4a O 334/01 – Kompostierung von Hausmüll

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 97

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 3. September 2002, Az. 4a O 334/01

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

III.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 12.000,- EUR vorläufig vollstreckbar. Die Sicherheit kann auch durch die unbedingte Bürgschaft einer in Deutschland ansässigen, als Zoll- und Steuerbürgin zugelassenen Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand:

Die Klägerin ist ausschließliche Lizenznehmerin des deutschen Patentes DE 36 37 393 (Anlage K 1; nachfolgend: Klagepatent). Das Patent wurde am 3. November 1986 unter Inanspruchnahme einer inneren Priorität vom 19. Februar 1986 angemeldet und am 20. August 1987 offengelegt. Die Patenterteilung wurde am 22. Juni 1989 veröffentlicht.

Das Klagepatent, welches in Kraft steht, betrifft Verfahren und Vorrichtungen zur Abfallkompostierung. Anspruch 1 des Klagepatentes hat folgenden Wortlaut:

Verfahren zur Kompostierung von Hausmüll oder hausmüllähnlichen Abfällen, wobei durch eine dem mikrobiellen Wachstum angepasste Luftzuführung ohne Bewegung der Abfälle zunächst die biologisch leichter zersetzbaren organischen Bestandteile der Abfälle abgebaut werden,

dadurch gekennzeichnet, dass die Kompostierung durch Trocknung dann zum Stillstand gebracht wird, wenn die biologisch leichter zersetzbaren organischen Bestandteile der Abfälle abgebaut werden.

Wegen des Wortlauts des von der Klägerin „insbesondere“ geltend gemachten Unteranspruchs 2 wird auf die als Anlage K 1 der Klageschrift beigefügte Patentschrift verwiesen.

Die Beklagte zu 1. und deren Geschäftsführer, die Beklagten zu 2. bis 4., bieten Kompostierungsanlagen an, die nach dem B5xxxxxx-Verfahren arbeiten. Insoweit wird auf die von der Klägerin zu der Gerichtsakte gereichten Unterlagen Bezug genommen (Anlage K 6 und K 8, K 11 bis K 13).

Die Beklagte zu 1. ist mit Schriftsatz vom 27. März 2002 der Berufung der ebenfalls von der Klägerin verklagten L2xxx E4xxxxxxxxxxxxxxxx GmbH, welche Nichtigkeitsklage gegen das Klagepatent erhoben hat, beigetreten (Aktenzeichen X ZR 151/99). Der Bundesgerichtshof hat mit Beschluss vom 16. Mai 2001 Sachverständigenbeweis erhoben; das Gutachten des Sachverständigen wurde unter dem 5. September 2001 erstellt. Wegen der Einzelheiten des Gutachtens wird auf die zur Gerichtsakte gereichte Ablichtung (Anlage B 5) Bezug genommen.

Die Klägerin sieht in dem Vertrieb der Kompostieranlage eine wortlautgemäße Verletzung des Klagepatentes.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagten zu verurteilen,

1.

es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000,- DM – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, zu unterlassen,

mit stationären Rottemodulen ausgestattete Anlagen zur Durchführung eines Verfahrens zur Kompostierung von Hausmüll oder hausmüllähnlichen Abfällen, bei welchem durch eine dem mikrobiellen Wachstum angepaßte Luftzuführung ohne Bewegung der Abfälle zunächst die biologisch leichter zersetzbaren organischen Bestandteile der Abfälle abgebaut werden,

in Deutschland ansässigen Abnehmern anzubieten und/oder zu liefern,

wenn bei diesen Anlagen die Kompostierung durch Trocknung dann zum Stillstand gebracht wird, wenn die biologisch leichter zersetzbaren organischen Bestandteile der Abfälle abgebaut sind,

insbesondere wenn die Abfälle vor dem Beginn der Kompostierung zerkleinert werden;

2.

der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu Ziff. I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 22. Juli 1989 begangen haben, und zwar unter Angabe

a) der einzelnen Lieferungen von Anlagen, aufgeschlüsselt nach Stückzahl, Lieferzeiten und –preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,

b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Stückzahl, Angebotszeiten und -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten, insbesondere der variablen Kosten für die Herstellung und der Vertrieb, und des erzielten Gewinns,

wobei

sich die Verpflichtung zur Rechnungslegung für die Zeit vor dem 1. Mai 1992 auf Handlungen in dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland in den bis zum 2. Oktober 1990 bestehenden Grenzen beschränkt.

II.

Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu Ziff. I.1. bezeichneten, seit dem 22. Juli 1989 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird, wobei sich die Verpflichtung zum Schadensersatz für die Zeit vor dem 1. Mai 1992 auf Handlungen in dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland in den bis zum 2. Oktober 1990 bestehenden Grenzen beschränkt;

hilfsweise

gemäß §§ 142 Abs. 1 und 144 Abs. 1 ZPO unter Fristsetzung anzuordnen, dass die Beklagten diejenigen Unterlagen, die sie bei ihrer Bewerbung für die Ausschreibung für die Kompostieranlage für B3x D3xxxxx/G4xxxxx bei dem Landkreis B3x D3xxxxx, Umweltamt, Dezernat II, A2xxxx-B4xxx-S3xxxx 01, 12xxx B3x D3xxxxx und bei dem Landkreis G4xxxxx, Abfallwirtschaftsamt, Dezernat IV, Am W3xx 3 – 5, 13xxx G4xxxxx eingereicht haben, vorlegen.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen;

das Verfahren gemäß § 148 ZPO bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Bundesgerichtshofes im Nichtigkeitsverfahren X ZR 151/99 auszusetzen;

den Antrag auf Anordnung der Urkundenvorlegung zurückzuweisen.

Sie stellen eine Verletzung des Klagepatentes in Abrede. Sie tragen zudem vor, dass die Klägerin die Verletzungsform nicht schlüssig dargelegt habe. Ihren Aussetzungsantrag begründen die Beklagten unter Hinweis auf ihr Vorbringen im Rahmen der Nichtigkeitsklage.

Die Klägerin tritt diesem Vorbringen entgegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet. Die Beklagten bieten an und liefern keine Kompostieranlagen, die geeignet und dazu bestimmt sind, zur Benutzung des in der Klagepatentschrift beschriebenen Verfahrens verwendet zu werden, § 10 Abs. 1 i.V.m. § 9 Nr. 2 PatG.

I.

Gegen die Aktivlegitimation der Klägerin bestehen keine Bedenken. Die Klägerin ist ausschließliche Lizenznehmerin des Klagepatentes und damit aus eigenem Recht zur Erhebung der Klage befugt.

II.

Die Erfindung nach dem Klagepatent betrifft ein Verfahren zur Kompostierung von Hausmüll oder hausmüllähnlichen Abfällen sowie eine Vorrichtung zur Durchführung dieses Verfahrens.

Die Klagepatentschrift führt in ihrer Einleitung aus, dass die Kompostierung von Abfällen eine intensive Sauerstoffzufuhr zu den aeroben Mikroorganismen im Abfallgemenge voraussetzt. Das Abfallgemenge besteht zum Teil aus biologisch leicht zersetzbarer organischer Substanz, biologisch schwerer zersetzbarer Substanz sowie biologisch nicht zersetzbarer Substanz. Unter biologisch leichter abbaubaren organischen Substanzen versteht das Klagepatent Zellflüssigkeiten (Plasma) von Pflanzen, Tieren und Kleinstlebewesen, zu den biologisch schwerer abbaubaren Substanzen zählen die Lignin- und Celluloseverbindungen, welche u.a. in Zellwänden vorhanden sind.

Die Klagepatentschrift führt weiter aus, dass die Kompostierung nur dann stattfinden kann, wenn ein bestimmter Feuchtigkeitsgehalt vorhanden ist, also keine Kompostierung stattfindet, wenn der Wassergehalt zu niedrig ist. Diese Tatsache sei aus der DE-OS 30 46 646 bekannt.

Die Beschreibung des Klagepatentes bezeichnet es als nachteilig bei der bisherigen Abfallkompostierung, dass neben dem erwünschten Abbau organischer Substanzen im Abfallgemenge zum Zwecke der Stabilisierung auf dem übriggebliebenen Grundsubstrat immer wieder neue mikrobielle Entwicklungsphasen eingeleitet wurden, ohne dass damit eine wesentliche Grundsubstratverringerung erreicht wurde. Es konnte vielmehr festgestellt werden, dass die biologisch schwerer abbaubaren Zellwandreste abgestorbener Mikroorganismen die Grundsubstratmenge sogar vergrößern. Da die Zellteilungsrate durch die technisch zu beeinflussenden Parameter Feuchte – Wärme – Luft bestimmt werde, müssen, wenn der zur Verfügung stehende Nährboden in kürzest möglicher Zeit abgebaut werden solle, für die technisch beeinflussbaren Klimaparameter die günstigsten Voraussetzungen geschaffen werden.

Im Stand der Technik ist aus der Patentschrift DE-OS 25 20 640 (Anlage K 5), auf welche das Klagepatent verweist, ein Verfahren zur Kompostierung bekannt, bei dem über die gesamte Abbauzeit stets dieselben Bedingungen eingehalten werden. Das Verfahren macht also keinen Unterschied zwischen den biologisch leichter zersetzbaren Teilen der organischen Stoffe und den biologisch schwerer zersetzbaren Teilen der organischen Stoffe. Dies gelte weiter – so die Klagepatentschrift – für die in Spalte 2 Zeilen 21 bis 24 aufgezählten Druckschriften, die Verfahren und Vorrichtungen offenbaren, die keinen Unterschied zwischen der Kompostierung leichter abbaubarer Substanzen und biologisch schwerer abbaubarer Substanzen machen.

Das Klagepatent stellt weiter fest, dass es einen zeitlichen Unterschied für die Abbauvorgänge der biologisch leichter abbaubaren Nährbodensubstrate und der biologisch schwerer zersetzbaren organischen Bestandteile gebe. Der biologische Abbau der für Mikroorganismen leicht zu erschließenden Nahrungsquelle der Zellflüssigkeiten dauert nur einige Stunden (1 bis 72 Stunden), während der biologische Abbau von lignin- und cellulosehaltigen Stoffen Wochen (30 bis 300 Tage) dauern würde.

Als technisch zu lösendes Problem (Aufgabe) der Erfindung bezeichnet es die Beschreibung der Klagepatentschrift, die bekannten Verfahren zur Abfallkompostierung in der Weise zu verbessern, dass in einer kürzeren Zeit eine bessere Kompostqualität bei günstigeren Herstellungskosten erreicht werden kann.

Zur Lösung des Problems schlägt Anspruch 1 ein Verfahren mit nachfolgenden Merkmalen vor:

Verfahren zur Kompostierung von Hausmüll oder hausmüllähnlichen Abfällen:

1. Die Abfälle werden durch eine dem mikrobiellen Wachstum angepasste Luftzuführung abgebaut.

2. Der Abbau erfolgt ohne Bewegung der Abfälle.

3. Zunächst werden die biologisch leichter zersetzbaren organischen Bestandteile abgebaut.

4. Die Kompostierung wird durch Trocknung zum Stillstand gebracht.

5. Dies erfolgt dann, wenn die biologisch leichter zersetzbaren organischen Bestandteile der Abfälle abgebaut worden sind.

Die Erfindung bietet demgemäß ein Verfahren an, bei dem die Zersetzung der biologisch leichter zersetzbaren organischen Substanzen durch Mikroorganismen in einer ersten Phase unter Zuführung von Luft bei einer Temperatur von 60° Celsius erfolgt. Die Luft erwärmt sich und nimmt dabei Wasser auf. Ist die Zersetzung der leicht zersetzbaren Bestandteile durch die Mikroorganismen erfolgt und eine weitgehende Reduzierung des Wassergehaltes eingetreten, so wird durch Erhöhung der Luftzufuhr ein Trocknungsvorgang eingeleitet, eine zweite Phase, die es ermöglichen soll, durch Absenkung der Restfeuchte im Gemenge das übrig bleibende Gemisch aus biologisch schwerer zersetzbaren organischen Restsubstanzen und biologisch nicht zersetzbaren Bestandteilen zu lagern.

Im Hinblick auf ein erfindungsgemäßes Ausführungsbeispiel bezeichnet es das Klagepatent als Vorteil des Verfahrens, dass das zu kompostierende Gemenge nicht wie bisher bewegt werden müsse und dass bereits nach 2 bis 6 Tagen ein lagerfähiger, absackbarer Kompost entstehe.

II.

1.

Mit der angegriffenen Ausführungsform machen die Beklagten von dem Klagepatent keinen Gebrauch.

Die Klägerin hat schlüssig dargelegt, dass die Beklagten Anlagen anbieten, die nach dem Biodegma-Verfahren – einer mechanisch-biologischen Abfallbehandlung – arbeiten. Dass die Beklagten Anlagen der genannten Art herstellen und betreiben, ergibt sich aus einer in Anlage K 8 überreichten Veröffentlichung eines Mitarbeiters der B5xxxxxx GmbH sowie aus dem als Anlage K 13 vorgelegten Branchenführer M2x-T1xxxxx (Seite 28). Es ist nicht ersichtlich, dass den Beklagten die Veröffentlichungen nicht zugerechnet werden können. Im Gegensatz zu dem Zeitungsartikel, welchen die Klägerin in Anlage K 7 vorgelegt hat, handelt es sich hierbei um Veröffentlichungen der B5xxxxxx GmbH selbst als auch eines Branchenführers.

Zwischen den Parteien ist auch unstreitig, dass die Beklagten sowohl in E2xxxxxxxxx als auch in B3x D3xxxxx Angebote für die Errichtung einer Kompostieranlage nach dem B5xxxxxx-Verfahren abgegeben haben und den Zuschlag erhalten haben.

Das B5xxxxxx-Verfahren, so wie es in den Anlage K 8, K 11, K 12 und K 13 beschrieben wird, verwirklicht die in Anspruch 1 des Klagepatentes unter Schutz gestellte Lehre nicht. Im Einzelnen:

Unzutreffend ist die Ansicht der Beklagten das geschützte Verfahren betreffe allein die Herstellung eines Komposts mit bestimmter Zusammensetzung. Das Klagepatent beschreibt ausdrücklich, dass die Erfindung ein Kompostierverfahren betreffe (Anlage K 1 Zeile 1 ff.; Spalte 2 Zeilen 41 ff.). Zwar offenbart das Klagepatent, dass Kompost, der sich noch in einer aeroben biologischen Umwandlung befindet, der Bodenverbesserung dient. Dies erfolgt jedoch nur zur allgemeinen Erläuterung und Definition patentgemäßer Begriffe. Da sich die Ansprüche des Klagepatentes auch nicht damit befassen, was mit dem behandelten Müll nach der patentgemäß durch Trocknung erfolgten Beendigung der Kompostierung geschieht, und in der allgemeinen Beschreibung (Spalte 2 Zeilen 4 bis 8) ausdrücklich auch von Abfallbeseitigung gesprochen wird, erkennt der vom Klagepatent angesprochene Durchschnittsfachmann, dass die Zersetzung biologisch schwerer abbaubarer Substanzen im Erdboden nur eine von mehreren nach dem Patent bestehenden Möglichkeiten dafür darstellt, was mit dem patentgemäß behandelten Müll nach der Beendigung der Kompostierung durch Trocknung geschieht, und dass der Müll nach der patentgemäßen Behandlung z.B. auch verbrannt werden kann. Zu diesem Ergebnis kam auch das Oberlandesgericht in seinem Urteil vom 15. Juni 2000 (Aktenzeichen 2 U 50/99; Anlage K 4 Seite 11).

Das Klagepatent betrifft ein Verfahren zur Kompostierung von Hausmüll oder hausmüllähnlichen Abfällen. Ein solches Verfahren bieten die Beklagten mit dem Biodegma-Verfahren an. Dies ergibt sich aus dem in Anlage K 13 überreichten Branchenführer M2x-T1xxxxx (Seite 20), wo ausgeführt wird, dass „nach Anlieferung von Haus- und Gewerbeabfällen sowie von Sperrmüll…“. Dass auch eine Kompostierung erfolgt, ergibt sich auf Seite 2 eines Prospektes der B5xxxxxx GmbH (Anlage K 11), in welchem es heißt:

„Die Kompostierung ist ein auf der Erde allgegenwärtiger natürlicher Prozeß.

Es gilt, diesen Vorgang in der Bioabfall- und Restabfallrotte ökologisch sinnvoll und ökonomisch vertretbar zu unterstützen, so dass die technischen Rahmenbedingungen auf das notwendige Minimum reduziert werden und ein optimaler Einklang mit der Umwelt gefunden wird.

Die B5xxxxxx GmbH besitzt langjährige Praxiserfahrungen in der Entwicklung und Planung, sowie im Bau und Betrieb von Rottesystemen.“

Nach Merkmal 1 des Klagepatentes werden Abfälle durch eine dem mikrobiellen Wachstum angepasste Luftzuführung abgebaut. Durch die Luftzuführung werden die aeroben Mikroorganismen, die sich im Müll befinden, in ihrer Tätigkeit beschleunigt bzw. eine Vermehrung derselben findet statt. Die Beschreibung des Klagepatentes (Anlage K 1 Spalte 1 Zeile 7 bis 9) führt hierzu aus, dass Kompostierung von Abfällen eine intensive Sauerstoffzufuhr zu den aeroben Mikroorganismen im Abfallgemenge voraussetzt.

Dass – entgegen der Ansicht der Beklagten – bei der angegriffenen Ausführungsform die Abfälle durch eine dem mikrobiellen Wachstum angepasste Luftzuführung abgebaut werden, ergibt sich aus dem in Anlage K 11 überreichten Prospekt der Biodegma. Anhand des auf Seite 2 abgebildeten Schemas ist zu erkennen, dass eine Luftzuführung stattfindet. Es wird ausgeführt, dass der Restabfall nach einer Aufbereitung vier Wochen lang druckbelüftet wird. In der Beschreibung der zeichnerischen Darstellung ist auch von „Belüftungsrohren mit Luftzufuhr“ die Rede. Auch die in Anlage K 8 überreichte Veröffentlichung der B5xxxxxx GmbH führt aus, dass „die Sauerstoffversorgung des Rottematerials mittels Druckbelüftung erfolgt und so die Einhaltung optimaler Rottebedingungen u.a. durch die Steuerung der Luftmenge ermöglicht“. Anhand dieses Zitates zeigt sich auch, dass es sich hierbei um eine dem mikrobiellen Wachstum angepaßte Sauerstoffzuführung handelt. Im Branchenführer M2x-T1xxxxx (Anlage K 13, Seite 20) heißt es zudem, dass „das Material mittels Radlader in die Rottemodule eingetragen werden, wo es vier Wochen unter geregelter Druckbelüftung verbleibt.“

Nach Merkmal 2 des Klagepatentes erfolgt der Abbau ohne Bewegung der Abfälle. Dies hat den Vorteil, dass die Kompostierung vereinfacht wird, da nunmehr nicht mehrfach das Abfallgut umgewälzt werden muss, was eine Verringerung der Kosten bedeutet. Es ist davon auszugehen, dass bei der angegriffenen Ausführungsform der Abbau ohne Bewegung der Abfälle erfolgt. Gemäß der Beschreibungen und Zeichnungen in den Anlagen K 11 und K 8 wird der Abfall nach Anlieferung und Aufbereitung in eine Rottehalle verbracht, in welcher sich Rottemodule befinden. Dass die Rottemodule beweglich sind bzw. der Müll innerhalb der Kompostierzeit bewegt wird, ergibt sich anhand der Beschreibung des Abbauvorganges nicht. Anlage K 8 führt vielmehr aus, dass

„während dieser vierwöchigen Intensivrotte (wird) das Material in geschlossenen, druckbelüfteten B5xxxxxx-Rottemodulen, hygenisiert und die leicht bzw. mittelschwer abbaubare Organik ab- und umgebaut (wird).“

Die Modulabdeckung selbst wird als eine sich automatisch öffnende und schließende Profilkonstruktion, die mit einem semipermeablen Abdecklaminat bespannt ist, beschrieben. Eine Bewegbarkeit der Module ist wegen der räumlichen Abdeckung daher ausgeschlossen. Dass ansonsten eine manuell oder maschinell betriebene Umwälzung stattfindet, ist nicht ersichtlich und auch nicht beschrieben. In Anlage K 13 (Seite 20 Absatz 6) ist vielmehr davon die Rede, dass das „Material ……. verbleibt“.

Gemäß Merkmal 3 werden zunächst die biologisch leichter zersetzbaren organischen Bestandteile abgebaut. Hierbei handelt es sich um einen trivialen biochemischen Vorgang, der sich schon aus der Anordnung der Anlage ergibt. Indem dem Müll Feuchte und Luft zugeführt wird, kommt es aufgrund von hydrolytischen Reaktionen automatisch zum Abbau der leichter biologisch abbaubaren Verbindungen. Da es sich hierbei um eine exotherme Reaktion handelt, entsteht auch Wärme (Spalte 4 Zeile 63), welche den Abbauprozess noch weiter fördert. Ein solcher Abbau erfolgt auch bei der angegriffenen Ausführungsform, da dem Müll Feuchtigkeit und Luft zugeführt wird, wie sich aus der bereits zitierten Anlage K 8 ergibt. Ebenso ist in der Zeichnung der Anlage K 13 (Seite 22) von einem „Organikabbau 18 %“ die Rede.

Merkmal 4 und 5 des Klagepatentes, welche zusammen betrachtet werden müssen, sehen vor, dass die Kompostierung durch Trocknung zum Stillstand gebracht wird, wenn die biologisch leichter zersetzbaren organischen Bestandteile der Abfälle abgebaut worden sind. Gerade der Abbau der biologisch leichter abbaubaren Substanzen ist ein erstrebenswertes Ziel des Klagepatentes (Spalte 2 Zeile 41 bis 46), da dadurch die geruchsintensiven Substanzen abgebaut sind und eine Beseitigung der schwerer abbaubaren organischen Verbindungen anschließend auf verschiedenen Wegen, insbesondere durch Zersetzung im Erdboden möglich ist (Spalte 2 Zeile 44 bis 46). Dadurch wird das dem Klagepatent zugrundeliegende Problem gelöst, die aus dem Stand der Technik bekannten Verfahren in der Weise zu verbessern, dass in einer kürzeren Zeit eine bessere Kompostqualität bei günstigeren Herstellungskosten erreicht werden kann (Sp. 3, Z. 5 ff.)Wann der Zeitpunkt erreicht ist, an dem die biologisch leichter zersetzbaren organischen Bestandteile des Abfalls abgebaut worden sind, wird weder im Anspruch noch in der Klagepatentschrift näher definiert. Insbesondere fehlt es an der Angabe eines Verfahrens, wie die Beendigung des Abbaus durch Messungen ermittelt werden kann. Zwar erwähnt die Beschreibung in Spalte 4 Zeilen 53 bis 59 unangenehme Gerüche der aus dem Gemenge austretenden Luft, die durch eventuell vorhandene Stoffwechselprodukte anaerober Mikroorganismen verursacht würden, auch ist in Spalte 5 Zeilen 30 bis 32 die Rede davon, dass nach einer gewissen Zeit Aminosäuren nur noch in geringer Menge festgestellt werden könnten. Diese Passagen, die darauf hindeuten, dass man bestimmte Parameter durch Messungen ermitteln könnte, beziehen sich aber auf die Unteransprüche 4 und 5 des Klagepatentes. Im Hinblick auf das mit dem Klagepatent verfolgte Ziel, die Herstellungskosten zu senken, wird sich der Fachmann daher auf die Erfahrungswerte zu verlassen, die sich der Klagepatentschrift entnehmen lassen. Danach beträgt die Abbauzeit für die biologisch leichter abbaubaren Substanzen – je nach Zusammensetzung des Abfalls – längstens drei Tage (Spalte 2 Zeile 35; so auch OLG Düsseldorf, Anlage K 4 Seite 14 f. sowie Gutachten B6xxxxxxxxxx, Anlage B 5 Seite 9), während der Abbau der schwerer zersetzbaren organischen Substanzen nach den Angaben der Klagepatentschrift mindestens etwa zehnmal solange dauert wie der längste für den Abbau der biologisch leichter abbaubaren Substanzen angegebene Zeitraum, ca. 30 bis 300 Tage.

Einen solchen mit dem Abbau der biologisch leichter abbaubaren organischen Bestandteile zeitnahen Abbruch der Kompostierung durch Trocknung ist bei der angegriffenen Ausführungsform weder anhand der von der Klägerin vorgelegten Unterlagen noch nach ihren eigenen Darstellungen ersichtlich; sie behauptet dies lediglich pauschal und mit dem Hinweis darauf, dass durch die Trocknung die Kompostierung nach dem Abbau der biologisch leichter abbaubaren organischen Bestandteile zum Stillstand gebracht wird. Konkrete Verweise auf die von ihr vorgelegten Unterlagen macht sie jedoch nicht.

Bei der angegriffenen Ausführungsform erfolgt die Weiterbehandlung der Rotte nach einer vierwöchigen Druckbehandlung entweder durch eine weitere acht- bis zehnwöchige druckbelüftete Nachrotte oder alternativ durch Wasserreduktion durch verstärktes Belüften. Wasserreduktion ist dabei wie Wasserentzug zu verstehen. Ein Wasserentzug hat immer eine Trocknung zur Folge. Zwar sind nach vier Wochen zweifelsfrei die leichter abbaubaren organischen Verbindungen abgebaut und der Abbau der schwerer zersetzbaren Substanzen hat begonnen. Eine Verletzung des Klagepatentes hat dies jedoch nicht zur Folge, da nach der Lehre des Klagepatentes die Trocknung gerade nach dem Abbau der biologisch leichter zersetzbaren organischen Bestandteile erfolgen soll (vgl. Sp. 3, Z. 11 ff.). Dass die Klagepatentschrift den abbaubestimmten Abbruch durch Trocknung vorsieht ergibt sich daraus, dass nach der Aufgabe der patentgemäßen Lehre die Herstellungskosten verringert werden sollen. Eine Senkung der Herstellungskosten wird – neben anderen Faktoren – nur durch eine Verkürzung der Rottezeiten erreicht. Auf diese Weise kann eine erneute und damit effektive Beladung der Kompostieranlage ökonomisch erreicht werden. Wenn der Abfall dagegen zehnmal länger in der Rotte verbleibt als dies nach der Klagepatentschrift vorgesehen ist, um den Abbau der biologisch leichter abbaubaren organischen Bestandteile zu erreichen, kann von einer effektiven Ausnutzung der Anlage nicht mehr ausgegangen werden. Die lange Verweildauer in der Anlage lässt vielmehr den Schluss zu, dass auch der Abbau der schwerer abbaubaren organischen Bestandteile beabsichtigt ist.

Ein zielgerichteter Abbruch der Kompostierung kann nicht aus dem Umstand geschlossen werden, dass die Beklagten eine mechanisch-biologische Abfallbehandlung vornehmen. Dieser Begriff beinhaltet lediglich, dass der Müll ohne Zusatz von Chemikalien oder durch Verbrennung behandelt werden soll. Den zielgerichteten Abbau von biologisch leichter abbaubaren Substanzen beinhaltet er nicht.

Die vorstehenden Ausführungen stehen auch nicht im Widerspruch zu dem Urteil des Oberlandesgerichtes Düsseldorf vom 15. Juni 2000 (Aktenzeichen 2 U 50/99); der Senat hatte über einen weitaus kürzeren Zeitraum – fünf Tage – zu entscheiden.

2.

Die Kammer sieht keinen Anlass, den Beklagten aufzugeben nach § 142 Abs. 1 ZPO diejenigen Unterlagen vorzulegen, die sie bei ihrer Bewerbung auf die Ausschreibung für die Kompostieranlage für B3x D3xxxxx bei dem Landkreis eingereicht hat.

Eine entsprechende Anordnung steht im richterlichen Ermessen. Sie erfordert, dass nach Abwägung aller für den Einzelfall maßgebenden Umstände ein genügender sachlicher Grund zu einer Vorlegungsanordnung besteht. Auch nach Neufassung von § 142 Abs. 1 ZPO ist dies nicht der Fall, wenn mit der Anordnung die Ausforschung eines nur unzureichend spezifiziert vorgetragenen Sachverhalts erfolgen würde (Baumbach/ Hartmann, Kommentar zur Zivilprozessordnung, 60. Aufl. § 142 Rdnr. 5). Mit der Neufassung von § 142 ZPO ist – wie aus dem Bericht des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages hervorgeht – keine unzulässige Ausforschung der gegebenenfalls von der Anordnung betroffenen Partei bezweckt gewesen. Das Gericht darf die Urkundenvorlage nur auf der Grundlage eines schlüssigen Vortrags der Partei, die sich auf die Urkunde bezieht, anordnen. § 142 ZPO gibt dem Gericht nicht die Befugnis, unabhängig von einem schlüssigen Vortrag zum Zwecke der Informationsgewinnung Urkunden anzufordern (BT-Drucks. 14/6036, S. 120 f.).

Aus den bereits dargelegten Gründen wäre mit der Anordnung, die Ausschreibungsanlagen für die Kompostieranlagen in B3x D3xxxxx vorzulegen, eine unzulässige Ausforschung der Beklagten gegeben, weil es an einem konkreten Vorbringen zum Verletzungstatbestand fehlt.

Eine andere Betrachtung ist hier nicht durch Art. 43 des Übereinkommens über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums vom 15. April 1994 (TRIPS, vgl. BGBl. 1994 II, S. 1730) geboten. Hierbei kann dahingestellt bleiben, ob das genannte Übereinkommen infolge seiner Ratifizierung als unmittelbar anwendbares nationales Verfahrensrecht gilt (so wohl Mes, Kommentar zum Patent-/Gebrauchsmustergesetz, § 139 PatG Rdnr. 65) oder aber lediglich als Auslegungsmaßstab für das nationale Verfahrensrecht heranzuziehen ist (so: Krieger, GRUR Int. 1997, 421, 425).

Art. 43 TRIPS beinhaltet nämlich keine Erleichterung oder gar Umkehrung der Darlegungslast. Vielmehr sieht die genannte Bestimmung vor, dass dann, wenn eine in Beweisnot befindliche Partei alle vernünftigerweise verfügbaren Beweismittel zur hinreichenden Begründung ihrer Ansprüche vorgelegt hat, das Verletzungsgericht anordnen kann, dass von der Partei bezeichnete rechtserhebliche Beweismittel, die sich in der Verfügungsgewalt der gegnerischen Partei befinden, von dieser vorgelegt werden. Hierfür ist zu fordern, dass der Kläger zwar nicht den vollen Beweis, wohl aber den Beweis für eine an die Schwelle des ersten Anscheins heranreichende Wahrscheinlichkeit der Schutzrechtsverletzung führt (Krieger, a.a.O., 426; vgl. König Mitt. 2002, 153, 154, 156, der wohl ebenfalls zumindest einen gewissen Grad an Wahrscheinlichkeit für erforderlich hält).

Dies ist vorliegend im Hinblick auf den von der Klägerin zur Verletzung der Merkmale 4 und 5 des Klagepatentes nur unzureichend spezifizierten Sachvortrag nicht der Fall. Weder dem Vortrag der Klägerin noch anhand der vorgelegten Unterlagen ergeben sich Anhaltspunkte dafür, dass ein zielgerichteter Abbruch der Kompostierung bei der angegriffenen Ausführungsform erfolgt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 709, 108 ZPO.

Der Streitwert beträgt 1.022.583,7 EUR.

Dr. G3xxxxxxx
K3xxxxx
Dr. C1xxxxxxxx