4a O 301/01 – Nockenwelle

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 93

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 9. Juli 2002, Az. 4a O 301/01

I.

Die Beklagte wird verurteilt,

1.

es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,– Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfalle bis zu insgesamt 2 Jahren, zu unterlassen,

Nockenwellen für Brennkraftmaschinen …

[weiter wie Bl. 4 [ ] , dann Bl. 6 – 8 [ ] ]

III.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

IV.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 512.000,– Euro vorläufig vollstreckbar.

Die Sicherheit kann auch durch die unbedingte und selbstschuldnerische Bürgschaft einer als Zoll- oder Steuerbürgin in anerkannten Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand:

Die Klägerin nimmt die Beklagte als eingetragene Inhaberin des deutschen Patents 40 17 239 (nachfolgend: Klagepatent) und des deutschen Gebrauchsmusters 91 17 286 (Klagegebrauchsmuster) auf Unterlassung, Rechnungslegung, Auskunftserteilung Entschädigungsleistung und Schadensersatz in Anspruch.

Das Klagepatent wurde am 29.5.1990 angemeldet. Die Offenlegung der Anmeldung erfolgte am 5.12.1991. Die Patenterteilung wurde am 30.9.1999 veröffentlicht.

Patentanspruch 1 des Klagepatents hat folgenden Wortlaut:

„Nockenwelle für Brennkraftmaschinen mit mindestens zwei Lagerscheiben (1) und mindestens drei Nocken (2, 2a, 2b), wobei die Lagerscheiben (1) einen bestimmten Abstand aufweisen und die Nocken (2, 2a, 2b) zwischen den Lagerscheiben (1) angeordnet sind, wobei die Nockenwelle mit den Lagerscheiben (1) und den Nocken (2, 2a, 2b) einstückig hergestellt ist, dadurch gekennzeichnet, dass drei Nocken (2, 2a, 2b) den Bereich zwischen den Lagerscheiben (1) lückenlos ausfüllen und miteinander und mit den Lagerscheiben (1) eine durchgehende Einheit bilden, die keine trennenden Einstiche aufweist und dass zwei Nocken (2a, 2b) Gaswechselventilnocken sind und ein Nocken (2) ein Einspritzpumpennocken einer Zylindereinheit ist.“

Die nachfolgend wiedergegebene Zeichnung stammt aus der Klagepatentschrift und zeigt eine Teilansicht der erfindungsgemäßen Nockenwelle mit zwei Lagerstellen und dazwischenliegenden Nocken für zwei Gaswechselventile und einen Einspritzpumpenplunger.

[mindesten ½ Seite freilassen]

Die Beklagte hat gegen das Klagepatent unter dem 20.12.1999 Einspruch beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) eingelegt, über den noch nicht entschieden worden ist.

Das Klagegebrauchsmuster wurde am 29.5.1991 angemeldet. Die Bekanntmachung der Eintragung erfolgte am 9.9.1999. Der Wortlaut von Schutzanspruch 1 stimmt mit dem Wortlaut von Anspruch 1 des Klagepatents überein. Auf das als Anlage 3 vorgelegte Klagegebrauchsmuster wird verwiesen. Die Beklagte hat unter dem 27.11.2001 vor dem DPMA die Feststellung der Unwirksamkeit des Klagegebrauchsmuster beantragt.

Die Beklagte, ein großer Automobilhersteller, stellt her und vertreibt im Rahmen der „900“-Baureihe einen 4- bzw. 6-Zylinder-Motor, über den sich der in der Motortechnischen Zeitschrift (MTZ) 57 (1996), Seite 74 unter dem Title „Die Konstruktionsmerkmale des neuen Nutzfahrzeug-Dieselmotors OM 904 LA …“ erschienene Beitrag verhält. Die Klägerin hat eine Ablichtung dieses Zeitschriftenbeitrags als Anlage 7 sowie Vergrößerungen der daraus stammenden Bilder 7 und 1, die die Einspritzanlage bzw. einen Längsschnitt durch den Motor zeigen, als Anlagen 8 und 9 vorgelegt. Die Klägerin hat außerdem – in dem unter dem Aktenzeichen 4a O 221/01 geführten Parallelrechtsstreit – ein Exemplar der in dem Motor eingebauten Nockenwelle als Anlage 10 sowie eine Fotografie, die einen Querschnitt durch die Nockenwelle des Motors zwischen den Laufflächen zweier Nocken zeigt, als Anlage 12 eingereicht. Die Beklagte hat eine technische Zeichnung als Anlage B 7 vorgelegt, die ebenfalls die Nockenwelle des Motors wiedergibt. Die Anlage 12 und B 7 werden nachfolgend wiedergegeben:

[zwei ganze Seiten freilassen]

Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Nockenwelle der Beklagten der Lehre des Klagepatents unterliegt und nimmt diese deshalb wegen Verletzung des Klagepatents in Anspruch.

Sie beantragt,

wie zuerkannt,

nachdem sie zunächst Rechnungslegung hinsichtlich der Angaben zu I. 2. (5) seit dem 9.10.1999 und die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung einer angemessenen Entschädigung für die zum Ziffer I 1 bezeichneten Handlungen bis zum 8.10.1999 und zum Schadensersatz für die zu Ziffer I 1 bezeichneten Handlungen seit dem 30.10.1999 beantragt hat.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

[Einrücken wie Bl. 32 GA [ ] ]

weiter hilfsweise,

[Einrücken wie Bl. 48 [ ] ]

äußerst hilfsweise

[Einrücken wie Bl. 48 [[ ]] ]

Sie stellt eine Verletzung des Klagepatents in Abrede. Zur Begründung führt sie aus, dass die Nocken der angegriffenen Ausführungsform den bereich zwischen den Lagerscheiben nicht lückenlos ausfüllen und auch keine durchgehende Einheit bilden. Vielmehr weise die Nockenwelle zwischen den einzelnen Nocken bzw. zwischen Nocken und Lagerscheiben Zwischenräume auf, die in der axialen Erstreckung etwa ein Drittel des Raumes zwischen den Lagerscheiben einnehmen und in der Tiefe unter den Grundkreis des Nockens reichten.

Hilfsweise sei die Verhandlung auszusetzen, weil der gegen das Klagepatent erhobene Einspruch mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Widerruf des Klagepatents und auch der gegen das Klagegebrauchsmuster erhobene Antrag auf Feststellung der Rechtsunwirksamkeit mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Erfolg führen werde.

Dem hilfsweise geltend gemachten Aussetzungsantrag tritt die Klägerin entgegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

I.

Das Klagepatent betrifft

1. eine Nockenwelle für Brennkraftmaschinen mit

1.1 mindestens zwei Lagerscheiben (1) und

1.2 mindestens drei Nocken (2, 2a, 2b);

2. die Lagerscheiben weisen einen bestimmten Abstand auf;

3. die Nocken (2, 2a, 2b) sind zwischen den Lagerscheiben (1) angeordnet;

4. die Nockenwelle ist mit den Lagerscheiben (1) und den Nocken (2, 2ay, 2b) einstückig hergestellt.

In der Beschreibung des Klagepatents wird erläuternd ausgeführt, dass in der DE-OS 32 42 762 eine Nockenwelle für Reiheneinspritzpumpen für Brennkraftmaschinen mit jeweils einer Lagerstelle an den beiden Enden der Nockenwelle beschrieben wird, bei der die üblichen Zwischenräume zwischen den einzelnen Nocken durch Verstärkungen ausgefüllt sind, die die Steifheit der Nockenwelle erhöhen sollen. Die Verstärkungen können als Verstärkungsscheiben ausgebildet sein oder als der Nockenkontur folgende Verstärkungsansätze. Weiterhin sind zwischen den Lagerstellen und dem jeweils nächstliegenden Nocken oder einem Verstärkungsansatz Übergangsabschnitte angeordnet. Zwischen den Verstärkungsscheiben und den einzelnen Nocken bzw. zwischen den Verstärkungsansätzen der einzelnen Nocken und zwischen den Lagerstellen und den Übergangsabschnitten sind schmale Einstiche auf einem Durchmesser, der kleiner als der Grundkreis des jeweiligen Nockens ist, vorgesehen. Diese Einstiche bedeuten eine Schwächung der Nockenwelle und einen zusätzlichen Bearbeitungsaufwand.

Die nachfolgend wiedergegebenen Zeichnungen stammen aus der DE-OS 32 42 762 und zeigen eine Einspritzpumpen-Nockenwelle, bei der zwischen mindestens zwei der Nocken (I, II, …, VI) und/oder Lagerstellen (2a, 2b) zur Verstärkung zentrisch oder der umlaufenden Nockenkontur folgende Verstärkungsscheiben (4a, 4b; 4a’, 4b’, 4c’) angeordnet sind. Die Übergänge von den Nocken zu den scheibenartigen Versteifungsbereichen sind, wie bei 3 gezeigt, als Einstiche, oder aber, wie bei 5 gezeigt, einer Radiuskontur folgend abgerundet ausgebildet:

[1 Seite freilassen]

In der Klagepatentschrift wird außerdem hervorgehoben, dass es bei Anwendung hoher Motordrehzahlen und hoher Einspritzdrücke erforderlich ist, dass die Nockenwellen, die Gaswechselventile und den Einspritzplunger betätigt, besonders steif ausgestaltet ist, um eine exakte Ventilsteuerung und einen exakten Einspritzverlauf zu realisieren.

Entsprechend liegt dem Klagepatent das Problem („die Aufgabe“) zugrunde, eine Nockenwelle zur Betätigung von Gaswechselventilen und Einspritzpumpenplungern zu schaffen, die sich durch große Steifheit und durch geringen Bearbeitungsaufwand auszeichnen.

Das soll durch folgende weitere Merkmale erreicht werden:

5. Drei Nocken (2, 2a, 2b)

5.1 füllen den Bereich zwischen den Lagerscheiben lückenlos aus und

5.2 bilden miteinander und mit den Lagerscheiben (1) eine durchgehende Einheit, die keine trennenden Einstiche aufweist;

6. zwei Nocken (2a, 2b) sind Gaswechselventilnocken;

7. ein Nocken (2) ist ein Einspritzpumpennocken einer Zylindereinheit.

Bei einer solchen Anordnung ist – wie in der Beschreibung weiter ausgeführt wird – eine maximal mögliche Steifheit der Nockenwelle mit einem geringen Bearbeitungsaufwand verbunden, weil die Einstiche zwischen den einzelnen Nocken fortfallen.

II.

Die Nockenwelle der Beklagten verwirklicht den Gegenstand von Anspruch 1 des Klagepatents. Dass die Merkmale 1 bis 4, 6 und 7 vorliegen ist zwischen den Parteien – zu Recht – unstreitig und bedarf daher keiner weiteren Erläuterungen. Verwirklicht ist darüber hinaus aber auch die Merkmalsgruppe 5.

Die Merkmale 5.1 und 5.2 sehen vor, die drei Nocken, mit denen den Gaswechselventilen und der Einspritzpumpe ein Betätigungsmoment erteilt wird, so auszugestalten, dass sie den Bereich zwischen den Lagerscheiben lückenlos ausfüllen und miteinander und mit den Lagerscheiben eine durchgehende Einheit bilden, die keine trennenden Einstiche aufweist.

Den Merkmalen kommt erfindungsgemäß die Funktion zu, die Nockenwelle so auszubilden, dass sie einerseits eine maximale Steifheit aufweist und andererseits mit geringem Bearbeitungsaufwand hergestellt werden kann. Die Nockenwelle, mit der bei Brennkraftmaschinen die Gaswechselventile und die Einspritzpumpenplunger betätigt werden, möglichst steif auszubilden, ist bei Anwendung hoher Motordrehzahlen und hoher Einspritzdrücke erforderlich um eine exakte Ventilsteuerung und einen exakten Einspritzverlauf zu realisieren (Sp. 1, Z. 39 ff.).

Die Lehre des Klagepatents hebt sich durch die Merkmale 5.1 und 5.2 von dem aus der DE-OS 32 42 762 bekannten Stand der Technik ab, aus dem eine Nockenwelle für Reiheneinspritzpumpen für Brennkraftmaschinen bekannt war, bei der im Bereich zwischen den Lagerstellen neben den Nocken und Verstärkungen, die als Verstärkungsscheiben oder der Nockenkontur folgende Verstärkungsansätze ausgebildet sein konnten, in Übergangsbereichen zwischen den Lagerstellen, den Nocken oder den Verstärkungen auch sogenannte schmale Einstiche angeordnet sein konnten. Diese schmalen Einstiche waren dadurch gekennzeichnet, dass sie einen Durchmesser aufwiesen, der kleiner als der Grundkreis des jeweiligen Nockens war. Die Außenflächen der Einstiche waren entweder so ausgebildet, dass sie parallel zur Wellchenachse verliefen oder aber einer Radiuskurve folgend abgerundet waren (Anlage K 5, S. 5, Abs. 1, letzter Satz; vgl. auch Seite 1, Anspruch 2).

Im Gegensatz zu diesem Stand der Technik ist in Merkmal 5.2 ausdrücklich vorgesehen, dass die drei Nocken miteinander und mit den Lagerscheiben eine durchgehende Einheit bilden, die keine trennenden Einstiche aufweist. Die aus dem Stand der Technik bekannte Ausgestaltung wird darüber hinaus auch durch das Merkmal ausgeschlossen, wonach die drei Nocken den Bereich zwischen den Lagerscheiben lückenlos – also ohne Einstiche – ausfüllen sollen. Durch Vermeidung der im Stand der Technik vorgesehenen Einstiche wird die erstrebte hohe Steifheit der Nockenwelle erreicht.

Das Erfordernis des lückenlosen Ausfüllens des Bereichs zwischen den Lagerscheiben bedeutet allerdings nicht, dass die Nocken mit ihren Lauf- oder Gleitflächen, die jeweils mit dem Stößel des Gaswechselventils bzw. der Einspritzpumpe in Berührung kommen, um diese zu betätigen, unmittelbar aneinandergrenzen müssen. Das ergibt sich bei Berücksichtigung der zweiten erfindungsgemäß angestrebten Funktion eines möglichst geringen Bearbeitungsaufwands, ohne dass dadurch das Ziel maximaler Steifheit aufgegeben oder eingeschränkt werden muss. In dem einzigen Ausführungsbeispiel, das der Beschreibung zu entnehmen ist, und von dem es heißt, dass es sich um eine erfindungsgemäße Nockenwelle handelt (Sp. 2, Z. 11 ff.), weist der in der einzigen Figur wiedergegebene Nockenwellenabschnitt zwischen zwei Lagerscheiben 1 einen Einspritzpumpennocken 2 sowie zwei Gaswechselventilnocken 2a und 2b auf. In der Beschreibung wird zwischen der Nockenbreite unterschieden, die durch die Stößelkonstruktion des Gaswechselventils bzw. durch die Höhe des Einspritzdrucks und die darauf folgende Breite der Rolle des Rollenstößels des Einspritzpumpennockens bedingt ist, und der sogenannten Bearbeitungsbreite. Die in der Zeichnung mit der Bezugsziffer 3 gekennzeichnete Bearbeitungsbreite ist größer als die Breite der Lauf- und Gleitfläche des Nockens gewählt. Die Oberfläche des Nockens weist also neben der Lauf- oder Gleitfläche sich zu deren beiden Seiten anschließende Übergangsbereiche auf. Lauf- und Gleitfläche und Übergangsbereiche bestimmen die Bearbeitungsbreite eines Nockens. Der Zeichnung ist zu entnehmen, dass die Lauf- und Gleitfläche gegenüber den Übergangsbereichen etwas hervortreten, um eine gratfreie spanabhebende Bearbeitung der Nocken zu ermöglichen. Ein gesondertes Einstechen zwischen den einzelnen Nocken bzw. zwischen Nocken und Lagerscheiben erübrigt sich dadurch. Die Steifheit der Nockenwelle wird durch eine solche Ausgestaltung erhöht und deren Bearbeitung vereinfacht, wie in der Klagepatentschrift ausgeführt wird. Die Bearbeitungsbreiten können darüber hinaus dadurch verkürzt werden, dass sich die Bearbeitungsbreiten benachbarter Nocken überlappen, was aber erst Gegenstand von Anspruch 4 des Klagepatents ist und deshalb hier nicht weiter von Interesse ist (vgl. Anlage 2, Sp. 2, Z. 30 ff.).

Die drei Nocken füllen den Bereich zwischen den Lagerscheiben also auch dann noch lückenlos aus und bilden miteinander und mit den Lagerscheiben eine durchgehende Einheit, die keine trennenden Einstiche aufweist, wenn die Nocken neben den Gleit- und Laufflächen seitliche Bearbeitungsbereiche aufweisen, deren radiale Erhebung hinter den Gleit- und Laufflächen nur unwesentlich zurückbleiben. Ein nur unwesentliches Zurückbleiben in diesem Sinne kann nicht mehr angenommen werden, wenn die Bearbeitungsbereiche als Einstiche ausgebildet sind, die – wie in der DE-OS 32 24 762 – einen Durchmesser aufweisen, der kleiner als der Grundkreis des jeweiligen Nockens ist und zwar unabhängig davon, ob die Übergänge parallel zur Wellenachse verlaufen oder einem Radius folgen – mithin abgerundet sind (vgl. DE-OS 32 24 762 (Anlage 5), S. 5; vgl. auch die Entscheidung der technischen Beschwerdekammer des EPA vom 13.3.2002 (Anlage 11), Rn. 3.1.1, Seite 12, Abs. 2). Ein solches unwesentliches Zurückbleiben ist aber zu bejahen, wenn die Übergangsbereiche der Nockenkontur folgen. Zwar lässt sich weder der Zeichnung noch der Beschreibung betreffend das einzige erfindungsgemäße Ausführungsbeispiel des Klagepatents entnehmen, ob die Übergangsbereiche, deren Erhebung gegenüber den Lauf- und Gleitflächen der Nocken etwas zurückfallen, der Nockenkontur folgend ausgebildet sind. Aus der Beschreibung ergibt sich jedoch, dass an dem aus der DE-OS 322 24 762 bekannten Nockenwelle allein die schmalen Einstiche als die erforderliche Steifheit der Nockenwelle beeinträchtigend angesehen werden, nicht aber die Verstärkungen, die die üblichen Zwischenräume zwischen den einzelnen Nocken ausfüllen und die als Verstärkungsscheiben oder als der Nockenkontur folgende Verstärkungsansätze ausgebildet sein können (vgl. Sp. 1, Z. 9 ff.). Entsprechend kann es der Verwirklichung der Merkmale 5.1 und 5.2 nicht entgegenstehen, wenn zwischen den Nocken bzw. zwischen den Nocken und den Lagerscheiben Übergangsbereiche angeordnet sind, die der Nockenkontur folgen.

Diese Auslegung wird durch die Entscheidung der technischen Beschwerdekammer des EPA vom 13.3.2002 betreffend das europäische Patent 0 459 466, das – nach dem von der Klägerin unbestrittenen Vortrag der Beklagten – die Priorität des Klagepatents in Anspruch nimmt und bei dem es sich um ein Parallelpatent handelt – bestätigt. Denn in den Entscheidungsgründen wird im Hinblick auf die Entgegenhaltung DE-OS 32 24 762 ausgeführt, dass die Übergänge – die in der Figur 1 dieser Druckschrift mit den Bezugsziffern 3 bzw. 5 gekennzeichnet sind – unabhängig davon, ob sie als abgerundete Einstiche aufzufassen sind oder als Übergänge, in keinem Fall den Nockenkonturen folgen und jeweils verhindern, dass die Nocken unmittelbar nebeneinander liegen (Anlage 11, Rn. 3.1.1, Seite 12, Abs. 2, letzter vollständiger Satz).

Die Klägerin hat als Anlage 12 eine Fotografie vorgelegt, die einen Querschnitt durch die beanstandete Nockenwelle zwischen den Laufflächen zweier Nocken zeigen soll. Die Kontur der Nockenwelle im Bereich des Schnittes ist nicht kreisförmig ausgebildet. Vielmehr folgt sie teils der einen und teils der anderen Nockenkontur, so dass sich kantige Übergänge ergeben. Die Beklagte ist diesen tatsächlichen Feststellungen der Klägerin nicht entgegengetreten. Sie werden bestätigt durch den als Anlage 10 von der Klägerin vorgelegten Nockenwellenabschnitt, von dem zwischen den Parteien feststeht, dass es sich um einen Teil der Nockenwelle der Beklagten handelt. Aus diesem Nockenwellenabschnitt ergibt sich zudem, dass die Bereiche zwischen den Laufflächen der Nocken und auch zwischen den Nocken und den Lagerscheiben nicht kreiszylinderförmig ausgebildet sind, sondern der Nockenkontur folgen. Da die Bereiche zwischen den Laufflächen zweier Nocken bzw. eines Nockens und einer Lagerscheibe nicht kreiszylinderförmig ausgebildet ist, weisen diese Bereiche auch keinen Durchmesser auf, der kleiner als der Grundkreis des jeweiligen Nockens ist (vgl. Anlage K 2, Sp. 1, Z. 21 ff.) und können deshalb nicht als Einstiche im Sinne von Merkmal 5.2 angesehen werden.

Die Nockenwelle der Beklagten verwirklicht daher auch die Merkmalsgruppe 5.

III.

1. Da die Beklagte den Gegenstand von Anspruch 1 des Klagepatents rechtswidrig benutzt hat, ist sie der Klägerin zur Unterlassung verpflichtet, § 139 Abs. 1 PatG.

2. Die Beklagten hat der Klägerin zudem Schadensersatz zu leisten, § 139 Abs. PatG. Denn als Fachunternehmen hätte sie die Patentverletzung bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt zumindest erkennen können, § 276 BGB. Da es hinreichend wahrscheinlich ist, dass der Klägerin durch die rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten ein Schaden entstanden ist, der von der Klägerin jedoch noch nicht beziffert werden kann, weil sie den Umfang der Verletzungshandlungen ohne ihr Verschulden nicht im Einzelnen kennt, ist ein rechtliches Interesse der Klägerin an der Feststellung der Schadensersatzverpflichtung anzuerkennen, § 256 ZPO.

3. Außerdem ist die Beklagte zur Rechnungslegung verpflichtet, §§ 242, 259 BGB. Denn die Klägerin ist auf die zuerkannten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt, und die Beklagte wird durch die von ihr verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet.

4. Die Beklagte hat der Klägerin schließlich nach § 140b PatG über Herkunft und Vertriebsweg der rechtsverletzenden Erzeugnisse Auskunft zu erteilen. Die nach Absatz 2 dieser Vorschrift geschuldeten Angaben sind in der Urteilsformel zu I.2 mit den Angaben zusammengefasst, die zum Zwecke der Rechnungslegung zu machen sind. Dem hilfsweise von der Beklagten geltend gemachten Wirtschaftsprüfervorbehalt kann nicht stattgegeben werden; die Beklagte hat nicht dargetan, dass die von der Klägerin geforderte Bezeichnung der Namen und Anschriften ihrer Abnehmer und Angebotsempfänger unverhältnismäßig ist, § 140b Abs. 1 i.F. PatG.

IV.

1. Zu einer nach § 148 ZPO möglichen Aussetzung der Verhandlung besteht keine hinreichende Veranlassung. Nach ständiger Rechtsprechung der Kammer (Mitteilung 1988, 91 – Nickel-Chrom-Legierung; BlPMZ 1995, 121 – Hepatitis B-Virus), die auch vom Oberlandesgericht Düsseldorf (GRUR 1979, 188 – Flachdachabläufe) und vom Bundesgerichtshof (GRUR 1987, 284 – Transportfahrzeug) gebilligt wird, stellen einen Einspruch gegen das Klagepatent oder die Erhebung einer Nichtigkeitsklage als solche noch keinen Grund dar, den Verletzungsrechtsstreit auszusetzen, da dies faktisch darauf hinaus laufen würde, dem Angriff auf das Klagepatent eine den Patentschutz hemmende Wirkung beizumessen, die dem Gesetz fremd ist (§ 58 Abs. 1 PatG). Die Interessen der Parteien sind vielmehr gegeneinander abzuwägen, wobei grundsätzlich dem Interesse des Patentinhabers an der Durchsetzung seines erteilten Patents Vorrang gebührt. Die Aussetzung kommt deshalb nur in Betracht, wenn mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein Widerruf oder eine Vernichtung des Klagepatents zu erwarten ist.

2. Derart hohe Erfolgsaussichten können dem von der Beklagten gegen das Klagepatent unter dem 20.12.1999 eingelegten Einspruch nicht zugemessen werden.

a) Die Beklagte beruft sich in Einspruchsbegründung zunächst auf eine offenkundige Vorbenutzung durch eine in Motoren des Typs 3100/3116 der C3xxxxxxxxx Inc. verwendete Nockenwelle, die den Gegenstand des Klagepatents neuheitsschädlich vorweg genommen habe. Zur Begründung nimmt sie Bezug auf die als Teil der Anlage D 6 überreichte Zeichnung 7C4016, die die Nockenwelle des genannten Motors von Caterpillar zeige. Die Nockenwelle weise Lagerscheiben, Einlassventilnocken, Auslassventilnocken und Einspritzpumpennocken auf. Zwischen zwei Lagerscheiben befänden sich jeweils drei Nocken, nämlich ein Einlassventil-Nocken, ein Einspritzpumpen-Nocken und ein Auslassventil-Nocken. Aus den Schnittdarstellungen F-F und E-E bzw. A und B der Zeichnung ergebe sich, dass die drei Nocken den Bereich zwischen den Lagerscheiben lückenlos ausfüllten und mit den Lagerscheiben eine durchgehende Einheit bilden, die keine trennenden Einstiche aufweise. Die Beklagte behauptet in der Einspruchsbegründung zur Offenkundigkeit der Vorbenutzung, dass eine größere Zahl von C3xxxxxxxxx-Motoren der Typen 3100 und 3116, in denen die in der Zeichnung 7C4016 gezeigte Nockenwelle eingebaut gewesen sei in den Jahren 1987 bis ca. 1989 gebaut und von der belgischen C3xxxxxxxxx S.A. verkauft worden sei. Motoren seien beispielsweise an die Firma E2xx in K2xx-Konen verkauft worden. Zum Beweis ihrer Behauptungen beruft sich die Beklagte im Einspruchsverfahren auf das Zeugnis von Herrn Marc W3xxxxx und eine eidesstattliche Versicherung („a3xxxxxxx“) von Herrn W3xxxxx vor. Die Beklagte hat in ihrer Einspruchserwiderung vom 25.8.2000 bestritten, dass die Zeichnung vor dem Anmeldetag des Klagepatents erstellt worden sei. Die Beklagte hat außerdem bestritten, dass eine offenkundige Vorbenutzung durch Lieferung eines oder mehrerer Motoren an die Firma E2xx erfolgt sei. Die technische Beschwerdekammer des EPA hat in ihrer Entscheidung vom 13.3.2002 das entsprechende Vorbringen der Beklagten als Einsprechende und Beschwerdegegnerin in dem das europäische Parallelpatent 0 459 466 zu dem Klagepatent im Einspruchsbeschwerdeverfahren zur (angeblichen) offenkundigen Vorbenutzung durch die Nockenwelle der C3xxxxxxxxx-Motoren 3100/3116 für nicht hinreichend erachtet und die Angelegenheit an die Einspruchsabteilung mit der Anordnung zurückverwiesen, die Offenkundigkeit der geltend gemachten C3xxxxxxxxx-Vorbentzung aus dem Jahre 1989 unter anderem durch die Zeugeneinvernahme des Herrn M2xx W3xxxxx zu überprüfen (Anlage 11, Seiten 18 ff., Rn. 4.2; Seite 22). Vor diesem Hintergrund wird die Einspruchsabteilung, wenn sie nicht bereits das Vorbringen der Beklagten zur offenkundigen Vorbenutzung durch die genannten C3xxxxxxxxx-Motren als nicht hinreichend dargetan ansieht, jedenfalls Herrn W3xxxxx als Zeugen vernehmen müssen. Da das Ergebnis einer solchen Beweisaufnahme nicht absehbar ist, kann sich die für eine Aussetzung erforderliche überwiegende Erfolgswahrscheinlichkeit daraus nicht ergeben.

b) Die Beklagte stützt ihren Einspruch außerdem auf die druckschriftlichen Entgegenhaltungen DE-OS 32 24 762 (Anlagen D 3, 5), den Heller-Prospekt (Anlagen D 12, B8), DE-OS 31 19 133 (Anlage D 13) und das Handbuch für Kraftfahrzeugtechnik), aus denen sich jeweils der Gegenstand von Anspruch 1 des Klagepatents für den Fachmann in naheliegender Weise ergeben habe, § 4 PatG.

Die beiden erstgenannten Entgegenhaltungen sind Gegenstand des Einspruchsbeschwerdeverfahrens betreffend das europäische Parallelpatent 0 459 466 zum Klagepatent gewesen. Die Beschwerdekammer hat darin weder eine neuheitsschädliche Vorwegnahme noch einen die erfinderische Tätigkeit in Frage stellenden Stand der Technik gesehen. Die Kammer hält die Begründung der Beschwerdekammer für überzeugend und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen darauf Bezug (Anlage 11, Seiten 10 ff, 14 ff.). Die beiden letztgenannten

Die beiden letztgenannten Entgegenhaltungen sind Gegenstand des Einspruchsverfahrens betreffend das europäische Patent 0 459 466 (dort Anlagen D 3 und D9) gewesen. Im Beschwerdeverfahren sind diese Entgegenhaltungen nicht mehr berücksichtigt worden (Anlage 11, Seite 3, Abs. 2). Die DE-OS 31 19 133 zeigt eine Ventilsteuerungseinrichtung für Viertakt-Verrennungsmotoren, bei der jedem Ventil zwei Steuernocken (5) unterschiedlichen Steuerkurven (6, 7) entsprechend unterschiedlichen Ventilöffnungswinkeln zugeordnet sind. Die erfindungsgemäße Lehre wird dadurch nicht nahegelegt. Gleiches gilt im Hinblick auf den als Anlage D 14 vorgelegten Ausschnitt aus dem Handbuch der Kraftfahrzeugtechnik der nur allgemeine Ausführungen zur Ausgestaltung einer Nockenwelle enthält.

V.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 709 S.1, 108 ZPO. Ungeachtet der teilweisen Rücknahme der Klage hinsichtlich des Auskunfts- und Schadensersatzantrags sind die gesamten Prozesskosten der Beklagten aufzuerlegen, weil die Klagerücknahme geringfügig war und keine besonderen Kosten veranlasst hat, §§ 269 Abs. 3, 92 Abs. 2 ZPO.

Dem hilfsweise geltend gemachte Antrag, der Beklagten für den Fall des Unterliegens zu gestatten, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung ohne Rücksicht auf eine Sicherheitsleistung durch die Klägerin abzuwenden, kann nicht entsprochen werden, weil bereits nicht dargetan worden ist, dass die Vollstreckung der Beklagten einen nicht zu ersetzender Nachteil bringen würde, § 712 Abs. 1 ZPO.

Streitwert: 511.291,88 Euro (= 1.000.000,– DM).

Dr. G2xxxxxxx M1xx Dr. T1xxxxx