Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 22. März 2011, Az. 4a O 102/10
I. Die Beklagte wird verurteilt,
der Klägerin unter Vorlage eines einheitlich geordneten Verzeichnisses Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagte in der Zeit vom 25. November 1995 bis zum 7. April 2009,
in der Bundesrepublik Deutschland Vorrichtungen zum Speichern und zur Ausgabe eines biegeelastischen Stabes, der zum Einziehen von Kabeln oder sonstigen elektrischen Leitungen in Kabelschutzrohre oder Leerrohre dient, mit einem Gehäuse und einer in dem Gehäuse drehbar gelagerten Speichertrommel, wobei die Speichertrommel einen kreisförmigen Spalt und das Gehäuse einen Auslass für den Stab aufweisen,
angeboten, in Verkehr gebracht oder gebraucht zu den genannten Zwecken entweder eingeführt oder besessen hat, bei denen das Gehäuse schalenförmig und einseitig offen ausgebildet ist, die Speichertrommel mit dem darin speicherbaren Stab leicht auswechselbar in dem Gehäuse gelagert ist und die Speichertrommel mit einem Handantrieb versehen ist (EP 0 678 XXX B1),
und zwar unter Angabe:
1. der Menge der erhaltenen oder bestellen Erzeugnisse sowie der Namen und der Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer;
2. der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, und –preisen unter Einschluss von Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer;
3. der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und –preisen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger;
4. der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
5. der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
– wobei die Angaben zu 5) nur für die Handlungen ab dem 1. Oktober 1999 zu machen sind;
– sowie die Belege (Rechnungen) hinsichtlich der Angaben zu 2. vorzulegen;
II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist,
1. der Klägerin für die zu Ziffer I. bezeichneten und in der Zeit vom 25. November 1995 bis zum 30. September 1999 begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen,
2. der Klägerin jedweden Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu Ziffer I. bezeichneten Handlungen in dem Zeitraum vom 1. Oktober 1999 bis zum 7. April 2009 entstanden ist.
III. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte
IV. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 40.000,00 € vorläufig vollstreckbar.
V. Der Streitwert wird auf 40.000,00 € festgesetzt.
T a t b e s t a n d :
Die Klägerin war Inhaberin des europäischen Patents EP 0 678 XXX B1 (im Folgenden: Klagepatent). Das Klagepatent wurde am 4. April 1995 unter Inanspruchnahme einer Priorität vom 16. April 1994 angemeldet. Die Veröffentlichung der Anmeldung erfolgte am 25. Oktober 1995. Der Hinweis auf die Patenterteilung wurde am 1. September 1999 im Patentblatt veröffentlicht. Der Patentschutz ist am 3. November 2009 durch Zeitablauf erloschen. Das Klagepatent betrifft eine Vorrichtung zum Speichern und zur Ausgabe eines biegeelastischen Stabes.
Der Hauptanspruch 1 des Klagepatents hat folgenden Wortlaut:
„Vorrichtung zum Speichern und zur Ausgabe eines biegeelastischen Stabes (7), der zum Einziehen von Kabeln oder sonstigen elektrischen Leitungen in Kabelschutzrohre oder Leerrohre dient, mit einem Gehäuse (1) und einer in dem Gehäuse drehbar gelagerten Speichertrommel (2), wobei die Speichertrommel (2) einen kreisförmigen Spalt (46) und das Gehäuse (1) einen Auslass für den Stab (7) aufweisen, dadurch gekennzeichnet, dass das Gehäuse (1) schalenförmig einseitig offen ausgebildet ist, dass die Speichertrommel (2) mit dem darin speicherbaren Stab (7) leicht auswechselbar in dem Gehäuse gelagert ist und dass die Speichertrommel (2) mit dem Handantrieb (4, 5) versehen ist.“
Die nachfolgende Abbildung stammt aus dem Klagepatent und zeigt die Explosionszeichnung eines Ausführungsbeispiels mit Darstellung der Einzelteile, die zu der Vorrichtung zusammenfügbar sind (Figur 8 des Klagepatents, Anlage K 1):
Die Beklagte bietet an und vertreibt in Deutschland Kabeleinzugsgeräte. Sie bewirbt in ihrem Internetauftritt unter „www.haupa.de“ u.a. das Kabeleinzugsgerät HAUPA-Fibre (Artikelnummer 14 30 00/02, – im Folgenden: angegriffene Ausführungsform), welches wie nachfolgend abgebildet ausgestaltet ist (vgl. Anlagen K 5 und K 7):
Die Klägerin ist der Ansicht, dass die angegriffene Ausführungsform von dem Klagepatent in wortsinngemäßer Weise Gebrauch mache. Insbesondere sei das Gehäuse bei der angegriffenen Ausführungsform schalenförmig und einseitig offen ausgestaltet. Bei der von der Beklagten so bezeichneten Bodenplatte handele es sich um ein erfindungsgemäßes Gehäuse. Auch sei die Speichertrommel leicht auswechselbar. Hierfür sei es kein Erfordernis, dass eine nach oben offene Stabführungsrille vorhanden sei. Vielmehr müsse das Gehäuse lediglich einen Auslass für den Stab aufweisen. Da auch die erfindungsgemäße Vorrichtung über einen Deckel verfügen dürfe, sei es unerheblich, dass auch bei der angegriffenen Ausführungsform für das Auswechseln eine Abdeckung geöffnet und bestimmte Zubehörteile entnommen werden müssen. Auch sei die angegriffene Ausführungsform mit nur einer einzigen Sechskantschraube versehen, die die genannten Bauteile miteinander verbinde. Dadurch seien die Bauteile einfach voneinander zu lösen.
Die Klägerin beantragt,
wie erkannt.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Ansicht, dass die angegriffene Ausführungsform das Klagepatent nicht verletze. Insbesondere sei das Gehäuse bei der angegriffenen Ausführungsform nicht schalenförmig und einseitig offen ausgestaltet. Das Gehäuse bestehe aus einer Bodenplatte und einer Abdeckung, die zusammen ein geschlossenes Gehäuse bildeten. Die Bodenplatte umschließe nicht teilweise die Speichertrommel. Auch sei die Speichertrommel mit dem darin gespeicherten Stab nicht leicht auswechselbar, da bei der angegriffenen Ausführungsform die Speichertrommel unter einem Deckel sitze und daher nicht leicht zugänglich sei. Zudem werde das vorstehende Ende des biegeelastischen Stabes nicht in eine Stabführungsrille eingelegt, sondern durch eine Öffnung in der Bodenplatte geführt. Um den Stab und die Speichertrommel aus dem Gehäuse zu nehmen, seien mehrere Schritte notwendig.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die Klage ist zulässig und begründet.
Die Klägerin hat Ansprüche auf Rechnungslegung gemäß § 140b PatG, i.V.m Art. 64 EPÜ und §§ 242, 259 BGB und Schadensersatz dem Grunde nach gemäß § 139 Abs. 2 PatG, Art. 64 EPÜ.
I.
Die Erfindung bezieht sich auf eine Vorrichtung zum Speichern und zur Ausgabe eines biegeelastischen Stabes, der zum Einziehen von Kabeln oder sonstigen elektrischen Leitungen in Kabelschutzrohre oder Leerrohre dient, mit einem Gehäuse und einer in dem Gehäuse drehbar gelagerten Speichertrommel, wobei die Speichertrommel einen kreisförmigen Spalt und das Gehäuse einen Auslass für den Staub aufweisen.
Eine Vorrichtung der vorgenannten Gattung ist aus der DE 30 31 570 C3 bekannt. Diese Vorrichtung hat sich in der Praxis außerordentlich gut bewährt. Sie dient zum Einziehen von Kabeln oder sonstigen elektrischen Leitungen in Kabelschutzrohre oder Leerrohre. Dabei wird nicht etwa das betreffende Kabel oder die elektrische Leitung in der Vorrichtung gespeichert, sondern ein biegeelastisches strangförmiges Material, in der Praxis meist in Form eines zylindrischen Stabes, dem eine Eigenspannung innewohnt, die das Bestreben hat, den Stab gestreckt bzw. geradlinig zu halten. Diese Vorrichtung weist eine diskusartige Speichertrommel auf, an deren Innenmantel sich der biegeelastische Stab aufgrund der innewohnenden Eigenspannung anlegt. Die Speichertrommel ist in einem angepassten Gehäuse drehbar gelagert, wobei das Gehäuse die Trommel allseitig umgibt, also auch allseitig geschlossen ist. Damit der biegeelastische Stab aus der Vorrichtung herausgezogen und nach Gebrauch wieder eingeschoben werden kann, weist die Trommel einen kreisringförmigen Spalt und das Gehäuse eine dem Spalt gegenüberliegende Öffnung auf. Zum Einziehen zum Beispiel eines Kabels in ein Kabelschutzrohr wird so vorgegangen, dass der biegeelastische Stab zunächst in das Kabelschutzrohr eingeschoben wird bis das vordere Ende des Stabes am anderen Ende des Kabelschutzrohres austritt. Hier wird nun das Kabel mit dem Stabende verbunden und in das Kabelschutzrohr eingezogen, wobei gleichzeitig der biegeelastische Stab wieder in die Vorrichtung eingeschoben und hierin gespeichert wird. In der Praxis hat sich aber herausgestellt, dass das Einschieben des biegeelastischen Stabes beispielsweise in ein Kabelschutzrohr mit einem erheblichen Kraftaufwand verbunden ist, weil die Reibungskräfte zwischen dem Stab und dem Kabelschutzrohr mit zunehmender Länge immer größer werden, zumal die Kabelschutzrohre oftmals Biegungen aufweisen oder weil bereits weitere Kabel in dem Kabelschutzrohr verlegt sind und dementsprechend die Platzverhältnisse immer enger werden. Der Handwerker kann die erforderliche Schiebekraft vielfach nicht aufbringen, wenn er versucht, den biegeelastischen Stab einfach von Hand einzuschieben, zumal auch dann noch die Gefahr besteht, dass der Stab unzulässig hohen Biegungen oder gar Knicken ausgesetzt wird, wodurch er unbrauchbar wird. Man hat dieses Problem zwar mit gewissem Erfolg dadurch gelöst, dass zum Einschieben und zum Herausziehen des Stabes eine Spezialzange entwickelt wurde, die als Hilfsmittel eingesetzt wurde. Der Handwerker hatte dann aber gleichzeitig zwei Geräte zu bedienen, nämlich die eigentliche Vorrichtung und die Zange. Die Handhabung ist dann aber im Endergebnis recht umständlich und zeitraubend. Es hat sich in der Praxis noch ein weiteres Bedürfnis gebildet, dass man nämlich für die verschiedenen Anwendungsfälle unterschiedlich lange Stäbe benötigt, die man bei der bekannten Vorrichtung aufgrund der Gesamtkonstruktion nicht einfach gegeneinander austauschen kann.
Der Erfindung liegt daher die Aufgabe zugrunde, eine Vorrichtung zu schaffen, die auch bei höchsten Ansprüchen einfach bedienbar bzw. handhabbar ist und bei der die verschiedensten Stäbe in Länge und Dicke verwendbar sind.
Hierzu schlägt das Klagepatent eine Vorrichtung nach dem hier geltend gemachten Patentanspruch 1 vor, der wie folgt gegliedert werden kann:
1. Vorrichtung zum Speichern und zur Ausgabe eines biegeelastischen Stabes, der zum Einziehen von Kabeln oder sonstigen elektronischen Leitungen in Kabelschutzrohre und Leerrohre dient, mit
2. einem Gehäuse (1);
3. einer Speichertrommel (2), wobei
3.1 die Speichertrommel (2) drehbar im Gehäuse gelagert ist;
3.2 die Speichertrommel (2) einen kreisförmigen Spalt (46) aufweist;
4. das Gehäuse (1) einen Auslass für den Stab (7) hat;
dadurch gekennzeichnet, dass
5. das Gehäuse (1) schalenförmig und einseitig offen ausgebildet ist;
6. die Speichertrommel (2) mit dem darin speicherbaren Stab (7) leicht auswechselbar in dem Gehäuse gelagert ist und
7. die Speichertrommel (2) mit einem Handantrieb (4, 5) versehen ist.
II.
Die angegriffene Ausführungsform macht von der technischen Lehre des Klagepatents in wortsinngemäßer Weise Gebrauch.
Zu Recht streiten sich die Parteien lediglich um die Verwirklichung der Merkmale 5 und 6, sodass sich Ausführungen zu den übrigen Merkmalen erübrigen.
1.
Merkmal 5 wird von der angegriffenen Ausführungsform in wortsinngemäßer Weise verwirklicht.
a.
Merkmal 5 setzt voraus, dass das Gehäuse schalenförmig und einseitig offen ausgebildet ist. Nach dem Wortlaut des Patentanspruchs ist daher unter der Bezeichnung „Gehäuse“ kein umschließendes Gebilde gemeint, sondern eine Schale, die einseitig offen ist. Dabei muss diese Schale Seitenwände aufweisen. Es kann sich nicht lediglich um eine flache Platte handeln. Dies ergibt sich sowohl aus der Formulierung „schalenförmig“, die im allgemeinen Sprachgebrauch eine gewisse Vertiefung impliziert, als auch aus der Formulierung „einseitig offen“. Eine flache Platte wäre nicht nur einseitig (nach oben) offen, sondern zu allen Seiten, sodass sie mehrseitig offen wäre.
Dabei gibt aber weder der Patentanspruch noch der beschreibende Teil des Klagepatents eine bestimmte Tiefe des schalenförmigen Gehäuses bzw. eine gewisse Höhe der Seitenwände vor, sodass auch eine geringfüge Seitenwölbung unter den Wortlaut fällt.
Auch die Funktion des schalenförmigen, einseitig offenen Gehäuses führt zu keiner engeren Auslegung. Durch die schalenförmige, einseitig offene Ausgestaltung des Gehäuses wird – wie die Klägerin zutreffend ausführt – in erster Linie die leichte Auswechselbarkeit der Speichertrommel erreicht. Den Seitenwänden des Gehäuses kommt dabei keine eigenständige Funktion zu. Die Halterung wird ausschließlich auf der Lageranordnung im Bodenbereich des Gehäuses erreicht. Dies wird insbesondere in Abschnitt [0016], Sp. 7, Z. 3 bis15 des Klagepatents deutlich, in dem es heißt:
„Das Einsetzen der Speichertrommel mit dem gespeicherten Stab ist einfach, indem man einerseits dafür Sorge trägt, dass das herausragende Stabteil in die Stabführungsrille (6) eingelegt wird. Die Trommel wird dann einfach eingeschoben, sodass die innere Trommelhülse (33) auf der Lagerhülse (37) der Gehäuseschale sitzt. Sodann wird der Teller (3) mit der Handkurbel (4, 5) und mit der Lagerhülse (22) von oben eingefügt, bis die Nasenvorsprünge (27) wie beschrieben einrasten und die Unterseite des Tellers (3) eine form- und/oder kraftschlüssige Verbindung mit den entsprechenden Trommelteilen erhält. Das Auswechseln der Trommel geht entsprechend einfach vonstatten.“ (Abschnitt [0016], Sp. 7, Z. 3 bis15 des Klagepatents, Anlage K 1)
Dabei sieht das Klagepatent auch die Möglichkeit des Einsatzes einer Abdeckung vor, sodass die Speichertrommel vollständig abgedeckt ist. Die Figuren 7 und 8 des Klagegebrauchsmusters zeigen ein erfindungsgemäßes Ausführungsbeispiel mit einem in der Patentschrift so bezeichneten Teller, der mit der Speichertrommel formschlüssig verbunden ist und daher die Speichertrommel von oben abdeckt. Sie dreht sich mit der Betätigung der Handkurbel mit der Speichertrommel. Dieser Teller wird vom Klagepatent nicht dem Gehäuse zugerechnet, sondern ist ein zusätzliches Bauteil, welches nach dem Hauptanspruch 1 nicht zwingend vorgeben ist. Der Teller ist über die Lagerhülse (22) und die Nasen (27) formschlüssig mit dem Gehäuse verbunden und verhindert wie eine Abdeckung den direkten Zugriff auf die Speichertrommel (vgl. auch Unteranspruch4).
b.
Vor diesem Hintergrund verwirklicht die angegriffene Ausführungsform das Merkmal 5 wortsinngemäß. Auch sie verfügt über ein patentgemäßes Gehäuse, welches schalenförmig und einseitig offen ausgestaltet ist. Dabei handelt es sich um das von der Beklagten als Bodenplatte bezeichnete Bauteil. Wie auf der Seite 2 der Anlage K 5 und dem im Verhandlungstermin überreichten Muster ersichtlich, handelt es sich – entgegen der Auffassung der Beklagten – nicht um eine Platte. Ihre Außenränder sind nach oben gewölbt, so dass ihre schalenförmige Ausgestaltung zu erkennen ist. Als Konsequenz ist sie auch einseitig offen, da sie über eine Seitenwand mit geringer Höhe verfügt. Da, wie bereits dargestellt, keine Anforderungen an die Höhe oder Ausgestaltung der Seitenwand gestellt werden, wird auch durch die Außenwölbung eine Schalenform erreicht.
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist dem Gehäuse auch nicht die in den Anlagen K 5 und K 6 erkennbare Abdeckung zuzurechnen. Sie umschließt zwar einen Teil der Speichertrommel und dreht sich nicht mit der Speichertrommel durch die Betätigung der Handkurbel. Für die Verwirklichung des Patentanspruchs kommt es aber nicht darauf an, dass das Gehäuse die Höhe der Speichertrommel aufweisen muss, so dass die Speichertrommel seitlich von dem Gehäuse eingeschlossen ist. Dies erfordert auch nicht die Funktion des Gehäuses. Die leichte Auswechselbarkeit kann auch durch ein Gehäuse mit niedriger Höhe und einer gewölbten, durch Formschluss mit der Speichertrommel verbundenen Abdeckung realisiert werden, so dass es nicht darauf ankommt, dass die Abdeckung eine Wölbung über die Speichertrommel aufweist. Im Unterschied zum Stand der Technik weist die angegriffene Ausführungsform auch kein umschlossenes Gehäuse auf, welches durch zwei Schalenhälften hergestellt wird. Die Abdeckung und die Bodenplatte sind durch einen Spalt voneinander getrennt und daher gerade nicht als ein zusammengefügtes, umschließendes Gehäuse miteinander verbunden.
2.
Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht auch Merkmal 6.
a.
Merkmal 6 verlangt, dass die Speichertrommel mit dem darin speicherbaren Stab leicht auswechselbar in dem Gehäuse gelagert ist. Eine besondere Ausgestaltung, wie die leichte Auswechselbarkeit zu erreichen ist, gibt der Patentanspruch nicht vor. Die Funktionsangabe ist das einzig vorgegebene Kriterium, sodass diese Funktionsangabe schutzbereichsrelevant ist. Hierdurch wird mittelbar eine bestimmte räumlich-körperliche und funktionale Anforderung an die erfindungsgemäße Vorrichtung gestellt, die sich aus den anderen Merkmalen noch nicht ergibt (vgl. Kühnen/Geschke, Die Durchsetzung von Patenten in der Praxis, 4. Auflage, Rn. 30).
Wesentlich zur leichten Auswechselbarkeit der Speichertrommel trägt das schalenförmige Gehäuse bei. Hierdurch wird die direkte Zugriffsmöglichkeit auf die Speichertrommel erreicht (Abschnitt [0005] des Klagepatents, Anlage K 1).
Weitere Hinweise, wie die leichte Auswechselbarkeit der Speichertrommel herbeigeführt werden soll, macht die Klagepatentschrift nur in Bezug auf bevorzugte Ausführungsformen. Beispielsweise ergibt sich dies aus dem bereits zitierten Abschnitt [0017] (s.o.), wonach der Stab durch Einlegen in die Stabführungsrille einfach eingelegt werden kann. Die Klägerin führt aber zutreffend an, dass das Vorhandensein einer Stabführungsrille keine Voraussetzung des Hauptanspruchs 1 ist. Die Stabführungsrille ist erst Gegenstand des Unteranspruchs 7. Der Hauptanspruch 1 sieht lediglich einen Auslass für den Stab aus dem Gehäuse vor.
Nach dem zitierten Abschnitt wird die Speichertrommel eingeschoben, sodass die innere Trommelhülse auf der Lagerhülse des Gehäuses sitzt, und dann der Teller mittels einrastender Nasenvorsprünge an der Trommel fixiert. Diese Art der Anbringung ist aber nicht zwingend, sondern lediglich eine bevorzugte Ausgestaltung. Weitere Hinweise auf den Ein- und Ausbau der Speichertrommel bietet die Patentschrift nicht, sodass auch andere Konstruktionsvarianten in Betracht kommen. Insbesondere ist es auch denkbar, dass die einzelnen Teile, d.h. das Gehäuse, die Speichertrommel und ggf. der Teller, auch mittels einer zentralen Schraube zusammengehalten werden, die einfach zu demontieren ist.
Für ein solch weites Verständnis spricht der in der Klagepatentschrift berücksichtigte Stand der Technik.
Die Gebrauchsmuster DE 92 02 150 (Anlage B 1) sieht eine Vorrichtung vor, bei der eine Mehrfachverschraubung vorgenommen wird. Es wird nicht nur in der Mitte eine Schraube eingesetzt, sondern auch rundherum über einen Umfangsflansch mehrfach verschraubt. Ein Auswechseln der Trommel ist in dieser Druckschrift kein Thema. In der DE 30 31 570 C3 (Anlage B 2) werden die beiden Gehäusehälften mit einer Schraube zusammengehalten. Auch hier wird die Möglichkeit der Auswechselbarkeit nicht thematisiert und ist nicht vorgesehen. In der EP 0 550 781 A1 (Anlage B 3) wird ein umfassendes Gehäuse vorgeschlagen, dessen Hälften entweder mit einem Schnellverschluss oder mit Schrauben zusammengefügt werden sollen. Hervorgehoben wird ausdrücklich, dass auf diese Weise auch ein einfaches Austauschen des Speicherrohrs ermöglicht wird (Z. 4, Sp. 23 – 42, Anlage B 3). Hierdurch erkennt der Fachmann, dass eine Verbindung mittels Schrauben ein einfaches Auswechseln der Speichertrommel auf einfache Weise ermöglichen kann. Das Klagepatent kritisiert insoweit diesen Stand der Technik nicht als nachteilig. Der Schutzbereich des Klagepatents ist daher entsprechend weit zu verstehen und nicht auf die in der Patentschrift als vorteilhaft beschriebenen Befestigungsmöglichkeiten beschränkt. Zumindest bei einer Verbindung mit nur einer Schraube, die leicht zu lösen ist, ist eine einfache Austauschbarkeit der Speichertrommel gewährleistet.
b.
Demzufolge verwirklicht die angegriffene Ausführungsform auch das Merkmal 6 in wortsinngemäßer Weise. Das Gehäuse wird mit der Speichertrommel und der Abdeckung durch eine einzige Schraube verbunden, die einfach durch das Zubehörfach zu erreichen ist und mittels eines Imbusschlüssels zu lösen ist. Dies hat die Demonstration in der mündlichen Verhandlung gezeigt. Durch das Zubehörfach besteht Zugang zu der Schraube, die mit einem Imbusschlüssel aufgedreht werden kann. Dabei besteht auch nicht die Gefahr, dass in dem Moment, in dem sich die Abdeckung von der Speichertrommel löst, der biegeelastische Stab aus der Speichertrommel herausfällt. Dies kann mit Festhalten des Stabendes erreicht werden, welches aus der Öffnung des Gehäuses herausragt. Aufgrund der obigen Ausführungen ist auch eine solche Konstruktion leicht zu lösen, sodass die Speichertrommel mit dem darin gespeicherten Stab leicht auswechselbar im Sinne des Klagepatents ist. Das Ausschrauben ist entgegen der Auffassung der Beklagten einfach und unkompliziert mit wenigen Handgriffen zu vollziehen. Für die Frage der Verwirklichung des Merkmals ist es unerheblich, ob die Beklagte Ersatzspeichertrommeln in ihrem Sortiment hat.
III.
Aufgrund der Patentverletzung stehen der Klägerin die beantragten Ansprüche zu.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte dem Grunde nach einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz aus § 139 Abs. 2 PatG, Art. 64 EPÜ weil die Beklagten die Patentverletzung schuldhaft beging. Als Fachunternehmen hätte die Beklagte die Patentverletzung bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt zumindest erkennen können, § 276 BGB. Es ist auch nicht unwahrscheinlich, dass der Klägerin als Inhaberinnen des Klagegepatents durch die Patentverletzung ein Schaden entstanden ist. Das für die Zulässigkeit des Feststellungsantrags gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich daraus, dass die Klägerin derzeit nicht in der Lage ist, den konkreten Schaden zu beziffern und ohne eine rechtskräftige Feststellung der Schadensersatzpflicht die Verjährung von Schadensersatzansprüchen droht.
Der Klägerin steht gegen die Beklagte auch ein Anspruch auf Rechnungslegung und Auskunft aus § 140 b PatG, Art. 64 EPÜ, §§ 242, 259 BGB im geltend gemachten Umfang zu. Der Anspruch auf Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der angegriffenen Ausführungsform ergibt sich aufgrund der unberechtigten Benutzung des Erfindungsgegenstands unmittelbar aus § 140b Abs. 1 PatG, der Umfang der Auskunftspflicht aus § 140b Abs. 3 PatG. Die weitergehende Auskunftspflicht und die Verpflichtung zur Rechnungslegung folgen aus §§ 242, 259 BGB, damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadensersatzanspruch zu beziffern. Die Klägerin ist im Übrigen auf die Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt, und die Beklagte wird durch die von ihnen verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in § 709 ZPO.