4b O 123/13 – Falzmaschinenverbund

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 2363

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 4. Dezember 2014, Az. 4b O 123/13

Leitsatz der Redaktion:

 Der Rückruf und die Vernichtung der gesamten Maschinen ist beispielsweise dann unverhältnismäßig i.S.d. § 140a Abs. 4 PatG, wenn der durch die Rechtsverletzung verursachte Zustand der Falzmaschinen auf andere Weise beseitigt werden kann und die Vernichtung für die Beklagte im Einzelfall unverhältnismäßig ist. Nach dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte des Gesetzes bildet der Anspruch auf Vernichtung schutzrechtsverletzender Erzeugnisse die Regel und nur ausnahmsweise sollen andere Maßnahmen in Betracht kommen. Die Anordnung der Vernichtung hat – soweit sie über die bloße Folgenbeseitigung hinausreicht – nach dem Willen des Gesetzgebers auch eine Art Sanktionscharakter.

I. Die Beklagte wird verurteilt,

1. es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlungen bis zu zwei Jahren, zu vollziehen an den jeweiligen Geschäftsführern der Komplementärgesellschaft der Beklagten, zu unterlassen,

einen Falzmaschinenverbund aus mehreren aufeinander folgenden Aggregaten, zu denen ein Bogenanleger, wenigstens ein Falzwerk und eine Bogenauslage gehören,

in der Bundesrepublik Deutschland herzustellen, anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,

wobei eine übergeordnete Hauptsteuerung und eine Aggregatsteuerung in jedem Aggregat vorgesehen sind, wobei außer dem Bogenanleger jedes Aggregat über eine standardisierte serielle Steckverbindung an das vorausgehende Aggregat angeschlossen ist, wobei die Hauptsteuerung und die Aggregatsteuerungen jeweils über eine Schnittstelle an einen seriellen Datenbus angeschlossen sind, wobei in jedem Aggregat Erkennungsmittel zur Feststellung vorhanden sind, ob einem Aggregat ein Aggregat vorgeordnet oder nachgeordnet ist, und wobei die Aggregatsteuerungen der Hauptsteuerung untergeordnet sind, wobei zumindest eine derjenigen Funktionen der einzelnen Aggregate durch die Hauptsteuerung steuerbar und überwachbar ist, welche für die Gesamtfunktion des Maschinenverbundes von Bedeutung sind;

2. der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie die zu Ziffer I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 17.01.2010 begangen hat, und zwar unter Angabe

a) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
b) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
c) der Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden,

– wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen

– und wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht gewerblichen Abnehmer sowie der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;

3. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagte die zu Ziffer I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 19.10.1996 begangen hat und zwar unter Angabe

a) der Herstellungsmengen und -zeiten,
b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,
c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

– wobei die Angaben zu Ziffer e) erst für die Zeit ab dem 17.01.2010 zu machen sind und

– wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht gewerblichen Abnehmer sowie der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;

4. die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder in ihrem Eigentum befindlichen, unter Ziffer I.1. bezeichneten Erzeugnisse zu vernichten oder nach ihrer Wahl an einen von der Klägerin zu benennenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten herauszugeben;

5. die unter Ziffer I.1. bezeichneten und seit dem 17.01.2010 in Verkehr gebrachten Erzeugnisse gegenüber den gewerblichen Abnehmern unter Hinweis auf den gerichtlich festgestellten patentverletzenden Zustand der Sache und mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen und die Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen;

II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist,

1. der Klägerin für die unter Ziffer 1. bezeichneten, in der Zeit vom 19.10.1996 bis zum 16.01.2010 begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen sowie

2. der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die unter Ziffer 1. bezeichneten, seit dem 17.01.2010 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

III. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 750.000,00 EUR.

TATBESTAND

Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des deutschen Patents 195 16 XXX (Klagepatent, Anlage K1), das die Bezeichnung „Falzmaschinenverbund und Verfahren zum Betrieb eines Falzmaschinenverbunds“ trägt. Aus diesem Schutzrecht nimmt die Klägerin die Beklagte auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Rechnungslegung, Vernichtung und Rückruf patentverletzender Erzeugnisse sowie Feststellung der Entschädigungs- und Schadensersatzpflicht in Anspruch.

Die dem Klagepatent zugrunde liegende Anmeldung wurde am 04.05.1995 unter Inanspruchnahme einer inneren Priorität vom 13.03.1995 eingereicht. Die Offenlegung der Anmeldung erfolgte am 19.09.1996. Am 17.12.2009 wurde der Hinweis auf die Patenterteilung veröffentlicht. Das Klagepatent steht in Kraft. Die Beklagte hat gegen das Klagepatent Einspruch eingelegt, der erstinstanzlich vom DPMA zurückgewiesen wurde. Dagegen hat die Beklagte Beschwerde eingelegt, über die noch nicht entschieden ist.

Der in diesem Rechtstreit maßgebliche Anspruch 1 des Klagepatents lautet wie folgt:

Falzmaschinenverbund aus mehreren aufeinander folgenden Aggregaten, zu denen ein Bogenanleger, wenigstens ein Falzwerk und eine Bogenauslage gehören, wobei eine übergeordnete Hauptsteuerung (10) und eine Aggregatsteuerung in jedem Aggregat (12a, 12b, 12c, … 12n) vorgesehen sind, wobei außer dem Bogenanleger jedes Aggregat über eine standardisierte serielle Steckverbindung (S, S1, S2) an das vorausgehende Aggregat angeschlossen ist, wobei die Hauptsteuerung (10) und die Aggregatsteuerungen jeweils über eine Schnittstelle an einen seriellen Datenbus (14) angeschlossen sind, wobei in jedem Aggregat Erkennungsmittel zur Feststellung vorhanden sind, ob einem Aggregat ein Aggregat vorgeordnet oder nachgeordnet ist, und wobei die Aggregatsteuerungen der Hauptsteuerung (10) untergeordnet sind, wobei zumindest eine derjenigen Funktionen der einzelnen Aggregate (12a, 12b, 12c, … 12n) durch die Hauptsteuerung steuerbar und überwachbar ist, welche für die Gesamtfunktion des Maschinenverbundes von Bedeutung sind.

Die nachfolgende Abbildung (Figur 1 des Klagepatents) stellt eine bevorzugte Ausführungsform der Erfindung dar. Gezeigt wird ein schematischer Falzmaschinenverbund mit einem Anleger, zwei Falzwerken, einer Auslage und einer Hauptsteuerung.

Die Beklagte stellt her, bietet an und vertreibt im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Falzmaschinen der sog. A-Baureihe mit den Bezeichnungen B, C sowie D (angegriffene Ausführungsformen). Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die vorstehend aufgeführten Maschinen im Hinblick auf die in Rede stehende Patentverletzung technisch identisch ausgebildet sind. Sie sind allesamt mit der sogenannten „E-Steuerung“ ausgestattet. Bogenanleger und erstes Falzwerk sind jeweils zu einer baulichen Einheit zusammengefasst, die über eine einzige Steuerung verfügt. Die Funktionsweise der angegriffenen Ausführungsformen wird in den als Anlagen K9 und K10 zur Akte gereichten Veröffentlichungen der Beklagten beschrieben. Auf deren Inhalt wird Bezug genommen.

Die Klägerin sieht in der Herstellung, dem Angebot und dem Vertrieb der vorbezeichneten Falzmaschinen eine unmittelbare wortsinngemäße Verletzung des Klagepatents.

Sie ist der Auffassung, im Rahmen der erfindungsgemäßen Lehre spiele es keine Rolle, ob einzelne Bauteile zu einer baulichen Einheit zusammengefasst seien. Entscheidend sei allein, dass ein Verbund aus mehreren Aggregaten vorhanden sei. Die erfindungsgemäße Lehre erfordere für jedes Aggregat, nicht aber für jedes Bauteil, eine Aggregatsteuerung, eine standardisierte serielle Steckverbindung und ein Erkennungsmittel. Dies sei bei den angegriffenen Ausführungsformen der Fall.

Das erfindungsgemäße Erkennungsmittel in den Aggregaten müsse lediglich die Möglichkeit zur Feststellung eröffnen, ob einem Aggregat ein weiteres Aggregat vor- oder nachgeordnet sei. Nicht erforderlich sei demgegenüber, dass die Erkennungsmittel selbst diese Feststellung treffen und auswerten könnten.

Schließlich stelle die sog. „E-Control“ der angegriffenen Ausführungsformen eine Hauptsteuerung im Sinne des Klagepatents dar. Aus Anlage K12 ergebe sich, dass die Hauptsteuerung über das Netzwerk in den Maschinenverbund eingebunden sei. Über serielle Schnittstellen seien die Falzstationen mit den Steuerungen angeschlossen. Es spiele im Rahmen der erfindungsgemäßen Lehre keine Rolle, bei welchem Aggregat die Hauptsteuerung vorgesehen sei. Selbst wenn sie von jedem Aggregat aus bedient werden könne, ändere dies nichts an ihrer übergeordneten Bedeutung.

Die Klägerin beantragt,

zu erkennen wie geschehen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise das Verfahren bis zum rechtskräftigen Abschluss des Einspruchsverfahrens gegen das Klagepatent auszusetzen,

hilfsweise ihr nachzulassen, eine Zwangsvollstreckung aus einem klagestattgebenden Urteil gegen Sicherheitsleistung abwenden zu dürfen.

Die Klägerin tritt dem Aussetzungsantrag entgegen.

Die Beklagte ist der Auffassung, die im Klagepatentanspruch 1 im einzelnen aufgeführten Bauteile „Bogenanleger, Falzwerk und Bogenauslage“ würden jedes für sich genommen ein Aggregat im Sinne der erfindungsgemäßen Lehre darstellen. Dies ergebe sich schon aus dem Wortlaut des Anspruchs. In der Folge müssten diese Bauteile jeweils für sich genommen eine standardisierte serielle Steckverbindung aufweisen, über die sie zu dem anspruchsgemäßen „Verbund“ zusammengefügt werden könnten. Der Fachmann erkenne, dass die einzelnen Aggregate dabei funktional voneinander unabhängig seien. Diese funktionale Trennung zeige sich auch darin, dass jedes Aggregat über ein Erkennungsmittel zur Feststellung verfügen solle, ob ein anderes Aggregat vor- oder nachgeordnet sei. Da das erste Falzwerk der angegriffenen Ausführungsform mit dem Bogenausleger zu einer baulichen Einheit zusammengefasst sei, verfüge es – insoweit unstreitig – weder über eine eigene Steuerung noch über eine Schnittstelle oder Erkennungsmittel im Sinne der erfindungsgemäßen Lehre.

Dessen ungeachtet seien die Aggregate der angegriffenen Ausführungsform auch nicht mit Erkennungsmitteln im Sinne der erfindungsgemäßen Lehre ausgestattet. Es würden zwar im Kreis verlaufende Pulse (n+1) verschickt, diese Pulse seien aber reine Maschinenkenndaten. Die eingesetzten Aggregate könnten auf diese Weise zwar „erkennen“, wo sie stationär stehen, nicht aber, ob sich vor oder hinter ihnen noch andere Aggregate befinden. Insofern würden sie nur ihre absolute Position kennen, könnten hieraus aber nichts ableiten.

Schließlich weise die angegriffene Ausführungsform keine „Hauptsteuerung“ im Sinne der klagepatentgemäßen Lehre auf. Vielmehr seien sämtliche bei den Aggregaten eingesetzten Steuerungen parallel zueinander.

Soweit man dennoch zu einer Verletzung des Klagepatents kommen sollte, stehe dem Vernichtungs- und Rückrufanspruch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entgegen. Nachdem sich das Klagepatent lediglich auf die Steuerung beziehe, könne Rückruf und Vernichtung nicht für die gesamte Anlage geltend gemacht werden. Die Klägerin habe durch Nichtbetreiben der Anmeldung gezeigt, dass ihr die Anmeldung wirtschaftlich nicht besonders bedeutend zu sein scheine.

Im Übrigen sei das Klagepatent nicht schutzfähig. Sie – die Beklagte – habe nach der Entscheidung des DPMA über den gegen das Klagepatent gerichteten Einspruch Unterlagen aufgefunden, die eine offenkundige Vorbenutzung der erfindungsgemäßen Lehre durch einen Falzmaschinenverbund der F GmbH und durch einen Falzmaschinenverbund der G Buchbindereimaschinenwerke H belegen würden.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 20.11.2014 verwiesen.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

Die Klage ist zulässig und begründet.

Der Klägerin stehen gegen die Beklagte Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Vernichtung und Rückruf patentverletzender Erzeugnisse sowie Feststellung der Entschädigungs- und Schadensersatzpflicht aus den §§ 9 S. 2 Nr. 1, 33 Abs. 1, 139 Abs. 1 und 2, 140 a Abs. 1 und 3, 140b PatG, §§ 242, 259 BGB zu. Die angegriffenen Ausführungsformen machen von der Lehre des Klagepatentanspruchs 1 unmittelbar wortsinngemäß Gebrauch.

I.
Die dem Klagepatent zugrundeliegende Erfindung betrifft einen Falzmaschinenverbund aus mehreren aufeinander folgenden Aggregaten, zu denen ein Bogenanleger, wenigstens ein Falzwerk und eine Bogenauslage gehören (Anlage K1 Abs. [0001]).

Die Klagepatentschrift beschreibt einleitend die verschiedenen Anforderungen an das Falzen von beispielsweise einfachen Prospektblättern oder komplexen Straßenkarten oder faltbaren Stadtplänen. Für letztere werden Falzaggregate unterschiedlicher Art benötigt (Anlage K1 Abs. [0002]).

Nach der Zusammenstellung des für die jeweilige Falzarbeit benötigten Falzmaschinenverbundes muss dieser für den Betrieb eingerichtet werden. Dabei müssen die Betriebsparameter der einzelnen Aggregate nicht nur auf das Falzprodukt eingestellt, sondern auch aufeinander abgestimmt werden. Je nach Größe des Falzmaschinenverbundes kann dies einen hohen Arbeitsaufwand erfordern (Anlage K1 Abs. [0004]).

Die Klagepatentschrift verweist in diesem Zusammenhang auf die DE 195 07 XXX, die eine Faltmaschine zum Falten großformatiger Zeichnungen offenbart, die aus Einzelaggregaten in Modulbauweise zusammengesetzt ist. Dabei weisen die einzelnen Aggregate eine Steuerung auf und sind untereinander sowie mit einer übergeordneten Hauptsteuerung verbindbar. Allerdings fehlt es in der zitierten Schrift an Hinweisen zur Inbetriebnahme einer solchen Faltmaschine (Anlage K1 Abs. [0004]).

Vor diesem Hintergrund bezeichnet es die Klagepatentschrift als Aufgabe (technisches Problem), einen Falzmaschinenverbund zu schaffen, bei dem die Abstimmung einzelner Aggregate des Falzmaschinenverbunds aufeinander bei der Inbetriebnahme für den Bediener vereinfacht und das Risiko einer fehlerhaften Inbetriebnahme durch das Bedienpersonal erheblich vermindert ist.

Zur Lösung dieser Aufgabe sieht das Klagepatent in Anspruch 1 eine Vorrichtung mit folgenden Merkmalen vor:

1. Falzmaschinenverbund aus mehreren aufeinander folgenden Aggregaten.
2. Zu den Aggregaten gehören ein Bogenanleger, wenigstens ein Falzwerk und eine Bogenauslage.
3. Es sind eine übergeordnete Hauptsteuerung (10) und eine Aggregatsteuerung in jedem Aggregat (12a, 12b, 12c, … 12n) vorgesehen.
4. Außer dem Bogenanleger ist jedes Aggregat über eine standardisierte serielle Steckverbindung (S, S1, S2) an das vorausgehende Aggregat angeschlossen.
5. Die Hauptsteuerung (10) und die Aggregatsteuerungen sind jeweils über eine Schnittstelle an einen seriellen Datenbus (14) angeschlossen.
6. In jedem Aggregat sind Erkennungsmittel zur Feststellung vorhanden, ob einem Aggregat ein Aggregat vorgeordnet oder nachgeordnet ist.
7. Die Aggregatsteuerungen der einzelnen Aggregate sind der Hauptsteuerung (10) untergeordnet, wobei zumindest eine derjenigen Funktionen der einzelnen Aggregate (12a, 12b, 12c, … 12n) durch die Hauptsteuerung steuerbar und überwachbar ist, welche für die Gesamtfunktion des Maschinenverbundes von Bedeutung sind.

Im Hinblick auf den Streit der Parteien bedürfen die vorgenannten Merkmale der Auslegung.

Nach Merkmal 2 gehören zu den Aggregaten, die den erfindungsgemäßen Falzmaschinenverbund bilden (vgl. Merkmal 1), der Bogenanleger, mindestens ein Falzwerk und die Bogenauslage. Der erfindungsgemäße Falzmaschinenverbund besteht damit aus wenigstens drei Aggregaten. Für den Fachmann ergibt sich dabei aus dem Bogenlauf zwangsläufig eine Anordnung dergestalt, dass ein erstes Aggregat einen Bogenanleger, ein weiteres Aggregat bzw. weitere Aggregate ein Falzwerk und ein letztes Aggregat eine Bogenauslage aufweisen müssen.

Dabei ist die erfindungsgemäße Lehre nicht auf einen Maschinenverbund beschränkt, dessen einzelne Aggregate jeweils nur ein Bauteil umfassen. Eine solche Einschränkung ergibt sich – entgegen der Auffassung der Beklagten – weder aus dem Wortlaut des Klagepatentanspruchs 1, noch entspricht sie dem Inhalt der Beschreibung. In Absatz [0031] der Klagepatentschrift wird vielmehr unter Bezugnahme auf Figur 6 eine Ausführungsform der Erfindung beschrieben, bei der der Bogenanlege und ein Taschenfalzwerk zu einer baulichen Einheit zusammengefasst sind. Als Aggregate 2 bis 4 sind in dieser Ausführungsform der Erfindung weitere Falzwerke angegeben. Die erfindungsgemäße Lehre lässt also durchaus die bauliche Zusammenfassung mehrerer Bauteile zu, solange dabei ein Verbund bestehen bleibt, der aus mindestens drei Aggregaten besteht und das erste Aggregat einen Bogenanleger, das zweite oder weitere Aggregate ein Falzwerk und das letzte Aggregat eine Bogenauslage aufweisen.

Dabei ergibt sich schon aus dem Wortlaut des Klagepatentanspruchs 1, aber auch unter Berücksichtigung einer funktionalen Betrachtung, dass nicht jedes einzelne Bauteil, sondern vielmehr jedes Aggregat eine Aggregatsteuerung (Merkmal 3), eine serielle Steckverbindung (Merkmal 4) sowie Erkennungsmittel (Merkmal 6) aufweisen soll.

So heißt es etwa im Hinblick auf die Aggregatsteuerung in Abs. [0008] der Klagepatentschrift, dass diese bei Bedarf den autarken Betrieb des Aggregats unabhängig von der Hauptsteuerung ermögliche. Nicht erforderlich ist demgegenüber funktional die Steuerung jedes einzelnen Bauteils, wenn mehrere Bauteile in einem Aggregat baulich zusammengefasst sind und als Einheit gesteuert werden. Entsprechend zeigt das Ausführungsbeispiel gemäß Fig. 6 der Klagepatentschrift einen Maschinenverbund, bei dem das erste Aggregat, bestehend aus dem Bogenanleger und einem ersten Falzwerk, nur eine einzige Aggregatsteuerung aufweist. In Absatz [0031] der Klagepatentschrift heißt es hierzu, die erste Aggregatsteuerung könne – abweichend von der Darstellung in Fig. 1 – zugleich die Steuerung des Bogenanlegers und die des ersten Falzwerks gewährleisten.

Auch die standardisierte serielle Steckverbindung fordert das Klagepatent nur für das Aggregat, nicht für ein einzelnes Bauteil (vgl. Merkmal 4). Sind mehrere Bauteile baulich zu einer Einheit zusammengefasst, so dass sie ein Aggregat bilden, besteht nicht das Erfordernis, sie nochmal gesondert untereinander zu verbinden. Vielmehr muss lediglich eine Verbindung des Aggregates zu den anderen Aggregaten des Maschinenverbundes hergestellt werden. Dies soll nach der klagepatentgemäßen Lehre über die standardisierte serielle Steckverbindung gemäß Merkmal 4 erfolgen.

Entsprechendes gilt für die Erkennungsmittel in Merkmal 6. Diese sind nach dem Wortlaut dem Aggregat zugeordnet, nicht einem einzelnen Bauteil. Dies ist auch technisch sinnvoll. Sind mehrere Bauteile in einem Aggregat zusammengefasst, genügt ein Erkennungsmittel, das zur Feststellung geeignet ist, ob dem Aggregat ein anderes Aggregat vor- oder nachgeordnet ist.

Der Wortlaut des Merkmals 6 verlangt dabei nicht, dass die Feststellung, ob dem Aggregat ein anderes Aggregat vor- oder nachgeordnet ist, durch das Erkennungsmittel selbst getroffen wird. Vielmehr fordert die erfindungsgemäße Lehre nur, dass das dem Aggregat zugeordnete Erkennungsmittel diese Feststellung ermöglicht. Dafür genügt auch die Übermittlung von Maschinenkenndaten durch das Erkennungsmittel, die es beispielsweise der Hauptsteuerung ermöglicht, die Position der einzelnen Aggregate zueinander im Maschinenverbund festzustellen. So heißt es etwa in Absatz [0009] der Klagepatentschrift, dass die Hauptsteuerung bei der Inbetriebnahme alle im Verbund befindlichen Aggregate ermittelt und ihre Kenndaten abfragt. Aus diesen Kenndaten und aus den zuvor eingegebenen Falzparametern ermittelt die Hauptsteuerung dann die Betriebs- und Einstellparameter für die verschiedenen Aggregate und übermittelt sie über den seriellen Bus an die betreffenden Aggregat-steuerungen zu deren Initialisierung sowie zur Initialisierung des Gesamtverbundes. In Bezug auf ein Ausführungsbeispiel der Erfindung heißt es in Absatz [0059] der Klagepatentschrift, dass die Hauptsteuerung feststellt, welche Aggregate sich in welcher Reihenfolge im Maschinenverbund befinden. Hierfür wird zunächst das erste Folgeaggregat hinter der Hauptsteuerung angesprochen. Dieses Aggregat übermittelt dann seine Maschinenkenndaten an die Hauptsteuerung. Die Hauptsteuerung ordnet diesem Aggregat eine logische Adresse zu. Nach Kennung des ersten Folgeaggregats erfolgt nacheinander die Kennung der weiteren Aggregate, bis das letzte Aggregat erkannt wurde. Auch Abs. [0045] der Klagepatentschrift beschreibt die „Erkennung“ vorausgehender oder nachfolgender Aggregate mittels der Übermittlung von Maschinenkenndaten. Aus alledem ergibt sich, dass die Feststellung der relativen Position der einzelnen Aggregate zueinander auch durch die Hauptsteuerung erfolgen kann und die einzelnen Aggregate nach Merkmal 6 lediglich Mittel zur Verfügung stellen, die diese Feststellung durch die Hauptsteuerung ermöglichen.

Die schon erwähnte Hauptsteuerung soll nach der klagepatentgemäßen Lehre den einzelnen Aggregatsteuerungen übergeordnet sein (Merkmale 3 und 7). Die einzelnen Aggregatsteuerungen ermöglichen bei Bedarf den autarken Betrieb des Aggregats unabhängig von der Hauptsteuerung. Die Hauptsteuerung ist den Aggregatsteuerungen dergestalt übergeordnet, dass sie zumindest eine derjenigen Funktionen steuert, die für die Gesamtfunktion des Maschinenverbundes von Bedeutung sind (Merkmal 7). In Abs. [0008] der Klagepatentschrift ist an dieser Stelle beispielhaft der Bogenvorschub als eine für den gesamten Maschinenverbund relevante Funktion genannt. Übernimmt die Hauptsteuerung die Einstellung des Bogenvorschubs für den gesamten Maschinenverbund, befinden sich die einzelnen Aggregatsteuerungen diesbezüglich im „Slave-Modus“, während die Hauptsteuerung im „Master-Modus“ betrieben wird (Anlage K1 Abs. [0008]).

Im Weiteren (Anlage K1 Abs. [0009] und [0010]) beschreibt die Klagepatentschrift im Hinblick auf die Inbetriebnahme, den Betrieb, die Fehlerbehandlung und das Abschalten des Maschinenverbundes Funktionen, die von der Hauptsteuerung übernommen werden können, um einen sicheren und wenig personalintensiven Betrieb des Falzmaschinenverbundes zu gewährleisten. Hierbei handelt es sich jedoch um zusätzliche Funktionen, die in einer besonders bevorzugten Ausführungsform der Erfindung von der Hauptsteuerung übernommen werden. Zwingend ist dies nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut von Merkmal 7 nicht. Anspruch 1 des Klagepatents setzt vielmehr lediglich voraus, dass mittels einer übergeordneten Hauptsteuerung wenigstens ein verbundrelevanter Einstellparameter zentral vorgegeben werden kann. Hierzu wird die entsprechende Einstellung der einzelnen Aggregate verworfen und durch einen Parameter passend für den Gesamtverbund ersetzt. Eben hierin liegt die übergeordnete Stellung der Hauptsteuerung.

An dieser übergeordneten Stellung ändert sich bei der gebotenen funktionsorientierten Auslegung des Patentanspruchs auch dann nichts, wenn die Hauptsteuerung räumlich-körperlich nicht getrennt von den einzelnen Aggregatsteuerungen vorliegt, sondern auf eine oder mehrere Aggregatsteuerungen „aufgesetzt“ ist. Dies lässt der Anspruchswortlaut ohne weiteres zu, da er zwar den Ort der einzelnen Aggregat-steuerungen – nämlich in den Aggregaten – vorgibt, nicht aber die Anordnung der Hauptsteuerung (vgl. Merkmal 3). So beschreibt Abs. [0008] der Klagepatentschrift es als vorzugswürdig, die Hauptsteuerung dem ersten Aggregat des Verbundes zuzuordnen. Die Hauptsteuerung muss dabei – unabhängig davon, wo sie angeordnet ist – stets über eine Schnittstelle an den seriellen Datenbus verfügen, um den Datenaustausch mit den einzelnen Aggregatsteuerungen zu gewährleisten (Merkmal 5). Dabei genügt es, wenn die Hauptsteuerung die Schnittstelle einer Aggregatsteuerung an den seriellen Datenbus nutzt, um ihre übergeordnete Funktion auszuüben.

II.
Vor diesem Hintergrund machen die angegriffenen Ausführungsformen von der technischen Lehre des Klagepatentanspruchs 1 unmittelbar wortsinngemäß Gebrauch.

Die angegriffenen Ausführungsformen stellen einen Falzmaschinenverbund aus mehreren aufeinander folgenden Aggregaten dar (Merkmal 1).

Zu diesen Aggregaten gehören gemäß Merkmal 2 ein Bogenanleger, mehrere Falzwerke und eine Bogenauslage. Dass das erste Aggregat neben dem Bogenanleger auch ein Falzwerk aufweist, das mit dem Bogenanleger zu einer baulichen Einheit zusammengefasst ist, hindert die Verwirklichung von Merkmal 2 nicht. Denn wie vorstehend ausgeführt, ist die erfindungsgemäße Lehre nicht auf einen Maschinenverbund beschränkt, dessen Aggregate jeweils nur ein einziges Bauteil aufweisen. Entscheidend ist vielmehr, dass ein erstes Aggregat einen Bogenanleger, ein weiteres Aggregat ein Falzwerk und ein letztes Aggregat eine Bogenauslage aufweisen muss. Eben dies ist bei den angegriffenen Ausführungsformen der Fall, da diese unstreitig neben dem ersten Falzwerk, das mit dem Bogenanleger zu einem ersten Aggregat zusammengefasst ist, weitere Falzwerke aufweisen, die das zweite, dritte, usw. Aggregat bilden (s. auch Anlage K9). Das letzte Aggregat bildet sodann die Bogenauslage.

Jedes der Aggregate weist eine eigene Aggregatsteuerung auf (Merkmal 3). Dies ist zwischen den Parteien unstreitig und lässt sich auch den Anlagen K9, K10 und K11.2 (dort S. 125) entnehmen. Dass das erste Falzwerk, das mit dem Bogenanleger zu einer baulichen Einheit zusammengefasst ist, nach der erfindungsgemäßen Lehre keine eigene Steuerung aufweisen muss, wurde oben bereits erläutert.

Entsprechendes gilt für die standardisierte serielle Steckverbindung. Das erste Falzwerk bei der angegriffenen Ausführungsform muss eine solche nicht aufweisen, weil es mit dem Bogenanleger baulich verbunden ist. Insofern reicht es aus, dass das aus Bogenanleger und Falzwerk gebildete Aggregat eine standardisierte serielle Steckverbindung aufweist, mittels der das nächste Aggregat im Maschinenverbund angeschlossen werden kann. Dass die weiteren Aggregate standardisierte serielle Steckverbindungen aufweisen, ist zwischen den Parteien unstreitig, so dass an der Verwirklichung von Merkmal 4 keine Zweifel bestehen.

Die einzelnen Aggregate weisen Erkennungsmittel im Sinne von Merkmal 6 auf. Im Hinblick auf das erste Aggregat, bestehend aus Bogenanleger und Falzwerk, wird auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen. Obwohl es sich um mehrere Bauteile handelt, reicht ein Erkennungsmittel für das aus den Bauteilen gebildete Aggregat aus.

Soweit die Beklagte darauf verweist, die in den Aggregaten der angegriffenen Ausführungsformen vorhandenen Erkennungsmittel würden lediglich Maschinendaten übermitteln, könnten aber nicht ihre relative Position zu den anderen Aggregaten feststellen, führt dies nicht aus der Verletzung des Klagepatents heraus. Denn hiernach sollen die Erkennungsmittel lediglich die Feststellung ermöglichen, ob dem Aggregat ein weiteres Aggregat vor- oder nachgeordnet ist. Die Erkennungsmittel müssen hingegen nicht selbst diese Feststellung treffen können (s.o. zur Auslegung). Die Möglichkeit einer entsprechenden Feststellung wird aber auch dann geschaffen, wenn die einzelnen Erkennungsmittel der Aggregate nur ihre Maschinenkenndaten an die Hauptsteuerung übermitteln und diese aufgrund dessen sodann die Position der einzelnen Aggregate im Maschinenverbund feststellen kann. Dies ist bei der angegriffenen Ausführungsform der Fall. Insofern heißt es in Anlage K10:

„Each folding machine,…, is recognized on the bus by an identification mechanism and is integrated into the total system using flexible node number assignment.“

Die einzelnen Aggregatsteuerungen der angegriffenen Ausführungsformen sind mit einem gemeinsamen CAN-Bus verbunden (Merkmal 5). Dies ergibt sich aus Anlage K10 Seite 20 „…basierend auf einem CAN-Bus“ („…based on a CAN bus“) und wird gestützt durch die Anlage K12 (Seite 2), welche das Datentransfersystem per CAN-Bus-Technologie als eine E-Komponente benennt.

Entgegen der Auffassung der Beklagten weist die angegriffene Ausführungsform schließlich auch eine Hauptsteuerung auf, die den einzelnen Aggregatsteuerungen übergeordnet ist und die zumindest eine der Funktionen steuern und überwachen kann, die für die Gesamtfunktion des Maschinenverbundes von Bedeutung sind (Merkmale 3 und 7). Die Beklagte bewirbt die angegriffenen Ausführungsformen mit der Steuereinheit „E-Control“. In Anlage K10 wird die Funktionsweise wie folgt beschrieben:

„Der MBO E-Control Maschinencontroller ist ein moderner digitaler Steuerungs-Mikroprozessor Controller, welcher die Maschinenkontrolle, die Produktüberwachung sowie die Konfiguration der Maschine in einem einzigen Kontroll- und Steuersystem kombiniert.“

Sowohl Anlage K9 als auch Anlage K10 Seite 20 offenbaren, dass mit Hilfe der E-Steuerung eine zentrale Steuerung zumindest der Bandgeschwindigkeit vorgenommen werden kann. Bei der Bandgeschwindigkeit / dem Bogenvorschub handelt es sich, wie im Klagepatent in Absatz [0008] beschrieben, um eine für den Verbund relevante Gesamtfunktion.

Der Annahme einer übergeordneten Hauptsteuerung steht nicht entgegen, dass die Funktionen der E-Steuerung von jedem Aggregat in der Gesamtanlage aus bedient werden können (vgl. Anlage K9, letzte Seite). Denn wie oben ausgeführt, gibt das Klagepatent einen bestimmten Ort für die Hauptsteuerung nicht vor. Diese ist von den einzelnen Aggregatsteuerungen dadurch abgrenzbar, dass allein durch sie die einzelnen Parameter, die für die Gesamtfunktion des Maschinenverbundes von Bedeutung sind, zentral gesteuert werden können. Dabei verlangt die erfindungsgemäße Lehre nicht, dass sämtliche relevante Funktionen von der Hauptsteuerung gesteuert werden können. Merkmal 7 beschränkt sich vielmehr auf eine verbundrelevante Funktion. Jedenfalls der Bogenvorschub kann bei den angegriffenen Ausführungsformen zentral gesteuert werden. Dies geschieht dadurch, dass die sog. E-Steuerung die Funktion einer Hauptsteuerung übernimmt. Ob daneben weitere Funktionen zentral gesteuert werden können, ist für die Verletzung des Klagepatents unerheblich.

Soweit die Beklagte meint, die Klägerin hätte zur Funktion der Hauptsteuerung nicht substantiiert vorgetragen, folgt die Kammer dem nicht. Den vorgelegten Unterlagen lässt sich vielmehr unzweifelhaft entnehmen, dass die E-Steuerung jedenfalls im Hinblick auf den Bogenvorschub die Funktion einer Hauptsteuerung übernimmt. Wo genau die E-Steuerung im Maschinenverbund angeordnet ist, ist für die Verletzung unerheblich. Insbesondere führt es nicht aus der Lehre des Klagepatents hinaus, wenn die Hauptsteuerung über die einzelnen Aggregatsteuerungen steuerbar ist. Die übergeordnete Funktion muss nicht räumlich-körperlich feststellbar sein, sondern zeigt sich eben daran, dass bestimmte verbundrelevante Parameter zentral gesteuert werden können und die Hauptsteuerung die entsprechenden Parameter der untergeordneten Aggregatsteuerungen durch entsprechende für den Gesamtverbund errechnete Parameter ersetzt. Dass dies zumindest für den Bogenvorschub bei den angegriffenen Ausführungsformen nicht der Fall wäre, behauptet auch die Beklagte nicht. Zu der genauen Funktionsweise der angegriffenen Ausführungsformen im Hinblick auf die in Rede stehende E-Steuerung verhält sich die Beklagte nicht, obwohl sie – als Herstellerin der angegriffenen Maschinen – deren Funktionsweise im Einzelnen kennen muss.

III.
Die angegriffenen Ausführungsformen stellen Erzeugnisse dar, welche Gegenstand des Klagepatents sind, ohne dass die Beklagte zur Nutzung des Klagepatents nach § 9 S. 2 Nr. 1 PatG berechtigt ist, wodurch die nachstehenden Rechtsfolgen gerechtfertigt sind.

1.
Die Beklagte ist gemäß § 139 Abs. 1 PatG verpflichtet, es zu unterlassen, patentverletzende Falzmaschinenverbunde in der Bundesrepublik Deutschland herzustellen, anzubieten, in Verkehr bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen.

Die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Gefahr, dass sich in Zukunft weitere Rechtsverletzungen wiederholen werden, ergibt sich daraus, dass die Beklagte in der Vergangenheit die patentierte Erfindung benutzt hat. Da sie hierzu nach § 9 PatG nicht berechtigt war, ist sie zur Unterlassung verpflichtet.

2.
Weiterhin hat die Beklagte dem Grunde nach für Benutzungshandlungen in der Zeit vom 19.10.1996 bis zum 16.01.2010 eine angemessene Entschädigung und für Benutzungshandlungen seit dem 17.01.2010 Schadensersatz zu leisten, §§ 33 Abs. 1, 139 Abs. 2 PatG. Als Fachunternehmen musste die Beklagte wissen, dass die von ihr benutzte Erfindung Gegenstand einer Anmeldung war, § 33 Abs. 1 PatG. Nach Veröffentlichung der Patenterteilung hätte sie die Patentverletzung bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt zumindest erkennen können, § 139 Abs. 2 S. 1 PatG, § 276 BGB.

Der Entschädigungsanspruch ist nicht nach § 33 Abs. 2 PatG ausgeschlossen. Diese Vorschrift erfasst nur Fälle offensichtlich fehlender Patentfähigkeit. Eine solche lag im Hinblick auf das Klagepatent nicht vor. Dieses ist vielmehr – lediglich mit kleineren Anpassungen, die im Erteilungsverfahren üblich sind – wirksam erteilt worden.

3.
Der Klägerin steht gegen die Beklagte auch ein Anspruch auf Rechnungslegung und Auskunft aus § 140b Abs. 1 PatG, §§ 242, 259 BGB zu. Der Anspruch auf Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der verletzenden Ausführungsformen ergibt sich aufgrund unberechtigter Benutzung des Erfindungsgegenstands unmittelbar aus § 140b Abs. 1 PatG, der Umfang der Auskunftspflicht aus § 140b Abs. 3 PatG. Die weitergehende Auskunftspflicht und die Verpflichtung zur Rechnungslegung folgen aus §§ 242, 259 BGB, damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Entschädigungs- bzw. Schadensersatzanspruch zu beziffern. Die Klägerin ist auf die geltend gemachten Angaben angewiesen, über die sie ohne ein Verschulden nicht verfügt. Die Beklagte wird demgegenüber durch die von ihr verlangte Auskunft nicht unzumutbar belastet.

4.
Weiterhin hat die Klägerin gegen die in Deutschland ansässige Beklagte einen Anspruch auf Rückruf und Vernichtung gemäß § 140a PatG, da die Beklagte mit den angegriffenen Ausführungsformen die klagepatentgemäße Erfindung im Sinne von § 9 S. 2 Nr. 1 PatG benutzt, ohne dazu berechtigt zu sein. Dieser Anspruch bezieht sich nicht nur auf die in den angegriffenen Ausführungsformen enthaltene Steuerung, sondern auf die angegriffenen Ausführungsformen als solche. Das Klagepatent erfasst von seinem Schutzbereich ausdrücklich den gesamten Falzmaschinenverbund (vgl. Merkmal 1).

Der Rückruf und die Vernichtung der gesamten Maschinen ist auch nicht etwa unverhältnismäßig, § 140a Abs. 4 PatG. Eine Unverhältnismäßigkeit nach der vorgenannten Vorschrift kann gegeben sein, wenn der durch die Rechtsverletzung verursachte Zustand der Falzmaschinen auf andere Weise beseitigt werden kann und die Vernichtung für die Beklagte im Einzelfall unverhältnismäßig ist. Nach dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte des Gesetzes bildet der Anspruch auf Vernichtung schutzrechtsverletzender Erzeugnisse die Regel und nur ausnahmsweise sollen andere Maßnahmen in Betracht kommen. Die Regelung geht zurück auf das Gesetz zur Stärkung des Schutzes des geistigen Eigentums und zur Bekämpfung der Produktpiraterie (PrPG) vom 7. 3. 1990 (BGBl. I, S. 422), das einen generellen zivilrechtlichen Vernichtungsanspruch eingeführt hat. Mit der Vernichtung als Regelmaßnahme hat sich der Gesetzgeber bewusst für eine einschneidende Maßnahme entschieden, die in vielen Fällen mehr als das lediglich zur unmittelbaren Folgenbeseitigung Nötige zulässt. Er hat dies für notwendig erachtet, um den Interessen des Schutzrechtsinhabers Genüge zu tun und den zunehmenden Schutzrechtsverletzungen wirksam begegnen zu können (vgl. Begr. zum Reg. Entwurf, BT-Drucks. 11/4792, S. 15, 27 = Bl.f.PMZ 1990, 173, 181). Er hat sich dabei von der Erwägung leiten lassen, dass die Verletzung von Schutzrechten in einigen Bereichen des geistigen Eigentums ein Massendelikt sei und wirksame zivilrechtliche Gegenmaßnahmen erfordere. Allein durch die Vernichtung werde sichergestellt, dass schutzrechtsverletzende Erzeugnisse nicht wieder in Verkehr gebracht werden. Daneben habe die Anordnung der Vernichtung – soweit sie über die bloße Folgenbeseitigung hinausreiche – auch eine Art Sanktionscharakter. Der damit verbundene generalpräventive Effekt werde gerade im Rahmen internationaler Überlegungen zur wirksamen Bekämpfung der Produktpiraterie besonders hervorgehoben (Begr. zum Reg.-Entwurf, BT-Drucks. 11/4792, S. 15, 27 ff. = Bl.f.PMZ 1990, 173, 181 f.). Sinn und Zweck der Regelung erfordern unter Einbeziehung der angeführten generalpräventiven Erwägungen eine umfassende Abwägung des Vernichtungsinteresses des Verletzten und des Erhaltungsinteresses des Verletzers. Einen Anhaltspunkt bieten dabei die in der Gesetzesbegründung (a.a.O.) beispielhaft genannten Kriterien: Schuldlosigkeit oder der Grad der Schuld des Verletzers, die Schwere des Eingriffs und der Umfang des bei Vernichtung für den Verletzer entstehenden Schadens im Vergleich zu dem durch die Verletzung eingetretenen wirtschaftlichen Schaden des Rechtsinhabers (BGH, GRUR 1997, 899 ff. – Vernichtungsanspruch).

Der Vortrag der Beklagten genügt nicht, um nach den vorstehenden Ausführungen eine Unverhältnismäßigkeit der Vernichtung und des vorgelagerten Rückrufs annehmen zu können. Soweit die Beklagte in ihrem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 21.11.2014 vorträgt, die Softwaresteuerung der angegriffenen Ausführungsformen könne durch die Beklagte geändert werden, ist schon nicht substantiiert dargelegt, in welcher Weise eine solche Änderung erfolgen sollte. Ungeachtet dessen würde eine entsprechende Programmierung auch nicht die hinreichende Sicherheit bieten, dass weitere Rechtsverletzungen in Zukunft unterbleiben. Denn sollte die Softwaresteuerung tatsächlich ohne größere Probleme solchermaßen geändert werden können, dass eine Verletzung des Klagepatents ausscheidet, gilt dies ebenso in umgekehrter Weise, so dass die Falzmaschinen auch ohne weiteres wieder in einen patentverletzenden Zustand gebracht werden könnten. Gerade dies soll der in § 140a Abs. 1 PatG normierte Vernichtungsanspruch verhindern. Als Hersteller der Maschinen trifft die Beklagte eine besondere Sorgfaltspflicht, sich über die bestehende Schutzrechtslage zu informieren und Schutzrechtsverletzungen zu vermeiden. Dieser Pflicht hat sie nicht genügt und muss hierfür – auch unter spezial- und generalpräventiven Gesichtspunkten – die Konsequenzen tragen. Soweit die Beklagte pauschal behauptet, der bei ihr und ihren Abnehmern durch die Vernichtung der Falzmaschinen entstehende Schaden sei bei weitem höher zu bemessen als das Interesse der Klägerin an eben dieser Vernichtung, vermag die Kammer dies nicht nachzuvollziehen. Insbesondere deutet allein die Länge des Anmeldeverfahrens nicht auf ein fehlendes wirtschaftliches Interesse der Klägerin an ihrem Patent hin. Ihr wirtschaftliches Interesse hat sie vielmehr durch Erhebung der vorliegenden Klage deutlich gemacht.

IV.
Es besteht keine Veranlassung, die Verhandlung nach § 148 ZPO bis zu einer Entscheidung des Bundespatentgerichts im Beschwerdeverfahren auszusetzen.

Nach ständiger Rechtsprechung der Kammer (Mitt. 1988, 91 – Nickel-Chrom-Legierung; BlPMZ 1995, 121 – Hepatitis-C-Virus), die auch vom Oberlandesgericht Düsseldorf (GRUR 1979, 188 – Flachdachabläufe; Mitt. 1997, 257, 258 – Steinknacker) und vom Bundesgerichtshof (GRUR 1987, 284 – Transportfahrzeug; zuletzt: BGH, WM 2014, 2058 ff.) in ständiger Rechtsprechung gebilligt wird, stellen ein Einspruch gegen das Klagepatent oder die Erhebung einer Nichtigkeitsklage als solche noch keinen Grund dar, den Verletzungsrechtsstreit auszusetzen, weil dies faktisch darauf hinauslaufen würde, dem Angriff auf das Klagepatent eine den Patentschutz hemmende Wirkung beizumessen, die dem Gesetz fremd ist. Die Interessen der Parteien sind vielmehr gegeneinander abzuwägen, wobei grundsätzlich dem Interesse des Patentinhabers an der Durchsetzung seines erteilten Patents Vorrang gebührt. Angesichts des Umstandes, dass ein Patent seinem Inhaber nur ein zeitlich begrenztes Monopolrecht verleiht und dass ein wesentlicher Teil dieses Rechtes, nämlich der Unterlassungsanspruch gegenüber einem Patentverletzer, durch eine Aussetzung der Verhandlung des Verletzungsrechtsstreits praktisch suspendiert würde, kommt eine Aussetzung wegen eines gegen das Klagepatent anhängigen Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahrens nur dann in Betracht, wenn ein Widerruf oder eine Vernichtung des Klageschutzrechtes nicht nur möglich, sondern mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Ist dies nicht der Fall, so verdient das Interesse des Patentinhabers an einer alsbaldigen Durchsetzung seiner – zeitlich ohnehin begrenzten – Rechte aus dem Patent den Vorrang vor dem Interesse der Gegenpartei, nicht aus einem Patent verurteilt zu werden, das sich möglicherweise später als nicht rechtsbeständig erweist. Liegt bereits eine erstinstanzliche Entscheidung vor, im Rahmen derer das Klagepatent in der im Verletzungsrechtsstreit geltend gemachten Fassung aufrecht erhalten wurde, ist eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass das Patent in dieser Fassung in zweiter Instanz vernichtet wird, in aller Regel nicht anzunehmen. Das Verletzungsgericht hat vielmehr die – unter Beteiligung technischer Fachleute zustande gekommene – Entscheidung aufgrund der gesetzlichen Kompetenzverteilung grundsätzlich hinzunehmen. Es ist nicht Aufgabe des Verletzungsgerichts, das Einspruchsbeschwerde- oder Nichtigkeitsberufungsverfahren in allen Einzelheiten vorweg zu nehmen (Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 7. Auflage 2014, Rn 1859).

Unter den vorgenannten Voraussetzungen besteht für eine Aussetzung des Rechtsstreits vorliegend keine Veranlassung. Das Klagepatent wurde in der in diesem Rechtsstreit geltend gemachten Fassung im Rahmen des Einspruchsverfahrens vom DPMA erstinstanzlich aufrecht erhalten.

Soweit die Beklagte im Einspruchsbeschwerdeverfahren (erstmals) eine offenkundige Vorbenutzung geltend macht, ist schon nicht durch Urkunden belegt, dass die vorgelegten Dokumente (vgl. Anlagenkonvolut LS1) der Öffentlichkeit vor dem Prioritätsdatum des Klagepatents zugänglich waren. Zwar weist die Betriebsanleitung für einen Falzmaschinenverbund L der F GmbH (Anlagenkonvolut LS1 Anlage BIV) den Vermerk 11.94 auf, aber selbst wenn man hieraus auf eine Erstellung der Betriebsanleitung im November 1994 schließen wollte, ist damit nicht belegt, dass die Bedienungsanleitung auch bereits zu diesem Zeitpunkt der Öffentlichkeit zugänglich war, d.h. schon damals, also insbesondere vor dem 13.03.1995, Falzmaschinen dieses Typs mit der beiliegenden Betriebsanleitung verkauft und ausgeliefert wurden. Entsprechendes gilt für die Bedienungsanleitung der Taschenfalzautomatik „K“ der G Buchbindereimaschinenwerke H (Anlagenkonvolut LS1 Anlage M1). Die von der Klägerin bestrittene Aussage der Beklagten, die Taschenfalzautomatik sei in den Jahren 1988 und 1989 angeboten und verkauft worden, ist nicht durch Urkunden belegt. Ein Zeugenbeweis wird zur Frage der offenkundigen Vorbenutzung im Verletzungsrechtsstreit nicht erhoben (Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 7. Auflage 2014, Rn 1861).

Im Übrigen hat die Kammer auch in der Sache zumindest Zweifel, ob die vorgelegten Unterlagen sämtliche Merkmale des Klagepatentanspruchs 1 offenbaren. Insbesondere die erfindungsgemäße Hauptsteuerung vermag die Kammer weder in den Unterlagen zum Falzmaschinenverbund L der F GmbH noch in den Unterlagen zur Taschenfalzautomatik „K“ der G Buchbindereimaschinenwerke H unzweifelhaft zu erkennen.

III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 ZPO. Die Voraussetzungen des § 712 ZPO liegen nicht vor.

Der Streitwert wird auf 750.000,- EUR festgesetzt.