Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 24. März 2011, Az. 4b O 11/10
I. Die Beklagte wird verurteilt,
1. es zu unterlassen,
Vorrichtungen zum Zurückführen einer auftretenden Beulenbildung bei einer durch Erwärmung beulig gewordenen Folienbahn, mit einer Fördervorrichtung zum Bereitstellen der Folienbahn und einer Heizeinrichtung zum Erwärmen der Folienbahn, wobei die Fördervorrichtung zwei Fördereinrichtungen in Form von Bandpaaren mit Nadeln, Kratzen oder Kluppen aufweist, wobei die in Förderrichtung zweite Fördereinrichtung zum Verstrecken der Folienbahn in Förderrichtung mit einer größeren Geschwindigkeit angetrieben ist als die in Förderrichtung erste Fördereinrichtung, wobei die zweite Fördereinrichtung seitliche Führungen für die Folienbahn bereitstellt, die zum Verstrecken der Folienbahn quer zur Förderrichtung voneinander weg bewegbar sind, und wobei die beiden Fördereinrichtungen intermittierend angetrieben sind,
herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
bei denen die Geschwindigkeitsdifferenz zwischen den beiden Fördereinrichtungen stufenlos regelbar ist;
2. der Klägerin in einem geordneten, nach Kalenderjahren sortierten und jeweils Zusammenfassungen enthaltenen Verzeichnis Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu Ziffer 1. bezeichneten Handlungen seit dem 20.04.2007 begangen hat, und zwar unter Angabe
a) der Herstellungsmengen und -zeiten zugeordnet zu Typenbezeichnungen,
b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer und unter Vorlage von Rechnungen,
c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet sowie bei Internetwerbung des Schaltungszeitraums, der Internetadressen sowie der Suchmaschinen, bei denen die jeweiligen Seiten direkt oder über ein Gesamtangebot gemeldet waren,
e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
wobei der Beklagten nach ihrer Wahl vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer Empfänger von Angeboten und nicht-gewerblichen Abnehmer statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden und ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte die durch dessen Einschaltung entstehenden Kosten übernimmt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, ob eine bestimmte Lieferung oder ein bestimmter Abnehmer in der Auskunft oder ein bestimmter Empfänger eines Angebots in der Rechnung enthalten ist;
3. die vorstehend unter Ziffer 1. bezeichneten, im Besitz gewerblicher Dritter befindlichen und nach dem 20.04.2007 in der Bundesrepublik Deutschland Dritten angebotenen und/oder an Dritte in Verkehr gebrachten und/oder gebrauchten und/oder zu diesen Zwecken besessenen Vorrichtungen aus den Vertriebswegen
zurückzurufen, indem diejenigen gewerblichen Dritten, denen durch die Beklagte oder mit deren Zustimmung Besitz an den Vorrichtungen eingeräumt wurde, darüber schriftlich informiert werden, dass die Kammer mit dem hiesigen Urteil auf eine Verletzung des Klagepatents DE 101 13 XXX B4 erkannt hat und sie ernsthaft aufgefordert werden, die Vorrichtungen an die Beklagte zurückzugeben und den Dritten dazu ein Angebot zur Rücknahme dieser Vorrichtungen durch die Beklagte unterbreitet wird und den gewerblichen Abnehmern für den Fall der Rückgabe der Vorrichtungen eine Erstattung des gegebenenfalls bereits gezahlten Kaufpreises bzw. eines sonstigen Äquivalents für die zurückgerufenen Vorrichtungen sowie die Übernahme der Kosten für die Rückgabe zugesagt wird und die Beklagte die Vorrichtungen wieder an sich nimmt.
II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu Ziffer I. 1. bezeichneten, seit dem 20.04.2007 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
III. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
IV. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 100.000,00 € vorläufig vollstreckbar. Die Sicherheitsleistung kann auch durch eine unwiderrufliche, unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Europäischen Union als Zoll- oder Steuerbürgin anerkannten Bank oder Sparkasse erbracht werden.
V. Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen das in Ziffer I. 1. ausgesprochene Unterlassungsgebot ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfalle Ordnungshaft bis zu insgesamt 2 Jahren, angedroht, wobei die Ordnungshaft an dem Geschäftsführer der Beklagten zu vollstrecken ist.
Tatbestand
Die Klägerin ist durch Umwandlung aus der A AG hervorgegangen. Sie ist seit dem 20.04.2007 eingetragene Inhaberin des deutschen Patents 101 13 XXX B4 (nachfolgend: Klagepatent; Anlage K1). Das Klagepatent wurde am 20.03.2001 unter Inanspruchnahme einer Priorität vom 28.04.2000 von der B GmbH angemeldet. Die Offenlegung der Anmeldung erfolgte am 31.10.2001. Am 01.06.2006 wurde der Hinweis auf die Patenterteilung veröffentlicht. Das Klagepatent steht in Kraft.
Die Beklagte hat unter dem 26.03.2010 Nichtigkeitsklage gegen das Klagepatent erhoben (Anlagenkonvolut B1), der die Klägerin mit Schriftsätzen vom 22.05.2010 (Anlage K10) und 24.08.2010 (Anlage K11) entgegengetreten ist. Hierauf hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 23.12.2010 (Anlage B2) erwidert.
Das Klagepatent betrifft ein Verfahren und eine Vorrichtung zum Zurückführen einer auftretenden Beulenbildung bei einer durch Erwärmung beulig gewordenen Folienbahn. Mit Antrag vom 19.01.2010 hat die Klägerin bei dem Deutschen Patent- und Markenamt ein Beschränkungsverfahren eingeleitet. Die vorliegende Klage stützt sich auf den im Beschränkungsantrag als Patentanspruch 3 formulierten Vorrichtungsanspruch, der sich aus den ursprünglich eingetragenen Schutzansprüchen 4 und 6 zusammensetzt. Im Nichtigkeitsverfahren hat die Klägerin eine weitere Beschränkung vorgenommen, so dass der hier geltend gemachte Vorrichtungsanspruch nunmehr wie folgt lautet:
Vorrichtung zum Zurückführen einer auftretenden Beulenbildung bei einer durch Erwärmung beulig gewordenen Folienbahn (3), mit einer Fördervorrichtung (4) zum Bereitstellen der Folienbahn (3) und einer Heizeinrichtung (5) zum Erwärmen der Folienbahn (3), wobei die Fördervorrichtung (4) zwei Fördereinrichtungen (41, 43) in Form von Bandpaaren mit Nadeln, Kratzen oder Kluppen aufweist, wobei die in Förderrichtung zweite Fördereinrichtung (43) zum Verstrecken der Folienbahn (3) in Förderrichtung mit einer größeren Geschwindigkeit angetrieben ist als die in Förderrichtung erste Fördereinrichtung (41), wobei die zweite Fördereinrichtung (43) seitliche Führungen (431, 432) für die Folienbahn (3) bereitstellt, die zum Verstrecken der Folienbahn (3) quer zur Förderrichtung voneinander weg bewegbar sind, und wobei die beiden Fördereinrichtungen (41, 43) intermittierend angetrieben sind, wobei die Geschwindigkeitsdifferenz zwischen den beiden Fördereinrichtungen (41, 43) stufenlos regelbar ist.
Die nachfolgend (verkleinert) wiedergegebenen Figuren 1 und 2 der Klagepatentschrift veranschaulichen den Gegenstand der erfindungsgemäßen Lehre anhand bevorzugter Ausführungsbeispiele. Figur 1 stellt dabei eine Seitenansicht einer als Tiefziehanlage ausgebildeten Umformeinrichtung dar, während Figur 2 die Draufsicht auf die Anlage zeigt.
Die Beklagte ist eine Tochtergesellschaft der weltweit tätigen C GmbH, die Maschinen und Anlagen rund um die Produktion von Kunststoffteilen für verschiedene Anwendungsbereiche herstellt. Die Beklagte stellt her und vertreibt unter anderem sog. Kettenschienen, also Fördereinrichtungen für Folienbahnen (nachfolgend: Angegriffene Ausführungsform). Deren Funktionsweise erläutert die Beklagte in ihrer Werbung (Anlage K5). Der grundsätzliche Aufbau der angegriffenen Ausführungsform lässt sich außerdem der nachfolgenden Abbildung entnehmen, die den Unterlagen der Beklagten zu einem Vortrag entnommen ist (vgl. Anlage K6).
Die Maschinen der Beklagten werden überwiegend in der Automobilindustrie eingesetzt, etwa um Innenverkleidungen für Kraftfahrzeuge zu formen. Dabei finden Folien von ca. 3 mm Dicke Verwendung. Diese werden im intermittierenden Antrieb mit einer Geschwindigkeit von ca. 2,7 m / 2 s, d.h. 1,35 m / s, durch die Heizeinrichtung zur Umformstation befördert. Die beiden Fördereinrichtungen werden einzeln angetrieben, wobei die Geschwindigkeitsdifferenz in ganzzahligen Prozentschritten manuell einstellbar ist. Die seitlichen Führungen der zweiten Fördereinrichtung können bei Stillstand der Maschine, wenn die Folie nicht eingefädelt ist, voneinander weg bewegt werden.
Die Ausgestaltung der angegriffenen Ausführungsform ist Gegenstand der Patentanmeldung DE 10 2006 048 XXX A1 (Anlage K9). Ein Patent wurde bislang nicht erteilt.
Die Klägerin ist der Auffassung, die angegriffene Ausführungsform mache wortsinngemäß von der technischen Lehre des im Rahmen der vorliegenden Klage geltend gemachten Vorrichtungsanspruches Gebrauch.
Insbesondere weise die angegriffene Ausführungsform Fördereinrichtungen auf, die durch Nadeln gebildet würden. Insofern sei in den von ihr als Anlage K12 vorgelegten Detailaufnahmen deutlich zu erkennen, dass die Folienbahn durch auf Profilschienen laufende Ketten transportiert werde, an denen zum Schutz der Folienbahn vor Verrutschen Nadeln ausgebildet seien.
Weiter sei die Geschwindigkeitsdifferenz zwischen den beiden Fördereinrichtungen stufenlos regelbar. Dies erfordere nach dem Klagepatent keine automatische Regelung der Geschwindigkeiten entsprechend der jeweils gegebenen Umgebungsparameter. Vielmehr sei ausreichend, dass die Geschwindigkeiten der beiden Antriebe und deren Verhältnis zueinander manuell eingestellt werden könnten. Die vom Klagepatent vorausgesetzte Stufenlosigkeit der Regelung sei dahingehend auszulegen, dass die Geschwindigkeitsdifferenz jedenfalls soweit regelbar sei, wie dies im Hinblick auf den konkreten Einsatzzweck der Maschine technisch notwendig sei. Eine Einstellung der Geschwindigkeitsdifferenz bis in den kleinsten Dezimalbereich hinein erfordere das Klagepatent nicht. Soweit die Klagepatentschrift eine Geschwindigkeitsdifferenz von 2-4 % als bevorzugt beschreibe, habe sich dies aus einem ganz bestimmten, engen Einsatzbereich heraus ergeben. Heute würden entsprechende Vorrichtungen auch in anderen Bereichen eingesetzt, die eine Geschwindigkeitsdifferenz von bis zu 10 % sinnvoll erscheinen ließen. Je dicker die im konkreten Fall verwendeten Folien seien, desto größer könnten die im Rahmen der Einstellung möglichen Stufen sein, da eine feinere Einstellbarkeit der Geschwindigkeitsdifferenz in diesem Fall technisch keinen Sinn mache. Nachdem die von der Beklagten im Zusammenhang mit der angegriffenen Ausführungsform verwendete Folie – insoweit unstreitig – ca. 3 mm dick sei, sei eine Einstellbarkeit der Geschwindigkeitsdifferenz im ganzzahligen Prozentbereich völlig ausreichend, um das Merkmal der Stufenlosigkeit im Sinne des Klagepatents zu verwirklichen. Dies gelte auch deshalb, weil die Folie mit einer relativ hohen Geschwindigkeit transportiert werde.
Schließlich weise die zweite Fördereinrichtung seitliche Führungen für die Folienbahn auf, die zum Verstrecken der Folienbahn quer zur Förderrichtung voneinander wegbewegbar seien. Dieses Merkmal erfordere nicht, dass im laufenden Betrieb, d.h. während des Transportes der Folienbahn in Förderrichtung, eine Bewegung der seitlichen Führungen stattfinde. Vielmehr könne ein Verstrecken der Folienbahn quer zur Förderrichtung auch dadurch bewirkt werden, dass die seitlichen Führungen zuvor trapezförmig ausgerichtet worden seien, so dass die Folienbahn allein durch ihren Weitertransport in Förderrichtung durch den zunehmenden Abstand der seitlichen Führungen zueinander quer zur Förderrichtung verstreckt werde.
Die Klägerin beantragt, nachdem sie in der mündlichen Verhandlung vom 24.02.2011 eine teilweise Klagerücknahme dahingehend erklärt hat, dass der Klageantrag zu Ziffer I. 3. auf den Rückrufanspruch beschränkt und lediglich für Vorrichtungen geltend gemacht wird, die nach dem 20.04.2007 in Verkehr gebracht wurden,
zu erkennen wie geschehen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise, das Verletzungsverfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Nichtigkeitsklage gegen das Klagepatent auszusetzen.
Die Beklagte ist der Auffassung, die angegriffene Ausführungsform mache von der technischen Lehre des Klagepatents keinen Gebrauch.
Die angegriffene Ausführungsform weise schon keine Fördereinrichtungen auf, die durch Bandpaare mit Nadeln, Kratzen oder Kluppen gebildet seien.
Weiter sei die Geschwindigkeitsdifferenz zwischen den beiden Fördereinrichtungen bei der angegriffenen Ausführungsform nicht stufenlos regelbar. Der Fachmann verstehe dieses Merkmal dahingehend, dass es sich um ein System mit Rückkopplung handeln müsse. Die Anpassung der Geschwindigkeiten der Antriebe müsse daher automatisch unter Berücksichtigung der jeweiligen Umgebungsparameter erfolgen. Es sei nicht ausreichend, dass die Geschwindigkeiten der Antriebe lediglich manuell auf bestimmte Werte eingestellt werden könnten, wie dies bei der angegriffenen Ausführungsform der Fall sei. Im Übrigen sei keine stufenlose Regelung im Sinne des Klagepatents gegeben, da die Einstellung der Geschwindigkeitsdifferenz bei der angegriffenen Ausführungsform nur in ganzzahligen Prozentschritten erfolge. Der Begriff der „Stufenlosigkeit“ müsse aber gegenüber dem Begriff der „Regelung“ einen Mehrwert aufweisen. Daher sei das Klagepatent dahingehend auszulegen, dass die Geschwindigkeitsdifferenz auf jeden beliebigen Wert eingestellt und dort gehalten werden könne. Bei der von dem Klagepatent als bevorzugt dargestellten Geschwindigkeitsdifferenz von 2-4 % seien hingegen bei der angegriffenen Ausführungsform lediglich drei Stufen denkbar, nämlich 2, 3 und 4 %. Dies erfülle nicht das Merkmal der Stufenlosigkeit. Insofern sei unerheblich, dass bei der angegriffenen Ausführungsform Folien von 3 mm Dicke verwendet würden. Gerade im Anlaufprozess der Maschine komme es zu Schwankungen in den Umgebungsparametern, die eine Anpassung der Geschwindigkeitsdifferenz in sehr kleinen Prozentschritten sinnvoll erscheinen lasse.
Schließlich seien die seitlichen Führungen der zweiten Fördereinrichtung nicht zum Verstrecken der Folienbahn quer zur Förderrichtung voneinander wegbewegbar. Die Möglichkeit, die seitlichen Führungen voneinander wegzubewegen, müsse nach der erfindungsgemäßen Lehre in direktem Zusammenhang zu dem beschriebenen Zweck stehen, die Folienbahn quer zur Förderrichtung zu verstrecken. Zudem müsse die Querverstreckung im intermittierenden Betrieb erfolgen. Der geltend gemachte Patentanspruch setze daher voraus, dass das Förderband während der Querverstreckung stillstehe und sodann durch eine Bewegung der seitlichen Führungen voneinander weg eine Querverstreckung der Folienbahn bewirkt werde. Dies sei bei der angegriffenen Ausführungsform nicht der Fall, da eine Bewegung der seitlichen Führungen bei eingefädelter Folienbahn technisch nicht möglich sei. Die Querverstreckung finde bei der angegriffenen Ausführungsform vielmehr unmittelbar nach dem Einfädeln der Folie noch vor der Folienlängsverstreckung und damit in der ersten, nicht aber in der zweiten Fördereinrichtung statt.
Zudem ist die Beklagte der Ansicht, das Klagepatent werde sich in dem eingeleiteten Nichtigkeitsverfahren nicht als rechtsbeständig erweisen, da seine technische Lehre weder neu noch erfinderisch sei.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und begründet. Der Klägerin stehen gegen die Beklagte Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Schadensersatz sowie Rückruf aus den Vertriebswegen aus den §§ 139 Abs. 1 und 2, 140 a Abs. 3, 140 b, 9 S. 2 Nr. 1 PatG, §§ 242, 259 BGB zu.
I.
Die dem Klagepatent zugrunde liegende Erfindung betrifft ein Verfahren zum Zurückführen von auftretender Beulenbildung bei der Erwärmung einer Folienbahn und eine entsprechende Vorrichtung (Anlage K1 Abs. [0001]).
Ausweislich der Klagepatentschrift war im Stand der Technik bekannt, zur Herstellung von Umformteilen wie beispielsweise Joghurtbechern und ähnlichem thermoplastische Folien zu erwärmen und anschließend zu verformen. Die Folie liegt dabei entweder aufgewickelt auf einer Kaule oder Rolle vor oder wird im Inline-Betrieb über einen Extruder, eine Schmelzepumpe, eine Breitschlitzdüse oder ein Glättwerk bereitgestellt. Anschließend wird sie über eine Fördereinrichtung der Umformstation zugeführt, wobei die Folienbahn auf beiden Seiten von Förderbändern gehalten wird. Bei einer vollautomatischen Tiefziehanlage durchläuft die Folienbahn so eine Heizeinrichtung und wird sodann in erwärmtem Zustand in der Umformstation zu der gewünschten Form verformt. Der Transport erfolgt diskontinuierlich entsprechend dem Zeitaufwand für das Erwärmen des Folienabschnitts, das Verformen, das Abkühlen und Ausstanzen der Formteile (Anlage K1 Abs. [0002]).
Die Klagepatentschrift verweist weiter auf die GB 1,001,XXX, die ein Verfahren zum Thermoformen von biaxial verstreckten, thermoplastischen Folienbögen betrifft. Dabei wird eine bereits monoaxial verstreckte Folienbahn von einer Rolle abgewickelt und einer Schneideinrichtung zugeführt. Dort werden einzelne Folienbögen abgetrennt, die anschließend erwärmt und sodann in einer Reckeinrichtung quer zur Förderrichtung gestreckt werden. Das Ergebnis ist ein biaxial gereckter Folienbogen, bei dem die Fadenmoleküle des Kunststoffs durch die Streckung bestimmte Orientierungen innerhalb der Folie angenommen haben. Zum Erhalten der Reckspannung wird der Folienbogen in einen Rahmen gespannt und der Thermoformanlage zum Erzeugen von Formlingen zugeführt (Anlage K1 Abs. [0003]).
Schließlich verweist die Klagepatentschrift auf die EP 0 056 XXX A2 und die DE 28 32 XXX A1, die beide Vorrichtungen zum Recken einer aus der Kunststoffschmelze erzeugten Folienbahn in kontinuierlichem Durchlauf betreffen. Schrittweise wird die solchermaßen gereckte Folie dann an eine Thermostation übergeben. Dabei muss die Folienbahn zur Vermeidung von Relaxationen und Reckeffektverlusten permanent unter Zugspannung gehalten werden (Anlage K1 Abs. [0004]).
Die Klagepatentschrift beschreibt es als nachteilig an der eingangs beschriebenen Umformeinrichtung, dass sich der beidseitig eingespannte Folienabschnitt der Folienbahn im Zuge der Erwärmung ausdehne und schließlich in der Mitte durchhänge. Innerhalb der Heizeinrichtung resultiere hieraus ein unterschiedlicher Abstand der einzelnen Bereiche der Folienbahn zur Wärmequelle. Daher sei die Temperaturverteilung innerhalb des Folienabschnitts unterschiedlich, was im nachfolgenden Umformschritt dazu führe, dass die thermoplastische Folie unterschiedlich gedehnt werde. Hierdurch würden unterschiedliche Wanddicken im erzielten Formteil auftreten; eine einheitliche Qualität der Formteile könne nicht gewährleistet werden (Anlage K1 Abs. [0005]).
Ein weiterer Nachteil der bekannten Umformeinrichtung bestehe darin, dass die durchhängende Folie im Scheitelbereich als erstes das kühlere Verformwerkzeug berühre. Dies führe im Verhältnis von Becherdurchmesser zu Bechertiefe zu ungünstigen Ergebnissen. Um diese zu vermeiden, müsse die Foliendicke erhöht werden, was wiederum einen erhöhten Materialverbrauch und eine Steigerung des Energieverbrauchs zur Folge habe (Anlage K1 Abs. [0007]).
Vor dem Hintergrund des beschriebenen Standes der Technik formuliert die Klagepatentschrift die Aufgabe (das technische Problem), ein Verfahren und eine Vorrichtung zu schaffen, durch die die bei einer Erwärmung einer am Seitenrand eingespannten thermoplastischen Folienbahn auftretende Beulenbildung zurückgeführt werden kann (Anlage K1 Abs. [0008]). Dies soll durch ein zweiachsiges Verstrecken des betreffenden Folienabschnitts erreicht werden (Anlage K1 Abs. [0010]). Hierzu werden zwei Fördereinrichtungen hintereinander angeordnet. Die erste Fördereinrichtung streckt die Folienbahn in Förderrichtung, die zweite Fördereinrichtung übernimmt die Verstreckung quer zur Förderrichtung. Die in Förderrichtung zweite Fördereinrichtung wird mit einer größeren Geschwindigkeit angetrieben als die in Förderrichtung erste Fördereinrichtung, wobei die Geschwindigkeitsdifferenz zwischen den beiden Fördereinrichtungen solchermaßen eingestellt wird, dass sie die aufgrund der Erwärmung erfolgte Dehnung der Folienbahn gerade zurückführt (Anlage K1 Abs. [0011]).
Die Klägerin hat das Klagepatent im Rahmen eines von ihr geführten Beschränkungsverfahrens sowie im Rahmen des gegen das Klagepatent geführten Nichtigkeitsverfahrens eingeschränkt. Das Klagepatent sieht nunmehr in dem mit dem Beschränkungsantrag formulierten Patentanspruch 3 in seiner im Nichtigkeitsverfahren verteidigten Fassung eine Vorrichtung mit folgenden Merkmalen vor:
1. Vorrichtung zum Zurückführen einer auftretenden Beulenbildung bei einer durch Erwärmung beulig gewordenen Folienbahn (3), mit
1.1 einer Fördervorrichtung (4) zum Bereitstellen der Folienbahn (3) und
1.2 einer Heizeinrichtung (5) zum Erwärmen der Folienbahn (3).
2. Die Fördervorrichtung (4)
2.1 weist zwei Fördereinrichtungen (41, 43) auf,
2.1.1. die durch Bandpaare mit Nadeln, Kratzen oder Kluppen gebildet sind,
2.2 die intermittierend angetrieben sind,
2.3 wobei die in Förderrichtung zweite Fördereinrichtung (43) zum Verstrecken der Folienbahn (3) in Förderrichtung mit einer größeren Geschwindigkeit angetrieben ist als die in Förderrichtung erste Fördereinrichtung (41) und
2.4 wobei die Geschwindigkeitsdifferenz zwischen den beiden Fördereinrichtungen (41, 43) stufenlos regelbar ist.
3. Die zweite Fördereinrichtung (43)
3.1 stellt seitliche Führungen (431, 432) für die Folienbahn (3) bereit,
3.2 die zum Verstrecken der Folienbahn (3) quer zur Förderrichtung voneinander weg bewegbar sind.
II.
Die angegriffene Ausführungsform macht von der technischen Lehre des Klagepatents, wie sich sich aus der vorstehend wiedergegebenen Merkmalsgliederung ergibt, wortsinngemäß Gebrauch.
Unstreitig handelt es sich bei der angegriffenen Ausführungsform um eine Vorrichtung zum Zurückführen einer auftretenden Beulenbildung bei einer durch Erwärmung beulig gewordenen Folienbahn (Merkmal 1) mit einer Fördervorrichtung zum Bereitstellen der Förderbahn (Merkmal 1.1) und einer Heizeinrichtung zum Erwärmen der Folienbahn (Merkmal 1.2). Ebenfalls unstreitig ist zwischen den Parteien, dass die Fördervorrichtung zwei Fördereinrichtungen aufweist (Merkmal 2.1), die intermittierend angetrieben sind (Merkmal 2.2), wobei die in Förderrichtung zweite Fördereinrichtung zum Verstrecken der Folienbahn in Förderrichtung mit einer größeren Geschwindigkeit angetrieben ist als die in Förderrichtung erste Fördereinrichtung (Merkmal 2.3). Schließlich ist unstreitig, dass die zweite Fördereinrichtung seitliche Führungen für die Folienbahn bereitstellt (Merkmal 3.1).
Zwischen den Parteien im Streit stehen ausschließlich die Merkmale 2.1.1, 2.4 und 3.2 der vorstehend wiedergegebenen Merkmalsgliederung, wonach die Fördereinrichtungen durch Bandpaare mit Nadeln, Kratzen oder Kluppen gebildet sind, die Geschwindigkeitsdifferenz zwischen den beiden Fördereinrichtungen stufenlos regelbar ist und die seitlichen Führungen der zweiten Fördereinrichtung zum Verstrecken der Folienbahn quer zur Förderrichtung voneinander wegbewegbar sind.
1.
Die Fördereinrichtungen der angegriffenen Ausführungsform sind im Sinne von Merkmal 2.1.1 durch Nadeln gebildet. In den von der Klägerin als Anlage K12 vorgelegten Detailaufnahmen der angegriffenen Ausführungsform ist zu erkennen, dass an den auf Profilschienen laufenden Ketten, die die Folienbahn transportieren, Nadeln ausgebildet sind, die dazu dienen, die Folienbahn sicher und ohne Verrutschen zu führen (vgl. insbesondere die letzte Abbildung in Anlage K12). Die Beklagte ist dem entsprechenden Vortrag der Klägerin nicht mehr entgegengetreten.
2.
Auch Merkmal 2.4 wird von der angegriffenen Ausführungsform wortsinngemäß verwirklicht. Hiernach ist die Geschwindigkeitsdifferenz zwischen den beiden Fördereinrichtungen stufenlos regelbar.
Der Begriff der Regelung ist hierbei – entgegen der Auffassung der Beklagten – nicht in dem Sinne zu verstehen, dass es sich dabei zwingend um ein System mit Rückkopplung handeln muss. Zwar mag der Fachmann hiervon üblicherweise ausgehen, wenn er den Begriff der „Regelung“ benutzt, dies ist aber letztlich unerheblich, wenn die Klagepatentschrift selbst ein anderes Verständnis nahelegt. Denn jede Patentschrift ist aus sich selbst heraus auszulegen und bildet gewissermaßen ihr eigenes Lexikon für die in ihr gebrauchten Begriffe (BGH, GRUR 1999, 909, 912 – Spannschraube).
Dadurch, dass die in Förderrichtung zweite Fördereinrichtung mit einer größeren Geschwindigkeit angetrieben wird als die in Förderrichtung erste Fördereinrichtung, kommt es zu einem Verstrecken der Folienbahn in Folienrichtung (Merkmal 2.3) Indem das Klagepatent vorsieht, dass die dabei zwischen den beiden Fördereinrichtungen bestehende Geschwindigkeitsdifferenz regelbar sein soll (Merkmal 2.4), wird eine Anpassung an eventuelle Schwankungen der Materialeigenschaften der Folienbahn oder an andere Parameter wie die Effektivität der Heizeinrichtung ermöglicht (vgl. Anlage K1 Abs. [0016]). Eine solche Anpassung kann ohne weiteres dadurch erreicht werden, dass eine Bedienperson entsprechend der Umgebungsparameter die Geschwindigkeiten der Antriebe jeweils für sich genommen optimal einstellt. Demgegenüber fordert die Klagepatentschrift nicht, dass die Anpassung der Geschwindigkeiten im laufenden Betrieb automatisch erfolgen muss, sobald sich die Umgebungsparameter ändern. Insbesondere lässt sich dies nicht allein anhand einer Unterscheidung zwischen den Begriffen der „Steuerung“ und der „Regelung“ begründen. Zwar kennt die Klagepatentschrift sowohl den Begriff der Steuerung (vgl. Abs. [0031]) als auch den Begriff der Regelung (vgl. Abs. [0016] und [0040]), es gibt aber keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klagepatentschrift diesen Begriffen eine unterschiedliche Bedeutung zumisst. Vielmehr soll die Regelung der Geschwindigkeitsdifferenz zwischen den beiden Fördereinrichtungen die Verwendung unterschiedlicher Materialien und die Anpassung an sonstige sich verändernde Rahmenbedingungen ermöglichen. Entsprechend kann auf sie verzichtet werden, wenn an einer Anlage immer das gleiche Verfahren mit den gleichen Materialien durchgeführt wird (Anlage K1 Abs. [0040]). Ist dies nicht der Fall, soll also eine Anpassung an die Umgebungsparameter ermöglicht werden, muss die Geschwindigkeitsdifferenz geregelt werden können. Ob dies automatisch oder manuell bewirkt wird, ist dabei im Ergebnis unerheblich.
Soweit das Klagepatent weiter verlangt, dass die Regelung der Geschwindigkeitsdifferenz stufenlos erfolgen soll, erkennt der Fachmann, dass eine Einstellbarkeit der Geschwindigkeitsdifferenz bis in den kleinsten Dezimalbereich hinein nicht zwingend vorausgesetzt wird. Vielmehr wird er den Begriff der Stufenlosigkeit im Hinblick auf den jeweiligen Einsatzzweck der Maschine beurteilen. Denn ausweislich der Klagepatentschrift (Abs. [0016]) dient die stufenlose Regelbarkeit der Geschwindigkeitsdifferenz zwischen den beiden Fördereinrichtungen dazu, eine Anpassung an eventuelle Schwankungen der Materialeigenschaften der Folienbahn oder an andere Parameter wie die Effektivität der Heizeinrichtung zu ermöglichen. Eine optimale Anpassung an die Umgebungsparameter ist immer dann erreicht, wenn im konkreten Fall eine weitere Aussteuerung der Geschwindigkeitsdifferenz keinen technischen Vorteil mehr mit sich bringt. Der Fachmann erkennt, dass dies unter anderem mit den (absoluten) Geschwindigkeiten der beiden Fördereinrichtungen und mit der Dicke der verwendeten Folie zusammenhängt. So nimmt die Wirkung einer Änderung der Geschwindigkeitsdifferenz zwischen den Fördereinrichtungen mit zunehmender Dicke der verwendeten Folie ab, da die durch die Geschwindigkeitsdifferenz bewirkte Längsreckung der Folie umso stärker ist, je dünner die Folie ist. Zugleich ist zu berücksichtigen, dass mit zunehmender Geschwindigkeit der Fördereinrichtungen der Spielraum für die Einstellung der Geschwindigkeitsdifferenz wächst, so dass sich Änderungen in ganzzahligen Prozentschritten weniger stark auswirken, als dies bei geringeren Geschwindigkeiten der Fall ist.
Unter Berücksichtigung dieser Umstände macht die angegriffene Ausführungsform von Merkmal 2.4 wortsinngemäß Gebrauch. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Geschwindigkeitsdifferenz zwischen den beiden Fördereinrichtungen manuell eingestellt werden kann. Die Einstellung erfolgt dabei in ganzen Prozentschritten. Letzteres hindert – entgegen der Auffassung der Beklagten – nicht die Annahme einer stufenlosen Regelung der Geschwindigkeitsdifferenz im Sinne des Klagepatents. Denn vor dem Hintergrund des konkreten Einsatzzweckes der angegriffenen Ausführungsform ist die Einstellung der Geschwindigkeitsdifferenz in ganzen Prozentschritten völlig ausreichend, um die mit dem Klagepatent beabsichtigten Wirkungen zu erzielen. Die Maschinen der Beklagten werden überwiegend in der Automobilbranche eingesetzt. Sie arbeiten mit verhältnismäßig dicken Folien von ca. 3 mm Stärke. Bei diesen Folien ist zur Erreichung einer starken Reckung eine größere Geschwindigkeitsdifferenz zwischen den Fördereinrichtungen erforderlich als bei dünneren Folien. Eine nur geringfügige Änderung der Geschwindigkeitsdifferenz im Nachkommabereich wirkt sich bei der angegriffenen Ausführungsform kaum aus. Hinzu kommt, dass die Folien in 2 Sekunden 2,7 Meter weit transportiert werden, die Fördereinrichtungen also mit hoher Geschwindigkeit angetrieben werden. Eine einprozentige Änderung der Geschwindigkeitsdifferenz zwischen den beiden Fördereinrichtungen hat hier geringere Auswirkungen als bei langsamer laufenden Förderbändern. Durch die Änderung der Geschwindigkeitsdifferenz in ganzen Prozentschritten kann daher im konkreten Fall eine optimale Anpassung an die Umgebungsparameter erreicht werden. Die Möglichkeit einer feineren Einstellung hätte demgegenüber keinen wesentlichen technischen Mehrwert. Derartiges hat die Beklagte auch nicht vorgetragen.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass die Klagepatentschrift eine Geschwindigkeitsdifferenz im Bereich von 2 bis 4 % als bevorzugt bezeichnet. Zwar würde dies im Hinblick auf die angegriffene Ausführungsform dazu führen, dass lediglich drei Stufen (2, 3 und 4 %) eingestellt werden könnten, die entsprechende Angabe in der Klagepatentschrift bezieht sich aber ersichtlich auf bestimmte Einsatzbereiche, von denen sich der Anwendungsbereich der angegriffenen Ausführungsform wesentlich unterscheidet. Insofern wurde vorstehend ausgeführt, dass insbesondere der Dicke der verwendeten Folie eine entscheidende Bedeutung zukommt. Nachdem der Schutzbereich des Klagepatents nicht auf bestimmte Einsatzgebiete beschränkt ist, wird der Fachmann den Begriff der Stufenlosigkeit je nach Einsatzzweck unterschiedlich beurteilen. Entscheidend ist für ihn, dass im konkreten Fall die angestrebte Wirkung, nämlich die optimale Anpassung der Geschwindigkeitsdifferenz an die Umgebungsparameter, erreicht werden kann. Dies ist bei der angegriffenen Ausführungsform der Fall, da die Möglichkeit einer feineren Einstellung der Geschwindigkeitsdifferenz keinen erkennbaren technischen Vorteil bringen würde.
3.
Schließlich macht die angegriffene Ausführungsform auch von Merkmal 3.2 wortsinngemäß Gebrauch. Hiernach sind die seitlichen Führungen der zweiten Fördereinrichtung zum Verstrecken der Folienbahn quer zur Förderrichtung voneinander weg bewegbar. Auf diese Weise kann – so die Klagepatentschrift in Abs. [0012] – mit geringem verfahrenstechnischen Aufwand im Anschluss an die Verstreckung der Folienbahn in Folienlängsrichtung auch die Verstreckung in der zweiten Achse durchgeführt werden.
Die Einbeziehung einer Funktionsangabe in den jeweiligen Patentanspruch (hier: „zum Verstrecken der Folienbahn quer zur Förderrichtung“) nimmt insoweit an dessen Aufgabe teil, den geschützten Gegenstand gegenüber dem Stand der Technik abzugrenzen, als sie das Vorrichtungselement, auf das sie sich bezieht, als ein solches definiert, das so ausgebildet sein muss, dass es die betreffende Funktion erfüllen kann (BGH, GRUR 2009, 837 – Bauschalungsstütze; BGH, GRUR 2006, 923 – Luftabscheider für Milchsammelanlage). Die seitlichen Führungen der zweiten Fördereinrichtung müssen daher solchermaßen voneinander wegbewegbar sein, dass sie eine Verstreckung der Folienbahn quer zur Förderrichtung bewirken können. Dies ist bei der angegriffenen Ausführungsform der Fall.
Soweit die Beklagte aus dem in Merkmal 3.2 enthaltenen Funktionszusammenhang zwischen dem Voneinander-Weg-Bewegen der seitlichen Führungen und dem Verstrecken der Folienbahn quer zur Förderrichtung schließen will, dass die seitlichen Führungen während des eigentlichen Vorganges des Verstreckens tatsächlich bewegt werden müssen, wird der Patentanspruch unter seinen Wortlaut ausgelegt. Denn der in Merkmal 3.2 beschriebene Funktionszusammenhang ist bereits dadurch gegeben, dass die seitlichen Führungen überhaupt dergestalt bewegbar sind, dass sie zu einem Verstrecken der Folie quer zur Förderrichtung beizutragen vermögen. Dies ist auch dann der Fall, wenn die seitlichen Führungen trapezförmig ausgerichtet (= bewegt) werden, um anschließend allein durch den Transport der Folie in Förderrichtung, d.h. ohne eine weitere Bewegung der seitlichen Führungen, die Verstreckung der Folie quer zur Förderrichtung zu bewirken.
Aus diesem Grunde ist es auch nicht erforderlich, dass der Abstand der Führungsschienen zueinander verstellt werden kann, während die Folienbahn in die Fördervorrichtung eingefädelt ist. Eine solche Einschränkung findet sich weder im Anspruchswortlaut noch in der Patentbeschreibung. Die Möglichkeit, die Führungsschienen voneinander weg zu bewegen, kann ebenso gut vor dem Ingangsetzen der Anlage und dem Einfädeln der Folienbahn umgesetzt werden. Auch dies bewirkt – sofern die seitlichen Führungen entsprechend ausgerichtet werden – im Folgenden durch den Transport der Folienbahn in Förderrichtung eine Querverstreckung.
Insofern zeigt die Klagepatentschrift anhand bevorzugter Ausführungsbeispiele zwei denkbare Verfahrensalternativen auf. So kann die Fördervorrichtung (mit ihren beiden Fördereinrichtungen) während der Verstreckung der Folie quer zur Folienlängsrichtung still stehen (Anlage K1 Abs. [0037]) oder die Verstreckung der Folie quer zur Folienlängsrichtung kann im laufenden Betrieb durch eine Anordnung der seitlichen Führungsschienen dergestalt erreicht werden, dass ihr Abstand zueinander in Förderrichtung stetig zunimmt (Anlage K1 Abs. [0043]). Die erste Alternative bezeichnet die Klagepatentschrift dabei als diskontinuierliches, die zweite Alternative als kontinuierliches Verfahren (vgl. Anlage K1 Abs. [0037] und [0043]). Der Wortlaut des geltend gemachten Patentanspruches enthält keine Beschränkung auf eine dieser beiden Alternativen.
Soweit die Beklagte den Begriff des „intermittierenden Antriebs“ in Merkmal 2.2 mit einem diskontinuierlichen Verfahren im vorgenannten Sinne gleichzusetzen versucht, geht dies fehl. Der intermittierende Antrieb der beiden Fördereinrichtungen, d.h. im Ergebnis der gesamten Fördervorrichtung, dient ausweislich der Klagepatentschrift (Abs. [0013]) u.a. dazu, den Einsatz des erfindungsgemäßen Verfahrens bzw. der erfindungsgemäßen Vorrichtung in einer vollautomatisierten Tiefziehanlage zu ermöglichen. Da bei dieser in aller Regel der Umformschritt bei stillstehender Folienbahn durchgeführt wird, muss die Fördervorrichtung intermittierend, das heißt mit Unterbrechungen, arbeiten, um einen zeitweiligen Stillstand der Folienbahn zu ermöglichen. Entsprechend wird in Abs. [0033] der Klagepatentschrift ein Ausführungsbeispiel beschrieben, bei dem die Fördervorrichtung die Folienbahn intermittierend im Takt des Arbeitsganges der Umformstation befördert.
Demgegenüber ist es aber nicht zwingend, dass bei der Nutzung eines intermittierenden Antriebs die Fördervorrichtung gerade in dem Moment still steht, in dem die Verstreckung der Folie quer zur Folienlängsrichtung vorgenommen wird. Einen derartigen Funktionszusammenhang gibt die Klagepatentschrift nicht vor. Vielmehr unterscheidet sie klar zwischen dem intermittierenden Antrieb (Anlage K1 Abs. [0013], [0033]), der beispielsweise den Stillstand der Fördereinrichtung während des Umformvorganges ermöglichen soll, und der Verstreckung der Folie quer zur Folienlängsrichtung, die sowohl bei laufender als auch bei still stehender Fördervorrichtung durchgeführt werden kann (Anlage K1 Abs. [0037], [0043]).
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den Abs. [0002] und [0004] der Klagepatentschrift. Soweit hierin – sowohl im Zusammenhang mit dem Verformen als auch im Zusammenhang mit dem Recken – von einem diskontinuierlichen bzw. kontinuierlichen Transport der Folie die Rede ist, beschreibt dies nur die im Stand der Technik bekannten Vorrichtungen, weist aber nicht darauf hin, dass im Rahmen der erfindungsgemäßen Lehre der intermittierende Antrieb stets mit einem Stillstand der Folienbahn während des Verstreckens der Folie quer zur Förderrichtung gleichzusetzen ist. Hier gelten vielmehr die vorstehend ausgeführten Erwägungen.
Wird die Verstreckung der Folie vorgenommen, während die Fördervorrichtung die Folie weiter in Förderrichtung bewegt, kann dies z.B. dadurch geschehen, dass die seitlichen Führungen trapezförmig ausgerichtet werden, so dass ihr Abstand zueinander in Förderrichtung stetig zunimmt (vgl. Anlage K1 Abs. [0043]). In diesem Fall wird die Verstreckung quer zur Folienlängsrichtung allein dadurch bewirkt, dass die Folie über die Fördervorrichtung weiter in Folienlängsrichtung transportiert wird. Eine zusätzliche Bewegung der seitlichen Führungen ist zur Bewirkung der Verstreckung nicht erforderlich. Entsprechend bestimmt Merkmal 3.2 lediglich, dass die seitlichen Führungen voneinander weg bewegbar sind. Dass sie während des eigentlichen Vorganges des Verstreckens tatsächlich bewegt werden müssen, gibt der Anspruchswortlaut – entgegen der Auffassung der Beklagten – nicht vor.
Unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen macht die angegriffene Ausführungsform von Merkmal 3.2 wortsinngemäß Gebrauch. Insofern räumt die Beklagte selbst ein, dass die Führungsschienen an unterschiedliche Folienbreiten angepasst werden können. Hierzu sind die seitlichen Führungen im Bereich der zweiten Fördereinrichtung beweglich ausgestaltet. Die Beklagte bestreitet auch nicht, dass die seitlichen Führungen dergestalt trapezförmig ausgerichtet werden können, dass sich ihr Abstand zueinander in Förderrichtung vergrößert. Damit aber besteht zumindest die Möglichkeit, die angegriffene Ausführungsform in der in Abs. [0043] der Klagepatentschrift beschriebenen Weise zu nutzen, so dass es bei kontinuierlichem Durchlauf der Folienbahn durch die trapezförmige Anordnung der seitlichen Führungen zu einer Querverstreckung der Folie kommt.
Soweit die Beklagte demgegenüber eine andere Nutzung der angegriffenen Ausführungsform behauptet, ist dies für die Frage der Patentverletzung ohne Belang. Denn eine Patentverletzung ist bereits dann anzunehmen, wenn die Merkmale des Patentanspruchs verwirklicht sind und die angegriffene Ausführungsform objektiv geeignet ist, die patentgemäßen Eigenschaften und Wirkungen zu erreichen (vgl: BGH GRUR 2006, 399 – Rangierkatze). Es ist nicht erforderlich, dass die Vorrichtung tatsächlich in entsprechender Weise genutzt wird.
Insofern schadet es auch nicht, dass die Abbildung auf Seite 31 in Anlage K6 – in Übereinstimmung mit dem Vortrag der Beklagten – nur auf eine Querverstreckung der Folie im Bereich der ersten Fördereinrichtung und des Übergangs zwischen den beiden Fördereinrichtungen hinweist. Denn dies schließt zumindest nicht aus, dass eine (weitere) Querverstreckung im Bereich der zweiten Fördervorrichtung erzielt werden kann. Dies ist für die Verwirklichung der patentgemäßen Lehre ausreichend.
III.
Da die angegriffene Ausführungsform mithin ein Erzeugnis darstellt, welches Gegenstand des Klagepatents ist, ohne dass die Beklagte zu einer Nutzung des Klagepatents berechtigt ist (§ 9 S. 2 Nr. 1 PatG), rechtfertigen sich die nachstehenden Rechtsfolgen.
1.
Die Beklagte ist gemäß § 139 Abs. 1 PatG verpflichtet, es zu unterlassen, patentverletzende Kettenschienen in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen. Dass die Beklagte die angegriffene Ausführungsform im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vertrieben hat, steht zwischen den Parteien außer Streit. Die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Gefahr, dass sich in Zukunft weitere Rechtsverletzungen wiederholen werden, ergibt sich daraus, dass die Beklagte in der Vergangenheit die patentierte Erfindung benutzt hat. Da sie hierzu nach § 9 PatG nicht berechtigt war, ist sie zur Unterlassung verpflichtet.
2.
Weiterhin hat die Beklagte dem Grunde nach für Benutzungshandlungen seit dem 20.04.2007 Schadensersatz zu leisten, § 139 Abs. 2 PatG, weil sie die Patentverletzung schuldhaft beging. Als Fachunternehmen hätte sie die Patentverletzung bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt zumindest erkennen können, § 276 BGB. Die Klägerin ist derzeit nicht in der Lage, den konkreten Schaden zu beziffern. Es ist aber nicht unwahrscheinlich, dass der Klägerin als Inhaberin des Klagepatents durch die Patentverletzung ein Schaden entstanden ist. Das für die Zulässigkeit des Feststellungsantrags gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich daraus, dass ohne eine rechtskräftige Feststellung der Schadensersatzpflicht die Verjährung von Schadensersatzansprüchen droht.
3.
Der Klägerin steht gegen die Beklagte auch ein Anspruch auf Rechnungslegung und Auskunft aus § 140b Abs. 1 PatG, §§ 242, 259 BGB zu. Der Anspruch auf Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der angegriffenen Ausführungsform ergibt sich aufgrund der unberechtigten Benutzung des Erfindungsgegenstands unmittelbar aus § 140b Abs. 1 PatG, der Umfang der Auskunftspflicht aus § 140b Abs. 3 PatG. Die weitergehende Auskunftspflicht und die Verpflichtung zur Rechnungslegung folgen aus §§ 242, 259 BGB, damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadensersatzanspruch zu beziffern. Die Klägerin ist auf die geltend gemachten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt. Die Beklagte wird demgegenüber durch die von ihr verlangte Auskunft nicht unzumutbar belastet.
4.
Schließlich hat die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückruf der angegriffenen Ausführungsformen aus den Vertriebswegen gemäß § 140a Abs. 3 PatG, da die Beklagte mit den angegriffenen Ausführungsformen die klagepatentgemäße Erfindung im Sinne von § 9 S. 2 Nr. 1 PatG benutzt, ohne dazu berechtigt zu sein. „Rückruf“ aus den Vertriebswegen bedeutet die ernsthafte Aufforderung an den gewerblichen Besitzer des patentverletzenden Erzeugnisses, entweder dieses zur Verfügung zu halten und nicht weiter zu vertreiben oder, sofern der Störungszustand dadurch nicht hinreichend beseitigt würde, das Erzeugnis freiwillig zurückzugeben (Kühnen/Geschke, Die Durchsetzung von Patenten in der Praxis, 4. Auflage, Rn 815).
Während sich der Anspruch der Klägerin für die Zeit ab Umsetzung der Enforcement-Richtlinie am 01.09.2008 unmittelbar aus § 140 a Abs. 3 PatG ergibt, steht der Klägerin ein solcher Anspruch für die Zeit davor seit ihrer Eintragung als Inhaberin des Klagepatents am 20.04.2007 aus §§ 139 Abs. 1 PatG, 1004 Abs. 1 S. 1 BGB analog i.V.m. Art. 10 Abs. 1 der Enforcement-Richtlinie zu. Nach Art. 10 der Enforcement-Richtlinie, welche bis zum 29.04.2006 in nationales Recht hätte umgesetzt werden müssen, sollen die Mitgliedstaaten in ihren nationalen Rechtsordnungen vorsehen, dass dem Verletzten eine Möglichkeit gegeben wird, den Rückruf der patentverletzenden Ware aus den Vertriebswegen zu erreichen. Diese Rechtsfolge lässt sich im Wege richtlinienkonformer Auslegung aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB analog herleiten, denn diese Vorschrift berechtigt den Verletzten dazu, die „Beseitigung“ der Beeinträchtigung zu verlangen (vgl. dazu auch Hoge Raad, GRUR-Int. 2008, 955, 958 – De Endstra Tapes). Darunter lässt sich der Rückruf patentverletzender Ware aus den Vertriebswegen subsumieren. Entsprechend sieht § 140 a Abs. 3 PatG in Umsetzung der Enforcement-Richtlinie einen Anspruch auf Rückruf patentverletzender Erzeugnisse aus den Vertriebswegen vor.
IV.
Für eine Aussetzung der Verhandlung nach § 148 ZPO bis zu einer Entscheidung des Bundespatentgerichts über die gegen das Klagepatent gerichtete Nichtigkeitsklage der Beklagten besteht keine hinreichende Veranlassung.
Nach ständiger Rechtsprechung der Kammer (Mitt. 1988, 91 – Nickel-Chrom-Legierung; BlPMZ 1995, 121 – Hepatitis-C-Virus), die auch vom Oberlandesgericht Düsseldorf (GRUR 1979, 188 – Flachdachabläufe; Mitt. 1997, 257, 258 – Steinknacker) und vom Bundesgerichtshof (GRUR 1987, 284 – Transportfahrzeug) gebilligt wird, stellen ein Einspruch gegen das Klagepatent oder die Erhebung einer Nichtigkeitsklage als solche noch keinen Grund dar, den Verletzungsrechtsstreit auszusetzen, weil dies faktisch darauf hinauslaufen würde, dem Angriff auf das Klagepatent eine den Patentschutz hemmende Wirkung beizumessen, die dem Gesetz fremd ist. Die Interessen der Parteien sind vielmehr gegeneinander abzuwägen, wobei grundsätzlich dem Interesse des Patentinhabers an der Durchsetzung seines erteilten Patents Vorrang gebührt.
Etwas anders ist die Situation, wenn der Patentinhaber – wie vorliegend – eine Selbstbeschränkung seines Klagepatents vornimmt. Da es kein die neue Merkmalskombination stützendes Votum gibt, handelt es sich bei dem beschränkten Patent der Sache nach um ein ungeprüftes Schutzrecht. Wird das Kennzeichen nicht vollständig ersetzt, sondern lediglich durch weitere Merkmale angereichert, behält der Erteilungsakt jedoch tendenziell seine Aussagekraft. In einem solchen Fall ist der Rechtsstreit nur dann auszusetzen, wenn sich die Erfindungshöhe des beschränkten Anspruchs nicht mehr vertretbar begründen lässt (vgl. hierzu: Kühnen/Geschke, Die Durchsetzung von Patenten in der Praxis, 4. Auflage, Rn 1050).
Vor diesem Hintergrund ist der in diesem Verfahren geltend gemachte Anspruch insbesondere daraufhin zu überprüfen, ob sich die Erfindungshöhe vertretbar begründen lässt. Dies ist der Fall. Die Voraussetzungen für eine Aussetzung sind nicht gegeben.
1.
Soweit sich die Beklagte auf eine fehlende Neuheit des geltend gemachten Anspruches beruft, ist ihr Einwand in sich widersprüchlich. Sie begründet ihren Einwand mit dem Hinweis auf die DE 200 07 XXX (Anlage B1 / D1). Hierbei handelt es sich um das Prioritätsdokument zum Klagepatent. Es kann dahinstehen, ob das Klagepatent wirksam die Priorität der D1 in Anspruch nimmt. Denn sollte dies nicht der Fall sein, die technische Lehre des Klagepatents also nicht hinreichend in der D1 offenbart sein, kann die D1 dem Klagepatent auch nicht als neuheitsschädlich entgegengehalten werden. Der Einwand fehlender Neuheit setzt nämlich voraus, dass sämtliche Merkmale des in Rede stehenden Patentanspruches in der Entgegenhaltung offenbart sind. Ist dies aber der Fall, kann das Klagepatent auch wirksam die Priorität der D1 in Anspruch nehmen.
2.
Es liegen vertretbare Gründe dafür vor, im Hinblick auf die mit dem Klagepatent beschriebene technische Lehre in der geltend gemachten eingeschränkten Fassung von einer erfinderischen Tätigkeit auszugehen. Insbesondere erscheint nicht zwingend, dass die technische Lehre des Klagepatents für den Fachmann durch die DE 34 32 XXX (Anlage B1 / D2) allein bzw. durch diese in Kombination mit der Druckschrift Dieter Reiners, Flexibel im Automatisierungsverbund, Elektroanzeiger, Heft2 1988, S. 28-31 (Anlage B1 / D3) oder in Kombination mit der DE 196 26 XXX (Anlage B1 / D4) nahegelegt ist.
a)
Die in der DE 34 32 XXX (Anlage B1 / D2) beschriebene Vorrichtung weist – ebenso wie die Vorrichtung nach der erfindungsgemäßen Lehre – eine Transporteinrichtung auf, mittels derer die Folie über eine Heizstation der Formstation zugeführt wird. Eine bevorzugte Ausführungsform der Erfindung zeigt die nachstehend wiedergegebene Figur 1:
Die Kunststofffolie (10) wird von einer Folienrolle abgewickelt und mittels einer Transporteinrichtung (4) über eine Heizstation (3) der Formstation (5) zugeführt.
Wie in der vorstehend wiedergegebenen Figur 2 der DE 34 32 XXX zu erkennen ist, besteht die Transporteinrichtung dabei aus zwei Paar umlaufenden Transportketten (16, 19), die jeweils über ein Paar Kettenräder (17/18 bzw. 20/21) geführt werden. Die beiden Transportketten sind im Bereich der Heizstation voneinander beabstandet, wobei der Abstand durch Leitbleche (22) überbrückt wird. Angetrieben werden sie über eine Antriebswelle (29). Aufgrund unterschiedlicher Zähnezahl der Kettenräder bewegen sich die beiden Transportketten mit verschiedenen Geschwindigkeiten, was an der Trennstelle der beiden Ketten zu einem Recken der Kunststofffolie führt, so dass eine Faltenbildung verhindert wird. Die Geschwindigkeitsdifferenz zwischen den beiden Transportketten ist allein durch die unterschiedliche Zähnezahl der zugeordneten Kettenräder steuerbar.
Demgegenüber sieht die Lehre des Klagepatents eine stufenlose Regelbarkeit der Geschwindigkeitsdifferenz zwischen den beiden Fördereinrichtungen vor (Merkmal 2.4). Ausweislich der Klagepatentschrift (Abs. [0029], [0031]) kann dies durch zwei getrennte Antriebe gewährleistet werden, die jeweils für sich und im Verhältnis zueinander steuerbar sind.
Es liegen vertretbare Gründe für die Annahme vor, dass Merkmal 2.4 für den Fachmann durch die D2 nicht nahegelegt ist. Denn die dort beschriebene Vorrichtung ist dergestalt aufgebaut, dass die Geschwindigkeiten der beiden Transportketten auf mechanische Weise gekoppelt und damit – zumindest im laufenden Betrieb der Anlage – unveränderlich festgelegt sind. Eine Anpassung an die gewünschte Reckung ist ausweislich der Beschreibung der Entgegenhaltung (Anlage B1 / D2, S. 7, 2. Absatz) dadurch möglich, dass die Kettenräder entsprechend ausgewählt werden. Um eine flexiblere und vor allem im laufenden Betrieb der Anlage mögliche Anpassung zu erreichen, muss die gesamte Anlage umkonstruiert werden. Für die Möglichkeit einer solchen Umkonstruktion bietet die D2 keinerlei Anhaltspunkte.
b)
Ebenso liegen vertretbare Gründe für die Annahme vor, dass der Fachmann ausgehend von der D2 keinen unmittelbaren Anlass hatte, ergänzend die Druckschrift Dieter Reiners, Flexibel im Automatisierungsverbund, Elektroanzeiger, Heft 2, 1988, S. 28-31 (Anlage B1 / D3) heranzuziehen. Die D3 befasst sich mit der zunehmenden Bedeutung von Mehrmotorenantriebssystemen in Automatisierungsverbünden und führt in diesem Zusammenhang aus, welche Vorteile der Einsatz mehrerer Einzelantriebe gegenüber der Verwendung eines einheitlichen Antriebs bietet. Als Anwendungsfall werden hier zwar Walzwerke und Maschinen in Papierfabriken genannt, der Zusammenhang mit der in der D2 beschriebenen Anlage erschließt sich aber nicht unmittelbar. Daher ist die Annahme, der Fachmann habe ausgehend von der D2 nach einer anderen Antriebsart Ausschau gehalten, keineswegs zwingend. Das erfindungswesentliche Problem der D2, die beiden Förderabschnitte mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten laufen zu lassen, wird dort zunächst befriedigend dadurch gelöst, dass die den jeweiligen Förderabschnitten zugeordneten Kettenräder eine unterschiedliche Anzahl von Zähnen aufweisen. Für den Wechsel auf mehrere elektronische Antriebe bestand für den Fachmann jedenfalls nicht zwingend Veranlassung, zumal es hierzu einer Umkonstruktion der Anlage bedurfte.
c)
Gleiches gilt für die Kombination der D2 mit der DE 196 26 XXX (Anlage B1 / D4). Die D4 betrifft eine Vorrichtung zum Antreiben von mehrwelligen Extrudern mit mindestens zwei zu synchronisierenden Antriebsmotoren. Im Mittelpunkt dieser Druckschrift steht dabei nicht die Verwendung eines oder mehrerer Antriebsmotoren, sondern vielmehr die Frage, wie auf effektive und zugleich kostengünstige Weise die Synchronisation mehrerer Antriebsmotoren umgesetzt werden kann. Hierzu wird der Einsatz elektronischer Schaltelemente vorgesehen. Wie bereits im Hinblick auf die D3 erläutert, bestehen auch bezüglich der D4 keine zwingenden Gründe für die Annahme, der Fachmann habe Anlass gehabt, diese mit der Lehre der D2 zu kombinieren.
VI.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 269 Abs. 3 S. 2 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 709, 108 ZPO.
Der Streitwert wird auf 100.000,00 Euro festgesetzt.