4a O 232/01 – Stangenschubvorrichtung

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 88

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 3. September 2002, Az. 4a O 232/01

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

III.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 7.000,- EUR vorläufig vollstreckbar. Die Sicherheit kann auch durch die unbedingte Bürgschaft einer in Deutschland ansässigen, als Zoll- und Steuerbürgin zugelassenen Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand:

Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patentes 0 781 615 und Verletzung des deutschen Gebrauchsmusters 296 23 822 auf Unterlassung, Auskunftserteilung, Rechnungslegung und Schadensersatz in Anspruch.

Das unter anderem mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilte europäische Patent 0 781 615 (Anlage K 2, Übersetzung Anlage K 3, im Folgenden: Klagepatent), das die Bezeichnung „Stangenschubvorrichtung, insbesondere für dünne Stangen in automatischen Zuführvorrichtungen“ trägt und als dessen Inhaberin die Klägerin eingetragen ist, wurde am 17. Dezember 1996 angemeldet. Die Anmeldung wurde 2. Juli 1997 erstmalig veröffentlicht. Die Bekanntmachung des Hinweises auf die Patenterteilung beim Europäischen Patentamt (EPA) erfolgte am 19. April 2000.

Das deutsche Gebrauchsmuster 296 23 822 (Anlage K 1, im folgenden: Klagegebrauchsmuster), welches aus der dem europäischen Patent zugrundeliegenden Anmeldung abgezweigt wurde und eine Vorrichtung zur Zuführung von Stangen in Drehautomaten betrifft, wurde am 17. Dezember 1996, unter Inanspruchnahme der Priorität des europäischen Patentes, angemeldet und am 20. April 2000 in die Gebrauchsmusterrolle eingetragen.

Der Patentanspruch 1 des Klagepatentes lautet wie folgt:

Vorrichtung zum Vorwärtsbewegen von Stäben, insbesondere von dünnen Stäben, in automatischen Beschickungsanordnungen, welche mit einem Ladesystem (18) für eine Vielzahl von Stäben (17), einem Mechanismus zum einzelnen Abgeben dieser Stäbe vom System (18) auf Tragelementen (22, 23) und mit einem Stabschieber (39) ausgestattet sind, der mit einer zur Aufnahme des hinteren Endes eines abgegebenen Stabes bestimmten Hülse versehen ist,

dadurch gekennzeichnet, dass die Vorrichtung die folgenden Bestandteile aufweist: Führungsmittel (4, 5), auf denen die Tragelemente (22, 23) für einen vom System (18) abgegebenen Stab (17) sowie ein mit Greifelementen (11, 14) für den Stab ausgestatteter Tragschlitten (56) gleitbeweglich angebracht sind, wobei der Tragschlitten (6) zwischen einer Ausgangsposition, in der die Greifelemente (11, 14) so betätigt sind, dass sie einen auf den Tragelementen (22, 23) abgelegten Stab (17) ergreifen, und einer Endposition, in der der Stab (17) von den Greifelementen (11, 14) freigegeben wird, nachdem der Stab in die Hülse des Stabschiebers eingeführt und der Stab in der Spindel einer automatischen Drehmaschine gehaltert wurde, hin- und herbewegen kann, wobei der Stabschieber (39) so angebracht ist, dass er sich parallel zu einer Achse bewegt; sowie Mittel zum Anhalten und zum Bewegen des Stabschiebers (39) nach dem Tragschlitten (6) zwischen einer ausgestellten Position und einer Position, in der er sich in paralleler Ausrichtung zum auf den Tragschlitten abgelegten Stab befindet, wenn der Tragschlitten seine Endposition erreicht hat.

Der Schutzanspruch 1 des Klagegebrauchsmusters hat folgenden Wortlaut:

Vorrichtung zur Zuführung von Stangen (17) in Drehautomaten, welche Vorrichtung ein Stangenmagazin (18) mit einer Einrichtung zur vereinzelten Freigabe der Stangen und mit einem Greifer versehenen Schieber (39) aufweist, wobei der Greifer geeignet ist, das hintere Ende einer von der Einrichtung freigegebenen Stange zu ergreifen,

dadurch gekennzeichnet, dass die Vorrichtung Führungsmittel (4, 5) für einen Schlitten (6) aufweist, auf welchem Greifelemente (11, 14) zum Erfassen einer von der Einrichtung freigegebenen Stange (17) angeordnet sind und welcher zwischen einer Anfangsstellung und einer Endstellung bewegbar ist, wobei in der Anfangsstellung die Greifelemente (11, 14) eine freigegebene Stange (17) erfassen und in der Endstellung die Greifelemente (11, 14) die Stange (17) in der Spindel eines Drehautomaten frei geben, und weiterhin dadurch gekennzeichnet, dass Mittel (41 – 43) vorgesehen sind, die den Schieber (39) parallel zu seiner eigenen Achse und zwischen einer mit einer der Stange nicht fluchtenden und einer mit der Stange fluchtenden Stellung bewegen, und Mittel (19-21) vorgesehen sind, die in der mit der Stange (17) fluchtenden Stellung eine zwischen Schieber (39) und Schlitten (6) relative Bewegung erzeugen, um das hintere Ende der Stange (17) mit dem Greifer zu ergreifen, wonach die Stange von den Greifelementen (11, 14) freigegeben wird und vom Schieber (39) in die Spindel des Drehautomaten eingeschoben wird.

Die nachfolgenden, verkleinert wiedergegebenen Zeichnungen stammen aus dem Klagepatent und zeigen in Figur 1 eine schematische Vorderansicht der erfindungsgemäßen Vorrichtung und in Figur 2 eine Aufsicht auf die Vorrichtung gemäß Figur 1. Figuren 3 bis 5 zeigen eine konkrete Darstellung der Behandlung der Stangen, die dem Drehautomaten zugeführt werden aus unterschiedlichen Perspektiven.

Die in der Schweiz ansässige Beklagte bietet an und vertreibt in der Bundesrepublik Deutschland eine Stangenschubvorrichtung „L1x H2xxxxxx-E1xxxxx 23x“. Die Klägerin hat einen Prospekt und Photographien der Vorrichtung zu den Akten gereicht, auf welche wegen der genauen Darstellung der Vorrichtung Bezug genommen wird (vgl. Anlage K 11 und Anlagenkonvolut K 12 / 1-8).

Mit patentanwaltlichem Schreiben vom 2. Oktober 2000 (vgl. Anlage K 14) hat die Klägerin die Beklagte wegen Verletzung der Klageschutzrechte abgemahnt. Die Patentanwälte der Beklagten haben mit Schreiben vom 4. Dezember 2000 (vgl. Anlage K 15) die Abgabe der geforderten strafbewehrten Unterlassungserklärung abgelehnt.

Mit der vorliegenden Klage nimmt die Klägerin, die im Angebot und dem Vertrieb der Vorrichtung eine Verletzung der Klageschutzrechte sieht, die Beklagte in Anspruch.

Sie behauptet, die von der Beklagten angebotene und vertriebene Stangenschubvorrichtung verwirkliche sämtliche Merkmale der Ansprüche 1 des Klagepatentes und des Klagegebrauchsmusters, und zwar mit wortlautgemäßen, jedenfalls aber mit patentrechtlich äquivalenten Mitteln. Vom Wortlaut des Patentanspruchs 1 des Klagepatentes weiche die angegriffene Ausführungsform allenfalls insoweit ab, als bei ihr Tragelemente die Ebene S des Schlittens und der Führungskanal seien. Im Sinne des Klagepatentes sei von diesen beiden Tragelementen eines, die Ebene S, die auf dem Schlitten angeordnet ist, auf den Führungsmitteln beweglich. Das zweite Tragelement, der Führungskanal sei dies nicht.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen,

I. 1.

es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000,- DM – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, zu unterlassen,

a) Vorrichtungen zur Zuführung von Stangen in Drehautomaten, welche Vorrichtung ein Stangenmagazin mit einer Einrichtung zur vereinzelten Freigabe der Stangen und einen mit einem Greifer versehenen Schieber aufweist, wobei der Greifer geeignet ist, das hintere Ende einer von der Einrichtung freigegebenen Stange, die nach der Freigabe aus der Einrichtung vom Führungskanal und dem zwischen den Greifelementen befindlichen Teil gestützt wird, zu ergreifen,

anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen, bei denen

die Vorrichtung Führungsmittel für einen Schlitten aufweist, auf welchem Greifelemente zum Erfassen einer Stange angeordnet sind und welcher zwischen einer Anfangsstellung und einer Endstellung bewegbar ist, wobei in einer Anfangsstellung die Greifelemente eine freigegebene Stange erfassen und in der Endstellung die Greifelemente die Stange in der Spindel eines Drehautomaten freigeben, und weiterhin Mittel vorgesehen sind, die den Schieber parallel zu seiner eigenen Achse und zwischen einer mit der Stange nicht fluchtenden und einer mit der Stange axial fluchtenden Stellung bewegen, und weitere Mittel vorgesehen sind, die in der mit der Stange fluchtenden Stellung eine zwischen Schieber und Schlitten relative Bewegung erzeugen, um das hintere Ende der Stange mit dem Greifer zu ergreifen, wonach die Stange von den Greifelementen freigegeben wird und vom Schieber in die Spindel des Drehautomaten eingeschoben wird;

b) und/oder

Vorrichtungen zum Vorwärtsbewegen von Stäben, insbesondere von dünnen Stäben, in automatischen Beschickungsanordnungen, welche mit einem Ladesystem für eine Vielzahl von Stäben, einem Mechanismus zum einzelnen Abgeben dieser Stäbe vom System auf Tragelemente und mit einem Stabschieber ausgestattet sind, der mit einer zur Aufnahme des hinteren Endes eines abgegebenen Stabes bestimmten Hülse versehen ist,

anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen, bei denen

die Vorrichtung die folgenden Bestandteile aufweist: ein Führungskanal, auf dem ein vom System abgegebener Stab lagert; Führungsmittel, auf denen ein mit Greifelementen für den Stab ausgestatteter Tragschlitten, auf dem ein vom System abgegebener Stab lagert, gleitbeweglich angebracht ist, wobei der Tragschlitten zwischen einer Ausgangsposition, in der die Greifelemente so betätigt sind, dass sie einen auf den Tragelementen abgelegten Stab ergreifen, und einer Endposition, in der der Stab von den Greifelementen freigegeben wird, nachdem der Stab in die Hülse des Stabschiebers eingeführt und der Stab in der Spindel einer automatischen Drehmaschine gehaltert wurde, hin- und herbewegt werden kann, wobei der Stabschieber so angebracht ist, dass er sich parallel zu seiner Achse bewegt; sowie Mittel zum Anhalten und zum Bewegen des Stabschiebers nach dem Tragschlitten zwischen einer ausgestellten Position und einer Position, in der er sich in paralleler Ausrichtung zum auf den Tragelementen abgelegten Stab befindet, wenn der Tragschlitten seine Endposition erreicht hat;

2.

der Klägerin Rechnung darüber zu legen, in welchem Umfang die Beklagte die zu I.1. a) und b) bezeichneten Handlungen seit dem 20. Mai 2000 begangen hat, und zwar unter Angabe

a) der Herstellungsmengen und -zeiten,

b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen unter Einschluss von Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer,

c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

II.

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die unter Ziffer I.1. a) und b) bezeichneten, seit dem 20. Mai 2000 begangenen Handlungen entstanden ist oder noch entstehen wird.

Die Beklagte beantragt,

zu erkennen, wie geschehen.

Sie stellt eine Verletzung des Klagepatentes in Abrede.

Die Beklagte ist weiterhin der Ansicht, dass die Klägerin keine Rechte aus dem Klagegebrauchsmuster herleiten könne. Die Abzweigung des Klagegebrauchsmusters aus dem Klagepatent sei unzulässig, da sich das Klagegebrauchsmuster nicht auf dieselbe Erfindung beziehe wie das Klagepatent. Insoweit komme eine Vorverlegung des Anmeldetages des Klagegebrauchsmusters vor dessen Einreichungstag am 14. Juni 1999 nicht in Betracht. Der Beklagten stehe demgegenüber ein Vorbenutzungsrecht zu. Sie habe bereits im Juli 1996 einen Prototypen der angegriffenen Ausführungsform angefertigt und daraufhin die Serienproduktion und den Vertrieb in der Bundesrepublik Deutschland begonnen. Diese Vorrichtungen entsprächen der angegriffenen Ausführungsform.

Darüber hinaus sei das Klagegebrauchsmuster nicht schutzfähig. Es fehle an einem erfinderischen Schritt; auch stehe das Vorbenutzungsrecht der Beklagten entgegen.

Die Klägerin tritt diesem Vorbringen entgegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Der Klägerin stehen die gegen die Beklagte geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Rechnungslegung, Auskunftserteilung und Schadensersatz gemäß §§ 9, 14, 139 Abs. 1 und Abs. 2, 140 b Abs. 1 und Abs. 2 PatG, §§ 11, 12 a, 24 Abs. 1 und Abs. 2, 24a Abs.1, 24b Abs. 1 und Abs. 2 GebrMG, §§ 242 und 259 BGB nicht zu, da die Beklagte das Klagepatent nicht verletzt (A.) und das Klagegebrauchsmuster (B.) nicht schutzfähig ist.

A.

Klagepatent EP 0 781 615

I.

Das Klagepatent betrifft eine Vorrichtung zum Vorwärtsbewegen von Stäben, insbesondere von dünnen Stäben, in automatischen Beschickungsanordnungen. Automatische Zuführvorrichtungen dienen dazu, in Drehmaschinen zu bearbeitende Stangen, insbesondere dünne Stangen, automatisch diesen Drehmaschinen zuzuführen. Eine in der Vergangenheit durchgeführte manuelle Zuführung von Stangen war wenig produktiv und anfällig für Betriebsstörungen.

Das Klagepatent führt in seiner Einleitung zum Stand der Technik die europäische Patentschrift 0 587 248 an (Anlage K 5, deutsche Übersetzung Anlage B 1), die eine Beschickungsvorrichtung betrifft, welche mit einem Ladesystem für eine Vielzahl von Stäben versehen ist, einem Mechanismus zum einzelnen Abgeben dieser Stäbe vom System auf Tragelemente und mit einem Stabschieber ausgestattet ist, der mit einer zur Aufnahme des hinteren Endes abgebenden Stabes bestimmten Hülse versehen ist. Bei Betätigung der Vorrichtung werden Stäbe von Gleitrutschen 16 durch Hebeelemente 22 heruntergehoben und durch Absenken der Hebeelemente 22 auf den axialen Gleitführungen 20‘, 20 abgelegt. Schubmittel 37, 38 führen die Stäbe dann in zwei Schritten der Werkzeugmaschine 14 zu. Dazu wird zunächst das Schubmittel 37 aktiviert. Es schiebt den Stab 13, 15 so weit in Richtung auf die Werkzeugmaschine 14, bis der Anfang des Schubmittels die in der Figur 1 als 37‘ gekennzeichnete Position erreicht hat. Da das Schubmittel 37 über die gesamte Länge der Gleitführungen 20‘ hinüberragen muss, um schließlich die Position 37‘ einnehmen zu können, muss es eine entsprechende Längserstreckung aufweisen. In einem zweiten Schritt übernimmt das Schubmittel 38 den Vorschub des Stabes 13, 15. Hierzu werden zunächst dessen Gleitführungen 30 derart verschwenkt, dass das Schubmittel 38 hinter dem Stab 13, 15 angeordnet ist. Mit der Hülle 42 wird dann das Ende des Stabes 13, 15 ergriffen und das Schubmittel 38 schiebt den Stab 13, 15 in die Werkzeugmaschine 14. Das Klagepatent bemängelt an dieser Vorrichtung die übermäßige Längendimensionierung und die Schwierigkeiten beim Vorwärtsbewegen von Stäben mit sehr kleinen Durchmessern von etwa 1 bis 2 mm (Anlage K 3, Spalte 1 Zeilen 12 bis 15).

Weiteren Stand der Technik, der im Erteilungsverfahren geprüft wurde, stellt die europäische Patentschrift 0 364 656 (Anlage K 4, deutsche Übersetzung Anlage B 2) dar. Auch diese betrifft eine Einrichtung zum Zuführen von Stangenmaterial in Längsrichtung, während das Material um seine Längsachse rotiert. Die technische Lehre hat einerseits zum Ziel, den Raum längs der Schienen der Vorrichtung effizient auszunutzen. Andererseits sollen Beschädigungen der Stangen, wie sie aus fixiert angeordneten Gleitführungen bekannt sind, verhindert werden. Dies soll erreicht werden durch beweglich angeordnete Stützelemente mit Gehäusen, in denen die Stangen gestützt werden, wodurch auch der Zufuhrweg für das Stangenmaterial besser ausgenutzt werden kann.

Hiervon ausgehend liegt der Erfindung nach dem Klagepatent das technische Problem („die Aufgabe“) zugrunde, eine Vorrichtung zu beschreiben, welche die dargestellten, für herkömmliche Beschickungsanordnungen typischen Nachteile vermeidet.

Zur Lösung dieses Problems schlägt der Schutzanspruch 1 des Klagepatentes eine Vorrichtung zum Vorwärtsbewegen von Stäben, insbesondere von dünnen Stäben, in automatischen Beschickungsanordnungen vor, welche

I. mit einem Ladesystem (18) für eine Vielzahl von Stäben (17),

II. einem Mechanismus zum einzelnen Abgeben dieser Stäbe vom System (18) auf Tragelementen, und

III. mit einem Stabschieber (39) ausgestattet ist, der mit einer zur Aufnahme des hinteren Endes eines abgebenden Stabes bestimmten Hülse versehen ist;

IV. die Vorrichtung weist folgende Bestandteile auf: Führungsmittel (4, 5), auf denen

a) die Tragelemente (22, 23) für einen vom System (18) abgegebenen Stab (17) sowie

b) ein mit Greifelementen (11, 14) für den Stab ausgestatteter Tragschlitten (6)

gleitbeweglich angebracht sind, wobei

V. der Tragschlitten

a) in einer Ausgangsposition, in der die Greifelemente (11, 14) so betätigt sind, dass sie einen auf den Tragelementen (22, 23) abgelegten Stab (17) ergreifen, und

b) in einer Endposition, in der der Stab (17) von den Greifelementen (11, 14) freigegeben wird, nachdem der Stab in die Hülse des Stabschiebers (39) eingeführt und der Stab in der Spindel einer automatischen Drehmaschine gehaltert wurde,

hin- und herbewegt werden kann, wobei

VI. der Stabschieber (39) so angebracht ist, dass er sich parallel zu seiner Achse bewegt, sowie

VII. Mittel zum Anhalten und zum Bewegen des Stabschiebers (39) nach dem Tragschlitten (6) zwischen einer ausgestellten Position und einer Position, in der er sich in paralleler Ausrichtung zum auf den Tragelementen abgelegten Stab befindet, wenn der Tragschlitten seine Endposition erreicht hat.

Die erfindungsgemäße Vorrichtung ist damit in ihrer Längendimensionierung kürzer und auf Grund der Anordnung der einzelnen Elemente auch zum Vorwärtsbewegen von Stäben mit einem kleinen Durchmesser geeignet.

II.

Mit der angegriffenen Ausführungsform macht die Beklagte von der technischen Lehre des Klagepatentes keinen Gebrauch.

Entgegen der Ansicht der Klägerin verwirklicht die angegriffene Ausführungsform das Merkmals IV. a) des Klagepatentes nicht.

Nach dem Merkmal IV. a) soll die Vorrichtung zum Vorwärtsbewegen von Stäben in automatischen Beschickungsanordnungen Führungsmittel aufweisen, auf denen – neben einem mit Greifelementen für den Stab ausgestatteten Tragschlitten (Merkmal IV. b)) – die Tragelemente für einen vom System abgegebenen Stab gleitbeweglich angebracht sind. Die gleitbewegliche Ausgestaltung der Tragelemente für den vom System angegebenen Stab trägt zum einen dazu bei, die übermäßigen Längendimensionierungen – wie mit der technischen Lehre angestrebt – der aus dem Stand der Technik bekannten Beschickungsanordnungen zu vermeiden. Denn während bei der aus der EP 0 587 248 bekannten Vorrichtung das Schub- und Greifmittel 37, das den Stab auf den Gleitführungen 20, 20‘ so weit in Richtung auf die Werkzeugmaschine 14 schieben muss, bis es die Position 37‘ erreicht, was eine entsprechende Verlängerung der Gesamtvorrichtung mindestens entsprechend der Länge des ersten Abschnitts 11 der Vorrichtung bedingt (vgl. Anlage K 5, Figuren 1 und 6), wird die Länge der erfindungsgemäßen Vorrichtung auf Grund der Beweglichkeit sowohl der Tragelemente als auch des mit Greifelementen ausgestatteten Tragschlittens im Wesentlichen allein an der Länge der vorwärts zu bewegenden Stangen ausgerichtet. Dies zeigt sich beispielsweise an der in der Beschreibung der Klagepatentschrift erwähnten und in den Figuren der Klagepatentschrift gezeigten Ausführungsform, bei der die Tragelemente (22, 23) zusammengeschoben werden, wenn sich der Tragschlitten 6 von seiner Ausgangsposition, in der die Greifelemente (11, 14) den auf den Tragelementen (22, 23) abgelegten Stab (17) ergreifen, nach links in Richtung auf seine Endposition bewegen, in der der Stab von den Greifelementen (11, 14) wieder freigegeben wird (vgl. Anlage K 3, Seite 4 f.).

Der Vorteil hingegen, dass der Abstand der Tragelemente an die Länge der zu verarbeitenden Stäbe angepasst werden kann, ist nicht allein auf die Beweglichkeit der Tragelemente (22, 23) zurückzuführen und daher für die Funktionsbestimmung des Merkmals unbeachtlich. Dieser Vorteil beruht bei einer bevorzugten Ausführungsform darauf, dass die Tragelemente (22) mit Zugstangen verbunden sind (vgl. Anlage K 3, Seite 5, Absatz 3). Zugstangen sind bei der in Anspruch 1 geschützten Lehre jedoch nicht vorhanden.

Für einen Durchschnittsfachmann ist ohne weiteres zu erkennen, dass es die in Merkmal IV. beschriebenen Führungsmittel ermöglichen, die Länge der patentgemäßen Vorrichtung dahingehend zu verringern, dass die Länge der Vorrichtung nur noch durch die Länge der zu bearbeitenden Stäbe bestimmt wird, die auf den Tragelementen abgelegt werden. Die Vorschubelemente – Schlitten bzw. Stabschieber – können auf diese Weise kurz ausgebildet sein, da sie nicht über die Länge der Tragelemente hinweg reichen müssen, um den Stab zur weiteren Verarbeitung der Werkzeugmaschine zuzuführen. Vielmehr werden die Tragelemente im Wege der Vorwärtsbewegung des Stabes zusammengeschoben, so dass das Ende des Stabes mit kurzen Schubmitteln in Kontakt treten kann.

Die Beweglichkeit der Tragelemente beinhaltet weiterhin den Vorteil – wie der Fachmann aufgrund seines Fachwissens erkennt -, dass bei der Vorwärtsbewegung der Stäbe diese nicht über Gleitelemente hinweg geschoben werden müssen, wodurch Beschädigungen auftreten können und mehr Energie wegen des Verlustes derselben durch die Reibung aufgewandt werden muss. Die gleitbeweglichen Tragelemente unterstützen vielmehr die Bewegungsrichtung der Stäbe, insbesondere auch die Vorwärtsbewegung dünner Stäbe.

Entgegen der Ansicht der Klägerin wird das Erfordernis der gleitbeweglichen Tragelemente bei der angegriffenen Ausführungsform nicht durch den Führungskanal (10) und die Ebene „S“ des Schlittens (5) verwirklicht.

Die angegriffene Ausführungsform weist keine Führungsmittel, auf denen die Tragelemente gleitbeweglich angebracht sind, auf. Denn bei der angegriffenen Ausführungsform wird aus einem Ladesystem ein Stab unmittelbar in den Führungskanal verbracht. In Abhängigkeit von der Länge des Stabes reicht dieser mehr oder weniger aus dem Führungskanal hinaus. Die Stäbe sollen ausschließlich auf dem Führungskanal aufliegen, wie sich anhand der von der Beklagten überreichten Abbildung B der Anlage 6 und einer Photographie der angegriffenen Ausführungsform (vgl. Anlage B 7) ergibt. In einem nächsten Verfahrensschritt wird der Tragschlitten derart positioniert, dass die Greifelemente das Ende des Stabes ergreifen können. Daran anschließend fährt der Tragschlitten auf den Führungskanal zu. Dann kann ein Teil des Führungskanals derart verschwenkt werden, dass er mit dem Führungskanal für den Stab fluchtet. Die Hülse an dem Stabschieber ergreift nun das Ende des Stabes und der Stabschieber führt den Stab weiter über die gesamte Länge des Führungskanals in die Werkzeugmaschine ein. Im Gegensatz zu der patentgemäßen Lehre werden bei der angegriffenen Ausführungsform durch den Schlitten lediglich der Stab, nicht aber die Tragelemente, bewegt.

Die angegriffene Ausführungsform weist daher als Tragelement einen aus vier Abschnitten bestehenden Führungskanal auf. Als bewegliches Element dient der Tragschlitten; auf diesem liegt ein aus der Separiervorrichtung für Stäbe abgegebener Stab jedoch nicht auf. Zwar hat die Klägerin ausgeführt, dass sich der Stab auf Grund des Verbiegens oder der Kürze jedenfalls bei bestimmten Dimensionierungen so durchbiege, dass er auch auf der Ebene „S“ aufgelegt würde und diese sei gleitbeweglich. Darauf kommt es jedoch nicht an. Für einen Durchschnittsfachmann ist erkennbar, dass dies nicht die von der Vorrichtung vorgesehene Anordnung für einen Stab ist. Es ist für einen Durchschnittsfachmann offensichtlich, dass es bei einer solchen Anordnung zu Betriebsstörungen kommt, denn ein Stab, der auf die von der Klägerin behaupteten Weise auf dem Führungskanal bzw. der Ebene S des Tragschlittens zum Liegen kommt, kann nicht ordnungsgemäß in eine Spindel verbracht werden. Die Hülse kann das Ende des Stabes nicht gerade fassen. Eine ordnungsgemäße Bearbeitung des Stabes in der Drehmaschine ist durch die Schrägstellung nicht gewährleistet. Des weiteren kann ein solcher Stab bei einer Schräglage je nach Länge des Stabes zwischen die Abschnitte des Führungskanals gelangen und so die ordnungsgemäße Funktionsweise der Vorrichtung blockieren.

Letztlich wäre ein Aufliegen des Stabes selbst für eine Verletzung unerheblich. Die Tragelemente haben erfindungsgemäß zum einen die Funktion, den vom System abgegebenen Stab aufzunehmen und zum anderen – unter Mitwirkung des mit den Greifelementen ausgestatteten Tragschlittens – den Stab von der in Merkmal V. a) beschriebenen Ausgangsposition zu der in Merkmal V. b) genannten Endposition zu transportieren. Gleitbeweglich müssen die Tragelemente allein im Hinblick auf die Transportfunktion sein. Für die Aufnahmefunktion ist dies ohne Bedeutung. Es ist daher unerheblich, ob Stäbe auf der Ebene „S“ des Schlittens aufgelegt werden, wenn sie aus dem Magazin nachgeladen werden; sie liegen jedenfalls dort nicht mehr auf, wenn sie von dieser Ausgangsposition weg bewegt werden, da sie zuvor von den auf dem Schlitten der angegriffenen Ausführungsform oberhalb der Ebene „S“ angeordneten Greifelementen gegriffen werden. Nach dem Wortlaut des Merkmals IV. ist es jedoch nicht vorgesehen, dass das gleitbewegliche Greifelement zugleich das gleitbewegliche Tragelement ist.

Entgegen der Ansicht der Klägerin stellen die gleitbeweglichen Tragelemente kein unwichtiges Merkmal dar. Zwar ist es wesentlich, dass die Stäbe überhaupt transportiert werden. Gerade die gleitbeweglich angeordneten Tragelemente ermöglichen die Lösung der dem Klagepatent zugrunde liegenden Aufgabe einer übermäßigen Längendimensionierung der Vorrichtung entgegenzuwirken und gleichzeitig die nach dem Stand der Technik bekannten Schwierigkeiten beim Vorwärtsbewegen von Stäben mit kleinem Durchmesser zu vermeiden. Die Verringerung der Längenmaße wird dadurch erreicht, dass die Tragelemente gleitbeweglich angeordnet sind, so dass die Greifelemente bzw. Stabschieber zur Zuführung der Stäbe in die automatische Drehmaschine nur eine kurze Strecke über die Greifelemente hinüber geführt werden müssen. Der Fachmann entnimmt dem Klagepatent auch, dass die Vorwärtsbewegung dünner Stäbe durch die Beweglichkeit der Tragelemente verbessert wird. Fixierte Tragelemente waren aus dem Stand der Technik bekannt. Diese hatten jedoch gerade den Nachteil, dass durch die Reibung der Stäbe auf den Trägern Verkantungen auftreten können und damit zu Betriebsstörungen führen können. Vor diesem Hintergrund stellt sich das Merkmal IV. a) als wesentlicher Teil der Erfindung dar.

Auch eine patentrechtlich äquivalente Verletzung des Patentes scheidet aus. Zwar umfaßt der Schutzbereich eines Patentes nach § 14 PatG nicht nur den wortlautgemäßen bzw. wortsinngemäßen (identischen) Gegenstand, sondern er schließt auch äquivalente (inhaltsgleiche) Ausführungsformen ein (vgl. hierzu BGH GRUR 1986, 803, 805 – Formstein; GRUR 1988, 896, 899 – Ionenanalyse; GRUR 1991, 436, 439 – Befestigungsvorrichtung II; GRUR 1994, 597, 599 f. – Zerlegvorrichtung für Baumstämme). Äquivalente (inhaltsgleiche) Mittel sind dabei solche, die den patentgemäßen Mitteln in ihrer technischen Funktion entsprechen und mit ihnen im wesentlichen gleichwirkend sind. Außerdem muss der Fachmann beim Studium der in den Patentansprüchen beschriebenen Erfindung die bei der angegriffenen Ausführungsform eingesetzten abgewandelten Mittel mit Hilfe seines Fachwissens auffinden können. Diese Voraussetzungen patentrechtlicher Äquivalenz liegen im Hinblick auf das Merkmal IV. a) nicht vor.

Der Austausch von gleitbeweglichen Tragelementen zur Stützung biegeempfindlicher dünner Stäbe durch einen nicht beweglichen Führungskanal und einen Tragschlitten stellt kein inhaltsgleiches Mittel dar, die den gleitbeweglichen Tragelementen in ihrer technischen Funktion entsprechen und mit ihnen im wesentlichen gleichwirkend sind.

Nach der Lehre des Klagepatentes sollen eine patentgemäße Vorrichtung die Längendimensionierung einer Beschickungsanordnung verringern und zugleich die Schwierigkeit beim Vorwärtsbewegen von Stäben mit sehr kleinen Durchmessern verringern, insbesondere sollen die Stangen gestützt werden, wo dies auf Grund der Biegeelastizität erforderlich ist, damit die Stangen gehalten werden und die Zuführung in die Spindel des Drehautomaten möglich wird, wenn sich der Schlitten in Hubrichtung bewegt.

Dieses Ziel wird durch die angegriffene Ausführungsform jedoch nicht mit Hilfe der Ebene S des Tragschlittens erreicht. Denn die Ebene S spielt bei der Zuführung der Stäbe in die Spindel des Drehautomaten keine Rolle. Die Stäbe werden lediglich durch den Führungskanal – der fixiert ist – gestützt und von den Greifelementen des Tragschlittens gehalten. Der lange Führungskanal ist weder dazu geeignet eine Reduzierung der Längendimensionierung der Vorrichtung zu erreichen noch die Stäbe durch eine eigene Beweglichkeit bei ihrer Einführung in den Drehautomaten zu unterstützen. Die angegriffene Ausführungsform löst daher die patentgemäße Aufgabe in keiner Weise.

Die Lösung, welche die angegriffene Ausführungsform gewählt hat, ist auch für einen Fachmann nicht auffindbar gewesen. Es ist nicht dargetan und auch nicht ersichtlich, aufgrund welcher an der erfindungsgemäßen Lehre ausgerichteter Überlegungen der Fachmann abweichend vom Wortlaut auf die Idee kommen konnte, das gleitbewegliche Tragelement durch das gleitbewegliche Greifelement zu ersetzen.

B.

Klagegebrauchsmuster 296 23 822

Eine Verletzung des Klagegebrauchsmusters liegt mangels Schutzfähigkeit des Klagegebrauchsmusters nicht vor.

I.

Das Klagegebrauchsmuster betrifft ebenso wie das Klagepatent eine Vorrichtung zum Vorwärtsbewegen von Stäben, insbesondere von dünnen Stäben, in automatisierten Beschickungsanordnungen. Ebenso wie dem Klagepatent liegt der Erfindung des Klagegebrauchsmusters das technische Problem („die Aufgabe“) zugrunde, eine Vorrichtung zu beschreiben, bei der die nach dem Stand der Technik bekannten Nachteile vermieden werden.

Zur Lösung des Problems schlägt das Klagegebrauchsmuster eine Vorrichtung zur Zuführung von Stangen (17) in Drehautomaten mit nachfolgenden Merkmalen vor:

1. Die Vorrichtung weist ein Stangenmagazin (18) mit einer Einrichtung zur vereinzelten Freigabe der Stangen und einen mit einem Greifer versehenen Schieber (39) auf;

2. der Greifer ist geeignet, das hintere Ende einer von der Einrichtung freigegebenen Stange zu ergreifen;

3. die Vorrichtung weist Führungsmittel (4, 5) für einen Schlitten (86) auf,

4. auf dem Schlitten sind Greifelemente (11, 14) zum Erfassen einer von der Einrichtung freigegebenen Stange (17) angeordnet,

5. der Schlitten ist zwischen einer Anfangsstellung und einer Endstellung bewegbar;

6. in der Anfangsstellung erfassen die Greifelemente (11, 14) die Stange (17) eine freigegebene Stange;

7. in der Endstellung geben die Greifelemente (11, 14) die Stange (17) in der Spindel eines Drehautomaten frei;

8. es sind Mittel (41 – 43) vorgesehen, die den Schieber (39) parallel zu seiner eigenen Achse und zwischen einer mit der Stange nicht fluchtenden und einer mit der Stange axial fluchtenden Stellung bewegen;

9. es sind weiter Mittel (19 – 21) vorgesehen, die in der mit der Stange (17) fluchtenden Stellung eine zwischen Schieber (39) und Schlitten (6) relative Bewegung erzeugen,

10. um das hintere Ende der Stange (17) mit dem Greifer zu ergreifen, wonach

11. die Stange von den Greifelementen (11, 14) freigegeben wird und vom Schieber (39) in die Spindel des Drehautomaten eingeschoben wird.

Der Schutzanspruch 1 des Klagegebrauchsmusters entspricht bis auf die Unterschiede, welche in der Übersetzung des Klagepatentes beruhen, im wesentlichen dem Schutzanspruch 1 des Klagepatentes. Da ein dem Merkmal IV. a) des Klagepatentes entsprechendes Merkmal in dem Schutzanspruch des Klagegebrauchsmusters nicht enthalten ist, verletzt die angegriffene Ausführungsform nach den vorstehenden Ausführungen unstreitig das Klagegebrauchsmuster.

II.

Die geltend gemachten Ansprüche stehen der Klägerin mangels Schutzfähigkeit des Klagegebrauchsmusters dennoch nicht zu. Die Abzweigung des Klagegebrauchsmusters nach § 5 GebrMG aus dem Klagepatent ist unzulässig. Das Klagegebrauchsmuster bezieht sich nicht auf dieselbe Erfindung. Eine Vorverlegung des Anmeldetages des Klagegebrauchsmusters vor dessen Einreichungstag am 14. Juni 1999 kommt daher nicht in Betracht. Ein etwaiger Schutzanspruch des Klagegebrauchsmusters bezogen auf den 14. Juni 1999 scheidet wegen der Vorbenutzung der angegriffenen Ausführungsform durch die Beklagte aus. Im Einzelnen:

1.

Nach § 5 GebrMG kann ein Anmelder eines Gebrauchsmusters für eine zulässige Abzweigung eines Gebrauchsmusters aus einem Patent den Patentanmeldetag beanspruchen, wenn er für dieselbe Erfindung bereits früher ein Patent nachgesucht hat. Wesentliche Voraussetzung ist, dass Gebrauchsmuster- und Patentanmeldung denselben Gegenstand haben, also inhaltlich übereinstimmen und dieselbe Erfindung betreffen.

In Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, was unter „dieselbe Erfindung“ zu verstehen ist. Nach einer Meinung in der Literatur muss es sich um eine wörtliche Übereinstimmung und damit um eine Unterlagenidentität handeln (Bühring, GebrMG 5. Aufl., § 5 GebrMG Rdnr. 17). Dies wird im wesentlichen mit Praktikabilitätsüberlegungen begründet. Nach einer weiten Auffassung (Benkhard/Schäfers, PatG 9. Aufl., § 5 GebrMG Rdnr. 4) sollen die zur Identitätsprüfung bei der Inanspruchnahme einer Priorität entwickelten Grundsätze gelten. Das BPatG vertritt demgegenüber eine vermittelnde Ansicht, wenn es überprüft, ob der Gegenstand in der früheren Anmeldung, wenn zwar nicht wortwörtlich, für den Fachmann jedoch ohne weiteres erkennbar offenbart ist (BPatG GRUR 1995, 486 f. – Scheibenzusammenbau; so auch Busse/Keukenschrijver, PatentG 5. Aufl., § 5 GebrMG, Rdnr. 11 und die Praxis des Deutschen Patent- und Markenamtes in: BlPMZ 1996, 389). Danach reicht es nicht aus, wenn sich der Gegenstand der Gebrauchsmusteranmeldung im Gesamtinhalt der Unterlagen der zugrunde liegenden Patentanmeldung lediglich wiederfinden lässt. Eine wirksame Abzweigung kann nur im Umfang dessen erfolgen, was bei Einreichung der Patentanmeldung mit dem erkennbaren Willen, dafür ein Patent zu beantragen, offenbart worden ist. Danach ist für die Bestimmung des Gegenstands der Patentanmeldung die Gesamtheit der Anmeldeunterlagen heranzuziehen. Abwandlungen sind eingeschlossen, wenn sie sich dem Fachmann bei aufmerksamer, an ihrem Sinn orientierten Betrachtung ohne weiteres erschließen, so dass er sie gewissermaßen in Gedanken gleich als zur Erfindung gehörend und daher mitbeansprucht liest (Busse/Keukenschrijver,a.a.O.). Eine solche Identität der Erfindungen liegt hier nicht vor.

Das Klagegebrauchsmuster enthält im Gegensatz zu Anspruch 1 der dem Klagepatent zugrunde liegenden Anmeldung (Anlage B 9) das Merkmal IV. a) – gleitbewegliche Tragelemente – nicht. Dieses Merkmal wurde in dem Klagegebrauchsmuster gestrichen. Bei den gleitbeweglichen Tragelementen handelt es sich jedoch, wie vorstehend ausgeführt, um eine wesentliche Anordnung zur Lösung der patentgemäßen Aufgabe – Reduzierung der Vorrichtungsdimensionierung und Verbesserung der Vorwärtsbewegung kleiner Stangen. Denn durch die gleitbewegliche Anordnung der Tragelemente wird die Verwendung von langgestreckten Schubmitteln, wie sie sich aus der Anlage K 5 ergeben, obsolet. Erst die erfindungsgemäße gleitbewegliche Anordnung von Tragelementen ermöglicht es durch deren sukzessives Zusammenschieben mittels eines Schlittens, einen auf den Tragelementen abgelegten Stab ohne große Dimensionierung vorwärts zu bewegen. Die Tragelemente dienen zudem einer verbesserten und genaueren Zuführung des Stabes in eine Werkzeugmaschine, was eine Verbesserung gegenüber dem vorbekannten Stand der Technik ist.

Aus dem Klagepatent lässt sich weder in seiner ursprünglichen Anmeldung noch in der veröffentlichten Form ein Hinweis darauf entnehmen, dass die erfindungsgemäße Lehre auch ohne die gleitbeweglichen Tragelemente zu verwirklichen ist. Da das Klagegebrauchsmuster dieses Merkmal nicht enthält, fehlt ihm ein wesentliches Lösungsmerkmal des Klagepatentes und betrifft insoweit eine andere Lösung des gestellten Problems bzw. eine unzureichende Lösung eines gestellten Problems, da durch das Klagegebrauchsmuster nunmehr keine Lösungsmöglichkeit für eine Führung des Stabes in die Drehmaschine vorgeschlagen ist, so dass wegen Fehlens dieses Merkmals eine unzulässige Abzweigung vorliegt. Dem abgezweigten Klagegebrauchsmuster kommt daher der für die frühere Patentanmeldung maßgebende Anmeldetag nicht zu.

2.

Ein Schutzanspruch bezüglich der Anmeldung des Klagegebrauchsmusters am 14. September 1999 besteht nicht, da der Beklagten gegenüber dem Klagegebrauchsmuster insoweit ein Vorbenutzungsrecht zusteht, §§ 13 Abs. 3 GebrMG, 12 PatG. Der Erwerb des Vorbenutzungsrechtes setzt voraus, dass sich der Vorbenutzer im Zeitpunkt der Anmeldung des Gebrauchsmusters im Erfindungsbesitz befunden, d.h. den durch die Raumform verkörperten Erfindungsgedanken derart erkannt hat, dass ihm die tatsächliche Ausführung der Erfindung, mithin die Nachbildung des durch die spätere Eintragung unter Schutz gestellten Musters möglich gewesen ist (RGZ GRUR 1929, 220 – farbige Papierbahnen I; BGH GRUR 1960, 546, 548 – Bierhahn; GRUR 1964, 491, 493 – Chloramphenicol; GRUR 1964, 673, 674 – Kasten für Fußabtrittsroste; Kammer Entsch. 1998, 28, 30; Busse/Keukenschrijver, a.a.O., § 12 PatG Rdnr. 15).

Die Beklagte hat dargelegt, dass die angegriffene Ausführungsform bereits auf der „EMO 1997“ in H1xxxxxx vom 10. September bis 17. September 1997 ausgestellt worden war. Dort wurde die Klägerin erstmalig auf die angegriffene Ausführungsform aufmerksam. Soweit die Klägerin den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform in der Bundesrepublik Deutschland mit Nichtwissen bestreitet, ist ein solches Bestreiten nicht zulässig, worauf die Beklagte hingewiesen hat. Eine Erklärung mit Nichtwissen ist nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind, § 138 Abs. 4 ZPO. Der Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform in der Bundesrepublik Deutschland war jedoch Gegenstand der eigenen Wahrnehmung der Klägerin. Die Beklagte hat nachvollziehbar dargelegt, dass der Klägerin die angegriffene Ausführungsform vor Einreichung des Klagegebrauchsmusters bekannt war. Bereits mit Schreiben vom 21. Oktober 1997 (Anlagekonvolut B 17, deutsche Übersetzung Anlagenkonvolut B 18) richtete die Klägerin eine Berechtigungsanfrage gestützt auf das Klagepatent an die Beklagte, wobei sie auf die Maschine „H2xxxxxx E1xxxxx 23x“ der Beklagten, welche auf der „EMO“ in H1xxxxxx ausgestellt war, Bezug nimmt. An das vorgenannte Schreiben schloss sich eine ausführliche Korrespondenz der Parteien an, die dazu führte, dass die Beklagte der Klägerin auf einer Messe am 5. Oktober 1998 erlaubte, die „H2xxxxxx E1xxxxx 23x“ zu besichtigen. Auf diese Besichtigung nimmt das Schreiben vom 28. September 1998 (Schreiben 2 des Anlagenkonvoluts B 17 und 18) Bezug. An diese Besichtigung schloss sich ein Schriftwechsel über eine etwaige Schutzrechtsverletzung durch die angegriffene Ausführungsform an. So wies der Patentanwalt der Klägerin die Beklagte mit Schreiben vom 15. Juni 1999 (Anlage B 12) auf eine mögliche Verletzung des Klagepatentes hin. Gegenstand der Auseinandersetzung war auch zum damaligen Zeitpunkt die Frage der Verletzung des Merkmals IV. a) des Klagepatentes. Den Verletzungsvorwurf hat die Klägerin daraufhin nicht mehr weiter verfolgt.

Das Klagegebrauchsmuster ist jedoch unabhängig davon, dass zugunsten der Beklagten ein Vorbenutzungsrecht besteht, auch nicht schutzfähig. Die vorveröffentlichte Klagepatentanmeldung ist für den Rechtsbestand des Klagegebrauchsmusters schädlich. Zum Zeitpunkt der Anmeldung des Klagegebrauchsmusters am 14. Juni 1999 bestand der Schutzanspruch des Klagepatentes schon. Gegenüber dem vorveröffentlichten Klagepatent beruht das Klagegebrauchsmuster daher nicht auf einem erfinderischen Schritt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 709, 108 ZPO.

Der Streitwert beträgt 255.645,94 EUR.

Dr. G2xxxxxxx
K2xxxxx
Dr. W2xxx