Düsseldorfer Entscheidungen Nr. 3421
Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil vom 13. Februar 2025, I-2 U 55/23
Vorinstanz: 4b O 105/19
- I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 4b Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 01.03.2023 wird zurückgewiesen.
- Die Zwischenfeststellungsklage des Klägers aus dem Schriftsatz vom 23.09.2024 wird abgewiesen.
- Die Auskunfts- und Rechnungslegungsklage des Klägers aus dem Schriftsatz vom 16.12.2024 wird abgewiesen.
- Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 4b Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 01.03.2023 abgeändert. Die Zahlungsklage wird abgewiesen.
- II. Die Kosten des Berufungsverfahrens – einschließlich der auf die Zwischenfeststellungsklage sowie auf die Klageerweiterung entfallenden Kosten – trägt der Kläger.
- Von den Kosten der ersten Instanz tragen der Kläger 95 % und die Beklagte 5 %.
- III. Das Urteil und das Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar.
- Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des aufgrund der Urteile erster und zweiter Instanz vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
- Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung des Klägers gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des aufgrund des Urteils erster Instanz vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
- IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
- V. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 615.000,- EUR festgesetzt. Hiervon entfallen 548.497,50,- EUR auf die Berufung des Klägers, wovon wiederum 100.000,- EUR auf den Zwischenfeststellungsantrag aus dem Schriftsatz des Klägers vom 23.09.2024 sowie weitere 15.000,- EUR auf die Erweiterung der Klage (Auskunfts- und Rechnungslegungsantrag) im Schriftsatz vom 16.12.2024 entfallen, und 66.502,50,- EUR auf die Berufung der Beklagten.
- Gründe:
- I.
- Der Kläger nimmt die Beklagte im Zusammenhang mit einer während eines Arbeitsverhältnisses gemachten Erfindung auf Zahlung und Auskunft in Anspruch und verlangt ferner die Feststellung der materiellen Berechtigung des Klägers an der Erfindung sowie der Verpflichtung der Beklagten zum Schadensersatz.
- Der Kläger war zunächst bei der S. P. A., deren Rechtsnachfolgerin die Beklagte ist, beschäftigt. Zum 01.07.2001 ging – wie zwischen den Parteien in zweiter Instanz unstreitig ist – das Arbeitsverhältnis des Klägers infolge eines Betriebsübergangs nach § 613a BGB auf die U. B.S. G., damals noch firmierend als S. B-S G., über (Unterrichtung über den Betriebsübergang vorgelegt als Anlage CBH 28). Zum 31.01.2019 schied der Kläger mit Erreichen der Regelaltersgrenze bei der U. B.S. G. aus.
- Während seines Arbeitsverhältnisses mit der U. B.S. G. meldete der Kläger mit an die S. P. A. gerichteten Schreiben mehrere Diensterfindungen betreffend die Herstellung von L., einem Arzneimittelwirkstoff zur Behandlung von Epilepsie.
- Im Einzelnen handelte es sich um folgende Vorgänge, wobei die an zweiter und dritter Position genannten Meldungen jeweils auf der an erster Stelle genannten Erfindung beruhten:
- • Erfindungsmeldung vom 07.02.2006 (Anlage TRI-HB 14) betreffend „Verbesserte Methode für die Synthese von S. XXX (L.)“, Inanspruchnahme erklärt mit Schreiben vom 27.03.2006 (Anlage TRI-HB 15);
- • Erfindungsmeldung vom 02.03.2007 (Anlage TRI-HB 16) betreffend „Verbesserte Methode für die Synthese von S. XXX (L.) – P.“, Inanspruchnahme erklärt mit Schreiben vom 12.04.2007 (Anlage TRI 17);
- • Erfindungsmeldung vom 02.03.2007 (Anlage TRI-HB 18) betreffend „Verbesserte Methode für die Synthese von S. XXX (L.) A.-d. mit 2-C.r-3-M.-p.“, Inanspruchnahme erklärt mit Schreiben vom 12.04.2007 (Anlage TRI 22).
- Die letztgenannte Erfindungsmeldung und Inanspruchnahmeerklärung betreffen die Streiterfindung (siehe näher sogleich).
- Zum Zeitpunkt dieser Inanspruchnahme am 12.04.2007 waren für die S. B.S. G. (inzwischen firmierend als U. B.S. G.) zwei Geschäftsführer bestellt, nämlich Frau P.. D. I- L.-F. und Herr D. T., wobei im Handelsregister die Vertretung durch zwei Geschäftsführer gemeinschaftlich oder durch einen Geschäftsführer in Gemeinschaft mit einem Prokuristen eingetragen war (Handelsregisterauszug vorgelegt als Anlage TRI-H5). Frau P.. D. L.-F. und Herr T. waren – neben weiteren Personen – zugleich Mitglieder des Vorstands der S. P. A. (Handelsregisterauszug vorgelegt als Anlage TRI-H6), der Rechtsvorgängerin der Beklagten.
- Am 07.11.2008 meldete die Beklagte für den Gegenstand der letztgenannten Meldung ein europäisches Patent an (Anmeldenummer XXXXXXXX). Auf der Grundlage der Priorität dieser Anmeldung wurde ihr in der Folge das am 27.03.2013 veröffentlichte EP XXXXXXX BX erteilt (in englischer Sprache vorgelegt als Anlage TRI 1, nachfolgend: Streitpatent). Parallele Schutzrechte wurden in weiteren (für den Konzern der Beklagten wesentlichen) Ländern angemeldet und erteilt (siehe Espacenet-Auszug, Anlage TRI 8).
- An der dem Streitpatent zugrundeliegenden Erfindung (nachfolgend: Streiterfindung) waren der Kläger und Herr D. H. als Miterfinder beteiligt. Das Vorhandensein weiterer Miterfinder ist zwischen den Parteien streitig.
- Der Kläger und die XXX. B.S. G. schlossen mehrere jeweils als „Erfindervergütungs-Grundvertrag“ bezeichnete Vereinbarungen. Die die Streiterfindung betreffende Vereinbarung zwischen dem Kläger als „ERFINDER“ und der XXX B.S. G. als „ARBEITGEBER“ datiert vom 13.12.2011 (Anlage CBH 2, nachfolgend: Erfindervergütungs-Grundvertrag). Die Vereinbarung lautet auszugsweise wie folgt:
- „Präambel
- ERFINDER hat als Arbeitnehmer von ARBEITGEBER im Rahmen seiner Tätigkeiten gemeinsam mit seinen Miterfindern die vorgenannte Erfindung entwickelt.
- Maßgeblich für die Vergütungsberechnung ist u.a. der (Mit-) Erfinderanteil von ERFINDER an den gegebenenfalls aus mehreren Erfindungsmeldungen zusammengefassten Erfindung (nachfolgend: ERFINDUNG genannt). Der (Mit-) Erfinderanteil ergibt sich aus den Angaben der einer ERFINDUNG zugrunde liegenden ordnungsgemäßen Erfindungsmeldungen, ansonsten aus einer Einigung zwischen den Miterfindern und abschließend auf Grundlage der erteilten Schutzrechte. Er beträgt bezogen auf den Anteil, den die deutschen Erfinder, die zum Zeitpunkt der Erfindung bei der ehemals S. B. G. angestellt waren, zur Erfindung beigetragen haben, für ERFINDER 50 %.
- Die ERFINDUNG wurde unter Ausschöpfung des Gegenstands der Erfindungsmeldung(en) zum Patent angemeldet (Az. der Prioritätsanmeldung: EP081057XXX).
- Die Parteien streben mit dieser Vereinbarung eine Regelung der gegenseitigen Rechte und Pflichten aus dem ArbEG hinsichtlich bestimmter formaler Rechtspositionen und eine Festlegung der Vergütungsparameter hinsichtlich einer etwaigen späteren Nutzung der ERFINDUNG an.
- § 1 Pauschalzahlungen und Verzicht
- …
- (1.4) ARBEITGEBER und ERFINDER gehen davon aus, dass die vermögenswerten Rechte an der Erfindung durch unbeschränkte Inanspruchnahme auf ARBEITGEBER übergegangen sind. Unabhängig davon werden hiermit vorsorglich nochmals alle vermögenswerten Rechte an der ERFINDUNG einschließlich aller nicht oder nicht gesondert schutzfähigen Verbesserungen mit Wirkung für Vergangenheit und Zukunft an ARBEITGEBER abgetreten; ARBEITGEBER nimmt die Abtretung hiermit an.
- …
- § 2 Vergütung bei Nutzung der ERFINDUNG
- (2.1) Erfolgt eine Nutzung der ERFINDUNG, wird auf der Grundlage der Auskunft nach Ziff. 1.3 nach der Methode der Lizenzanalogie eine weitere Erfindervergütung gem. den Regeln des ArbEG und den hierzu ergangenen Richtlinien für die Vergütung von Arbeitnehmererfindungen im privaten Dienst (1959) unter Berücksichtigung der anrechenbaren Pauschalzahlung nach Ziff. 1.5 zum Fälligkeitstermin berechnet.
- (2.2) Für eine Vereinbarung über diese weitere Vergütung gilt ergänzend Folgendes:
- – Die einzelnen Berechnungsparameter werden für ERFINDER wie folgt vereinbart:
-
• Bezugsgröße: wird im Nutzungsfall festgelegt
• Gesamtlizenzsatz: wird im Nutzungsfall festgelegt
• Gewichtung der ERFINDUNG: wird im Nutzungsfall festgelegt
• Anteilsfaktor: 10 % - – Die Staffelbeträge gem. der Tabelle in RL Nr. 11 der Amtlichen Richtlinien für die Vergütung von Arbeitnehmererfindungen im privaten Dienst finden in der jeweiligen Fassung Anwendung.
- …“
- Wegen des weiteren Inhalts des Erfindervergütungs-Grundvertrags wird auf die Anlage CBH 2 Bezug genommen.
- Die Beklagte stellt her und vertreibt unter der Produktbezeichnung X ein Medikament mit dem Wirkstoff L., welcher seit dem Jahr 2019 (auch) mittels des erfindungsgemäßen Verfahrens hergestellt wird. Das Produkt wird zur Behandlung von fokalen (epileptischen) Anfällen eingesetzt.
- Der Kläger hat die Beklagte im Wege einer Stufenklage zunächst auf Auskunft und Rechnungslegung in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die Beklagte mit Teilurteil vom 02.03.2021 unter anderem zur Auskunft und Rechnungslegung über Produkte, die unter Anwendung der dem Streitpatent zugrundeliegenden Diensterfindung hergestellt, vertrieben und/oder in Verkehr gebracht wurden, verurteilt. Die dagegen gerichtete Berufung hat der Senat mit Urteil vom 21.10.2021 (I-2 U 6/21) zurückgewiesen. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision durch den Senat hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 25.02.2022 zurückgenommen.
- Mit E-Mail ihrer Prozessbevollmächtigten vom 13.06.2022 (Anlage TRI 24, Bl. 303 GA LG/OLG) erteilte die Beklagte die nachfolgende Auskunft:
-
„Auf Basis der Gesamtumsätze (Netsales) mit X. und der Mengen des Wirkstoffs aus der jeweiligen Quelle/der jeweiligen Synthese, die in dem entsprechenden Jahr zur Herstellung des Arzneimittels verwendet wurden, lassen sich die folgenden Schlussfolgerungen im Sinne einer Näherung ziehen. Die „Quote“ ist dabei der Anteil des nach dem erfindungsgemäßen Verfahren („2G“) hergestellten Wirkstoffs gemessen an der gesamten verarbeiteten Wirkstoffmenge; die Angaben zu den Netsales sind in
Milliarden €: -
Jahr Netsales Quote Ergebnis
2019 1,322 7,51 % 99.282.200 €
2020 1,451 36,75 % 533,242.500 €
2021 1,549 62,30 % 965.027.000 €“Zwischen den Parteien besteht eine Vereinbarung darüber, dass es sich bei den jeweils in der rechten Spalte angegebenen Nettoumsätzen mit dem erfindungsgemäß hergestellten Medikament X. um den nicht unterschreitbaren Mindestumsatz der Beklagten bis Ende des Jahres 2021 handelt.
- In der Berufungsinstanz sind ferner Umsätze der Beklagten mit dem erfindungsgemäß hergestellten Medikament X für das Jahr 2022 in Höhe von 774 Mio. EUR sowie für das Jahr 2023 in Höhe von 241 Mio. EUR unstreitig geworden.
- Ausgehend von diesen Umsätzen begehrt der Kläger im Wege einer Teilklage die Zahlung von 500.000,- EUR, wobei er den Teilklagewert in erster Instanz auf die Umsätze bis einschließlich Ende 2021 – in der Reihenfolge ihrer zeitlichen Entstehung – gestützt hat, und er ihn in der Berufungsinstanz zusätzlich auf die Umsätze für den Zeitraum bis Ende 2023 stützt.
- Die Beklagte hat erstinstanzlich die Abweisung der Klage beantragt und hierzu die Auffassung vertreten, die von dem Kläger geltend gemachte Arbeitnehmererfindervergütung sei deutlich niedriger zu bemessen.
- Mit Urteil vom 01.03.2023 hat das Landgericht Düsseldorf dem Zahlungsantrag des Klägers teilweise stattgegeben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Im Einzelnen hat das Landgericht wie folgt erkannt:
- „I. Die Beklagte wird verurteilt,
- dem Kläger 66.502,50 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank ab dem 08.10.2022 zu zahlen.
- II. …
- III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.“
- Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt: Dem Kläger stehe aus seiner Erfindung ein Anspruch aus § 9 Abs. 1 ArbErfG gegen die Beklagte zu, der sich wie folgt errechne: Unter Berücksichtigung einer Abstaffelung sowie eines finalen Lizenzsatzes von 0,8 % (= Komplexanteil von 20 % bei einem Gesamtlizenzsatz von 4 %) betrage der Erfindungswert 2.659.568,20 EUR. Dieser reduziere sich aufgrund des Miterfinderanteils des Klägers (16,67 %) sowie des zwischen den Parteien vereinbarten Anteilsfaktors von 15 % auf 66.502,50,- EUR.
- Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf das erstinstanzliche Urteil verwiesen.
- Gegen das Urteil des Landgerichts haben beide Parteien Berufung eingelegt.
- Der Kläger verfolgt mit seiner Berufung sein Zahlungsbegehren weiter, soweit dieses in erster Instanz erfolglos geblieben ist. Er stützt seine Ansprüche in der Berufungsinstanz zuletzt „erstrangig“ auf § 823 Abs. 1 BGB sowie §§ 812 ff. BGB i.V.m. §§ 741 ff. BGB aufgrund einer nicht wirksam in Anspruch genommenen Diensterfindung und nachrangig auf eine Arbeitnehmererfindervergütung.
- Nachdem zwischen den Parteien in der Berufungsinstanz unstreitig geworden ist, dass nicht die Beklagte bzw. die S. P. A. als ihre Rechtsvorgängerin, sondern die U. B.S. G., ehemals firmierend als S. B.S. G., seit dem 01.07.2001 Arbeitgeberin des Klägers war, macht der Kläger hierzu insbesondere geltend:
- Das Rubrum sei gemäß §§ 319, 264 Nr. 1 ZPO dahingehend zu berichtigen, dass die U. B.S. G. Beklagte sei. Es sei stets der für beide Parteien unzweifelhaft erkennbare Wille gewesen, die als Forschungs- und Entwicklungsgesellschaft im S./U.-Konzern fungierende, Arbeit gebende U. B.S. G. vergütungsrechtlich in Anspruch zu nehmen.
- Rechtsgrundlage für die geltend gemachten Vergütungsansprüche sei der Erfindervergütungs-Grundvertrag, der von der Beklagten selbst mit der Klageerwiderung vorgelegt und der – insoweit in der Berufungsinstanz unstreitig – mit der darin als Arbeitgeberin bezeichneten U. B.S. G. geschlossen worden sei. Die Nicht-Arbeitgeberin und Nicht-Vertragspartnerin U. P. G. sei zu keinem Zeitpunkt als alleinige oder weitere Vertragspartnerin/Haftende bezeichnet, erachtet oder diskutiert worden.
- Die XXX B.S. G. habe zudem ihren Sitz an derselben Adresse wie die XXX P. G. („unter einem Dach“). Sie sei bei der Inanspruchnahme und Klageerhebung durch dieselben Personen organschaftlich vertreten worden. Auch nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gelte der Grundsatz, dass nicht unterstellt werden könne, dass eine andere Konzerngesellschaft als diejenige, mit der kontrahiert worden sei, habe verklagt werden sollen.
- Die Falschbezeichnung gehe überdies maßgeblich auf das Verhalten der XXX P. G. zurück, die durch die bei ihr angesiedelte zentrale Patentabteilung die erfinderrechtlichen Angelegenheiten stellvertretend für sämtliche XXX-Konzerngesellschaften handhabe.
- Daneben macht der Kläger in der Berufungsinstanz weiter geltend:
- Die Inanspruchnahmeerklärung der Arbeitgeberin vom 12.04.2007 sei nicht wirksam und die Erfindung dementsprechend frei geworden, § 6 Abs. 2 ArbEG a.F. i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 3 ArbEG a.F.
- Die Unwirksamkeit folge zum einen daraus, dass die Arbeitgeberin nicht wirksam vertreten gewesen sei, weil nicht beide gesamtvertretungsberechtigten Geschäftsführer das Inanspruchnahmeschreiben unterzeichnet hätten. Der Hinweis „Vorstand Forschung und Entwicklung“ belege urkundlich, dass Frau P. D. L.-F. nicht als Geschäftsführerin für die S. B.S. G. gehandelt habe, sondern in ihrer organschaftlichen Stellung als Vorstand einer Aktiengesellschaft, der S. P. A.. Das Schreiben vom 12.04.2007 sei somit nicht durch ein Geschäftsführungsorgan der S. B.S. G. für diese unterzeichnet worden, sondern durch ein Vorstandsmitglied der S. P. A, in rechtsgeschäftlicher Vertretung handelnd, wenngleich ohne Vertretungshinweis. Die S. B.S. GmbH habe jedoch weder der S. P. A. noch P. D. L.-F. persönlich rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht erteilt. Folge des Fehlens einer Vertretungsmacht sei bei einseitigen Rechtsgeschäften wie einer Inanspruchnahme die nicht genehmigungsfähige Nichtigkeit. Eine Genehmigungsfähigkeit nach § 180 S. 2 BGB scheide aus. So sei u.a. der Vertretungsmangel bis zum Ablauf der Inanspruchnahmefrist am 02.07.2007 sowohl Frau P. D. L.-F. als auch Herrn T. unbekannt gewesen, was eine – auch schlüssige – Genehmigung ausschließe. Jede anderslautende Behauptung sei unglaubhaft und mit Nichtwissen zu bestreiten.
- Der Kläger erklärt sich ferner mit Nichtwissen zu der behaupteten Ermächtigung durch den damaligen Co-Geschäftsführer T. Er macht hierzu geltend, der Gesellschaftsvertrag habe eine solche Ermächtigung nicht vorgesehen und zugelassen. Bestritten werde außerdem, dass Frau P. D. L.-F. nach den Grundsätzen einer Duldungsvollmacht zur Alleinvertretung ermächtigt gewesen sei. Die damalige S. P. A. habe – was dem Senat aus anderen Fällen bekannt sei – auch noch im Jahr 2005 und danach durch ihre Patentabteilung Diensterfindungen in Anspruch genommen.
- Darüber hinaus ergebe sich die Unwirksamkeit der Inanspruchnahme auch aus einem Verstoß gegen das in § 6 Abs. 2 ArbEG a.F. angeordnete Schriftformerfordernis, § 125 BGB. Bei einer satzungsmäßigen Gesamtvertretung sei nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erforderlich, dass die vorhandenen Unterschriften deutlich zum Ausdruck brächten und sich ihnen eindeutig entnehmen lasse, ob ein Vertrag mit den vorhandenen Unterschriften auch für und in Vertretung der anderen Vertragsparteien zu Stande gekommen sei oder ob die Wirksamkeit des Vertrags so lange hinausgeschoben sein solle, bis auch die anderen Vertragsparteien unterschrieben hätten. Diese Rechtsprechung gelte erst recht für einseitige Willenserklärungen, bei denen der Empfänger noch mehr auf Rechtsklarheit angewiesen sei. Aus der Fußzeile des Inanspruchnahmeschreibens ergebe sich, dass für die S. B.S. G. zwei Geschäftsführer bestellt gewesen seien. Der handelnde Stellvertreter müsse bei einer Gesamtvertretung den Zusatz „i.V.“ zum Ausschluss des Eindrucks unvollständiger Gesamtvertretung nutzen, was ebenso für den ermächtigten Gesamtvertreter (z.B.: „ermächtigter Vorstand“) gelte.
- Nachdem die Inanspruchnahme der Erfindung unwirksam sei, sei in vermögensrechtlicher Hinsicht das Schadensersatzregime des § 823 Abs. 1 BGB maßgeblich, d.h. ohne Anteilsfaktor in Höhe von 10 % und ohne die Minderung aufgrund einer Abstaffelung nach RL Nr. 11.
- Der Erfindervergütungs-Grundvertrag ändere daran nichts, denn er sei gesamtnichtig, was auch für die vorsorgliche Übertragung der Rechte nach dessen Ziff. 1.4 gelte. Der Kläger sei deshalb wie ein „freier Erfinder“ – ohne Anteilsfaktor, ohne Abstaffelung und mit einem Zuschlag für die Lizenzgestattung – zu entschädigen. Der Vertrag enthalte keine Regelung dahingehend, dass der Erfinder auf seine vermögensrechtliche Position entsprechend einem freien Erfinder verzichte und freiwillig eine deutlich geringere ArbEG-Vergütung akzeptiere. Das Oberlandesgericht München habe in einer Entscheidung vom 21.06.2018 (Anlage TRI 10) die Rechteüberleitung als überraschend im Sinne des § 305c BGB erachtet, weil der dortige Kläger redlicherweise nicht damit habe rechnen müssen, durch den Grundvertrag ggf. der Rechte an seiner Erfindung verlustig zu gehen, ohne gleichzeitig eine verbindliche Vereinbarung über die geschuldete Gegenleistung getroffen zu haben. Daraus habe das Oberlandesgericht München zutreffend und unter Berücksichtigung einer in Ermangelung einer geldwerten Gegenleistung unwirksamen salvatorischen Klausel die Unwirksamkeit der Gesamtvereinbarung angenommen. Die Unbilligkeit bestehe jedenfalls dann, wenn – wie hier – bereits die ArbEG-gestützten Berechnungen der Beklagten sechsstellig seien bzw. würden und sich nunmehr ohne Anteilsfaktor und ohne Abstaffelung um ein Mehrfaches erhöhten. Die Risiken hätten allein in der Sphäre der Beklagten gelegen, die seit 2005 um Probleme bei Inanspruchnahmen gewusst habe, seit 2010 sogar gerichtlich von freien Erfindern in Anspruch genommen worden sei, es aber trotz dieses eindeutigen Informationsvorsprungs bewusst vermieden habe, im Jahr 2012 die Erfinder darauf hinzuweisen, dass für den von ihr geschickt als „vorsorglich“ deklarierten Fall eines Frei-Geworden-Seins der Erfinder als freier Erfinder zu behandeln sein würde, also mindestens ohne Anteilsfaktor und ohne Abstaffelung. Dies sei für den Erfinder ein zentraler Umstand gewesen, in dessen Kenntnis er den Vertrag so nicht abgeschlossen hätte, was auch für die Übertragung von Rechten gelte. Darüber hinaus verstoße die Regelung gegen § 307 Abs. 1 BGB sowie gegen die Aufklärungspflicht und sei demnach nicht wirksam vereinbart worden. Auch ein Rechtsübertragungswille sei nicht gegeben. Der Vertrag sei zudem, wie bereits in erster Instanz vorgetragen, angefochten worden und es sei fristgerecht die Einrede der Unbilligkeit (§ 23 Abs. 2 ArbEG) erhoben worden.
- Die vorsorgliche Rechteübertragung in Ziff. 1.4 des Erfindervergütungs-Grundvertrags stehe zudem in einem synallagmatischen Verhältnis zur Zahlung eines nur geringen Anteils aus einem Gesamt-Betrag in Höhe von (nur) 1.000 EUR brutto, wie sich aus Ziff. 1.1 ergebe. Als Gegenleistung für den Verzicht auf die in Ziff. 1.2 erwähnten Erfinderrechte nach §§ 14, 15 und 16 sowie für eine erhebliche Einschränkung des ansonsten detaillierten Anspruchs auf Auskunft/Rechnungslegung in Ziff. 1.3 sei ein Anteil in eben diesen 1.000 EUR enthalten, der sich – wenn man die üblichen Abkaufbeträge im Jahr 2012 berücksichtige – auf ca. 300 EUR belaufe und durch den Abkauf der Vorratsvergütung aufgezehrt werde. Für die – nicht geschuldete – Übertragung von Erfindungsrechten sei somit kein Anteil mehr in den angebotenen 1.000 EUR vorhanden gewesen. Mit anderen Worten: Für Nichts, hilfsweise für wenige Hundert Euro hätten die Erfinder auf ihre frei gewordenen Erfindungsrechte sowie gegenüber der ArbEG-Vergütung um ca. den Faktor 30 höhere Ansprüche als freie Erfinder verzichten sollen. Das Ungleichgewicht dieser Positionen sei offensichtlich.
- In der Berufungsinstanz hat der Kläger neben dem Zahlungsbegehren zusätzlich Auskunft und Rechnungslegung verlangt und zudem Zwischenfeststellungsklage erhoben.
- Der Kläger beantragt,
- die Beklagte, XXX P. G., unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Düsseldorf, Az. 4b O 105/19 vom 01.03.2023 zu verurteilen, ihm, dem Kläger,
- 1. für bis Ende 2023 beauskunftete Nutzungen der dem europäischen Patent EP XXXXXXX XX „Neuartiges Verfahren zur Herstellung von A.-D.“ (vorliegend im erstinstanzlichen Verfahren Az. 4b 106/19 als Anlage TRI1) mit dem erteilten Patentanspruch 1
- und mit dem erteilten Patentanspruch 18
-
zugrunde liegenden Diensterfindung (= Streiterfindung)
- zunächst (= teilklageweise) 500.000,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank ab Rechtshängigkeit zu zahlen;
- wobei eine auf Bruchteilsrecht gestützte Zahlung gemeinschaftlich an den Kläger und Frau V. S., N. S. , K. zu erfolgen hat,
- welche Einschränkung für die hilfsweise auf § 9 ArbEG i.V.m. Rubrumsberichtigung gegen die XXX B.S. G., R.-S.-S.-P. , M. a. R., vertreten durch ihre Geschäftsführer S. B. und A. R., ebenda – HRB beim AG D. nicht gilt;
- 2. in Gemeinschaft mit Frau V. S. Auskunft zu geben und Rechnung zu legen darüber, welchen Gewinn sie und/oder mit ihr verbundene Unternehmen (§§ 15 ff. AktienG) im In- und Ausland mit der Streiterfindung (= Berufungsklageantrag 1.) erzielt hat/haben, wobei diese Angabe unter Ausweisung der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungs- und sonstigen Kosten zu erfolgen hat und den einzelnen Herstellungen und Lieferungen zugeordnet und aufgeschlüsselt ist nach Kalenderjahren und Ländern.
- Im Wege einer in der Berufungsinstanz erhobenen Zwischenfeststellungsklage beantragt der Kläger ferner,
- festzustellen dass,
- 1. er, der Kläger, weiterhin materiell Berechtigter ist hinsichtlich des auf ihn zurückgehenden Anteils an der mit Anlage CBH 1 gemeldeten Streiterfindung;
- 2. die Beklagte verpflichtet ist, ihm, dem Kläger, in Gemeinschaft mit Frau V. S. weiteren, d.h. über Klageantrag 1. hinausgehenden Schadensersatz zu zahlen mitsamt einem Ausgleich in Geld für Gebrauchsvorteile, die den Anteil der Beklagten übersteigen, für deren unberechtigte Alleinanmeldungen der Streiterfindung im In- und Ausland und für deren haupt-, mit- und nebentäterschaftliche (§§ 830, 840 BGB) anteilsübersteigende Nutzungen der Streiterfindung im In- und Ausland.
- Die Beklagte beantragt,
- die Berufung des Klägers zurückzuweisen;
- auf ihre Berufung das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen;
- die Klage auch im Umfang der Klageerweiterungen abzuweisen.
- Der Kläger beantragt,
- die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
- Die Beklagte verfolgt mit ihrer Berufung ihren Antrag auf Klageabweisung weiter und macht, soweit es darauf ankommt, in der Berufungsinstanz insbesondere geltend:
- Für eine Berichtigung des Rubrums bleibe kein Raum, weil jegliche Anhaltspunkte dafür fehlten, dass der Kläger die Klage gegen die XXX B.S. G. habe richten wollen. Vielmehr sei der Kläger einem Irrtum darüber unterlegen, wer zu dem maßgeblichen Zeitpunkt der Erfindung die Arbeitgeberrolle innegehabt habe.
- Soweit der Kläger nunmehr die Inanspruchnahme der Erfindung streitig stelle, sei dies verspätet. Auf Basis der Inanspruchnahme sei bereits mündlich verhandelt worden, so dass ein prozessuales Geständnis vorliege.
- Frau P. Dr. L.-F. habe die Inanspruchnahmeerklärung namens und in Vollmacht der S. B.S. G. abgegeben, wie durch alle maßgeblichen Anhaltspunkte belegt werde. So sei das Schreiben – wie aus der Fußzeile ersichtlich – auf dem Briefkopf der G. verfasst worden, auch die Unterschriftenzeile laute auf die G. In der Fußzeile sei aufgeführt, dass Frau P. D. L.-F. Geschäftsführerin der G. gewesen sei. Der am Ende folgende Zusatz „Vorstand Forschung und Entwicklung“ unter der Unterschrift sei demgegenüber bei lebensnaher Betrachtung nicht geeignet, eine Erklärung für die G. in Frage zu stellen. Dass Frau P.. D. L.-F. in ihrer Funktion als Vorstand für die A. habe unterschreiben und gleichzeitig in dieser Rolle und nicht in ihrer Geschäftsführerfunktion in Vertretung für die G. habe handeln wollen, entspreche keiner lebensnahen Sichtweise. Frau P. D. L.-F. sei für die Inanspruchnahme der Erfindung aufgrund einer Ermächtigung durch ihren Co-Geschäftsführer Herrn T. zuständig und hierfür alleinvertretungsberechtigt gewesen. Dies ergebe sich aus den schriftlichen Stellungnahmen von Frau P. D. L.-F. (Anlage CBH 50) und Herrn T. (Anlage CBH 52). Es habe sich um eine aufgabenspezifische Ermächtigung gehandelt, die zur Folge habe, dass der die Ermächtigung erteilende Geschäftsführer bei der Abgabe der Willenserklärung nicht mitwirken müsse. Darüber hinaus seien die Voraussetzungen einer Duldungsvollmacht gegeben, nachdem Frau P. D. L.-F. seit dem Jahr 2005 im Wissen und unter Billigung ihres Co-Geschäftsführers einschließlich der Gesellschafterin die Inanspruchnahmen ausgesprochen habe.
- Der Empfänger einer einseitigen Erklärung, die auf Basis einer solchen Ermächtigung abgegeben werde, sei ausreichend durch § 174 BGB geschützt. Demnach hätte der Kläger bei tatsächlichen Zweifeln an der Vertretungsmacht die Erklärung zurückweisen und den Nachweis einer Vollmacht verlangen können, was nicht geschehen sei. Die Pflicht zur unverzüglichen Zurückweisung nach § 174 BGB bedeute auch den Ausschluss der – hier 17 Jahre – späteren Berufung auf eine nicht explizit anlässlich der Erklärung dem Empfänger nachgewiesene, aber tatsächlich bestehende Vertretungsmacht. Selbst wenn die Vertretungsmacht von Frau P. D. L.-F. nicht bestanden hätte, wäre die Geltendmachung dieses Mangels zudem inzwischen verwirkt.
- Schließlich könnten alle an die Inanspruchnahmeerklärung anknüpfenden Fragen aufgrund der vorsorglichen Rechteübertragung in Ziff. 1.4 des Erfindervergütungs-Grundvertrags, gegen die Wirksamkeitsbedenken nicht bestünden, dahinstehen.
- Die Zwischenfeststellungsanträge des Klägers seien bereits unzulässig. Die Klageerweiterung um den auf die Mitteilung von Gewinnen gerichteten Auskunftsantrag sei ebenfalls unzulässig und im Übrigen selbst dann als unbegründet abzuweisen, wenn die Erfindungsrechte des Klägers frei geworden wären. Die Beklagte erhebt zudem die Einrede der Verjährung und trägt hierzu vor, Auskunftsansprüche verjährten innerhalb der dreijährigen Regelverjährung, so dass der Kläger nur entsprechend für diesen Zeitraum Ansprüche geltend machen könne.
- Wegen des weiteren Sach- und Streitstands, insbesondere auch des weiteren Berufungsvorbringens der Parteien, wird auf den Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze der Parteien und der von ihnen vorgelegten Anlagen sowie auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung sowie der vorangegangenen Entscheidungen auf der Auskunftsstufe Bezug genommen.
- II.
- Die Rechtsmittel beider Parteien sind zulässig. In der Sache hat die Berufung der Beklagten Erfolg und führt zur Abänderung des landgerichtlichen Urteils und zur Abweisung der Zahlungsklage, während die Berufung des Klägers aufgrund der Unbegründetheit der Zahlungsklage erfolglos bleibt (dazu unter A.). Die auf Auskunft und Rechnungslegung gerichtete Klageerweiterung des Klägers in der Berufungsinstanz (dazu unter B.) sowie die in der Berufungsinstanz erhobene Zwischenfeststellungsklage (dazu unter C.) haben keinen Erfolg.
- A.
- Die Zahlungsklage des Klägers ist als offene Teilklage zulässig. Der Klageantrag begegnet insoweit keinen Bestimmtheitsbedenken, weil der Kläger klargestellt hat, dass der Betrag von 500.000,- EUR in der Reihenfolge seiner zeitlichen Entstehung geltend gemacht wird und die Nettoumsätze der Beklagten als Grundlage der Berechnung gesondert nach den Jahren 2019, 2020, 2021, 2022 und 2023 ausgewiesen sind.
- Soweit der Kläger seinen Zahlungsantrag zunächst auf Ansprüche auf Arbeitnehmererfindervergütung gestützt hat und sein Begehren nunmehr „erstrangig“ mit § 823 Abs. 1 BGB bzw. § 812 ff. BGB i.V.m. §§ 741 ff. BGB begründet, handelt es sich nicht um eine Klageänderung. Dem Begehren des Klägers liegen sowohl ein einheitlicher Klageantrag (Zahlung) als auch ein einheitlicher Lebenssachverhalt zugrunde, womit es sich um nur einen Streitgegenstand handelt. Vor diesem Hintergrund kann der Kläger sein Begehren auch nicht wirksam in ein Eventualverhältnis stellen, wonach zunächst die eine und erst nachrangig eine andere Anspruchsgrundlage zu prüfen sei. Ebenfalls prozessual unbeachtlich ist das Begehren des Klägers, wonach die Möglichkeit einer Rubrumsberichtigung nur nachrangig zu prüfen sei. Die Frage, welche Gesellschaft Partei des Rechtsstreits geworden ist, ist eine vom Senat von Amts wegen zu prüfende Rechtsfrage und steht nicht zur Disposition des Klägers.
- Die Zahlungsklage ist jedoch unbegründet. Dem Kläger steht der mit der Klage geltend gemachte Zahlungsanspruch nebst Zinsen gegen die Beklagte, die XXX P. G. (dazu näher nachfolgend unter 1. f.), nicht zu.
-
1.
Der Kläger hat gegen die Beklagte – die XXX P. G. – keinen Anspruch auf Zahlung von Arbeitnehmererfindervergütung aus § 9 Abs. 1 ArbEG a.F., § 398 BGB. -
a)
Das Gesetz über Arbeitnehmererfindungen ist in seiner bis zum 30.09.2009 geltenden Fassung anzuwenden, weil die Streiterfindung mit Schreiben vom 12.04.2007 (Anlage TRI 22) und damit vor dem 01.10.2009 gemeldet wurde, § 43 Abs. 3 S. 1 ArbEG. -
b)
Die Beklagte ist für den Anspruch aus § 9 Abs. 1 ArbEG a.F., § 398 BGB nicht passivlegitimiert, weil sie bereits seit dem 01.07.2001 nicht mehr Arbeitgeberin des Klägers war. - Schuldner des Anspruchs auf Arbeitnehmererfindervergütung ist – wovon auch die Parteien übereinstimmend ausgehen – allein der Arbeitgeber (Bartenbach/Volz, Arbeitnehmererfindungsgesetz, 7. Aufl. 2024, § 9 Rn. 4 m.w.N.), und zwar auch dann, wenn innerhalb eines Konzerns ein anderes Unternehmen die Erfindung nutzt (vgl. Bartenbach/Volz, Arbeitnehmererfindungsgesetz, 7. Aufl. 2024, § 9 Rn. 185, § 1 Rn. 130).
- Die Beklagte kann damit nicht Schuldnerin des von dem Kläger aus abgetretenem Recht geltend gemachten Anspruchs aus § 9 Abs. 1 ArbEG a.F. sein. Denn sie bzw. ihre Rechtsvorgängerin (die S P. A.) war bereits seit dem 30.06.2001 – und damit deutlich vor der Streiterfindung sowie deren Meldung und Inanspruchnahme im Jahr 2007 – nicht mehr Arbeitgeberin des Klägers, nachdem dessen Arbeitsverhältnis mit Wirkung zum 01.07.2001 auf die XXX B.S. G. (damals firmierend als S. B.S. G.) übergegangen ist.
-
c)
Der vorgenannten Feststellung steht nicht die Beweiskraft des Tatbestands des landgerichtlichen Urteils (§ 314 ZPO) entgegen. - Stellen die Parteien eine Tatsache in der zweiten Instanz übereinstimmend anders dar als im Tatbestand des Urteils beurkundet, gilt das neue Vorbringen. § 314 S. 1 ZPO steht dem nicht entgegen. Der Tatbestand eines angefochtenen Urteils ist zwar grundsätzlich bindend. Neuer Sachvortrag ist damit aber nicht ausgeschlossen (vgl. BGH, NJW-RR 2021, 1223 Rn. 19; BeckOK ZPO/Elzer, 54. Ed. Stand: 01.09.2024, § 314 Rn. 30). Schon im Rahmen des § 531 Abs. 2 S. 1 ZPO hindert der Tatbestand des angegriffenen Urteils nicht zwingend die Berücksichtigung neuen Sachvortrags (vgl. BGH, NJW-RR 2021, 1223 Rn. 19; BeckOK ZPO/Elzer, 54. Ed. Stand: 01.09.2024, § 314 Rn. 30). Dies gilt erst recht, wenn – wie hier – die Parteien übereinstimmend neu, anders oder abweichend vortragen (BeckOK ZPO/Elzer, 54. Ed. Stand: 01.09.2024, § 314 Rn. 30). Denn unstreitige neue Tatsachen können unabhängig von den Zulassungsvoraussetzungen des § 531 Abs. 2 ZPO stets in das Berufungsverfahren eingeführt werden (BeckOK ZPO/Elzer, 54. Ed. Stand: 01.09.2024, § 314 Rn. 30). Aus der die Zwecke des Zivilprozesses und der Präklusionsvorschriften berücksichtigenden Auslegung der §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 ZPO ergibt sich, dass unter „neue Angriffs- und Verteidigungsmittel” im Sinne des § 531 ZPO lediglich streitiges und beweisbedürftiges Vorbringen fällt. Nicht beweisbedürftiges Vorbringen hat das Berufungsgericht gemäß § 529 Abs. 1 ZPO seiner Entscheidung ohne Weiteres zu Grunde zu legen (BGHZ 161, 138, 141 ff. = NJW 2005, 291; BGHZ 166, 29 = NJW-RR 2006, 630 Rn. 6; BGHZ 177, 212 = NJW 2008, 3434 Rn. 9 ff.; BGH, NJW-RR 2006, 755 Rn. 5; NJW 2009, 2532 Rn. 15; Beschl. v. 27.10.2015 – VIII ZR 288/14, BeckRS 2016, 482 Rn. 11; GRUR 2022, 1550 Rn. 13 – Gehörsverletzung). Unstreitige neue Tatsachen können daher in das Berufungsverfahren eingeführt werden und sind beachtlich, auch wenn sie in erster Instanz noch anders dargestellt worden sind (OLG Düsseldorf, Urt. v. 17.08.2023 – I-15 U 39/22, GRUR-RS 2023, 42708 Rn. 27 – Unterbauleiste; BeckOK ZPO/Elzer, 54. Ed. Stand: 01.09.2024, § 314 Rn. 30).
-
d)
Auch die Rechtskraft des Teilurteils des Landgerichts vom 02.03.2021, mit dem die Beklagte zur Auskunftserteilung über Produkte, die unter Anwendung der dem Streitpatent zugrundeliegenden Erfindung hergestellt, vertrieben und/oder in Verkehr gebracht wurden, verurteilt worden ist, steht der vorgenannten Feststellung nicht entgegen. - Bei einer Stufenklage schafft die Verurteilung zur Auskunft oder Rechnungslegung keine Rechtskraft für den Grund des Zahlungsanspruchs (vgl. BGH, NJW 1969, 880; NJW 1985, 862; NJW 1992, 2427, 2428; OLG Karlsruhe, Urt. v. 10.03.1992 – 3 U 34/91, BeckRS 2012, 12895; Thüringer OLG, Urt. v. 12.01.1997 – 2 U 649/96, OLG-NL 1997, 157, 158; MüKo ZPO/Gottwald, 6. Aufl. 2020, § 322 Rn. 178; Musielak/Voit/ Musielak/Wolff, ZPO, 21. Aufl. 2024, § 322 Rn. 75; Saenger/Saenger, ZPO, 10. Aufl. 2023, § 322 Rn. 42; Zöller/Vollkommer, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 322 Rn. 13; Cepl/Voß/Zigann/Werner, Prozesskommentar Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, 3. Aufl. 2022, § 322 Rn. 30). Rechtskraft und bindende Wirkung eines Urteils erstrecken sich nur auf die darin unmittelbar ausgesprochene Rechtsfolge, nicht aber auf die Urteilselemente. Das rechtskräftige Teilurteil, das im Rahmen einer Stufenklage zu Auskunft oder Rechnungslegung verurteilt, bindet das zur Entscheidung im Betragsverfahren berufene Gericht in keiner Richtung, so dass letzteres auch in Abweichung von seinem im Auskunftsurteil eingenommenen Standpunkt die Zahlungsklage abweisen darf (OLG Karlsruhe, Urt. v. 10.03.1992 – 3 U 34/91, BeckRS 2012, 12895).
-
e)
Schließlich steht die Wirkung des § 288 ZPO der Annahme einer fehlenden Passivlegitimation der Beklagten nicht entgegen. Das prozessuale Geständnis nimmt einzelnen Tatsachen nur die Beweisbedürftigkeit, hat aber keine weiteren unmittelbaren Auswirkungen auf den geltend gemachten Anspruch (vgl. MüKo ZPO/Prütting, 6. Aufl. 2020, § 288 Rn. 7). Nachdem die fehlende Arbeitgeberstellung der Beklagten in der Berufungsinstanz unstreitig geworden ist, war eine Beweisbedürftigkeit ohnehin nicht gegeben. -
f)
Die Klage ist gegen die im Rubrum angegebene XXX P. G. und nicht gegen die XXX B.S. G. gerichtet. Es handelt sich nicht nur um eine unrichtige Parteibezeichnung, weshalb das Passivrubrum nicht, wie von dem Kläger erstrebt, berichtigt werden kann. -
aa)
Wer Partei eines Zivilrechtsstreits ist, ergibt sich aus der in der Klageschrift gewählten Parteibezeichnung, die als Teil einer Prozesshandlung grundsätzlich der Auslegung zugänglich ist (BGH, NJW-RR 2013, 394 Rn. 13; NJW 2017, 2472 Rn. 19; NJW 2021, 1818 Rn. 11; NJW 2022, 3003 Rn. 15; NJW-RR 2022, 1718 Rn. 19). Maßgebend ist, wie die Bezeichnung bei objektiver Deutung aus der Sicht der Empfänger (Gericht und Gegenpartei) zu verstehen ist. Bei objektiv unrichtiger oder auch mehrdeutiger Bezeichnung ist grundsätzlich diejenige Person als Partei anzusehen, die erkennbar durch die Parteibezeichnung betroffen werden soll (BGH, NJW-RR 2013, 394 Rn. 13; NJW 2017, 2472 Rn. 19; NJW 2021, 1818 Rn. 11; NJW 2022, 3003 Rn. 15; NJW-RR 2022, 1718 Rn. 19). Für die Ermittlung der Parteien durch Auslegung ihrer Bezeichnung sind nicht nur die im Rubrum der Klageschrift enthaltenen Angaben, sondern auch der gesamte Inhalt der Klageschrift einschließlich etwaiger beigefügter Anlagen zu berücksichtigen (BGH, NJW-RR 2013, 394 Rn. 13; NJW 2017, 2472 Rn. 20; NJW 2021, 1818 Rn. 11; NJW-RR 2022, 1718 Rn. 19). Als Auslegungsmittel können auch spätere Prozessvorgänge herangezogen werden (BGH, NJW-RR 2006, 1569 Rn. 11; NJW-RR 2009, 854 Rn. 9; NJW 2021, 1818 Rn. 11; NJW-RR 2022, 1718 Rn. 19). Bei der Auslegung der von der Klagepartei gewählten Parteibezeichnung gilt der Grundsatz, dass die Klageerhebung gegen die in Wahrheit gemeinte Partei nicht an deren fehlerhafter Bezeichnung scheitern darf, wenn diese Mängel in Anbetracht der jeweiligen Umstände letztlich keine vernünftigen Zweifel an dem wirklich Gewollten aufkommen lassen (BGH, NJW-RR 2013, 394 Rn. 13; NJW 2017, 2472 Rn. 20; NJW 2021, 1818 Rn. 11; NJW-RR 2022, 1718 Rn. 20). Er greift auch dann, wenn statt der richtigen Bezeichnung irrtümlich die Bezeichnung einer tatsächlich existierenden (juristischen oder natürlichen) anderen Person gewählt wird, solange nur aus dem Inhalt der Klageschrift und der Anlagen unzweifelhaft deutlich wird, welche Partei tatsächlich gemeint ist (BGH, NJW-RR 2013, 394 Rn. 13; NJW 2017, 2472 Rn. 20; NJW 2021, 1818 Rn. 11, 17). - Von einer bloß fehlerhaften Parteibezeichnung zu unterscheiden ist dagegen die irrtümliche Benennung der falschen, an dem materiellen Rechtsverhältnis nicht beteiligten Person als Partei; diese wird Partei, weil es entscheidend auf den Willen des Klägers so, wie er objektiv geäußert ist, ankommt (BGH, NJW-RR 2013, 394 Rn. 13; NJW 2017, 2472 Rn. 21; NJW 2021, 1818 Rn. 11; NJW 2022, 3003 Rn. 15). Die Benennung der falschen Partei kann nicht durch eine Rubrumsberichtigung, sondern nur durch einen Parteiwechsel korrigiert werden (BGH, NJW 2022, 3003 Rn. 15).
-
bb)
Daran gemessen ist die in der Klageschrift bezeichnete XXX P. G. und nicht die XXX B.S. G. auf Beklagtenseite Partei des Rechtsstreits geworden. - Weder der Klageschrift, also der Stufenklage (§ 254 ZPO) mit dem zu diesem Zeitpunkt unbezifferten Leistungsantrag, noch den mit der Klageschrift eingereichten Anlagen lässt sich entnehmen, dass die Klage gegen die XXX B.S. G. gerichtet werden sollte. Den genannten Unterlagen lässt sich auch nicht entnehmen, dass es sich bei der XXX B.S. G. um die Arbeitgeberin des Klägers gehandelt hat, weshalb offen bleiben kann, ob bei klarer Erkennbarkeit dieses Umstands die XXX B.S. G. im Wege der Auslegung als Beklagte hätte angesehen werden können.
- In der Klageschrift selbst findet die XXX B.S. G. keinerlei Erwähnung. In den vorgelegten Anlagen taucht diese Gesellschaft zwar auf, allerdings lässt sich auch aus diesen nicht schließen, dass sie Arbeitgeberin des Klägers war oder – infolge eines Betriebsübergangs – geworden ist. Die von dem Kläger als Anlage TRI 2 vorgelegte Erfindungsmeldung, die zwar nicht die Streiterfindung betrifft, aber demselben Komplex zuzuordnen ist, ist an die „S. A.“ – also die Rechtsvorgängerin der Beklagten – gerichtet. Darin ist unter Ziff. 3. in der Spalte „Beschäftigt als“ handschriftlich „Scientist“ eingetragen und in der Spalte „aufgrund Arbeitsvertrags vom“ ist handschriftlich „01.04.1977“ vermerkt. Hinweise darauf, dass der Arbeitsvertrag nicht (mehr) mit der S. P. G. oder deren Rechtsnachfolgerin, der Beklagten, bestehen könnte, lassen sich daraus nicht entnehmen. Im Gegenteil sprechen die genannten Angaben und das Fehlen ergänzender Zusätze in dem an die Rechtsvorgängerin der Beklagten gerichteten Schreiben eher für ein (weiterhin) mit der Beklagten bestehendes Arbeitsverhältnis.
- Zwar kann die Inanspruchnahme der Streiterfindung durch die XXX B.S. G. (damals noch firmierend als S. B.S. G.) mit dem der Klageschrift beigefügten Schreiben vom 12.04.2007 darauf hindeuten, dass diese Gesellschaft für das Arbeitsverhältnis des Klägers eine Rolle spielen könnte. Gleiches gilt für das als Anlage TRI 9 vorgelegte Schreiben der Beklagten (XXX P. G.) an den Kläger vom 26.04.2011, in dem es heißt:
- „… für Ihre erfinderische Leistung im Rahmen der Forschung und Entwicklung bei XXX/S.z P. möchten wir uns zugleich im Namen Ihres Arbeitgebers nochmals herzlich bedanken.“
- Dass es sich bei der XXX B.S. G. tatsächlich um die Arbeitgeberin des Klägers handelte, lässt sich daraus indes nicht eindeutig entnehmen. Ebenso denkbar waren etwa weitere gesellschaftsrechtliche Umstrukturierungen und damit im Zusammenhang stehende Rechtsnachfolgen bzw. Umfirmierungen oder auch ein Irrtum auf Seiten des XXX-Konzerns. Noch im Termin vom 06.06.2024 vor dem Senat hat der Klägervertreter betont, dass auch eine Inanspruchnahme durch eine falsche Gesellschaft – und damit möglicherweise deren Unwirksamkeit – denkbar ist.
- Soweit sich der Kläger darauf beruft, Grundlage des Vergütungsanspruchs sei allein der mit der XXX B.S. G. geschlossene Vertrag, trifft dies auch nach ihrer eigenen bisherigen Darstellung nicht zu. Es stand, jedenfalls bis zum Verhandlungstermin vor dem Senat am 06.06.2024, allein ein Vergütungsanspruch nach dem Arbeitnehmererfindungsgesetz in Rede, der durch die Regelungen des Erfindervergütungs-Grundvertrags näher ausgestaltet worden ist. Abgesehen davon ist letzterer mit der Klageschrift nicht vorgelegt worden.
- Selbst wenn man für die Auslegung der Parteibezeichnung einen späteren Zeitpunkt, etwa denjenigen der Bezifferung des Leistungsantrags, für maßgeblich hielte, ergäbe sich kein anderes Ergebnis. Denn auch zu diesem Zeitpunkt war weder Vortrag vorhanden noch waren Unterlagen vorgelegt, aus denen sich die Arbeitgeberstellung der XXX B.S. G. ergab. Im Gegenteil herrschte noch in der Berufungsinstanz auf der Höhestufe keinerlei Problembewusstsein hinsichtlich der fehlenden Arbeitgeberstellung der Beklagten (XXX P. G.) auf Seiten beider Parteien. Nachdem der Senat im ersten Termin zur mündlichen Verhandlung auf der Höhestufe am 06.06.2024 auf die sich aus der Akte ergebenden Widersprüchlichkeiten hingewiesen und um Aufklärung darüber gebeten hat, welche Gesellschaft zum Zeitpunkt von Erfindungsmeldung und Inanspruchnahme Arbeitgeberin des Klägers gewesen ist, konnten die anwesenden Prozessvertreter hierzu im Termin keine Erklärungen abgeben. Dem Senat war es in Vorbereitung des Termins vom 06.06.2024 zudem sogar bei Berücksichtigung des gesamten Akteninhalts – und damit weit mehr als dem zulässigen Auslegungsmaterial – nicht möglich, die Arbeitgebereigenschaft von XXX P. G. oder XXX B.S. G. aufzuklären. Erst der übereinstimmende Vortrag der Parteien zu dem aus der Akte nicht ersichtlichen Betriebsübergang im Nachgang zur mündlichen Verhandlung brachte diesbezüglich Klarheit.
- Es führt schließlich nicht zu einer anderen Beurteilung, wenn der Kläger argumentiert, die Bezeichnung der XXX P. G. als Beklagte gehe maßgeblich auf deren eigenes Verhalten zurück. Der Kläger knüpft diesen Vorwurf daran, dass die bei der Beklagten (XXX P. G.) angesiedelte zentrale Patentabteilung die erfinderrechtlichen Angelegenheiten stellvertretend für sämtliche XXX-Konzerngesellschaften regele. Unabhängig davon, ob diese von der Beklagten bestrittene Darstellung zutrifft, hat die Einbindung einer zentralen Patentabteilung oder deren Mitarbeiter im Konzern nicht dazu geführt, dass auf Seiten des Klägers Unklarheit über die in Anspruch zu nehmende Gesellschaft entstehen konnte. So gibt es in den vorliegenden Unterlagen keine Anhaltspunkte dafür, dass sich die Beklagte noch nach dem Betriebsübergang als Arbeitgeberin des Klägers geriert hätte; entsprechendes lässt sich auch dem Vortrag des Klägers nicht entnehmen. In dem bereits erwähnten Schreiben vom 26.04.2011 hat sich die Beklagte zwar auch in ihrer Funktion als Konzernmutter oder Trägerin der Patentabteilung bei dem Kläger bedankt, dabei aber nicht versäumt, ihre fehlende Arbeitgeberstellung klarzustellen („auch im Namen Ihres Arbeitgebers“). Ob es „guter Brauch unter Konzerntöchtern“ ist, selbst auf eine Berichtigung hinzuwirken, wie es in einem von dem Kläger zitierten Urteil des Oberlandesgerichts Hamm – mit im Übrigen nicht vergleichbarer Fallgestaltung – heißt (NJW-RR 1991, 188; kritisch dazu Kempe/Antochewicz, NJW 2013, 2797, 2798), ist zweifelhaft. Jedenfalls kann eine solche Sichtweise nicht dazu führen, dass eine nach den dargestellten Grundsätzen nicht der Auslegung fähige Parteibezeichnung berichtigt werden kann. Es kommt in diesem Zusammenhang auch nicht darauf an, ob die Beklagte (XXX P. G.) und die XXX B.S. G. ihren Sitz an derselben Adresse haben und, wie von dem Kläger vorgetragen und von der Beklagten bestritten, bei der Inanspruchnahme und Klageerhebung durch dieselben Personen organschaftlich vertreten wurden. Auch das Bestehen eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags ist an dieser Stelle nicht entscheidend. Die von dem Kläger angestellten Überlegungen zu dem das gesamte Prozessrecht beherrschenden Grundsatz von Treu und Glauben und einer daraus folgenden Zustimmungspflicht können allenfalls im Rahmen eines beabsichtigten Parteiwechsels von Bedeutung sein. Für die Frage, wer bei objektiver Deutung aus der Sicht des Empfängers als Partei in Anspruch genommen wurde und ob bei einer fehlerhaften Bezeichnung keine vernünftigen Zweifel an dem tatsächlich Gewollten aufkommen können, spielen diese Erwägungen hingegen keine Rolle.
-
cc)
Die von dem Kläger zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 27.11.2007 (NJW-RR 2008, 582) führt nicht zu einer anderen Betrachtung. Der Entscheidung lag der Sachverhalt zugrunde, dass der Kläger Schadensersatz aus einem zwischen ihm und der XXX-G. geschlossenen Vertrag verlangte. Gegenstand des Streits war die Frage, ob die XXX-G. ungeachtet des Umstands, dass der Kläger in der Klageschrift als Beklagte die X-A. angegeben hatte, Beklagte des Rechtsstreits geworden ist. Das Berufungsgericht hatte hierzu die Auffassung vertreten, eine berichtigende Auslegung der Parteibezeichnung sei unmöglich, weil die Bezeichnung „X-A.” eindeutig der Firmenname der „jetzigen Beklagten” sei, und daran ändere auch der Umstand nichts, dass sowohl das Gericht als auch die A nach Sichtung der Unterlagen alsbald hätten erkennen können, dass die A. nicht Vertragspartnerin des Klägers und damit nicht schadensersatzpflichtig sei. Damit hatte das Berufungsgericht, so der Bundesgerichtshof, zum einen nicht beachtet, dass eine berichtigende Auslegung auch dann möglich ist, wenn irrtümlich die Bezeichnung einer tatsächlich existierenden juristischen Person gewählt worden ist, und zum anderen, dass auch der Inhalt der Klageschrift nebst Anlagen für die Auslegung erheblich ist. Vor diesem Hintergrund führt der Bundesgerichtshof in der von dem Kläger zitierten Rn. 11 seiner Entscheidung aus: - „Daraus ergibt sich zugleich, dass die Kl. nicht etwa irrtümlich die A. für ihren Vertragspartner hielt. Denn die Kl. hatte der Klageschrift den Liefervertrag, die vorgerichtliche Korrespondenz mit der Lieferantin und deren Verjährungsverzichtserklärung beigefügt, die sämtlich auf den Namen der G. lauteten bzw. von ihr stammten. Der Kl. kann nicht die Ansicht unterstellt werden, statt des Unternehmens, mit dem sie kontrahiert und über Schadensersatz verhandelt hatte – der G. –, sei dessen Konzernmutter, die A., ihr Vertragspartner geworden…”
- (Hervorhebungen hinzugefügt)
-
Die hervorgehobenen Ausführungen zeigen zum einen, dass der Bundesgerichtshof eben jene, in Rn. 7 der Entscheidung dargestellten Grundsätze zur Anwendung gebracht hat, von denen auch der Senat ausgeht. Der Bundesgerichtshof betont, es müsse eine Auslegung unter Berücksichtigung des Inhalts der Klageschrift nebst Anlagen vorgenommen werden. Keinesfalls wird hingegen ein allgemeiner Grundsatz aufgestellt, wonach stets angenommen werden kann, die „richtige“ Partei habe verklagt werden sollen. Zum anderen zeigen die hervorgehobenen Ausführungen die Unterschiede in der Fallgestaltung auf: Aus den der dortigen Klageschrift beigefügten Unterlagen ging eindeutig hervor, wer Vertragspartner geworden war, nämlich die X-G.. Eben hierin liegt der entscheidende Unterschied zum Streitfall, in dem sich – wie dargestellt – der Klageschrift nebst Anlagen weder entnehmen ließ, dass die Rechtsvorgängerin der XXX P. G. nicht (mehr) Arbeitgeberin des Klägers war, noch, dass die XXX B.S. G. in diese Stellung eingetreten ist.
2.
Es besteht auch kein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte aus § 823 Abs. 1 BGB oder aus einer anderen Anspruchsgrundlage im Zusammenhang mit einer mangels wirksamer Inanspruchnahme durch die Arbeitgeberin frei gewordenen Diensterfindung. -
a)
Der Kläger hat die wirksame unbeschränkte Inanspruchnahme der Diensterfindung im Sinne von § 288 ZPO gestanden. Da die Voraussetzungen des § 290 ZPO nicht vorliegen, bleibt er an dieses Geständnis gebunden. -
aa)
Nach § 288 Abs. 1 ZPO bedürfen die von einer Partei behaupteten Tatsachen insoweit keines Beweises, als sie im Laufe des Rechtsstreits von dem Gegner bei einer mündlichen Verhandlung oder zu Protokoll eines beauftragten oder ersuchten Richters zugestanden sind. Diese Voraussetzungen liegen mit Blick auf die wirksame unbeschränkte Inanspruchnahme der Streiterfindung vor. -
(1)
Bei der (wirksamen) unbeschränkten Inanspruchnahme der Streiterfindung handelt es sich um eine geständnisfähige Tatsache. - Zu den Tatsachen, die nach § 288 Abs. 1 ZPO Gegenstand eines Geständnisses sein können, gehören auch juristisch eingekleidete Tatsachen; darüber hinaus können grundsätzlich auch präjudizielle Rechtsverhältnisse Gegenstand eines Geständnisses sein (BGH, NJW-RR 2003, 1578, 1579; GRUR 2006, 754 Rn. 28 – Haftetikett; NJW-RR 2015, 1321 Rn. 15; Stein/Jonas/Thole, 23. Aufl. 2018, § 288 Rn. 13 ff.; Musielak/Voit/Huber/Röß, ZPO, 21. Aufl. 2024, § 288 Rn. 4). Juristisch eingekleidete Tatsachen sind rechtlich erhebliche Vorgänge, die durch einen einfachen Rechtsbegriff bezeichnet werden, der jedem Teilnehmer am Rechtsverkehr geläufig ist (vgl. BGH, NJW 2010, 3567 Rn. 14; NJW 2013, 2111 Rn. 28; BeckOK ZPO/Bacher, 54. Ed. Stand: 01.09.2024, § 288 Rn. 4). Ein Beispiel für ein präjudizielles Rechtsverhältnis stellt bei einer auf Räumung und Zahlung gerichteten Klage das Bestehen eines Nutzungsvertrags zwischen den Parteien dar, das Gegenstand einer gesonderten Feststellungsklage hätte sein können (vgl. BGH, NJW-RR 2003, 1578, 1579).
- Daran gemessen handelt es sich bei der unbeschränkten Inanspruchnahme um eine geständnisfähige Tatsache (offen gelassen in BGH, GRUR 2006, 754 Rn. 28 – Haftetikett). Als in den maßgeblichen Verkehrskreisen jedermann geläufiger Rechtsbegriff erfüllt sie die Voraussetzungen einer juristisch eingekleideten Tatsache, ist darüber hinaus aber auch präjudiziell für das Bestehen der – ehemals allein – streitgegenständlichen Ansprüche nach dem ArbEG und hätte zum Gegenstand eines darauf gerichteten Feststellungsbegehrens gemacht werden können.
-
(2)
Es liegt auch ein Geständnis des Klägers in Bezug auf die wirksame unbeschränkte Inanspruchnahme der Streiterfindung vor. - Gemäß § 288 Abs. 1 ZPO kann das Geständnis als einseitige Erklärung, die gemäß Absatz 2 keiner Annahme bedarf, unter anderem in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht abgegeben werden; einer Protokollierung (§ 160 Abs. 3 Nr. 3 ZPO) bedarf es dann nicht (vgl. BGH, NJW-RR 2003, 1578, 1579; LG Düsseldorf, Urt. v. 31.05.2012 – 4b O 157/06, BeckRS 2012, 215261 Rn. 29). Vor dem Prozessgericht kann das Geständnis auch durch Bezugnahme auf schriftsätzlichen Vortrag gemäß § 137 Abs. 3 ZPO erfolgen (Zöller/Greger, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 288 Rn. 5). Der erforderliche Geständniswille besteht darin, dass zum Ausdruck gebracht wird, die betreffende Tatsache solle ungeprüft zur Urteilsgrundlage gemacht werden, wobei das Wort „Geständnis“ nicht verwendet zu werden braucht (vgl. BGH, NJW-RR 2005, 1297, 1298; LG Düsseldorf, Urt. v. 31.05.2012 – 4b O 157/06, BeckRS 2012, 215261 Rn. 29). Vielmehr genügt ein übereinstimmender Parteivortrag in der mündlichen Verhandlung (vgl. BGH, GRUR 2006, 754 Rn. 30 – Haftetikett) oder sonstiges schlüssiges Verhalten (vgl. BGH, NJW-RR 1996, 699).
- Diese Voraussetzungen liegen vor. Der Kläger hat seine Klage auf der Auskunftsstufe über zwei Instanzen und auf der Höhestufe vollständig in erster Instanz sowie teilweise auch noch in zweiter Instanz auf das Gesetz über Arbeitnehmererfindungen gestützt (sog. vorweggenommenes Geständnis, vgl. BGH, GRUR 2006, 754 Rn. 29 – Haftetikett), wobei auch die Beklagte ihrem Vortrag die unbeschränkte Inanspruchnahme der Streiterfindung zugrunde gelegt hat. Indem sie ausschließlich Ansprüche auf Arbeitnehmererfindervergütung diskutiert haben, waren sich die Parteien in jedenfalls drei mündlichen Verhandlungen über das Vorliegen einer wirksamen unbeschränkten Inanspruchnahme einig und haben den schriftsätzlichen Vortrag im Wege der Bezugnahme nach § 137 Abs. 3 ZPO zum Gegenstand der Verhandlungen gemacht. Dies betrifft die Termine zur mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 11.02.2021 (Auskunftsstufe), vor dem Senat am 21.10.2021 (Auskunftsstufe) und vor dem Landgericht am 19.01.2023 (Höhestufe). Der Kläger hat sein unbedingtes Einverständnis damit zum Ausdruck gebracht, dass das Prozessgericht den Tatsachenvortrag zur Inanspruchnahme der Streiterfindung ungeprüft zu seiner Urteilsgrundlage machen möge. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 06.06.2024 (Höhestufe) hat der Klägervertreter lediglich am Rande erwähnt, die Inanspruchnahme könne wegen der Erklärung durch eine falsche Gesellschaft unwirksam sein, worauf es angesichts der drei vorgenannten mündlichen Verhandlungen aber nicht ankommt.
- Der Annahme eines Geständnisses steht nicht entgegen, dass die Parteien in ihrem schriftsätzlichen Vorbringen und demnach auch in der Erörterung in den mündlichen Verhandlungen davon ausgegangen sind, dass es nicht, wie im weiteren Verlauf des Berufungsverfahrens unstreitig geworden ist, die XXX B.S. G., sondern die Beklagte war, die die unbeschränkte Inanspruchnahme der Streiterfindung erklärt hat (vgl. auch LG-Teilurteil vom 02.03.2021 (Auskunftsstufe), S. 4: „Die Beklagte nahm diese Erfindung mit Schreiben vom 12.04.2007 (Anlage TRI 7) uneingeschränkt in Anspruch.“). Beide Parteien sind stets davon ausgegangen, dass die Inanspruchnahme durch die Arbeitgeberin des Klägers wirksam erfolgt ist. Auf die Person der Arbeitgeberin kam es hierbei nicht entscheidend an. Der Umstand, welche Gesellschaft zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme tatsächlich Arbeitgeberin des Klägers war, lässt sich von der Frage, ob eine wirksame Inanspruchnahme durch die Arbeitgeberin erfolgt ist, ohne weiteres trennen. Dass die (fehlende) Arbeitgeberstellung der Beklagten im Berufungsverfahren von den Parteien übereinstimmend anders dargestellt wird als in erster Instanz, lässt die (prozessuale) Geständniswirkung hinsichtlich einer wirksamen Inanspruchnahme der Diensterfindung durch die Arbeitgeberin des Klägers nicht entfallen.
-
bb)
Die Bindungswirkung des Geständnisses ist auch nicht gemäß § 290 S. 2 ZPO entfallen. Der Kläger hat sein Geständnis nicht wirksam nach § 290 S. 1 ZPO widerrufen. - Voraussetzung des Widerrufs ist nach § 290 S. 1 ZPO der Beweis durch die widerrufende Partei, dass das Geständnis der Wahrheit nicht entspreche und durch einen Irrtum veranlasst sei. Unter einem Irrtum versteht man die unbewusste Unkenntnis des wirklichen Sachverhalts, unabhängig davon, ob diese verschuldet oder unverschuldet ist, es sich um einen Tatsachen-, Rechts- oder Motivirrtum handelt, wobei es bei der Beurteilung dieser Voraussetzungen auf die Person ankommt, die das Geständnis abgegeben hat – in der Regel also auf die Partei, ggf. auf ihren gesetzlichen Vertreter oder ihren Rechtsanwalt (LG Düsseldorf, Urt. v. 31.05.2012 – 4b O 157/06, BeckRS 2012, 215261 Rn. 32).
- Einen in diesem Sinne verstandenen Irrtum legt der Kläger nicht dar, sondern trägt nur eine geänderte, für seine Prozesssituation (nunmehr) günstigere Rechtsansicht vor (vgl. BGH, NJW-RR 2003, 1578, 1579). Die tatsächlichen Umstände der Erfindungsmeldung und der darauf erfolgten Inanspruchnahmeerklärung durch die Arbeitgeberin des Klägers waren diesem stets bekannt. Soweit er sich – wie mit seinem Schriftsatz vom 23.08.2024 vorgetragen – erstmals in der Berufungsinstanz veranlasst sah, die Angaben der Beklagten zu den Vertretungsverhältnissen im Zeitpunkt der Inanspruchnahmeerklärung zu überprüfen, begründet dies keinen Irrtum seinerseits. Auch der Umstand, dass in der Berufungsinstanz erstmals die Passivlegitimation der Beklagten thematisiert worden ist, begründet keinen Irrtum über die Wirksamkeit der Inanspruchnahme.
-
b)
Selbst wenn man das Vorliegen eines prozessualen Geständnisses ablehnen wollte, hätte der Kläger mit dem Bestreiten einer wirksamen Ermächtigung von Frau P.. Dr. L.-F. bei der Inanspruchnahme der Streiterfindung in der Berufungsinstanz nicht mehr gehört werden können (dazu unter aa)). Der von dem Kläger geltend gemachte Schriftformverstoß liegt nicht vor und hätte der Wirksamkeit der Inanspruchnahme in diesem Fall nicht entgegengestanden (dazu unter bb)). -
aa)
Wie bereits ausgeführt, war nach den tatbestandlichen Feststellungen des Landgerichts im Teilurteil vom 02.03.2021 (Auskunftsstufe, dort Seite 4) die unbeschränkte Inanspruchnahme der Streiterfindung durch die Beklagte unstreitig. Das erstmalige Bestreiten der Vertretungsmacht von Frau P.. Dr. L.-F. ist als neues Verteidigungsmittel zu behandeln, welches nur unter den Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 ZPO zuzulassen ist (vgl. BGH, NJW-RR 2023, 1356 Rn. 11; Musielak/Voit/Ball, ZPO, 21. Aufl. 2024, § 531 Rn. 14a). - Die Voraussetzungen für eine Zulassung neuer Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 ZPO sind indes nicht gegeben.
-
(1)
Nach § 531 Abs. 2 Nr. 1 ZPO sind neue Angriffs- und Verteidigungsmittel nur zuzulassen, wenn sie einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist. Ungeschriebene weitere Voraussetzung für die Zulassung neuen Vortrags nach dieser Regelung ist, dass die nach Auffassung des Berufungsgerichts fehlerhafte Rechtsansicht des erstinstanzlichen Gerichts zumindest mitursächlich dafür geworden ist, dass sich Parteivorbringen in die Berufungsinstanz verlagert hat (BGH, NJW-RR 2015, 1278 Rn. 10; NJW-RR 2021, 249 Rn. 11; Musielak/Voit/Ball, ZPO, 21. Aufl. 2024, § 531 Rn. 17). Das kommt insbesondere dann in Betracht, wenn das Gericht des ersten Rechtszuges, hätte es die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts geteilt, zu einem Hinweis nach § 139 Abs. 2 ZPO verpflichtet gewesen wäre, den jetzt – falls noch erforderlich – das Berufungsgericht nachzuholen hat, oder wenn die Partei durch die Prozessleitung des Erstrichters oder dessen sonst erkennbare rechtliche Beurteilung des Streitverhältnisses davon abgehalten worden ist, zu bestimmten Gesichtspunkten (weiter) vorzutragen (BGH, NJW-RR 2015, 1278 Rn. 10; NJW-RR 2021, 249 Rn. 11). So liegt es hier nicht. - Zwar haben sowohl die Parteien als auch das Landgericht die fehlende Arbeitgeberstellung der Beklagten übersehen. Dieser Umstand steht jedoch in keinem ursächlichen, auch nicht mitursächlichen Zusammenhang mit dem erst in der Berufungsinstanz erfolgten Bestreiten der Bevollmächtigung von Frau P. D. L.-F.. Bei der Wirksamkeit oder der Unwirksamkeit der Inanspruchnahme handelt es sich um einen unabhängig von der Frage des Anspruchsgegners relevanten Aspekt, dessen Prüfung der Erhebung einer Klage auf Arbeitnehmererfindervergütung in jedem Fall vorangehen musste. In diesem Zuge war von dem Kläger auch die Entscheidung zu treffen, ob sie die Vertretungsberechtigung der Unterzeichnerin näher überprüfen bzw. sich hierzu mit Nichtwissen erklären will oder nicht. Dies gilt umso mehr, als die Vertretungsberechtigung von Frau P.. D. L.-F. für die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die S. P. A., die gleichen Fragestellungen aufwirft wie ihre Vertretungsberechtigung für die XXX B.S. G.. Insbesondere bestand in beiden Fällen das vertretungsberechtigte Organ aus mehreren Mitgliedern und war im Handelsregister eine Gesamtvertretung vermerkt. Der Kläger macht auch nicht geltend, die Vertretungsberechtigung von Frau P. D. L.-F. für die S. P. A. sei ihm bekannt gewesen – im Gegenteil bestreitet er diese nunmehr ebenfalls.
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(2)
Es lässt sich auch nicht feststellen, dass das neue Verteidigungsmittel des Klägers im Sinne von § 531 Abs. 2 Nr. 2 ZPO einen Gesichtspunkt betrifft, der infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurde (Nr. 2). Ungeachtet der Frage, ob das Landgericht anhand der ihm vorgelegten Unterlagen die fehlende Passivlegitimation der Beklagten überhaupt hätte erkennen und hierauf hinweisen müssen, hätte ein entsprechender Hinweis durch das Gericht keineswegs ein Bestreiten der Bevollmächtigung von Frau P. D. L.-F. bei der Inanspruchnahme der Diensterfindung nahegelegt. Vielmehr wäre ein Parteiwechsel zu der tatsächlichen Arbeitgeberin des Klägers zu erwarten gewesen. -
(3)
Schließlich ist auch die Zulassungsvoraussetzung des § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO nicht gegeben, wonach solche Angriffs- und Verteidigungsmittel zuzulassen sind, die im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht. Wie bereits erörtert, hätte der Kläger seiner Klageerhebung eine Prüfung der Wirksamkeit der Inanspruchnahme voranstellen müssen, um bewerten zu können, ob er seine Ansprüche auf das ArbEG oder eine andere Anspruchsgrundlage stützt. -
bb)
Der von dem Kläger gerügte Schriftformverstoß bei der Inanspruchnahme der Streit-erfindung liegt nicht vor. -
(1)
Nach § 6 Abs. 2 S. 1 ArbEG a.F. erfolgt die Inanspruchnahme einer Diensterfindung durch schriftliche Erklärung gegenüber dem Arbeitnehmer. Bei der Inanspruchnahme durch den Arbeitgeber handelt es sich um eine empfangsbedürftige rechtsgestaltende Willenserklärung (BGH, GRUR 2006, 754 Rn. 27 – Haftetikett; Senat, Urt. v. 01.10.2010 – I-2 U 41/07, BeckRS 2010, 142295 Rn. 44; OLG Karlsruhe, GRUR 2011, 318, 319 – Formlose Meldung einer Initialidee; LG München I, GRUR-RR 2014, 8,11 – Spülbare Mehrschichtfolie). Der Arbeitgeber muss durch eine an den Arbeitnehmererfinder gerichtete und diesem zugegangene schriftliche Erklärung den Willen zu einem bestimmten rechtlichen Erfolg zum Ausdruck bringen, nämlich dass er die Diensterfindung für sich in Anspruch nimmt. Insoweit gelten demgemäß einschränkungslos die gesetzlichen Regeln für rechtsgeschäftliches Handeln (BGH, GRUR 2006, 754 Rn. 27 – Haftetikett). Die Schriftform ist Wirksamkeitsvoraussetzung, ihre Nichtbeachtung führt zur Nichtigkeit der Inanspruchnahme gemäß § 125 BGB (BGH, GRUR 2006, 754 Rn. 27 – Haftetikett; Senat, Urt. v. 01.10.2010 – I-2 U 41/07, BeckRS 2010, 142295 Rn. 44; Bartenbach/Volz, Arbeitnehmererfindungsgesetz, 7. Aufl. 2024, § 6 ArbEG a.F. Rn. 27). - Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu dem Schriftformerfordernis bei für länger als ein Jahr befristeten Mietverträgen ist, wenn eines der zur gemeinschaftlichen Vertretung berufenen Organmitglieder der Gesellschaft den Vertrag unterzeichnet, die Schriftform des § 550 BGB nur gewahrt, wenn auch die übrigen Organmitglieder unterzeichnen oder die Unterschrift den Hinweis enthält, dass das unterzeichnende Organmitglied auch diejenigen Organmitglieder vertreten will, die nicht unterzeichnet haben (BGH, NJW 2010, 1453 Rn. 18; NJW 2020, 1507 Rn. 23). Dies gilt aber nur, wenn nach dem Erscheinungsbild der Urkunde die Unterschrift des Unterzeichners in seiner Eigenschaft als Mitglied des mehrgliedrigen Organs abgegeben ist; nur dann erweckt die Urkunde den Anschein, es könnten noch weitere Unterschriften, nämlich diejenigen der übrigen Organmitglieder, fehlen (BGH, NJW 2013, 1082 Rn. 13; NJW 2020, 1507 Rn. 23). Ist die Vertretungsregelung im Rubrum des Mietvertrags angegeben, lässt sich der ohne Vertretungszusatz geleisteten einzelnen Unterschrift grundsätzlich nicht entnehmen, ob die übrigen gesetzlichen Vertreter noch unterzeichnen müssen. Bei einer solchen Gestaltung folgen die Zweifel an der Unterschriftsleistung unmittelbar aus der Urkunde selbst (BGH, NJW 2015, 2034 Rn. 21; NJW 2020, 1507 Rn. 23). Anders liegt der Fall jedoch, wenn nach dem Erscheinungsbild der Urkunde der Unterzeichner für sich allein die Berechtigung zum Abschluss des fraglichen Rechtsgeschäfts in Anspruch nimmt und dies durch einen die alleinige Vertretung der Gesellschaft anzeigenden Zusatz – etwa einen Firmen- oder Betriebsstempel – kenntlich macht (BGH, NJW 2013, 1082 Rn. 14; NJW 2020, 1507 Rn. 24). Zur Wahrung der Schriftform eines Mietvertrags mit einer GmbH als alleiniger Mieterin oder Vermieterin ist es nicht erforderlich, dass die auf deren Seite geleistete Unterschrift mit einem die Vertretung kennzeichnenden Zusatz versehen wird. Dies gilt auch dann, wenn die GmbH satzungsgemäß von zwei Geschäftsführern gemeinsam vertreten wird, die Unterschrift in der für die GmbH vorgesehenen Unterschriftszeile aber von einem Dritten stammt. Ob dieser hierzu bevollmächtigt war oder als vollmachtloser Vertreter unterzeichnet hat, ist eine Frage des Zustandekommens des Vertrags, nicht der Wahrung seiner Form (BGH, NJW 2007, 3346 Rn. 10 ff., Ls. 1 f.). Angaben darüber, woraus der Unterzeichner seine Vertretungsmacht herleitet, sind zur Wahrung der Schriftform ebenfalls nicht erforderlich. Ob der Vertreter Vertretungsmacht gehabt hat, ist keine Frage der Schriftform, sondern der Wirksamkeit des Vertrags. Selbst wenn der Vertreter ohne Vertretungsmacht gehandelt hat, beeinträchtigt das die Schriftform nicht (BGH, NJW 2010, 1453 Rn. 10 m.w.N.).
- Es stellt sich die Frage, ob diese Grundsätze auf die Inanspruchnahme einer Diensterfindung übertragen werden können, obwohl die Schriftformerfordernisse der §§ 550 BGB, 6 Abs. 2 ArbEG a.F. unterschiedlichen Schutzzwecken dienen. Während nämlich bei dem Schriftformerfordernis des § 6 Abs. 2 ArbEG a.F. die Klarstellungs- und Beweisfunktion im Vordergrund steht (vgl. OLG Frankfurt a.M., GRUR 2021, 1504 Rn. 26 – Kunststoffsack), dient die in § 550 BGB geforderte Beurkundung in erster Linie dem Informationsbedürfnis und damit dem Schutz eines in den Vertrag gemäß § 566 Abs. 1 BGB eintretenden Erwerbers. Diesem soll durch die Schriftform ermöglicht werden, sich von dem Umfang und Inhalt der auf ihn übergehenden Rechte und Pflichten zuverlässig zu unterrichten. Zusätzlich bezweckt die Schriftform des § 550 BGB, die Beweisbarkeit langfristiger Abreden sicherzustellen und als Übereilungsschutz die Vertragsparteien vor der unbedachten Eingehung langfristiger Bindungen zu warnen (BGH, NJW 2020, 1507 Rn. 21 m.w.N., siehe auch Rn. 28). Vor diesem Hintergrund können die Anforderungen an die Schriftform bei der Inanspruchnahme einer Arbeitnehmererfindung jedenfalls nicht weiter gehen als diejenigen bei Abschluss eines langfristigen Mietvertrags, wo – im Unterschied zu der Inanspruchnahme – mit einem potentiellen Erwerber des Grundstücks auch ein außenstehender Dritter geschützt werden soll.
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(2)
Im Streitfall ist die Schriftform selbst dann gewahrt, wenn man die zu § 550 BGB entwickelten Grundsätze anwendet. - Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass Frau P. D. L.-F. – eine von zwei Geschäftsführern der XXX B.S. G. (damals firmierend als S. B.S. G.) – allein und ohne Vertretungszusatz gehandelt hat. Aus der Inanspruchnahmeerklärung selbst ergibt sich nämlich, dass Frau P.. D. L.-F. nicht in ihrer Eigenschaft als Geschäftsführerin der S. B. G. gehandelt hat, sondern in ihrer Eigenschaft als „Vorstand Forschung und Entwicklung“ der in der Kopfzeile des Schreibens genannten „S. P.“. Sie hat zwar nach dem insoweit unmissverständlichen Wortlaut des Schreibens für die S. B. G. gehandelt, die – als Arbeitgeberin – die Erfindung in Anspruch genommen hat. Dass sie dabei indes als „Vorstand Forschung und Entwicklung“ gehandelt hat, zeigt die Unterschriftenzeile klar auf. Für den Erfinder war ein solches Auftreten auch angesichts der Verwendung des Briefkopfs der S. P. (A.) plausibel, zumal die dort angesiedelte Patentabteilung nach dem Vorbringen des Klägers die Inanspruchnahmen für die Konzernabteilung durchführte, und auch die Erfindungsmeldungen des Klägers an die S. P. A gerichtet waren. Ob Frau P. D. L-F. als Vorstandsmitglied der S. P. A. bevollmächtigt war, für die S. B.S. G. zu handeln, ist zwar aus der Urkunde nicht ersichtlich. Dabei handelt es sich nach den oben dargestellten Grundsätzen indes nicht um eine Frage der Schriftform.
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c)
Auch wenn man – entgegen den Ausführungen unter a) und b) – von einer unwirksamen Inanspruchnahme der Diensterfindung ausgehen wollte, wären die Rechte an der Diensterfindung jedenfalls im Wege einer rechtsgeschäftlichen Überleitung auf die XXX B.S. G. (ehemals firmierend als S. B.S. G.) übergegangen. Ansprüche gegen die Beklagte aus § 823 Abs. 1 BGB oder einer anderen Anspruchsgrundlage stünden dem Kläger auch in diesem Fall nicht zu. - Die Vereinbarung einer Überleitung der Rechte aus der Erfindung ergibt sich aus Ziff. 1.4 des Erfindervergütungs-Grundvertrages, die lautet:
- „ARBEITGEBER und ERFINDER gehen davon aus, dass die vermögenswerten Rechte an der Erfindung durch unbeschränkte Inanspruchnahme auf ARBEITGEBER übergegangen sind. Unabhängig davon werden hiermit vorsorglich nochmals alle vermögenswerten Rechte an der ERFINDUNG einschließlich aller nicht oder nicht gesondert schutzfähigen Verbesserungen mit Wirkung für Vergangenheit und Zukunft an ARBEITGEBER abgetreten; ARBEITGEBER nimmt die Abtretung hiermit an.“
- Während der erste Satz dieser Regelung lediglich eine rechtliche Wertung enthält, stellt der zweite Satz eine vorsorgliche Erklärung für den Fall dar, dass die rechtliche Wertung des ersten Satzes nicht zutrifft, weil das Recht an der Erfindung des Klägers nicht durch eine wirksame Inanspruchnahme auf die Arbeitgeberin übergegangen ist (vgl. BGH, GRUR 2006, 141 Rn. 29 f. – Ladungsträgergenerator). Bedenken gegen die Wirksamkeit der Regelung bestehen nicht.
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aa)
Zwar können nach § 22 S. 1 ArbEG die Vorschriften des ArbEG zuungunsten des Arbeitnehmers nicht abbedungen werden. Gemäß § 22 S. 2 ArbEG sind jedoch Vereinbarungen über Diensterfindungen nach ihrer Meldung, über freie Erfindungen und technische Verbesserungsvorschläge nach ihrer Mitteilung zulässig. Hierunter fällt auch die Vereinbarung einer Übertragung der Rechte an der Erfindung (vgl. BGH, GRUR 2006, 754 Rn. 31 – Haftetikett). -
bb)
Der Erfindervergütungs-Grundvertrag ist nicht infolge einer aufgrund des Anfechtungsgrunds der arglistigen Täuschung (§ 123 Abs. 1, 1. Var. BGB) erklärten Anfechtung nichtig, § 142 Abs. 1 BGB. - Dem Vorbringen des Klägers ist bereits keine Anfechtungserklärung zu entnehmen, die den Voraussetzungen des § 143 BGB genügen würde und unter Wahrung der Anfechtungsfrist nach § 124 BGB abgegeben worden ist. Zwar muss in einer Anfechtungserklärung nicht das Wort „anfechten“ verwendet werden; ebenso wenig muss der Grund für die erklärte Anfechtung angegeben werden. Die Erklärung muss jedoch eindeutig zu erkennen geben, dass das angefochtene Rechtsgeschäft als Ganzes keinen Bestand mehr haben und als solches mit seinen gesamten Rechtswirkungen beseitigt werden soll (BGH, NJW-RR 1988, 566, 567; Senat, Urt. v. 09.08.2007 – I-2 U 44/06, BeckRS 2008, 7988 Rn. 83).
- Das von dem Kläger bereits in erster Instanz vorgelegte Schreiben vom 12.02.2019 (Anlage TRI 10) lässt nicht erkennen, dass der Erfindervergütungs-Grundvertrag im Ganzen keinen Bestand haben soll, wenn es dort heißt:
- „Soweit der 2011 abgeschlossene Erfindervergütungs-Grundvertrag eine Abstaffelung nach RL Nr. 11 erwähnt, war deren Inhalt nicht mitgeteilt worden und bis zu meiner Aufklärung meinem Mandanten unbekannt. Mangels hinreichend transparenter Einbeziehung ist dieser Vergütungsparameter nicht wirksam vereinbart worden (§ 305c Abs. 2 BGB). Vorsorglich wird für meinen Mandanten insoweit die Anfechtung (§§ 119 ff. BGB) erklärt und die Einrede der Unbilligkeit (§ 23 Abs. 1 ArbEG) erhoben.“
- Im Gegenteil heißt es dort nach dem Hinweis, die Abstaffelung sei nicht wirksam einbezogen, es werde vorsorglich „insoweit“ die Anfechtung erklärt. Damit wird deutlich zum Ausdruck gebracht, dass nur die Abstaffelungsregelung angefochten werden soll.
- Gleiches gilt für das von dem Kläger in der Berufungsinstanz auf der Höhestufe vorgelegte Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 17.05.2019 (Anlage TRI-H7), das insoweit wortgleich ist. Es kann vor diesem Hintergrund offen bleiben, ob der Kläger mit der Bezugnahme auf dieses Schreiben in der Berufungsinstanz noch gehört werden kann.
- Eine den dargestellten Anforderungen genügende andere Erklärung ist seitens des Klägers weder vorgetragen noch als Anlage zur Akte gereicht worden.
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cc)
Auch wenn man zu Gunsten des Klägers unterstellen wollte, dass die Überleitungsvereinbarung in Ziff. 1.4 des Erfindervergütungs-Grundvertrags als Allgemeine Geschäftsbedingung einzustufen ist, steht dies ihrer Wirksamkeit nicht entgegen. Die Klausel hält einer Inhaltskontrolle nach den §§ 305 ff. BGB stand, wobei nach § 310 Abs. 4 S. 2 BGB (Bereichsausnahme) die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen sind (vgl. Bartenbach/Volz, Arbeitnehmererfindungsgesetz, 7. Aufl. 2024, § 22 Rn. 44). -
(1)
Die Klausel ist nicht als überraschende Klausel im Sinne des § 305c Abs. 1 BGB anzusehen. - Überraschenden Charakter hat eine Regelung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, wenn sie von den Erwartungen des Vertragspartners deutlich abweicht und dieser mit ihr den Umständen nach vernünftigerweise nicht zu rechnen braucht. Die Erwartungen des Vertragspartners werden dabei von allgemeinen und von individuellen Begleitumständen des Vertragsschlusses bestimmt (BGH, NJW 2013, 1803 Rn. 23 m.w.N.). Ein so verstandener überraschender Charakter der Regelung ist mit Blick auf die Überleitung der Rechte an der Erfindung nicht festzustellen. Der Senat schließt sich der zu einer vergleichbaren Klausel vertretenen Auffassung des Oberlandesgerichts München im Urteil vom 21.06.2018 (Anlage TRI 10; zustimmend auch Bartenbach/Volz, Arbeitnehmererfindungsgesetz, 7. Aufl. 2024, § 22 Rn. 46) an. Dass im Rahmen der vertraglichen Vereinbarung über die Höhe einer Arbeitnehmererfindervergütung auch der Schuldgrund dergestalt sichergestellt wird, dass die Parteien vorsorglich für den Fall, dass eine übereinstimmend als wirksam erachtete unbeschränkte Inanspruchnahme der Erfindung in Wahrheit nicht vorliegt, durch Rechtsgeschäft (Abtretung der Rechte an der Erfindung und Annahme der Abtretung) die Causa schaffen, ohne welche die Gegenleistung – dem gesetzlichen Leitbild entsprechend – schon dem Grunde nach nicht geschuldet ist, ist weder objektiv ungewöhnlich noch kann es als überraschend beurteilt werden (OLG München, a.a.O., S. 57). Im Gegenteil konnte der Kläger nicht damit rechnen, von seiner Arbeitgeberin eine Vergütung für seine Erfindung zu erhalten, ohne dass ihr Rechte an dieser Erfindung eingeräumt werden (vgl. OLG München, a.a.O., S. 57).
- Dies gilt auch unter Berücksichtigung der von dem Kläger betonten Tatsache, dass der Erfinder im Fall einer Unwirksamkeit der Inanspruchnahme ohne Rechteüberleitung die Rechte eines freien Erfinders hätte. Gerade für den Fall einer unerkannt unwirksamen Inanspruchnahme erfolgt die vorsorgliche Rechteüberleitung, was aus der Regelung verständlich hervorgeht. Auch wenn die Inanspruchnahme unwirksam war und die vorsorgliche Rechteüberleitung zum Tragen kommt, steht dem Erfinder nach dem Erfindervergütungs-Grundvertrag bei Nutzung der Erfindung eine Vergütung zu, wie sich aus dessen § 2 ergibt. Die Höhe der Vergütung, soweit diese in Ziff. 2.1, 2.2 geregelt ist, ist unabhängig davon, ob es sich um eine ursprünglich wirksame Inanspruchnahme oder um eine spätere Überleitung handelt. Dem Rechtsverlust des Erfinders steht damit in jedem Fall eine Vergütung gegenüber.
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(2)
Auch eine unangemessene Benachteiligung des Klägers entgegen den Geboten von Treu und Glauben im Sinne des § 307 Abs. 1 S. 1 BGB liegt nicht vor, weshalb offen bleiben kann, ob und in welchem Umfang die Bereichsausnahme des § 310 Abs. 4 S. 2 BGB die Anwendung des allgemeinen Benachteiligungsverbots ausschließt (vgl. dazu Bartenbach/Volz, Arbeitnehmererfindungsgesetz, 7. Aufl. 2024, § 22 Rn. 44). Nachdem, wie ausgeführt, in § 2 des Erfindervergütungs-Grundvertrags eine Vergütung vereinbart worden ist, folgt eine unangemessene Benachteiligung des Erfinders insbesondere nicht daraus, dass dieser der Rechte an der Erfindung verlustig geht, ohne hierfür eine Gegenleistung zu erhalten. Die Höhe der Vergütung unterliegt, wie sogleich auszuführen sein wird, keiner inhaltlichen Prüfung, ist aber mit dem Vertrag auch noch nicht abschließend geregelt. -
(3)
Ob – etwa in Anwendung des § 306 Abs. 3 BGB – etwas anderes zu gelten hätte, wenn die Vergütungsregelung ihrerseits unwirksam wäre, bedarf vorliegend keiner weiteren Vertiefung. Eine solche Unwirksamkeit ist nicht festzustellen. - Hierbei ist zunächst festzuhalten, dass – auch im Arbeitnehmererfindervergütungsrecht – Preisklauseln einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 3 grundsätzlich entzogen sind; dies betrifft Vertragsklauseln, die Art, Güte und Umfang der Hauptleistung unmittelbar festlegen (Bartenbach /Volz, Arbeitnehmererfindungsgesetz, 7. Aufl. 2024, § 22 Rn. 45).
- Zu beachten ist aber auch im Rahmen von Vergütungsregeln das allgemein im Arbeitsverhältnis geltende Transparenzgebot (vgl. § 307 Abs. 1 S. 2 BGB), dem auch bei Hauptleistungspflichten eine besondere Bedeutung beizumessen ist. Allgemein hat der Verwender von Allgemeinen Geschäftsbedingungen nach Treu und Glauben die Rechte und Pflichten seiner Vertragspartner möglichst klar und durchschaubar darzustellen und die Voraussetzungen und Rechtsfolgen ohne ungerechtfertigte eigene Beurteilungsspielräume genau zu beschreiben, so dass der durchschnittliche Vertragspartner ohne fremde Hilfe möglichst klar und eindeutig seine Rechte und Pflichten feststellen, die rechtliche Tragweite der Vertragsbedingungen hinreichend erfassen, die damit für ihn verbundenen wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen soweit wie möglich erkennen und die Durchsetzung seiner Rechte wahren kann (vgl. Bartenbach/Volz, Arbeitnehmererfindungsgesetz, 7. Aufl. 2024, § 22 Rn. 45 m.w.N.). Die im Erfindervergütungs-Grundvertrag geschlossene Vergütungsregelung hält den diesbezüglichen Anforderungen jedenfalls stand. Die Klausel nennt die grundsätzlichen Kriterien der Vergütungsberechnung in der kurzen und verständlich abgefassten Ziff. 2.1 und regelt in Ziff. 2.2 übersichtlich die einzelnen Vergütungsparameter. Soweit eine Festlegung der Parameter erst im Nutzungsfall erfolgen soll, ist auch dies klar geregelt und für den Erfinder ohne weiteres erkennbar.
-
Soweit der Kläger in seinem Schriftsatz vom 10.01.2025 die Rechteüberleitung als in einem synallagmatischen Verhältnis zu einzelnen Ausgleichsklauseln stehend bezeichnet und hieraus die Unwirksamkeit aufgrund eines groben Missverhältnisses ableitet, greift dies nicht durch. Der Kläger lässt bei seiner Argumentation außer Betracht, dass, wie bereits erwähnt, zu seinen Gunsten eine Vergütung nach dem
ArbEG vereinbart worden ist. Gerade um dieser Vergütung willen ist aus der Sicht beider Parteien die vorsorgliche Rechteüberleitung vereinbart worden. Die von dem Kläger vorgenommene Betrachtung unter Ausklammerung dieser Vergütung verbietet sich. -
(4)
Schließlich folgt eine Unwirksamkeit der Rechteüberleitung auch nicht aus einer Unwirksamkeit der Abstaffelungsregelung. Dabei kann dahinstehen, ob vorliegend überhaupt eine Unwirksamkeit der Abstaffelungsregelung in Betracht zu ziehen wäre. Jedenfalls hätte diese, weil sie vom Rest des Vertrages klar abgrenzbar ist, nicht die Unwirksamkeit des Vertrags im Übrigen zur Folge (§ 306 Abs. 1 BGB). -
dd)
Eine Unwirksamkeit der Gesamtvereinbarung lässt sich auch nicht aus der – im Verhältnis zu der Prüfung nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen nachrangigen (Boemke/Kursawe/Kursawe, ArbnErfG, 2. Aufl. 2024, § 23 Rn. 3) – Vorschrift des § 23 Abs. 1 S. 1 ArbEG ableiten, wonach Vereinbarungen über Diensterfindungen, freie Erfindungen oder technische Verbesserungsvorschläge, die nach dem ArbEG zulässig sind, unwirksam sind, soweit sie in erheblichem Maße unbillig sind. - Es kann offen bleiben, ob der Kläger die Unbilligkeit im Sinne des § 23 Abs. 2 ArbEG – insbesondere mit den bereits erwähnten Schreiben vom 12.02.2019 und 17.05.2019 – innerhalb der dort genannten Frist in ausreichender Form geltend gemacht hat.
- Jedenfalls liegt eine erhebliche Unbilligkeit der Vereinbarung nicht vor. Eine Vereinbarung ist in diesem Sinne unbillig, wenn sie dem Gerechtigkeitsempfinden in besonderem Maße entgegensteht und mit Treu und Glauben (§ 242 BGB) unvereinbar ist (Boemke/Kursawe/Kursawe, ArbnErfG, 2. Aufl. 2024, § 23 Rn. 14). Dies kann bei Vergütungsfestsetzungen und -vereinbarungen der Fall sein, wenn Leistung und Gegenleistung in einem groben Missverhältnis stehen, was anzunehmen ist, wenn die beanstandete Vergütung die nach den Vergütungsrichtlinien geschuldete Vergütung um 50 % oder mehr unterschreitet (Boemke/Kursawe/Kursawe, ArbnErfG, 2. Aufl. 2024, § 23 Rn. 19, 21). Entscheidend ist der Zeitpunkt der Vereinbarung (Boemke/Kursawe/Kursawe, ArbnErfG, 2. Aufl. 2024, § 23 Rn. 6). Ein derart grobes Missverhältnis ist vorliegend mit Blick auf die Vergütungsvereinbarung, die zudem nur einen Teil der anwendbaren Parameter festlegt, nicht ersichtlich. Auch die Vereinbarung einer Abstaffelung begründet kein grobes Missverhältnis in diesem Sinne. Die Abstaffelung ist, mag sie auch in der Fassung der Tabelle nach RL Nr. 11 in der Praxis selten zum Einsatz gelangen, in den Amtlichen Richtlinien für die Vergütung von Arbeitnehmererfindungen im privaten Dienst genannt und kann schon aus diesem Grund nicht als so ungewöhnlich angesehen werden, dass der Vertragspartner mit ihr nicht zu rechnen brauchte (vgl. Bartenbach/Volz, Arbeitnehmererfindungsgesetz, 7. Aufl. 2024, § 9 Rn. 142.5). Aus diesem Grund scheidet bei einer die Abstaffelung nach RL Nr. 11 enthaltenden Vergütungsregelung auch die Berufung auf eine Unbilligkeit nach § 23 ArbEG aus (vgl. Bartenbach/Volz, Arbeitnehmererfindungsgesetz, 7. Aufl. 2024, § 9 Rn. 142.5).
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ee)
Es liegt bei einer – unterstellt – unwirksamen Inanspruchnahme auch kein Fall einer Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) vor. Ob die Rechtsfolge von § 313 Abs. 1 BGB, wonach grundsätzlich eine Anpassung des Vertrages verlangt werden kann, überhaupt geeignet ist, Ansprüche gegen die Beklagte zu begründen, bedarf keiner Vertiefung. Denn es haben sich bereits nicht, wie es § 313 Abs. 1 BGB aber voraussetzt, Umstände, die zur Grundlage des Vertrages geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und es lässt sich auch nicht feststellen, dass die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten. Im Gegenteil handelt es sich bei der unwirksamen Inanspruchnahme oder der sonst unwirksamen ursprünglichen Überleitung auf die Arbeitgeberin um eben jenen Fall, für den in Ziff. 1.4 des Erfindervergütungs-Grundvertrags die vorsorgliche Rechteüberleitung geregelt worden ist. -
3.
Der geltend gemachte Zinsanspruch besteht mangels einer Hauptforderung ebenfalls nicht. - B.
- Die Klageerweiterung des Klägers aus dem Schriftsatz vom 16.12.2024, mit der er (aufgeschlüsselte) Auskunft und Rechnungslegung verlangt, ist nach den §§ 533, 263 ZPO unzulässig. Es fehlt jedenfalls an den Voraussetzungen des § 533 Nr. 1 ZPO, weil die Beklagte der Klageänderung widersprochen hat und der Senat diese nicht für sachdienlich hält. Nachdem sich das Verfahren nach Abschluss der ersten Stufe (Auskunft) bereits auf der zweiten Stufe (Zahlung) befindet, kann der Streitstoff des anhängigen Verfahrens durch die Einführung neuer Auskunftsanträge in das Verfahren – die zudem weitere, bislang in diesem Verfahren nicht streitgegenständliche Zeiträume betreffen – nicht, auch nicht teilweise, ausgeräumt werden. Im Übrigen wäre die Klage aus den unter A. dargestellten Gründen auch insoweit unbegründet.
- C.
- Die Zwischenfeststellungsklage des Klägers ist zulässig, aber unbegründet.
- Die Anträge des Klägers sind nach § 256 Abs. 2 ZPO zulässig, weil sie auf die Feststellung von für die Entscheidung der Hauptsache vorgreiflichen und im Laufe des Prozesses streitig gewordenen Rechtsverhältnissen gerichtet sind.
- Sie sind jedoch, wie sich aus den Ausführungen unter A. ergibt, unbegründet. Weil die Rechte an der Streiterfindung infolge der Inanspruchnahme, jedenfalls aber der Rechteüberleitung auf die XXX B.S. G. übergegangen sind, ist der Kläger diesbezüglich weder materiell Berechtigter noch ist die Beklagte ihm zum Schadensersatz verpflichtet.
- III.
- Die Kostenentscheidung folgt hinsichtlich der Kosten des Berufungsverfahrens aus §§ 91 Abs. 1 S. 1, 97 Abs. 1 ZPO.
- Hinsichtlich der Kosten der ersten Instanz folgt die Kostenentscheidung aus § 92 Abs. 1 ZPO. Der Senat hat bei der (einheitlichen) Kostenentscheidung berücksichtigt, dass zwar grundsätzlich auf den Auskunftsanspruch ein Bruchteil von etwa 1/3 bis 1/4 des Leistungsanspruchs entfällt. Gleichwohl bleibt für die Bemessung des Streitwerts, auch im Rahmen der Kostenentscheidung, das wirtschaftliche Interesse der klagenden Partei bei Einreichung der Klage maßgeblich. Vor diesem Hintergrund ist der auf der Auskunftsstufe angenommene Streitwert von 25.000,00 EUR auch im Rahmen der Kostenentscheidung zugrunde zu legen, obgleich sich nach Bezifferung des Leistungsantrags herausgestellt hat, dass ein Zahlungsantrag in Höhe von 500.000,00 EUR geltend gemacht wird.
- Die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeben sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1, S. 2 i.V.m. § 709 S. 2 ZPO.
- Für eine Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung, weil die in § 543 ZPO aufgestellten Voraussetzungen dafür ersichtlich nicht gegeben sind. Es handelt sich um eine reine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung, mit der der Bundesgerichtshof auch nicht im Interesse einer Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung befasst werden muss (§ 543 Abs. 2 ZPO).
