4b O 62/13 – Bolzenvermessungsvorrichtung (2)

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 2285

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 2. September 2014, Az. 4b O 62/13

I. Die Beklagte wird verurteilt,

1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, wobei die Ordnungshaft an den jeweiligen gesetzlichen Vertretern der Beklagten zu vollziehen ist und insgesamt zwei Jahre nicht übersteigen darf, zu unterlassen,

Vorrichtungen zum berührungsfreien Vermessen von zylindrischen Bolzen, die auf Oberflächen stehen, mit

– einer ersten Strahlungsquelle zum Erzeugen mindestens einer Linie auf der Oberfläche, auf der der Bolzen steht, im Bereich des Bolzens,
– einer zweiten Strahlungsquelle zum Erzeugen von zwei Schatten des Bolzens auf der Oberfläche in unterschiedlichen Richtungen,
– einem auf die Oberfläche gerichteten, mindestens den Bereich des Bolzens erfassenden Strahlungsempfänger zum Empfang der reflektierten Strahlung und
– einer Auswerteeinrichtung zum Auswerten des von dem Signalempfänger empfangenen Signals,

in der Bundesrepublik Deutschland herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen, zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen

wenn die Auswerteeinrichtung dazu ausgebildet ist, den Fußpunkt des Bolzens aus dem Schnittpunkt der zwei Schatten zu bestimmen, und bei denen die erste Strahlungsquelle mehrere Linien für eine Mehrlinientriangulation der Oberfläche erzeugt, und wobei die Auswerteeinheit dazu ausgebildet ist, die Oberfläche, auf der der Bolzen befestigt ist, mit Hilfe einer Mehrlinientriangulation zu bestimmen, und wobei die Auswerteeinheit weiter dazu ausgebildet ist, die Ausrichtung des Bolzens anhand der zwei Schatten zu bestimmen;

2. der Klägerin

a) Auskunft über den Umfang der in Ziffer I. 1. bezeichneten Handlungen sowie über Herkunft und Vertriebsweg der bezeichneten Vorrichtungen zu erteilen, jeweils durch schriftliche Angaben über

aa) Namen und Anschriften sämtlicher Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer (insbesondere Transport und Lagerunternehmen)

bb) die Stückzahlen der ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Vorrichtungen sowie der Preise, die von der Beklagten für die betreffenden Vorrichtungen bezahlt wurden bzw. die ihr in Rechnung gestellt wurden,

cc) Namen und Anschriften sämtlicher gewerblicher Abnehmer und Verkaufsstellen, für die die Vorrichtungen bestimmt waren,

dd) die Stückzahlen der ausgelieferten oder von gewerblichen Abnehmern und Verkaufsstellen bestellten Vorrichtungen sowie die Preise, die für die betreffenden Vorrichtungen von den Abnehmern bezahlt wurden bzw. diesen in Rechnung gestellt wurden,

und zwar unter Vorlage der entsprechenden Belege (Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen,

wobei die Angaben nur für die Zeit seit dem 14.05.2013 zu machen sind;

b) unter Vorlage einer übersichtlichen, in sich verständlichen Zusammenstellung Rechnung zu legen über

aa) die einzelnen Lieferungen aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, und -preisen sowie Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,

bb) die einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen sowie Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

cc) die betriebene Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet bzw. Anzahl der Zugriffe auf Internetwerbung

dd) die nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und den erzielten Gewinn

wobei die Angaben nur für die Zeit seit dem 04.08.2013 zu machen sind und

wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer Angebotsempfänger und der nicht gewerblichen Abnehmer statt der Klägerin einem von der Klägerin zu benennenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten Wirtschaftsprüfer mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Angebotsempfänger oder ein bestimmter Abnehmer in der Aufstellung enthalten ist;

3. die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder Eigentum befindlichen, unter I. 1. bezeichneten Vorrichtungen auf eigene Kosten zu vernichten oder – nach ihrer Wahl – an einen von der Klägerin zu benennenden Treuhänder zum Zwecke der Vernichtung auf ihre – der Beklagten – Kosten herauszugeben;

4. die unter I. 1. bezeichneten, seit dem 14.05.2013 in der Bundesrepublik in Verkehr gebrachten und im Besitz Dritter befindlichen Vorrichtungen aus den Vertriebswegen zurückzurufen, indem diejenigen Dritten, die keine Endabnehmer sind und denen durch die Beklagte oder mit deren Zustimmung Besitz an den Vorrichtungen eingeräumt wurde, unter Hinweis darauf, dass die Kammer mit dem hiesigen Urteil auf eine Verletzung des Klagegebrauchsmusters DE 20 2006 021 XXX erkannt hat, ernsthaft aufgefordert werden, die Vorrichtungen an die Beklagte zurückzugeben und den Dritten für den Fall der Rückgabe der Vorrichtungen eine Rückzahlung des gegebenenfalls bereits gezahlten Kaufpreises sowie die Übernahme der Kosten der Rückgabe zugesagt wird.

II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die unter I. 1. bezeichneten, seit dem 04.08.2013 begangenen Handlungen entstanden ist oder künftig noch entstehen wird.

III. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 5 % und die Beklagte 95 %.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 250.000,00 EUR, für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Für die Vollstreckung einzelner titulierter Ansprüche werden folgende Teilsicherheiten festgesetzt:
– Ansprüche auf Unterlassung, Vernichtung und Rückruf (Ziffer I. 1., 3. und 4): 200.000,00 EUR
– Ansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung (Ziffer I. 2.): 50.000,00 EUR
– Kostenausspruch: 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages

TATBESTAND

Die Klägerin ist alleinige, eingetragene und ausschließlich verfügungsberechtigte Inhaberin des Gebrauchsmusters DE 20 2006 021 XXX (Klagegebrauchsmuster). Das Klagegebrauchsmuster wurde aus der am 06.02.2006 eingereichten Patentanmeldung für das Patent DE 10 2006 005 XXX B4, das Gegenstand des parallelen Verfahrens 4b O 69/14 ist, abgezweigt und nimmt eine Priorität vom 11.05.2005 in Anspruch. Die Eintragung des Klagegebrauchsmusters im Register des DPMA erfolgte am 14.05.2013, die Bekanntmachung am 04.07.2013. Die Beklagte hat beim DPMA die Löschung des Klagegebrauchsmusters beantragt, dem die Klägerin widersprochen hat. Über den Löschungsantrag ist bislang nicht entschieden worden.

Das Klagegebrauchsmuster betrifft eine Vorrichtung zum berührungsfreien Vermessen. Die Klägerin hat die ursprünglich in Kombination geltend gemachten Schutzansprüche 1, 2 und 3 im Hinblick auf die Einspruchsentscheidung des DPMA in dem das Patent DE .., aus dem Parallelverfahren betreffenden Einspruchsverfahren weiter eingeschränkt. Der Wortlaut der Schutzansprüche 1 bis 3 in der nunmehr geltend gemachten Fassung lautet demnach wie folgt (wobei Änderungen gegenüber dem Wortlaut der eingetragenen Ansprüche durch Unter- und Durchstreichungen kenntlich gemacht sind):

„1. Vorrichtung zum berührungsfreien Vermessen von insbesondere zylindrischen Gegenständen Bolzen, die auf Oberflächen (4) stehen, mit
– einer ersten Strahlungsquelle (2, 31) zum Erzeugen mindestens einer Linie (11, 12, 13, 14) auf der Oberfläche (4), auf der der Bolzen steht, im Bereich des Gegenstands Bolzens (5),
– einer zweiten Strahlungsquelle (32, 32) zum Erzeugen von zwei Schatten (34) des Gegenstands Bolzens (5) auf der Oberfläche (4) in unterschiedlichen Richtungen,
– einem auf die Oberfläche (4) gerichteten, mindestens den Bereich des Gegenstands Bolzens (5) erfassenden Strahlungsempfänger (6) zum Empfang der reflektierten Strahlung, und
– einer Auswerteeinrichtung zum Auswerten des von dem Signalempfänger (6) empfangenen Signals,
– wobei die Auswerteeinrichtung dazu ausgebildet ist, den Fußpunkt des Gegenstands Bolzens (5) aus dem Schnittpunkt der zwei Schatten (34) zu bestimmen.“

„2. Vorrichtung nach Anspruch 1, bei der die erste Strahlungsquelle (2, 31) mehrere Linien (11, 12, 13, 14) für eine Mehrlinientriangulation der Oberfläche (4) erzeugt, und wobei die Auswerteeinheit dazu ausgebildet ist, die Oberfläche (4), auf der der Gegenstand Bolzen (5) befestigt ist, mit Hilfe einer Mehrlinientriangulation zu bestimmen.“

„3. Vorrichtung nach Anspruch 1 oder 2, wobei die Auswerteeinheit weiter dazu ausgebildet ist, die Ausrichtung des Gegenstands Bolzens (5) anhand der zwei Schatten (34) zu bestimmen.“

Nachfolgend werden in leicht verkleinerter Form aus der Klagegebrauchsmusterschrift stammende schematische Darstellungen bevorzugter Ausführungsformen der Erfindung gezeigt. Die Figuren 10 und 11 geben verschiedene Ansichten einer erfindungsgemäßen Anordnung wieder, die Figur 12 zeigt zwei durch die Strahlungsquellen erzeugte Schatten eines Bolzens ebenso wie die Figur 9, die durch eine Mehrlinienprojektion erzeugte Schatten zeigt.

Die Beklagte stellt Systeme zur Verfügung, die insbesondere Roboterführung und Qualitätssicherung innerhalb aller Prozessstufen der Automobilfertigung mit Methoden der industriellen Bildverarbeitung übernehmen. Unter anderem bietet die Beklagte auf der von ihr betriebenen Website www.isravision.com/de unter der Bezeichnung „A B3D“ ein Sensorsystem an, das auf einer Mehrlinientriangulation basiert und mit Hilfe von zusätzlichen Strahlungsquellen eine 3D-Bolzenvermessung ermöglicht. Die nachstehenden Abbildungen geben den B3D-Sensor der Beklagten mit dem für die 3D-Bolzenprüfung benötigten Bolzenmodul (zusammen als „angegriffene Ausführungsform“ bezeichnet) wieder:

Die Eigenschaften der angegriffenen Ausführungsform lassen sich dem Internetauftritt der Beklagten und ihren Presseinformationen entnehmen, die als Anlagen K 12 bis K 14 in Auszügen vorliegen. Die Beklagte nahm zudem Ende des Jahres 2012 mit der angegriffenen Ausführungsform an einer Ausschreibung der C AG für 3D-Sensorsysteme zur berührungslosen Vermessung von Bauteilen unter anderem in der In-Line Prüfung im Karosseriebau teil und erhielt den Zuschlag. Die entsprechenden Anforderungen an die Inline-Messtechnik sind aus den auszugsweise vorgelegten Ausschreibungsunterlagen der C AG ersichtlich (Anlage K 15).

Die angegriffene Ausführungsform ist unter anderem zur Inline-Vermessung von Anschweißbolzen geeignet. Dafür weist sie einen Streifenprojektor zur Projektion von sechs zueinander parallelen Strahlungslinien auf eine Oberfläche und zwei LED-Flächenprojektoren auf, mit denen bei entsprechender Anordnung des Anschweißbolzens zwei Schatten des Bolzens auf der Oberfläche erzeugt werden können. Mit einer Kamera nimmt die angegriffene Ausführungsform die Oberfläche auf, auf der die Linienprojektion stattfindet und die beiden Schatten erzeugt werden. Anhand der Abbildung der Linienprojektion ermittelt die angegriffene Ausführungsform dann im Wege der Mehrlinientriangulation die Oberfläche. Anhand der Konturen der beiden Schatten berechnet die angegriffene Ausführungsform die Mittellinie der beiden Schatten und bestimmt deren Schnittpunkt. Ebenso ist sie in der Lage, anhand der beiden Schatten die Neigung des Bolzens zu bestimmen. Die nachstehenden Abbildungen zeigen Ausschnitte aus einem Screenshot der Schattenauswertung durch die angegriffene Ausführungsform. Die darin dargestellten Abbildungen zeigen die beiden in verschiedene Richtungen erzeugten Schatten sowie die Linienprojektion. In einem der Schatten ist die errechnete Mittellinie dargestellt. Der Schnittpunkt der Mittellinien ist in beiden Abbildungen mit einem kleinen Kreuz gekennzeichnet.

Die Klägerin sieht durch Angebot und Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform durch die Beklagte das Klagegebrauchsmuster verletzt. Sie ist der Ansicht, unter dem Fußpunkt des Gegenstands verstehe das Klagegebrauchsmuster nicht die Standfläche des Gegenstands, sondern den Punkt, an dem die Mittelachse des Gegenstands die Oberfläche durchstoße. Ebenso sei unter dem Schnittpunkt der zwei Schatten nicht die Fläche, an der sie sich überlappten, sondern der Schnittpunkt der Mittellinien der beiden Schatten zu verstehen. In diesem Schnittpunkt liege der Fußpunkt des Gegenstands und so werde er durch die angegriffene Ausführungsform auch bestimmt.
Die Klägerin beantragt,

– wie erkannt –

wobei wegen des Wortlauts der in Form von „insbesondere“-Anträgen geltend gemachten Konkretisierungen auf den Schriftsatz der Klägerin vom 23.06.2014 (Blatt 183 ff der Akte) verwiesen wird.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise das Verfahren bis zur Entscheidung des Gebrauchsmusterlöschungsverfahrens gegen das deutsche Gebrauchsmuster 20 2006 021 XXX auszusetzen.

Die Klägerin tritt dem Aussetzungsantrag entgegen.

Die Beklagte ist der Ansicht, der Gegenstand der Schutzansprüche 1 bis 3 des Klagegebrauchsmusters beruhe auf einer unzulässigen Erweiterung. Darüber hinaus sei die schutzbeanspruchte Lehre nicht schutzfähig, weil sie nicht neu beziehungsweise im Stand der Technik nahegelegt sei. Darüber hinaus mache die angegriffene Ausführungsform von der Lehre des Klagegebrauchsmusters nicht wortsinngemäß Gebrauch. Der Fußpunkt werde durch die Standfläche des Gegenstands definiert. Soweit der Schutzanspruch 1 verlange, dass der Fußpunkt des Gegenstands aus dem Schnittpunkt der zwei Schatten bestimmt werden solle, müsse der Fußpunkt im Wege der Interpolation der Konturpunkte der beiden Schatten bestimmt werden. Über dem Fußpunkt selbst werde kein Schatten detektiert. Der gegebenenfalls flächige Schnittpunkt der beiden Schatten liege vielmehr außerhalb des Fußpunktes des Gegenstands und grenze direkt an ihn an. Bei der angegriffenen Ausführungsform würden jedoch nicht die Schnittflächen der Schatten oder ihre Konturpunkte zur Bestimmung des Fußpunktes herangezogen, sondern die Mittellinien der Schatten. Diese träfen sich außerhalb der Schatten und ihr Schnittpunkt stelle den Mittelpunkt des Fußpunktes eines zylindrischen Objekts dar.

Die Klägerin hat die Klage teilweise zurückgenommen, soweit sie ursprünglich auch die Verurteilung zur Entfernung aus den Vertriebswegen sowie die Feststellung der Entschädigungspflicht begehrte. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

Die Klage ist zulässig und begründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Vernichtung, Rückruf aus den Vertriebswegen sowie Schadensersatz dem Grunde nach aus §§ 24 Abs. 1 und 2, 24a Abs. 1 und 2, 24b Abs. 1 GebrMG, §§ 242, 259 BGB. Das Klagegebrauchsmuster ist mit der geltend gemachten Anspruchskombination schutzfähig. Von der insofern geschützten technischen Lehre macht die Klägerin durch den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform wortsinngemäß Gebrauch.

I.
Die mit dem Klagegebrauchsmuster schutzbeanspruchte Erfindung betrifft eine Vorrichtung zum berührungsfreien Vermessen von Oberflächen und Bolzen auf der Oberfläche.

In der Gebrauchsmusterschrift wird ausgeführt, dass es in der aus dem Stand der Technik bekannten Messtechnik mit taktilen Koordinatenmessmaschinen Verfahren zur Positionsbestimmung von Bolzen existierten. Dafür seien beispielsweise Halbkugeln auf einen Bolzen gesteckt oder geschraubt und dann mittels mechanischer Tastspitzen angetastet worden. Daraufhin sei das Zentrum berechnet und auf die Befestigungsebene projiziert worden. Dieses Ergebnis sei mit dem Positionspunkt des Bolzens gleichgesetzt worden. Ein solches Verfahren mit einer indirekten Messung habe den Nachteil, dass die manuelle Bestückung mit Hilfskörpern zeitaufwendig und mit der Gefahr verbunden sei, dass der Hilfskörper durch das mechanische Antast-Kraftmoment verschoben und dadurch das Messergebnis beeinflusst werde.

Andere Techniken aus dem Stand der Technik basierten auf der Verwendung von Grenzlehren und Schablonen. Auch hier sei der manuelle Aufwand hoch, so dass Prüfungen im Allgemeinen nur als Stichproben durchgeführt werden könnten und ihre Genauigkeit letztlich vom Geschick des Anwenders abhänge. Im Wesentlichen resultiere daraus lediglich eine gut/schlecht-Aussage.

Neben den mechanischen Messungen, heißt es in der Gebrauchsmusterschrift weiter, existierten berührungslose bildgebende optische Verfahren, mit denen beispielsweise die Position des Bolzens mittels 1-Linien-Laserantastung erfasst werden könne. Die Verwendung von Reflexionen der Laserlinien am Bolzen selbst sei nachteilig, weil diese Reflexionen aufgrund wechselnder Materialeigenschaften und Oberflächen des Bolzens, aufgrund von Unterschieden zwischen dem Material, auf dem der Bolzen befestigt sei, oder aufgrund von Verschmutzungen sehr unterschiedlich sein könnten.

Weiterhin seien im Stand der Technik Sensoren bekannt, die nach dem Prinzip der Mehrlinientriangulation arbeiteten. Dabei werde mit Hilfe eines Projektors oder einer Strahlungsquelle ein aus mehreren Linien aufgebautes Strahlungsraster auf die zu überprüfende Oberfläche aufgelegt. Die Reflexionen dieser Strahlungslinien könnten dann mit Hilfe einer Kamera oder eines anderen Strahlungsempfängers aufgenommen und ausgewertet werden. Es habe sich herausgestellt – so die Klagegebrauchsmusterschrift – dass diese Methode trotz ihrer Vorteile unter bestimmten Umständen keine vollständig zufriedenstellenden Ergebnisse liefere.

Dem Klagegebrauchsmuster liegt vor diesem Hintergrund die Aufgabe (das technische Problem) zu Grunde, eine verbesserte Möglichkeit zu schaffen, Oberflächen und Bolzen berührungsfrei zu vermessen.

Dies soll durch eine Vorrichtung mit den Merkmalen der hier in Kombination geltend gemachten Schutzansprüche 1 bis 3 geschehen. Die Merkmale können wie nachstehend gegliedert werden.

1. Vorrichtung zum berührungsfreien Vermessen von insbesondere zylindrischen Bolzen, die auf Oberflächen (4) stehen, mit
1.1 einer ersten Strahlungsquelle (2, 31)
1.2 einer zweiten Strahlungsquelle (32, 32)
1.3 einem Strahlungsempfänger (6)
1.4 einer Auswerteeinrichtung.
2. Die erste Strahlungsquelle (2, 31)
2.1 dient der Erzeugung mindestens einer Linie (11, 12, 13, 14) auf der Oberfläche (4), auf der der Bolzen steht, im Bereich des Bolzens (5),
2.2 erzeugt mehrere Linien (11, 12, 13, 14) für eine Mehrlinientriangulation der Oberfläche (4).
3. Die zweite Strahlungsquelle (32, 32) dient der Erzeugung von zwei Schatten (34) des Bolzens (5) auf der Oberfläche (4) in unterschiedlichen Richtungen.
4. Der Strahlungsempfänger (6)
4.1 dient dem Empfang der reflektierten Strahlung,
4.2 ist auf die Oberfläche (4) gerichtet und
4.3 erfasst mindestens den Bereich des Bolzens (5).
5. Die Auswerteeinrichtung
5.1 dient der Auswertung des von dem Signalempfänger (6) empfangenen Signals,
5.2 ist dazu ausgebildet, den Fußpunkt des Bolzens (5) aus dem Schnittpunkt der zwei Schatten (34) zu bestimmen,
5.3 ist dazu ausgebildet, die Oberfläche (4), auf der der Bolzen (5) befestigt ist, mit Hilfe einer Mehrlinientriangulation zu bestimmen, und
5.4 ist weiter dazu ausgebildet, die Ausrichtung des Bolzens (5) anhand der zwei Schatten (34) zu bestimmen.

Die schutzbeanspruchte Vorrichtung umfasst zwei Strahlungsquellen, die einerseits mehrere Linien auf der Oberfläche im Bereich des Bolzens und andererseits zwei Schatten des Bolzens auf der Oberfläche in unterschiedlichen Richtungen erzeugen sollen. Die reflektierte Strahlung soll von einem Strahlungsempfänger empfangen und von einer Auswerteeinrichtung ausgewertet werden. Dabei dienen die projizierten Linien dazu, die Oberfläche, auf der der Bolzens befestigt ist, mit Hilfe der Mehrlinientriangulation zu bestimmen. Die durch die zweite Strahlungsquelle erzeugten Schatten dienen hingegen dazu, den Fußpunkt und die Ausrichtung des Bolzens zu bestimmen.

1.
Unter dem Fußpunkt ist nach der schutzbeanspruchten Lehre des Klagegebrauchsmusters der Mittelpunkt der Standfläche des zu vermessenden Bolzens zu verstehen, mithin der Punkt, an dem die Mittelachse des Bolzens die Oberfläche durchstößt. Der Begriff des Fußpunkts wird in den Schutzansprüchen und auch in der Beschreibung des Klagegebrauchsmusters nicht unmittelbar definiert. Aus der Darstellung des Standes der Technik im Klagegebrauchsmuster wird jedoch deutlich, dass es für die Positionsbestimmung eines Bolzens entscheidend auf den Mittelpunkt seiner Standfläche ankommt. Denn im Stand der Technik wurden unter anderem Halbkugeln verwendet, die auf die Bolzen aufgeschraubt oder gesteckt wurden und deren Zentrum auf die Befestigungsebene projiziert wurde (Abs. [0002]; Textstellen ohne Bezugsangabe stammen aus der Klagegebrauchsmusterschrift). Genau diese Projektion des Zentrums auf die Befestigungsebene stellt jedoch die Konstruktion eines Fußpunkts im geometrischen Sinne dar. Der auf die Befestigungsebene projizierte Punkt wird im Stand der Technik mit dem Positionspunkt des Bolzens gleichgesetzt (Abs. [0002]). Damit stellt der Positionspunkt den Fußpunkt des Bolzens dar.

Dass ein solches Verständnis vom Begriff des Fußpunktes sogar dem allgemeinen Verständnis des Fachmanns entspricht, zeigt nicht zuletzt der von der Beklagten vorgelegte Auszug aus dem Benutzerhandbuch der angegriffenen Ausführungsform. Denn darin bezeichnet auch die Beklagte nicht die Standfläche des Bolzens, sondern den Mittelpunkt dieses Bolzenfußes als (Bolzen-)Fußpunkt an (S. 5-51 der Anlage B 18).

Eine andere Auslegung ergibt sich nicht aus dem Umstand, dass der Fußpunkt aus dem Schnittpunkt der zwei durch die zweite Strahlungsquelle erzeugten Schatten des Bolzens bestimmt werden soll.
2.
Als Schnittpunkt der Schatten ist nicht zwingend der Bereich zu verstehen, in dem sich die beiden Schatten tatsächlich überlappen. Vielmehr wird aus der Beschreibung des Klagegebrauchsmusters deutlich, dass es unter Umständen zu gar keiner Überlappung der Schatten kommt. Denn die Schatten müssen nicht unbedingt mit einem Flächenstrahler erzeugt werden, sondern können auch auf der Verwendung von einzelnen Laserlinien basieren (vgl. Abs. [0039]). Der Beschreibung des Klagegebrauchsmusters lässt sich entnehmen, dass der Fußpunkt eines Bolzens auf zweierlei Art und Weise bestimmt werden kann – zum einen aus dem Anfang des Schattens (Abs. [0038]) und zum anderen aus dem Schnittpunkt zweier Schatten (Abs. [0039]). Die zweite Variante ist Gegenstand der Schutzansprüche und ist nach der Beschreibung des Klagegebrauchsmusters dann erforderlich, wenn beispielsweise aufgrund nur weniger projizierter Laserlinien der Anfang eines einzelnen Schattens und damit der Fußpunkt auf diese Weise nicht bestimmbar ist (Abs. [0039]). Daraus wird aber auch deutlich, dass die durch die Laserlinien tatsächlich erzeugten Schatten sich nicht einmal zwingend überlappen müssen.

Die Erfindung beruht vielmehr auf dem Gedanken, dass die Konturpunkte des Schattenwurfes des Messobjektes auf einer Oberfläche erfasst werden (Abs. [0035]). Mit Hilfe dieser Konturpunkte lassen sich die Breite des Schattens und damit der Bolzendurchmesser, die Länge des Schattens und damit die Bolzenlänge, die Richtung des Schattens und damit die räumliche Bolzenlage sowie unter Umständen der Anfang des Schattens und damit der Fußpunkt berechnen. Es wird unmittelbar deutlich, dass bei der Verwendung einzelner Laserlinien auch nur wenige Konturpunkte vorhanden sind, die nur teilweise oder auch gar nicht in einem etwaigen Überlappungsbereich der beiden Schatten liegen. Dies wird etwa aus der Figur 9 deutlich, in der lediglich die dem Bolzen (5) am nächsten gelegene Laserlinie beider Projektionen die Überlappung von Schatten tatsächlich zeigt. Vor dem Hintergrund kann als „Schnittpunkt der zwei Schatten“ im Sinne des Merkmals 5.2 nicht der durch zwei Schatten tatsächlich erzeugte Überlappungsbereich angesehen werden. Vielmehr beruht der Schnittpunkt der zwei Schatten auf einer geometrischen Betrachtung und gibt den (rechnerischen) Punkt an, in dem sich die Mittellinien der beiden Schatten kreuzen. Dieser Punkt entspricht genau dem Fußpunkt des Bolzens.

Wie der Schnittpunkt der beiden Mittellinien ermittelt wird, überlässt das Klagegebrauchsmuster dem Fachmann. Allgemein beruht die Erfindung auf dem Gedanken, die Konturpunkte des Schattenwurfes zur Bestimmung des Messobjekts heranzuziehen (Abs. [0035]). Es ist ohne weiteres einsichtig, dass sich anhand mehrerer Laserlinien über die jeweils gegenüberliegenden Konturpunkte einer Laserlinie eine Mittellinie definieren lässt. Dies ist auch bei Schatten möglich, die durch die Verwendung von Flächenstrahlern erzeugt werden. Der Schnittpunkt der Mittellinien stellt dann den Schnittpunkt der beiden Schatten und somit den Fußpunkt des Bolzens dar.

3.
Die Kammer vermag hingegen die Auffassung, dass es sich bei dem tatsächlichen Überlappungsbereich der beiden Schatten um den Schnittpunkt der zwei Schatten handeln soll, nicht zu teilen. Ein solches Verständnis widerspricht bereits dem Wortlaut des Schutzanspruchs, der einen Schnittpunkt verlangt. Das Klagegebrauchsmuster lässt zudem offen, wie die Schatten im Einzelnen erzeugt werden. Die Verwendung von Flächenstrahlern ist ebenso möglich wie die von Linienstrahlern. Entsprechend verschieden sind die Überlappungsbereiche der Schatten, falls überhaupt welche auftreten. Es ist nicht ersichtlich, wie anhand solcher Überlappungsbereiche ein Fußpunkt bestimmt werden soll, zumal die Überlappungsbereiche nicht einmal mit der Standfläche des Bolzens übereinstimmen, geschweige denn unmittelbar einen Rückschluss auf den Querschnitt des Gegenstands zulassen: Ohne Kenntnis davon, dass gerade ein Bolzen vermessen wird, kann aus dem Überlappungsbereich der Schatten nicht ohne weiteres gefolgert werden, dass es sich um einen zylindrischen Gegenstand handelt. Aus diesem Grund kann aus dem Bezug zum Schnittpunkt der zwei Schatten auch nichts für die Auslegung des Begriffs des Fußpunktes gewonnen werden. Insbesondere kann der Fußpunkt aufgrund der vorstehenden Erwägungen nicht mit der Standfläche des Bolzens gleichgesetzt werden, zumal auch dieses Verständnis bereits begrifflich nicht im Einklang mit dem Begriff des Fußpunktes steht.

Soweit die Beklagte zur Begründung ihrer Auffassung auf den Artikel „Shape Reconstruction from Shadow and Shading“ (Anlagen B 13) und das US-Patent 4,873,651 (Anlage B 14) verweist, führt dies zu keiner anderen Auslegung. Abgesehen davon, dass es sich bei diesen Dokumenten nicht um zulässiges Auslegungsmaterial handelt, betreffen sie auch nicht die Bestimmung des Fußpunktes eines Bolzens anhand von Überlappungsflächen verschiedener Schatten, wie die Beklagte es verstehen möchte.

Unerheblich ist auch der Einwand, dass die Bestimmung des Fußpunktes anhand des Schnittpunktes der Mittellinien der Schatten nur bei zylindrischen Körpern möglich sei und bei komplexeren Gegenständen versage, weil diese keinen eindeutigen Fußpunkt haben beziehungsweise sich nicht immer eine eindeutige Mittellinie der Schatten bestimmen lasse. Nach dem die Klägerin die Schutzansprüche 1 bis 3 nur noch in eingeschränkter Fassung geltend macht, ist die erfindungsgemäße Lehre ohnehin nur noch auf die Vermessung von zylindrischen Bolzen angelegt.

III.
Das Klagegebrauchsmuster ist auch in der vorliegend geltend gemachten Anspruchskombination schutzfähig.

1.
Der Gegenstand der Schutzansprüche 1 bis 3 geht nicht über den Inhalt der Anmeldung in der Fassung hinaus, in der sie ursprünglich eingereicht worden ist, § 15 Abs. 1 Nr. 3 GebrMG.

Zur Feststellung einer unzulässigen Erweiterung ist der Gegenstand des Klagegebrauchsmusters in der verteidigten Fassung mit dem Inhalt der ursprünglichen Unterlagen zu vergleichen. Gegenstand des Klagegebrauchsmusters ist die durch die geltend gemachten Schutzansprüche 1 bis 3 schutzbeanspruchte Lehre, wobei Beschreibung und Zeichnungen zur Auslegung heranzuziehen sind. Der Inhalt der Gebrauchsmusteranmeldung ist hingegen der Gesamtheit der Unterlagen zu entnehmen, ohne dass den Schutzansprüchen dabei eine gleich hervorgehobene Bedeutung zukommt. Die schutzbeanspruche Lehre darf nicht auf einen Gegenstand gerichtet werden, den die ursprüngliche Offenbarung aus Sicht des Fachmanns nicht zur Erfindung gehörend erkennen lässt (vgl. jeweils zum Patentrecht: BGH GRUR 2005, 1023, 1024 – Einkaufswagen II; GRUR 2010, 513, 515 – Hubgliedertor II; BGH GRUR 2011, 1109, 1111 – Reifenabdichtmittel). Wurde das Gebrauchsmuster wie im vorliegenden Fall aus einer Patentanmeldung abgezweigt und nimmt deren Anmeldetag in Anspruch, kommt es für die Frage einer unzulässigen Erweiterung letztlich auf den Offenbarungsgehalt der ursprünglichen Patentanmeldung an (Bühring, GebrMG 7.Aufl.: § 15 Rn 23; Busse/Keukenschrijver, PatG 7. Aufl.: § 15 GebrMG Rn 17; aA Benkard/Goebel, PatG 10. Aufl.: § 15 GebrMG 14a), die vorliegend in der Form der Offenlegungsschrift DE 10 2006 005 XXX A1 (Anlage K 2) zur Akte gereicht worden ist.

Der ursprüngliche Einwand der Beklagten, die Patentanmeldung offenbare keine Vorrichtung, bei der die Auswerteeinrichtung nur zur Bestimmung des Fußpunktes aus dem Schnittpunkt zweier Schatten ausgebildet ist, greift nicht durch, nachdem die Klägerin den ursprünglich geltend gemachten Schutzanspruch 1 nunmehr nur noch in Kombination mit den Schutzansprüche 2 und 3 beschränkt geltend macht und damit die Bestimmung der Oberfläche durch eine Mehrlinientriangulation Gegenstand der schutzbeanspruchten Lehre ist. Im Übrigen wird eine Vorrichtung mit sämtlichen Merkmalen der Schutzansprüche 1 bis 3 in der Patentanmeldung offenbart.

Bereits die ursprünglich eingereichten Ansprüche 1 bis 3 der Patentanmeldung beschreiben eine Vorrichtung mit den Merkmalen 1 bis 5.1 der schutzbeanspruchten Lehre. Die weiteren Merkmale 5.2 bis 5.4 ergeben sich aus den Absätzen [0010], [0028], [0037] und [0038] sowie dem selbstständigen Anspruch 18. Durch diese Textstellen werden eine Vorrichtung und ein Verfahren offenbart, bei denen die Auswerteeinheit sowohl zur Bestimmung der Oberfläche durch Mehrlinientriangulation als auch zur Bestimmung des Gegenstands anhand der zwei Schatten ausgebildet ist. Für den Fachmann ergibt sich aus der Patentanmeldung darüber hinaus, dass der Offenbarungsgehalt der Patentanmeldung auch eine solche Erfindung umfasst, bei der die Bestimmung des Gegenstands auf einzelne Merkmale oder Eigenschaften des Gegenstands – im vorliegenden Fall auf den Fußpunkt und die Ausrichtung des Gegenstand – beschränkt ist. Denn eine unzulässige Erweiterung ist unter anderem dann zu verneinen, wenn die betreffenden Merkmale einer in den Anmeldungsunterlagen offenbarten Ausführungsform der Erfindung zusammengenommen, aber auch für sich betrachtet dem erfindungsgemäßen Erfolg förderlich sind (BGH GRUR 2002, 49, 51– Drehmomentübertragungseinrichtung; 2012, 1124 – Polymerschaum m.w.N.). Im Streitfall ist aus der Beschreibung der Patentanmeldung ersichtlich, dass auch die isolierte Bestimmung des Fußpunktes oder der Ausrichtung des Gegenstands gewünscht sein kann und infolgedessen dem erfindungsgemäßen Erfolg förderlich ist (vgl. Abs. [0037] und [0039]), zumal das letzte Ausführungsbeispiel eine Vorrichtung betrifft, in der nur diese beiden Eigenschaften des Gegenstands bestimmt werden (Abs. [0076]).

Soweit die Beklagte einwendet, der Offenbarungsgehalt der Patentanmeldung sei auf eine Vorrichtung beschränkt, bei der die Auswerteeinheit die mehreren auf die Oberfläche projizierten Linien sowohl zur Bestimmung der Oberfläche als auch zur Bestimmung des Gegenstands heranzieht, vermag die Kammer dem nicht zu folgen. Absatz [0010] bis [0012] sowie die ursprünglich eingereichten Ansprüche 1 bis 3 der Patentanmeldung beschreiben eine Vorrichtung, bei der die Reflexion der auf die Oberfläche projizierten Linien zur Mehrlinientriangulation der Oberfläche und der mindestens eine zusätzlich erzeugte Schatten zur Bestimmung des Gegenstands herangezogen werden soll. In welcher Form der Gegenstand mit Hilfe der zwei Schatten bestimmt werden kann, entnimmt der Fachmann dem in Absatz [0076] dargestellten Ausführungsbeispiel. Die erfindungsgemäße Lehre beruht hingegen nicht (allein) darauf, dass eine Vorrichtung zum Gegenstand der Schutzansprüche gemacht wurde, die so ausgebildet ist, dass sie das in der Patentanmeldung offenbarte Verfahren mit seinen einzelnen Verfahrensschritten anwenden kann. Vor allem lässt sich die offenbarte Erfindung nicht auf die Fähigkeit einer Vorrichtung zur Anwendung des im ursprünglich eingereichten Anspruch 18 offenbarten Verfahrens reduzieren.

2.
Die mit den Ansprüchen 1 bis 3 schutzbeanspruchte Lehre des Klagegebrauchsmusters ist schutzfähig.

a)
Die erfindungsgemäße Lehre ist neu im Sinne von § 3 Abs. 1 GebrMG. Sie ist nicht in der Druckschrift US 5,986,763 (= D 11 = B 4) offenbart. Die Entgegenhaltung betrifft eine Vorrichtung zu Messung der Höhe so genannter Bumps. Dass diese Vorrichtung eine Auswerteeinrichtung aufweist, die dazu ausgebildet ist, den Fußpunkt des Gegenstands aus dem Schnittpunkt zweier Schatten zu bestimmen (Merkmal 5.2), ist nicht ersichtlich. Soweit dort von einer gestrichelten Linie β und einer Position eines Bumps α die Rede ist (Sp. 4 Z. 49 f der D 11), werden lediglich die Bezugsziffern der Figuren 4A bis 4E dieser Entgegenhaltung definiert. Dem lässt sich aber nicht entnehmen, dass die Position des Bumps α in irgendeiner Weise bestimmt wird, geschweige denn ein Fußpunkt in der Form des Mittelpunkts der Standfläche. Gleiches gilt für die Bestimmung der Ausrichtung des Gegenstands anhand der beiden Schatten (Merkmal 5.4).

b)
Die schutzbeanspruchte Lehre wird weiterhin nicht durch eine Kombination der Druckschrift US 6,177,628 (= D 13 = B 6) mit dem Handbuch „Computer Vision“ von Klette, Schlüns und Koschan (= D 14 = B 8) nahegelegt. Es ist unstreitig, dass die Entgegenhaltung B 6 nicht die Merkmalsgruppe 2 und das Merkmal 5.3 offenbart. Es gibt für den Fachmann jedoch keinen Anlass, die Entgegenhaltung B 8 heranzuziehen, um zu der erfindungsgemäßen Lösung zu gelangen. Die B 6 betrifft eine Vorrichtung und ein Verfahren zur Kontrolle von Lötkugeln auf einem Ball-Grid-Array. Insbesondere soll geprüft werden können, ob die Lötkugeln bestimmte Parameter erfüllen wie Koplanarität (relative Höhe), Kolinearität (Ausrichtung) und die Höhe der einzelnen Lötmittelkugeln. Es bestehen bereits Zweifel, ob die in der B 6 offenbarte Erfindung voraussetzt, dass die Oberfläche, auf der sich die Lötmittelkugeln befinden, bekannt sein muss und insofern ein Anlass besteht, die Oberfläche durch geeignete Mittel zu bestimmen. Jedenfalls aber wird der Fachmann bereits durch die B 6 davon abgehalten, zur Bestimmung der Oberfläche die Mehrlinientriangulation anzuwenden und insofern die B 8 heranzuziehen, weil die B 6 das Verfahren der Mehrlinientriangulation als nachteilig ansieht (vgl. S. 2 letzter Absatz bis S. 3 erster Absatz der B 6). Abgesehen davon ist nicht ersichtlich, dass in den beiden Entgegenhaltungen das Merkmal 5.4 der schutzbeanspruchten Lehre offenbart wird. Allein der Verweis auf die Verbindungslinie der beiden Schatten in der Figur 5A der B 6 genügt dafür nicht. Aus welchem Anlass der Fachmann im Übrigen die B 4 heranziehen sollte, um nunmehr zur erfindungsgemäßen Lösung zu gelangen, ist ebenfalls nicht ersichtlich und beruht letztlich auf einer rückschauenden Betrachtung.

c)
Die vorstehenden Erwägungen zur Kombination der B 6 mit der B 8 gelten auch für die Kombination der B 6 mit der internationalen Patentanmeldung WO 01/59404 A1 (= D 15 = B 9). Die B 9 betrifft eine Vorrichtung und ein Verfahren zur Messung von Unregelmäßigkeiten auf Oberflächen. Abgesehen davon, dass die D 13 bereits von der Verwendung des Mehrlinientriangulationsverfahrens wegführt, betrifft die B 9 zudem einen anderen Gegenstand, weil Gegenstände auf den Oberflächen nicht vermessen werden sollen. Im Übrigen ist auch hier nicht ersichtlich, dass die B 9 das Merkmal 5.4 offenbart.

d)
Die schutzbeanspruchte Lehre wird weiterhin nicht durch den Aufsatz “Shape Reconstruction from Shadow and Shading“ von Toh, Goh und Chan (= B 13) in Kombination mit der B 9. Es ist unstreitig, dass die B 13 nicht die die Mehrlinientriangulation zur Bestimmung der Oberfläche betreffenden Merkmale (Merkmalsgruppe 2 und Merkmal 5.3) offenbart. Gleichwohl beschreibt die Entgegenhaltung im Abschnitt „2. Lichtquellen und Kamerakalibrierung“ eine Methode, um die Position und die Ausrichtung der Kamera und Lichter der Vorrichtung in einem Weltkoordinatensystem zu bestimmen und so wahre dreidimensionale Messungen zu erhalten, insbesondere die Höhe eines Objekts auf der Oberfläche mithilfe der Schattenlänge bestimmen zu können (S. 2 Z. 28-31 der Anlage B 13-1). Zu diesem Zweck soll auf die Plattform ein Stück Millimeterpapier gelegt werden, auf dem der Ursprung eines Koordinatensystems festgesetzt wird. In Bezug auf dieses Koordinatensystem kann dann die Position der Lichtquelle beschrieben werden (S. 2 Z. 38 bis S. 3 Z. 3 der Anlage B 13-1). Warum der Fachmann davon ausgehend noch einen Anlass haben sollte, auf die Mehrlinientriangulation zur Bestimmung der Oberfläche entsprechend der Entgegenhaltung B 9 zurückzugreifen, erschließt sich nicht. Abgesehen davon wird in der B 13 das Merkmal 5.2 nicht offenbart. Eine Bestimmung des Fußpunktes im Sinne der schutzbeanspruchten Lehre wird nicht beschrieben.

e)
Ebenso wenig fehlt es den Schutzansprüchen 1 bis 3 ausgehend von der US 4,873,651 (D20 = B 14) an einem erfinderischen Schritt. Die Kammer vermag eine Offenbarung des Merkmals 5.2 in der B 14 nicht zu erkennen. Zwar sollen Form, Lage und Orientierung eines Objekts mit Hilfe eines Verfahrens zur Rekonstruktion der dreidimensionalen Oberfläche opaker fester Gegenstände aus einer Vielzahl zweidimensionaler Bilder (vgl. Sp. 1 Z. 7-11 der Anlage B 14) bestimmt werden können. Zudem werden bei dem in der Entgegenhaltung B 14 offenbarten Verfahren mehrere Schatten erzeugt und übereinandergelegt. Letztlich wird damit aber nur die Oberfläche des dreidimensionalen Gegenstands ermittelt, so dass ein Roboter-Greifer ihn greifen kann. Die Bestimmung eines Fußpunktes im Sinne der schutzbeanspruchten Lehre wird nicht beschrieben. Dabei handelt es sich nicht lediglich um eine geometrische Betrachtung. Vielmehr muss die Auswerteeinheit so ausgebildet sein, dass letztlich der Fußpunkt bestimmt werden kann. Die Bestimmung der Lage, wie sie eingangs der B 14 angesprochen wird, kann sich insofern auch allein auf die Verortung der Oberfläche des Objekts beschränken, wie sie in der Beschreibung der B 14 dargestellt ist. Auch die weiteren Textstellen der B 14 und die von der Beklagten angeführten Figuren haben keinen darüber hinaus gehenden Offenbarungsgehalt. Auf welchem Weg der Fachmann ausgehend von der B 14 nun zur erfindungsgemäßen Lehre gelangen könnte, ist letztlich nicht dargelegt.

IV.
Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht sämtliche Merkmale der schutzbeanspruchten Lehre. Dies ist mit Ausnahme des Merkmals 5.2 für alle Merkmale zu Recht unstreitig. Darüber hinaus weist die angegriffene Ausführungsform aber auch eine Auswerteeinheit auf, die dazu ausgebildet ist, den Fußpunkt des Bolzens aus dem Schnittpunkt der zwei durch die Flächenprojektoren erzeugten Schatten zu bilden.

Die angegriffene Ausführungsform ist in der Lage, anhand der Konturen der beiden Schatten jeweils die Mittellinie der Schatten zu bestimmen und dann den Schnittpunkt dieser beiden Linien zu berechnen. Der Schnittpunkt der beiden Mittellinien ist nach den vorstehenden Ausführungen zur Auslegung des Klagegebrauchsmusters mit dem Fußpunkt des Gegenstands gleichzusetzen. Dieser wird zudem aus dem Schnittpunkt der zwei Schatten bestimmt, weil es dafür nach zutreffender Auslegung genügt, wenn die Mittellinien der beiden Schatten bestimmt und der Schnittpunkt dieser Linien berechnet wird.

V.
Die Beklagte ist der Klägerin gemäß § 24 Abs. 1 GebrMG zur Unterlassung verpflichtet, da sie mit dem Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform von der Lehre der Schutzansprüche 1 bis 3 in unberechtigter Weise Gebrauch macht.

Die Klägern hat gegen die Beklagte Anspruch auf Schadensersatz dem Grunde nach aus § 24 Abs. 1 und 2 GebrMG. Die Beklagte beging die Gebrauchsmusterverletzung schuldhaft. Als Fachunternehmen hätte sie die Schutzrechtsverletzung bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt zumindest erkennen können, § 276 BGB. Es ist weiterhin nicht unwahrscheinlich, dass der Klägerin durch die Gebrauchsmusterverletzung ein Schaden entstanden ist. Das für die Zulässigkeit des Feststellungsantrags erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich daraus, dass die Klägerin derzeit nicht in der Lage ist, die Höhe des ihr zustehenden Schadensersatzes zu beziffern und ohne eine rechtskräftige Feststellung der Schadensersatzpflicht die Verjährung ihrer Ansprüche droht.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte im tenorierten Umfang Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung aus § 24b Abs. 1 und 3 GebrMG, §§ 242, 259 BGB. Der Anspruch auf Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der angegriffenen Ausführungsform ergibt sich aufgrund der unberechtigten Benutzung des Erfindungsgegenstands unmittelbar aus § 24b Abs. 1 GebrMG, der Umfang der Auskunftspflicht aus § 24b Abs. 3 GebrMG. Die weitergehende Auskunftspflicht und die Verpflichtung zur Rechnungslegung folgen aus §§ 242, 259 BGB, damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadensersatzanspruch zu beziffern. Die Klägerin ist auf die tenorierten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt, und die Beklagten werden durch die von ihnen verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet.

Weiterhin hat die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Vernichtung der streitgegenständlichen Vorrichtungen aus § 24a Abs. 1 GebrMG. Die für den Vernichtungsanspruch erforderlichen Voraussetzungen des § 24 Abs. 1 GebrMG liegen vor. Da die Beklagte die angegriffene Ausführungsform herstellt und vertreibt, ist auch davon auszugehen, dass sie zumindest im Besitz einer angegriffenen Ausführungsform ist.

Schließlich hat die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückruf der schutzrechtsverletzenden Erzeugnisse aus den Vertriebswegen gemäß § 24a Abs. 3 GebrMG, da die Beklagte die patentierte Erfindung entgegen 11 Abs. 1 GebrMG benutzt.

VI.
Für eine Aussetzung des Verfahren gemäß § 19 GebrMG i.V.m. § 148 ZPO besteht aufgrund der Ausführungen im Abschnitt III. der Begründung dieser Entscheidung kein Anlass.

VII.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 269 Abs. 3 S. 2 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 und 2 ZPO. Auf Antrag waren Teilsicherheiten für die einzelnen titulierten Ansprüche festzusetzen, wobei berücksichtigt wurde, dass die Vollstreckung des Vernichtungs- oder Rückrufanspruchs faktisch zu einer Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs führt, so dass die Sicherheitsleistung für alle drei Ansprüche einheitlich festzusetzen war.

Streitwert: 250.000,00 EUR