HXO 26. Aufl.: § 256 Rn 18). Dies ist ihr nicht gelungen.

I.
Das Klagepatent schützt im Patentanspruch 1 ein Verfahren zum Zusammenbauen von Isolierglasscheiben, deren Innenraum mit einem Schwergas gefüllt ist.

Die Klagepatentschrift führt dazu aus, dass eine Vorrichtung, die nach dem im Oberbegriff des Klagepatentanspruchs beschriebenen Verfahren arbeitet, im Stand der Technik durch Zurschaustellen bekannt geworden sei. Die Vorrichtung besteht aus zwei Platten, von denen eine relativ zur anderen verstellbar ist. Im Bereich des unteren Randes der Platten ist eine Fördereinrichtung in Form eines Rollenförderers vorgesehen, der in einem sich über die gesamte Länge des unteren Randes der beiden Platten erstreckenden Kanal, über den Schwergas in den Raum zwischen den Platten eingeführt werden kann, angeordnet ist. Zwischen den Platten sind Dichtungen vorgesehen, die den Raum zwischen den Platten zu den seitlichen Rändern hin abschließen. Der untere Rand der verstellbaren Platte ist über eine Dichtung gegenüber dem Kanal abgedichtet. Mit Hilfe der Vorrichtung kann ein auf der Fördereinrichtung stehendes Paket, bestehend aus zwei Glasscheiben und einem auf die Glastafel aufgesetzten Abstandhalter, durch über den Kanal zugeführtes Schwergas gefüllt werden. Die wirksame Länge des Kanals kann auf die Länge der herzustellenden Isolierglasscheibe begrenzt werden, indem eine der seitlichen Dichtungen verschiebbar ist und bis in den Kanal ragt.

In der Klagepatentschrift wird als nachteilig an dem aus dem Stand der Technik bekannten Befüllungsverfahren angesehen, dass das Einströmen von Schwergas aus dem Kanal in das Paket aus Glasscheiben und Abstandhalter durch den Rollenförderer behindert wird, so dass sich Verwirbelungen ergeben und viel Gas verbraucht wird, bis der erwünschte Füllgrad erreicht wird.

Dem Klagepatent liegt vor diesem Hintergrund die Aufgabe zu Grunde, ein Verfahren zum Füllen von Isolierglasscheiben mit Schwergas anzugeben, bei dem sowohl für den Eintritt von Schwergas, als auch für das Austreten von Luft bzw. Luft-Gas-Gemisch hinreichend große Querschnitte zur Verfügung stehen.

Dies soll durch den Klagepatentanspruch 1 erreicht werden, dessen Merkmale wie folgt gegliedert werden können:

1. Verfahren zum Zusammenbauen von mit Schwergas gefüllten Isolierglasscheiben (10);
2. zwischen Platten (1, 2) wird ein Paket aus einer ersten Glasscheibe (13), einer zweiten Glasscheibe (11) und einem auf die zweite Glasscheibe (11) angesetzten Abstandhalter (14) im Wesentlichen lotrecht stehend anordnet;
3. zwischen dem Abstandhalter (14) und der ersten Glasscheibe (13) liegt wenigsten im Bereich des unteren Randes des Paketes aus den Glasscheiben (11, 13) und dem Abstandhalter (14) ein spaltförmiger Zugang (60) in den Raum zwischen den Glasscheiben (11, 13) des Paketes vor;
4. neben dem Paket aus den Glasscheiben (11, 13) und dem Abstandhalter (14) sind im Wesentlichen lotrecht ausgerichtete Dichteinrichtungen (30, 31) vorgesehen;
5. Schwergas wird aus einem unter den Glasscheiben (11, 13) angeordneten Kanal (122) in dem Raum zwischen den Glasscheiben (11, 13) eingeleitet;
6. nachdem der Raum zwischen den Glasscheiben (11, 13) mit Schwergas (40) gefüllt worden ist, wird die eine Glasscheibe (13) an den auf der anderen Glasscheibe (11) angesetzten Abstandhalter (14) anlegt,
7. der untere, horizontale Rand des Paketes aus den Glasscheiben (11, 13) und dem Abstandhalter (14) wird durch eine Dichtung (9) abgedichtet;
8. Schwergas wird an mehreren Stellen über den abgedichteten, unteren Rand des Paketes aus den Glasscheiben (11, 13) und dem Abstandhalter (14) durch ausschließlich dem Abstandhalter (14) gegenüberliegende Öffnungen (124), über die der Raum zwischen den Glasscheiben (11, 13) mit dem Kanal (122) in Verbindung steht, zuführt.

II.
Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass die Klägerin im Sinne von § 10 Abs. 1 PatG Gasfüllpressen in der Bundesrepublik Deutschland anbietet oder liefert, die zur Anwendung des geschützten Verfahren geeignet und bestimmt sind. Die angegriffene Ausführungsform ist objektiv nicht geeignet, das geschützte Verfahren anzuwenden (1). Darüber hinaus fehlt die Darlegung einer konkreten Verletzungshandlung in der Form des Anbietens oder Lieferns (2).

1. Zwischen den Parteien ist streitig, ob die angegriffene Ausführungsform mit einem Verfahren arbeitet, das die Merkmale 2, 4, 5, 7 und 8 verwirklicht. Im Hinblick auf die Merkmale 2, 4, 5 und 7 bedarf dies keiner Entscheidung, weil bei Anwendung des Verfahrens zur Gasbefüllung mit der angegriffenen Ausführungsform zumindest das Merkmal 8 nicht verwirklicht wird. Das Schwergas wird nicht durch ausschließlich dem Abstandhalter gegenüberliegende Öffnungen, über die der Raum zwischen den Glasscheiben mit dem Kanal in Verbindung steht, zugeführt (Merkmal 8).

a) Im Hinblick auf die Anordnung, dass die Öffnungen für das Schwergas dem Abstandhalter gegenüber liegen, bedarf der Klagepatentanspruch der Auslegung, bei der gemäß Art. 69 Abs. 1 EPÜ die Patentbeschreibung und die Zeichnungen zu berücksichtigen.

Die Klägerin ist der Ansicht, das Merkmal 8 sei räumlich zu verstehen. Die Beklagte vertritt hingegen die Ansicht, es handele sich um ein strukturelles Merkmal und sei funktional dahingehend auszulegen, dass sich zwischen den Öffnungen für das Schwergas und dem Abstandhalter kein weiteres Hindernis befinde und das Gas gegen den Abstandhalter strömen könne, um dort verwirbelt zu werden.

Das Merkmal 8 kann nicht ohne das weitere Merkmal 5 betrachtet werden. Beide Merkmale enthalten nach ihrem Wortlaut Anordnungen für eine räumlich-gegenständliche Gestaltung einer Vorrichtung, in der das patentierte Verfahren abläuft. Die räumliche Anordnung des Pakets aus Glasscheiben und Abstandhalter, des Kanals für die Schwergaszufuhr und der Öffnungen als Verbindung zwischen dem Kanal und dem Raum zwischen den Glasscheiben ermöglicht das im Klagepatentanspruch beschriebene Verfahren. Der Kanal für die Schwergaszuleitung ist nach dem Wortlaut des Klagepatentanspruchs unter den Glasscheiben angeordnet (Merkmal 5). Der Kanal steht über Öffnungen mit dem Raum zwischen den Glasscheiben in Verbindung (Merkmal 8). Dementsprechend sind als Öffnungen im Sinne der Lehre des Klagepatentanspruchs alle Stellen anzusehen, an denen das Schwergas in den Bereich zwischen den beiden Glasscheiben eintritt. Darüber hinaus sollen die Öffnungen ausschließlich dem Abstandhalter gegenüberliegen (Merkmal 8). Bei dem Wortlaut des Klagepatentanspruchs kann die Auslegung jedoch nicht stehen bleiben.

Mit dem Begriff „ausschließlich“ unterscheidet sich die Lehre des Klagepatentanspruchs von Stand der Technik. Dort befand sich auch unterhalb des Pakets aus Glasscheiben und Abstandhalter ein Kanal, über den Schwergas zur Befüllung der Isolierglasscheibe zugeführt wurde (Abs. [0002] Z. 22-27; Textstellen ohne weitere Angaben beziehen sich auf die Anlage K1). Die Glasscheiben befanden sich während des Befüllvorgangs auf der Fördereinrichtung (Abs. [0002] Z. 27-28), die wiederum im Kanal für die Schwergaszufuhr angeordnet ist (Abs. [0002] Z. 10-16). Sowohl bei dem aus dem Stand der Technik bekannten Verfahren, als auch bei dem Verfahren nach dem Klagepatent muss das Schwergas in jedem Fall durch einen Spalt zwischen der ersten Glasscheibe und der zweiten Glasscheibe mit dem Abstandhalter strömen, um in den Raum zwischen den Glasscheiben zu gelangen (Merkmal 3). An dem aus dem Stand der Technik bekannten Verfahren kritisiert die Klagepatentschrift jedoch, dass darüber hinaus das Einströmen von Schwergas aus dem Kanal in das Paket aus Glasscheiben und Abstandhalter durch den Rollenförderer behindert wird. Diesen Nachteil vermeidet das Verfahren nach dem Klagepatentanspruch, weil die Öffnungen für den Gasaustritt aus dem Kanal ausschließlich, das heißt ohne Hindernis, dem Abstandhalter gegenüberliegen.

Dabei ordnet der Klagepatentanspruch nicht ohne Grund an, dass die Öffnungen aus dem Schwergaskanal gerade dem Abstandhalter gegenüberliegen und nicht allgemein in den Raum zwischen den Glasscheiben münden oder auf den Spalt zwischen der ersten Glasscheibe und dem Abstandhalter auf der zweiten Glasscheibe gerichtet sind. Dadurch, dass die Öffnungen dem Abstandhalter gegenüberliegen trifft der aus den Öffnungen austretende Schwergasstrom auf den Abstandhalter, wodurch die Strömung des Schwergases in den Raum vergleichmäßigt wird und nachteilige Verwirbelungen vermieden werden (Abs. [0008] Z. 9-14). Funktional dient die Ausrichtung der Öffnungen auf den Abstandhalter dazu, dass das Schwergas nicht nur an einigen Stellen in den Raum zwischen den Glasscheiben einströmt, sondern quasi ein See aus Schwergas entsteht, der innerhalb des Raumes zwischen den Glasscheiben allmählich ansteigt, wie es auch in der Figur 3 der Klagepatentschrift dargestellt ist.

Bei der hier maßgeblichen funktionalen Auslegung des Klagepatentanspruchs wird dem Erfordernis, die Öffnungen des Kanals ausschließlich dem Abstandhalter gegenüberliegend anzuordnen, dann Genüge getan, wenn die Öffnungen so ausgerichtet sind, dass der aus den einzelnen Öffnungen tretende Schwergasstrom ungehindert unmittelbar auf den Abstandhalter trifft und erst dort unter Vermeidung von Verwirbelungen vergleichmäßigt wird. Eine bestimmte räumliche Positionierung der Öffnungen ist daher nicht mit dem Merkmal 8 verbunden, solange der Schwergasstrom unmittelbar auf den Abstandhalter auftrifft. Im Übrigen rechtfertigen die Beschreibung des Klagepatents und die Zeichnungen keine andere Auslegung. Soweit dort beschrieben wird, dass die Öffnung so ausgerichtet ist oder ausgerichtet werden kann, dass sie dem Abstandhalterrahmen einer zwischen den Platten angeordneten Isolierglasscheibe gegenüberliegend angeordnet ist, beziehen sich diese Ausführungen auf eine bevorzugte Ausführungsform (Abs. [0023] Z. 48-54) und ein Ausführungsbeispiel (Abs. [0041] Z. 44-44), das in den Figuren 7-9 dargestellt ist.

Die hier vertretene Auslegung wird auch durch die Entscheidungsgründe der Beschwerdekammer beim EPA gestützt. Die Beschwerdekammer hat unter Nummer 4 der Entscheidung (Anlage K13) ausgeführt, der technische Sinn des Merkmals, dass Schwergas durch ausschließlich dem Abstandhalter gegenüberliegende Öffnungen zugeführt werde, bestehe darin, dass Schwergasströme, die aus den Öffnungen in das Innere der Isolierglasscheibe einströmen oder eingeblasen werden, auf den Abstandhalter treffen. Dies schließe aus, dass die Öffnungen irgendwelche Mittel aufweisen, die das Ergebnis beeinträchtigen oder verhindern können.

b) Im Lichte dieser Auslegung hat die Beklagte nicht dargelegt, dass bei der angegriffenen Ausführungsform die Öffnungen für das Schwergas im Sinne der Lehre des Klagepatentanspruchs ausschließlich dem Abstandhalter gegenüberliegen.

Im Hinblick auf den Aufbau der angegriffenen Ausführungsform ist grundsätzlich von den Darlegungen der Klägerin und den von ihr vorgelegten Detailansichten (Anlagen K16-K18) auszugehen. Die Beklagte hat ihre Beschreibung der angegriffenen Ausführungsform, soweit sie die Düsenplatten betrifft, nicht aufrechterhalten und sich den Vortrag der Klägerin mit der Duplik zu eigen gemacht. Jedenfalls hat sie nicht substantiiert dargelegt, dass die beanstandete Vorrichtung entsprechend ihrem ursprünglichen Vorbringen mit Düsenplatten ausgestattet war.

Es kann dahinstehen, ob als Kanal im Sinne der Lehre des Klagepatentanspruchs die als T-Stücke bezeichneten Zuleitungen (107) für das Schwergas, die porösen Kunststoffrohre (106) oder gar die aus Schaumstoffstreifen (102, 103, 104) und Federblechen (100) gebildeten Kammern zu verstehen sind. Maßgeblich ist vielmehr, was als „Öffnung“ im Sinne der technischen Lehre anzusehen ist. Mit der vorstehend vertretenen Auslegung stellt der Spalt zwischen der ersten Glasscheibe (116) und der Fördereinrichtung (110) eine Öffnung im Sinne der Lehre des Klagepatentanspruchs dar. Denn dieser Spalt bildet die Stelle, an der das Schwergas aus der Zuleitung über weitere Verbindungsräume in den Bereich zwischen den beiden Glasscheiben eintritt. Diese Öffnung liegt jedoch nicht dem Abstandhalter (118) gegenüber, sondern ist seitlich versetzt unter der ersten Glasscheibe (116) angeordnet, an der der Abstandhalter (118) gerade nicht befestigt ist. Dieser Spalt ist auf die zweite Glasscheibe (117) ausgerichtet und die Beklagte hat nicht substantiiert dargelegt, dass der Schwergasstrom unmittelbar auf den Abstandhalter (118) trifft und dort vergleichmäßigt wird.

Die Beklagte hat lediglich vorgetragen, das Gas ströme aus den Rohren (106) und werde in den Raum zwischen den Glasscheiben geleitet. Das ausströmende Schwergas treffe aufgrund seines Drucks auf den so genannten Totraum, der sich im Winkel zwischen der zweiten Glasscheibe (117) und dem Abstandhalter (118) befinde. Mit diesem Vortrag genügt die Beklagte nicht ihrer Darlegungslast. Denn die Klägerin hat zu der von ihr hergestellten Gasfüllpresse ausgeführt, dass die Rohre (106) aus gesintertem Kunststoff bestehen und porös seien. Dadurch werde der Schwergasstrom behindert und vergleichmäßigt. Er werde diffus über die gesamte Länge der Rohre verteilt, trete durch die Poren der Rohre (106) aus und fließe durch die Kammer aus dem Fenster in den Bereich zwischen den beiden Glasscheiben. Damit hat die Klägerin substantiiert dargelegt, dass kein gerichteter Schwergasstrom in den Bereich zwischen den Glasscheiben (116, 117) tritt und auf den Abstandhalter (118) trifft. Der Abstandhalter (118) erfüllt nicht die Funktion, die ihm nach der Lehre des Klagepatentanspruchs zukommen sollte. Durch den Abstandhalter soll das schnelle, unregelmäßige, teilweise durch den Rollenförderer behinderte Einströmen des Gases in den Bereich zwischen den Glasscheiben verhindert werden, damit sich das Schwergas nicht erst mit der noch in dem Raum befindlichen Luft vermischt. Dafür muss das Schwergas vergleichmäßigt werden. Dies geschieht nach der Lehre des Klagepatentanspruchs erst am Abstandhalter, der den Öffnungen des Schwergaskanals unmittelbar gegenüberliegt. Der Abstandhalter behindert den Gasstrom so, dass sich ein See aus Schwergas bildet, der allmählich im Bereich zwischen den Glasscheiben aufsteigt.

Auf den Vortrag der Klägerin hat die Beklagte ihr Vorbringen nicht weiter konkretisiert. Sie hat sich lediglich darauf beschränkt, den Vortrag der Klägerin zu bestreiten, ohne darzulegen, wie die Öffnungen der Rohre (106) beschaffen sind, mit welchem Druck das Schwergas austritt und warum es auf den Abstandhalter treffen soll. Demnach kann nicht davon ausgegangen werden, dass bei der angegriffenen Ausführungsform die Öffnungen des Schwergaskanals ausschließlich dem Abstandhalter gegenüberliegen und dieser die ihm nach dem Klagepatentanspruch zukommende Funktion erfüllt. Die angegriffene Ausführungsform ist objektiv nicht zur Anwendung des geschützten Verfahrens geeignet.

2. Darüber hinaus hat die Beklagte nicht dargelegt, dass die Klägerin die angegriffene Ausführungsform im Sinne von § 10 Abs. 1 PatG angeboten oder geliefert hat. Unter „Anbieten“ im Sinne von § 10 Abs. 1 PatG ist jede im Inland begangene Handlung zu verstehen, die nach ihrem objektivem Erklärungswert das Erzeugnis der Nachfrage wahrnehmbar zum Erwerb der Verfügungsgewalt bereitstellt (BGH GRUR 2006, 927 – Kunststoffbügel; GRUR 1979, 358 – Heißläuferdetektor). Das Angebot muss keine im Sinne von § 145 BGB rechtwirksame Vertragsofferte beinhalten. Es kann mündlich oder schriftlich, durch Ausstellen oder Vorführen oder auf andere Art erfolgen. Es ist nicht erforderlich, dass das angebotene Erzeugnis bereits fertiggestellt ist. Aus dem Angebot müssen sich nicht einmal alle Merkmale der geschützten Lehre ergeben, sofern deren Vorliegen aus sonstigen objektiven Gesichtspunkten zuverlässig geschlossen werden kann (Kühnen/Geschke, Durchsetzung von Patenten 3. Aufl.: Rn 92 m.w.N.). „Liefern“ im Sinne von § 10 Abs. 1 PatG setzt die Übergabe des Mittels – hier einer Gasfüllpresse – an einen anderen voraus. Der andere braucht nicht derjenige zu sein, der das Mittel zur Benutzung der patentierten Erfindung verwendet. Es reicht aus, wenn die Benutzung durch dessen Abnehmer erfolgt (Benkard/Scharen, PatG 10. Aufl.: § 10 PatG Rn 13). Der Tatbestand der mittelbaren Patentverletzung erfasst lediglich das Anbieten oder das Liefern von Mitteln innerhalb der Bundesrepublik Deutschland. Infolgedessen muss das Angebot an einen inländischen Adressaten gerichtet sein beziehungsweise die Lieferung im Inland vorgenommen werden. Darüber hinaus muss die Vornahme der Benutzungshandlung durch den Angebotsempfänger oder Abnehmer für das Inland vorgesehen sein (so genannter doppelter Inlandsbezug) (Benkard/Scharen, PatG 10. Aufl.: § 10 PatG Rn 14).

Nach diesen Grundsätzen ist eine mittelbare Patentverletzung nicht dargelegt. Es fehlt an einem Anbieten beziehungsweise Liefern zur Anwendung des geschützten Verfahrens im Inland. Die Beklagte stützt die Ansprüche, derer sie sich berühmt, auf eine von der Klägerin hergestellte Gasfüllpresse, die sie – die Beklagte – bei der C Co. in Oregon/USA besichtigte. Es ist nicht vorgetragen worden, dass diese Maschine in der Bundesrepublik Deutschland angeboten oder zum Betrieb im Inland geliefert wurde. Denn nach dem unstreitigen Vortrag der Klägerin wurde die beanstandete Isolierglas-Produktionslinie in Atlanta/USA auf der Messe „Glass Build America 2005“ ausgestellt und dort angeboten und schließlich an die C Co. in Wilsonville/Oregon/USA geliefert, wo sie aufgestellt und betrieben wird.

a) Die Klägerin bewirbt zwar „Zusammenbau-, Gasfüll- und Pressautomaten“ im Inland. Die Beklagte hat einen entsprechenden Prospekt (Anlage NSL 5) vorgelegt, der in deutscher Sprache abgefasst ist und sich daher auch an Adressaten in der Bundesrepublik Deutschland wendet. Anhand des Prospektes lässt sich jedoch nicht erkennen, ob die dort angebotenen Gasfüll- und Press-Automaten geeignet und bestimmt sind, das mit dem Klagepatent geschützte Verfahren anzuwenden (aa) Ebenso wenig hat die Beklagte dargelegt, dass die bei der C Co. aufgestellte Produktionslinie in diesem Prospekt beworben wird (bb).

aa) Anhand des Prospektes ist nicht erkennbar, ob die dort angebotenen Gasfüll- und Press-Automaten dazu geeignet und bestimmt sind, das mit dem Klagepatent geschützte Verfahren anzuwenden. Außer den Maßen der angebotenen Geräte werden lediglich deren allgemeinen Funktionen dargestellt. Diese beschränken sich im Hinblick auf den Gasfüllvorgang darauf festzustellen, dass bei den Geräten des Typs HX-Y die Gasfüllung für Rechteck- und Modellformate möglich sei und die Typen HXG-R zum gleichzeitigen Zusammenbauen, Gasfüllen und Verpressen geeignet seien. Optional sind Zusatzausrüstungen zum Gasfüllen mit Krypton oder Gasgemischen und zum Gasfüllen von 3-fach-Isolierglas-Einheiten erhältlich. Es ist aber nicht erkennbar, mit welchem Verfahrensschritten die angebotenen Maschinen Isolierglasscheiben mit Schwergas befüllen.

bb) Die Beklagte auch nicht dargelegt, dass die bei der C Co. besichtigte Gasfüllpresse mit einem der im Prospekt der Klägerin (Anlage NSL5) beworbenen Gasfüllautomaten identisch ist. Die bei der C Co. besichtigte Maschine trägt zwar das Typenschild HXR und mit dem Prospekt werden „Zusammenbau-, Gasfüll- und Press-Automaten“ des Typs HX-Y beworben. Die Klägerin hat jedoch dargelegt und durch Vorlage der Auftragsbestätigung (Anlage K15) näher konkretisiert, dass für die C Co. eine Isolierglas-Produktionslinie mit der Bezeichnung „HXYTU G“ geliefert wurde (S. 21 der Anlage K15). Dieser Vortrag muss nicht einmal im Widerspruch zu dem Umstand stehen, dass die bei der C Co. aufgestellte Maschine das Typenschild HXR trug. Denn es mag sich bei der Bezeichnung HXYTU G durchaus um eine Spezifikation der Typenreihe „HX-Y“ handeln, so wie auch in dem Prospekt (Anlage NSL 5) die Typen HXG-YTU und HXG-YTG allgemein als „assembler HX-Y“ beworben werden. Eine Gasfüllpresse des Typs HXYTU G ist jedoch nicht in dem Prospekt der Klägerin aufgeführt.

Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass es sich bei dem im Prospekt genannten Automaten des Typs HXG-YTU um dieselbe Maschine handelt wie die bei der C Co. aufgestellte HXYTU G. Denn die Maße für den im Prospekt beworbenen Gasfüll- und Pressautomaten stimmen nicht mit den Maßen der an die C Co. gelieferten Maschine überein. Im Prospekt (Anlage NSL 5) werden für den Typ HXG-YTU als verarbeitbare Abmessungen minimal 170 mm x 350 mm und maximal 1.650 mm im Tandembetrieb beziehungsweise 3.500 mm im Einzelbetrieb angegeben. Die maximale Länge bei einer Zweistufen-Verpressung soll 4.500 mm betragen bei einer Isolierglasdicke von maximal 60 mm und einer Glasdicke von maximal 15 mm beziehungsweise optional 30 mm. Die an die C Co. gelieferte Maschine ist hingegen für Glasgrößen von minimal 170 mm x 304 mm und maximal 1.150 mm im Tandembetrieb beziehungsweise maximal 2.500 mm im Einzelbetrieb ausgelegt. Die maximale Länge bei einer Zweistufen-Verpressung reicht nur bis 3.500 mm. Die verarbeitbare Isolierglasdicke beträgt maximal 40 mm und die Glasdicke maximal 12 mm (vgl. S. 5 und S. 22 der Anlage K15). Aus vorstehenden Gründen kann auch der von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung geäußerten Ansicht nicht gefolgt werden, der Prospekt beziehe sich allgemein auf Automaten des Typs HXR und beschreibe keine konkreten Gasfüllpressen mit ihren Funktionalitäten und Ausstattungen.

Ein weiteres Indiz dafür, dass die bei der C Co. aufgestellte Gasfüllpresse nicht in dem klägerischen Prospekt beworben wird, ist im Übrigen der unbestrittene Vortrag der Klägerin, dass eine solche Gasfüllpresse nicht mehr hergestellt wird. Denn der Prospekt (Anlage NSL5) wurde laut Druckvermerk, auf den die Klägerin in der mündlichen Verhandlung hinwies, erst im Oktober 2006 veröffentlicht. Die streitgegenständliche Gasfüllpresse wurde hingegen bereits im September 2005 auf der Messe „Glass Build America 2005“ ausgestellt und anschließend nicht mehr hergestellt.

b) Soweit die Beklagte die Ansicht vertritt, ein Anbieten der das patentierte Verfahren anwendenden Gasfüllpresse folge bereits daraus, dass die Klägerin die Maschine im Inland hergestellt habe, kann dem nicht gefolgt werden. Diese Ansicht verkennt den Begriff des Anbietens im Sinne von § 10 Abs. 1 PatG. Aus § 9 S. 2 Nr. 1 PatG ist ohne weiteres erkennbar, dass das Herstellen eine vom Anbieten zu unterscheidende Benutzungshandlung darstellt. Die Herstellung eines Mittels zur Anwendung eines patentierten Verfahrens ist jedoch nicht gemäß § 10 Abs. 1 PatG dem Patentinhaber vorbehalten. Die Herstellung von Mitteln zur Benutzung der patentierten Erfindung durch einen anderen stellt als solche noch keine Patentverletzung dar. Da dem bloßen Herstellen einer Sache auch nicht der objektive Erklärungswert zukommt, das Erzeugnis wahrnehmbar zum Erwerb der Verfügungsgewalt bereitzustellen, ist ein Anbieten im Sinne von § 10 Abs. 1 PatG zu verneinen.

C
Der Klageantrag zu 2) ist begründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung der Kosten für die Gegenabmahnung in Höhe von 11.244,00 EUR aus §§ 683 S. 1, 677, 670 BGB beziehungsweise § 823 Abs. 1 BGB.

Die durch die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe entstandenen Kosten sind nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag bzw. nach Schadensersatzrecht zu ersetzen, da die Klägerin zu Unrecht von der Beklagten abgemahnt wurde. Grundsätzlich steht dem zu unrecht Abgemahnten bei einer ausschließlich rechtswidrigen Abmahnung kein Erstattungsanspruch gegen den Abmahnenden wegen der durch die Verteidigung entstandenen Kosten zu. Eine Gegenabmahnung ist vielmehr nur dann ausnahmsweise veranlasst, wenn die Abmahnung in tatsächlicher und/oder rechtlicher Hinsicht auf offensichtlich unzutreffenden Annahmen beruht, bei deren Richtigstellung mit einer Änderung der Auffassung des vermeintlich Verletzten gerechnet werden kann, oder wenn seit der Abmahnung ein längerer Zeitraum verstrichen ist und der Abmahnende in diesem entgegen seiner Androhung keine gerichtlichen Schritte eingeleitet hat. Denn nur in solchen Fällen entspricht eine Gegenabmahnung dem mutmaßlichen Willen und dem Interesse des Abmahnenden und kann der Abgemahnte daher die Kosten der Gegenabmahnung erstattet verlangen (BGH GRUR 2004, 790 m.w.N. – Gegenabmahnung; für das Patentrecht: Kühnen/Geschke, Durchsetzung von Patenten 3. Aufl.: Rn 260).

Dies ist vorliegend der Fall. Die Abmahnung war in tatsächlicher Hinsicht offensichtlich unzutreffend, weil die Beklagte eine Gasfüllpresse des Typs E als patentverletzend beanstandete, die offensichtlich nicht von der Klägerin vertrieben wurde, sondern von der Firma F Maschinenbau GmbH. Dementsprechend hat die Beklagte auf die Gegenabmahnung unmittelbar den Vorwurf der Patentverletzung durch die Maschine des Typs E fallengelassen. Insofern kann dahinstehen, ob die Abmahnung auch im Hinblick auf die bei der C Co. besichtigte Maschine des Typs HX-Y beziehungsweise HX-YTU-G offensichtlich unzutreffend war. Die Gegenabmahnung war bereits aufgrund der fehlerhaft bezeichneten Maschine gerechtfertigt.

Die Klägerin kann die Erstattung von Kosten in Höhe von 11.244,00 EUR verlangen. Es handelt sich dabei um die hälftigen Kosten eines Rechtsanwalts und eines Patentanwalts bei einem Gegenstandswert von 2.000.000,00 EUR und einer 1,5-fachen Geschäftsgebühr. Mehrwertsteuer und Auslagen wurden nicht geltend gemacht. Die Kosten sind nur hälftig anzusetzen, weil Gegenstand der Abmahnung und der Gegenabmahnung zwei Patente waren, von denen nur das Klagepatent Gegenstand dieses Rechtsstreits ist.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte schließlich Anspruch auf Zahlung von Zinsen aus §§ 288 Abs. 1 S. 2, 291 BGB. Die Rechtshängigkeit trat mit Zustellung der Klage am 02.08.2007 ein.

D
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 HXO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 und 2 HXO. Dem Vollstreckungsschutzantrag der Beklagten war nicht stattzugeben, da sie die Voraussetzungen des § 712 Abs. 1 HXO weder dargelegt, noch gemäß § 714 Abs. 2 HXO glaubhaft gemacht hat.

Streitwert: 1.011.244,00 EUR