I-2 U 116/05 – Saugfähige Faserstoffbahn II

Düsseldorfer Entscheidungen Nr. 3436

Oberlandesgericht Düsseldorf

Urteil vom 24. Juli 2025, I-2 U 116/05

Vorinstanz: 4a O 264/04

  1. A.
    Die Berufung der Beklagten gegen das am 6. Oktober 2005 verkündete Urteil der 4a Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird mit der Maßgabe zurückgewiesen,
  2. dass die Verurteilung zur Unterlassung (Tenor Ziff. I. 1.) für die Zeit ab dem xx. xxr 20xx gegenstandslos ist,
  3. von der Verurteilung im Übrigen zusätzlich auch die angegriffene Ausführungsform II („X.“) erfasst ist
  4. und der Hauptsachetenor nunmehr im Übrigen folgende Fassung erhält:
  5. I. Die Beklagte wird – unter Abweisung der Klage im Übrigen – verurteilt,
  6. 1. der Klägerin unter Vorlage eines einheitlichen, geordneten Verzeichnisses darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie
  7. saugfähige Faserstoffbahnen, bestehend aus einem hohen Anteil miteinander verpresster Zellstofffasern
  8. in der Zeit vom xx. xx 19xx bis zum xx. xx 20xx im Geltungsbereich des deutschen Gebrauchsmusters G1 angeboten, in Verkehr gebracht oder zu den genannten Zwecken eingeführt oder besessen hat,
  9. bei denen die Zellstofffasern in einem Prägemuster aus punkt- oder linienförmigen Prägebereichen miteinander verpresst und in den Prägebereichen des Prägemusters infolge hoher Druckbeaufschlagung klebstoff- und bindemittelfrei dergestalt fusioniert sind, dass benachbarte Zellstofffasern im Prägebereich sehr fest und innig miteinander verbunden sind, so dass sich die Verbindung bei Gebrauchstemperatur durch Einwirkung von Wasser nicht löst,
  10. wobei die Faserstoffbahn einen Zusatz an Hilfs- und Füllstoffen aufweist und wobei der Zusatz ein superabsorbierendes Polymer (SAP) umfasst, wobei der Anteil 0,5 bis 70 Gew.-% beträgt,
  11. und zwar unter Angabe
  12. a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen, Liefermengen, -zeiten und -preisen sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer,
  13. b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen, Angebotsmengen, -zeiten und -preisen sowie der Namen und Anschriften gewerblicher Angebotsempfänger,
  14. c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern und Medien durch deren Herstellungs- und Verbreitungsauflage, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
  15. d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
  16. wobei die Beklagte hinsichtlich der Angaben zu lit. a) und b) Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine, in Kopie vorzulegen hat;
  17. 2. die im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland in der Zeit vom xx. xx. 19xx bis zum xx. xx 20xx im unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder Eigentum der Beklagten befindlichen, unter Ziffer I. 1. beschriebenen Erzeugnisse zu vernichten oder nach Wahl der Beklagten an einen von der Klägerin zu benennenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten herauszugeben.
  18. II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der Herrn M. durch die unter Ziffer I. 1. bezeichneten, in der Zeit vom xx.xx.19xx bis zum xx.xx.20xx begangenen Handlungen entstanden ist oder noch entstehen wird.
  19. B.
    Die Kosten des Berufungsverfahrens und des Revisionsverfahrens (X ZR 61/21) hat die Beklagte zu tragen.
  20. C.
    Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar.
  21. Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 1.500.000,- € abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
  22. D.
    Die Revision wird nicht zugelassen.
  23. E.
    Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 4.500.000,- € festgesetzt, wovon 1.500.000,- € auf die Anschlussberufung der Klägerin entfallen.
  24. Gründe:
  25. I.
  26. Herr M. ist eingetragener Inhaber des deutschen Gebrauchsmusters G1 (nachfolgend: Klagegebrauchsmuster), das am xx.xx.19xx unter Inanspruchnahme zweier Prioritäten vom xx. xx.19xx sowie vom xx.xx .19xx angemeldet wurde. Die Bekanntmachung der am xx. xx.19xx erfolgten Eintragung im Patentblatt erfolgte am xx.xx.19xx.

    Der Gebrauchsmusterinhaber, der einer der Geschäftsführer der Klägerin und von den Wirkungen des § 181 BGB befreit ist, ermächtigte die Rechtsvorgängerin der Klägerin mit Erklärung vom xx.xx.20xx, die ihm gegen die Beklagte zustehenden Ansprüche auf Unterlassung und Vernichtung im eigenen Namen geltend zu machen. Zudem trat er etwaige Ansprüche auf Auskunftserteilung, Rechnungslegung und Feststellung der Schadenersatzpflicht an die Klägerin ab.

  27. Das Klagegebrauchsmuster war Gegenstand eines mit Löschungsantrag der Beklagten vom xx.xx.20xx aufgenommenen Löschungsverfahrens, das nach Ablauf der zehnjährigen Schutzdauer des Klagegebrauchsmusters als Feststellungsverfahren fortgeführt wurde. Nachdem die Gebrauchsmusterabteilung II des Deutschen Patent- und Markenamtes das Klagegebrauchsmuster durch Beschluss vom xx. xx.20xx vollumfänglich gelöscht hatte, stellte die Beklagte nach Ablauf der Schutzdauer den bisherigen Löschungsantrag im Beschwerdeverfahren auf Feststellung der Unwirksamkeit des Klagegebrauchsmusters um und verwies hinsichtlich des Feststellungsinteresses auf den zwischen den Parteien anhängigen Verletzungsrechtsstreit. In der Folge hob der Gebrauchsmusterbeschwerdesenat des Bundespatentgerichts diesen Beschluss durch Entscheidung vom xx.xx.20xx auf und verwies den Vorgang an die Gebrauchsmusterabteilung des Deutschen Patent- und Markenamtes zurück. Die Gebrauchsmusterabteilung II stellte daraufhin mit Beschluss vom xx.xx.20xx fest, dass das Klagegebrauchsmuster unwirksam gewesen sei, soweit es über den Gegenstand nach Hilfsantrag II, der nunmehr im hiesigen Verfahren allein streitgegenständlich ist, hinausgehe. Im Übrigen wies die Gebrauchsmusterabteilung II den auf die Feststellung der Unwirksamkeit des Klagegebrauchsmusters gerichteten Feststellungsantrag zurück. Gegen diese Entscheidung legte die Beklagte mit Schriftsatz vom xx. xx.20xx beim Deutschen Patent- und Markenamt Beschwerde ein, die das Bundespatentgericht mit einem am xx.xx.20xx an Verkündungs Statt zugestellten Beschluss (vgl. Anlagen rop 14 und rop 14a) zurückgewiesen hat (BPatG, Beschl. v. 01.12.2017 – 35 W (pat) 437/13, BeckRS 2017, 139004).
  28. Hinsichtlich des vollständigen Inhalts der vorgenannten Entscheidungen wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Anlagen rop 3 bis rop 5 sowie rop 14/14a Bezug genommen.
  29. Das Klagegebrauchsmuster betrifft eine saugfähige Faserstoffbahn. Der eingetragene Schutzanspruch 1, welcher der landgerichtlichen Entscheidung zugrunde lag, lautet:
  30. „Saugfähige Faserstoffbahn (100), bestehend aus einem hohen Anteil miteinander verpresster Zellstofffasern (1),
  31. dadurch gekennzeichnet, dass die Zellstofffasern in einem Prägemuster aus punkt- oder linienförmigen Prägebereichen (3) miteinander verpresst und in den Prägebereichen (3) des Prägemusters infolge hoher Druckbeaufschlagung klebstoff- und/oder bindemittelfrei fusioniert sind.“
  32. Die durch die Gebrauchsmusterabteilung II aufrechterhaltene und zuletzt streitgegenständliche Fassung des Schutzanspruchs 1 ist wie folgt formuliert (wobei Änderungen durch Unterstreichung kenntlich gemacht sind):
  33. „Saugfähige Faserstoffbahn (100), bestehend aus einem hohen Anteil miteinander verpresster Zellstofffasern (1),
  34. dadurch gekennzeichnet, dass die Zellstofffasern in einem Prägemuster aus punkt- oder linienförmigen Prägebereichen (3) miteinander verpresst und in den Prägebereichen (3) des Prägemusters infolge hoher Druckbeaufschlagung klebstoff- und bindemittelfrei dergestalt fusioniert sind, dass benachbarte Zellstofffasern im Prägebereich sehr fest und innig miteinander verbunden sind, so dass sich die Verbindung bei Gebrauchstemperatur durch Einwirkung von Wasser nicht löst.“
  35. Darüber hinaus sind die durch die Klägerin im Hauptantrag in Kombination mit Schutzanspruch 1 geltend gemachten Unteransprüche 10 und 11 wie folgt gefasst:
  36. Unteranspruch 10:
    „Faserstoffbahn (100) nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die Faserstoffbahn (100) einen Zusatz an Hilfs- und Füllstoffen, beispielsweise Titandioxid, Kreide oder Karolin, aufweist.“
  37. Unteranspruch 11:
    „Faserstoffbahn (100) nach Anspruch 10, dadurch gekennzeichnet, dass der Zusatz ein superabsorbierendes Polymer (SAP) umfasst, wobei der Anteil 0,5 bis 70 Gew.-%, vorzugsweise zwischen 5 und 30 Gew.-% der Gesamtmasse, beträgt.“
  38. Wegen des Wortlauts der nur „insbesondere“ geltend gemachten Unteransprüche 2 bis 5, 9 sowie 15 bis 17 wird auf den als Anlage rop 6 vorgelegten „Hilfsantrag II“ Bezug genommen.
  39. Die nachfolgend eingeblendete und der Klagegebrauchsmusterschrift entnommene Figur 1 zeigt ein bevorzugtes Ausführungsbeispiel der Erfindung. Es handelt sich um eine perspektivische Darstellung eines Abschnittes der Faserstoffbahn.

    Zu sehen ist eine aus Zellstofffasern (1) bestehende Faserstoffbahn (100), bei der die Zellstofffasern in den Prägebereichen (3) miteinander fusioniert sind. Die Prägebereiche (3) wechseln sich daher mit den Bereichen (2) lockerer Festigkeit ab.

  40. Die Beklagte, die ursprünglich als „O. N. V.“ und nach einer Rechtsformänderung ab dem xx. xx.20xx als „O. BVBA“ firmierte sowie zwischenzeitlich unter der Unternehmensnummer XY in der O. Group NV aufgegangen ist, stellt her und vertreibt saugfähige Faserstoffbahnen zur Verwendung in Hygieneartikeln. Zu den von der Beklagten in A. hergestellten Produkten zählen Damenbinden, die sie in der Bundesrepublik Deutschland über die Märkte der Handelskette „B.“ vertreibt. Die Klägerin erwarb dort in der Bundesrepublik Deutschland Damenbinden mit der Produktbezeichnung „Ca.“ und „Cb.“ (nachfolgend: angegriffene Ausführungsform I). Jeweils ein aufgeschnittenes Exemplar dieser Damenbinden hat die Klägerin als Anlagen K 4 und K 5 zur Gerichtsakte gereicht. Zudem sind durch die Klägerin zwei weitere, unverschlossene Packungen als Anlage K 6 zur Gerichtsakte gereicht worden. Auf die Anlagen wird Bezug genommen.
  41. Nachdem die Beklagte zwischenzeitlich das streitgegenständliche Produkt „C.“ bei der Handelskette „B.“ zurückgezogen hatte, brachte sie nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht ein neues Produkt unter der Marke „X.“ in Verkehr, welches unter anderem in der Bundesrepublik Deutschland über die Einzelhandelskette „D.“ vertrieben wird (nachfolgend: angegriffene Ausführungsform II). Die angegriffene Ausführungsform II weist einen wesentlich höheren Anteil Superabsorber (SAP) auf, der auch anders verteilt ist. Bei SAP handelt es sich um Kunststoffe, die in der Lage sind, ein Vielfaches ihres Eigengewichts an polaren Flüssigkeiten aufzusaugen. Die Flüssigkeit wird in einer Art Kugel aufgenommen, die mit der Menge der ins Innere des Partikels geleiteten Flüssigkeit ihren Durchmesser exponentiell vergrößert. Die Größe der Partikel nimmt mit der Menge der aufgenommenen Flüssigkeit stark zu. Während sich die Partikel vollsaugen, entwickeln sie aufgrund dieses Effekts eine Art „Sprengkraft“ gegenüber in ihrer Umgebung liegenden Strukturen. Die Klägerin ließ auch die angegriffene Ausführungsform II untersuchen. Hinsichtlich des Ergebnisses dieser Untersuchungen wird auf die Anlage rop 1 Bezug genommen.
  42. Die Klägerin hat vor dem Landgericht geltend gemacht, die angegriffene Ausführungsform I mache von der technischen Lehre des Klagegebrauchsmusters wortsinngemäß Gebrauch.
  43. Die Beklagte, die um Klageabweisung, hilfsweise um Aussetzung des Rechtsstreits bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den gegen das Klagegebrauchsmuster eingereichten Löschungsantrag gebeten hat, hat erstinstanzlich eine Verletzung des Klagegebrauchsmusters durch die angegriffene Ausführungsform I lediglich insoweit in Abrede gestellt, als die Zellstoffmuster in linien- und nicht in punktförmigen Prägebereichen miteinander verpresst seien. Zudem könne sich die Beklagte auf ein privates Vorbenutzungsrecht berufen. Die Slipeinlage „HC“, Artikelnummer xxxx bzw. xxxxx, die der angegriffenen Ausführungsform I bis auf marginale Unterschiede entspreche, sei vor der Priorität des Klagegebrauchsmusters in der Bundesrepublik Deutschland vertrieben worden. Im Übrigen sei das Klagegebrauchsmuster sowohl unter den Gesichtspunkten der fehlenden Neuheit und Erfindungshöhe, als auch im Hinblick auf eine offenkundige Vorbenutzung durch die Slipeinlage „HC.“ nicht schutzfähig.
  44. Durch Urteil vom 6. Oktober 2005 hat das Landgericht Düsseldorf (unter Abweisung der Klage im Übrigen) wie folgt erkannt:
  45. „I. Die Beklagte wird – unter Abweisung der Klage im Übrigen – verurteilt,
  46. 1. es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren zu unterlassen,
  47. saugfähige Faserstoffbahnen, bestehend aus einem hohen Anteil miteinander verpresster Zellstofffasern
  48. im Geltungsbereich des deutschen Gebrauchsmusters G1 anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
  49. bei denen die Zellstofffasern in einem Prägemuster aus punkt- oder linienförmigen Prägebereichen miteinander verpresst und in den Prägebereichen des Prägemusters infolge hoher Druckbeaufschlagung klebstoff- und/oder bindemittelfrei fusioniert sind;
  50. 2. der Klägerin unter Vorlage eines einheitlichen, geordneten Verzeichnisses darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu Ziffer I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem xx.xx.19xx begangen hat, und zwar unter Angabe
  51. a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen, Liefermengen, -zeiten und -preisen sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer,
  52. b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen, Angebotsmengen, -zeiten und -preisen sowie der Namen und Anschriften gewerblicher Angebotsempfänger,
  53. c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern und Medien durch deren Herstellungs- und Verbreitungsauflage, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
  54. d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns, der nicht durch den Abzug von Gemeinkosten gemindert ist, es sei denn, diese können ausnahmsweise den im Urteilsausspruch zu Ziffer I. 1. genannten Gegenständen unmittelbar zugeordnet werden,
  55. wobei die Beklagte hinsichtlich der Angaben zu lit. a) und b) Bestell-, Lieferscheine, Rechnungen und Angebotsunterlagen vorzulegen hat;
  56. 3. die im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland im unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder Eigentum der Beklagten befindlichen unter Ziffer I. 1. beschriebenen Erzeugnisse zu vernichten oder nach Wahl der Beklagten an einen von der Klägerin zu benennenden Treuhänder zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten herauszugeben.
  57. II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr und/oder Herrn M. durch die unter Ziffer I. 1. bezeichneten, seit dem xx. xx.19xx begangenen Handlungen entstanden ist oder noch entstehen wird.“
  58. Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt:
  59. Nach dem technischen Sinngehalt des Klagegebrauchsmusters sei das Merkmal 3., wonach in den Prägebereichen des Prägemusters infolge hoher Druckbeaufschlagung klebstoff- und/oder bindemittelfrei fusionierte Zellstoffasern vorliegen, dahingehend zu verstehen, dass die durch Druckbeaufschlagung komprimierten Fasern in den Prägebereichen des Prägemusters so fest und innig miteinander verbunden sein sollen, dass die Fasern bei Gebrauchstemperatur auch durch die Einwirkung von Feuchtigkeit nicht gelöst werden. Davon ausgehend sei das Klagegebrauchsmuster sowohl unter dem Gesichtspunkt der Neuheit, als auch des erfinderischen Schrittes schutzfähig.
  60. Zudem stehe auch die von der Beklagten behauptete offenkundige Vorbenutzung der Schutzfähigkeit der Erfindung nach dem Klagegebrauchsmuster nicht entgegen. Das Vorbringen der Beklagten lasse nicht erkennen, dass diese sich schon vor dem Prioritätszeitpunkt des Klagegebrauchsmusters im Erfindungsbesitz befunden habe. Anhand des Vortrages der Beklagten sowie auf der Grundlage des durch die Beklagte als Anlage B 19a vorgelegten Gutachtens sei nicht ersichtlich, dass die angeblich vorbenutzte Faserstoffbahn Prägebereiche aufgewiesen habe, bei denen die Zellstofffasern fusioniert seien, das heißt durch die Einwirkung von Wasser nicht gelöst würden.
  61. Wegen weiterer Einzelheiten der Begründung wird auf das Urteil des Landgerichts Bezug genommen.
  62. Gegen dieses Urteil hat die Beklagte mit Schriftsatz vom xx.xx.20xx Berufung eingelegt, mit der sie eine vollständige Abweisung der Klage anstrebt. Die der Klägerin gesetzte Frist zur Berufungserwiderung ist am xx.xx.20xx abgelaufen.
  63. Die Beklagte macht, nachdem das Klagegebrauchsmuster im nunmehr allein streitgegenständlichen Umfang im Gebrauchsmusterlöschungsverfahren aufrechterhalten wurde, in zweiter Instanz geltend:
  64. Die zuletzt streitgegenständliche Fassung von Schutzanspruch 1 sehe ein Nichtlösen benachbarter Zellstofffasern bei der Einwirkung von Wasser vor, die nicht mit der Einwirkung von Feuchtigkeit gleichgesetzt werden könne. Insbesondere übe eine längere Einwirkdauer von Wasser einen weit größeren Einfluss aus als die Einwirkung (allein) von Feuchtigkeit. Da es Ziel des Klagegebrauchsmusters sei, eine erhöhte Festigkeit der Faserstoffbahn zu erreichen und das Klagegebrauchsmuster zugleich keinerlei Grenzwerte nenne, innerhalb derer ein eventuelles „teilweises Lösen“ noch als ein „Nicht-Lösen“ aufgefasst werden könne, liege ein „Nicht-Lösen“ im Sinne des Klagegebrauchsmusters nur vor, wenn sich keine der zahlreichen Faserverbindungen im Prägebereich löse, wobei von einem „Lösen“ bereits dann auszugehen sei, wenn der Prozess des Lösens eingeleitet wurde. Denn bereits in diesem Moment verringere sich die Festigkeit in den Prägebereichen. Im Übrigen differenziere das Klagegebrauchsmuster nicht danach, ob in der Faserstoffbahn SAP enthalten seien oder nicht. In beiden Fällen dürfe sich die Verbindung unter Einwirkung von Wasser nicht lösen.
  65. Gehe man davon aus, mache die angegriffene Ausführungsform I von der technischen Lehre des Klagegebrauchsmusters keinen Gebrauch. Das von ihr als Anlage BK 14 vorgelegte Gutachten belege, dass die Faserverbindungen im Prägebereich bei der Zugabe von Wasser geradezu „explodierten“. Der Superabsorber (SAP) führe dazu, dass sich die Faserverbindungen in den Prägebereichen unter Einwirkung von Wasser lösen und die Festigkeit der geprägten Faserstoffbahn verringere.
  66. In Bezug auf die angegriffene Ausführungsform II habe die Klägerin selbst vorgetragen, dass die Faserfusion dort durch den Superabsorber aufgesprengt werde.
  67. Überdies erschöpfe sich der Gehalt der nunmehr in den Hauptantrag aufgenommenen Unteransprüche 10 und 11 nicht in einem entsprechenden Anteil an SAP. Vielmehr müssten mehrere (mindestens zwei) Hilfs- und Füllstoffe vorhanden sein, wobei es sich bei einem von diesen um SAP handele. Zudem ergebe sich aus dem Wortlaut von Unteranspruch 10 unmissverständlich, dass es sich um einen Zusatz gerade zur Faserstoffbahn handeln müsse. Dazu habe die Klägerin, die sich stets auf die angegriffenen Ausführungsformen in ihrer Gesamtheit beziehe, jedoch nicht vorgetragen. Aus dem systematischen Zusammenhang der geltend gemachten Anspruchsfassung folge weiter, dass sich der in Bezug genommene Anteil von SAP auf die Gewichtsverhältnisse nach Einwirkung von Wasser beziehe. Die Messungen der Klägerin bezögen sich indes auf die Gewichtsverhältnisse im trockenen Zustand. Da SAP durch die hohe Wasseraufnahme im nassen Zustand bis zu 300-mal mehr wiegen würden als im trockenen Zustand wäre der Anteil an SAP in den angegriffenen Ausführungsformen auf Basis der Messungen der Klägerin (Anlage K 7) wesentlich höher als 70 Gew.-% und würde daher außerhalb des beanspruchten Bereichs liegen. Abgesehen davon fehle es auch an einem schlüssigen Nachweis dafür, dass die angegriffenen Ausführungsformen überhaupt SAP im beanspruchten Bereich enthielten.
  68. Davon abgesehen sei das Klagegebrauchsmuster in der nunmehr streitgegenständlichen Fassung auch nicht schutzfähig. Die im Hauptantrag streitgegenständliche Anspruchskombination sei nicht Gegenstand der Entscheidung im parallelen Gebrauchsmusterlöschungsverfahren, so dass insoweit keine Bindungswirkung gemäß § 19 S. 3 GebrMG eingetreten sei. Die Entscheidung des Bundespatentgerichts befasse sich naturgemäß allein mit der Schutzfähigkeit des einzigen unabhängigen Anspruchs und begnüge sich bezüglich der Unteransprüche mit der Aussage, diese würden durch Schutzanspruch 1 getragen.
  69. Entgegen der Auffassung des Bundespatentgerichts liege eine offenkundige Vorbenutzung durch das Produkt „HC.“ vor. Lege man diese offenkundige Vorbenutzung zugrunde, seien die Merkmale des im Gebrauchsmusterlöschungsverfahren aufrechterhaltenen Schutzanspruchs 1 neuheitsschädlich vorweggenommen. Einziges zusätzliches Merkmal gegenüber dem vorbenutzten Produkt sei die Verwendung von SAP in einem Bereich von 0,5 – 70 Gew.-%. Die Verwendung von SAP für Faserstoffbahnen sei indes bereits vor dem Prioritätstag, etwa aus der US 5,128,193, bekannt gewesen, wobei auch der beanspruchte Bereich im Stand der Technik vorweggenommen sei.
  70. Im Übrigen habe der Bundesgerichtshof in der Entscheidung „Schutzverkleidung“ (GRUR 2019, 1171) neue Grundsätze für das Vorbenutzungsrecht aufgestellt und dabei insbesondere erstmals höchstrichterlich die Auswirkungen einer Modifikation der vorbenutzten Ausführung behandelt. Soweit der Senat von einer Verletzung des Klagegebrauchsmusters durch die angegriffenen Ausführungsformen ausgehe, stehe ihr, der Beklagten, auch mit Blick auf den derzeitigen Hauptantrag der Klägerin ein Vorbenutzungsrecht zu. Bei der vorbenutzten Ausführungsform „HC.“ seien sämtliche Merkmale von Schutzanspruch 1 des Klagegebrauchsmusters jedenfalls dann realisiert, wenn dies auch bei den angegriffenen Ausführungsformen der Fall sei. Das demgegenüber zusätzliche Merkmal sei die Verwendung von SAP in einem Bereich von 0,5 bis 80 Gew.-%. Hierbei handele es sich indes um eine für den Fachmann selbstverständliche Abwandlung, welche die Grenzen des Vorbenutzungsrechts nicht überschreite.
  71. Der erstmals in der Berufungserwiderung vom 31. Juli 2006 erfolgten Erweiterung der Klage auf die angegriffene Ausführungsform II hat die Beklagte mit Schriftsatz vom
    xx.xx..20xx widersprochen (vgl. Bl. 296 GA).
  72. Die Parteien haben den Rechtsstreit in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am xx.xx.20xx für die Zeit ab dem xx.xx.20xx in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt, soweit die Beklagte gemäß Ziffer I. 1. des Tenors des landgerichtlichen Urteils vom xx.xx.20xx zur Unterlassung verurteilt worden ist.
  73. Die Beklagte hat im Übrigen beantragt,
  74. das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 6. Oktober 2005 (4a O 264/04) abzuändern und die Klage (einschließlich ihrer Erweiterung im Berufungsverfahren) abzuweisen.
  75. Die Klägerin hat beantragt,
  76. 1. die Berufung der Beklagten, soweit sich der Rechtsstreit nicht in der Hauptsache erledigt hat, mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass bei der Beschreibung der Handlungen gemäß Ziff. I. 1. die Worte „fusioniert sind“ ersetzt werden durch:
  77. „dergestalt fusioniert sind, dass benachbarte Zellstofffasern im Prägebereich sehr fest und innig miteinander verbunden sind, so dass sich die Verbindung bei Gebrauchstemperatur durch Einwirkung von Wasser nicht löst.“
  78. sowie am Ende der Beschreibung der Handlungen zusätzlich eingefügt wird:
  79. „wobei die Faserstoffbahn einen Zusatz an Hilfs- und Füllstoffen aufweist und wobei der Zusatz ein superabsorbierendes Polymer (SAP) umfasst, wobei der Anteil 0,5 bis 70 Gew.-% beträgt.“
  80. Im Hinblick auf die durch die Klägerin formulierten Hilfsanträge wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom xx.xx.20xx (Bl. 741 – 746 GA) Bezug genommen.
  81. Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil und tritt den Ausführungen der Beklagten unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens wie folgt entgegen:
  82. Bereits in der Klageschrift habe die Klägerin in Übereinstimmung mit dem Verständnis des Durchschnittsfachmanns die Einwirkung von Feuchtigkeit mit der Einwirkung von Wasser gleichgesetzt. Die Nassfestigkeit der Prägepunkte sei von der Beklagten gleichwohl erstinstanzlich bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht bestritten worden. Auf dieser Grundlage seien die Analysen der angegriffenen Ausführungsformen vorgenommen worden. Daher seien durch das Einfügen von Merkmal 3.1. in den Anspruchswortlaut keine neuen Feststellungen zur Verletzung notwendig.
  83. Auch die angegriffene Ausführungsform II mache wortsinngemäß von der technischen Lehre des Klagegebrauchsmusters Gebrauch. Zwar enthalte diese einen wesentlich höheren Anteil an Superabsorbern, durch welche die Faserfusionen in der Mitte der Prägepunkte quasi „aufgesprengt“ würden. An den Randbereichen der Prägebereiche blieben diese jedoch erhalten.
  84. Überdies sei für eine Verwirklichung der Unteransprüche 10 und 11 weder eine Mehrzahl an Hilfs- und Füllstoffen, noch ein „Beimischen zur Gesamtmasse“ Voraussetzung. Einer Verwirklichung der beanspruchten Lehre stehe es insbesondere auch nicht entgegen, wenn sich der Superabsorber an der Grenzfläche (Oberfläche) der Faserstoffbahn befinde. Zudem seien die in Unteranspruch 11 genannten Gewichtsprozente auf das Produkt vor dem Gebrauch bezogen.
  85. Davon ausgehend stelle die Beklagte das Vorhandensein von Superabsorber im unbenutzten Produkt in den in den Unteransprüchen 10 und 11 genannten Mengen nicht in Abrede. Es sei ihr als Herstellerin des Produktes ohne Weiteres möglich, den Anteil an Superabsorber, den sie ihren Faserstoffbahnen zugebe, zu benennen. Davon nehme sie jedoch – aus augenscheinlichen Gründen – Abstand. Dass sämtliche angegriffenen Ausführungsformen Superabsorber enthielten, gehe im Übrigen bereits aus den wechselseitigen Gutachten hervor.
  86. Der Senat hat Beweis durch Einholung von Sachverständigengutachten erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten von Prof. Dr.-Ing. S. vom xx.xx. 20xx (nachfolgend: Gutachten S.), das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom xx.xx.20xx (Bl. 906 ff. GA), das schriftliche Gutachten von Prof. Dr. H. vom xx.xx.20xx (Bl. 1079 ff. GA, nachfolgend: Gutachten H.), wobei Letzterer sein Gutachten am xx.xx.20xx (Bl. 1216 GA) ergänzt und zusätzlich mit Schreiben vom xx.xx. 20xx (Bl. 1290 ff. GA) erläutert hat, sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom xx.xx.20xx (Bl. 1377 – 1388 GA) Bezug genommen.
  87. Mit Urteil vom 24. Juni 2021 (Bl. 1395 – 1411 GA) hat der Senat auf Kosten der Beklagten die Berufung mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass – wegen des Ablaufs der zehnjährigen Schutzdauer und der daraufhin übereinstimmend erklärten Erledigung – die landgerichtliche Verurteilung zur Unterlassung gegenstandslos und von der Verurteilung auch die angegriffene Ausführungsform II („X.“) erfasst ist. Außerdem hat er unter Anpassung an die zuletzt streitgegenständliche Fassung des Hauptantrags den landgerichtlichen Hauptsachetenor (Ziffern I. und II.) vollständig neu gefasst. Zur Begründung hat der Senat im Wesentlichen ausgeführt, dass die angegriffenen Ausführungsformen wortsinngemäß von der technischen Lehre des Klagegebrauchsmusters Gebrauch machten. Das Merkmal des „Nicht-Lösens“ verlange nicht zwingend, dass bei einem Einwirken von Wasser bei Gebrauchstemperatur die Verbindung aller Fasern in allen Richtungen im vollen Umfang erhalten bleiben müsse. Dies erzwinge weder der Anspruchswortlaut noch sei ein solches Verständnis aus funktionalen Gesichtspunkten geboten. Dem Fachmann sei vor dem Hintergrund der Aufgabe, die mechanische Belastbarkeit und Reißfestigkeit auch bei der Einwirkung von Wasser zu erhalten, allerdings bewusst, dass die Prägebereiche auch im nassen Zustand vorhanden sein müssten. Hielten nur einzelne Prägepunkte dem Einfluss des Wassers nicht stand, führe dies solange nicht aus dem Schutzbereich des Klagegebrauchsmusters heraus, wie eine solche Zahl von Prägepunkten erhalten bleibe, dass sich insgesamt ein mechanisch stabiles Produkt ergebe. Für die Verwirklichung der Merkmalsgruppe 4 genüge es, dass ein superabsorbierendes Polymer (SAP) der alleinige Zusatzstoff sei. Nach der durchgeführten Beweisaufnahme und der vom Sachverständigen Prof. H. angestellten Versuche stehe fest, dass sich die Fasern bei den angegriffenen Ausführungsformen bei Gebrauchstemperatur durch die Einwirkung von Wasser nicht lösten. Denn die Bildung einer Fasersuspension infolge einer Materialauflösung habe der Sachverständige nicht festgestellt. Auf ein privates Vorbenutzungsrecht könne sich die Beklagte nicht erfolgreich berufen, da das vorbenutzte Produkt „HC.“ kein SAP enthalte, so dass es an der Verwirklichung der Merkmalsgruppe 4.1 fehle und kein Erfindungsbesitz vorgelegen habe. Die Frage einer zulässigen Modifikation im Sinne der Entscheidung „Schutzverkleidung“ des Bundesgerichtshofs stelle sich schon deshalb nicht, da im vorliegenden bereits kein schutzwürdiger Besitzstand begründet worden sei.
  88. Mit Urteil vom 20. Juni 2023 (Az. X ZR 61/21, GRUR 2023, 1184 – Faserstoffbahn) hat der Bundesgerichtshof das vorgenannte Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an den Senat zurückverwiesen. In seinem Revisionsurteil hat der Bundesgerichtshof die Auslegung des Klagegebrauchsmusters durch den Senat genauso als zutreffend gebilligt wie die darauf aufbauende Annahme, dass sich die Verbindung benachbarter Zellstofffasern im Prägebereich bei Einwirkung von Wasser unter Gebrauchstemperatur auch dann im Sinne von Merkmal 3.1 nicht lösten, wenn die Faserstoffbahn insgesamt unter Wassereinwirkung nicht zu einem Faserbrei oder einer Fasersuspension desintegriere und die in der Merkmalsgruppe 3 vorgesehenen und dort näher definierten Prägebereiche hierzu beitrügen. Zur Recht sei der Senat auch davon ausgegangen, dass die alleinige Verwendung von superabsorbierenden Polymeren den Anforderungen der Merkmalsgruppe 4 genüge. Auf der Grundlage dieser Auslegung und einer rechtlich nicht zu beanstandenden Würdigung der eingeholten Sachverständigengutachten sowie der ergänzenden mündlichen Erläuterungen sei der Senat rechtsfehlerfrei zu der Beurteilung gelangt, dass die angegriffenen Ausführungsformen die Merkmale der zuletzt mit dem Hauptantrag geltend gemachten Anspruchsfassung verwirklichten. Allerdings halte die Ablehnung eines im Sinne eines Vorbenutzungsrechts geschützten Besitzstands der rechtlichen Überprüfung nicht stand. Für die Frage, ob eine Modifikation des vorbenutzten Gegenstands nach den Vorgaben der Merkmalsgruppe 4 von dem Vorbenutzungsrecht gedeckt sei, komme es maßgeblich darauf an, ob mit der Modifikation ein zusätzlicher Vorteil verwirklicht werde oder ob es sich um eine vollständig gleichwertige Alternative oder eine selbstverständliche Abwandlung handele. Dies gelte unabhängig davon, ob lediglich die Verletzungsklage auf eine durch zusätzliche Merkmale beschränkte Fassung eines unabhängigen Schutzanspruchs gestützt werde oder ob das Gebrauchsmuster in einem Löschungsverfahren entsprechend beschränkt worden sei. Eine nachträgliche Änderung der Ansprüche könne ein bestehendes Recht zur Modifikation des vorbenutzten Gegenstands nicht beseitigen. Sollte der Senat im wiedereröffneten Berufungsverfahren zu dem Ergebnis gelangen, dass der von der Beklagten vorbenutzte Gegenstand die Merkmale 1 bis 3.1 verwirkliche, werde er sich insbesondere mit dem Vorbringen der Beklagten auseinanderzusetzen haben, der Einsatz von superabsorbierenden Polymeren i.S.d. Merkmalsgruppe 4 stelle eine selbstverständliche Abwandlung der vorbenutzen Faserstoffbahn dar.
  89. Die Beklagte beantragt in der wiedereröffneten mündlichen Verhandlung,
  90. das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 6. Oktober 2005 (4a O 264/04) abzuändern und die Klage (einschließlich ihrer Erweiterung im Berufungsverfahren) abzuweisen.
  91. Die Klägerin beantragt,
  92. die Berufung der Beklagten, soweit sich der Rechtsstreit nicht in der Hauptsache erledigt hat, mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass bei der Beschreibung der Handlungen gemäß Ziff. I. 1. die Worte „fusioniert sind“ ersetzt werden durch:
  93. „dergestalt fusioniert sind, dass benachbarte Zellstofffasern im Prägebereich sehr fest und innig miteinander verbunden sind, so dass sich die Verbindung bei Gebrauchstemperatur durch Einwirkung von Wasser nicht löst.“
  94. sowie am Ende der Beschreibung der Handlungen zusätzlich eingefügt wird:
  95. „wobei die Faserstoffbahn einen Zusatz an Hilfs- und Füllstoffen aufweist und wobei der Zusatz ein superabsorbierendes Polymer (SAP) umfasst, wobei der Anteil 0,5 bis 70 Gew.-% beträgt.“
  96. und es im Hauptsachetenor zu II. heißen soll:
  97. „Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der Herrn M. durch die unter Ziffer I. 1. bezeichneten, in der Zeit vom xx.xx.19xx bis zum xx.xx.20xx begangenen Handlungen entstanden ist oder noch entstehen wird.“
  98. Im wiedereröffneten Berufungsverfahren verweist die Beklagte darauf, dass die Verwendung von SAP als Hilfsstoff selbstverständlich – bzw. zumindest naheliegend – gewesen sei. So zeige das von ihr vorgelegte Privatgutachten Prof. K. vom xx.xx20xx sowie die dazugehörigen Anlagen (Anlagenkonvolut BK 33), dass die Verwendung von SAP in weiblichen Hygieneprodukten wie z.B. Slipeinlagen oder Damenbinden zum Prioritätszeitpunkt zum allgemeinen Fachwissen und zum Standardrepertoire des Fachmanns gehört habe. Auch der beanspruchte prozentuale Gewichtsanteil von SAP sei zum Prioritätszeitpunkt selbstverständlich gewesen. Zudem sei mit dem Produkt „AC.“ von YZ bereits vor dem Prioritätstag eine Slipeinlage am Markt erhältlich gewesen, die neben einem Geruchshemmer Zeolite auch SAP enthalten habe. Irgendwelche Vorbehalte wegen einer angeblichen „Sprengkraft“ von SAP seien nirgendwo benannt und hätten zum Prioritätstag nicht existiert. Auch das Klagegebrauchsmuster thematisiere weder ein starkes Aufquellen von SAP noch eine dadurch mögliche Verringerung der Reißfestigkeit. Der Einsatz von SAP sei für den Fachmann gerade auch in Bezug auf Slipeinlagen selbstverständlich gewesen. Denn dort bestehe ebenfalls ein Bedürfnis nach einer hohen Saugfähigkeit bzw. Nassfestigkeit, weshalb der Fachmann bestrebt sei, dieses unter Beibehaltung der dünnen Form so saugfähig wie möglich zu machen oder, alternativ, ein noch dünneres Produkt zur Verfügung zu stellen. Ein höherer Preis stelle insoweit kein Hinderungsgrund dar. Soweit die Klägerin erhebliche Schwankungen der Prägung bei der Slipeinlage „HC.“ behaupte, die gegen den Einsatz von SAP sprechen sollten, werde dies zum einen bestritten und zum anderen komme es hierauf nicht an, da das Klagegebrauchsmuster keine Anforderungen an eine Gleichmäßigkeit des Prägemusters stelle. Den Anforderungen des Bundesgerichtshofs folgend sei mit der Abwandlung auch kein zusätzlicher Vorteil verbunden, da in der insoweit allein entscheidenden Klagegebrauchsmusterschrift kein Vorteil von SAP hervorgehoben werde oder hierzu Erkenntnisse liefere, insbesondere nicht im Hinblick auf eine verbesserte Saugfähigkeit durch das Hinzufügen von SAP.
  99. Die Klägerin ist dem entgegengetreten und meint, dass ein Hinzufügen von SAP mit dem damit unstreitig einhergehenden Vorteil einer erhöhten Saugfähigkeit für den Fachmann zugleich die Frage aufwerfe, ob das Aufquellen der SAP-Partikel die vom Klagegebrauchsmuster georderte Reißfestigkeit der Faserstoffbahn beeinträchtige. Bei dem (angeblich) vorbenutzten Gegenstand wäre zudem das Problem aufgetreten, dass die – produktionsbedingt – ohnehin schon lockere und ungleichmäßige Prägung durch das SAP aufgehoben worden wäre. Da die Prägung beim (angeblich) vorbenutzten Gegenstand und anders als bei angegriffenen Ausführungsformen erst am Ende des Produktionsprozesses erfolge, würden außerdem SAP-Partikel im Prägebereich zerstört und dadurch die Bindung zwischen den Fasern beeinträchtigt. Bei einer Slipeinlage seien die Anforderungen an die Saugfähigkeit im Vergleich zu einer Damenbinde zudem äußerst gering. Da keine Notwendigkeit zur Aufnahme größerer Flüssigkeitsmengen bestünde und bereits die Faserstoffbahn allein eine ausreichende Saugfähigkeit aufweise, habe der Fachmann auch keinen Anlass, diese mit – im Verhältnis zu Zellstofffasern – deutlich teureren SAP zu verbessern. Daher gehe der Privatgutachter Prof. K. in seiner Stellungnahme vom xx.xx.20xx schon von der falschen Prämisse aus, da er ein Hinzufügen von SAP zu Hygieneartikeln im Allgemeinen untersuche. Die meisten im Privatgutachten aufgeführten Dokumente befassten sich aber bereits nicht mit Slipeinlagen. Soweit die DE 30 39 728 A1 diese erwähne, sehe die Schrift bei diesen gerade keinen Einsatz von SAP vor. Zu dem Produkt „A.“ könne sie sich nur mit Nichtwissen erklären; es spreche aber schon einiges dafür, dass bei diesem kein SAP, sondern der Geruchshemmer „Zeolite“ zum Einsatz gekommen sei. Im Übrigen werde nach wie vor bestritten, dass das Produkt „HC.“ vor dem Prioritätstag alle Merkmale Klagegebrauchsmusteranspruchs 1 verwirklichte habe, das Produkt von der Beklagten vorbenutzt und die Benutzung nicht aufgegeben worden sei.
  100. Der Senat hat im wiedereröffneten Berufungsverfahren Beweis erhoben durch Einholung eines weiteren schriftlichen Gutachtens des gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. H.. Insoweit wird auf die Ergänzungsgutachten vom xx.xx.20xx (Bl. 1545 – 1549 GA) und vom xx.xx.20xx (Bl. 1771 –1775 GA) sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 26. Juni 2025 (Bl. 1866 –1872 GA) Bezug genommen
  101. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten nebst Anlagen verwiesen.
  102. II.
    Die Berufung der Beklagten ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Da die angegriffene Ausführungsform I auch unter Zugrundelegung der eingeschränkten Anspruchsfassung von der technischen Lehre des Klagegebrauchsmusters Gebrauch macht, stehen der Klägerin die nach der teilweisen übereinstimmenden Erledigungserklärung noch in Streit stehenden Ansprüche auf Rechnungslegung, Vernichtung und Feststellung der Schadenersatzpflicht dem Grunde nach für die Zeit bis zum Ablauf des Klagegebrauchsmusters aus §§ 24 Abs. 2, 24a Abs. 1, 24b GebrMG i.V.m. § 242, 259 BGB zu, da sich die Beklagte nicht erfolgreich auf ein privates Vorbenutzungsrecht berufen kann. Dies gilt ebenso für die angegriffene Ausführungsform II, welche die Klägerin in zulässiger Weise in den Rechtsstreit einbezogen hat. Mit der Anpassung des Tenors trägt der Senat der nunmehr streitgegenständlichen Anspruchsfassung, dem zwischenzeitlichen Schutzrechtsablauf sowie der daraufhin erfolgten teilweisen übereinstimmenden Erledigungserklärung Rechnung.
  103. A.
    Gegen eine Einbeziehung der angegriffenen Ausführungsform II in den vorliegenden Rechtsstreit bestehen keine Bedenken.
  104. 1.
    Bei der Ausdehnung der auf das Klagegebrauchsmuster gestützten Ansprüche auf die angegriffene Ausführungsform II handelt es sich um eine Anschlussberufung, denn eine Klageerweiterung des in erster Instanz obsiegenden Klägers und Berufungsbeklagten ist in zweiter Instanz zumindest dann nur auf diesem Weg möglich, wenn die Klage – wie hier – auf einen Gegenstand erstreckt wird, der nicht ohnehin schon unter den Tenor der erstinstanzlichen Entscheidung fällt und daher eine gesonderte Verletzungsprüfung erforderlich macht (vgl. Senat, Urt. v. 01.02.2018 – I-2 U 33/15; Urt. v. 18.06.2010 – I-2 U 43/03; Cepl/Voss/Cassardt, Prozesskommentar zum Gewerblichen Rechtschutz, 3. Aufl. 2022, § 524 Rn. 10). Dass eine derartige gesonderte Verletzungsprüfung in Bezug auf die angegriffene Ausführungsform II erforderlich ist, liegt auf der Hand. Unstreitig weist diese Ausführungsform einen wesentlich höheren Anteil Superabsorber (SAP) auf, der auch anders verteilt ist. Da sich die SAP-Partikel beim Kontakt mit einer Flüssigkeit vollsaugen, entwickeln sie aufgrund dieses Effekts eine Art „Sprengkraft“ gegenüber der in ihrer Umgebung liegenden Struktur, was – ohne dass dies im Ergebnis an dieser Stelle durch den Senat entschieden werden braucht – Einfluss auf die in der Merkmalsgruppe 3 beanspruchte Verbindung benachbarter Zellstofffasern in den Prägebereichen haben kann.
    2.
    Die Anschlussberufung ist zulässig. Insbesondere hat die Klägerin die Anschlussberufungsfrist gewahrt, denn sie hat das Produkt „X“ erstmals mit Schriftsatz vom xx.xx.20xx und damit innerhalb der Berufungserwiderungsfrist in den Rechtsstreit eingeführt, § 524 Abs. 2 S. 2 ZPO. Auch die in § 533 Nr. 1 und 2 ZPO niedergelegten Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Klageerweiterung im Berufungsrechtszug liegen vor. Der Senat hält die Klageerweiterung für sachdienlich, so dass es auf die fehlende Einwilligung der Beklagten nicht ankommt.
  105. Die Sachdienlichkeit einer Klageänderung richtet sich auch in der Berufungsinstanz nach den zu § 263 ZPO geltenden Regeln. Danach hängt die Sachdienlichkeit der Klageänderung davon ab, ob eine Entscheidung auch über die geänderte Klage im selben Verfahren objektiv prozesswirtschaftlich ist, weil sie den Streitstoff des anhängigen Verfahrens zumindest teilweise ausräumt und einem andernfalls zu führenden weiteren Rechtsstreit vorbeugt (vgl. BGH NJW 2000, 800, 803; Senat, GRUR-RR 2013, 1, 2 – Haubenstretchautomat; Urt. v. 01.02.2018 – I-2 U 33/15, BeckRS 2018, 11286 – Polysiliziumschicht). Allein die Vermeidung eines weiteren Rechtsstreits kann allerdings nicht das entscheidende Kriterium für die Sachdienlichkeit einer Klageänderung sein, denn dann müsste die Änderung praktisch immer zugelassen werden, weil der Kläger mit seiner Erweiterung schon seine Entschlossenheit zu einer gerichtlichen Durchsetzung zu erkennen gegeben hat und deshalb in aller Regel auch davon auszugehen ist, dass er ein weiteres Verfahren einleiten wird, wenn im anhängigen Prozess die Klageerweiterung nicht zugelassen wird. Die zweite wesentliche Voraussetzung für eine Anerkennung der Sachdienlichkeit ist, dass für die Beurteilung der geänderten Anträge der bisherige Prozessstoff verwendet werden kann; zu verneinen ist sie, wenn ein völlig neuer Streitstoff eingeführt würde, bei dessen Beurteilung das Ergebnis der bisherigen Prozessführung nicht verwertbar ist (vgl. BGH, NJW 2012, 2662; BGH, Beschl. v. 27.10.2015 – VIII ZR 288/14, BeckRS 2016, 00482; Cepl/Voss/Cassardt, Prozesskommentar zum Gewerblichen Rechtschutz, 3. Aufl. 2022, § 533 Rn. 28).
  106. Um einen solchen Fall handelt es sich aber dann nicht, wenn das bisherige Klageschutzrecht – wie hier – gegenüber einer weiteren, bisher unbekannten Ausführungsform geltend gemacht wird und es bei der Beurteilung der Unterschiede zwischen beiden Ausführungsformen im Wesentlichen darum geht, aus der Ermittlung des Sinngehaltes des Klageschutzrechts im Hinblick auf die weitere Ausführungsform die gebotenen Schlussfolgerungen zu ziehen. Hierbei kann auf die in Bezug auf den bisherigen Streitgegenstand gefundenen Ergebnisse zurückgegriffen werden. Sie können den Ausgangspunkt für die Frage bilden, ob der hinzugekommene Gegenstand der Lehre des Klageschutzrechts entspricht. Dies gilt insbesondere dann, wenn sich die zusätzliche Ausführungsform – wie auch hier – von der bisherigen nur geringfügig unterscheidet und in beiden Fällen dieselben Fragen auftreten, wenn es darum geht, ob die geschützte Lehre verwirklicht wird oder nicht (vgl. Senat, Urt. v. 22.12.2008 – I-2 U 65/07, BeckRS 2009, 05217).
  107. Daraus ergibt sich zugleich, dass in solchen Fällen auch die Voraussetzungen des § 533 Nr. 2 ZPO erfüllt sind, es sei denn, die weitere Ausführungsform hätte schon in erster Instanz angegriffen werden können (Senat, a.a.O.). Dass Letzteres auch auf die angegriffene Ausführungsform II zutrifft, die unstreitig erst nach der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht über die Einzelhandelskette „D.“ vertrieben wurde, ist nicht ersichtlich.
  108. B.
    Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Da die angegriffenen Ausführungsformen wortsinngemäß von der technischen Lehre des Klagegebrauchsmusters Gebrauch machen, stehen der Klägerin die nach der teilweisen übereinstimmenden Erledigungserklärung noch in Streit stehenden Ansprüche auf Rechnungslegung, Vernichtung und Feststellung der Schadenersatzpflicht für die Zeit bis zum Ablauf des Klagegebrauchsmusters aus §§ 24 Abs. 2, 24a Abs. 1, 24b GebrMG i.V.m. § 242, 259 BGB zu. Nachdem das Klagegebrauchsmuster im Gebrauchsmusterlöschungsverfahren nunmehr im hier maßgeblichen Umfang rechtskräftig aufrechterhalten wurde, ist der Senat an diese, zwischen den Parteien des vorliegenden Rechtsstreits ergangene Entscheidung gebunden (§ 19 S. 3 GebrMG).
    1.
    Das Klagegebrauchsmuster betrifft eine saugfähige Faserstoffbahn, die aus einem hohen Anteil miteinander verpresster Zellstofffasern besteht.
  109. Wie das Klagegebrauchsmuster einleitend ausführt, ist es bekannt, cellulosehaltiges Material, wie etwa Holz- oder Pflanzenfasern, zu einer Faserstoffbahn zu verbinden. So offenbart die WO 94/10596, aus trockenen Cellulosefasern und Zusatzstoffen unter Druck absorbierende Bahnenware herzustellen, indem zwischen Kalanderwalzen aus einem Material mit einem Flächengewicht von 30 bis 2000 g/cm2 ein absorbierendes Produkt mit einer spezifischen Dichte von 0,2 – 1,0 g/cm3 komprimiert wird. Dies führt zwar zu einer Erhöhung der Dichte, jedoch besitzt das Material wenig Reißfestigkeit. Um die Reißfestigkeit zu erhöhen müssen synthetische Zusatzstoffe, insbesondere Thermoplaste, hinzugefügt werden, die ein Recycling der Zellstofffasern erschweren (Anlage K 1, S. 1, Z. 11 – 24).
  110. Die Parteien sind sich darüber einig, dass mit der in der Klagegebrauchsmusterschrift genannten WO xx/10xx6 tatsächlich die WO xx/10xx6 gemeint ist (Unterstreichung hinzugefügt).
  111. Dem Klagegebrauchsmuster betrifft vor diesem Hintergrund das technische Problem, eine Faserstoffbahn bereitzustellen, deren Recyclingfähigkeit verbessert ist und die eine erhöhte Reißfestigkeit aufweist (Anlage K 1, S. 1, Z. 24 – 26; BGH, GRUR 2023, 1184 Rn. 11 – Faserstoffbahn).
  112. Zur Lösung dieser Aufgabe schlagen die Schutzansprüche 1, 10 und 11 in Kombination in der durch das Bundespatentgericht aufrechterhaltenen Fassung und hier im Hauptantrag allein streitgegenständlichen Fassung eine Faserstoffbahn mit folgenden Merkmalen vor:
  113. 1. Faserstoffbahn (100), die
  114. 1.1. saugfähig ist und
  115. 1.2. aus einem hohen Anteil miteinander verpresster Zellstofffasern (1) besteht.
  116. 2. Die Zellstofffasern sind mit einem Prägemuster aus punkt- oder linienförmigen Prägebereichen (3) miteinander verpresst.
  117. 3. Die Zellstofffasern sind in den Prägebereichen (3) des Prägemusters infolge hoher Druckbeaufschlagung klebstoff- und bindemittelfrei fusioniert,
  118. 3.1. und zwar dergestalt, dass benachbarte Zellstofffasern im Prägebereich sehr fest und innig miteinander verbunden sind, so dass sich die Verbindung bei Gebrauchstemperatur durch Einwirkung von Wasser nicht löst.
  119. 4. Die Faserstoffbahn (100) weist einen Zusatz an Hilfs- und Füllstoffen auf.
  120. 4.1. Der Zusatz umfasst ein superabsorbierendes Polymer (SAP),
  121. 4.1.1. wobei der Anteil 0,5 bis 70 Gew.-% beträgt.
  122. 2.
    Vor dem Hintergrund des Streits der Parteien bedarf Schutzanspruch 1 näherer Erläuterung.
  123. a)
    Die beanspruchte Faserstoffbahn zeichnet sich dadurch aus, dass sie saugfähig, recycelbar und reißfest ist (vgl. Anlage K 1, 9, Z. 13 – 20 und S. 10, Z. 25 ff).
  124. Eine Möglichkeit, die geforderte Saugfähigkeit zu erreichen, wird in der Beschreibung des Klagegebrauchsmusters genannt. Danach kann eine Flüssigkeit, wie etwa Wasser, zwischen Zellstofffasern aufgenommen werden, wenn die Zellstofffasern unverbunden oder nur schwach aneinander haftend vorliegen (vgl. Anlage K 1, S. 2, Z. 4 – 8 und S. 7, Z. 13 – 17). Da trockene Cellulosefasern zudem einen erheblichen Feuchteanteil binden können, wird das von der Faserstoffbahn aufgenommene Wasser gebunden (vgl. Anlage K 1, S. 2, Z. 14 – 21).
  125. Jedoch weist eine derartige lose Verbindung von Zellstofffasern nur eine geringe Reißfestigkeit auf. Um gleichwohl – in Abgrenzung zum Stand der Technik – eine mechanische Belastbarkeit ohne den Einsatz von Klebstoff oder Bindemitteln zu erreichen und zugleich die Recyclingfähigkeit der Zellstoffbahn zu gewährleisten (vgl. Anlage K 1, S. 1, Z. 18 – 23; S. 2, Z. 9 – 11 und S. 9, 13 – 20; Gutachten S., S. 2 oben und S. 5 Mitte; Gutachten H., S. 3 unten), verfügt die beanspruchte Faserstoffbahn über punkt- oder linienförmige Prägebereiche, in denen die Zellstofffasern miteinander verpresst sind. Die Prägebereiche unterscheiden sich daher von den übrigen Bereichen der Faserstoffbahn dadurch, dass die Zellstofffasern dort nicht nur locker aufeinanderliegen, sondern infolge hoher Druckbeaufschlagung miteinander fusioniert sind (Anlage K 1, S. 2, Z. 4 – 7; Prot. der mV v. 27.05.2021, S. 2, dritter Abs., Bl. 1377R GA). Konkrete Vorgaben hinsichtlich der Intensität der Druckbeaufschlagung finden sich in der Klagegebrauchsmusterschrift ebenso wenig wie in Bezug auf die Art und Weise der Fusionierung.
  126. b)
    Schutzanspruch 1 in der im Gebrauchsmusterlöschungsverfahren aufrechterhaltenen Fassung konkretisiert das Erfordernis der Fusionierung jedoch zumindest vom Ergebnis her, nämlich dergestalt, dass die benachbarten Zellstofffasern im Prägebereich derart fest und innig miteinander fusioniert sein sollen, dass sich die Verbindung bei Gebrauchstemperatur durch die Einwirkung von Wasser nicht löst.
  127. Maßgebend für den Schutzbereich eines Gebrauchsmusters (ebenso wie für den eines Patents) ist gemäß § 12a GebrMG, der inhaltlich § 14 PatG entspricht, der Inhalt der Schutzansprüche, zu deren Auslegung die Beschreibung und die Zeichnungen heranzuziehen sind. Da „Inhalt“ nicht „Wortlaut“ bedeutet, sondern „Sinngehalt“, kommt es insoweit darauf an, welchen Sinngehalt der von einem Gebrauchsmuster oder Patent angesprochene Durchschnittsfachmann einem in einem Gebrauchsmuster- oder Patentanspruch verwendeten Begriff unter Berücksichtigung des gesamten Offenbarungsgehalts der Gebrauchsmuster- oder Patentschrift beimisst. Insoweit ist eine Gebrauchsmuster- oder Patentschrift im Hinblick auf die in ihr gebrauchten Begriffe gleichsam ihr eigenes Lexikon; ergibt der Gesamtzusammenhang der Schrift, dass ein in ihr benutzter Begriff ausnahmsweise in einem anderen, z. B. einem engeren Sinne zu verstehen ist, als es dem allgemeinen Sprachgebrauch entspricht, so ist dieser Sinn maßgebend (vgl. dazu BGH, GRUR 1999, 909, 912 – Spannschraube; BGHZ 150, 149 155 f. = GRUR 2002, 515 – Schneidmesser I; BGH, GRUR 2016, 1031, 1032 – Wärmetauscher; Urt. vom 09.05.2017 – X ZR 102/15, BeckRS 2017, 117715 – Anregungen und erfinderische Tätigkeit).
  128. Der Durchschnittsfachmann, ein Dipl.-Ing. des Maschinenbaus mit der Fachrichtung Verfahrenstechnik und Kenntnissen in der Zellstoffchemie sowie der Verarbeitung von Zellstofffasern oder eine Person mit einem ingenieur- oder naturwissenschaftlichen Universitäts- oder Fachhochschulstudium auf dem Gebiet der Verfahrens- oder Papiertechnik, dem Chemieingenieurwesen oder der chemischen Technik oder ein Chemiker mit Hochschul- oder Universitätsabschluss mit dem Schwerpunkt Polymerchemie/Biopolymere, der den Sinngehalt von Anspruch 1 des Klagegebrauchsmusters ermitteln will, wird sich daher fragen, welche technische Bedeutung (und damit: welche Auswirkungen für die Auslegung des gesamten Anspruchs 1) die Merkmalsgruppe 3. hat (vgl. zum Fachmann Gutachten S., S. 1 Mitte sowie Gutachten H., S. 3 oben).
  129. Bei der Vliesherstellung aus Cellulose-/Zellstofffasern wird das Vlies üblicherweise durch mechanischen Druck, etwa zwischen Kalanderwalzen, verfestigt. Resultiert daraus eine vollflächige Verdichtung der Faserstoffbahn, erhöht sich dadurch zwar einerseits die mechanische Festigkeit gegen ein Desintegrieren (Auffasern, Lösen). Zugleich kann sich jedoch auch die Wasseraufnahme reduzieren (Gutachten H., S. 4 Mitte). Vor diesem Hintergrund verzichtet die Erfindung auf eine solche vollflächige Verpressung des Faserstoffs und lässt stattdessen ein Verpressen der Zellstofffasern mit einem Prägemuster aus punkt- oder linienförmigen Prägebereichen genügen. Dadurch wird einerseits eine mechanische Festigkeit (Reißfestigkeit) erreicht. Zugleich bleibt in dem nicht verfestigten Bereich ohne die punkt- oder linienförmige Verprägung eine höhere Wasseraufnahme bestehen.
  130. Wie genau diese punkt- oder linienförmige Prägung erfolgt, stellt das Klagegebrauchsmuster in das Belieben des Fachmanns, solange sie nur, wie von Merkmal 3. gefordert, auf einer klebstoff- und bindemittelfreien Fusion der Zellstofffasern infolge hoher Druckbeaufschlagung beruht (Gutachten H., S. 4 unten). Erfindungsgemäß entstehen die Verbindungen daher aufgrund der hohen Druckbeaufschlagung, wobei die Länge der Fasern (Feinheit, Titer) und die chemische Beschaffenheit zu starken physikochemischen Wechselwirkungen führen. Damit sind die einer Druckbeaufschlagung unterzogenen Bereiche deutlich stabiler gegen den Einfluss von (flüssigem) Wasser oder wässrigen Medien (Gutachten H., S. 8 oben). Die Frage, welche dieser Wechselwirkungen letztlich zu der notwendigen festen und innigen Verbindung der Cellulose-/Zellstofffasern führen, steht demgegenüber außerhalb der Erfindung. Es kann sich hierbei daher sowohl um die hydrophoben Van-der-Waals-Kräfte als auch um die Wasserstoffbrücken-Bindungszahl und -dichte oder die bisher nicht völlig verstandene Wechselwirkung zwischen Cellulose-/Zellstofffasern („Verhornung“) handeln (Gutachten H., S. 5 Mitte; Prot. der mV v. 27.05.2021, S. 2, dritter Abs., Bl. 1377R GA).
  131. Indem die Fusion der Zellstofffasern im Prägebereich durch die Einwirkung von Wasser nicht gelöst wird (Merkmal 3.1.), ist die Faserstoffbahn sowohl im trockenen als auch im nassen Zustand mechanisch hoch belastbar und daher „nassfest“ (vgl. Anlage K 1, S. 3, Z. 1 – 3 und S. 5, Z. 7 – 10). Da in Schutzanspruch 1 in der streitgegenständlichen Fassung klargestellt ist, dass sich die Verbindung der Zellstofffasern nicht bei der Einwirkung von Wasser lösen darf, ist zugleich klar, dass es für die Verwirklichung der technischen Lehre des Klagegebrauchsmusters nicht ausreicht, wenn sich die Zellstofffasern lediglich bei der Einwirkung von Feuchtigkeit nicht lösen. Zwar umfasst der Begriff der Feuchtigkeit zugleich auch Wasser, er ist jedoch, worauf sowohl die Beklagte als auch das Bundespatentgericht (Anlage rop 4, S. 10 unten – S. 11 oben) und der durch den Senat bestellte Gutachter S. (Gutachten, S. 3 oben) zu Recht hingewiesen haben, weiter, indem er etwa auch Wasserdampf und damit die allgemeine Luftfeuchtigkeit umfasst. Nachdem allerdings das Klagegebrauchsmuster in seiner Beschreibung ausdrücklich auf die Nassfestigkeit der Faserstoffbahn abstellt, kann kein Zweifel daran bestehen, dass es erfindungsgemäß um die Einwirkung von flüssigem Wasser geht (Gutachten H., S. 5 unten).
  132. Ausdrückliche Vorgaben, in welchem Umfang, etwa hinsichtlich welcher Wassermenge oder hinsichtlich welcher Einwirkungsdauer, die Bindungen zwischen den Zellstofffasern der Einwirkung von Wasser standhalten müssen, sind weder dem streitgegenständlichen Schutzanspruch noch der Klagegebrauchsmusterbeschreibung zu entnehmen. Dem Fachmann ist jedoch vor dem Hintergrund der Aufgabe der Erfindung, die Reißfestigkeit unter Beibehaltung der Saugfähigkeit zu erhöhen, und dem ausdrücklichen Hinweis auf die Gebrauchstemperatur im Schutzanspruch klar, dass sich die Verbindung benachbarter Zellstofffasern zumindest bei den beim Gebrauch der Faserstoffbahn üblichen Wassermengen nicht lösen darf. Zudem kommt es für eine schutzrechtsgemäße Fusionierung weder darauf an, wie sich die Verbindung der Zellstofffasern unter Extrembedingungen verhält, noch darauf, welche Auswirkungen andere Stoffe auf die Verbindung der Zellstofffasern haben. Ausreichend, aber auch erforderlich ist die fehlende Löslichkeit durch die Einwirkung von Wasser bei Gebrauchstemperatur, das heißt der Temperatur, bei der die beanspruchte Faserstoffbahn üblicherweise zum Einsatz kommt; bei den hier relevanten Damenbinden somit in einem Bereich von 10 °C bis zur Körpertemperatur (Gutachten S., S. 6 Mitte).
  133. c)
    Was unter dem Begriff des „Nicht-Lösens“ zu verstehen sein soll, definiert das Klagegebrauchsmuster nicht ausdrücklich. Die Beklagte meint, der Begriff sei restriktiv zu verstehen. Ein „Nicht-Lösen“ liege daher nur dann vor, wenn sich keine der zahlreichen Faserverbindungen im Prägebereich löse. Dem Fachmann sei außerdem bewusst, dass ein „Lösen“ nicht erst dann vorliege, wenn sich die Faserbereiche vollständig voneinander gelöst hätten. Vielmehr sei von einem „Lösen“ bereits dann auszugehen, wenn der Prozess des „Lösens“ eingeleitet worden sei, das heißt dann, wenn sich die Faserbereiche beginnen, voneinander zu lösen, weil sich bereits dadurch die Festigkeit innerhalb der Prägebereiche verringere. In diesem Zusammenhang sei auch zu berücksichtigen, dass es sich bei den Prägebereichen einer Faserstoffbahn um eine dreidimensionale Struktur handele. Da ein „Nicht-Lösen“ voraussetze, dass sich keine der Faserverbindungen im Prägebereich löse, sei die Erfüllung des Merkmals bereits dann ausgeschlossen, wenn sich in nur einer Achse, das heißt der x-, y- oder z-Achse, Faserverbindungen lösen.
  134. Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Eine derartige, restriktive Auslegung des Begriffs des „Nicht-Lösens“ wird vom Anspruchswortlaut nicht erzwungen; im Gegenteil zielt der Begriff des „Nicht-Lösens“ der Faserverbindung auf einen bestimmten Materialzustand und nicht auf den hierzu führenden Vorgang ab. Zwar sollen sich nach der Formulierung des streitgegenständlichen Schutzanspruchs die Verbindungen der Zellstofffasern bei der Einwirkung von Wasser nicht lösen. Die Beschreibung des Klagegebrauchsmusters (S. 3, Z. 1–3) hebt insoweit hervor, dass sich die erfindungsgemäße Faserstoffbahn unter Verwendung der geprägten Bereiche durch eine hohe mechanische Belastbarkeit auch im nassen Zustand auszeichnet. Damit ist aber nicht zwingend vorgegeben, dass die mechanische Belastbarkeit derjenigen im trockenen Zustand entsprechen muss und sich die Verbindung in benachbarten Zellstofffasern in den Prägebereichen unter Wassereinwirkung nicht verändern darf (BGH, GRUR 2023, 1184 Rn. 35 – Faserstoffbahn). Insbesondere bedeutet dies nicht, dass die Verbindung aller Fasern in allen Richtungen im vollen Umfang erhalten bleiben muss.
  135. Ein solches einengendes Verständnis ist auch unter funktionalen Gesichtspunkten nicht geboten. Dem Fachmann ist vor dem Hintergrund der Aufgabe, die mechanische Belastbarkeit und Reißfestigkeit auch bei der Einwirkung von Wasser zu erhalten, vielmehr bewusst, dass die Prägebereiche auch im nassen Zustand vorhanden sein müssen. Nachdem die Fasern zwischen den Prägebereichen allenfalls schwach aneinanderhaften, lässt sich die angestrebte hohe mechanische Belastbarkeit und Reißfestigkeit auch im nassen Zustand nur so realisieren. Auch im nassen Zustand müssen demnach so viele Verbindungen zwischen benachbarten Zellstofffasern existieren, dass der jeweilige Prägepunkt erhalten bleibt (so auch BPatG, Anlage rop 14, S. 14 unten – S. 15 oben). Nur so lässt sich gewährleisten, dass die Faserstoffbahn (insgesamt) auch im nassen Zustand eine hohe mechanische Belastbarkeit und Reißfestigkeit besitzt (Anlage K 1, S. 1, Z. 24 – 26). Mit anderen Worten müssen die Fasern so nah aneinanderbleiben, dass der für die Bindung verantwortliche Mechanismus aufrechterhalten bleibt. Von außen erkennbar ist das „Nicht-Lösen“ dadurch, dass unter den relevanten Bedingungen keine Dispergierung oder kein Zerfall in einzelne Fasern erfolgt. Angewandt auf den Fall der geprägten Zellstoffbahnen für Slipeinlagen müssen die Fasern daher in den geprägten Bereichen aneinander haften bleiben, wobei das Verändern der Geometrie des Faserverbundes, z.B. durch Aufquellen, kein „Lösen“ der Verbindung darstellt (BGH, GRUR 2023, 1184 Rn. 34 – Faserstoffbahn). Bei gelösten Verbindungen zwischen den Zellstofffasern liegen die Fasern vielmehr wieder vereinzelt vor (Gutachten S., S. 7, zweiter Abs.; Gutachten H., S. 5 unten); es entsteht eine Fasersuspension (Prot. der mV v. 27.05.2021, S. 4, Bl. 1378R GA).
  136. Damit die Faserstoffbahn auch im nassen Zustand über eine hohe mechanische Belastbarkeit verfügt (Anlage K 1, S. 3, Z. 1 – 3), reicht es allerdings nicht, dass sich nur einzelne Prägebereiche durch die Einwirkung von Wasser nicht lösen. Nachdem die Fasern zwischen den Prägebereichen allenfalls schwach aneinanderhaften (Anlage K 1, S. 2, Z. 4 – 7), müssen vielmehr die Prägebereiche (und nicht lediglich ein Prägebereich) im nassen Zustand bestehen bleiben. Zwar beschreibt Merkmal 3.1. das „Nicht-Lösen“ durch die Einwirkung von Wasser lediglich im Hinblick auf einen Prägebereich. Allerdings darf der Fachmann bei seiner Suche nach dem Sinngehalt des Schutzanspruchs nicht aus dem Blick verlieren, dass Merkmal 3.1. lediglich die in Merkmal 3. angesprochene klebstoff- und bindemittelfreie Fusion der Zellstofffasern in den Prägebereichen (Unterstreichung hinzugefügt) näher konkretisiert. Es sind somit die Prägebereiche des Prägemusters, deren Zellstofffasern sehr fest und innig miteinander verbunden sein müssen, und zwar derart, dass sich die Verbindung bei Gebrauchstemperatur durch die Einwirkung von Wasser nicht löst.
  137. Aus der Erwägung, dass es für eine Verwirklichung der beanspruchten technischen Lehre nicht ausreicht, wenn einzelne Prägebereiche der Einwirkung von Wasser standhalten, lässt sich allerdings nicht im Umkehrschluss folgern, es müssten stets alle betrachteten Prägepunkte der intakten Faserstoffbahn eines intakten Saugkerns unter Gebrauchsbedingungen bestehen bleiben (Gutachten H., S. 6 unten, Ergänzungsgutachten H., S. 9 oben). Soweit das Bundespatentgericht hiervon abweichend ein Nicht-Lösen der Verbindung benachbarter Zellstofffasern durch Einwirkung von Wasser grundsätzlich in allen Prägebereichen verlangt hat (BPatG, S. 15, zweiter Abs.), ist ein solch enges Verständnis des Schutzbereichs weder nach dem Wortlaut des Schutzanspruchs noch unter funktionalen Aspekten geboten. Merkmal 3.1. verhält sich nicht explizit dazu, ob die geforderten Eigenschaften in der Gesamtheit des geprägten Bindematerials erfüllt sein müssen oder ob jeder, aus dem Bindematerial herausgelöste Prägebereich isoliert betrachtet der Definition genügen muss. Der Fachmann wird diese Frage daher unter Berücksichtigung seines Fachwissens und der zu lösenden Aufgabe, die Reißfestigkeit der Faserstoffbahn zu verbessern, beantworten. Davon ausgehend gelangt er zu der Erkenntnis, dass es dem Klagegebrauchsmuster um eine Stabilitätserhöhung des Saugkerns geht, was es rechtfertigt, auch kooperative Effekte der Gesamtheit der Prägepunkte in die Erwägungen einzubeziehen (Stellungnahme H., S. 4, Z. 77 – 89). Halten einzelne Prägepunkte dem Einfluss des Wassers nicht stand, führt dies solange nicht aus dem Schutzbereich des Klagegebrauchsmusters heraus, wie eine solche Zahl von Prägepunkten erhalten bleibt, dass sich insgesamt ein mechanisch stabiles Produkt ergibt (vgl. Stellungnahme H., S. 2, Z. 15 – 23; S. 3, Z. 69), bei dem die den Saugkern stabilisierenden Prägepunkte nicht zerstört worden sind (Stellungnahme H., S. 2, Z. 24 f.). Es genügt also, wenn die Zellstofffasern in den Prägebereichen unter Wassereinwirkung noch so verbunden sind, dass genügend Prägepunkte erhalten bleiben, die zur angestrebten erhöhten Reißfestigkeit und mechanischen Belastbarkeit der Faserstoffbahn beitragen; unter dieser Voraussetzung ist es unerheblich, wenn einzelne Prägebereiche unter Wassereinwirkung dispergieren (BGH, GRUR 2023, 1184 Rn. 33 – Faserstoffbahn).
  138. Dass dem so sein muss, verdeutlicht folgende Kontrollüberlegung: Schutzanspruch 1 gibt kein explizites Mindestmaß an Prägebereichen vor. Ebenso wenig bedarf es im Fall eines punktförmigen Prägemusters einer bestimmten Rasterdichte, wie sie in Unteranspruch 2 thematisiert wird. Um das Ziel einer auch im nassen Zustand reißfesten und mechanisch belastbaren (Anlage K 1, S. 3, Z. 2 f.) Faserstoffbahn zu erreichen, bedarf es gleichwohl einer bestimmten Anzahl von Prägebereichen, was in Schutzanspruch 1 durch die Bezugnahme auf die Prägebereiche (und nicht einen einzelnen Prägebereich) Niederschlag gefunden hat. Die Entscheidung, über dieses, für die ausreichende Reißfestigkeit notwendige Mindestmaß hinaus weitere Prägebereiche vorzusehen, obliegt dem Fachmann. Entscheidet er sich für den Einsatz zusätzlicher Prägebereiche und lösen sich diese unter dem Einfluss von Wasser, kann sich nichts anderes ergeben als im Fall einer von vornherein vorgenommenen Beschränkung des Prägemusters auf die für die angestrebte Reißfestigkeit zwingend notwendigen und nassfesten Prägebereiche. In beiden Fällen steht am Ende ein Prägemuster, bei dem sich unter dem Einfluss von Wasser eine solche Zahl von Prägebereichen nicht löst, dass eine hinreichende Stabilität der – durch Schutzanspruch 1 unter Schutz gestellten – Faserstoffbahn gewährleistet ist.
  139. Da die Prägebereiche die Reißfestigkeit stets und damit auch in Gegenwart der nach der nunmehr streitgegenständlichen Anspruchsfassung zwingend vorhandenen Superabsorber gewährleisten sollen, dürfen sich die Verbindungen zwischen den Zellstofffasern schließlich auch dann nicht unter der Einwirkung von Wasser lösen, wenn derartige Superabsorber in der Faserstoffbahn vorhanden sind.
  140. d)
    Nach der nunmehr in den streitgegenständlichen Schutzanspruch aufgenommenen Merkmalsgruppe 4 weist die Faserstoffbahn einen Zusatz an Hilfs- und Füllstoffen auf, wobei der Zusatz ein superabsorbierendes Polymer (SAP) umfasst, dessen Anteil 0,5 – 70 Gew.-% beträgt. Davon ausgehend entnimmt der Fachmann der Formulierung des Schutzanspruchs keinen Hinweis darauf, dass es, wie die Beklagte meint, zwingend einer Mehrzahl an Hilfs- und Füllstoffen bedarf, von denen einer ein superabsorbierendes Polymer (SAP) ist. Denn ein Zusatz an Hilfs- und Füllstoffen liegt auch dann vor, wenn der Faserstoffbahn lediglich ein superabsorbierendes Polymer (SAP) hinzugefügt wurde. Aus der Formulierung „umfasst“ folgt demgegenüber nur, dass es sich bei dem Zusatz zumindest um ein superabsorbierendes Polymer handeln muss, neben dem weitere Zusatzstoffe vorhanden sein können, aber nicht müssen. Auch im Schutzanspruch 10 werden mögliche Beispiele der Zusammensetzung des beanspruchten Zusatzes in einem Alternativverhältnis genannt. Jede der dort genannten Komponenten kann demnach für sich genommen den Zusatz an Hilfs- und Füllstoffen bilden (BGH, GRUR 2023, 1184 Rn. 43 – Faserstoffbahn).
  141. Anhaltspunkte für ein einengendes Verständnis finden sich auch nicht in der Klagegebrauchsmusterbeschreibung. Vielmehr bestätigt diese den Fachmann in der Annahme, dass für die Verwirklichung der Unteransprüche 10 und 11 auch die bloße Anwesenheit eines Superabsorbers ausreicht. Denn auf Seite 4, Z. 15 – 18 werden Titandioxid und ein superabsorbierendes Polymer (SAP) ausdrücklich als Alternativen genannt. Hinweise darauf, dass neben dem superabsorbierenden Polymer (SAP) zwingend ein weiterer Hilfs- bzw. Füllstoff treten muss, finden sich in der Beschreibung des Klagegebrauchsmusters demgegenüber nicht. Eine kumulative Verwendung verschiedener Stoffe ist auch dort nicht zwingend vorgesehen (BGH, GRUR 2023, 1184 Rn. 44 – Faserstoffbahn).
  142. Vor diesem Hintergrund ergibt sich aus der Verwendung des Plurals in Bezug auf die Hilfs- und Füllstoffe nichts Gegenteiliges. Vielmehr liegt ein Zusatz an Hilfs- und Füllstoffen nach dem maßgeblichen Verständnis der Klagegebrauchsmusterschrift bereits dann vor, wenn dieser aus einer bestimmten Menge eines Stoffs gebildet wird (BGH, GRUR 2023, 1184 Rn. 45 f. – Faserstoffbahn).
  143. Die vorstehend zitierte Passage (S. 4, Z. 15 – 18) der Klagegebrauchsmusterbeschreibung beantwortet zugleich die durch die Beklagte aufgeworfenen Frage, ob es für die Bestimmung des SAP-Anteils auf die Gewichtsverhältnisse nach der Einwirkung von Wasser, also im nassen Zustand, oder auf den trockenen Zustand ankommt. Denn das Klagegebrauchsmuster stellt an dieser Stelle darauf ab, dass die Hilfs- und Füllstoffe dem Ausgangsmaterial beigefügt werden sollen. Damit ist in Ermanglung entgegenstehender Anhaltspunkte klar, dass sich auch die im Schutzanspruch genannten Mengenangaben zwingend auf die trockene Faserstoffbahn beziehen und nicht auf den, auch nicht hinreichend definierten Zustand nach dem Gebrauch.
  144. Soweit die Klagegebrauchsmusterbeschreibung auf S. 4, Z. 19 – 21 schließlich davon spricht, die als Superabsorber bekannten Acrylatverbindungen ließen sich in Pulverform in einer Menge von 0,5 – 70 Gew.-% der Gesamtmasse beimischen, folgt daraus nicht, dass die SAP für eine Verwirklichung der beanspruchten technischen Lehre zwingend gleichmäßig über die gesamte Faserstoffbahn verteilt sein müssen. Unteranspruch 11, bei dem es sich um einen Erzeugnis- und keinen Verfahrensanspruch handelt, verlangt lediglich, dass der Anteil an SAP 0,5 – 70 Gew.-% der Gesamtmasse beträgt. Ein Hinweis darauf, dass die entsprechenden SAP zwingend der Gesamtmasse beigefügt werden müssten, findet sich in Unteranspruch 11 demgegenüber nicht. Unter den Schutzanspruch fällt somit auch eine Gestaltung, bei der sich die SAP in den Randbereichen der Faserstoffbahn befinden, solange ihr Anteil, bezogen auf die Gesamtmasse, den in Unteranspruch 11 aufgestellten Anforderungen genügt.
  145. Einer gleichmäßigen Verteilung der Superabsorber in der Faserstoffbahn bedarf es im Übrigen auch nicht unter Berücksichtigung ihrer Funktion. Denn sie sollen Flüssigkeit, die mit der Faserstoffbahn in Kontakt tritt, binden, wobei diese Flüssigkeit von der Faserstoffbahn auch bei physikalischen Einwirkungen (z. B. Druck) nicht wieder abgegeben werden soll. Diese Funktion wird jedoch auch dann gewährleistet, wenn sich der Superabsorber an der Grenzfläche (Oberfläche) der Faserstoffbahn befindet.
  146. 3.
    Ausgehend von diesen Überlegungen machen die angegriffenen Ausführungsformen von der technischen Lehre des Klagegebrauchsmusters Gebrauch.
  147. a)
    Soweit sich die Beklagte in Bezug auf die angegriffene Ausführungsform I darauf beruft, die Fusion der Zellstofffasern sei bei der angegriffenen Ausführungsform I aufgrund des vorhandenen Silikons nicht bindemittelfrei, kann sie damit in der zweiten Instanz nicht gehört werden. Insoweit liegt keiner der in § 531 Abs. 2 ZPO genannten Ausnahmetatbestände vor, der eine ausnahmsweise Berücksichtigung dieses neuen tatsächlichen Vorbringens erlauben würde (BGH, GRUR 2023, 1184 Rn. 60 ff. – Faserstoffbahn).
  148. Gemäß § 531 Abs. 1 Nr. 3 ZPO sind neue Angriffs- und Verteidigungsmittel dann zuzulassen, wenn ihre Geltendmachung in erster Instanz nicht aus Nachlässigkeit der Partei unterblieben ist. Ausgeschlossen ist demnach die Berücksichtigung solcher Umstände, die in erster Instanz nicht vorgebracht wurden, obwohl sie und ihre Bedeutung für den Ausgang des Rechtsstreits der Partei vor Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem erstinstanzlichen Gericht bekannt waren oder hätten bekannt sein müssen (BGH, NJW 2004, 2152; Musielak/Ball, ZPO, 22. Aufl. 2025, § 531 Rn. 19). Zu berücksichtigen sind daher alle Tatsachen, die erst nach der letzten mündlichen Verhandlung erster Instanz entstanden (BGH, NJW-RR 2005, 1687 f.; BGH, GRUR 2011, 853, 854 – Treppenlift) oder der Partei erst nach diesem Zeitpunkt bekannt geworden sind, ohne dass dies auf Nachlässigkeit beruht (BGH, r+s 2010, 420, 421; Musielak a.a.O.). Soweit eine Partei ihr bekannte oder für sie erkennbare Tatsachen nicht vorgetragen oder sonst Angriffs- oder Verteidigungsmittel nicht geltend gemacht hat, obwohl ihr dies objektiv möglich gewesen wäre, hängt die Zulassung entsprechenden neuen Vorbringens in der zweiten Instanz davon ab, ob die Partei bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt die Entscheidungsrelevanz des betreffenden Vorbringens hätte erkennen können (Musielak, a.a.O., Rn. 19b).
  149. Davon ausgehend kann die Beklagte in der Berufungsinstanz nicht mit dem Einwand gehört werden, die Fusion erfolge bei der angegriffenen Ausführungsform I nicht wie von Schutzanspruch 1 gefordert „klebstoff- und bindemittelfrei“, weil die angegriffene Ausführungsform I Silikon enthalte. Denn insoweit verweist sie lediglich auf das durch die Klägerin bereits erstinstanzlich als Anlage K 7 vorgelegte Gutachten (dort S. 6, Ziff. 4.2.4.), ohne dass erkennbar wäre, weshalb sie vor diesem Hintergrund die Bindemittelfreiheit nicht bereits erstinstanzlich bestritten hat.
  150. Ein anderes Ergebnis ist auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil Schutzanspruch 1 nunmehr dahingehend enger gefasst ist, dass es nicht mehr genügt, dass die Zellstofffasern bindemittel- und/oder klebstofffrei fusioniert sind, sondern dass die Verbindung nunmehr bindemittel- und klebstofffrei sein muss. Denn der durch die Klägerin beauftragte Gutachter hat in seinem Privatgutachten ausdrücklich festgestellt, dass die untersuchte Ausführungsform keine Bindemittel oder Klebstoffe enthält (vgl. Anlage K 7, S. 10 unten). Dem ist die Beklagte erstinstanzlich gleichwohl nicht entgegengetreten.
  151. b)
    Demgegenüber ist das Bestreiten einer Verletzung des Klagegebrauchsmusters durch die Beklagte beachtlich, soweit sie vorträgt, die angegriffene Ausführungsform I mache deshalb von der technischen Lehre des Klagegebrauchsmusters keinen Gebrauch, weil sich die Verbindung der Zellstofffasern in Wasser löse. Das Merkmal der fehlenden Wasserlöslichkeit der Zellstofffaserverbindungen in den Prägebereichen war bisher im Schutzanspruch nicht enthalten. Entsprechend muss die Beklagte Gelegenheit haben, zu diesem Merkmal Stellung zu nehmen und dessen Verwirklichung ggf. zu bestreiten, § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO.
  152. aa)
    Es braucht an dieser Stelle nicht entschieden werden, wie der Fall zu behandeln wäre, wenn der Schutzanspruch nunmehr genau entsprechend der erstinstanzlichen Auslegung der Klägerin gefasst worden wäre. Dies ist hier jedenfalls nicht der Fall. Die Klägerin hat erstinstanzlich den Begriff „Fusion“ zwar teilweise im Sinne einer „Nassfestigkeit“ ausgelegt, diesen jedoch nicht durchgängig im Sinne einer Wasserunlöslichkeit, sondern teilweise auch in dem Sinne gebraucht, dass sich die Zellstofffasern unter der Einwirkung von Feuchtigkeit nicht lösen. So hat die Klägerin in der Vorinstanz ausgeführt:
  153. „Durch eine mittels Prägeelementen […] ausgeübte hohe Druckbeaufschlagung wird bei der Herstellung einer erfindungsgemäßen Faserstoffbahn erreicht, dass benachbarte Zellstofffasern im Prägebereich sehr fest und innig miteinander verbunden (fusioniert) sind. Diese Verbindung wird bei Gebrauchstemperatur auch durch die Einwirkung von Feuchtigkeit nicht gelöst (Bl. 10 GA).“
    „Da die Faserstoffbahnen gerade im Sanitärbereich Einsatz finden sollen und es sich um saugfähige Faserstoffbahnen handeln soll, ist für die Eigenschaften des geschützten Produktes entscheidend, dass die benachbarten Zellstofffasern im Prägebereich sehr fest und innig miteinander verbunden sind und dass diese Verbindung bei Gebrauchstemperatur auch durch die Einwirkung von Feuchtigkeit nicht gelöst wird (Bl. 124 GA).“
    Zwar hat die Klägerin an anderer Stelle teilweise auch auf die fehlende Wasserlöslichkeit abgestellt (vgl. S. 11 der Klageschrift, Bl. 12 GA). Allerdings setzt sie auch dort die Wasserunlöslichkeit mit einer fehlenden Löslichkeit bei der Einwirkung von Feuchtigkeit gleich, indem es heißt:
  154. „Zum anderen hat der Gutachter die Proben gewässert und beobachtet, dass sich die Verbindung der Fasern unter Feuchtigkeitseinwirkung nicht löst (Bl. 12 GA).“
  155. Auch das Landgericht hat erstinstanzlich den Begriff der „Fusion“ zumindest teilweise mit einer fehlenden Löslichkeit bei der Einwirkung von Feuchtigkeit definiert:
  156. „Nach dem technischen Sinngehalt des Klagegebrauchsmusters ist das Merkmal 3, wonach in den Prägebereichen des Prägemusters infolge hoher Druckbeaufschlagung klebstoff- und/oder bindemittelfrei fusionierte Zellstofffasern vorliegen, dahingehend zu verstehen, dass die durch Druckbeaufschlagung komprimierten Fasern in den Prägebereichen des Prägemusters so fest und innig miteinander verbunden sein sollen, dass die Fasern bei Gebrauchstemperatur auch durch die Einwirkung von Feuchtigkeit nicht gelöst werden (Bl. 184 GA).“
  157. „Daraus ergibt sich, dass bei Einwirkung von Feuchtigkeit eine Lösung der Fasern miteinander im Prägebereich nicht erfolgen soll, das heißt die feste und innige Verbindung fortbesteht (Bl. 185 GA).“
  158. „Danach müssten – das Verständnis der Beklagten zugrunde legend, dass unter „diese“ die Zellstoffbahn zu verstehen ist – die Zellstofffasern einerseits außerhalb der Prägebereiche gelockert übereinander oder nur schwach aneinander haftend vorliegen, andererseits jedoch bei Gebrauchstemperatur auch durch Einwirkung von Feuchtigkeit nicht gelöst werden (Bl 186 GA).“
  159. Dass die nunmehr von Schutzanspruch 1 geforderte „Wasserunlöslichkeit“ nicht in jedem Fall mit der fehlenden Löslichkeit bei der Einwirkung von Feuchtigkeit gleichzusetzen ist, hat der Senat im Rahmen der Auslegung des Klagegebrauchsmusters bereits ausgeführt. Insbesondere umfasst die fehlende Löslichkeit bei der Einwirkung von Feuchtigkeit auch die bloße Einwirkung von Wasserdampf. Zwar durfte sich die Beklagte erstinstanzlich nicht darauf verlassen, das Landgericht werde ihrer Auslegung des Klagegebrauchsmusters folgen, da jede Partei mit einer Zurückweisung ihrer Einwände rechnen muss. Auch durfte sie nicht möglicherweise liquide Einwendungen zurückhalten und erst einmal abwarten, wie sich das Gericht zu dem schon vorgebrachten Prozessstoff stellt (vgl. Senat, Urt. v. 15.04.2010 – I-2 U 15/09, BeckRS 2010, 15818 – Treppenlift). Um einen solchen Fall handelt es sich jedoch dann nicht, wenn – wie hier – der streitgegenständliche Schutzanspruch nachträglich neu gefasst wird.
  160. bb)
    Dies vorausgeschickt ist der Senat nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass sich die Verbindung der benachbarten Zellstofffasern bei Gebrauchs-temperatur bei den angegriffenen Ausführungsformen durch die Einwirkung von Wasser nicht löst. Ein solches Nicht-Lösen hat der als gerichtlicher Sachverständiger beauftragte Prof. Dr. H., wie auch zuvor Prof. Dr.-Ing. S., ausdrücklich und überzeugend für beide angegriffene Ausführungsformen festgestellt (Gutachten H., S. 8 und 10; Ergänzungsgutachten S. 9 und 16).
  161. Im Rahmen seiner, im Vorfeld mit den Parteien abgestimmten Untersuchungen hat der Sachverständige Prof. Dr. H. zunächst in einem Set von experimentellen Studien die isolierten Prägepunkte untersucht. Daneben hat er das Verhalten der Prägepunkte beim Kontakt mit Wasser geprüft (vgl. Gutachten, S. 8 unten). Zwar hat der Sachverständige beobachtet, dass sich einige der isolierten Prägepunkte im Wasser teilweise lösen (desintegrieren). Dies hat der Sachverständige jedoch nachvollziehbar damit begründet, dass durch das Verletzen/Zerschneiden der im Saugkern miteinander verbundenen, benachbarten Zellstofffasern der Zusammenhalt gestört sei. Darüber hinaus erscheine es logisch, dass an den Schnittstellen SAP austreten könne (Gutachten, S. 8 unten – S. 9 oben; Ergänzungsgutachten, S. 10 unten). Soweit die Prägepunkte in den Randbereichen zerfasern, handele es sich dabei um einen unvermeidbaren, durch das Herauslösen der Prägepunkte aus den Probenkörpern verursachten Effekt (Gutachten, S. 9 Mitte). Die aus den Randbereichen herausgelösten Fasern hätten auf die Stabilität des Saugkerns keinen Einfluss (Ergänzungsgutachten, S. 11, zweiter Abs.). Im Hinblick auf den durch die Beklagte wiederholt angesprochenen vermeintlichen Zerfall von knapp der Hälfte (Ca. 18) bzw. knapp 2/3 der Prägebereiche (Cb. 14 bzw. X. 17) hat der Sachverständige nachvollziehbar erläutert, dass ein solcher Zerfall nicht mit der Entstehung einer Fasersuspension gleichzusetzen ist. Auch ein in zwei Hälften zerfallener Prägepunkt bestehe aus Fasern, die stabil miteinander verbunden seien (Prot. der mV v. 27.05.2021, S. 12 f., Bl. 1382R f.GA). Die Fasern sind dementsprechend auch in einem solchen Fall, wie von Merkmal 3.1. gefordert, nicht gelöst.
  162. Nach der für den Senat nachvollziehbaren und plausiblen Begründung des Sachverständigen kann die Verletzungsfrage allerdings nicht allein anhand einer Untersuchung der Prägepunkte beantwortet werden, da die Verletzung des Materials durch das Heraustrennen der Prägepunkte aus dem Saugkern einen Einfluss auf die Stabilität hat (Gutachten H., S. 9 Mitte). Deshalb bedürfe es nach Auffassung des Sachverständigen zusätzlich einer Untersuchung der Saugkerne. Aufgrund der experimentellen Ergebnisse an den Saugkernen könne man davon ausgehen, dass die Prägepunkte stabil seien (Prot. der mV v. 27.05.2021, S. 10, Bl. 1381R GA). Die Saugkerne quellten, woraufhin die vom gequollenen Saugkern umgebenen Prägepunkte/Prägebereiche nicht mehr erkennbar seien (Gutachten, S. 9 unten). Sie seien gleichwohl nach wie vor vorhanden. Wie der Sachverständige plausibel erläutert hat, bildet sich dann, wenn sich das Material auflöst bzw. desintegriert, eine Fasersuspension (Ergänzungsgutachten, S. 7 oben; Stellungnahme, S. 2, Z. 31 – 34; Prot. der mV v. 27.05.2021, S. 4, Bl. 1378R GA; S. 6, Bl. 1379R GA). Derartiges habe bei der Untersuchung der angegriffenen Ausführungsformen jedoch nicht festgestellt werden können (Ergänzungsgutachten, S. 6, zweiter Abs.; S. 9, zweiter Abs.; Ergänzungsgutachten, S. 15, vorletzter Abs., Stellungnahme, S. 5, Z. 159 – 161). Selbst im hochgequollenen Zustand stellten die Saugkerne ein kompaktes Material dar und bildeten keine Fasersuspension (Ergänzungsgutachten, S. 14 Mitte). Obwohl die Prägepunkte nicht mehr optisch/mikroskopisch sichtbar seien, lasse die fehlende Desintegration aus wissenschaftlicher Sicht den Schluss auf die beanspruchte Stabilität zu (Ergänzungsgutachten, S. 9).
  163. Soweit die Beklagte in Bezug auf die durch den Sachverständigen Prof. Dr. H. durchgeführten Untersuchungen eingewandt hat, die untersuchten Proben hätten teilweise noch das „Topsheet“ enthalten, hat der Sachverständige dies im Rahmen seiner Anhörung zwar eingeräumt. Er hat dies jedoch nicht nur nachvollziehbar begründet, sondern zugleich klargestellt, dass das teilweise vorhandene „Topsheet“ auf die Ergebnisse der experimentellen Studien keinen Einfluss hatte (Prot. der mV v. 27.05.2021, S. 15 Mitte, Bl. 1384 GA). Der Senat hat keinen Anlass, an der Richtigkeit dieser Feststellung zu zweifeln.
  164. c)
    Dass die angegriffenen Ausführungsformen I und II einen SAP-Anteil in dem von Merkmal 4.1.1. geforderten Bereich aufweisen, hat die Beklagte nicht erheblich in Abrede gestellt.
  165. Zwischen den Parteien steht das Vorhandensein von SAP in den angegriffenen Ausführungsformen nicht in Streit. Nachdem die Klägerin, im Hinblick auf die angegriffene Ausführungsform I sogar unter Vorlage entsprechender Messungen (vgl. Anlage K 7, S. 8 unten – S. 10 oben), die Behauptung aufgestellt hat, der SAP-Anteil der angegriffenen Ausführungsformen liege im beanspruchten Bereich, reicht es für ein erhebliches Bestreiten nicht aus, lediglich am Sachvortrag der Klägerin zu bemängeln, dieser sei unsubstantiiert. Ebenso wenig genügt es, die Messmethoden der Klägerin zu kritisieren und darauf hinzuweisen, für die angegriffene Ausführungsform II fehle jeder Nachweis, dass diese SAP im beanspruchten Bereich enthalte.
  166. Die Klägerin ist ihrer Darlegungslast zunächst dadurch nachgekommen, dass sie die Behauptung aufgestellt hat, der Anteil an superabsorbierenden Polymeren (SAP) liege bei beiden angegriffenen Ausführungsformen im beanspruchten Bereich. Damit obliegt es nunmehr der Beklagten, sich hierzu unter Beachtung ihrer Wahrheitspflicht (§ 138 Abs. 1 ZPO) zu erklären und, soweit zutreffend, die entsprechende Behauptung der Klägerin zu bestreiten. Erst dann ist es an der Klägerin, ihren Vortrag zu konkretisieren. Bestreitet die Beklagte – wie hier – die entsprechende Behauptung der Gegenseite demgegenüber nicht, gilt der entsprechende Vortrag gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden und ist dementsprechend bei der Urteilsfindung zugrunde zu legen.
  167. 4.
    Die Beklagte kann sich nicht mit Erfolg gemäß § 13 Abs. 3 GebrMG i. V. m. § 12 PatG auf ein privates Vorbenutzungsrecht berufen. Denn das Produkt „HC.“, auf den die Beklagte ihr Vorbenutzungsrecht stützen will, enthält unstreitig keine superabsorbierenden Polymere (SAP) und der Einsatz von SAP stellte auch keine selbstverständliche Abwandlung der auf diese Weise verwendeten Faserstoffbahn dar.
  168. a)
    § 12 Abs. 1 PatG bestimmt, dass die Wirkung des Patents gegen denjenigen nicht eintritt, der zur Zeit der Anmeldung bereits im Inland die Erfindung in Benutzung genommen oder die dazu erforderlichen Veranstaltungen getroffen hat. Dieser Vorbenutzer ist befugt, die Erfindung für die Bedürfnisse des eigenen Betriebs in eigenen oder fremden Werkstätten auszunutzen.
  169. Nach § 9 PatG ist allein der Patentinhaber oder der von diesem Ermächtigte befugt, die im Patent unter Schutz gestellte Erfindung zu benutzen. Sonstige Dritte sind für die Dauer des Patents von einer solchen Benutzung ausgeschlossen. Dieser Grundsatz wird durch § 12 PatG insoweit eingeschränkt, als die Wirkung des Patents gegenüber demjenigen nicht eintritt, der die Erfindung zur Zeit der Anmeldung im Inland bereits in Benutzung genommen oder die dafür erforderlichen Veranstaltungen getroffen hat. Dieser ist berechtigt, die Erfindung für die Bedürfnisse seines Betriebs in eigenen oder fremden Werkstätten zu benutzen. Mit dieser Einschränkung will das Gesetz aus Billigkeitsgründen einen vorhandenen oder in vorbereitenden Veranstaltungen bereits angelegten gewerblichen Besitzstand des Vorbenutzers schützen und damit die unbillige Zerstörung in rechtlich unbedenklicher Weise geschaffener Werte verhindern. Auf der Grundlage eines erst zu einem späteren Zeitpunkt entstandenen oder in rechtlich relevanter Weise angelegten Ausschließlichkeitsrechts soll der Patentinhaber denjenigen nicht von der Benutzung der Erfindung ausschließen können, der die geschützte technische Lehre bereits vorher benutzt oder konkrete Anstalten für eine solche Benutzung getroffen hat (BGH, GRUR 2002, 231, 233 f.– Biegevorrichtung; GRUR 2010, 47 Rn. 16 – Füllstoff; GRUR 2019, 1171 Rn. 27 – Schutzverkleidung; vgl. auch zum designrechtlichen Vorbenutzungsrecht: BGH, GRUR 2018, 72 Rn. 61 – Bettgestell). In tatbestandlicher Hinsicht setzt das private Vorbenutzungsrecht in Bezug auf den Prioritätszeitpunkt zweierlei voraus: Erstens einen Erfindungsbesitz des Vorbenutzers und – zweitens – die Betätigung des Erfindungsbesitzes entweder durch die Vornahme mindestens einer gewerblichen Benutzungshandlung oder durch die Initiierung von Veranstaltungen, die alsbald nach dem Prioritätstag eine gewerbliche Benutzung der Erfindung sicher erwarten lassen (Senat, Urt. v. 12.11.2009 – I-2 U 88/08, BeckRS 2010, 16331; Urt. v. 12.11.2009 – I-2 U 89/08, BeckRS 2010, 21563).
  170. b)
    Der Vorbenutzer ist grundsätzlich auf die Nutzung desjenigen Besitzstands beschränkt, für den vor dem Anmelde- oder Prioritätstag sämtliche Voraussetzungen des Ausnahmetatbestands erfüllt waren. Weiterentwicklungen über den Umfang der bisherigen Benutzung hinaus sind ihm verwehrt, wenn sie in den Gegenstand der geschützten Erfindung eingreifen (BGH, GRUR 2002, 231, 234 – Biegevorrichtung; GRUR 2019, 1171 Rn. 28 – Schutzverkleidung; GRUR 2023, 1184 Rn. 68 – Faserstoffbahn; OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2024, 61 Rn. 139 – Rollwagen; Haedicke/Timmann PatR-HdB/Bukow, 2. Aufl. 2020, § 13 Rn. 153). Einen solchen Eingriff hat der Bundesgerichtshof beispielsweise für den Fall angenommen, dass bei der als patentverletzend angegriffenen Ausführungsform erstmals alle Merkmale eines Patentanspruchs verwirklicht sind, während dies bei der vorbenutzten Ausführungsform wegen Fehlens eines dieser Merkmale noch nicht gegeben war (BGH GRUR 2002, 231 (234) – Biegevorrichtung). Ein Eingriff in den Gegenstand des Schutzrechts kann darüber hinaus aber auch dann vorliegen, wenn der Vorbenutzer die Erfindung in einem stärkeren Maße nutzt, als dies seinem Besitzstand entspricht, oder wenn er die Erfindung in anderer Weise nutzt, als dies vor dem Anmelde- oder Prioritätstag der Fall war. Zwar darf das Vorbenutzungsrecht nicht so eng gefasst werden, dass der Vorbenutzer davon keinen wirtschaftlich sinnvollen Gebrauch machen kann. Andererseits ist aber dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die technische Lehre eines Patents oder Gebrauchsmusters Alternativen umfassen kann, die die technischen und wirtschaftlichen Vorteile der Erfindung in quantitativ oder qualitativ unterschiedlicher Weise verwirklichen (BGH, GRUR 2019, 1171 Rn. 29 – Schutzverkleidung; GRUR 2023, 1184 Rn. 70 f. – Faserstoffbahn; OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2024, 61 Rn. 139 – Rollwagen; Mes/Mes, 6. Aufl. 2024, PatG § 12 Rn. 17).
  171. Ob in diesem Sinne eine andere Benutzungsform vorliegt, ist am Maßstab der unter Berücksichtigung von Beschreibung und Zeichnungen ausgelegten Schutzansprüche zu entscheiden. Veränderungen, die keinen Einfluss darauf haben, ob und in welcher Weise die technische Lehre eines Schutzanspruchs und deren einzelne Merkmale verwirklicht werden, sind für das Vorbenutzungsrecht ohne Belang. Wird hingegen mindestens ein Merkmal des Schutzanspruchs in technisch anderer Weise verwirklicht, als dies vor dem Anmeldetag oder Prioritätstag der Fall war, kann dies die Grenzen des Vorbenutzungsrechts überschreiten. Ob letzteres der Fall ist, ist aufgrund einer Gesamtwürdigung zu entscheiden, die das Interesse des Vorbenutzers, den erworbenen Besitzstand wirtschaftlich sinnvoll nutzen zu können, und das Interesse des Schutzrechtsinhabers, die Benutzung seines Schutzrechts nur dulden zu müssen, soweit die unter Schutz gestellte technische Lehre vom Vorbenutzer auch erkannt und umgesetzt worden ist, in einen angemessenen Ausgleich bringt. Danach können die Grenzen des Vorbenutzungsrechts überschritten sein, wenn mit der Modifikation ein zusätzlicher Vorteil verwirklicht wird, der von der nicht modifizierten Ausführungsform nicht verwirklicht worden ist. Dies kommt in Betracht, wenn erstmals eine Ausführungsform benutzt wird, die in einem Unteranspruch oder in der Beschreibung wegen dieses zusätzlichen Vorteils hervorgehoben wird. Sind hingegen in einem Schutzanspruch für ein Merkmal zwei vollständig gleichwertige Alternativen genannt, wird der Umstand, dass der Vorbenutzer nur eine dieser Alternativen benutzt hat, regelmäßig keine entsprechende Beschränkung seiner Benutzungsbefugnis rechtfertigen. Ebenso wird es zu würdigen sein, wenn in der Patentschrift oder der Gebrauchsmusterschrift eine Abweichung von der Vorbenutzung offenbart ist, bei der es sich um eine selbstverständliche Abwandlung handelt, die aus Sicht des Fachmanns mit dem Erfindungsbesitz des Vorbenutzers zum Anmelde- oder Prioritätszeitpunkt ohne weiteres in Betracht zu ziehen ist (BGH, GRUR 2019, 1171 Rn. 30 ff. – Schutzverkleidung; GRUR 2023, 1184 Rn. 72 ff. – Faserstoffbahn; OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2024, 61 Rn. 140 – Rollwagen). Dabei kann die Modifikation eines vorbenutzten Gegenstands, der alle Merkmale eines unabhängigen Schutzanspruchs des Klagegebrauchsmusters verwirklicht, auch dann von einem Vorbenutzungsrecht gedeckt sein, wenn der vorbenutzte Gegenstand weitere Merkmale, die nach dem Klageantrag zwingend vorgesehen sind, nicht aufgewiesen hat (BGH, GRUR 2023, 1184 Rn. 79 – Faserstoffbahn).
  172. c)
    Unterstellt man zugunsten der Beklagten, dass sie mit dem Produkt „HC.“ einen Erfindungsbesitz betätigt hat, was zwischen den Parteien im Einzelnen sowohl im Hinblick auf die Merkmalsverwirklichung als auch hinsichtlich des Verkaufs in Deutschland vor dem Prioritätszeitpunkt streitig ist, so kommt es ausgehend von den vorstehend wiedergegebenen Grundsätzen im Streitfall darauf an, ob eine Modifikation des vorbenutzten Gegenstands nach den Vorgaben der Merkmalsgruppe 4 von dem Vorbenutzungsrecht gedeckt ist.
  173. Für die Beurteilung dieser Frage ist maßgeblich, ob mit der Modifikation ein zusätzlicher Vorteil verwirklicht wird oder ob es sich um eine vollständig gleichwertige Alternative oder eine selbstverständliche Abwandlung handelt (BGH, GRUR 2023, 1184 Rn. 83 – Faserstoffbahn; OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2024, 61 Rn. 141 – Rollwagen). Diese Frage ist auch dann von Bedeutung, wenn mit der Modifikation erstmals die zusätzlichen Merkmale eines Unteranspruchs verwirklicht werden. Die Hervorhebung eines Merkmals in einem Unteranspruch kann zwar im Einzelfall dafür sprechen, dass es sich um einen relevanten zusätzlichen Vorteil handelt. Die Aufnahme in einen Unteranspruch vermag die inhaltliche Prüfung, ob ein solcher Vorteil vorliegt oder ob es sich nur um eine vollständig gleichwertige Alternative oder eine selbstverständliche Abwandlung handelt, indes nicht zu ersetzen (BGH, GRUR 2023, 1184 Rn. 84 m.w.N. – Faserstoffbahn; OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2024, 61 Rn. 141 – Rollwagen).
  174. Diese Grundsätze gelten unabhängig davon, ob lediglich die Verletzungsklage auf eine durch zusätzliche Merkmale beschränkte Fassung eines unabhängigen Schutzanspruchs gestützt wird oder ob das Gebrauchsmuster in einem Löschungsverfahren entsprechend beschränkt worden ist (BGH, GRUR 2023, 1184 Rn. 85 – Faserstoffbahn; OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2024, 61 Rn. 142 – Rollwagen). Nach § 12 Abs. 1 PatG treten die Wirkungen des erteilten Patents gegenüber demjenigen nicht ein, der zum Anmelde- oder Prioritätszeitpunkt im Erfindungsbesitz war. Dem hierdurch begründeten Schutz des Vorbenutzers kann durch eine nachträgliche Beschränkung des Schutzrechts nicht die Grundlage entzogen werden. Zwar vermag der Umstand, dass ein vorbenutzter Gegenstand alle Merkmale eines erteilten unabhängigen Anspruchs erfüllt, zwar nicht jede nachträgliche Modifikation zu rechtfertigen. Ob eine Modifikation nach den oben aufgezeigten Maßstäben vom Vorbenutzungsrecht gedeckt ist oder nicht, muss sich aber bereits aus der erteilten Fassung des Patents bzw. aus der ursprünglich eingetragenen Fassung des Gebrauchsmusters ergeben. Eine nachträgliche Änderung der Ansprüche vermag ein danach bestehendes Recht zur Modifikation des vorbenutzten Gegenstands nicht zu beseitigen (BGH, GRUR 2023, 1184 Rn. 86 m.w.N. – Faserstoffbahn; OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2024, 61 Rn. 142 – Rollwagen).
  175. Es kommt im Streitfall mithin darauf an, ob der nach dem Vorbringen der Beklagten vorbenutzte Gegenstand so modifiziert werden darf, dass er die zusätzlichen Merkmale der Merkmalsgruppe 4 verwirklicht BGH, GRUR 2023, 1184 Rn. 89 – Faserstoffbahn). Dies kommt dann Betracht, wenn mit der Modifikation kein zusätzlicher, durch die Schutzschrift hervorgehobener Vorteil verbunden ist oder wenn es sich bei den zusätzlichen Merkmalen aus Sicht des Fachmanns mit dem Erfindungsbesitz des Vorbenutzers zum Prioritätszeitpunkt des Klagegebrauchsmusters um eine selbstverständliche, ohne weiteres in Betracht zu ziehende Abwandlung des ursprünglich genutzten Gegenstands handelt (vgl. BGH, GRUR 2019, 1171 Rn. 31 f. – Schutzverkleidung; GRUR 2023, 1184 Rn. 90 – Faserstoffbahn). Hingegen ist es dem Vorbenutzer nicht gestattet, die Vorbenutzung in einer Weise fortzuentwickeln, die zwar keine selbstverständliche Abwandlung darstellt, für den Fachmann mit dem Erfindungsbesitz des Vorbenutzers aber nahelag (offengelassen von BGH, GRUR 2019, 1171 Rn. 33 – Schutzverkleidung und BGH, GRUR 2023, 1184 Rn. 88 – Faserstoffbahn). Dadurch würden die Grenzen des Vorbenutzungsrechts zulasten des Patentinhabers überschritten (OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2024, 61 Rn. 158 – Rollwagen).
  176. d)
    Ausgehend von den vorstehend wiedergegebenen Grundsätzen war im Streitfall das Hinzufügen von SAP keine selbstverständliche Abwandlung des konkret vorbenutzten Gegenstandes, die aus Sicht des Fachmanns zum Prioritätszeitpunkt ohne Weiteres in Betracht zu ziehen gewesen wäre. Zwar gehörte der Einsatz von SAP in im Intimbereich äußerlich angewandten Hygieneprodukten vor dem Prioritätszeitpunkt grundsätzlich zum allgemeinen Fachwissen. Dass dies im gleichen Maße für Slipeinlagen galt, lässt sich aber nicht feststellen. Schon das unterschiedliche Anforderungsprofil an Slipeinlagen spricht dagegen, den Einsatz von SAP bei diesen als selbstverständliche Abwandlung einer Faserstoffbahn zu begreifen. Jedenfalls bei Faserstoffbahnen für Slipeinlagen mit – wie beim vorbenutzten Gegenstand – klebstoff- und bindemittelfreien Prägebereichen war der Einsatz von SAP schon wegen der damit einhergehenden Nachteile keine Abwandlung, die sich für den Fachmann als selbstverständlich darstellte.
  177. aa)
    Ausgangspunkt für die Frage der selbstverständlichen Abwandlung ist der vorbenutzte Gegenstand, mithin das Produkt „HC.“. Denn der an diesem Gegenstand bestehende Besitzstand bestimmt die Reichweite des Vorbenutzungsrechts. Es muss sich also die Frage gestellt werden, ob ausgehend von der Verwendung einer Faserstoffbahn in einer Slipeinlage wie dem Produkt „HC.“ das Hinzufügen von SAP vom Fachmann ohne Weiteres als selbstverständlich in Betracht zu ziehen war. Dabei genügt es nicht, wenn SAP als solche ein gängiges Hilfsmittel auf dem fraglichen Technikgebiet der Faserstoffbahnen gewesen sind. Vielmehr kommt es darauf an, ob der Durchschnittsfachmann ihre Verwendung zur Ausstattung einer Faserstoffbahn, wie sie von der Beklagten vorbenutzt worden ist, auch und gerade vor dem Hintergrund dessen als selbstverständlich in Betracht gezogen hätte, was mit der technischen Lehre des Klagegebrauchsmusters und insbesondere mit den Merkmalen seines Schutzanspruchs 1 erreicht und geleistet werden soll.
  178. Für eine selbstverständliche Abwandlung, die aus Sicht des Fachmanns mit dem Erfindungsbesitz des Vorbenutzers zum Anmelde- bzw. Prioritätszeitpunkt ohne Weiteres in Betracht zu ziehen war, spricht, wenn die Modifikation dem Durchschnittsfachmann zum Anmelde- oder Prioritätszeitpunkt ohne weitere Erläuterung einleuchtete, also auf der Hand lag. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn dem Fachmann die Abwandlung aufgrund seines allgemeinen Fachwissens bekannt war und sie sich ihm deshalb unweigerlich aufdrängte. Muss der Fachmann für die Abwandlung hingegen weitere Überlegungen anstellen, insbesondere Prüfungen oder Versuche durchführen, weil die Abwandlung z.B. (potentielle) Nachteile mit sich bringt, so stellt dies ein Indiz gegen die Selbstverständlichkeit einer Abwandlung dar. Denn selbst wenn etwaige Nachteile im Ergebnis durch Vorteile aufgewogen oder aus anderen Gründen in Kauf genommen werden sollten, indiziert die hierfür notwendige Abwägungsentscheidung, dass es sich gerade nicht um eine bloße Selbstverständlichkeit handelt, die der Fachmann ohne Weiteres in Betracht gezogen hätte. Die Abwandlung bewegt sich in diesen Fällen regelmäßig nicht mehr innerhalb des Besitzstandes, sondern stellt eine von diesem nicht mehr erfasste Weiterentwicklung dar.
  179. bb)
    Im vorliegenden Streitfall lässt sich zunächst feststellen, dass der Einsatz von SAP vor dem Prioritätszeitpunkt bei im Intimbereich äußerlich angewandten Hygieneprodukten im Grundsatz bereits zum allgemeinem Fachwissen gehörte. Die Beklagte hat hierzu eine Vielzahl von nicht-patentrechtlichen und patentrechtlichen Dokumenten vorgelegt, die den weitverbreiteten Einsatz von SAP bei äußerlich angewandten Hygieneprodukten vor dem Anmelde- bzw. Prioritätszeitpunkt zeigen. Zum Beleg kann insbesondere auf den als Anlage BK 33-A4 vorgelegten Auszug aus Hagers Handbuch der pharmazeutischen Praxis (5. Aufl. 1990, S, 25. re. Sp.) Bezug genommen werden, in dem als Beispiele für den Einsatz von „Super absorber“ Saugkörper von „Babywindeln, Inkontinenzprodukten u. ä.“ genannt werden. Vor diesem Hintergrund ist der Privatgutachter der Beklagten, Prof. K., in seiner gutachterlichen Stellungnahme vom xx.xx.20xx (vgl. dort S. 6, Bestandteil des Anlagenkonvoluts BK 33) insoweit nachvollziehbar zu dem Schluss gelangt, dass der Einsatz von Superabsorbern in Hygieneprodukten vor dem November 1997 zum allgemeinen Fachwissen gehörte. Auch der gerichtliche Sachverständige Prof. H. hat in seinem Ergänzungsgutachten vom 28. Dezember 2023 ausgeführt, dass SAP lange vor dem Prioritätstag bekannt gewesen seien, weshalb es für den Durchschnittsfachmann „naheliegend“ gewesen sei, SAP in Zelluloseverbundfasern/Zellstoffbahnen einzuarbeiten, um eine Saugfähigkeit zu erreichen (Ergänzungsgutachten v. 28.12.2023, S. 1, Bl. 1545 GA). In seinem Ergänzungsgutachten vom 30. September 2024 hat er ergänzend ausgeführt, dass auch die Auswertung der von der Beklagten vorgelegten Literatur ergeben habe, dass die Verwendung von SAP in Hygieneartikeln vor dem Prioritätstag bekannt gewesen sei. Als weiteres Beispiel hat er zudem angeführt, dass Pampers-Windeln mit einer Kombination von SAP und Zellstoff bereits im Jahr 1986 entwickelt worden seien (Ergänzungsgutachten v. 30.09.2024, S. 3 f. Bl. 1773 f. GA). Auch in der mündlichen Verhandlung am 26. Juni 2025 hat er noch einmal bestätigt, dass der Einsatz von SAP bei im Intimbereich äußerlich angewandten Hygieneprodukten wie Windeln und Damenbinden vor dem 18.11.1997 (Prioritätstag) zum allgemeinen Fachwissen des Durchschnittsfachmanns gehörte (vgl. Prot. der mV v. 26.06.2025, S. 3, Bl. 1867 GA).
  180. cc)
    Im Hinblick auf Slipeinlagen lässt sich hingegen nicht feststellen, dass der Einsatz von SAP vor dem Prioritätszeitpunkt gleichermaßen zum allgemeinen Fachwissen gehörte und bereits deshalb vom Durchschnittsfachmann als selbstverständliche Abwandlung in Betracht gezogen worden wäre. Weder belegen dies die von Beklagten vorgelegten Dokumente noch ist vorgetragen oder sonst ersichtlich, dass der Einsatz von SAP in am Markt erhältlichen Slipeinlagen verbreitet war.
  181. (1)
    Vorauszuschicken ist, dass es sich bei dem (angeblich) vorbenutzten Produkt „HC.“ unstreitig – wie auch auf der Verpackung angegeben (vgl. Anlage B 10) – um eine Slipeinlage (Pantyliner) handelt, während die angegriffenen Ausführungsformen I und II Damenbinden sind. Soweit der Senat in seinem (aufgehobenen) Urteil vom 24. Juni 2021 im unstreitigen Teil des Tatbestands auch die angegriffenen Ausführungsformen als Slipeinlagen bezeichnet hat, handelt es sich hierbei um eine Falschbezeichnung. Denn es steht zwischen den Parteien außer Streit, dass es sich bei den angegriffenen Ausführungsformen I und II um Damenbinden handelt. So werden sie auch im angefochtenen landgerichtlichen Urteil bezeichnet (vgl. LGU, S. 5, Bl. 181 GA).
  182. Der Unterschied zwischen einer Damenbinde und einer Slipeinlage liegt darin begründet, dass eine Damenbinde größere Flüssigkeitsmengen aufnehmen soll, weshalb diese in der Regel größer und dicker sind. Bis zu welchem Grad auch Slipeinlagen nicht nur geringe Mengen an Flüssigkeiten aufnehmen können sollen, was zwischen den Parteien im Einzelnen umstritten ist, braucht hier nicht weiter vertieft und entschieden zu werden. Auch die Beklagte stellt jedenfalls nicht in Abrede, dass Slipeinlagen zum Zwecke des Tragekomforts besonders dünn ausgestaltet sein sollen (vgl. Schriftsatz v. 24.11.2023, Rn. 10, Bl. 1502 GA).
  183. (2)
    Die Klägerin hat zu Recht darauf hingewiesen, dass nur in wenigen der von der Beklagten vorgelegten Dokumenten, die sich mit dem Einsatz von SAP befassen, Slipeinlagen (Pantyliner bzw. Pantiliner) Erwähnung finden. Von den 30 Dokumenten, die als Anlagenkonvolute BK 33 und BK 34 zur Akte gereicht wurden, erwähnen nur vier Dokumente überhaupt Slipeinlagen bzw. Pantiliner.
  184.  In den als Anlagen BK 33-A zur Akte gereichten Dokumenten findet sich nach dem insoweit unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Klägerin allein in dem als Anlage BK 33-A4 vorgelegten Auszug aus Hagers Handbuch der pharmazeutischen Praxis, 5. Aufl. 1990, S. 41 f., der Hinweis auf Slipeinlagen als „dünne Ausführungsform“ einer Damenbinde. Ob bei diesen auch Superabsorber zum Einsatz kommen können, die zuvor bei den Damenbinden als möglicher Bestandteil („oder“) erwähnt werden, wird allerdings nicht angegeben. Als Beispiele für den Einsatz von „Super absorber“ werden auf Seite 25 (re. Sp.) allein Saugkörper von „Babywindeln, Inkontinenzprodukten u. ä.“ benannt.
     Von den als Anlagen BK 33-B3 vorgelegten patentrechtlichen Druckschriften beansprucht die Offenlegungsschrift DE 30 39 728 A1(Anlage BK 33-B3, nachfolgend auch DE‘728) u.a. auch Pantiliner (Schlüpfereinlagen), also Slipeinlagen. Die Schrift führt unter beispielhaften Hinweis auf ein konkretes Produkt („KOTEX LIGHTDAYS-Pantiliners“) einleitend aus, dass Pantiliner ein Polster (Kissen) mit einer saugfähigen bzw. absorbierenden Komponente aufwiesen, das sich wegen seiner relativ geringen Dicke und seiner kleinen Gesamtkonfiguration als außerordentlich populär erwiesen habe (Anlage BK 33-B3, S. 3 f.). Die Erfindung gemäß der DE‘728 betrifft ein saugfähiges bzw. Sekret absorbierendes Material mit einer ausgezeichneten Integrität, das eine gute Benetzbarkeit und Flexibilität besitzt und verhältnismäßig billig ist. Hierzu wird eine innige Mischung aus nicht schmelzbaren saugfähigen Fasern und leicht schmelzbaren Fasern gebildet, die zu einer integralen Einheit zusammengeschmolzen werden. Ein solches Material sei, so die DE‘728 weiter, insbesondere als Pantiliner (Schlüpfereinlage) einsetzbar (Anlage BK 33-B3, S. 5).
    Ein solcher Pantiliner ist Gegenstand des Unteranspruchs 10. In Unteranspruch 5 wird ferner eine Einrichtung beansprucht, bei der das Polster bzw. Kissen ein super-saugfähiges Material enthält, also SAP. Anders als die Unteransprüche 6 bis 9, die Damenbinden, Windeln, Wundverbände und Inkontinenzpolster betreffen, enthält Unteranspruch 10 allerdings keinen Rückbezug auf eine Einrichtung nach mindestens einem der Ansprüche 1 bis 5. Die Verwendung von SAP in Pantilinern wird also gerade nicht beansprucht, ohne dass sich hierzu eine Erklärung in der DE‘728 finden ließe. Soweit die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 20.10.2023 (Rn. 57, Bl. 1438 GA) ausführt, dass auf Seite 5 Absatz 2 der DE‘728 die gute Verwendbarkeit von SAP gerade in Slipeinlagen betont werde, trifft dies nicht zu. Denn das dort angesprochene saugfähige bzw. Sekret absorbierende Material, das insbesondere als Pantiliner verwendbar sein soll, ist nach der Definition im folgenden Absatz ein saugfähiges bzw. absorptionsfähiges Material, das verschiedene biologische Flüssigkeiten mit ähnlichem Wirkungsgrad absorbiert (aufsaugt). Dieses ist nicht identisch mit super-saugfähigen Materialien, wie sie in Unteranspruch 5 und auf Seite 14 als Zusatzstoff für ein Polster (Kissen) erwähnt werden. Im Zusammenhang mit Pantilinern wird der Einsatz von SAP gerade nicht thematisiert.
     Die als Anlage BK 33-B5 vorgelegten WO 95/03020 (nachfolgend: „BK 33-B5“) betrifft Saugkörper, insbesondere für Windeln, Damenbinden, Slipeinlagen und dergleichen. Diese Druckschrift hat sich – angesichts der Anforderungen an Saugkörper, insbesondere bei solchen, die für Windeln gedacht sind – zur Aufgabe gemacht, einen verbesserten Saugkörper bereitzustellen, wobei der Kern der Erfindung darin liegt, diesen Saugkörper zweiteilig auszugestalten, indem eine aufnahmefähige Saugschicht die Flüssigkeit sehr schnell aufnimmt und an eine Basisschicht weiterleitet, die ihrerseits als Flüssigkeitsspeicher dient (vgl. BK 33-B5, S. 1 f.). Die Basisschicht des Saugkörpers enthält vorzugsweise superabsorbierende Quellstoffsubstanzen, die mit dem Fasermaterial vermischt sind (BK 33-B5, S. 5). Bis auf die Tatsache, dass Saugkörper nach der Einleitung der Schrift u.a. auch in Slipeinlagen eingesetzt werden, finden sich in der Schrift keine weiteren Ausführungen zu Slipeinlagen und der Kombination von Slipeinlagen und SAP.
     Die von der Beklagten schriftsätzlich nicht näher erläuterte und allein in englischer Sprache vorgelegte WO 97/23181 (vgl. Anlagenkonvolut BK 34) führt einleitend aus, dass sie atmungsaktive absorbierende Artikel wie Babywindeln, Inkontinenzartikel für Erwachsene und insbesondere Damenbinden oder Slipeinlagen betreffe. Weiter erläutert sie, dass diese Artikel mit einem – zum Zwecke der Atmungsaktivität gelochten – „backsheet“ versehen seien, womit allerdings die Gefahr eines Austritts des in der Regel als Granulat eingebrachten superabsorbierenden Materials einhergehe. Als Lösung schlägt die Schrift vor, das superabsorbierende Material für den Saugkern in einer nicht granularen Form („non-granular form“) zu verwenden, um einen Austritt durch die Belüftungsöffnungen zu verhindern (vgl. WO 97/23181, S. 2). Konkrete Ausführungen zur Slipeinlagen finden sich – soweit ersichtlich – in dieser Druckschrift ebenfalls nicht.
    Als Ergebnis lässt sich festhalten, dass die wenigsten der von der Beklagten vorgelegten Dokumente Slipeinlagen überhaupt erwähnen. Finden sie Erwähnung, dann in der Regel als Teil eines Gattungsoberbegriffs, in dessen Rahmen sie neben anderen Produkten dieser Gattung (im Intimbereich äußerlich anzuwendende Hygieneprodukte) aufgelistet werden. Hieraus könnte zwar der Schluss gezogen werden, dass der Fachmann eine Slipeinlage wie jedes andere Produkt aus der Gattung dieser Hygieneprodukte behandelt und in Slipeinlagen schlicht dünne Damenbinden sieht, so wie es der Handbuchauszug Anlage BK 33-A4 (s.o.) nahelegt. Dann läge der Einsatz von SAP in Slipeinlagen als allgemeines Fachwissen genauso auf der Hand wie bei anderen Produkten dieser Gattung und der Inhalt der Schriften würde für diese gleichermaßen gelten, auch wenn sie in diesen keine ausdrückliche Erwähnung finden. Hiergegen spricht allerdings, dass die DE‘728 (Anlage BK 33-B3), die als einzige der vorgelegten patentrechtlichen Druckschriften eine Slipeinlage gesondert in einem Unteranspruch beansprucht, diese – im Unterschied zu Damenbinden, Windeln, Wundverbände und Inkontinenzpolster – gerade vom Einsatz von SAP ausnimmt. Generell wird in keinem der zur Akte gereichten Dokumenten der Einsatz von SAP in Slipeinlagen ausdrücklich beschrieben, sei es bei der Schilderung des Stands der Technik oder aber im Rahmen des jeweils vorgeschlagenen Gegenstands. Auch der gerichtliche Sachverständige Prof. H. hat in der mündlichen Verhandlung am 26. Juni 2025 angegeben, dass er weder der Literatur noch vorprioritären Druckschriften eine Einarbeitung von SAP in Slipeinlagen habe entnehmen können (vgl. Prot. der mV v. 26.06.2025, S. 4, Bl. 1867R GA).
  185. Dies spiegelt sich auch in den am Markt erhältlichen Slipeinlagen wieder. Ausweislich der am 21. Oktober 1980 angemeldeten DE‘728 (vgl. Anlage BK 33-B3, S. 3) waren Slipeinlagen zum dortigen Anmeldetag „seit kurzem“ auf dem Markt. Trotz eines Zeitraums von über 15 Jahren bis zum Prioritätszeitpunkt des Klagegebrauchsmusters hat die Beklagte nur eine konkrete Slipeinlage benannt, die vorprioritär SAP enthalten haben soll. Selbst wenn man zu Gunsten der Beklagten unterstellt, dass das von ihr angeführte Produkt „A.“ tatsächlich (auch) SAP enthielt, was die Klägerin bestreitet, spricht die Tatsache, dass die Beklagte nur eine Slipeinlage mit SAP anführen konnte, dagegen, dass der Einsatz von SAP bei Slipeinlagen so verbreitet war wie bei anderen Hygieneprodukten und dieselbe Selbstverständlichkeit darstellte. Vielmehr war der Einsatz von SAP vor dem Prioritätszeitpunkt bei Slipeinlagen offenbar nicht üblich und gehörte nicht gleichermaßen zum allgemeinen Fachwissen wie bei anderen äußerlich angewandten Hygieneprodukten für den Intimbereich.
  186. dd)
    Unabhängig davon, dass der Einsatz von SAP in Slipeinlagen nicht zum allgemeinen Fachwissen zählte und sich dem Fachmann nicht bereits deshalb als Abwandlung unweigerlich aufdrängte, sprechen auch die mit dem Einsatz von SAP einhergehenden Nachteile dagegen, ihren Einsatz in Slipeinlagen als selbstverständliche Abwandlung zu begreifen. Denn zum einen werden an Slipeinlagen generell andere Anforderungen als z.B. an Windeln oder Damenbinden gestellt, die den Einsatz von SAP bei Slipeinlagen nicht als selbstverständlich erscheinen lassen. Zum anderen spricht die beim konkret vorbenutzten Gegenstand „HC.“ verwendete Prägung und die damit einhergehenden Nachteile beim Einsatz von SAP gegen eine ohne Weiteres selbstverständliche Abwandlung.
  187. (1)
    Dem Fachmann war vor dem Prioritätszeitpunkt bekannt, dass Slipeinlagen eine andere Funktion zukommt als beispielsweise Windeln oder Damenbinden. Während letztere größere Flüssigkeitsmengen aufnehmen und sicher „binden“ sollen, finden Slipeinlagen in erster Linie an Tagen ohne oder mit schwächerer Menstruation Anwendung. Sie sind dazu bestimmt, Vaginalausflüsse zwischen den Menstruationsperioden oder nur geringe Mengen an Menstruationsflüssigkeit aufzunehmen (vgl. DE‘728, Anlage BK 33-B3, S. 3). Die Funktion der Flüssigkeitsaufnahme tritt bei diesen in den Hintergrund, während der Tragekomfort eine größere Bedeutung erlangt, weshalb sie dünner und kleiner ausgestaltet werden. Gerade diese vergleichsweise geringe Dicke und die kleinere Gesamtkonfiguration hat der Slipeinlage zu ihrer Popularität verholfen (vgl. DE‘728, Anlage BK 33-B3, S. 4). Dieser Unterschied zwischen einer Damenbinde und einer Slipeinlage lässt sich auch anhand der zur Gerichtsakte gereichten Muster der angegriffenen Ausführungsformen (Damenbinden) und des (angeblich) vorbenutzten Gegenstands „HC.“ (Slipeinlage) nachvollziehen. Die dünnere Ausgestaltung von Slipeinlagen ergibt sich zudem aus dem als Anlage BK 33-A4 vorgelegten Auszug aus Hagers Handbuch der pharmazeutischen Praxis, 5. Aufl. 1990, S. 41 f., in dem es im Absatz zu „Damenbinden“ heißt: „Dünne Ausführungsform [sic] werden als Slipeinlagen bezeichnet.“
  188. Das geringere Bedürfnis, größere Mengen an Flüssigkeit aufzunehmen, spricht bereits dagegen, dass der Fachmann – in gleicher Weise wie bei Windeln oder Damenbinden – den Einsatz von SAP als selbstverständliche Abwandlung einer in einer Slipeinlage verwendeten Faserstoffbahn in Betracht gezogen hätte. Denn der Vorteil von SAP, große Mengen an Flüssigkeit aufnehmen zu können, steht bei einer Slipeinlage nicht im Vordergrund. Zwar könnte argumentiert werden, dass eine Erhöhung der Saugfähigkeit stets vorteilhaft ist und der Fachmann eine solche Verbesserung daher immer anstreben wird. Hiergegen spricht aber bereits, dass SAP im Vergleich zu Zellstofffasern teurer sind, was auch die Beklagte nicht in Abrede stellt. Der Fachmann wird daher einer Slipeinlage jedenfalls nicht ohne Weiteres SAP hinzuzufügen, wenn der Zweck, geringe Mengen an Flüssigkeit aufzunehmen, bereits durch die bislang verwendete (günstigere) Faserstoffbahn voll und ganz erfüllt wird. Zwar darf hierbei, worauf auch der gerichtliche Sachverständige Prof. H. in der mündlichen Verhandlung am 26. Juni 2025 hingewiesen hat (vgl. Prot. der mV v. 26.06.2025, S. 5, Bl. 1868 GA), nicht außer Acht gelassen werden, dass für die gleiche Saug- und Bindefähigkeit – im Vergleich zu Zellstoff – eine geringere Menge an SAP eingesetzt werden muss, was die höheren Kosten relativieren könnte. Allerdings verlangen höhere Produktionskosten vom Fachmann stets weitere Überlegungen bzw. Kalkulationen und eine damit einhergehende Abwägungsentscheidung, ob der Einsatz von SAP angesichts der Aufgabenstellung an eine Slipeinlage gerechtfertigt bzw. sinnvoll ist. Bereits dies streitet gegen eine selbstverständliche Abwandlung, selbst wenn die höheren Kosten vom Fachmann letztendlich in Kauf genommen werden sollten. Denn die Abwandlung liegt gerade nicht als selbstverständlich auf der Hand, sondern wäre das Ergebnis einer Abwägung der mit dem Einsatz einhergehenden Vor- und Nachteile.
  189. (2)
    Im Hinblick auf den konkret vorbenutzten Gegenstand „HC.“ spricht gegen den Einsatz von SAP weiterhin vor allem, dass wegen der bei dieser Slipeinlage verwendeten Prägung der Faserstoffbahn mit funktionellen Nachteilen gerechnet werden musste, die vom Durchschnittsfachmann in seine Überlegungen einzubeziehen und durch Versuche zu überprüfen gewesen wären. Aufgrund dieser Nachteile hätte der Fachmann die Abwandlung jedenfalls nicht ohne Weiteres als selbstverständlich in Betracht gezogen.
  190. (2.1)
    Wie bereits einleitend ausgeführt, kann es für die Annahme der Selbstverständlichkeit einer Abwandlung nicht allein genügen, dass SAP als solche ein gängiges Hilfsmittel auf dem fraglichen Technikgebiet der Faserstoffbahnen wären. Vielmehr kommt es darauf an, ob der Durchschnittsfachmann ihre Verwendung zur Ausstattung einer Faserstoffbahn, wie sie von der Beklagten vorbenutzt worden ist, auch und gerade vor dem Hintergrund dessen als selbstverständlich in Betracht gezogen hätte, was mit der technischen Lehre des Klagegebrauchsmusters und insbesondere mit den Merkmalen seines Schutzanspruchs 1 erreicht und geleistet werden soll. Insoweit dürfen vorliegend die klebstoff- und bindemittelfreien Prägebereiche einer erfindungsgemäßen Faserstoffbahn gemäß den Merkmalen 2. sowie 3. und 3.1. nicht außer Acht gelassen werden, die dafür Sorge tragen, dass auch in nassem Zustand noch eine ausreichend hohe Festigkeit der Faserstoffbahn gegeben ist. Eine selbstverständliche Abwandlung kann vorliegend daher nur dann bejaht werden, wenn der Fachmann einen Konflikt zwischen dem Einsatz von SAP und den Prägebereichen der „HC.“ ausgeschlossen hätte, die – den Erfindungsbesitz unterstellt – für die hohe mechanische Belastbarkeit im nassen Zustand verantwortlich sind.
  191. Es steht zwischen den Parteien außer Streit, dass SAP bei der Aufnahme von Flüssigkeit aufquellen und sie aufgrund dieses Effekts eine Art „Sprengkraft“ gegenüber in ihrer Umgebung liegenden Strukturen aufweisen. Dies war dem Durchschnittsfachmann bekannt. So hat der gerichtliche Sachverständige Prof. H. in seinem Ergänzungsgutachten vom 28. Dezember 2023 (S. 2, Bl. 1546 GA) hierzu ausgeführt:
  192. „Darüber hinaus war es dem Durchschnittsfachmann bekannt, dass die SAP in Gegenwart von Wasser eine enorme Zunahme des Volumens und einen hohen Quelldruck aufweisen. Dadurch kann es einerseits zur mechanischen Veränderung oder gar Zerstörung der das SAP umgebenen Matrix kommen. Andererseits ist es denkbar, dass die enorme mechanische Verdichtung von SAP/Matrix die Aufnahme von Wasser (wässrigen Flüssigkeiten) durch den SAP zerstört und damit die Quellung verhindert. Dann ist das SAP nicht mehr fähig, die ihm zugedachte Funktion zu erfüllen.“
  193. Diese Nachteile stehen den möglichen Vorteilen von SAP gegenüber. Der gerichtliche Sachverständige Prof. H. führt hierzu in seinem Ergänzungsgutachten vom 28. Dezember 2023 (S. 2, Bl. 1546 GA) weiter aus:
  194. „Die zu erwartenden technischen Vorteile der Einarbeitung von Hilfs- und Füllstoffen und vor allem von SAP sind zweifelsfrei die Erzeugung einer Faserstoffbahn, die ein hohes Aufnahmevermögen für Wasser (wässrige. Flüssigkeiten) aufweisen wird. In Anbetracht der zuvor genannten Tatsachen (Quelldruck von SAP und mögliche Zerstörung der Matrix; Austritt des synthetischen Polymers, das toxisch sein kann zumindest wenn noch Monomere enthalten sind und der Unterdrückung des Quellung bei zu hoher mechanischer Verdichtung ohne und mit Matrix) war es für den Durchschnittsfachmann nicht naheliegend, eine quellfähige Faserstoffbahn derart zu bilden, dass eine Mischung von Faserstoffbahn / Zellulosefasern mit Hilfs- und Füllstoffen und. vor allem mit SAP gemischt und verdichtet wird.“
  195. Auch in seinem Ergänzungsgutachten vom 30. September 2024 (S. 4, Bl. 1774 GA) hat der gerichtliche Sachverständige den Nachteil des Quelldrucks noch einmal ausdrücklich betont:
  196. „Darüber hinaus war es dem Durchschnittsfachmann bekannt, dass die SAP in Gegenwart von Wasser eine enorme Zunahme des Volumens und einen hohen Quelldruck aufweisen. Dadurch kann es einerseits zur mechanischen Veränderung oder gar Zerstörung der das SAP umgebenen Matrix kommen.“
  197. Es steht zwischen den Parteien im Grundsatz weiterhin außer Streit, dass aufquellende SAP die Prägebereiche von Faserstoffbahnen nachteilig beeinträchtigen können. So hat die Beklagte im Hinblick auf die angegriffene Ausführungsform I, eine Damenbinde, unter Vorlage eines Privatgutachtens (Anlage BK 14) selbst vorgetragen, dass SAP dazu führe, dass sich die Faserverbindungen in den Prägebereichen unter Einwirkung von Wasser lösten. Eine entsprechende Gefährdung durch aufquellendes SAP existierte aber auch für die Slipeinlage „HC.“, ohne dass der Streit der Parteien entschieden werden muss, ob bei dieser die Prägungen an manchen Stellen ohnehin bereits vergleichsweise schwach ausgeprägt sind. Allein die Möglichkeit, dass SAP die Funktion der klebstoff- und bindemittelfreien Prägebereiche beeinträchtigen können, stellt aber bereits ein entscheidendes Indiz dafür dar, dass der Fachmann deren Einsatz gerade nicht ohne Weiteres in Betracht gezogen hätte. Denn es musste sich dem Fachmann als möglicher Nachteil aufdrängen, dass ein Aufquellen solche Prägebereiche, bei denen die Fasern allein durch hohe Druckbeaufschlagung fusioniert werden, besonders gefährdet. Aufgrund dieser „unvorhersehbaren Stabilität“ ist der gerichtliche Sachverständige Prof. H. in seinem Ergänzungsgutachten vom xx. xx 20xx (S. 3, Bl. 1547 GA) dementsprechend zu dem nachvollziehbaren und einleuchtenden Ergebnis gelangt, dass die Ausstattung mit SAP „keineswegs selbstverständlich“ war.
  198. In dieser Einschätzung sieht sich der Senat durch das Ergebnis der Anhörung des gerichtlichen Sachverständigen Prof. H. im Verhandlungstermin am 26.06.2025 bestätigt. Dieser hat auf die Nachfrage, ob der Durchschnittsfachmann angesichts des Quelldrucks von SAP in Rechnung stellen würde, dass deshalb beim Einsatz von SAP in der vorbenutzten Faserstoffbahne Schwierigkeiten auftreten könnten, bekräftigt, dass der Durchschnittsfachmann darüber „nachdenken“ werde, weil er eben die Eigenschaften eines Superabsorbers kenne, zu quellen und einen gewissen Druck auf die umgebende Matrix auszuüben. Allerdings – so der gerichtliche Sachverständige weiter – werde der Durchschnittsfachmann durch experimentelle Studien klären, ob die Matrix zerstört werde bzw. welche Druckbeaufschlagung nötig sei, um letztendlich ein stabiles Produkt auch unter dem Einfluss von Wasser zu erzeugen (vgl. Prot. der mV v. 26.06.2025, S. 5, Bl. 1868 GA). Wenn der Durchschnittsfachmann sich aber erst durch experimentelle Studien Klarheit darüber verschaffen kann, ob nach dem Einsatz von SAP weiterhin eine ausreichende Festigkeit des vorbenutzten Gegenstands gewährleistet ist, so kann dessen Einsatz keine selbstverständliche Abwandlung sein. Der Fachmann wird den Einsatz von SAP aufgrund der Verbreitung in anderen Hygieneprodukten zwar in Erwägung zu ziehen, wenn er nach Verbesserungen und Weiterentwicklungen von Slipeinlagen sucht. Dies ist letztendlich auch das Fazit des Privatgutachters der Beklagten, Prof. K., der ausgehend von der Feststellung, dass der Einsatz von SAP in Hygieneprodukten zum allgemeinen Fachwissen gehörte, in seiner gutachterlichen Stellungnahme vom 13. Oktober 2023 (Bestandteil des Anlagenkonvoluts BK 33) zu dem Schluss gelangt, dass es selbstverständlich gewesen sei, „bei allen Versuchen zur strukturellen und auch chemischen Variation bei der Entwicklung neuer saugfähiger Hygieneprodukte, auch den Einsatz von Superabsorbern (SAP) im hier relevanten Mengenbereich von 0,5 bis 70 Gew.% einzubeziehen“ (Unterstreichung hinzugefügt). Damit stellt sich der Einsatz von SAP aber allenfalls als eine mögliche Abwandlung dar, die der Fachmann hätte in Erwägung ziehen können. Eine selbstverständliche Abwandlung, die für den Fachmann auf der Hand liegt, kann hierin nicht erblickt werden.
  199. (2.2)
    Soweit der gerichtliche Sachverständige im seinem Ergänzungsgutachten vom
    30. September 2024 und in der mündlichen Verhandlung am 26. Juni 2025 zu einer anderen Einschätzung gelangt ist und in Abkehr zu seinem Ergänzungsgutachten vom 28. Dezember 2023 eine „Selbstverständlichkeit“ bejaht hat, so liegt die Ursache hierfür in seinem abweichenden Verständnis einer selbstverständlichen Abwandlung. Trotz der einleitenden Hinweise des Senats zum Verständnis des Begriffs wurde insbesondere im Laufe der Anhörung des gerichtlichen Sachverständigen deutlich, dass dieser das Erfordernis der Selbstverständlichkeit weiter interpretiert als der Senat und er es im Ergebnis ausreichen lassen will, dass dem Fachmann die Abwandlung in einer vorprioritären Druckschrift offenbart wird. Dies erklärt auch, weshalb der gerichtliche Sachverständige in seinem Ergänzungsgutachten vom 30. September 2024 zu einer anderen Einschätzung als zuvor in seinem Ergänzungsgutachten vom 28. Dezember 2023 gelangt ist. Denn bei der Erstellung seines Ergänzungsgutachtens vom 28. Dezember 2023 lag ihm die von ihm für relevant erachtete Druckschrift US 5,128,193 (Anlage BK 33-B2, nachfolgend auch „US‘193“) noch nicht vor. Die US‘193 war allerdings – wie der gerichtliche Sachverständige in der mündlichen Verhandlung am 26. Juni 2025 bestätigt hat (vgl. Prot. der mV v. 26.06.2025, S. 8 f., Bl. 1869R f. GA) – der maßgebliche Grund dafür, dass er in seinem Ergänzungsgutachten vom 30. September 2024 zu einem anderen Ergebnis als in seinem vorherigen Ergänzungsgutachten gelangt ist und er angenommen hat, dass es für den Durchschnittsfachmann „naheliegend“ gewesen sei, SAP in Zellstoffverbundfasern/Zellstoffbahnen einzuarbeiten, um eine erhöhte Saugfähigkeit zu erreichen (vgl. Ergänzungsgutachten v. 30.09.2024, S. 2 [Bl. 1772 GA], S. 4 [Bl. 1774 GA] und S. 5 [Bl. 1775 GA]).
  200. Bei der US‘193, der der Sachverständige eine zentrale Bedeutung beigemessen hat, handelt es sich allerdings nicht um Stand der Technik, der zum allgemeinen Fachwissen auf dem betreffenden Gebiet zu zählen gewesen ist. Entsprechendes hat die Beklagte weder schlüssig behauptet noch nachgewiesen. Der gerichtliche Sachverständige hat nicht bestätigt, dass diese Druckschrift zum allgemeinen Fachwissen auf dem betreffenden Gebiet zählte. Er ist vielmehr (nur) davon ausgegangen, dass es sich um Stand der Technik handelte, den der Fachmann, der eine „Entwicklung“ angegangen wäre, ermittelt und mit dem er sich dann befasst hätte (vgl. Prot. der mV v. 26.06.2025, S. 7, Bl. 1869 GA).
  201. Darüber hinaus war auch unter Zugrundelegung des Inhalts der US‘193 der Einsatz von SAP bei einer Faserstoffbahn, wie sie beim (angeblich) vorbenutzten Gegenstand eingesetzt wurde, keineswegs selbstverständlich.
  202. Diese Druckschrift offenbart eine saugfähige Faserstoffbahn, bestehend aus einem hohen Anteil miteinander verpresster Zellstofffasern, die in einem Prägemuster aus punktförmigen Prägebereichen miteinander verpresst sind (BPatG, Beschl. v. 01.12.2017 – 35 W (pat) 437/13, BeckRS 2017, 139004 Rn. 51), so dass die Faserstoffbahn in erster Linie durch „Interfaserverbindungen“ („interfiber bonds“) zusammengehalten werden und hierfür kein Klebstoff („adhesive“) benötigt wird (vgl. US‘193, Sp. 5, Z. 25 – 27). Im Rahmen eines alternativen Ausführungsbeispiels beschreibt die US‘193 zudem den Einsatz von SAP („superabsorbent material“, vgl. US‘193, Sp. 6, Z. 53 ff.). Sie zeigt also die Möglichkeit auf, Zellstoff auch in Gegenwart von SAP durch Druck ohne weitere Zusätze zu verdichten (vgl. Ergänzungsgutachten Prof. H. v. 30.09.2024, S. 4, Bl. 1774 GA). Damit offenbart die Schrift zwar eine Kombination aus SAP und einem klebstoff- bzw. bindemittelfreien Prägemuster zur Verbindung der Fasern, wobei es sich hierbei bloß um nicht nassfeste Wasserstoffbrückenbindungen handelt (BPatG Beschl. v. 01.12.2017 – 35 W (pat) 437/13, BeckRS 2017, 139004 Rn. 52). Die Erwähnung der Kombination von SAP mit Faserstoffbahnen mit klebstoff- bzw. bindemittelfreien Prägemuster in einer einzigen Druckschrift führt allerdings nicht dazu, dass es sich hierbei um eine allgemein bekannte Maßnahme handelt, die der Fachmann trotz des Nachteils des Quelldrucks als selbstverständliche Abwandlung ohne Weiteres in Betracht ziehen würde. Denn die US‘193 schildert die Kombination aus SAP und klebstofffreien Prägemuster gerade nicht als allgemein bekannt oder Standard, sondern als eine (alternative) Ausgestaltung der Erfindung. Daher wird der Fachmann allein auf der Grundlage dieser einen Druckschrift den Nachteil des Aufquellens der SAP und die damit einhergehende Gefährdung der Festigkeit der Prägebereiche bei einer Faserstoffbahn, wie sie im (angebliche) vorbenutzten Gegenstand zur Anwendung kommt, nicht ignorieren bzw. als vollkommen unproblematisch ansehen können. Vielmehr muss er – dies bestätigt auch der gerichtliche Sachverständige Prof. H. mit seinem Hinweis auf die Notwendigkeit experimenteller Studien (s.o.) – weitere Überlegungen und Versuche anstellen, um sich Klarheit darüber zu verschaffen, ob trotz des Einsatzes von SAP eine ausreichende Festigkeit der Prägebereiche weiterhin gewährleistet ist. Die US‘193 lehrt den Fachmann daher allein die Möglichkeit einer Kombination von SAP und klebstoff- bzw. bindemittelfreien Prägemuster. Damit ist der Einsatz von SAP in Slipeinlagen mit einem Prägemuster wie beim vorbenutzten Gegenstand aber – entgegen der Einschätzung des gerichtlichen Sachverständigen – noch keine selbstverständliche Abwandlung, zumal die in Rede stehende Druckschrift auch keine Antwort auf die bereits erörterte Frage liefert, warum der Fachmann bei Slipeinlagen überhaupt eine Notwendigkeit sehen sollte, deren Saugfähigkeit mit SAP zu verbessern.
  203. Im Ergebnis stellt der Einsatz von SAP bei Slipeinlagen mit Prägebereichen wie bei dem (angeblich) vorbenutzten Gegenstand wegen des damit einhergehenden Nachteils der Beeinträchtigung der Festigkeit daher auch unter Berücksichtigung der US‘193 keine selbstverständliche Abwandlung dar, die für den Fachmann auf der Hand lag oder die er unweigerlich vor Augen hatte. Soweit der gerichtliche Sachverständige Dr. H. zu einem anderen Ergebnis gelangt ist, ist der Senat an diese abweichende Einschätzung nicht gebunden, da die Frage, ob es sich bei den zusätzlichen Merkmalen aus Sicht des Fachmanns mit dem Erfindungsbesitz des Vorbenutzers zum Prioritätszeitpunkt des Klagegebrauchsmusters um eine selbstverständliche, ohne weiteres in Betracht zu ziehende Abwandlung des ursprünglich genutzten Gegenstands handelt, um eine Rechtsfrage handelt. Die Prüfung dieser Rechtsfrage darf daher nicht einem gerichtlichen Sachverständigen überlassen werden. Die Inanspruchnahme sachverständiger Beratung kann vielmehr nur dazu dienen, das Gericht in die Lage zu versetzen, den für die Bejahung oder Verneinung der Selbstverständlichkeit maßgeblichen (technischen) Sachverhalt festzustellen und zu verstehen.
  204. Eine Modifikation des vorbenutzten Gegenstands nach den Vorgaben der Merkmalsgruppe 4 war von dem (unterstellten) Vorbenutzungsrecht der Beklagten daher nicht gedeckt, so dass diese nicht zum vom Vorbenutzungsrecht umfassten Besitzstand gehörte.
  205. 5.
    Mit Blick auf den rechtskräftigen Beschluss des Bundespatentgerichts vom
    13. September 2017 (Anlagen rop 14/14a) erübrigen sich Ausführungen des Senats zur Frage der Schutzfähigkeit des Klagegebrauchsmusters. Der Senat ist gemäß § 19 S. 3 GebrMG an die (teilweise) Zurückweisung des Löschungsantrages gebunden, nachdem das Bundespatentgericht die Schutzfähigkeit des Klagegebrauchsmusters im hier geltend gemachten Umfang rechtskräftig bejaht hat.
  206. a)
    Dem steht nicht entgegen, dass die hiesige Klägerin formal nicht am Löschungsverfahren beteiligt war, sondern einer ihrer Geschäftsführer als eingetragener Inhaber des Klagegebrauchsmusters. Bei der Auslegung von § 19 S. 3 GebrMG ist zu berücksichtigen, dass diese Bestimmung einander widersprechende Entscheidungen des Patentamts und des Verletzungsgerichts verhindern soll, soweit nicht die Rechte eines anderen Löschungsantragstellers beeinträchtigt werden. Die Bindungswirkung des § 19 S. 3 GebrMG ist insoweit auch als eine Schutzvorschrift zu Gunsten des Gebrauchsmusterinhabers zu werten; derselbe Verletzer soll nach einem für ihn negativ ausgegangenen Löschungsverfahren nicht im Verletzungsrechtsstreit erneut die Rechtsgültigkeit des Gebrauchsmusters in Zweifel ziehen können. Daraus ergibt sich, dass es nach dem Sinn des § 19 S. 3 GebrMG entscheidend auf die Identität des Löschungsantragstellers und Verletzungsbeklagten ankommt (BGH, GRUR 1969, 681 – Hopfenpflückvorrichtung). Entsprechend dem Schutzzweck der Norm ist die Voraussetzung der Personenidentität daher weit auszulegen (BeckOK PatR/Kircher, 36. Ed. 15.07.2023, GebrMG § 19 Rn. 19; Cepl/Voß/Cepl, Prozesskommentar zum Gewerblichen Rechtschutz, 3. Aufl. 2022, § 148 Rn. 190). So besteht die Bindung auch zu Gunsten des Rechtsnachfolgers oder des ausschließlichen Lizenznehmers (BGH, GRUR 1969, 681 – Hopfenpflückvorrichtung; OLG Düsseldorf, Urt. v. 29.10.2015 – I-15 U 25/14 = Mitt. 2016, 224; Cepl a.a.O.). Nichts anderes kann gelten, wenn – wie hier – der Kläger auf Grund einer Ermächtigung die Klagerechte des Gebrauchsmusterinhabers im eigenen Namen geltend macht bzw. in Bezug auf die Ansprüche auf Auskunftserteilung, Rechnungslegung und Schadenersatz aus abgetretenem Recht vorgeht (so auch unter Bezugnahme auf die einfache Lizenz: BGH, GRUR 1969, 681 a.E. – Hopfenpflückvorrichtung).
  207. b)
    Der Bindungswirkung der im Löschungsverfahren ergangenen Entscheidung steht auch nicht entgegen, dass sich das Bundespatentgericht im Schwerpunkt mit Schutzanspruch 1 beschäftigt hat. Zwar besteht die Bindungswirkung nur im Rahmen der Rechtskraftwirkung und ist daher auf die im Löschungsverfahren beschiedenen Löschungsgründe beschränkt (BGHZ 134, 353, 363 = GRUR 1976, 30 – Lampenschirm; Benkard PatG/Engel, 12. Aufl. 2023, GebrMG § 19 Rn. 10). Die Beklagte macht im vorliegenden Rechtsstreit aber auch keine anderen Löschungsgründe als jene geltend, die bereits Gegenstand des rechtskräftig abgeschlossenen Löschungsverfahrens waren. Sie wendet gegen eine Bindungswirkung lediglich ein, die Entscheidung des Bundespatentgerichts befasse sich allein mit der Schutzfähigkeit des einzigen unabhängigen Schutzanspruchs 1 und begnüge sich bezüglich der Unteransprüche mit der Aussage, diese würden durch Schutzanspruch 1 getragen (vgl. Anlage rop 14, S. 32). Allein dieser Hinweis zeigt jedoch, dass sich das Bundespatentgericht – soweit erforderlich – mit den Unteransprüchen und damit auch mit der nunmehr im Verletzungsverfahren zur Entscheidung gestellten Kombination der Schutzansprüche 1, 10 und 11 beschäftigt hat. Weiterer Ausführungen hierzu bedurfte es naturgemäß nicht, nachdem das Bundespatentgericht die im Raum stehende offenkundige Vorbenutzung bereits im Hinblick auf Schutzanspruch 1 verneint hatte. Da Unteranspruch 11 auf Unteranspruch 10 und dieser seinerseits auf Schutzanspruch 1 rückbezogen ist, ist klar, dass mit der Ablehnung der offenkundigen Vorbenutzung im Hinblick auf Schutzanspruch 1 zugleich eine Solche hinsichtlich der diesem lediglich weitere Merkmale hinzufügenden Unteransprüche ausscheiden muss.
  208. 6.
    Dass die Beklagte im Hinblick auf die vorstehend dargelegte Schutzrechtsverletzung, weil sie das Klagegebrauchsmuster schuldhaft verletzt hat, zum Schadenersatz verpflichtet ist und der Klägerin, um ihr eine Berechnung ihrer Schadensersatzansprüche zu ermöglichen, über den Umfang ihrer Benutzungs- und Verletzungshandlungen Rechnung zu legen hat, hat das Landgericht im angefochtenen Urteil ebenso zutreffend dargelegt wie die darüber hinausgehende Pflicht der Beklagten zur Vernichtung. Auf diese Ausführungen, die in gleicher Weise auch für die angegriffene Ausführungsform II gelten, wird daher zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.
  209. Zur ergänzen ist vorsorglich lediglich, dass die Klägerin insgesamt prozessbefugt ist, was die Beklagte bis zuletzt auch nicht in Zweifel gezogen hat. Ihre Klagebefugnis betreffend den Anspruch auf Vernichtung der gebrauchsmusterverletzenden Gegenstände, der ebenso wie der ursprünglich eingeklagte Unterlassungsanspruch nicht isoliert abtretbar sind, ergibt sich nach den Grundsätzen der so genannten gewillkürten Prozessstandschaft, welche sich dadurch auszeichnet, dass der Kläger keinen eigenen Anspruch geltend macht, sondern im eigenen Namen fremde Rechte – nämlich die des Schutzrechtsinhabers – durchsetzt.
  210. Voraussetzungen einer solchen gewillkürten Prozessstandschaft sind eine wirksame Ermächtigung des Prozessstandschafters zur gerichtlichen Verfolgung der Ansprüche des Rechtsinhabers sowie ein eigenes schutzwürdiges Interesse des Ermächtigten an dieser Rechtsverfolgung, das auch durch ein wirtschaftliches Interesse begründet werden kann (st. Rspr., vgl. BGHZ 89, 1, 2 = GRUR 1984, 473; BGHZ 119, 237, 242 = GRUR 1993, 151; BGH, GRUR 1990, 361, 362 — Kronenthaler; NJW 1995, 3186; GRUR 1995, 54, 57 — Nicoline; NJW 1999, 1717 f.; GRUR 2002, 238, 239 – Auskunftsanspruch bei Nachbau; Senat, Urt. v. 18.12.2014 – I-2 U 19/14, BeckRS 2015, 3253 Rn. 25; Urt. v. 04.07.2024 – I-2 U 30/20, GRUR-RS 2024, 19029 Rn. 51 – Solarzelle; OLG Düsseldorf, Urt. v. 12.11.2020 – I-15 U 77/14, GRUR-RS 2020, 43243 Rn. 93 – Digitales Buch).
  211. Eine wirksame Ermächtigung der Klägerin zur gerichtlichen Verfolgung des hier noch verfolgten Vernichtungsanspruchs des als Gebrauchsmusterinhabers eingetragenen M., bei dem es sich um ihren Geschäftsführer handelt, liegt unstreitig vor. Die erteilte Ermächtigung betrifft nicht nur den zwischenzeitlich für erledigt erklärten Unterlassungsanspruch, sondern auch den Vernichtungsanspruch. Die Klägerin hat auch ein eigenes schutzwürdiges Interesse an der Geltendmachung des noch eingeklagten Vernichtungsanspruchs, welches sich daraus ergibt, dass sie Wettbewerberin der Beklagten ist und dass sie offensichtlich bis zum Ablauf der Schutzdauer des Klagegebrauchsmusters zu dessen Nutzung berechtigt gewesen ist. Dahinstehen kann in diesem Zusammenhang, ob der Klägerin von ihrem Geschäftsführer ausdrücklich eine einfache Lizenz an dem Klagegebrauchsmuster erteilt wurde. Da – wie bereits ausgeführt – das erforderliche schutzwürdige Eigeninteresse an der Geltendmachung des Anspruchs auch ein wirtschaftliches Interesse sein kann, reicht es aus, dass die Klägerin das Klagegebrauchsmuster im Rahmen ihrer gewerblichen Tätigkeit jedenfalls mit Einverständnis ihres Geschäftsführers als Schutzrechtsinhaber nutzen durfte. Hiervon kann unter den gegebenen Umständen ohne Weiteres ausgegangen werden.
  212. Die Ansprüche auf Auskunftserteilung, Rechnungslegung und Schadensersatz hat der
    Gebrauchsmusterinhaber unstreitig an die Klägerin abgetreten.
  213. C.
    Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 91a ZPO. Sie erfasst neben dem Berufungsverfahren auch das Revisionsverfahren.
  214. Soweit die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache betreffend den ursprünglich auch geltend gemachten Unterlassungsanspruch im Hinblick auf den Zeitablauf des Klagegebrauchsmusters übereinstimmend für erledigt erklärt haben, sind die diesbezüglichen Kosten des Rechtsstreits ebenfalls der Beklagten aufzuerlegen gewesen (§ 91a ZPO), weil der Klägerin – wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt – aufgrund der Benutzung des überdies auch schutzfähigen Klagegebrauchsmusters ein Unterlassungsanspruch nach § 24 Abs. 1 S. 1 GebrMG gegen die Beklagte zustand.
  215. Die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeben sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.
  216. Für eine Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung, weil die in § 543 ZPO aufgestellten Voraussetzungen dafür ersichtlich nicht gegeben sind. Es handelt sich um eine reine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung, mit der der Bundesgerichtshof auch nicht im Interesse einer Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung befasst werden muss (§ 543 Abs. 2 ZPO).

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