4b O 173/10 – Drillinge (Sortenschutz)

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 1616
Landgericht Düsseldorf

Urteil vom 22. März 2011, Az. 4b O 173/10

I.
Der Beklagte wird verurteilt,

1. an die Klägerin zu 1) EUR 176,25 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB p.a. seit dem 27.2.2010 zu zahlen,

2. an die Klägerin zu 2) EUR 90,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB p.a. seit dem 27.2.2010 zu zahlen,

3. an die Klägerinnen als Gesamtgläubiger vorgerichtliche Kosten in Höhe von EUR 1.071,83 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB p.a. seit dem 29.12.2009 zu zahlen.

II.
Die Mehrkosten, welche durch die ursprüngliche Klage der A GbR gegen den Beklagten entstanden, haben deren ehemalige Gesellschafter Herr B, die Beteiligungsgesellschaft C mbH und die Dgesellschaft mbH zu tragen. Im Übrigen hat der Beklagte die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

III.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, wobei der jeweilige Vollstreckungsschuldner die Vollstreckung durch den jeweiligen Vollstreckungsgläubiger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden darf, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.
Der Streitwert beträgt EUR 1.166,25.

T a t b e s t a n d :

Die Klägerin zu 1) ist aussschließliche Nutzungsberechtigte der nach nationalem Sortenschutzrecht geschützten Kartoffelsorten „E“ und „F“ (vgl. Anlagenkonvolut 1) sowie der nach gemeinschaftlichem Sortenschutzrecht geschützten Sorten „G“ und „H“ (vgl. Anlagenkonvolut K 17).

Der Beklagte ist Landwirt. Am 17.4.2009 gab er in der Zeitschrift „Landwirtschaftliches Wochenblatt Westfallen-Lippe“ die aus Anlage K 3 ersichtliche Anzeige auf.

Am 19.4.2009 rief der Zeuge I, ein Außendienstmitarbeiter der J GmbH (nachfolgend: „J“), beim Beklagten an und gab sich als Herr K aus. Der Gesprächsinhalt ist im Einzelnen zwischen den Parteien streitig.

Am 23.4.2009 rief der Beklagte den Zeugen L an und teilte mit, die bestellten Kartoffeln fertig sortiert und zur Abholung in je 20 Netzsäcken zu 25 kg verpackt und auf drei Europaletten bereitgestellt zu haben.

Anlässlich der Abholung am selben Tage übergab der Zeuge L dem Beklagten EUR 498,15 in bar, woraufhin er die aus Anlage K 5 ersichtliche Quittung erhielt.

Auf das aus Anlage K 10 ersichtliche Schreiben der J reagierte der Beklagte nicht. Mit Schreiben vom 11.12.2009 wendeten sich die Prozessbevollmächtigten der Klägerinnen an den Beklagten (Anlage K 11). Der Beklagte überreichte Unterlassungsverpflichtungserklärungen mit Schreiben vom 14.12.2009 (Anlage K 13), wies Zahlungsansprüche indes zurück, und zwar u.a. mit anwaltlichem Schreiben vom 22.12.2009 (Anlage K 14). Mit Schreiben vom 11.2.2010 forderten die Prozessbevollmächtigten der Klägerinnen den Beklagten zur Zahlung von insgesamt EUR 2.029,69 auf (Anlage K 15).

Ursprünglich ist im Aktivrubrum als Klägerin zu 2) die A GbR genannt gewesen. Mit Schriftsatz vom 10.1.2011 haben die Klägerinnen beantragt, „das Aktivrubrum im Hinblick auf die Klägerin zu 2) zu ändern“. Die Klägerin zu 2) behauptet insoweit, die in der Sortenschutzurkunde betreffend die Sorte „M“ (Anlage K 2) genannte N GbR habe ihre Firma durch Gesellschafterbeschluss vom 1.7.2007 in A GbR geändert. Das Vermögen dieser GbR sei im Wege der Gesamtrechtsnachfolge durch Anwachsung am 30.6.2010 auf sie übergegangen (vgl. Anlagen K 18, K 19). Sie – die Klägerin zu 2) – sei Sortenschutzinhaberin der nach gemeinschaftlichem Sortenschutzrecht geschützten Kartoffelsorte „M“ (vgl. Anlagenkonvolut K 2). Die Klägerinnen behaupten: Der Zeuge L, welcher sich schon im Telefonat als Landwirt ausgegeben habe, habe ausgeführt, Pflanzkartoffeln zu benötigen, und zwar von jeder der vom Beklagten angebotenen und noch vorrätigen Sorten eine Menge von 3,5 dt; über den Winter habe er seine eigenen Kartoffeln alle verbraucht. Der Beklagte habe ihm telefonisch die Sorten „E“, „F“ und „M“ angeboten und insoweit mitgeteilt, zwar keine Virustestung vorgenommen, jedoch chemische Cocktails verwendet zu haben, um Läusebefall zu verhindern; seine Kartoffeln der Sorte „F“ hätten schon Keime angesetzt, was ihm – dem Zeugen L – sicherlich entgegenkomme. Anlässlich des Telefonats vom 23.4.2009 habe der Zeuge L darauf hingewiesen, nur 14 Netzsäcke zu 25 kg zu benötigen; man habe sich dann darauf geeinigt, dass der Zeuge L die zuviel abgesackten Kartoffeln zu Speisezwecken als sogenannte „Zwerge“ verkaufen solle. Anlässlich der Abholung der Kartoffeln – darunter solche der Sorten „G“, „E“, „F“ und „H“, wie eine spätere Bestimmung ergeben habe (vgl. Anlagenkonvolut K 20) – habe der Beklagte dem Zeugen L auf Nachfrage erläutert, dass die optimale Pflanzweite 28 cm betrage. Die übergebenen Kartoffeln seien objektiv zu Pflanzzwecken geeignet gewesen. Auch habe der Beklagte darauf hingewiesen, dass die Kartoffeln zwar aus der Kühlhalle kämen, aber nicht zu kühl seien – die Kartoffeln würden im warmen Boden sicherlich schnell keimen. Der vom Beklagten verlangte – der Höhe nach unstreitige – Kaufpreis von EUR 30,00/dt sei ein typischer Schwarzhandelspreis, der hinsichtlich sämtlicher streitgegenständlicher Kartoffelsorten im betreffenden Zeitraum unter dem Preis für zertifiziertes Pflanzgut gelegen, aber etwa das Doppelte des seinerzeit durchschnittlichen Preises für Speisekartoffeln betragen habe (vgl. im Einzelnen Anlagen K 6 – K 9). Dabei sei zu beachten, dass Preise für kleine Gebinde höher seien als für große Gebinde. Die angemessene Lizenzgebühr betrage pro dt für die Sorte „E“ EUR 17,00, für die Sorte „F“ EUR 18,25 und für die Sorte „M“ EUR 18,00. Bei der Berechnung der vorprozessualen Kosten für die Abmahnung sei pro Kartoffelsorte ein Wert von EUR 7.500 angemessen.

Die Klägerinnen beantragen,

wie in der Hauptsache erkannt.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte meint, die Klägerin zu 1) sei als bloße ausschließliche Nutzungsberechtigte nicht aktivlegitimiert. Er behauptet, die von ihm angebotenen/veräußerten Kartoffeln seien Speisekartoffeln gewesen. Unter „Drillingen“ verstehe man „kleine Kartoffeln“, ein Hinweis auf einen Verwendungszeck als Pflanzgut sei seiner Anzeige daher nicht zu entnehmen gewesen. „Drillinge“ würden nur selten als Pflanzgut eingesetzt; es handele sich um eine Bezeichnung für Kleinsortierungen zu Speisezwecken. Anzeigen, die auf Vermehrungsmaterial abzielten, stünden typischerweise unter der Rubrik „Verschiedenes“. Die veräußerten Kartoffeln seien im Reifegrad schon weit fortgeschritten und weich gewesen. Er verfüge nicht über eine Kühlung. Abgesehen davon sei – wie der Beklagte meint – der „Testkauf“ des Zeugen L als „verwerflich“ anzusehen. Er habe gegenüber dem Zeugen L auch zu keinem Zeitpunkt erklärt, Pflanzkartoffeln veräußern zu wollen. Die von ihm veräußerten Kartoffeln seien kein geeignetes Vermehrungsmaterial gewesen, jedenfalls deutlich besser als Speisekartoffeln verwertbar gewesen. Der Preis von EUR 30,00 sei für bereits im Reifegrad fortgeschrittene Ware durchaus typisch gewesen. Von anderen Abnehmern habe er schon Preise zwischen EUR 28 und 42 pro dt Speisekartoffeln erhalten. Die von ihm an den Zeugen L veräußerte Menge sowie Art und Weise der Verpackung sei nicht ungewöhnlich für Speisekartoffeln, und zwar nicht einmal hinsichtlich privater Abnehmer.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die zulässigen Klagen der Klägerinnen zu 1) und 2) sind jeweils begründet.

1)
Soweit die Klägerinnen mit Schriftsatz vom 10.11.2011 beantragt haben, das Aktivrubrum hinsichtlich der Klägerin zu 2) zu berichtigen, ist mit dieser Prozesserklärung, welche der Auslegung zugänglich ist, ein gewillkürter Parteiwechsel verbunden gewesen.

Zwar trifft es zu, dass grundsätzlich ungenaue bzw. unrichtige Parteibezeichnungen unschädlich sind und jederzeit (auch von Amts wegen) berichtigt werden können, wenn die Identität der Partei gewahrt bleibt (Zöller/Vollkommer, ZPO; 28. Auflage, vor § 50 Rn 7 m.N. zur Rechtsprechung), und dass dann diejenige Person als Partei anzusehen ist, die erkennbar durch die Parteibezeichnung betroffen sein soll (BGH NJW 2003, 1043), bei unternehmensbezogenem Handeln also im Zweifel der dahinter stehende wahre Rechtsträger (BGHZ 91, 152; BGH NJW-RR 2004, 501). So verhält es sich hier allerdings nicht, weil die ursprünglich als Klägerin zu 2) agierende A GbR gerade nicht mit der jetzigen Klägerin zu 2) vollkommen identisch ist. Nach ihrem eigenen Vorbringen ging die Klägerin zu 2) am 30.6.2010 aus den Gesellschaftern der A GbR als nunmehrigen Kommanditisten und der O Verwaltungsgesellschaft mbH i.Gr. als Komplementärin hervor. Mithin besteht allenfalls eine „Teilidentität“ zwischen der früheren und der jetzigen Klägerin zu 2); die Komplementärin des neuen Rechtsträgers in Gestalt der jetzigen Klägerin zu 2) war nicht an der GbR beteiligt. Solches genügt nicht, um eine Identität des Rechtsträgers zu wahren. Dafür spricht insbesondere folgende Kontrollüberlegung: Hätte der betreffende Gründungsakt erst nach Klageerhebung stattgefunden, wäre § 239 Abs. 1 ZPO analog anzuwenden gewesen. Bei Untergang einer juristischen Person bzw. parteifähigen Personenmehrheit ist nämlich die analoge Anwendung dieser Vorschrift geboten, wenn es – wie hier, allerdings vorprozessual – zu einer Gesamtrechtsnachfolge kommt, beispielsweise bei übertragender Umwandlung durch Verschmelzung gemäß §§ 2 ff. UmwG (vgl. BGHZ 157, 151); nur bei bloß formwechselnder Umwandlung genügt eine Rubrumsberichtigung (Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Auflage, § 239 Rn 6). Ohne den Parteiwechsel wäre die Klage der ursprünglichen Klägerin zu 2) als unzulässig abzuweisen gewesen, da diese im Zeitpunkt der Klageeinreichung nach Behauptung der Klägerin zu 2) bereits nicht mehr existierte (vgl. BGHZ 24, 94).

Die Zulässigkeit des vorgenommenen gewillkürten Parteiwechsels ergibt sich aus § 263 ZPO, da er sachdienlich ist (vgl. BGHZ 65, 264, 268 f.). Denn der bisherige Sach- und Streitstand kann vollumfänglich verwertet und so ein neuer Rechtsstreit vermieden werden.

Den Schriftsatz vom 10.1.2011 konnte der Beklagte entgegen seiner Ansicht zudem nur so verstehen, dass die ursprüngliche Klägerin zu 2) aus dem Rechtstreit ausscheiden wollte. Da vor dieser Erklärung des Parteiwechsels noch nicht mündlich verhandelt worden war, ist eine Zustimmung des Beklagten gem. § 269 Abs. 1 ZPO insoweit nicht erforderlich.

2)
Die zuerkannten Ansprüche der Klägerinnen ergeben sich jeweils aus § 37 Abs. 2 SortenG bzw. Art. 94 Abs. 2 GemSortenV.

a)
Gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1 a) SortG, Art. 13 Abs. 2 c) GemSortV begeht derjenige eine Sortenschutzverletzung, der ohne Zustimmung des Schutzrechtsinhabers Vermehrungsmaterial der geschützten Sorte zum Verkauf anbietet oder verkauft.

Nach der Rechtsprechung des BGH (GRUR 1988, 370 – Achat) muss ein Verkäufer, welcher objektiv zur Aussaat bzw. zur Auspflanzung geeignetes Saat-/Pflanzgut an einen Landwirt verkauft, wirksame Maßnahmen ergreifen, um die Rechte der Sortenschutzinhaber zu wahren.

aa)
Es steht zur vollen Überzeugung des Gerichts fest, dass der Beklagte jedenfalls anlässlich der Telefongespräche mit dem Zeugen L, welcher sich als Landwirt ausgab, am 19.4.2009 und am 23.04.2009 ausdrücklich Pflanzgut der Kartoffelsorten „E“, „F“ und „M“ zum Verkauf anbot und dem Zeugen L am 23.4.2009 objektiv für Pflanzzwecke geeignete Kartoffeln der Sorten „G“, „E“, „F“ und „H“ zu Pflanzzwecken verkaufte.

Die Überzeugung des Gerichts gründet sich in erster Linie auf die Aussage des Zeugen L im Rahmen seiner Zeugenvernehmung am 22.2.2011, in welcher er die Vorwürfe der Klägerinnen bestätigte.

Die Aussage des Zeugen L ist glaubhaft. Der Zeuge, welcher insoweit auf ein seinerzeit von ihm selbst erstelltes Protokoll zurückgreifen konnte, schilderte die Vorgänge sehr detailliert. Dabei weist seine Aussage unter anderem solche Details zum Randgeschehen auf, die es besonders nachvollziehbar machen, dass der Zeuge die von ihm geschilderten Vorgänge tatsächlich so erlebte. Dies gilt beispielsweise insoweit, als dass er bekundete, im Rahmen des zweiten Telefonats den Beklagten darauf aufmerksam gemacht zu haben, lediglich 350 kg bestellt zu haben, und ihn bei der Abholung darauf hingewiesen zu haben, eigentlich eine lose Verpackung gewünscht zu haben. Wäre es dem Zeugen nur darum gegangen, den Beklagten wahrheitswidrig zu belasten, hätte er solche „Verkomplizierungen“ eher weggelassen. Auch auf Nachfragen aller Prozessbeteiligten war der Zeuge zu jeder Zeit in der Lage, stimmige Erklärungen zu geben. Auch wenn man berücksichtigt, dass der Zeuge als Außendienstmitarbeiter der J, der nach eigenem Bekunden im Jahr mit ca. acht entsprechenden Verdachtsfällen beschäftigt ist, über eine große Erfahrung mit solchen Fallkonstellationen verfügt, hat das Gericht keine Anhaltspunkte dafür, dass der Zeuge einen „konstruierten“ Fall schilderte. Das Gericht glaubt dem Zeugen insbesondere, dass er ausdrücklich Pflanzgut wünschte und der Beklagte ihm versicherte, dass die übergebenen Kartoffeln im warmen Boden sicherlich gut keimen würden.

Die Bekundungen des Zeugen L lassen sich auch durchaus mit dem Inhalt der Quittung gemäß Anlage K 5 in Einklang bringen. Soweit es dort heißt „Ware begutachtet ohne Beanstandungen gut befunden“ ist dem nicht zu entnehmen, dass allein Speisekartoffeln Gegenstand des Kaufvertrages gewesens sein können. Vielmehr kann die betreffende Bestätigung ohne Weiteres auch so gemeint gewesen sein, dass die veräußerten Kartoffeln trotz der geringen Anzahl von Keimen gleichwohl als zu Pflanzzwecken geeignet befunden und gerade auch zu diesem Zweck erworben wurden.

Der Zeuge L ist glaubwürdig. Das Gericht konnte sich aufgrund des persönlichen Eindrucks davon überzeugen, dass der Zeuge zu jeder Zeit um eine wahre Aussage bemüht war. Eine einseitige Belastungstendenz ohne objektive Grundlage war nicht festzustellen. Insbesondere lässt sich die Glaubwürdigkeit des Zeugen nicht etwa mit dem Argument verneinen, dass der Zeuge Außendienstmitarbeiter der J ist und insoweit „dem Lager von Sortenschutzinhabern“ zuzuordnen ist. Der Zeuge befindet sich in einem unbefristeten Beschäftigungsverhältnis; er erhält keine „Provision“ im Falle der Überführung von Sortenschutzverletzern. Insofern besteht kein Grund zur Annahme, er habe den Beklagten zu Unrecht belasten wollen.

Die Ausführungen des Beklagten im Rahmen seiner informatorischen Anhörung nach § 141 ZPO vermögen die Überzeugungskraft der Aussage des Zeugen L nicht zu erschüttern. Seine Angaben zum Geschehensablauf waren nicht nachvollziehbar. Dies gilt namentlich in Bezug auf den Umstand, dass der Beklagte nicht überzeugend begründen konnte, warum er denn außergerichtlich immerhin eine Unterlassungserklärung abgab. Sein Argument, Dritte hätten ihm zu diesem Schritt geraten, vermag nicht einzuleuchten. Auch wenn man berücksictigt, dass der Beklagte in Person nicht über die maßgeblichen Rechtskenntnisse verfügte, ist sein betreffendes Handeln nicht erklärlich. Wenn er davon ausgegangen wäre, nichts Unrechtes getan zu haben, hätte es nahe gelegen, auch keine Unterlassungserklärung abzugeben. Für eine Unterlassungserklärung hätte dann nämlich nicht mehr Anlass bestanden als für eine Verpflichtungserklärung, die der Beklagte verweigerte.

Die Art und Weise der vom Beklagten verwendeten Verpackung spricht nicht gegen die Annahme, dass die Kartoffeln als Pflanzgut verkauft wurden, da diese nur eines von mehreren Kriterien für die betreffende Frage darstellt. Aufgrund der Aussage des Zeugen L hat das Gericht keinen Zweifel daran, dass der Beklagte diese ausdrücklich als geeignetes Pflanzgut einstufte. Ebenso ist es unerheblich, dass die veräußerten Kartofffeln unsortiert waren: Zwar ist es für einen Landwirt nicht sinnvoll, Kartoffeln unterschiedlicher Sorten auszupflanzen; eine Minderung der Pflanzeignung geht damit jedoch nicht einher, so dass die aus Anlage K 22 ersichtlichen Tipps für den Kartoffelanbau für die Frage, ob der Beklagte zu Pflanzzwecken verkaufte, unerheblich sind. Da der Zeuge L sich eindeutig als Landwirt ausgab, war es für den Beklagten überdies offensichtlich, dass er nicht an einen privaten Haushalt oder einen Schälbetrieb lieferte.

Es kann zugunsten des Beklagten unterstellt werden, dass die übergebenen Kartoffeln im Reifegrad schon fortgeschritten und weich waren. Daraus folgt nämlich nicht, dass diese gänzlich ungeeignet waren, um verpflanzt zu werden. So führt der Beklagte selbst aus (Klageerwiderung, Seite 9, Blatt 27 GA), dass „die Kartoffeln in einem Zustand waren, in dem sie deutlich besser als Speisekartoffeln verwandt werden konnten“. Dies belegt, dass er eine Eignung als Pflanzkartoffeln gerade nicht mit absoluter Sicherheit ausschließen konnte, sondern das Pflanzen mit denselben lediglich erschwert war.
Da eine Sortenschutzverletzung bereits aufgrund der genannten tatsächlichen Gesichtspunkte feststeht, können die weiteren betreffenden Streitfragen zwischenden Partein offen bleiben: Es kommt nicht darauf an, ob der vereinbarte Preis ein typischer Schwarzmarktpreis für Pflanzkartoffeln ist, und ob Pflanzkartoffeln betreffende Anzeigen generell nicht unter der Rubrik „Verschiedenes“ geschaltet werden.

Schließlich räumt der Beklagte ausdrücklich selbst ein, dass in seiner Drillingssortierung die von den Klägerinnen behaupteten Sorten enthalten waren (vgl. Seite 14 der Klageerwiderung, Blatt 32 GA).

bb)
Zu widersprechen ist der Auffassung des Beklagten, das Vorgehen des Zeugen L im Zusammenhang mit dem Testkaufs sei „verwerflich“ gewesen. Der Zeuge L hatte einen konkreten Anlass, einen solchen Testkauf vorzubereiten und durchzuführen. In Anbetracht der Anzeige des Beklagten vom 17.04.2009 bestanden zureichende objektive Anhaltspunkte dafür, dass Sortenschutzverletzungen des Beklagten drohten. Auf S. 4 seines Schriftsatzes vom 19.01.2011 (Blatt 73 GA) hat der Beklagte zugestanden, dass „Drillinge“ jedenfalls in geringem Umfang auch zu Pflanzzwecken eingesetzt werden, so auch unter diesem Gesichtspunkt nichts Zwingendes dafür spricht, seine Anzeige sei offensichtlich nur auf Speisekartoffeln bezogen gewesen. Ferner handelte es sich im Zeitpunkt der Schaltung der Anzeige um die typische Pflanzzeit, wobei der Beklagte im Rahmen seiner Anzeige ganz bestimmte Sorten nannte, was vor allem für die Verwendung der Kartoffeln als Pflanzware von besonderer Bedeutung sein konnte. Dass ganzjährig Kartoffeln auch zu Speisezecken veräußert werden, ist zutreffend, kann aber nicht darüber hinwegdeuten, dass der hier maßgebliche Zeitpunkt der Anzeige jedenfalls auch im Kontext der typischen Pflanzzeit zu sehen ist. Der auf die Anzeige gegründete Verdacht des Zeugen L erhärtete sich auch in den anschließenden Telefonaten. Insofern ist die Durchführung des Testkaufs zum Zwecke der Beweissicherung nicht zu beanstanden. Selbst wenn der Beklagte im Zeitpunkt der Anzeige noch nicht die Absicht gehabt haben sollte, Pflanzware zu verkaufen, entschuldigte das jedenfalls nicht sein späteres Verhalten. Er hätte klarstellen müssen, dass er lediglich Kartoffeln zu Speisezwecken verkaufen wolle und konkrete Maßnahmen ergreifen müssen, um dies sicherzustellen. Insofern verfängt der Einwand des Beklagten, der Zeuge L habe ihn gleichsam zur Sortenschutzverletzung angestiftet, nicht. Es ist namentlich zulässig, sich als Testkäufer auf Verkaufsanzeigen von Landwirten zu melden und deren Redlichkeit in Bezug auf den Sortenschutz zu überprüfen (vgl. LG München I, Urteil vom 03.07.2008, Az.: 7 O 18622/07, siehe Anlagenkonvolut K 24).

cc)
Der Beklagte handelte schuldhaft. Von demjenigen, welcher mit Pflanzgut handelt, ist zu erwarten, dass er die auf diesem Gebiet bestehenden Schutzrechte kennt und überwacht und dass er sich bei Anwendung der verkehrsüblichen Sorgfalt über die Verletzung der Schutzrechte hätte klar werden können (BGH GRUR 1992, 615 – Nicola). Insofern fällt dem Beklagten jedenfalls Fahrlässigkeit zur Last.

dd)
Das Schadensersatzbegehren der Klägerinnen ist der Höhe nach jeweils angemessen. Zu Recht haben sie ihr Wahlrecht betreffend die Schadensberechnungsart dahingehend ausgeübt, dass sie die Berechnung nach de Grundsätzen der Lizenzanalogie vornehmen wollen.

Der Schaden der Klägerin zu 1) beträgt insgesamt EUR 176,25:

– EUR 85,00 für die Sorte E, nämlich EUR 17,00/dt zu je 5.0 dt;
– EUR 91,25 für die Sorte F, nämlich EUR 18,25/dt zu je 5.0dt

Der Schaden der Klägerin zu 2) beträgt EUR 90,00, nämlich für die Sorte M EUR 18,00/dt zu je 5.0 dt.

Im Wege der Schätzung nach § 287 ZPO geht das Gericht davon aus, dass die von den Klägerinnen in Ansatz gebrachten Lizenzgebühren pro dt jeweils angemessen sind. Die Klägerinnen haben unter Vorlage der Preislisten gemäß Anlagen K 6, K 7, K 8 bzw. Anlagenkonvolut K 27 substantiiert dargetan, dass die von ihnen hier geltend gemachten Lizenzgebühren im hier maßgeblichen Zeitraum für Kleinsortierungen den Marktverhältnissen entsprachen. Vernünftige Parteien eines Lizenzvertrages hätten sich demnach auf diese Beträge geeinigt. Zu Recht verweisen die Klägerinnen darauf, dass es unerheblich ist, ob die J im Vorfeld der Verletzungshandlungen Lizengebühren für Drillinge in ihrem veröffentlichten Ratgeber kundgegeben hatte oder nicht. Insofern sind die Einwendungen des Beklagten unerheblich.

Soweit der Beklagte auf den Vorlagebeschluss des BGH vom 30.09.2010 (GRUR 2010, 1087) verweist, verkennt er, dass es insoweit allein um die Höhe der Entschädigung im Falle eines unrechtmäßigen Nachbaus geht. Der hier streitgegenständliche Vorwurf betrifft jedoch eine Sortenschutzverletzung durch das Anbieten und Verkaufen von Vermehrungsgut. Insoweit ist die Rechtsfrage, welche Anlass zur Vorlage an den EuGH gab, im vorliegenden Falle nicht von Bedeutung.

Auch die Verpflichtung des Beklagten zur Erstattung der Abmahnkosten findet ihre rechtliche Grundlage in § 37 Abs. 2 SortG, Art. 94 Abs. 2 GemSortVO.

Zu Recht beziffern die Klägerinnen den ihnen als Gesamtgläubigern geschuldeten Betrag an vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren auf EUR 1071,83 (1,3 Gebühr gemäß Nr. 2300 VV RVG, Nr. 7002 VV RVG). Der Ansatz eines Gegenstandswertes für die vorprozessuale Tätigkeit i.H.v. EUR 45.000 (EUR 7500 je Sorte) ist angemesssen. Zu beachten ist, dass vorprozessual auch Ansprüche auf Unterlassung und Rechnungslegung streitig waren. Für die Bemessung des Wertes eines Unterlassungsanspruchs kommt es darauf an, mit welchen Nachteilen der Berechtigte bei einer Fortsetzung des beanstandeten Verhaltens rechnen muss. Ausschlaggebend ist also das wirtschaftliche Interesse an einer Abwehr der mit weiteren Verstößen drohenden Nachteile. Wie sich aus dem Anlagenkonvolut K 1, der Anlage K 2 und dem Anlagenkonvolut K 17 ergibt, genießen die streitgegenständlichen Sorten jeweils noch Schutz bis mindestens 2012, teils sogar bis 2030. Im Zeitpunkt der Verletzungshandlungen bestand also jeweils noch Schutz für mehrere Jahre. Der Umstand, dass der Beklagte seine Verletzungshandlungen hartnäckig leugnete, deutet auf mangelndes Unrechtsbewusstsein und damit auf eine hohe Wiederholungsgefahr hin. Da dem Beklagten nach eigenen Angaben zumindest 10 Hektar Betriebsfläche zur Verfügung stehen, sind die drohenden Schäden auch erheblich. Vor diesem Hintergrund begegnet es keinen Bedenken, allein dem Unterlassungsanspruch einen Wert von EUR 5.000 und den übrigen Ansprüchen einen solchen von EUR 2.500 zuzumessen.

Insofern errechnet sich für sechs Sorten eine Gebührenforderung i.H.v. EUR 1286,20. Da auf die Klägerin zu 1) insoweit vier Sorten und auf die Klägerin zu 2) eine Sorte entfällt, steht ihnen als Gesamtgläubigerinnen ein Anspruch von 5/6 dieses Betrages, mithin auf Zahlung von EUR 1071,83 zu.

b)
Die Klägerinnen sind aktivlegitimiert.

Die Klägerin zu 1) ist unstreitig ausschließliche Nutzungsberechtigte der Sorten „E“, „F“, „G“ und „H“. Im Falle der Einräumung eines ausschließlichen Nutzungsrechts ist nur noch der ausschließlich Nutzungsberechtigte zur Geltendmachung der Sortenschutzrechte berechtigt (Leßmann/Würtenberger, Deutsches und europäisches Sortenschutzrecht, 2. Auflage, 2009, § 4, S. 122 f.).

Auch die Klägerin zu 2) ist aktivlegitimiert. Es steht zur vollen Überzeugung des Gerichts fest, dass sie Sortenschutzinhaberin in Bezug auf die Sorte „M“ ist. Zwar ist in dem Auszug gemäß Anlage K 2 als Inhaberin die „P GbR“ als Inhaberin genannt. Indes hat die Klägerin zu 2) durch Vorlage des Schreibens gemäß Anlage K 26 belegt, dass eine entsprechende Umfirmierung stattgefunden hatte; einer Zeugenvernehmung bedurfte es insoweit nicht. Im Termin zur mündlichen Verhandlung legte die Klägerin zu 2) zudem beglaubigte Abschriften des Gesellschafterbeschlusses der A GbR vom 30.6.2010 und des Vertrages über ihre – der jetzigen Klägerin zu 2) – Gründung am 30.6.2010 vor. Anhand dieser lässt sich der Vortrag der Klägerin zu 2) zu ihrer Aktivlegitimation lückenlos nachvollziehen. Insbesondere weist auch der im Verhandlungstermin vorgelegte HR-Auszug aus, dass ihre Kommanditisten identisch sind mit den früheren Gesellschaftern der Q GbR. Dadurch, dass sämtliche GbR-Anteile als Kommanditanteile in die Klägerin zu 2) eingebracht wurden, erlosch die GbR und unter anderem das Sortenschutzrecht an der Sorte „M“ ging im Wege der Anwachsung auf die Klägerin zu 2) über.

c)
Unstreitig verfügte der Beklagte nicht über die notwendigen Zustimmungen für ein Anbieten und Verkaufen von Vermehrungsmaterial der hier streitgegenständlichen, geschützten Sorten.

3)
Die zuerkannten Zinsansprüche finden ihre Grundlage in §§ 280 Abs. 2, 286 BGB. Der Beklagte befand sich aufgrund der Schreiben gemäß Anlagen K 11 bzw. K 15 ab den betreffeden Zeitpunkten im Schuldnerverzug.

II.

Die Kostenentscheidung zulasten der Gesellschafter der früheren N GbR ergibt sich aus § 269 Abs. 3 S. 2 analog ZPO, da diese als Veranlasser der Klageerhebung durch die seinerzeit bereits nicht mehr existente GbR anzusehen sind (vgl. BGH NJW 2001, 1056, 1060; Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Auflage, vor § 50 Rn 11). Sie haben die ausscheidbaren Mehrkosten zu tragen, die dadurch entstanden, dass zunächst die mit der jetzigen Klägerin zu 2) nicht identische GbR Klage erhoben hat (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 28. Auflage, § 91 Rn 13 unter „Parteiwechsel“ m.w.N. zum Streitstand).

Im Übrigen ergibt sich die Kostenentscheidung aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Bei der Streitwertfestsetzung ist zu beachten, dass die Geltendmachung vorgerichtlicher Kosten nur dann nicht streitwerterhöhend wirkt, wenn sie als Nebenforderung geltend gemacht werden (§ 4 Abs. 1 ZPO). Hier verhält es sich aber so, dass der Hauptanteil der vorgerichtlichen Kosten auf die Geltendmachung der Unterlassungs- und Auskunftsansprüche zurückgeht, die sich schon außergerichtlich erledigt hatten. Insofern fehlt es ganz überwiegend an einem Abhängigkeitsverhältnis zwischen der noch streitigen Hauptforderung und den vorgerichtlichen Kosten, so dass es sich ganz überwiegend nicht um die Geltendmachung einer Nebenforderung im Sinne von § 4 Abs. 1 ZPO handelt (vgl. BGH FamRZ 2009, 867 L); streitegenständlich in der Hauptsache sind nur noch Schadensersatzansprüche. Das Gericht berücksichtigt die vorgerichtlichen Kosten deshalb mit einem Anteil von EUR 900 als streitwerterhöhend.

Vor diesem Hintergrung ist aus der Sicht des Gerichts erster Instanz auch keine Entscheidung über die Zulassung der Berufung gemäß § 511 Abs. 4 ZPO zu treffen, weil von einem Wert der Beschwer des Beklagten über EUR 600 auszugehen ist (vgl. Musielak, ZPO, 7. Auflage, 2009, § 511 Rn 42).