4a O 154/07 – Dosierungsbegrenzer

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 844

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 5. August 2008, Az. 4a O 154/07

Rechtsmittelinstanz: 2 U 82/08

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Die Sicherheitsleistung kann auch durch eine unwiderrufliche, unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Europäischen Union als Zoll- oder Steuerbürgin anerkannten Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand:

Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des europäischen Patents 1 250 xxx (nachfolgend: Klagepatent). Das Klagepatent wurde am 04.09.2000 unter Inanspruchnahme der Priorität der DK 130999 vom 16.09.1999 angemeldet, die Offenlegung der Anmeldung erfolgte am 22.09.2001. Die Erteilung des Klagepatents wurde am 20.07.2005 veröffentlicht. Der unter dem Aktenzeichen DE 600 21 xxx T2 veröffentlichte deutsche Teil des Klagepatents ist in Kraft.

Das Klagepatent trägt die Bezeichnung „Dosierungsbegrenzer“ („Dose Setting Limiter“). Sein Patentanspruch 1 lautet in der eingetragenen deutschen Übersetzung:

Injektionsvorrichtung mit einem eine Kartusche (2) haltenden Gehäuse (1), einem Injektionsknopf (16) zum Freigeben einer eingestellten Dosis, einer Kolbenstange (3) zum Vorwärtsbewegen eines Kolbens in der Kartusche (2) und einem Begrenzungsmechanismus, der das Einstellen einer Dosis verhindert, die die in der Kartusche (2) verbleibende Flüssigkeitsmenge überschreitet, bei der der Begrenzungsmechanismus aufweist: ein mit dem Injektionsknopf (16) gekoppeltes Dosiseinstellelement (6, 30) und ein mit der Kolbenstange (3) gekoppeltes Treibelement (9, 31), wobei das Dosiseinstellelement (6, 30) und das Treibelement (9, 31) sich relativ zueinander bewegen, wenn das Dosiseinstellelement (6, 30) zum Einstellen einer Dosis gedreht wird, wodurch der Injektionsknopf (16) von dem Gehäuse (1) weg bewegt wird, und das Dosiseinstellelement (6, 30) und das Treibelement (9, 31) sich zusammen bewegen, wenn die eingestellte Dosis durch Zurückbewegen des Injektionsknopfes (16) freigegeben wird, wodurch die Kolbenstange (3) vorwärts bewegt wird, dadurch gekennzeichnet, dass das Treibelement (9, 31) mit einer Spur (20, 33) versehen ist, die eine Endwand (24) besitzt, welche eine Spurlänge bestimmt, die in Beziehung zur Gesamtmenge des Arzneimittels der Kartusche (2) steht, und die Spur (20, 33) durch einen Spurnachläufer (21, 22, 32) in Eingriff gebracht wird, der mit dem Dosiseinstellelement (6, 30) gekoppelt ist, um so der Drehung des Dosiseinstellelements (6, 30) zu folgen, so dass sich beim Einstellen einer Dosis der Spurnachläufer (21, 22, 23) und das Dosiseinstellelement (6, 30) zusammen relativ zu dem Treibelement (9, 31) drehen, und sich beim Abgeben einer Dosis der Spurnachläufer (21, 22, 32) und das Dosiseinstellelement gleichzeitig mit dem Treibelement (9, 31) drehen.

Nachfolgend werden einige Figuren aus der Klagepatentschrift wiedergegeben, die bevorzugte Ausführungsbeispiele der Erfindung betreffen. Figur 1 zeigt eine Explosionsansicht einer Spritze mit einem Dosisbegrenzer gemäß der Erfindung. In Figur 2 ist eine vergrößerte Ansicht des Dosiseinstellelementes und des Treibelementes der Spritze gemäß Figur 1 dargestellt. Schließlich finden sich in Figur 3 das Dosiseinstellelement, der Treiber und der Spurnachläufer in einer weiteren Ausführungsform einer Injektionsspritze.

Die Beklagte ist ein französisch-deutsches Gemeinschaftsunternehmen mit Sitz in Frankfurt, welches Arzneimittel verschiedenster Art, insbesondere auch Insulin-Arzneimittel, herstellt und vertreibt. Im Rahmen dieser Tätigkeit hat die Beklagte das Produkt „A®“ auf den Markt gebracht. Bei diesem handelt es sich um eine Injektionsvorrichtung, welche für zwei Insulin-Arzneimittelzubereitungen, nämlich einmal für „Lantus“ und einmal für „Apidra“, erhältlich ist. Diese Injektionsvorrichtung ist wie folgt gestaltet:

Es handelt sich um eine Injektionsvorrichtung mit einem Gehäuse, wobei die gesamte Injektionsvorrichtung mit einer Kappe zu verschließen ist. In dem Gehäuse ist ein Kartuschenhalter angeordnet, der eine Kartusche aufnimmt. Die Flüssigkeitsmenge in der Kartusche wird mit einem Kolben durch eine an die Kartusche anzubringende Nadel ausgebracht. Der Kolben wird von einer Kolbenstange vorwärts bewegt. Die Kolbenstange ist mit einem Treibelement gekoppelt, wobei das Treibelement wiederum mittels einer sogenannten „Kupplung“ einschließlich einer Kupplungsfeder mit dem Dosiseinstellelement gekoppelt ist. Das Dosiseinstellelement umfasst eine Skalentrommel, auf der zu dosierende Einstellmengen Insulinflüssigkeit aufgezeichnet sind. Die Dosis wird auf der Skalentrommel mit einer mit ihr in Wirkverbindung stehenden Einstellüberwurfmutter eingestellt, wobei sodann das Ergebnis des Einstellvorgangs durch eine Öffnung im Gehäuse sichtbar wird. Die Öffnung im Gehäuse ist mit einem zylinderförmigen, durchsichtigen Teil verschlossen. Dieses zylinderförmige durchsichtige Teil weist auf der Innenwand eine schraubenförmige Erhöhung auf, die mit einer schraubenförmigen Nut der Skalentrommel in Eingriff steht. Es besteht ferner ein Injektionsknopf zum Freigeben einer eingestellten Dosis. Des Weiteren ist der untere, der Kartusche und dem Kartuschenhalter zugewandte Endbereich des Treibelementes ein gesonderter Teil mit einer unteren und oberen Endwand, zwischen denen eine Spur vorgesehen ist. Diese Spur des Treibelements besitzt eine Helixform, nämlich ein schraubenförmiges Gewinde. Dieses schraubenförmige Gewinde steht mit einer Halbmutter in Eingriff, welche fest mit dem Gehäuse der Injektionsvorrichtung verbunden ist. Die Halbmutter wird durch Betätigung des Treibelementes auf der helixförmigen Spur bis zu einem Endanschlag bewegt.

Die Klägerin sieht durch die vorbezeichnete Injektionsvorrichtung ihre Rechte aus dem Klagepatent verletzt. Die angegriffene Ausführungsform unterscheide sich von dem Gegenstand des Anspruchs 1 des Klagepatents nur durch den Austausch eines Bezugspunktes bei der Definition der Relativbewegung zwischen zwei Elementen. Anstelle des Dosiseinstellelements (6, 30) bilde das Gehäuse (1) den Bezug, um den Spurnachläufer beim Einstellen einer Dosis in die Position der Anzeige der Menge der abgegebenen (und unmittelbar nach Dosiseinstellung und vor der Dosisabgabe noch abzugebenden) Arzneimittelflüssigkeit zu bringen und um den Spurnachläufer in eben dieser Position zu halten. Diese Ausgestaltung sei technisch banal und insbesondere für den durch die Klagepatentschrift angesprochenen Fachmann ohne Weiteres auffindbar, so dass die Voraussetzungen einer äquivalenten Verwirklichung der durch Anspruch 1 des Klagepatents beanspruchten technischen Lehre gegeben seien.

Die Klägerin beantragt daher,

I. Die Beklagte zu verurteilen,

1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft am jeweiligen Geschäftsführer der Beklagten zu vollstrecken ist, zu unterlassen, im deutschen territorialen Geltungsbereich des EP 1 250 167 B 1

Injektionsvorrichtungen mit

– einem eine Kartusche haltenden Gehäuse,
– einem Injektionsknopf zum Freigeben einer eingestellten Dosis,
– einer Kolbenstange zum Vorwärtsbewegen eines Kolbens einer Kartusche und
– einem Begrenzungsmechanismus, der das Einstellen einer Dosis verhindert, die die in der Kartusche verbleibende Flüssigkeitsmenge überschreitet, bei der der Begrenzungsmechanismus aufweist:
– ein mit dem Injektionsknopf gekoppeltes Dosiseinstellelement, und
– ein mit der Kolbenstange gekoppeltes Treibelement,
wobei das Gehäuse und das Treibelement sich relativ zueinander bewegen, wenn das Dosiseinstellelement zum Einstellen einer Dosis gedreht wird, wodurch der Injektionsknopf von dem Gehäuse weg bewegt wird und
– das Dosiseinstellelement und das Treibelement sich zusammen bewegen, wenn die eingestellte Dosis durch Zurückbewegen des Injektionsknopfes freigegeben wird, wodurch die Kolbenstange vorwärts bewegt wird,

herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen, bei denen

– das Treibelement mit einer Spur versehen ist, die eine Endwand besitzt, welche eine Spurlänge bestimmt, die in Beziehung zur Gesamtmenge des Arzneimittels in der Kartusche steht, und die Spur durch einen Spurnachläufer in Eingriff gebracht wird, der mit dem Gehäuse gekoppelt ist, um so der Drehung des Gehäuses zu folgen, so dass sich beim Einstellen einer Dosis der Spurnachläufer und das Gehäuse zusammen relativ zu dem Treibelement drehen, und sich beim Abgeben einer Dosis der Spurnachläufer und das Gehäuse gleichzeitig mit dem Treibelement drehen (EP 1 250 167 B1 = DE 600 21 425 T2, Anspruch 1);

2. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagte die zu I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 20.08.2005 begangen hat, und zwar unter Angabe

a) der Menge der hergestellten Erzeugnisse,

b) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderen Vorbesitzer,

c) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen unter Einschluss von etwaigen Typenbezeichnungen, Arzneimittelkennzeichnungen, Chargennummern sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer,

d) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen unter Einschluss von Typenbezeichnungen, Arzneimittelkennzeichnungen, Chargennummern sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

e) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

f) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns, der nicht durch den Abzug von Fixkosten und variablen Gemeinkosten gemindert ist, es sei denn, diese könnten den unter I.1. bezeichneten Gegenständen unmittelbar zugeordnet werden,

wobei der Beklagten vorbehalten bleiben mag, die Namen und Anschriften der nicht gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;

3. die im unmittelbaren oder mittelbaren Besitz der Beklagten oder in ihrem Eigentum befindlichen unter vorstehend I.1. beschriebenen Erzeugnisse zu vernichten;

II. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu erstatten, der ihr durch die vorstehend zu I.1. bezeichneten und seit dem 20.08.2005 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

Mit Schriftsatz vom 14.04.2008 hat die Klägerin den unter Ziffer I. 1. formulierten Antrag am Ende dahingehend ergänzt, dass folgende Passage hinzugefügt wird:

„… und sich beim Abgeben einer Dosis der Spurnachläufer und das Gehäuse gleichzeitig mit dem Spurnachläufer und das Gehäuse gleichzeitig mit dem Treibelement relativ zu dem Dosiseinstellelement drehen.“

Des Weiteren hat die Klägerin den Klageantrag zu Ziffer I.1. nunmehr hilfsweise wie folgt formuliert:

I. die Beklagten zu verurteilen,

1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft am jeweiligen Geschäftsführer der Beklagten zu vollstrecken ist, zu unterlassen, im deutschen territorialen Geltungsbereich des EP 1 250 167 B1

Injektionsvorrichtungen mit

– einem eine Kartusche haltenden Gehäuse,
– einem Injektionsknopf zum Freigeben einer eingestellten Dosis,
– einer Kolbenstange zum Vorwärtsbewegen eines Kolbens einer Kartusche und
– einem Begrenzungsmechanismus, der das Einstellen einer Dosis verhindert, die die in der Kartusche verbleibende Flüssigkeitsmenge überschreitet, bei der der Begrenzungsmechanismus aufweist:
– ein mit dem Injektionsknopf gekoppeltes Dosiseinstellelement, und
– ein mit der Kolbenstange gekoppeltes Treibelement,
wobei das Dosiseinstellelement und das Treibelement sich zusammen bewegen, wenn das Dosiseinstellelement zum Einstellen einer Dosis gedreht wird, wodurch der Injektionsknopf von dem Gehäuse weg bewegt wird und
– das Dosiseinstellelement und das Treibelement sich relativ zueinander bewegen, wenn die eingestellte Dosis durch Zurückbewegen des Injektionsknopfes freigegeben wird, wodurch die Kolbenstange vorwärts bewegt wird,

herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen, bei denen

– das Treibelement mit einer Spur versehen ist, die eine Endwand besitzt, welche eine Spurlänge bestimmt, die in Beziehung zur Gesamtmenge des Arzneimittels in der Kartusche steht, und die Spur durch einen Spurnachläufer in Eingriff gebracht wird, der mit dem Gehäuse gekoppelt ist, um so der Drehung des Gehäuses zu folgen, so dass sich beim Einstellen einer Dosis der Spurnachläufer und das Gehäuse zusammen relativ zu dem Treibelement drehen, und sich beim Abgeben einer Dosis der Spurnachläufer und das Gehäuse gleichzeitig mit dem Treibelement relativ zu dem Dosiseinstellelement drehen (EP 1 250 167 B1 = DE 600 21 425 T2, Anspruch 1).

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen;

hilfsweise: die Klage bis zur Entscheidung der Kammer über die Feststellungsklage mit dem Aktenzeichen 4a O 211/07 betreffend die zwischen den Parteien bestehenden Nichtangriffsabreden auszusetzen;

hilfsweise: den vorliegenden Rechtstreit auszusetzen, bis über die am 14.01.2008 zum Bundespatentgericht erhobene Nichtigkeitsklage rechtskräftig entschieden ist.

Die Klägerin tritt den hilfweise gestellten Aussetzungsanträgen entgegen.

Die Beklagte trägt vor, die Klage sei bereits unzulässig. Die Parteien hätten am 23.02.2001 einen Lizenz- und Vergleichsvertrag geschlossen, welcher eine Nichtangriffsabrede enthalte, die auch den Streitgegenstand des vorliegenden Rechtsstreites erfasse. Des Weiteren sei die Klage auch unbegründet, da es an einer Patentverletzung fehle. Die angegriffene Ausführungsform habe eine andere Funktionsweise als im Klagepatent beschrieben. Das System arbeite mit einer komplizierten Ineinanderschachtelung von „Hülsen“, welche die Kräfte weiterleiten würden, wobei die Dosierhülse beim Applizieren der Dosis von der Antriebshülse entkoppelt werde. Diese werde nur nachgezogen, so dass über dieses, nicht zum Antrieb der Kolbenstange dienende Bauteil nahezu keine Kräfte laufen würden. Gekoppelt beim Ausschüttvorgang seien damit nur noch Dosierknopf, Antriebshülse und Kolbenstange.

Im Übrigen sei zu erwarten, dass das Klagepatent aufgrund der durch die Beklagte am 14.01.2008 erhobenen Nichtigkeitsklage für nichtig erklärt werde, da dieses unzulässig erweitert sei und insbesondere durch die WO 91/14467 A1 neuheitsschädlich vorweggenommen werde. Auch fehle es im Hinblick auf die EP 0 327 910 A2 an einem erfinderischen Schritt. Schließlich habe die Klägerin am 15.09.1999 in Deutschland unter dem Namen „B®“ ein Gerät zum Verabreichen von Insulin auf den Markt gebracht, welches für die Schutzfähigkeit des Klagepatents hochrelevant sei.

Die Klägerin tritt diesem Vorbringen entgegen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. Insbesondere hat die Klägerin gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Unterlassung, Rechnungslegung, Schadenersatz und Vernichtung aus Art. 64 EPÜ in Verbindung mit §§ 9 S. 2 Nr. 1, 139 Abs. 1 und 2, 140 a Abs. 1, 140 b Abs. 1 und 2 PatG, §§ 242, 259 BGB.

I.
Die Klage ist zulässig. Soweit sich die Beklagte auf die in dem als Anlagen B & B 2 und B & B 2a vorgelegten Lizenz- und Vergleichsvertrag enthaltenen Nichtangriffsabreden beruft, stehen diese der Zulässigkeit der Klage nicht entgegen. Es trifft zu, dass ein solcher Verzicht auf die Möglichkeit der Geltendmachung eines Anspruchs prozessual dieselben Wirkungen hat wie eine Schiedsgerichtseinrede, nämlich die prozessuale Unzulässigkeit der Klage (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 26. Auflage, vor § 253 Rz. 19). Es fehlt dann an der Klagbarkeit des Anspruchs. Jedoch werden die in dem als Anlage B & B 2a in deutscher Sprache vorgelegten Vertrag enthaltenen Nichtangriffsabreden durch die nunmehr erhobene Klage nicht berührt.

1.
Nach Artikel 3, Ziffer 3.1. (ii) dieses Vertrages verpflichten sich die Klägerin oder mit ihr verbundene Unternehmen, nicht gegen die Beklagte oder verbundene Unternehmen aufgrund einer Patentverletzung durch Glargine oder „Immunity Products“ vorzugehen, einschließlich einer Patentverletzung von zukünftigen Patentrechten der Klägerin („an immunity from suit by Novo Nordisk and its Affiliates for patent infringement by Glargine and Immunity Products, including patent infringement of Novo Nordisk Future Patent Rights.“). Nach Artikel 1, Ziffer 1.6. sind „Immunitiy Products“ Lantus, Medikamentenverabreichungsvorrichtungen für Lantus und Nadeln, welche in solchen Medikamentenverabreichungsvorrichtungen verwendet werden, wie diese derzeit vermarktet und wie diese zur Markteinführung beantragt (aber noch nicht vermarktet) sind, dies alles wie beschrieben in Anhang 1.6. Dort findet sich eine genaue Aufstellung, welche Gegenstände „Immunity Products“ im Sinne dieses Vertrages sein sollen. Als „Application Devices“ und damit als Medikamentenverabreichungsvorrichtung wird insoweit das „OptiPen“-System genannt, welches die Produkte „OptiPen“, „OptiPen Pro“ und „OptiSet“ umfasst.

Diese Definition trifft auf die Injektionsvorrichtung „A“ nicht zu. Die Beklagte macht nicht geltend, dass dieses Produkt bei Abschluss des Lizenz- und Vergleichsvertrages vom 23.02.2001 bereits vermarktet wurde oder hierfür eine arzneimittelrechtliche Zulassung beantragt war. Sie beruft sich darauf, „nach dem ausdrücklichen Willen der Parteien“ hätten auch zukünftig entwickelte Medikamentenverabreichungsvorrichtungen („drug delivery devices“) erfasst sein sollen, wenn sie den gegenwärtig am Markt befindlichen Produkten entsprächen. Diese Behauptung steht jedoch im Widerspruch zum Wortlaut des Vertrages, der ausdrücklich auf derzeit vermarktete oder zur Markteinführung beantragte Produkte abstellt. Die Formulierung „as currently markted“ gibt die von der Beklagten angestrebte Einbeziehung vergleichbarer künftiger Produkte nicht her. Vielmehr haben die Parteien ausweislich des Vertragstextes gerade keine Einbeziehung aller zukünftigen Produkte in den Begriff „Immunity Products“ begehrt. Die Vertragsparteien haben der Definition in Artikel 1.6. bewusst den Zusatz hinzugefügt, dass es sich nur um Lantus, solche Medikamentenverabreichungsvorrichtungen für Lantus und Nadeln handeln soll, welche in solchen Medikamentenverabreichungsvorrichtungen verwendet werden, wie diese im Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Vertrages bereits vermarktet wurden („as currently marketed“) oder welche zur Markteinführung bereits beantragt waren („applied for marketing approval to but not yet marketed“). Dies wird durch den Anhang zu Art. 1.6. bestätigt, welcher eine Auflistung von als „Immunity Products“ geltenden „Application Devices“ enthält. Dies sollen sein: „The Optipen®Systems and syringes as marktet as of 30 January 2001, specifically OptiPen®, OptiPen Pro® and OptiSet®”. In Verbindung mit der zugehörigen Definition in Art. 1.6. ist diese Aufzählung – mangels konkret vorgetragener gegenteiliger Erklärungen bei den Vertragsverhandlungen – als abschließend zu begreifen. Dies wird auch durch die Formulierung in Art 1.6. bestätigt („all as described in Schedule 1.6.“ – dies alles wie beschrieben in Anhang 1.6.).

Der (behauptete) Wille der vertragsschließenden Parteien, der Beklagten eine Vermarktung von Lantus „in allen denkbaren Erscheinungsformen“ zu ermöglichen, ist angesichts des eindeutigen Vertragswortlautes nicht geeignet, das Auslegungsergebnis der Beklagten zu begründen. Zudem hat die Beklagte die Möglichkeit, Lantus in der Verabreichungsform des Injektionsstifts, nämlich des Produkts „OptiPen“, zu vermarkten. Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht daraus, dass die Beklagte den Nettoverkaufspreis des Produkts Lantus/A als Berechnungsgrundlage der Lizenzgebühren herangezogen, nach ihrer Leseart also Lizenzen auf den „A“ bezahlt hat. Diese Vorgänge aus der Zeit nach Vertragsschluss enthalten keinen Anhalt für eine von dem vorstehenden Verständnis abweichende Auslegung des Vertrages.

2.
Gemäß Art. 3.2. des als Anlage B & B 2a in deutscher Sprache vorgelegten Vertrages verpflichtet sich die Klägerin, nicht im eigenen Namen oder im Namen ihrer verbundenen Unternehmen gegen die Beklagte oder deren verbundene Unternehmen aus den derzeitigen Patentrechten von Novo Nordisk wegen Patentverletzung durch eine pharmazeutische Formulierung für den Injektionsgebrauch, welche den Wirkstoff Glargine enthält, vorzugehen („Novo Nordisk […] also grants Aventis […] an immunity from suit under the Novo Nordisk Current Patent Rights, for patent infringement by pharmaceutical formulations for injectable use containing Glargine“). Dabei sind gemäß Artikel 1, Ziffer 1.11. unter dem Begriff der gegenwärtigen Patentrechte der Klägerin alle Patente, Patentanmeldungen und schwebenden Patentanmeldungen, welche von der Klägerin zum Zeitpunkt des Wirksamkeitsdatums angemeldet waren, zu verstehen. Gegenstand der Definition der gegenwärtigen Patentrechte der Klägerin sind auch jegliche Fortführungen, Teilfortführungen, Bereichsfortführungen, ergänzenden Patente, Neuauflagen, Wiederveröffentlichungen, Prolongationen oder Erweiterungen dieser, einschließlich aller Erweiterungen nach dem U. S. Patent Term Restoration Act, Erweiterungen von Patenten nach dem japanischen Patentgesetz und aller SPC’s.

Von diesen Grundsätzen ausgehend handelt es sich bei dem am 04.09.2000 und damit vor Wirksamwerden des zwischen den Parteien geschlossenen Vergleichsvertrages angemeldeten Klagepatent um ein „Current Patent Right“. Allerdings ist die streitgegenständliche Injektionsvorrichtung „A“ keine „pharmaceutical formulation“ im Sinne von Art. 3.2. dieses Vertrages. Eine solche Einordnung liegt schon deshalb fern, weil die Thematik der Injektionsvorrichtungen von den vertragsschließenden Parteien ersichtlich unter dem Stichwort „Application Devices“ als Unterfall der „Immunity Products“ geregelt wurde. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch betrifft die pharmazeutische Formulierung die Frage, in welcher Form ein Arzneimittel bereitgestellt wird, also z. B. als flüssige Lösung, als Salbe, Tablette, Pulver oder dergleichen. Die Spritze, in der die Flüssigkeit verabreicht wird, gehört als solche nicht zur pharmazeutischen Formulierung des Arzneimittels. Anhaltspunkte für ein abweichendes Verständnis der vertragsschließenden Parteien sind nicht ersichtlich. Vielmehr wird dieses Verständnis des Begriffes „pharmazeutische Formulierung“ durch den Vertragstext bestätigt. So definiert Artikel 1, Ziffer 1.8. „Lantus“ als eine pharmazeutische Formulierung zur Injektion, die Glargine als einzigen pharmazeutischen Wirkstoff enthält einschließlich der Primärpackmittel, die solche pharmazeutischen Formulierungen enthalten. Somit geht auch der Vertragstext davon aus, dass es sich bei „Lantus“ um eine pharmazeutische Formulierung handelt, nicht aber bei der jeweiligen Verpackung.

II.
Das Klagepatent betrifft Injektionsvorrichtungen, bei denen der Inhalt einer Kartusche als eine Anzahl individuell eingestellter Dosen injiziert wird.

Solche Vorrichtungen besitzen einen Dosiseinstellmechanismus, durch den die Dosen für die anschließende Injektion eingestellt werden, wenn ein Injektionsknopf betätigt wird. Dies wird dadurch erzielt, dass ein Träger entlang einer Kolbenstange um einen Abstand proportional zu der gewollten Dosis und anschließend der Träger zurück zu seiner ursprünglichen Position bewegt wird, so dass der Träger die Kolbenstange mitträgt statt entlang der Kolbenstange bewegt zu werden.

Aus der EP 327 910 ist eine Spritze bekannt, durch die eine Dosis dadurch eingestellt wird, dass ein Mutterelement entlang einer mit einem Gewinde versehenen Kolbenstange von einem Anschlag weg in einem Gehäuse bewegt wird. Die eingestellte Dosis wird durch Drücken auf das Ende des Mutterelements injiziert, das einen Injektionsknopf bildet, wodurch das Mutterelement so weit zu dem Anschlag zurückbewegt wird, bis es an diesen angrenzt. Bei der letzteren Bewegung des Mutterelements wird die Kolbenstange durch die Mutter getragen, die sich nicht relativ zu dieser Kolbenstange bei der Injektion bewegt.

Beim Einleiten einer Dosis ist es günstig, wenn eine Begrenzungsvorrichtung vorgesehen ist, die das Einstellen einer Dosis verhindert, welche die noch in der Kartusche vorhandene Menge eines Arzneimittels überschreitet. Nach der EP 327 910 wird dies dadurch erzielt, dass das Gewinde der Kolbenstange eine solche Länge besitzt, dass die Kartusche gerade dann leer ist, wenn die Mutter bis zu dem Ende des Gewindes bewegt worden ist und anschließend so weit gedrückt wird, bis es an den Anschlag angrenzt. Beim Einstellen einer Dosis kann die Mutter lediglich bis zu dem Ende des Gewindes bewegt werden, wobei die Größe der letzten Dosis auf die vorhandene Menge in der Kartusche begrenzt ist (vgl. Anlage K 2, Abschnitt [0003] – [0005]).

Die EP 608 343 beschreibt ein Beispiel eines solchen Dosiseinstell- oder Injektionsmechanismus mit einer Übersetzung. In dieser Vorrichtung wirkt der Träger nicht direkt mit der Gewindekolbenstange zusammen, sondern mit einem Antriebselement, das die Kolbenstange bewegen kann, wenn eine eingestellte Dosis injiziert wird. In dieser Vorrichtung weist das Antriebselement ein Mutterelement auf, das gegenüber einer axialen Verschiebung in der Injektionsvorrichtung fixiert ist. Das Gewinde des Mutterelementes tritt in Eingriff mit einem Außengewinde der Kolbenstange, die gegenüber einer Drehung in der Injektionsvorrichtung gesichert ist. Durch das Einstellen einer Dosis wird der Träger von einem Anschlag weg gedreht, zu dem er zurückkehrt, wenn der Injektionsknopf betätigt wird. Bei seiner Rückkehr dreht der Träger das Antriebselement, das die Kolbenstange weiter in die Kartusche bewegt, um den Kolben dieser Kartusche so zu drücken, dass eine eingestellte Menge des Arzneimittels in der Kartusche durch eine Injektionsnadel an dem distalen Ende der Kartusche herausgedrückt wird. Da das Mutterelement nicht relativ zu der Kolbenstange bewegt wird, kann ein wie voranstehend beschriebener Begrenzungsaufbau nicht vorgesehen werden, der die Dosis derart begrenzt, dass sie nicht die Menge der in der Injektionsvorrichtung vorhandenen Flüssigkeit überschreitet (vgl. Anlage K 2, Abschnitt [0006]).

Die WO 91/14 467 offenbart eine stiftförmige Injektionsvorrichtung mit einem Begrenzungsmechanismus, der das Einstellen einer solchen Dosis verhindert, die die in der Kartusche vorhandene Flüssigkeitsmenge überschreitet. Der Begrenzungsmechanismus weist ein mit dem Injektionsknopf gekoppeltes Dosiseinstellelement und eine Kolbenstange auf, die ein integriertes Antriebselement oder oberes Gewinde besitzt, das mit dem Dosiseinstellelement derart zusammenwirkt, dass das Dosiseinstellelement und das obere Gewinde sich relativ zueinander bewegen, wenn das Dosiseinstellelement zu Einstellung einer Dosis gedreht wird, und dass sie sich zusammen bewegen, wenn die eingestellte Dosis freigegeben ist. Das Dosiseinstellelement ist ferner mit einer Anzahl von Sperrklinken versehen, von denen eine in eine Vertiefung in der Kolbenstange fällt, wenn das Dosiseinstellelement um einen vorbestimmten Abstand relativ zur der Kolbenstange bewegt worden ist. Der vorbestimmte Abstand bezieht sich auf die Gesamtmenge der Flüssigkeit in der Kartusche. Die in der WO 91/14 467 beschriebene Lösung ist jedoch problematisch und nicht für Injektionsvorrichtungen mit einer Gewindekolbenstange mit einem kreisförmigen Querschnitt geeignet, was dem normalen Erscheinungsbild einer Kolbenstange in einer Injektionsvorrichtung entspricht, und ist keine nützliche Lösung, falls die Kolbenstange gekrümmt ausgebildet ist (vgl. Anlage K 2, Abschnitt [0007] – [0008]).

Das Klagepatent verfolgt die Aufgabe (das technische Problem), eine Injektionsvorrichtung mit einem Begrenzungsmechanismus vorzusehen, der zumindest einen der Nachteile des Standes der Technik überwindet oder abmildert. Es ist eine besondere Aufgabe, einen Begrenzungsmechanismus vorzusehen, der für einfachere Injektionsvorrichtungen mit entweder einer Gewindekolbenstange mit kreisförmigem Querschnitt, die drehbar sein kann, oder mit einer gekrümmten Kolbenstange geeignet ist.

Dies geschieht durch eine Kombination der folgenden Merkmale:

Injektionsvorrichtung mit:

1. einem eine Kartusche (2) haltenden Gehäuse (1),

2. einen Injektionsknopf (16) zum Freigeben einer eingestellten Dosis,

3. einer Kolbenstange (3) zum Vorwärtsbewegen eines Kolbens in der Kartusche (2) und

4. einem Begrenzungsmechanismus, der das Einstellen einer Dosis verhindert, die die in der Kartusche (2) verbleibende Flüssigkeitsmenge überschreitet, bei der der Begrenzungsmechanismus aufweist:

4.1. ein mit dem Injektionsknopf (16) gekoppeltes Dosiseinstellelement (6, 30) und
4.2. ein mit der Kolbenstange (3) gekoppeltes Treibelement (9, 31),
4.3. wobei das Dosiseinstellelement (6, 30) und das Treibelement (9, 31) sich relativ zueinander bewegen, wenn das Dosiseinstellelement (6, 30) zum Einstellen einer Dosis gedreht wird, wodurch der Injektionsknopf (16) von dem Gehäuse (1) weg bewegt wird, und
4.4. das Dosiseinstellelement (6, 30) und das Treibelement (9, 31) sich zusammen bewegen, wenn die eingestellte Dosis durch Zurückbewegen des Injektionsknopfes (16) freigegeben wird, wodurch die Kolbenstange (3) vorwärts bewegt wird,

5. das Treibelement (9, 31) ist mit einer Spur (20, 33) versehen,

5.1. die Spur besitzt eine Endwand (24),

5.1.1. welche eine Spurlänge bestimmt, die in Beziehung zur Gesamtmenge des Arzneimittels in der Kartusche steht,

5.2. die Spur (20, 33) wird durch einen Spurnachläufer (21, 22, 32) in Eingriff gebracht,

5.2.1. der mit dem Dosiseinstellelement (6, 30) gekoppelt ist,

5.2.2. um so der Drehung des Dosiseinstellelements (6, 30) zu folgen,

5.2.3. so dass sich beim Einstellen einer Dosis der Spurnachläufer (21, 22, 32) und das Dosiseinstellelement (6, 30) zusammen relativ zu dem Treibelement (9, 31) drehen und sich beim Abgeben einer Dosis der Spurnachläufer (21, 22, 32) und das Dosiseinstellelement (6, 30) gleichzeitig mit dem Treibelement (9, 31) drehen.

Maßgeblicher Bestandteil der Erfindung ist somit ein Begrenzungsmechanismus, welcher dadurch gekennzeichnet ist, dass das Treibelement mit einer Spur versehen ist, deren Spurlänge in Beziehung zur Gesamtmenge des Arzneimittels steht. In diese Spur wird ein Spurnachläufer, beispielsweise eine Mutter, in Eingriff gebracht, welche mit dem Dosiseinstellelement gekoppelt ist, um so der Drehung dieses Dosiseinstellelements zu folgen. Aufgrund dieser Anordnung drehen sich beim Einstellen einer Dosis der Spurnachläufer und das Dosiseinstellelement relativ zu dem Treibelement, so dass sich der Spurnachläufer aufgrund dieser relativen Drehung in der Spur weiterbewegt und mithin die eingestellte Dosis in der Spur abbildet. Demgegenüber drehen sich Dosiseinstellelement und Treibelement beim Abgeben der Dosis gleichzeitig. Durch die synchrone Drehung von Dosiseinstell- und Treibelement wird sichergestellt, dass sich der Spurnachläufer nicht in der Spur weiterbewegt und somit lediglich einmal – beim Einstellen der Dosis – die eingestellte Menge des Arzneimittels in der Spur abgebildet wird.

III.
Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht die durch Anspruch 1 des Klagepatents beanspruchte technische Lehre weder wortsinngemäß noch äquivalent.

1.
Die Klägerin geht zurecht davon aus, dass eine wortsinngemäße Verletzung ausscheidet. Jedenfalls fehlt es an einer wortsinngemäßen Verwirklichung der Merkmale 4.3. und 5.2.1.

Bei der angegriffenen Ausführungsform bewegen sich beim Einstellen einer Dosis nicht – wie in Merkmal 4.3. vorgesehen – das Dosiseinstellelement und das Treibelement relativ zueinander, wenn das Dosiseinstellelement gedreht wird. Vielmehr sind beide beim Einstellen der Dosis durch eine Kupplungshülse drehfest miteinander verbunden. Zudem ist der Spurnachläufer, welcher der Einhaltung der Dosis dient und bei der angegriffenen Ausführungsform durch ein Mutterelement gebildet wird, nicht wie in Merkmal 5.2.1. vorgesehen mit dem Dosiseinstellelement gekoppelt.

2.
Die nicht wortsinngemäß erfüllten Merkmale verwirklicht die angegriffene Injektionsvorrichtung auch nicht mit patentrechtlich äquivalenten Mitteln.

a)
Unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Äquivalenz kann eine vom Wortsinn abweichende Ausführungsform nur dann in den Schutzbereich einbezogen werden, wenn sie das der Erfindung zu Grunde liegende Problem mit abgewandelten, aber objektiv im Wesentlichen gleichwirkenden Mitteln löst und seine Fachkenntnisse den Fachmann befähigen, die abgewandelten Mittel als im Wesentlichen gleichwirkend aufzufinden, wobei die Überlegungen, die der Fachmann anstellen muss, derart am Sinngehalt der im Patentanspruch unter Schutz gestellten technischen Lehre orientiert sein müssen, dass der Fachmann die abweichende Ausführung mit ihren abgewandelten Mitteln als eine der gegenständlichen Lösung gleichwertige Lösung in Betracht zieht (vgl. BGH GRUR 2002, 511 ff. – Kunststoffhohlprofil; BGH GRUR 2002, 515, 518 – Schneidmesser I; GRUR 2002, 519, 521 – Schneidmesser II; GRUR 2002, 527, 528 f. – Custodiol II; GRUR 2007, 410, 415 f. – Kettenradanordnung; GRUR 2007, 959, 961 – Pumpeinrichtung; GRUR 2007, 1059, 1063 – Zerfallzeitmessgerät). Die Einbeziehung einer vom Wortsinn des Patentanspruchs abweichenden Ausführungsform in den Schutzbereich eines Patents setzt danach dreierlei voraus:

1. Das der Erfindung zu Grunde liegende Problem muss mit zwar abgewandelten, aber objektiv gleichwirkenden Mitteln gelöst werden.

2. Seine Fachkenntnisse müssen den Fachmann befähigen, die abgewandelten Mittel als gleichwirkend aufzufinden.

3. Die Überlegungen, die der Fachmann hierzu anstellen muss, müssen derart am Sinngehalt der im Patentanspruch unter Schutz gestellten Lehre orientiert sein, dass der Fachmann die abweichende Ausführung mit ihren abgewandelten Mitteln als der gegenständlichen gleichwertige Lösung in Betracht zieht.

Bei der Diskussion der Äquivalenz ist dabei auf den Gesamtzusammenhang der durch den Patentanspruch unter Schutz gestellten Lehre abzustellen. Eine Erforschung des Inhalts einzelner Merkmale kann demgegenüber nur dazu dienen, schrittweise den allein maßgeblichen Wortsinn des Patentanspruchs als Einheit zu ermitteln (BGH GRUR 2006, 313, 315 – Stapeltrockner; BGH GRUR 2007, 959, 961 – Pumpeinrichtung).

b)
Die Klägerin meint, diese Voraussetzungen einer äquivalenten Verwirklichung der Lehre des Klagepatents seien gegeben. Die angegriffene Ausführungsform koppele den Spurnachläufer (das Mutterelement) nicht an das Dosiseinstellelement, sondern an das Gehäuse. Dieses sei – unstreitig – mit mehreren am Außenumfang angeordneten Rippen in entsprechenden Axialnuten des Gehäuses festgelegt. Aus dieser Änderung folgten zwangsläufig und für den Fachmann ohne weiteres auffindbare weitere Änderungen. Insbesondere müssten sich nunmehr beim Einstellen der Dosis das Dosiseinstellelement und das Treibelement zusammen relativ zum Gehäuse und dem damit verbundenen Spurnachläufer bewegen, damit ein entsprechender Teil der Spur blockiert werde. Beim Injizieren müsse die Position des Spurnachläufers in der Spur gehalten bleiben, so dass sich das mit der Spur versehene Treibelement und das mit dem Spurnachläufer gekoppelte Gehäuse synchron und damit relativ zu dem Dosiseinstellelement bewegen müssten.

c)
Es kann dahinstehen, ob diese Ausgestaltung eine technisch gleichwirkende Lösung für das der Lehre des Klagepatents zugrunde liegende Problem darstellt, einen Begrenzungsmechanismus für eine einfachere Injektionsvorrichtung mit einer Gewindekolbenstange aufzuzeigen, die einen kreisförmigen Querschnitt aufweist (vgl. Anlage K 2, Abschnitt [0009]). Jedenfalls hat die Klägerin nicht dargetan, dass der Durchschnittsfachmann die genannten Abwandlungen aufgrund von an der Lehre aus Patentanspruch 1 ausgerichteten Überlegungen als gleichwertige Lösung auffinden konnte (vgl. BGH, GRUR 2002, 515, 518 – Schneidmesser I; GRUR 2002, 519, 521 – Schneidmesser II; sog. 3. Schneidmesserfrage).

Die Anordnung in Merkmal 4.3., dass sich das Dosiseinstellelement und das Treibelement relativ zueinander bewegen, wenn das Dosiseinstellelement zum Einstellen einer Dosis gedreht wird und dass sich beide beim Injizieren einer Dosis gemeinsam drehen, nimmt den aus der WO 91/14 467 bekannten Stand der Technik auf. Dort war – wie in der Beschreibung mitgeteilt wird – bereits vorgesehen, dass sich das Dosiseinstellelement (22) und das integrierte Antriebselement (23, oberes Gewinde, 33) relativ zueinander bewegen, wenn das Dosiseinstellelement zur Einstellung der Dosis gedreht wird, und dass sich beide Bauteile zusammen bewegen, wenn die eingestellte Dosis freigegeben wird (vgl. Anlage K 2, Abschnitt [0007]). In der Beschreibung wird dieser Bewegungsablauf nicht in Frage gestellt. Es fehlt insbesondere jede Anregung dafür, die in Merkmal 4.3. vorgesehene relative Bewegbarkeit von Dosiseinstellelement und Treibelement beim Dosiervorgang aufzugeben und stattdessen das Dosiseinstellelement und das Gehäuse so auszugestalten, dass sie beim Dosieren relativ beweglich zueinander sind. Das Klagepatent baut vielmehr auf dem insoweit aus der WO 91/14 467 bekannten Stand der Technik auf und kritisiert hieran allein, dass die dort vorgeschlagene Lösung nicht für Injektionsvorrichtungen mit einer Gewindekolbenstange mit einem kreisförmigen Querschnitt geeignet sei, was dem normalen Erscheinungsbild einer Kolbenstange in einer Injektionsvorrichtung entspreche (vgl. Anlage K 2, Abschnitt [0008]). Dies gibt dem Fachmann keinen Anlass, alternative Ausgestaltungen zu der nach dem Wortlaut des Anspruchs vorgesehenen relativen Bewegbarkeit von Dosiseinstellelement und Treibelement beim Einstellen der Dosis in Erwägung zu ziehen. Wenn er darüber gleichwohl nachdenkt und alternativ eine relative Bewegbarkeit von Dosiseinstellelement und Treibelement realisiert, so erfolgt dies aufgrund selbstständiger fachmännischer Überlegungen, die nicht mehr an der Lehre des Klagepatents ausgerichtet sind.

Wie die Klägerin zutreffend in der mündlichen Verhandlung hervorgehoben hat, sieht die aus der WO 91/14 467 als nächstliegendem Stand der Technik bekannte Konstruktion eine einstückige Konstruktion aus Kolbenstange und Treibelement vor. Jedoch kommt es für die Funktion des Begrenzungsmechanismus darauf nicht an. Die durch Anspruch 1 des Klagepatents beanspruchte Lösung verlangt im Hinblick auf den Begrenzungsmechanismus das Zusammenwirken von drei Elementen: dem Dosiseinstellelement, dem Treibelement und dem Spurnachläufer. Diesem Zusammenwirken steht jedoch nicht entgegen, wenn das Treibelement und die Kolbenstange einstückig ausgebildet sind. Entscheidend ist allein, dass sich Dosiseinstell- und Treibelement beim Einstellen der Dosis relativ zueinander und beim Injizieren zusammen drehen können, so dass sich der Spurnachläufer lediglich beim Einstellen der Dosis, nicht aber beim Injizieren in der auf dem Treibelement befindlichen Spur bewegt.

Gleiches gilt für die Überlegung der Klägerin, dass es nur ein geringfügig abweichender Weg sei, wenn bei der angegriffenen Ausführungsform das Mutterelement (Spurnachläufer) nicht, wie in Merkmal 5.2.1. vorgesehen, an das Dosiseinstellelement gekoppelt sei, sondern an das Gehäuse. Auch insoweit ist nicht erkennbar, dass diese alternative Ausgestaltung auf an der Lehre des Klagepatents ausgerichtete Überlegungen zurückgeht. Die Lehre des Klagepatents greift mit der Anordnung, den Spurnachläufer mit dem Dosiseinstellelement zu koppeln, die aus der WO 91/14 467 bekannte Ausgestaltung auf, bei der das Dosiseinstellelement mit einer Anzahl von Sperrklinken (pawls 76) ausgestattet war, von denen eine in eine Vertiefung in der Kolbenstange fällt, wenn das Dosiseinstellelement um einen vorbestimmten Abstand relativ zu der Kolbenstange bewegt worden ist. Die in die Vertiefung eingreifende Sperrklinke hat mithin die Funktion eines Spurnachläufers und ist starr mit dem Dosiseinstellelement gekoppelt, um bei der Injektion seine Position in der Spur des Treibelementes beizubehalten. Der Fachmann wird dadurch nicht veranlasst, über alternative Ausgestaltungen der Kopplung des Spurnachläufers nachzudenken. Insbesondere erhält er keine Anregung dafür, den Spurnachläufer mit dem Gehäuse zu koppeln. Es trifft zu, dass das Gehäuse sowohl im Anspruch als auch in Bezug auf die bevorzugten Ausführungsbeispiele genannt wird. Jedoch erwähnt die Klagepatentschrift das Gehäuse an keiner Stelle in Zusammenhang mit dem Begrenzungsmechanismus, sondern lediglich in Folgeformulierungen. So hält das Gehäuse anspruchsgemäß die Kartusche (Merkmal 1). Darüber hinaus wird der Injektionsknopf von dem Gehäuse wegbewegt (Merkmal 4.3.).

Auch der übrige Teil der Beschreibung und die Zeichnungen geben dem Fachmann keinen Anlass, alternative Ausgestaltungen der Merkmale 4.3. und 5.2.1. zu erwägen. In den allgemeinen Vorteilsangaben der Beschreibung wird erläutert, dass der Spurnachläufer, welcher mit der Spur des Treibelementes in Eingriff steht, mit dem Dosiseinstellelement gekoppelt ist, um der Drehung des Dosiseinstellelementes zu folgen. Dies hat zum Einen zur Folge, dass der Spurnachläufer seine Position in der Spur verändert, wenn das Dosiseinstellelement zur Einstellung einer Dosis gegenüber dem Treiber relativ bewegt wird. Zum Anderen ergibt sich daraus, dass der Spurnachläufer seine Position in der Spur beibehält, wenn der Treiber der Drehung des Dosiseinstellelementes bei der Injektion folgt. Eine Anregung, den Spurnachläufer an das Gehäuse statt an das Dosiseinstellelement zu koppeln, ergibt sich daraus nicht. Gleiches gilt für die in den Figuren 1 bis 3 gezeigten und in der Beschreibung erläuterten erfindungsgemäßen Ausführungsbeispiele, welche die vorgenannten Bewegungsabläufe exemplarisch weiter veranschaulichen, aber keine Anregung für die von der Klägerin suggerierten Abweichungen enthalten.

Schließlich handelt es sich bei der durch die Beklagte gewählten Konstruktion gegenüber der durch das Klagepatent beanspruchten Lösung um keine bloße kinematische Umkehr. Vielmehr zieht die Kopplung der Mutter an das Gehäuse zahlreiche Folgeänderungen nach sich. So ist nunmehr der Einsatz eines Kupplungselementes erforderlich, welches Dosiseinstell- und Treibelement beim Einstellen der Dosis kuppelt und beim Injizieren entkuppelt. Des Weiteren kehren sich die durch Anspruch 1 des Klagepatents beanspruchten Bewegungsläufe um. Während sich Dosiseinstell- und Treibelement beim Einstellen der Dosis gemeinsam drehen, drehen sie sich bei der Injektion relativ zueinander. Dabei beschreibt der Treiber eine reine Vorschubbewegung, während das Dosiseinstellelement in die Injektionsvorrichtung hineingedreht wird. Darüber hinaus stellt das Dosiseinstellelement nunmehr – wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung veranschaulicht hat – keinen unmittelbaren Bestandteil des Begrenzungsmechanismus dar, sondern dient unmittelbar lediglich der Dosierung. Der Begrenzungsmechanismus wird vielmehr durch ein Zusammenwirken von Treibelement, Spurnachläufer und Gehäuse realisiert. Schließlich ist der Spurnachläufer bei der angegriffenen Ausführungsform fest am Gehäuse fixiert. Damit bewegt sich dieser – anders als nach Anspruch 1 des Klagepatents, wo sich der am Dosiseinstellelement fixierte Spurnachläufer mit dem Dosiseinstellelement beim Einstellen der Dosis relativ zum Treibelement dreht – selbst nicht. Vielmehr dreht sich beim Einstellen der Dosis, wenn der Nutzer den Injektionsstift am Gehäuse hält, allein der Treiber relativ zum Gehäuse, wodurch der Spurnachläufer seine Position in der auf dem Treibelement befindlichen Spur verändert.

IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 (1. Halbsatz) ZPO.

Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgen aus §§ 709 Satz 1 und 2; 108 ZPO.

Der Streitwert wird auf 10.000.000,- EUR festgesetzt.