Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 28. Februar 2002, Az. 4a O 414/01
I.
Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtlichen Schaden zu erstatten, der dieser dadurch entstanden ist und noch entstehen wird, dass der Beklagte im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs wörtlich oder sinngemäß behauptet hat, dass der „M4xxxxxxxxxxxxxxxx“ nach Maßgabe der folgenden Seitenansicht eine Verletzung des deutschen Gebrauchsmusters 295 21 999, des deutschen Gebrauchsmusters 297 18 951 und des deutschen Patents 197 47 097 darstellt:
II.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.
III.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand :
Der Beklagte ist eingetragener Inhaber des deutschen Patents 197 47 097 (Streitpatent), das am 24.10.1997 angemeldet und dessen Erteilung am 29.4.1999 veröffentlicht wurde, sowie des deutschen Gebrauchsmusters 295 21 999, das am 24.10.1995 angemeldet und dessen Eintragung am 27.5.1999 bekannt gemacht wurde und des deutschen Gebrauchsmusters 297 18 951, das am 24.10.1997 angemeldet und dessen Eintragung am 19.2.1998 bekannt gemacht wurde (Streitgebrauchsmuster I und II). Das Streitpatent betrifft ein Werkzeug zum Aneinanderfügen von Profilbrettern; die Streitgebrauchsmuster haben ein Richtwerkzeug bzw. ein Werkzeug zum Aneinanderfügen von Profilbrettern zum Gegenstand.
Schutzanspruch 1 des Streitgebrauchsmusters I hat folgenden Inhalt:
„Richtwerkzeug (10; 11) zum lückenlosen Aneinanderfügen von mit Nut (7) und Feder (8) versehenen Profil- oder Dielenbrettern (1a, 1b) oder -platten, gekennzeichnet durch einen länglichen oder langgestreckten Körper (14; 15) mit einer Längsachse und einer dieselbe mit unverändertem Querschnitt (16; 17) umgebenden Mantelfläche (22; 23), die mindestens eine, zu der Längsachse parallele, rechtwinklige Kante (24; 25) aufweist, wobei in einem an diese Längskante (24; 25) angrenzenden Bereich (28; 29) des Mantels (22; 23) eine zu der mit Nut (7) oder Feder versehenen Stirnfläche (5; 6) des Werkstücks (1a; 1b) querschnittlich komplementäre Profilierung (31; 30) vorgesehen ist.“
Schutzanspruch 1 des Streitgebrauchsmusters II lautet wie folgt:
„Werkzeug (1; 35) für das lückenlose Aneinanderfügen von mit Nut (14) und Feder (17) versehenen Profilbrettern (10), mit einer läng- lichen, von einer Mantelfläche umgebenen Gestalt, wobei die Mantelfläche eine ebene Unterseite (6) aufweist, die an wenigstens einer etwa rechtwinkligen Längskante in einen profilierten Abschnitt (7) übergeht, der zu der mit Nut (14) oder Feder (17) versehenen Stirnfläche (8, 9) des Profilbretts (10) komplementär geformt ist, während etwa in dem diametral gegenüberliegenden Mantelbereich eine Schlagfläche (4) zur Einwirkung eines Hammers oder dgl. vorgesehen ist, dadurch gekennzeichnet, dass der profilierte Abschnitt (7) in demjenigen Bereich (22), der mit der Oberkante (24, 33) des Profilbretts (10) korrespondiert, gegenüber der betreffenden Unterkante (21) des Werkzeugs (1, 35) zu dessen Mitte zurückversetzt ist.“
Wegen des Wortlauts von Anspruch 1 des Streitpatents, der im Wesentlichen inhaltsgleich mit Schutzanspruch 1 des Streitpatents ist, wird auf die als Anlage K 3 vorgelegte Patentschrift verwiesen.
Die Klägerin stellt her und vertreibt Laminat-, Echtholz- und Korkböden. In dem als Anlage K 4 in Fotokopie vorgelegten Prospekt der Klägerin ist auf Seite 4 die im Tenor wiedergegebene Bildfolge abgedruckt, die zeigt, wie der sog. „M1xxxxx-S4xxxxxxxxxxx“ bei Verlegearbeiten eingesetzt werden kann. Auf das als Anlage K 14 vorgelegte Muster eines „M1xxxxx-S4xxxxxxxxxxx“ wird Bezug genommen.
Nachdem der Beklagte mit patentanwaltlichem Schreiben vom 10.4.2001 zunächst eine Berechtigungsanfrage betreffend die drei Streitschutzrechte an die Klägerin gerichtet hatte und diese mit patentanwaltlichem Schreiben vom 2.5.2001 eine Benutzung der Rechte in Abrede gestellt hatte, verwarnte der Beklagte die Klägerin durch patentanwaltliches Schreiben vom 17.7.2001 und forderte diese zur Abgabe einer vorbereiteten vertragsstrafenbewehrten Unterlassungs- sowie einer Verpflichtungserklärung auf (Anlage K 7). Im Anschluss daran kam es zu weiterer Korrespondenz zwischen den Parteien, auf die Bezug genommen wird (Anlagen K 8, K 9, K 10 und K 11). Die Klägerin stellte eine Schutzrechtsverletzung weiterhin in Abrede und gab die geforderten Erklärungen nicht ab. Mit patentanwaltlichem Schreiben vom 7.9.2001 stellte der Beklagte Strafantrag wegen Gebrauchsmusterverletzung.
Die Klägerin ist der Ansicht, dass sie die Streitschutzrechte nicht verletzt hat.
Sie hat zunächst beantragt, den Beklagten zu verurteilen, es bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs wörtlich oder sinngemäß zu behaupten, dass der „M4xxxxxxxxxxxxxxxx“ nach Maßgabe der im Tenor wiedergegebenen Seitenansicht eine Verletzung des deutschen Gebrauchsmusters 295 21 999, des deutschen Gebrauchsmusters 297 18 951 und des deutschen Patents 197 47 087 darstelle, und Auskunft darüber zu erteilen, in welchem Umfang der Beklagte die vorstehend wiedergegebenen Behauptungen aufgestellt hat und zwar unter Angabe der Namen und Anschriften derjenigen Personen/Firmen, gegenüber denen die entsprechenden Behauptungen aufgestellt worden sind sowie festzustellen wie zuerkannt.
Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 14.1.2002, der am selben Tag per Fax bei Gericht eingegangen ist, eine dem Unterlassungsantrag entsprechende vertragsstrafenbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben, Auskunft erteilt sowie anerkannt, der Klägerin zum Ersatz des Schadens verpflichtet zu sein, der dieser durch die im Unterlassungsantrag genannten Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
Die Parteien haben den Rechtsstreit daraufhin im Hinblick auf den Unterlassungs- und Auskunftsantrag übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt. Soweit der Beklagte seine Verpflichtung zum Schadensersatz anerkannt hat, beantragt die Klägerin den Erlass eines Anerkenntnisurteils.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe :
1.
Der Beklagte hat den auf Feststellung der Schadensersatzpflicht gerichteten Antrag der Klägerin im schriftlichen Verfahren anerkannt, so dass der Beklagte auf Antrag der Klägerin entsprechend zu verurteilen ist, § 307 ZPO.
2.
Die Parteien haben den Rechtsstreit hinsichtlich der auf Unterlassung und Auskunftserteilung gerichteten Anträge übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt, so dass insoweit allein über die Kosten des Rechtsstreits unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden ist, § 91a Abs. 1 ZPO. Danach hat der Beklagte die Kosten zu tragen, weil die Klage bis zur übereinstimmenden Erledigungserklärung der Parteien zulässig und begründet gewesen ist und auch sonst keine Gründe dafür sprechen, die Kosten davon abweichend zu verteilen.
Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung und Auskunftserteilung wegen Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb nach § 823 Abs. 1 BGB zu, weil die Verwarnung der Klägerin durch die Beklagte unberechtigt gewesen ist. Der beanstandete Schlagklotz verwirklicht keines der – zunächst in der Berechtigungsanfrage vom 10.4.2001 und dann in der vorbereiteten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung des Abmahnschreibens vom 17.7.2001 genannten – drei Streitschutzrechte.
a)
Der Schlagklotz macht von der in Anspruch 1 des Streitgebrauchsmusters I unter Schutz gestellten Lehre keinen Gebrauch. Entsprechendes gilt für die übrigen Ansprüche des Streitgebrauchsmusters, bei denen es sich lediglich um auf Anspruch 1 rückbezogene Unteransprüche handelt.
aa)
Das Streitgebrauchsmuster I betrifft ein Richtwerkzeug zum lückenlosen Aneinanderfügen von mit Nut und Feder versehenen Profil- oder Dielenbrettern oder -platten.
Um bei den Verlegearbeiten die Stirnseiten der Holzbretter oder -platten nicht durch die Wucht der Hammerschläge zu beschädigen, ist es, wie in dem Streitgebrauchsmuster erläutert wird, im Stand der Technik bekannt gewesen, kleine Holzbrettchen an den Stirnseiten anzusetzen, so dass die Wucht der Hammerschläge auf eine größere Fläche verteilt wird. Solche Holzbrettchen können jedoch federseitig nur auf die Schmalkante neben der Feder aufgelegt werden, wobei immer noch die Gefahr eines Abschnappens oder Kippens des untergelegten Holzplättchen infolge des Hammerschlags besteht. Probleme bestehen zudem bei der Montage von Profilbrettern an Holzdecken, bei der mit einer Hand gleichzeitig das zuletzt angesetzte Holzstück und das untergelegte Holzplättchen vor einem Herabfallen gehalten werden müssen, während die andere Hand den Hammer führt.
Vor diesem Hintergrund liegt dem Streitgebrauchsmuster I das Problem zugrunde, ein Richtwerkzeug zum lückenlosen Aneinanderfügen von mit Nut und Feder versehenen Profil- oder Dielenbrettern oder -platten zu schaffen, das einerseits die Wucht von Hammerschlägen auf eine große Fläche des zuletzt angesetzten Holzstücks verteilt und andererseits auch bei der Montage an Decken kein Umgreifen bei seiner Versetzung erforderlich macht.
Das soll nach Schutzanspruch 1 durch folgende Anordnung erreicht werden:
1. Das Richtwerkzeug zum lückenlosen Aneinanderfügen von mit Nut und Feder versehenen Profil- oder Dielenbrettern oder -platten besteht aus einem länglichen oder langgestreckten Körper mit einer Längsachse und einer dieselbe mit unverändertem Querschnitt umgebenden Mantelfläche.
2. Die Mantelfläche weist mindestens eine, zu der Längsachse parallele, rechtwinklige Kante auf.
3. In einem an diese Längskante angrenzenden Bereich des Mantels ist eine zu der mit Nut oder Feder versehenen Stirn- fläche des Werkstückes querschnittlich komplementäre Profilierung vorgesehen.
Wird das Richtwerkzeug so angesetzt, dass dessen Nutprofil in das Federprofil der Stirnseite des Werkstücks eingreift bzw. umgekehrt das Federprofil des Richtwerkzeugs in das Nutprofil der Stirnseite des Werkstücks, verteilt sich die Wucht des Hammerschlags auf einen relativ großen Bereich der Stirnseite des zu verlegenden Werkstücks, so dass eine Beschädigung desselben vermieden wird. Aufgrund des formschlüssigen Ineinandergreifens von Werkstück und Richtwerkzeug ist auch ein Abschnappen desselben ausgeschlossen. Zudem wird bei der Befestigung von Profilbrettern an Raumdecken infolge der formschlüssige Verbindung von Werkstück und Richtwerkzeug mit dem Richtwerkzeug auch das noch nicht befestigte Werkstück gehalten, so dass dieses herunterfallen kann.
bb)
Der „M1xxxxx-S5xxxxxxxxx“ verwirklicht jedenfalls nicht das Merkmal 3. Bei diesem fehlt es an einer zu der mit Nut oder Feder versehenen Stirnfläche des Werkstücks komplementären Profilierung. Der Klotz verfügt lediglich über eine Nase, die sich oberhalb einer unteren rechtwinkligen Kante befindet. In der im Tenor wiedergegebenen Bildfolge ist die Nase an der oberen Schmalkante der Diele angelegt. Die Nase kann weder in die stirnseitige Nut eines Werkstücks formschlüssig eingreifen, noch die stirnseitige Feder eines Werkstücks formschlüssig aufnehmen, so wie dies mit der Ausgestaltung des Richtwerkzeugs nach Merkmal 3 erreicht werden soll.
b)
Der beanstandete Schlagklotz verwirklicht zudem nicht die in Anspruch 1 bzw. in einem der auf Anspruch 1 rückbezogenen Unteransprüche des Streitgebrauchsmusters II unter Schutz gestellte Lehren.
aa)
Das Streitgebrauchsmuster II geht von einem Werkzeug für das lückenlosen Aneinanderfügen von mit Nut und Feder versehenen Profilbrettern mit folgenden Merkmalen aus.
1. Das Werkzeug hat eine längliche, von einer Mantelfläche umgebene Gestalt.
2. Die Mantelfläche weist eine ebene Unterseite auf, die an wenigstens einer etwa rechtwinkligen Längskante in einem profilierten Abschnitt übergeht.
3. Der Abschnitt ist zu der mit Nut oder Feder versehenen Stirnfläche des Profilbretts komplementär geformt.
4. In dem diametral gegenüberliegenden Mantelbereich ist eine Schlagfläche zur Einwirkung eines Hammers oder dgl. vorgesehen.
Im Streitgebrauchsmuster II wird mitgeteilt, dass ein solches Werkzeug im Stand der Technik bekannt gewesen ist. Dabei wird die Profilierung des Werkzeugs mit der zugänglichen Stirnseite eines Profilbretts in Eingriff gebracht, damit auf die rückwärtige Schlagfläche auftreffende Hammerschläge auf einem der Länge des Werkzeugs entsprechenden Abschnitt der Stirnseite des Profilbretts verteilt werden. Bei einem ungeschickten Hammerschlag kann es jedoch passieren – so wird in dem Streitgebrauchsmuster II weiter ausgeführt -, dass das Werkzeug um den Eingriffsbereich der Profilierung kippt, so dass die anliegende Oberkante des Profilbretts gequetscht wird, was zu entsprechenden Schäden am Profilbrett führt. Entsprechend liegt dem Streitgebrauchsmuster II das Problem zugrunde, durch eine geeignete Konstruktion des Werkzeugs Vorsorge dafür zu treffen, dass auch bei ungeschickter Handhabung die Oberkante des zu verlegenden Profilbretts nicht beschädigt werden kann.
Das soll durch das folgende weitere Merkmal erreicht werden:
5. Der profilierte Abschnitt in demjenigen Bereich, der mit der Oberkante des Profilbretts korrespondiert, ist gegenüber der betreffenden Unterkante des Werkzeugs zu dessen Mitte zurückversetzt.
Infolge dieses Versatzes gibt es – so heißt es weiter in dem Streitgebrauchsmuster II – keinerlei Berührungspunkte zwischen der Oberkante des Profilbretts und dem beanspruchten Werkzeug. Selbst wenn dieses nach vorne kippt, kann demzufolge die Oberkante des Profilbretts nicht gequetscht werden.
bb)
Der beanstandete Schlagklotz verwirklicht nicht das Merkmal 4, weil er zu der mit Nut und Feder versehenen Stirnfläche des Profilbretts nicht komplementär geformt ist. Die oberhalb einer unteren rechtwinkligen Kante angeordnete Nase des Klotzes vermag weder in die Nut der einen Stirnfläche des Profilbretts einzugreifen noch die Feder der anderen Stirnfläche der Profilbretts aufzunehmen. Entsprechend fehlt es auch an einer Verwirklichung des Merkmals 6.
c)
Aus den Ausführungen unter b) folgt, dass auch das im Wesentlichen zu dem Streitgebrauchsmuster II parallele Streitpatent durch den beanstandeten Klotz nicht verletzt wird.
3.
Der Streitwert wird für die Zeit bis zum 23.1.2002 auf 255.645,94 Euro (500.000,– DM) festgesetzt, für die Zeit danach auf 30.000 Euro.
Dr. G3xxxxxxx F1xxxx Dr. B3xxx