Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 11. März 2003, Az. 4 O 49/02
I.
Die Beklagten werden unter Abweisung der weitergehenden Klage verurteilt,
1.
es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,– Euro – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, zu unterlassen,
ophthalmische Linsen mit ophthalmisch verträglichen Innen- und Außenoberflächen
in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen,
wenn die ophthalmische Linse ausgewählt ist aus der Gruppe bestehend aus Kontaktlinsen zur Sehkorrektur, Kontaktlinsen zur Modifizierung der Augenfarbe, ophthalmischen Arzneistoff-Abgabevorrichtungen und ophthalmischen Wundheilungsvorrichtungen, und wenn die Linse zum Tragen über längere Zeiträume in kontiniuierlichem engen Kontakt mit okularem Gewebe und okularen Fluiden geeignet ist, und wenn die Linse ein Polymermaterial umfaßt, das eine hohe Sauerstoffpermeabilität und eine hohe Ionenpermeabilität aufweist, wobei das Polymermaterial aus polymerisierbaren Materialien gebildet ist, umfassend:
a)
mindestens ein oxypermes polymerisierbares Material, wie in Abschnitt I der Beschreibung der europäischen Patentschrift EP 0 819 258 B1 definiert, und
b)
mindestens um ionopermes polymerisierbares Material, wie in Abschnitt I der Beschreibung der vorbezeichneten Patentschrift definiert,
und wenn die Linse die Sauerstoffpermeation in ausreichender Menge zum Aufrechterhalten der Gesundheit der Cornea und der Annehmlichkeit des Trägers während eines Zeitraumes längeren kontinuierlichen Kontakts mit okularem Gewebe und okularen Fluiden gestattet, und wenn die Linse Ionen- und Wasserpermeation in ausreichender Menge erlaubt, damit die Linse auf dem Auge so bewegt werden kann, dass die Gesundheit der Cornea im Wesentlichen nicht beeinträchtigt wird und die Annehmlichkeit des Trägers während eines Zeitraums längeren kontinuierlichen Kontakts mit okularem Gewebe und okularen Fluiden akzeptabel ist, und wenn die ophthalmische Linse eine Sauerstoffdurchlässigkeit, wie in Abschnitt I der Beschreibung definiert, von mindestens etwa 70 barrers/min. und eine Ionenpermeabilität, gekennzeichnet entweder durch 1. einen Ionoton Ion Permeability Coefficient von mehr als etwa 0,2 x 10-6 cm2/s oder 2. einen Ionoflux Diffusion Coefficient von mehr als 1,5 x 10-6 mm2/min., aufweist, wobei die Koeffizienten hinsichtlich Natriumionen und gemäß den Meßverfahren, die in den Abschnitten II.F.1 bzw. II.F.2 der Beschreibung der europäischen Patentschrift EP 0 819 258 B1 beschrieben sind, gemessen werden;
2.
der Klägerin und der XV1 darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu 1. bezeichneten Handlungen seit dem 12. Oktober 2001 begangen haben, und zwar unter Angabe
a)
der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, Lieferzeiten und Lieferpreisen nebst Anschriften der Abnehmer,
b)
der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, Angebotszeiten und Angebotspreisen sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
c)
der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
d)
der erzielten Gewinns unter Angabe der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten.
II.
Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin und der XV1 allen Schaden zu ersetzen, der ihnen durch die zu I. 1. bezeichneten, seit dem 12. Oktober 2001 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
III.
Die Kosten des Rechtsstreits werden den Beklagten als Gesamtschuldnern auferlegt; jedoch mit Ausnahme der durch die Anrufung des unzuständigen Verwaltungsgerichts Düsseldorf entstandenen Mehrkosten, die von der Klägerin zu tragen sind.
IV.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 2.556.459,41 Euro vorläufig vollstreckbar.
Die Sicherheit kann auch durch die unbedingte Bürgschaft einer in Deutschland ansässigen, als Zoll- und Steuerbürgin zugelassenen Bank oder Sparkasse erbracht werden.
Tatbestand:
Die Klägerin ist gemeinsam mit der XV1 Inhaberin des u.a. für die Bundesrepublik Deutschland am 22. März 1996 angemeldeten europäischen Patents 0 819 258 (Klagepatent, Anlage K 10), dessen Erteilung am 12. September 2001 veröffentlicht wurde. Die Klägerin und die XV1 sind ferner eingetragene Inhaber des am 3. Januar 2002 eingetragenen deutschen Gebrauchsmusters 296 24 309 (Klagegebrauchsmuster, Anlage B 3). Die Beklagte zu 1. hat gegen die Erteilung des Klagepatents Einspruch beim Europäischen Patentamt erhoben und gegen das Klagegebrauchsmuster Löschungsantrag beim Deutschen Patentamt gestellt. Die Klageschutzrechte sind inhaltlich identisch. Der im vorliegenden Rechtsstreit vornehmlich interessierende Patent- bzw. Schutzanspruch 1 der Klageschutzrechte hat in deutscher Fassung (Anlage B 3, K 10 a)) folgenden Wortlaut:
„Ophthalmische Linse mit ophthalmisch verträglichen Innen- und Außenoberflächen, wobei die ophthalmische Linse ausgewählt ist aus der Gruppe, bestehend aus Kontaktlinsen zur Sehkorrektur, Kontaktlinsen zur Modifizierung der Augenfarbe, ophthalmischen Arzneistoff-Abgabevorrichtungen und ophthalmischen Wundheilungsvorrichtungen, wobei die Linse zum Tragen über längere Zeiträume in kontinuierlichem engen Kontakt mit okularem Gewebe und okularen Fluiden geeignet ist, wobei die Linse ein Polymermaterial umfasst, das eine hohe Sauerstoffpermeabilität und eine hohe Ionenpermeabilität aufweist, wobei das Polymermaterial aus polymerisierbaren Materialien gebildet ist, umfassend:
a)
mindestens ein oxypermes polymerisierbares Material, wie in Abschnitt I der Beschreibung definiert, und
b)
mindestens ein ionopermes polymerisierbares Material, wie in Abschnitt I der Beschreibung definiert,
wobei die Linse die Sauerstoffpermeation in ausreichender Menge zum Aufrechterhalten der Gesundheit der Cornea und der Annehmlichkeit des Trägers während eines Zeitraums längeren kontinuierlichen Kontakts mit okularem Gewebe und okularen Fluiden gestattet, und wobei die Linse Ionen- oder Wasserpermeation in ausreichender Menge erlaubt, damit die Linse auf dem Auge so bewegt werden kann, dass die Gesundheit der Cornea im Wesentlichen nicht beeinträchtigt wird, und die Annehmlichkeit des Trägers während eines Zeitraums längeren kontinuierlichen Kontakts mit okularem Gewebe und okularen Fluiden akzeptabel ist, wobei die ophthalmische Linse eine Sauerstoffdurchlässigkeit, wie in Abschnitt I der Beschreibung definiert, von mindestens etwa 70 barrers/mm und eine Ionenpermeabilität, gekennzeichnet entweder durch 1. einen Ionoton Ion Permeability Coefficient von mehr als etwa 0,2 x 10-6 cm2/s oder 2. einen Ionoflux Diffusion Coefficient von mehr als etwa 1,5 x 10-6 mm2/min. aufweist, wobei die Koeffizienten hinsichtlich Natriumionen und gemäß den Messverfahren, die in Abschnitten II.F.1 bzw. II.F.2 der Beschreibung beschrieben sind, gemessen werden.“
Die Beklagte zu 1. vertreibt in Deutschland und auch sonst weltweit unter der Bezeichnung „PureVision“ Kontaktlinsen. Die Beklagte zu 2. ist die für die Markteinführung, -positionierung und den Verkauf der Linsen zuständige Vertriebsgesellschaft. Im Internet bewerben die Beklagten ihre Linsen u.a. mit den nachfolgenden Angaben (Anlage K 7, Bl. 1):
Zur Herstellung der aus Balafilcon A bestehenden Kontaktlinsen werden u.a. die polymerisierbaren Materialien Tristrimethylsiloxysilylpropyl-Vinylcarbamat (TPVC) und N-Vinyl-Pyrrolidon (NVP) verwendet.
Die Klägerin sieht durch den Vertrieb der vorbezeichneten Kontaktlinsen ihre Klageschutzrechte verletzt und nimmt die Beklagten deshalb auf Unterlassung, Rechnungslegung und Schadensersatz in Anspruch.
Die Klägerin beantragt,
wie erkannt, wobei sie jedoch weitergehend Rechnungslegung und Schadensersatz bereits für die Zeit seit Klageerhebung (7. September 2001) verlangt und außerdem begehrt, dass die Beklagten ihre Rechnungslegungsangaben jeweils unter Aufschlüsselung der einzelnen Größen, Stärken und Chargennummern vornehmen.
Die Beklagten beantragen,
1.
die Klage abzuweisen;
2.
hilfsweise, den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Rechtsbestand des Klagepatents und des Klagegebrauchsmusters auszusetzen;
3.
äußerst hilfsweise, ihnen nachzulassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung ohne Rücksicht auf eine Sicherheitsleistung der Klägerin abwenden zu können.
Die Beklagten machen geltend: Verletzungshandlungen durch die Beklagte zu 2. habe die Klägerin nicht dargelegt, da sie Angebots- und Vertriebshandlungen der Beklagten zu 2. nach Erteilung bzw. Eintragung der Klageschutzrechte nicht belegt habe. Unabhängig davon machten die angegriffenen Kontaktlinsen von der technischen Lehre der Klageschutzrechte auch keinen Gebrauch. Mangels hinreichender Bestimmtheit des Gegenstands von Patent- bzw. Schutzanspruch 1 der Klageschutzrechte ließe sich nicht feststellen, dass die angegriffenen Linsen eine erfindungsgemäß hohe Sauerstoff- und Ionenpermeabilität aufweisen würden. Gleiches gelte für die beanspruchte Sauerstoff- und Ionen- oder Wasserpermeation in ausreichender Menge. Abhängig vom jeweiligen Material könnten die in ihrem Internet-Auftritt nach Anlage K 7 genannten Dk/t-Werte unter Verwendung eines nicht anspruchsgemäßen Materials gemessen werden. Die von der Klägerin vorgelegten Berichte zur Bestimmung der Sauerstoffdurchlässigkeit (Anlage K 14/14 a)) und Ionenpermeabilität nach dem Ionenflussverfahren (Anlage K 15/15 a)) seien zum Nachweis einer Sauerstoffdurchlässigkeit von mindestens etwa 70 barrers/mm und eines Ionenfluss-Koeffizient von mehr als 1,5 x 10-6 mm2/min. nicht geeignet. Insbesondere bei der Ionenflussmessung seien die Vorgaben der Klageschutzrechte nicht eingehalten worden, obwohl Anspruch 1 der Klageschutzrechte ausdrücklich darauf verweise, dass die Koeffizienten gemäß der – ebenfalls insoweit kaum aussagekräftigen – Patent- bzw. Gebrauchsmusterbeschreibung zu erfolgen habe. Es sei daher zu bestreiten, dass die angegriffenen Kontaktlinsen den von der Klägerin vorgetragenen Ionenfluss-Koeffizienten aufweisen und insoweit von der – technisch unbestimmten – Lehre der Klageschutzrechte Gebrauch machen würden. Außerdem sei der Lehre der Klageschutzrechte zu entnehmen, dass Patent- bzw. Schutzanspruch 1 zwingend eine mehrphasige Morphologie voraussetze, die bei den aus dem homogenen Polymermaterial Balafilcon A hergestellten Pure Vision-Kontaktlinsen nicht verwirklicht sei.
Im Übrigen – so meinen die Beklagten – würden sich die Klageschutzrechte in den anhängigen Einspruchs- und Löschungsverfahren als nicht rechtsbeständig bzw. nicht schutzfähig erweisen, so dass zumindest der hilfsweise gestellte Aussetzungsantrag gerechtfertigt sei.
Die Klägerin tritt dem Vorbringen der Beklagten und dem Aussetzungsantrag entgegen.
Die Klägerin hat die Klage ursprünglich vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf erhoben, welches den Rechtsstreit mit Beschluss vom 14. Januar 2002 an das Landgericht Düsseldorf verwiesen hat.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der beiderseitigen Schriftsätze und der mit ihnen vorgelegten Urkunden und Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist mit Ausnahme eines geringfügigen Teils der begehrten Rechnungslegung und Feststellung der Schadenersatzverpflichtung der Beklagten begründet. Der Klägerin stehen die zuerkannten Ansprüche auf Unterlassung, Rechnungslegung und Schadensersatz zu, da die von den Beklagten vertriebene Kontaktlinse (Pure Vision) von der technischen Lehre der Klageschutzrechte widerrechtlich Gebrauch macht. Eine Aussetzung des Rechtsstreits kommt nicht in Betracht.
I.
Die Klägerin ist aktivlegitimiert und zur Prozessführung befugt, soweit sie Rechnungslegung und Schadensersatz auch für die XV1 (AU/AU) geltend macht. Steht ein Patent oder ein Gebrauchsmuster mehreren Personen gemeinschaftlich zu, so ist anerkannt, dass in entsprechender Anwendung von § 1011 BGB jeder Teilhaber den Anspruch auf Unterlassung und Schadensersatz geltend machen kann (vgl. Benkard/Rogge, PatG, 9. Auflage, § 139 Rdnr. 16). Nicht zu beanstanden ist auch, dass die Klägerin Rechnungslegung und Schadensersatz nicht allein für ihre Person, sondern auch für die Gemeinschaft geltend macht. Denn im Prozess ist der allein klagende Gemeinschaftsteilhaber in Bezug auf die der Gemeinschaft infolge der Verletzung des gemeinschaftlichen Ausschließlichkeitsrechts zustehenden schuldrechtlichen Ersatzansprüche gesetzlicher Prozessstandschafter (vgl. Palandt/Bassenge, BGB, 59. Auflage, § 1011 Rdnr. 2).
II.
Die Klageschutzrechte betreffen aus Polymermaterialien bestehende Kontaktlinsen, die auf optischem und ophthalmischem Gebiet Verwendung finden; insbesondere Kontaktlinsen, die zum längeren Tragen geeignet sind.
Gemäß den einleitenden Ausführungen der Klageschutzschriften bestehen für Kontaktlinsen im Wesentlichen zwei Erfordernisse, um ophthalmisch verträglich zu sein bzw. den zu stellenden Bioverträglichkeitserfordernissen gerecht zu werden. Zum einen muss die Kontaktlinse eine ausreichende Sauerstoffversorgung der Cornea (Hornhaut) zulassen, da die Hornhaut Sauerstoff aus der umgebenden Luft und nicht aus dem Blutkreislauf aufnimmt. Eine unzureichende Sauerstoffversorgung, wie sie insbesondere bei „weichen“ Linsen, die sich eng an die Form des Auges anschmiegen, vorkommen kann, führt zu einem Anschwellen der Hornhaut und kann das unerwünschte Wachstum von Blutgefäßen in der Hornhaut herbeiführen. Zum anderen dürfen die Linsen aber auch aus einem anderen Grunde nicht zu stark am Auge anhaften. Sie müssen nämlich in der Lage sein, sich auf dem Auge zu bewegen, damit der Tränenfluss zwischen Auge und Linse stattfinden und reinigende Wirkung entfalten kann.
Den weiteren Ausführungen der Klageschutzschriften zufolge sind steife, gasdurchlässige sogenannte RGP-Kontaktlinsen vorbekannt, die bereits eine hohe Sauerstoffpermeabilität aufweisen und die sich auf dem Auge bewegen. Diese harten Kontaktlinsen weisen allerdings keinen hinreichenden Tragekomfort auf, um über einen längeren Zeitraum als 24 Stunden ununterbrochen getragen zu werden. Die überwiegende Anzahl der Verbraucher bevorzugt daher weiche Kontaktlinsen.
Die vorbekannten weichen Poly-HEMA-Linsen, die mit Polymeren und Copolymeren von 2-Hydroxyethylmethacrylat (HEMA) entwickelt wurden, weisen den Klageschutzschriften zufolge noch keine hinreichende Sauerstoffpermeabilität auf, um über wirklich längere Zeiträume (sieben Tage oder mehr) getragen werden zu können, ohne dass dies zu einem Anschwellen der Hornhaut und der Entwicklung von Blutgefäßen an der Oberfläche der Hornhaut führen kann. Um die Sauerstoffpermeabilität von Kontaktlinsen weiter zu verbessern, wurde eine Vielzahl von Siloxan enthaltenden Polymeren mit hoher Sauerstoffpermeabilität entwickelt. Da Polysiloxane im allgemeinen jedoch sehr lipophil sind, haften die Linsen stark am Auge an, so dass die Linsenbewegung gehemmt ist. Außerdem verursachen in der Tränenflüssigkeit an der Linse anhaftende Lipide und Proteine störende Trübungen.
Versuche, die Eigenschaften von hydrophilen, die Bewegbarkeit auf dem Auge fördernden Polymeren mit der hohen Sauerstoffpermeabilität von siloxanhaltigen Polymeren zu verbinden, waren nach den Darlegungen der Klageschutzschriften nicht erfolgreich, da die Linsen entweder wegen Beeinträchtigung der Gesundheit der Hornhaut oder wegen mangelnder Beweglichkeit auf dem Auge nicht geeignet sind, über längere Zeit getragen zu werden.
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Erfindung nach den Klageschutzrechten die Aufgabe, ein Material mit einer Ausgewogenheit von Sauerstoff- und Ionenpermeabilität sowie der Beweglichkeit der Linse auf dem Auge bereitzustellen, wobei all diese Eigenschaften ausreichend für die Gesunderhaltung der Hornhaut und ein angenehmes kontinuierliches Tragen der Linse über längere Zeiträume sind. Die Linse soll über Zeiträume von mindestens 24 Stunden ohne wesentliche Beeinträchtigung der okularen Gesundheit oder der Trageannehmlichkeit getragen werden können, wobei bevorzugt eine Linse bereitgestellt werden soll, die diese Eigenschaften über einen kontinulierlichen Tragezeitraum von 4 bis 30 Tagen oder mehr aufweist. Zur Lösung dieser Aufgabe sieht Patent- bzw. Schutzanspruch 1 der Klageschutzschriften folgende Merkmalskombination vor:
a)
Ophthalmische Linse mit ophthalmisch verträglichen Innen- und Außenoberflächen.
b)
Die ophthalmische Linse ist ausgewählt aus der Gruppe bestehend aus Kontaktlinsen zur Sehkorrektur, Kontaktlinsen zur Modifizierung der Augenfarbe, ophthalmischen Arzneistoff-Abgabevorrichtungen und ophthalmischen Wundheilungsvorrichtungen.
c)
Die Linse ist zum Tragen über längere Zeiträume in kontinuierlichem engen Kontakt mit okularem Gewebe und okularen Fluiden geeignet.
d)
Die Linse umfaßt ein Polymermaterial, das eine hohe Sauerstoffpermeabilität und eine hohe Ionenpermeabilität aufweist.
e)
Das Polymermaterial ist aus polymerisierbaren Materialien gebildet, umfassend
e1)
mindstens ein oxypermes polymerisierbares Material, wie in Abschnitt I. der Beschreibung definiert, und
e2)
mindestens ein ionopermes polymerisierbares Material, wie in Abschnitt I. der Beschreibung definiert.
f)
Die Linse gestattet die Sauerstoffpermeation in ausreichender Menge zum Aufrechterhalten der Gesundheit der Cornea und der Annehmlichkeit des Trägers während eines Zeitraums längeren kontinuierlichen Kontakts mit okularem Gewebe und okularen Fluiden.
g)
Die Linse erlaubt Ionen- oder Wasserpermeation in ausreichender Menge, damit die Linse auf dem Auge so bewegt werden kann, dass die Gesundheit der Cornea im Wesentlichen nicht beeinträchtigt wird, und die Annehmlichkeit des Trägers während eines Zeitraums längeren kontinuierlichen Kontakts mit okularem Gewebe und okularen Fluiden akzeptabel ist.
h)
Die ophthalmische Linse weist eine Sauerstoffdurchlässigkeit, wie in Abschnitt I. der Beschreibung definiert, von mindestens etwa 70 barrers/mm auf.
i)
Die Linse weist eine Ionenpermeabilität auf, gekennzeichnet
i1)
entweder durch einen Ionoton lon Permeability Coefficient vonmehr als etwa 0,2 x 10-6 cm2/s, oder
i2)
einen Ionoflux Diffusion Coefficient von mehr als etwa 1,5 x 10-6 mm2/min..
i3)
Die Koeffizienten werden hinsichtlich Natriumionen gemessen.
i4)
Die Koeffizienten werden gemäß den Messverfahren, die in Abschnitten II.F.1 bzw. II.F.2 der Beschreibung definiert sind, gemessen.
III.
Die angegriffenen Kontaktlinsen machen von der technischen Lehre der Klageschutzrechte widerrechtlich Gebrauch. Dies ist hinsichtlich der Merkmale a) bis c) außer Streit und begegnet insoweit mit Recht keinen Bedenken. Aber auch die übrigen Merkmale von Anspruch 1 der Klageschutzrechte sind verwirklicht.
1.
Die Merkmale d), f) und g) haben allgemeine Wirkangaben zur Sauerstoffpermeabilität und zur Ionen- bzw. Wasserpermeabilität in der erfindungsgemäße Linse zum Gegenstand.
Merkmal d) besagt, dass das Linsenmaterial – anders als im Stand der Technik bekannt – sowohl eine hohe Sauerstoffpermeabilität als auch eine hohe Ionenpermeabilität, also nicht nur eine dieser Eigenschaften aufweist. Welche Wirkungen eine „hohe“ Permeabilität (Durchlässigkeit) im Sinne der Erfindung hat, ist in den Merkmalen f) und g) niedergelegt. Danach gewährleisten die Sauerstoff- und Ionenpermeation eine ausreichende Sauerstoffversorgung und Bewegbarkeit der Linse auf dem Auge. Die Gesundheit der Hornhaut (Cornea) wird aufrechterhalten bzw. nicht im Wesentlichen beeinträchtigt und die Linse weist eine hinreichende Trageannehmlichkeit auf, so dass sie während eines Zeitraums längeren kontinuierlichen Kontakts mit okularem Gewebe und okularen Fluiden getragen werden kann. Die Klageschutzrechte grenzen sich damit von dem Stand der Technik ab, bei dem die Kontaktlinsen entweder aufgrund ihrer Härte bzw. Steifigkeit (RGP-Linsen) kein angenehmes Tragen erlauben oder wegen mangelnder Sauerstoffpermeabilität zur Schädigung der Hornhaut (Anschwellen, Entwicklung von Blutgefäßen) führen können (vgl. Anlage B 3, Seiten 2/3). Aus der Aufgabenstellung der Klageschutzrechte (vgl. Anlage B 3, Seite 4) ist insoweit zu entnehmen, dass der maßgebliche (ununterbrochene) Tragezeitraum mindestens 24 Stunden, bevorzugt vier bis 30 oder mehr Tage beträgt.
Die angegriffenen Linsen sind unstreitig dazu geeignet und bestimmt, ununterbrochen über 30 Tage und 29 Nächte getragen zu werden (vgl. Anlage K 7, Bl. 1). Dass es bei dieser den erfindungsgemäßen Mindestwert von 24 Stunden erheblich übersteigenden Dauerverwendung zu wesentlichen, aus dem Stand der Technik bekannten gesundheitlichen Problemen (Anschwellen der Hornhaut und Bildung von Blutgefäßten) wegen zu geringer Sauerstoffzufuhr und/oder mangelnder Bewegbarkeit der Linse auf dem Auge kommt oder dass die Linse für die dauernde Benutzung keine hinreichende Trageannehmlichkeit besitzt, behaupten die Beklagten selbst nicht.
Die Beklagten können auch nicht mit Erfolg einwenden, der Feststellung einer Patentverletzung stehe die Unbestimmtheit der in den Merkmalen vorgesehenen Wirkungsangaben entgegen. In den Merkmalen h) und i) sind Mindestbereichsangaben zur Sauerstoffdurchlässigkeit und zur Ionenpermeabilität niedergelegt. Diese Angaben legen für den Fachmann erkennbar fest, welche Materialeigenschaften bzw. physikalischen Eigenschaften die Linse mindestens aufweisen muss, um im Sinne des Merkmals d) von einer „hohen“ Sauerstoff- und Ionenpermeabilität sprechen zu können, die die in den Merkmalen h) und i) bezeichneten Wirkungen (grundsätzlich) herbeiführen kann. So ergibt sich die Sauerstoffdurchlässigkeit (Dk/t) durch Dividieren der Sauerstoffpermeabilität (Dk), also der Geschwindigkeit, in der Sauerstoff durch das Material tritt, durch die mittlere Dicke t der Linse (vgl. Anlage B 3, Seite 8/9 und Seite 32 a.E.). Ferner entnimmt der Fachmann den Klageschutzschriften (Anlage B 3, Seiten 19 ff.), dass die Ionenpermeabilität mit der Eigenschaft der Linse korreliert, auf dem Auge bewegbar zu sein, und damit bei Anwendung der in den Klageschutzschriften angeführten Messverfahren geeignet ist, eine objektive Vorgabe für diese Eigenschaft darzustellen.
2.
Gemäß Merkmal e) ist das die Linse umfassende Polymermaterial aus polymerisierbaren Materialien gebildet, und zwar umfassend gemäß den Merkmalen e1) und e2) ein oxypermes und ein ionopermes polymerisierbares Material, wie es jeweils in den Klageschutzschriften in Abschnitt I. definiert ist. Danach handelt es sich um Materialien (Monomere, Olygomere, Makromere u. dgl.), die mit ähnlichen oder anderen polymerisierbaren Materialien zu einem Polymer polymerisieren können, das eine hohe Sauerstoffpermeabilitäts- bzw. hohe Ionenpermeabilitätsgeschwindigkeit aufweist (vgl. Anlage B 3, Seite 8/9). Was die Höhe der Sauerstoff- bzw. Ionenpermeabilität angeht, gilt auch hier, dass die konkreten Mindestwerte in den Merkmalen h) und i) definiert sind. Dass es sich bei den von den Beklagten verwendeten Materialien TPVC (siloxanhaltiges Makromer) und NVP, die in den Klageschutzschriften ausdrücklich als Beispiele genannt werden (vgl. Anlage B 3, Seite 14), entgegen dem Vortrag der Klägerin um keine polymerisierbaren Materialien handelt, die oxyperm bzw. ionoperm polymerisierbar sind, haben die Beklagten nicht behauptet.
Die Beklagten können sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, die angegriffenen Linsen seien aus dem „homogenen“ Polymermaterial Balafilcon A hergestellt und würden daher keine „mehrphasige“ Morphologie im Sinne der Klageschutzrechte aufweisen. Patent- bzw. Schutzanspruch 1 der Klageschutzrechte macht keine Vorgaben dazu, wie die oxyperm und ionoperm polymerisierbaren Materialien zu den erfindungsgemäßen Polymermaterialien polymerisieren und inwieweit sie hierbei Phasen zu bilden haben. Zwar ist in den Klageschutzrechten (vgl. Anlage B 3, Seite 10, erster Absatz) der Begriff der Phase definiert als Bereich von im wesentlichen gleichförmiger Zusammensetzung, der einen ausgeprägten und physikalisch gesonderten Teil eines heterogenen polymeren Materials darstellt, und wird als Morphologie im Sinne der Erfindung die Struktur und Beziehung der Phasen eines Materials bezeichnet (vgl. Anlage B 3, Seite 10, vorletzter Absatz). Das Vorsehen solcher besonderer oxypermer und ionopermer Phasen hat jedoch nicht in Patent- bzw. Schutzanspruch 1, sondern allein in den Unteransprüchen (z.B. 6 – 8) Berücksichtigung gefunden. Dementsprechend führen die Klageschutzrechte zur Morphologie aus, dass lediglich bei einer bevorzugten Ausführungsform das Linsenmaterial mindestens zwei Phasen aufweist (vgl. Anlage B 3, Seite 16, letzter Absatz). Nichts anderes lässt sich auch aus der nachfolgend wiedergegebenen Beschreibungsstelle auf Seite 17, erster Absatz der Anlage B 3 herleiten:
„Das Vorliegen von getrennten oxypermen und ionopermen Phasen anstatt eines vollständigen Gemisches von oxypermen und ionopermen Phasen wird beim Fördern der Verteilung von Sauerstoff und Ionen als vorteilhaft angenommen. Sauerstoff wird vorwiegend durch das oxyperme Polymer diffundieren, während das ionoperme Polymer eine höhere Sperre für die Sauerstoffdiffusion bereitstellt. In ähnlicher Weise werden Ionen gut durch das ionoperme Polymer diffundieren, während das oxyperme Polymer einen höheren Widerstand für Ionendiffusion bereitstellt. Somit wird eine homogene oxyperme-ionoperme Phase unerwünschten Widerstand für sowohl Sauerstoff- als auch Ionendiffusion bereitstellen, während zwei getrennte Oxyperm- und Ionopermphasen Wege niedrigen Widerstand für die Durchlässigkeit von sowohl Sauerstoff als auch Ionen oder Wasser bereitstellen.“
Auch hieraus ergibt sich lediglich, dass das Vorhandensein klar abgegrenzter Phasenbereiche als vorteilhafte Ausführungsform angenommen wird. Ansonsten handelt es sich lediglich um Erklärungsversuche, warum bzw. nach welchem Mechanismus die Morphologie bzw. die Phasentrennung Einfluss auf die Sauerstoffdurchlässigkeit und die Ionenpermeabilität haben kann. Diese Aussagen zu den (vermuteten) Ursachenzusammenhängen sind in Patent- bzw. Schutzanspruch 1 – anders als in einem Teil der Unteransprüche – jedoch nicht in beschränkender Weise aufgenommen worden. Vielmehr ist dieser Ursachenzusammenhang in Bezug auf das erfindungsgemäße Polymermaterial (Merkmal e)) bewußt ausgeklammert worden, da es gemäß den Merkmalen e1) und e2) lediglich anhand der polymerisierbaren oxypermen bzw. ionopermen Ausgangsmaterialien definiert ist, sich also gerade keine Festlegung auf eine bestimmte phasige Morphologie findet. Entscheidend nach Patentanspruch 1 ist vielmehr allein, ob das Linsenmaterial letztlich die in den Merkmalen h) und i) festgelegten Mindestwerte erreicht. Ist dies der Fall, weist die Linse im Sinne der Klageschutzrechte (vgl. Anlage B 3, Seite 16/17) die „richtige“ Morphologie auf. Im Übrigen zeigt der Hinweis auf die homogene oxyperme-ionoperme „Phase“, dass nach der Diktion der Klageschutzrechte als Phase, soweit die Bezeichnung nicht zur Definition des in den Unteransprüchen verwendeten Begriffs der Phase, sondern zur Erklärung des Ursachenzusammenhangs herangezogen wird, auch ein homogenes Gemisch bezeichnet wird, was ersichtlich nur dann Sinn macht, wenn insoweit allgemein auf die verschiedenartige Wirkung der oxypermen und ionopermen Materialien als voneinander in der Linse zu unterscheidende Stoffe abgestellt wird. Dazu steht es alsdann auch nicht in Widerspruch, sondern in Einklang, in den Unteransprüchen bevorzugte ausgeprägte physikalische Bereiche von Phasenanordnungen vorzusehen, also Bereiche mit ausgeprägter ionopermer oder oxypermer Wirkung in der Linse zu schaffen (vgl. auch Anlage B 3, Seite 10, erster Absatz). Vor diesem Hintergrund kann den Beklagten schließlich auch nicht in der Einschätzung gefolgt werden, es sei lediglich versäumt worden, die Patentbeschreibung den tatsächlich gewährten Ansprüchen anzupassen, soweit in der Beschreibung von einer Bevorzugung die Rede sei.
Etwas anderes ergibt sich ebenfalls nicht aus dem von der Klägerin als Anlage B 17 vorgelegten Buchzitat (Silikone Hydrogels), nach dem die Neuheit der Erfindung in der Morphologie liegen soll, sowie aus der eingeschränkten Fassung der Patentansprüche des parallelen US-Patents 5 760 100 (Anlage B 18). Zum Einen handelt es sich bereits um kein zur Beurteilung des Schutzumfangs der Klageschutzrechte heranziehbares Auslegungsmaterial; zum Anderen sprechen die vorbezeichneten Unterlagen nicht einmal indiziell für eine beschränkende Auslegung des Patents- bzw. Schutzanspruchs 1 der Klageschutzrechte. Das von den Beklagten hervorgehobene Buchzitat schließt es nicht aus, das Vorhandensein der „richtigen“, erfindungsgemäßen Morphologie dadurch zu ermitteln, dass bestimmte Mindestwerte zur Sauerstoffdurchlässigkeit und Ionenpermeabilität überschritten sind. Ferner weist der Umstand, dass im parallelen US-Patent das Vorliegen einer besonderen Morphologie bzw. separater Phasen im Kontaktlinsenmaterial Eingang in den Anspruch gefunden hat, darauf hin, dass es keine Selbstverständlichkeit für den Fachmann ist, dieses Merkmal implizit in den Anspruch hineinzulesen.
3.
Die angegriffenen Pure-Vision-Linsen weisen die erfindungsgemäße Sauerstoffdurchlässigkeit von mindestens etwa 70 barrers/mm auf (Merkmal h). Denn schon ausweislich der eigenen Werbeunterlage (Anlage K 7) der Beklagten, deren inhaltliche Richtigkeit sie nicht in Abrede gestellt haben, beträgt die Sauerstoffdurchlässigkeit (Dk/t) der angegriffenen Linse 110 barrers/mm bei – 3 Dioptrin und liegt damit weit über dem beanspruchten Mindestwert. Die Behauptung der Beklagten, die Dk/t-Werte könnten auch bei der Verwendung nicht anspruchsgemäßer Materialien gemessen werden, stellt kein erhebliches Bestreiten dar, dass die angegriffene Ausführungsform die erfindungsgemäße Sauerstoffdurchlässigkeit aufweist. Da die fachkundigen Beklagten keinerlei Angaben zur Sauerstoffdurchlässigkeit ihrer Linsen mit -5 Dioptrin gemacht haben und insbesondere nicht behauptet haben, die Sauerstoffdurchlässigkeit liege – anders als bei den Linsen mit -3 Dioptrin – tatsächlich bei einem Wert unter 70 barrers/mm, sind sie auch dem Vortrag der Klägerin gemäß dem Bericht nach Anlage K 14/14 a, nach dem auch hier die Sauerstoffdurchlässigkeit stets über dem beanspruchten Mindestwert liegt, nicht substantiiert entgegengetreten. Die Nachvollziehbarkeit und Schlüssigkeit der Untersuchungsunterlage nach Anlage K 14/14 a ist insoweit nicht maßgeblich.
4.
Die angegriffene Ausführungsform weist im Sinne von Merkmal i) die erfindungsgemäße Ionenpermeabilität auf, da ihr Ionenfluss-Koeffizient nach Merkmal i1) mehr als 1,5 x 10-6 mm2/min. beträgt.
Die Klägerin hat zur Grundlage ihres Vorbringens einen Bericht über die Bestimmung der Ionenpermeabilität nach dem Ionenfluss-Verfahren gemacht (Anlage K 15/15 a)), der die einzelnen Bestimmungsschritte und die in Bezug auf die angegriffene Ausführungsform erzielten Ergebnisse benennt und aus dem sich mit 4,19 x 10-3 mm2/min. (Standardabweichung 0,23) ein erheblich höherer als der beanspruchte Mindestwert ergibt. Dem sich aus dem Bericht ergebenden Parteivortrag der Klägerin zur Ionenpermeabilität der angegriffenen Ausführungsform sind die Beklagten, die in Bezug auf die angegriffenen Linsen einen unter dem Anspruchmindestwert liegenden Wert nicht behauptet haben, nicht hinreichend konkret entgegengetreten, um die Verwirklichung des Merkmals streitig zu stellen.
Soweit die Beklagten ursprünglich gerügt haben, der Flächenparameter A in der Berechnungsformel von Fick (Anlage B 3, Seite 23) sei unzulässig von 8 auf 4 mm halbiert und das Volumen der Aufnahmphase sei von 60 ml unzulässig bei der Formelberechnung auf 60.000 mm3 erhöht worden, ist sie den schlüssigen Erläuterungen der Klägerin, nach denen nicht der Durchmesser (8 mm), sondern der Radius (4 mm) zu verwenden ist und im Übrigen nur eine Umrechnung von ml in mm3 vorgenommen wurde, nicht mehr entgegengetreten. Soweit die Beklagten beanstanden, Messergebnisse zur Ionentransportrate seien nicht vorgelegt worden, ist dies ebenfalls unerheblich, da die Beklagten nicht konkret in Abrede gestellt haben, dass bei der angegriffenen Ausführungsform die Konzentrationsdifferenz zwischen Quell- und Aufnahmephase 0,10 mol/l beträgt (vgl. Anlage K 15 a), Seite 10). Eine Konkretisierung dieses Wertes seitens der Klägerin durch Vorlage von Messergebnissen bedurfte es daher nicht.
Ohne Erfolg bleibt auch die Rüge der Beklagten, anders als in den Klageschutzrechten vorgegeben (vgl. Anlage B 3, Seite 23, zweiter Absatz) sei die Zeit für die Leitfähigkeitsmessung nicht eingehalten, sondern sowohl die Dauer als auch die Intervalle verkürzt worden (vgl. Anlage K 15 a), Seite 8, vierter Absatz) und die Datenerfassung der NaCl-Konzentration erst nach 40 Minuten sei nicht nachvollziehbar (vgl. Anlage K 15 a), Seite 10, Mitte). Denn auch insoweit sind die Beklagten dem schlüssigen und überzeugenden Vorbringen der Klägerin nicht konkret entgegengetreten, dass bei einer Verkürzung der Messintervalle die Messzeit ebenfalls verkürzt werden kann und dass durch die Berücksichtigung von Datenwerten erst nach 40 Minuten lediglich sichergestellt wird, dass das System äquilibriert ist, was bei einer Langzeitmessung mit großen Intervallen nicht von nennenswerter Bedeutung ist. Auch wenn nach Merkmal i4) die Koeffizienten gemäß den in den Klageschutzrechten bestehenden Messverfahren zu ermitteln sind, heißt dies entgegen der Ansicht der Beklagten nicht, dass bei Abweichungen im Bestimmungsverfahren die ermittelten Werte unbrauchbar sind. Dem Fachmann ist ohne weiteres einsichtig, dass gleichwertige Abwandlungen in Bezug auf die Bestimmungsprodezur – wie etwa die von der Klägerin dargelegte Abkürzung der Messzeit durch Verringerung der Messintervalle unter ausgleichender Berücksichtigung eines besonders veranschlagten Äquilibrierungszeitraums – stets möglich sind. Patent- bzw Schutzanspruch 1 der Klageschutzrechte stellt kein bestimmtes Messverfahren, sondern eine bestimmte stoffliche Eigenschaft unter Schutz, die lediglich mit Hilfe des in Bezug genommenen Messverfahrens ermittelt können werden soll. Ist aber das Ergebnis der Messung maßgeblich für das Vorliegen einer erfindungsgemäßen Linse, spricht nichts dagegen, das Messergebnis durch ein abwandeltes, in der Aussagekraft aber gleichwertiges oder gar verbessertes Messverfahren zu ermitteln. Da vorliegend der für die angegriffene Ausführungsform dargelegte Wert zudem ganz erheblich über dem in Merkmal i2) angegebenen Mindestwert liegt, besteht überdies kein Anlass anzunehmen, bei einer Verlängerung der Messzeit und Vergrößerung der Messintervalle könne sich ein Wert unterhalb des beanspruchten Bereichs einstellen. Dies behaupten die Beklagten auch selbst nicht.
Schließlich verfängt auch nicht der Einwand der Beklagten, die nach dem Bericht gemäß Anlage K 15/15 a) verwendeten Linsen seien nicht originalverpackt gewesen, weil die Klägerin in den Testbericht nach Anlage K 14/14 a) dieselbe Identifikationsnummer (R 28 300 18) für den untersuchten Gegenstand angegeben habe. Denn hierbei handelt es sich ersichtlich nur um eine Chargennummer, die nicht nur einer Verpackung zugeordnet wird. So haben die im Verhandlungstermin überreichten beiden Originalverpackungen der angegriffenen Linsen ebenfalls eine übereinstimmende Chargennummer (R 28 306 735). Im Übrigen sind die Beklagten aber auch nicht dem Vorbringen der Klägerin entgegengetreten, nach welchem die Linsen auch für eine zweifache Untersuchung geeignet sind und dabei eine Verbesserung der Messergebnisse zugunsten der Klägerin nicht zu besorgen ist.
Nach alledem ist das ohne die Nennung eines eigenen Wertes zum Ionenfluss-Koeffizienten pauschale Bestreiten der Beklagten, die angegriffene Ausführungsform verwirkliche Merkmal i2) nicht, nicht ausreichend, um den Benutzungstatbestand streitig zu stellen. Die fachkundigen Beklagten, die in der mündlichen Verhandlung selbst vorgetragen haben, die angegriffene Ausführungsform gewährleiste trotz ihrer Homogenität einen ausreichenden Sauerstoff- und Ionentransport, hätten dazu im Einzelnen darlegen müssen, weshalb bzw. an welchen Stellen man bei den von der Klägerin überreichten Testberichten über ihre Linsen zu anderen, nicht patentgemäßen Ergebnissen gelangen muss. Eigene Untersuchungen, die den Vortrag der Klägerin zu den von ihr ermittelten Messergebnissen in Frage zu stellen geeignet sind, haben die Beklagten ebenfalls nicht vorgelegt. Sie haben auch nicht gerügt, sich zu den Ionenfluss-Koeffizienten der angegriffenen Linse und den diesbezüglichen Angaben in Anlage K 15/15 a) nicht einlassen zu können, weil sie den Bericht nicht hätten nacharbeiten können, um die Richtigkeit der Ergebnisse zu überprüfen bzw. ggf. zu abweichenden Ergebnissen zu gelangen. Vielmehr haben sie sich in der Sache eingelassen, so dass ihre pauschale Verspätungsrüge wegen „Überrumpelung“ (GA 310) schon deshalb nicht durchgreifen kann, weil die Berücksichtigung der Untersuchungsunterlage eine Verzögerung des Rechtsstreits nicht zur Folge hat (§ 296 Abs. 1 und 2 ZPO).
IV.
Aufgrund des festgestellten Verletzungstatbestandes sind die Beklagten im zuerkannten Umfang gemäß Artikel 64 Abs. 1 EPÜ, § 139 Abs. 1 PatG zur Unterlassung und, da sie zumindest fahrlässig gehandelt haben, gemäß Artikel 64 Abs. 1 EPÜ, § 139 Abs. 2 Satz 2 PatG zum Schadensersatz verpflichtet. Dies gilt nicht nur für die Beklagte zu 1., sondern auch für die Beklagte zu 2., da es sich bei ihr ausweislich ihres Vorbringens zum Vollstreckungsschutzantrag um die für die Markteinführung, -positionierung und den Verkauf der angegriffenen Linsen zuständige Vertriebsgesellschaft in Deutschland handelt. Daneben hat die Beklagte zu 2. aber auch nicht behauptet, dass das die Pure-Vision-Linsen betreffende Internet-Angebot nach Anlage K 7 nicht ihr zuzurechnen ist oder sie nach Erteilung bzw. Eintragung der Klageschutzrechte die angegriffenen Linsen nicht (mehr) angeboten und vertrieben hat.
Die Schadenshöhe ist derzeit ungewiß. Die Klägerin und die XV1 haben deshalb ein berechtigtes Interesse daran, dass die Schadensersatzhaftung der Beklagten zunächst dem Grunde nach gemäß § 256 Abs. 1 ZPO festgestellt wird. Damit sie sodann in die Lage versetzt sind, ihre Ansprüche auf Schadensersatz zu beziffern, haben die Beklagten im zuerkannten Umfang Rechnung über ihre Benutzungshandlungen zu legen (§ 140 b PatG, §§ 242, 259 BGB). Soweit die Klägerin Aufschlüsselung der Angaben nach Größen, Stärken und Chargennummern der Linsen verlangt, war die Klage allerdings abzuweisen, da die Klägerin die Notwendigkeit dieser besonderen Aufschlüsselung zur Ermittlung und Bezifferung der Schadensersatzansprüche nicht dargetan hat. Unbegründet ist die Klage außerdem insoweit, als die Klägerin mit Rücksicht auf die Veröffentlichung der Patenterteilung (12. September 2001) Rechnungslegung und Schadensersatz erst ab dem 12. Oktober 2001 und nicht schon seit Klageerhebung vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (7. September 2001) verlangen kann.
Da sich der von der Klägerin begehrte Rechtsfolgenausspruch bereits vollständig aus dem Klagepatent ergibt, bedarf es vorliegend keiner Feststellungen zur Schutzfähigkeit des Klagegebrauchsmusters und sich hierauf (ebenfalls) gründender Rechte der Klägerin.
V.
Eine Aussetzung des Rechtsstreits gemäß § 148 ZPO kommt nicht in Betracht. Es erscheint nicht überwiegend wahrscheinlich, dass das Klagepatent im Umfang seines Patentanspruchs 1 widerrufen oder in relevanter Weise beschränkt wird.
Eine neuheitsschädliche Vorwegnahme der von Patentanspruch 1 unter Schutz gestellten technischen Lehre, durch die von den Beklagten als vorbekannt angeführten Kontaktlinsen lässt sich schon deshalb nicht feststellen, weil die Beklagten für keinen Fall belegt haben, dass die Linsen neben der erfindungsgemäßen Sauerstoffdurchlässigkeit (Merkmal h)) auch die in Merkmal i) angeführte Ionenpermeabilität aufgewiesen haben. Allein der Hinweis darauf, das Herstellungsmaterial der Linsen sei (im Wesentlichen) mit dem der angegriffenen Ausführungsform bzw. einem Ausführungsbeispiel der Klageschutzrechte identisch, ist zum Nachweis von Merkmal i) nicht ausreichend. Denn für die Sauerstoffdurchlässigkeit und Ionenpermeabilität ist – wie in Anlage B 3, Seite 16/17 ausgeführt wird – auch die Morphologie der Linse maßgeblich. Homogene oxyperme-ionoperme Phasen können die Diffusion hemmen und getrennte Phasenbereiche die Diffusion begünstigen. Eine hinreichende Linsenmorphologie nach Patentanspruch 1 ist – wie bereits ausgeführt – daran festzumachen, ob die Verbindung von oxypermen und ionopermen polymerisierbaren Material in ihrer Gestaltung derart umgesetzt worden ist, dass die in den Merkmalen h) und i) festgelegten Mindestwerte erreicht werden. Dass dies bei den vorbekannten Linsen – ebenso wie von der Klägerin in Bezug auf die angegriffene Linse dargetan – der Fall gewesen ist oder jede Art der Verbindung hierzu führt, lässt sich im Rahmen der Aussetzungsentscheidung nicht feststellen. Ebensowenig lassen sich ausreichende Anhaltspunkte dafür finden, der Fachmann habe in naheliegender Weise dem Stand der Technik entnehmen können, dass sich die (vorbekannten) oxypermen und ionopermen Materialien in morphologischer Sicht so verbinden lassen, dass man sowohl die erfindungsgemäße Sauerstoffdurchlässigkeit als auch zugleich die beanspruchte Ionenpermeabilität erhält. Zumindest erscheint es als offen, ob Patentanspruch 1 widerrufen oder eingeschränkt werden wird, so dass nach den Aussetzungsgrundsätzen der Kammer dem Interesse des Patentinhabers an der Durchsetzung seines zeitlich begrenzten Schutzrechtes Vorrang einzuräumen ist.
VI.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 281 Abs. 3, 92 Abs. 2 ZPO. Die Zuvielforderung der Klägerin ist verhältnismäßig geringfügig und hat keine besonderen Kosten veranlaßt.
Die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit und zur Sicherheitsleistung folgen aus §§ 709, 108 ZPO.
Dem Antrag der Beklagten, ihnen zu gestatten, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung ohne Rücksicht auf eine Sicherheitsleistung der Klägerin abzuwenden, war nicht zu entsprechen. Die Beklagten haben nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass ihnen durch die Vollstreckung ein nicht zu ersetzender Nachteil im Sinne von § 712 Abs. 1 ZPO entsteht. Die vorgetragene – und durch Vorlage der eidesstattlichen Versicherung ohnedies nur für die Beklagte zu 2. unmittelbar glaubhaft gemachte – Gefahr des Verlustes von Marktanteilen, Kundenstämmen und des dadurch zu erwartenden Abbaus von Arbeitsplätzen und Vertrauensverlustes bzw. „Imageschadens“ sind hierzu nicht ausreichend, da sie eine mit hoher Sicherheit zu erwartende existenzgefährdende Bedrohung der gewerblichen Tätigkeit der Beklagten nicht begründet. Vielmehr handelt es sich um wirtschaftliche Nachteile und daraus resultierende Folgeerscheinungen, wie sie eine Zwangsvollstreckung gewöhnlicherweise nach sich ziehen kann und die im Falle einer abändernden Berufungsentscheidung als Vollstreckungsschaden ersetzt verlangt werden können. Auch wenn dieser Anspruch ggfs. nur schwer realisierbar ist, handelt es sich insoweit um keinen unersätzlichen Nachteil im Sinne von § 712 Abs. 1 ZPO, sondern allenfalls um einen nur schwer zu ersetzenden Nachteil (vgl. Münchner Kommentar-Krüger, ZPO, 2. Auflage, § 712 Rdnr. 3). Soweit die Beklagten auf den Eintritt einer „enormen Rufschädigung im Markt“ und einen „dauerhaften Imageschaden“ abstellen, sind ihre Angaben zu Art und Ausmaß dieser Beeinträchtigung überdies unspezifziert und daher nicht geeignet glaubhaft zu machen, dass insoweit ein unersetzlicher, finanziell nicht kompensierbarer Nachteil infolge einer Vollstreckung unausweischlich wird.
Aber auch wenn man dies anders beurteilen wollte, so überwiegt doch zumindest das Interesse der Klägerin an einer Vollstreckung in überwiegendem Maße das Interesse der Beklagten an einer Einstellung der Vollstreckung (§ 712 Abs. 2 ZPO). Bei einer Patentverletzung ergibt sich das überwiegende Interesse des Gläubigers an einer alsbaldigen Vollstreckung in aller Regel bereits aus der zeitlichen Begrenzung des patentrechtlichen Unterlassungsanspruchs. Denn für den Zeitraum, in dem das Unterlassungsurteil nicht durchsetzbar ist, büßt das aus dem Patent folgende Ausschließlichkeitsrecht seine Wirkung endgültig ein, da die Monopolstellung des Rechtsinhabers nicht gewährleistet ist und so für ihn die Gefahr bleibender Beeinträchtigungen in der Konkurrenzsituation besteht (vgl. OLG Düsseldorf, GRUR 1979, 188, 189 – Flachdachabläufe). Ferner ist vorliegend zu Lasten der Beklagten zu berücksichtigen, dass sie seit Zustellung der Klage offenbar keine Veranstaltungen getroffen haben, ihren Vertrieb im Falle der Vollstreckung auf Kontaktlinsen umstellen zu können, die nicht in den Schutzbereich der Klageschutzrechte fallen. Auch ist nicht ersichtlich, dass sie überhaupt den Versuch unternommen haben, sich mit der Klägerin zumindest für die weitere Prozessdauer – unter zumutbaren Bedingungen – zu arrangieren.
Streitwert: 5.000.000,00 DM (= 2.556.459,41 Euro).
Die nicht nachgelassenen Schriftsätze der Parteien sind verspätet und rechtfertigen keine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.
Dr. D Dr. L2 L