I-2 U 124/22 – Glatirameracetat

Düsseldorfer Entscheidungen Nr. 3328

Oberlandesgericht Düsseldorf

Urteil vom 02. November 2022, I-2 U 124/22

Vorinstanz: 4c O 48/21

  1. I. Auf die Berufungen beider Parteien wird – unter Zurückweisung des jeweiligen weitergehenden Rechtsmittels – das am 29.09.2022 verkündete Urteil der 4c Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 02.11.2022 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
  2. 1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.228.535,- Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.09.2021 zu zahlen.
  3. 2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen weiteren Schaden zu ersetzen, der dieser ab Oktober 2020 in Deutschland aus der Vollziehung der einstweiligen Verfügung 4c O 22/19 entstanden ist bzw. zukünftig noch entstehen wird.
  4. 3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin denjenigen Gewinn herauszugeben, den sie (die Beklagte) bzw. die A GmbH infolge der Vollstreckung der einstweiligen Verfügung vom 14.06.2019 (Az.: 4c O 22/19) erzielt hat, soweit dieser den nach Ziff. 1. und 2. dieses Tenors zu ersetzenden Schaden übersteigt.
  5. 4. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie (die Beklagte) bzw. die A GmbH seit dem 30.06.2018 das Produkt „B“ in Verkehr gebracht haben, und zwar unter Angabe
  6. a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,
  7. b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
  8. c) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns.
  9. 5. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
  10. II. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin zu 54 % und die Beklagte zu 46 %. Die Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz tragen die Klägerin zu 53 % und die Beklagte zu 47 %.
  11. III. Das Urteil und das Urteil des Landgerichts, letzteres im Umfang seiner Bestätigung, sind vorläufig vollstreckbar.
  12. Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 3.550.000,- Euro abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
  13. Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung der Beklagten wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des aufgrund der Urteile erster und zweiter Instanz vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
  14. IV. Die Revision wird zugelassen.
  15. V. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 17.649.909,29 Euro festgesetzt.
  16.  Gründe
  17. I.
  18. Die Klägerin macht gegen die Beklagte Ansprüche wegen der Vollziehung einer einstweiligen Unterlassungsverfügung aus einem später rechtskräftig widerrufenen Patent geltend.
  19. Die Beklagte war Inhaberin des deutschen Teils des europäischen Patents EP 2 949 XXA (nachfolgend: Verfügungspatent), welches eine niedrigfrequente Glatirameracetattherapie betrifft. Nachdem das Verfügungspatent mit Entscheidung der Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts vom 28.03.2019 eingeschränkt aufrechterhalten worden war, erwirkte die Beklagte daraus vor dem Landgericht Düsseldorf mit Urteil vom 14.06.2019 (Az.: 4c O 22/19) eine einstweilige Verfügung gegen die Klägerin, mit der dieser das Angebot und der Vertrieb ihres Glatirameracetat (nachfolgend: GA)-Produkts mit der Bezeichnung „C“ (nachfolgend: angegriffene Ausführungsform) untersagt wurde. Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts wies der Senat mit Urteil vom 26.09.2019 (Az.: I-2 U 28/19) zurück.
  20. Die Patentansprüche 1 und 2 des Verfügungspatents lauten in ihrer von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltenen Fassung in deutscher Übersetzung:
  21. Patentanspruch 1:
  22. „Glatirameracetat zur Verwendung in einem Behandlungsschema von drei subkutanen Injektionen von einer 40mg-Dosis Glatirameracetat alle sieben Tage mit mindestens einem Tag zwischen den einzelnen subkutanen Injektionen zur Verwendung in der Behandlung eines Patienten, der unter einer schubförmig remittierenden Multipler Sklerose leidet oder der einen ersten klinischen Schub erfahren hat und ein hohen Risiko trägt eine klinisch gesicherte Multiple Sklerose zu entwickeln und wobei die pharmazeutische Zusammensetzung zusätzlich Mannitol enthält.“
  23. Patentanspruch 2:
  24. „Arzneimittel umfassend Glatirameracetat zur Verwendung in der Behandlung eines Patienten, der an einer schubförmig remittierenden Multipler Sklerose leidet oder der einen ersten klinischen Schub erfahren hat und ein hohes Risiko trägt, eine klinisch gesicherte Multiple Sklerose zu entwickeln, wobei das Arzneimittel zu verabreichen ist in einem Behandlungsschema von drei subkutanen Injektionen von einer 40mg-Dosis Glatirameracetat alle sieben Tage mit mindestens einem Tag zwischen jeder subkutanen Injektion und wobei die pharmazeutische Zusammensetzung zusätzlich Mannitol enthält.“
  25. Nach Hinterlegung einer Bankbürgschaft (Anlage BB 1) setzte die Beklagte die einstweilige Verfügung am 26.06.2019 durch. Die Klägerin stellte den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform daraufhin Ende Juni 2019 ein.
  26. Im Beschwerdeverfahren gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung erließ die Technische Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts zunächst unter dem 18.05.2020 einen vorläufigen Hinweis und widerrief sodann das Verfügungspatent mit Entscheidung vom 10.09.2020. Die Beklagte verzichtete daraufhin auf den Unterlassungsanspruch und gab den Vollstreckungstitel an die Klägerin heraus. Ein von der Klägerin bereits nach dem vorläufigen Hinweis angestrengtes Aufhebungsverfahren erklärten die Parteien übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt.
  27. Der Wiedereintritt in den Markt mit der angegriffenen Ausführungsform erfolgte im Oktober 2020 durch die Schwestergesellschaft der Klägerin, die D GmbH Troisdorf (nachfolgend: D), an die die Klägerin ihren Geschäftsbetrieb bereits mit Wirkung zum 01.02.2020 verpachtet hatte. Vereinbart war eine Pacht in Höhe von 2 % der Umsatzerlöse der D.
  28. Bei der Beklagten handelt es sich um ein als dessen Muttergesellschaft zum A-Konzern gehörendes und weltweit tätiges Unternehmen der Arzneimittelbranche. Im Jahr 2015 wurde ihr Produkt „B“ (nachfolgend auch: B) mit dem Wirkstoff GA zur Behandlung Multipler Sklerose (MS) in der 40 mg-Dosis zugelassen. Schon zuvor war ein Produkt dieses Wirkstoffs in einer 20 mg-Dosierung erhältlich.
  29. Die angegriffene Ausführungsform ist ein „hybrides Produkt“, welches nur teilweise auf dem Referenzprodukt B der Beklagten und im Übrigen auf eigenen Entwicklungen und Tests beruht und für dessen Zulassung es neben Bioäquivalenzstudien auch einer klinischen Vergleichsstudie (GATE) zwischen C und B, jeweils in der 20 mg/ml-Dosierung, bedurfte. Nach einer Listung in der Lauer-Taxe im Dezember 2017 war die angegriffene Ausführungsform seit Januar 2018 auf dem Markt und hatte bis Juni 2019 einen Marktanteil von mindestens 11 % erreicht.
  30. Folgende GA-Produkte (in der Dosierung 40 mg/ml nachfolgend auch als „GA 40“, in der Dosierung 20 mg/ml als „GA 20“ bezeichnet) zur Behandlung von MS waren im Zeitraum der Durchsetzung der einstweiligen Verfügung gegen die Klägerin auf dem Markt:
  31. Der Konzern der Beklagten verfügt über weitere, zu derselben Patentfamilie wie das Verfügungspatent gehörende Schutzrechte, darunter das EP 3 199 XXB (nachfolgend: EP ‘XXB) sowie das EP 2 630 XXC (nachfolgend: EP ‘XXC). Beide Patente wurden von der Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts am 06. bzw. 07.12.2021 widerrufen. Termin zur mündlichen Verhandlung über die dagegen gerichteten Beschwerden bei der Technischen Beschwerdekammer ist auf den 06.–08.02.2024 bestimmt.
  32. Bei der Europäischen Kommission ist ein kartellrechtliches Prüfverfahren betreffend die Beklagte im Zusammenhang mit GA anhängig (Az.: AT.40588 A B).
  33. Die Klägerin hat in erster Instanz die Auffassung vertreten, ihr stehe gegen die Beklagte wegen der unberechtigten Vollziehung der einstweiligen Verfügung ein Anspruch aus § 945 ZPO zu, der neben dem bereits bezifferbaren Schaden in Höhe von 8.449.909,49 Euro auch den – noch nicht abschließend bezifferbaren – nachlaufenden Schaden ab Oktober 2020 umfasse. Darüber hinaus sei die Beklagte ihr zur Rechnungslegung und zur Herausgabe des von ihr erwirtschafteten Gewinns verpflichtet, soweit dieser den ihr, der Klägerin, bereits als entgangenen Gewinn zu ersetzenden Schaden übersteige. Die Klägerin hat gutachterliche Stellungnahmen des Dr. med. E, F GmbH, aus Juli 2021 (Anlage TW 2, nachfolgend: erstes E-Gutachten) und aus März 2022 (Anlage TW 12, nachfolgend: zweites E-Gutachten) vorgelegt.
  34. Die Beklagte, die um Klageabweisung, hilfsweise um Aussetzung gebeten hat, hat erstinstanzlich das Bestehen eines Anspruchs in Abrede gestellt, da die einstweilige Verfügung in Folge einer unzureichenden Sicherheitsleistung nicht wirksam vollzogen worden sei und überdies die Klägerin aufgrund ihrer, der Beklagten, parallelen Patente die angegriffene Ausführungsform ohnehin nicht hätte vertreiben dürfen. Sie hat darüber hinaus die Auffassung vertreten, der erstattungsfähige Zeitraum ende jedenfalls am 31.01.2020, weil danach bei der D entstandene Schäden nicht im Wege der Drittschadensliquidation geltend gemacht werden könnten. Hilfsweise ende der erstattungsfähige Zeitraum mit dem Widerruf des Verfügungspatents am 10.09.2020, weiter hilfsweise mit der Aufnahme der angegriffenen Ausführungsform in eine Therapieleitlinie am 17.02.2021. Der Höhe nach seien die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche übersetzt. Die Differenz zwischen dem eigenen entgangenen Gewinn und dem von ihr, der Beklagten, erzielten Gewinn könne die Klägerin schon deshalb nicht verlangen, weil Ansprüche aus Bereicherungsrecht neben § 945 ZPO ausgeschlossen seien. Jedenfalls sei der Rechtsstreit mit Blick auf die Rechtsbestandsverfahren der parallelen Patente auszusetzen und im Wege eines Vorabentscheidungsverfahrens dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorzulegen, um eine mit der Enforcement-Richtlinie vereinbare und flexiblere Anwendung des § 945 ZPO abzuklären. Die Beklagte hat gutachterliche Stellungnahmen des Prof. Dr. G aus Dezember 2021 (Anlage BB 12, nachfolgend: G-Gutachten) und von H aus Juni 2022 (Anlage B 16, in deutscher Übersetzung als Anlage B 16a, nachfolgend: H-Gutachten) vorgelegt.
  35. Mit Urteil vom 29.09.2022 hat das Landgericht Düsseldorf dem bezifferten Zahlungsantrag der Klägerin in Höhe von 5.177.826 Euro nebst Zinsen stattgegeben und festgestellt, dass die Beklagte zur Leistung von Schadenersatz hinsichtlich des der Klägerin bzw. der D ab Oktober 2020 entstandenen weiteren Schadens verpflichtet ist. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Im Einzelnen hat das Landgericht wie folgt erkannt:
  36. I. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Schadensersatz in Höhe von 5.177.826 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17. September 2021 zu zahlen.
  37. II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen weiteren Schaden zu ersetzen, der dieser bzw. der D GmbH ab Oktober 2020 in Deutschland aus der Vollziehung der unberechtigten einstweiligen Verfügung 4c O 22/19 entstanden ist bzw. zukünftig noch entstehen wird.
  38. III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
  39. Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt:
  40. Die auch im Hinblick auf die Feststellungsbegehren zulässige Klage sei teilweise begründet.
  41. Die Klägerin habe gemäß § 945 1. Var. ZPO einen Anspruch auf Ersatz des ihr entstandenen Vollziehungsschadens, weil sich die durch die Beklagte erwirkte einstweilige Verfügung infolge der späteren Vernichtung des Verfügungspatents durch die zuständige fachkundige Stelle als von Anfang an ungerechtfertigt erwiesen habe.
  42. Der Schadenersatzanspruch sei nicht deshalb dem Grunde nach ausgeschlossen, weil die Beklagte zur Zeit der Vollziehung der einstweiligen Verfügung nicht ordnungsgemäß Sicherheit geleistet habe. Dabei könne offen bleiben, ob die von der Beklagten erbrachte Bankbürgschaft alle notwendigen Haftungsfälle abgedeckt hätte und damit eine hinreichende Sicherheitsleistung darstelle. Jedenfalls liege der Aufhebungsgrund der einstweiligen Verfügung nicht in deren nicht ordnungsgemäßer Vollziehung, sondern in dem Wegfall des Verfügungspatents aufgrund rechtskräftiger Entscheidung der Technischen Beschwerdekammer. Für keine der Parteien sei eine etwaige Unwirksamkeit der Bürgschaft offenbar zu erkennen gewesen und diese sei auch in dem rechtskräftig abgeschlossenen Aufhebungsverfahren nicht diskutiert worden. Die Klägerin sei auch nicht gehalten gewesen, gegen die erbrachte Sicherheitsleistung vorzugehen und ein darauf gestütztes Aufhebungsverfahren einzuleiten. Es würde unbilligerweise das Risiko der Wirksamkeit der Sicherheitsleistung auf den Schuldner abwälzen, wenn man annähme, dass für diesen kein Schadenersatzanspruch bestehe, wenn er nicht zuvor die Ordnungsgemäßheit der Sicherheitsleistung habe überprüfen lassen. Für eine solche Verlagerung bestehe keinerlei rechtliche Rechtfertigung, zumal es trotz (unerkannt) fehlerhafter Sicherheit faktisch zu einer Vollziehung beim Schuldner gekommen sein könne.
  43. Der Anspruch der Klägerin sei auch nicht aus normativen Gründen ausgeschlossen, weil sie materiell-rechtlich – wegen einer Verletzung der weitgehend parallelen EP ‘XXB und EP ‘XXC – zur Unterlassung verpflichtet gewesen wäre. Diese Fragestellung könne nicht losgelöst vom Rechtsbestand der parallelen Schutzrechte beantwortet werden. Die Kammer sei überzeugt, dass die gegen diese Schutzrechte gerichteten Rechtsbestandsverfahren mit hinreichender Wahrscheinlichkeit Erfolg haben werden, weshalb die Schutzrechte weder im Wege einer Hauptsacheklage noch im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes erfolgreich hätten geltend gemacht werden können. Maßgeblich sei insoweit, dass mit dem Widerruf beider Schutzrechte durch die Einspruchsabteilung bereits eine nicht erkennbar unvertretbare Vernichtungsentscheidung vorliege und dass überdies das parallele Verfügungspatent bereits rechtskräftig vernichtet worden sei.
  44. Aus dem Vollzug der einstweiligen Verfügung sei der Klägerin ein erstattungsfähiger Schaden entstanden. Der relevante Schadenersatzzeitraum erstrecke sich vom 26.06.2019 – dem Tag der Beibringung der Vollstreckungssicherheit – vorläufig bis zum 30.09.2022. Dieser Zeitraum werde weder durch die Betriebsverpachtung an die D zum 01.02.2020 noch durch die Listung in der Therapieleitlinie zum 17.02.2021 verkürzt.
  45. Infolge der Betriebsverpachtung im Zeitraum ab dem 01.02.2020 sei der Klägerin zwar kein eigener Schaden mehr entstanden, weil sie rechtlich für den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform nicht mehr verantwortlich gewesen sei. Die Klägerin sei jedoch berechtigt, die bei der D entstandenen Schäden im Wege der Drittschadensliquidation geltend zu machen. Nachdem die D den Betrieb übernommen habe und sich Umsatzverluste negativ in ihrem Vermögen auswirkten, realisiere sich weiterhin nur derjenige Schaden, der auf der Vollziehung der einstweiligen Verfügung beruhe und der damit ohne die Betriebspacht in derselben Form bei der Klägerin eingetreten wäre. Eine Schadenshäufung zulasten der Beklagten trete gerade nicht ein, sondern es werde vielmehr eine ungerechtfertigte Haftungsbefreiung der Beklagten vermieden. Zwar sei der Beklagten zuzugeben, dass der Betriebspachtvertrag nach der Vollziehung der einstweiligen Verfügung geschlossen worden sei und deshalb Zweifel an der „zufälligen“ Schadensverlagerung bestehen könnten. Es wäre indes eine allzu formale Betrachtung, wenn die Beklagte hier allein mit Blick auf den Zeitpunkt der Schadensverlagerung von ihrer Haftung befreit würde. Es realisiere sich weiterhin nur dasjenige Haftungsrisiko, welches für die Beklagte bei Erhalt der einstweiligen Verfügung kalkulierbar gewesen sei, und es sei aus Sicht der Beklagten zudem unerheblich, welcher Untergesellschaft des klägerischen Konzerns der Gewinn entgangen sei. Die Konzernverbundenheit der Klägerin und der D spreche zudem auch deshalb für die Zulässigkeit der Drittschadensliquidation, weil sich bei der D derselbe Vollstreckungsdruck realisiert habe wie bei der Klägerin.
  46. Dem nach den §§ 249 ff. BGB und unter Berücksichtigung der Beweiserleichterungen der § 287 Abs. 1 S. 1 ZPO, § 252 S. 2 BGB zu bemessenden Umfang nach sei der Anspruch der Klägerin in Höhe von 5.177.826 Euro begründet. Für die Schadensbemessung sei es erforderlich, den relevanten Referenzmarkt zu bestimmen, bevor festgestellt werden könne, welchen Marktanteil die Klägerin mit der angegriffenen Ausführungsform dort gehabt hätte, wenn sie nicht aufgrund der Vollziehung der einstweiligen Verfügung den Vertrieb hätte einstellen müssen. Ausgehend von den auf diesem Referenzmarkt vorherrschenden Bedingungen seien außerdem die Anzahl der Produkteinheiten (Verpackungen), die die Klägerin auf diesem Markt hätte veräußern können, sowie der Verkaufspreis, der hätte erzielt werden können, zu bestimmen. Die Multiplikation der absetzbaren Produkteinheiten mit dem erzielbaren Verkaufspreis führe sodann zu dem hypothetischen Umsatz, welcher der Klägerin entgangen sei. Nach Abzug der produktspezifischen Kosten von dem entgangenen Umsatz verbleibe schließlich der ihr entgangene Gewinn.
  47. Als relevanten Markt erachte die Kammer den Markt aller GA 40-Präparate – somit B 40mg/ml, das GA 40-Produkt des Herstellers I GmbH (nachfolgend: I) sowie die angegriffene Ausführungsform –, weil in diesem Rahmen eine Austauschbarkeit zwischen den Medikamenten bestehe. Alle diese Produkte wiesen GA als Wirkstoff auf und würden als Fertigspritzen verabreicht. Indem sie dieselbe Wirkstoffmenge aufwiesen, verfügten sie außerdem über ein sehr ähnliches Behandlungsregime. Die Kammer habe auch keine durchgreifenden Bedenken daran, dass die angegriffene Ausführungsform mit den Präparaten aus dem Konzern der Beklagten gleichgesetzt werden könne, weil die therapeutische Gleichwertigkeit im Rahmen für die Marktzulassung notwendiger Studien bestätigt sei und die angegriffene Ausführungsform überdies inzwischen unstreitig in der Therapieleitlinie gelistet sei. Hingegen sei C in der Dosierung 20 mg/ml (nachfolgend: C 20) nicht in den Referenzmarkt einzubeziehen, da die Kammer nicht davon überzeugt sei, dass C 20 die angegriffene Ausführungsform oder ein anderes GA 40-Produkt substituieren könne. Oral zu verabreichende Medikamente seien ebenfalls nicht in den relevanten Markt einzubeziehen, weil die Beklagte keine belastbaren Angaben zu der von ihr behaupteten Gleichwertigkeit der Therapieoptionen, insbesondere der Austauschbarkeit mit den Fertigspritzen, liefere. Den Anteil der angegriffenen Ausführungsform auf dem so bestimmten Referenzmarkt habe die Klägerin in für die Kammer nachvollziehbarer Weise auf 13 % beziffert.
  48. Der hypothetische Marktanteil der angegriffenen Ausführungsform auf den einzelnen Teilmärkten, deren Größe zwischen den Parteien unstreitig sei, sei wie folgt zu bestimmen:
  49.  J (27 % des Gesamtmarkts der GKV): zwischen 2 % und 4 %
     K (16 % des Gesamtmarkts der GKV): zwischen 40 % und 50 %
     Übrige GKVen (57 % des Gesamtmarkts der GKV): zwischen 8 % und 12 %
     PKVen: 6 %

    Eine prozentuale Anpassung der ermittelten Marktanteile sei nicht vorzunehmen, insbesondere vermöge die Kammer anhand der von der Klägerin vorgelegten Daten einen mit 5 % (auf den Teilmärkten) zu bemessenden „Pen-Effekt“ nicht festzustellen.

  50. Für die Berechnung des Umsatzverlusts sei die den Marktanteilen entsprechende Menge an hypothetisch abgesetzten Packungen mit dem bereinigten, also unter Abzug von Kostenpunkten ermittelten Nettopreis zu multiplizieren. So ergebe sich ein hypothetischer Nettoumsatzverlust von 11.466.759 Euro, von dem für die Berechnung des entgangenen Gewinns sogenannte Spezialunkosten in Höhe von 7.140.325 Euro in Abzug zu bringen seien. Der entgangene Gewinn betrage demnach 4.326.434 Euro.
  51. Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Erstattung von Kollateralschäden in Höhe von 851.392 Euro sei ebenfalls begründet, da sich aus der als Tatsachenvortrag zu wertenden eidesstattlichen Versicherung des Herrn L (Anlage TW 25) ergebe, dass diese Kosten aufgrund einer Vernichtung von bestimmten Chargen der angegriffenen Ausführungsform entstanden sei, die wegen Überschreitung bzw. bevorstehendem Ablauf des Haltbarkeitsdatums erforderlich gewesen sei.
  52. Die Klägerin habe hingegen keinen Anspruch auf Feststellung, dass ein überschießender Vollstreckergewinn gemäß § 812 BGB herauszugeben sei. Soweit sie diesen Anspruch in Anlehnung an eine ungerechtfertigte Vollstreckung aus einem landgerichtlichen Urteil herleite, wo ausnahmsweise die §§ 812 ff. BGB als Rechtsfolgenverweis aus § 717 Abs. 3 ZPO gelten könnten, sei der Anwendungsbereich hier nicht eröffnet. Es handele sich schon nicht um die Vollstreckung eines Hauptsacheurteils, sondern um eine Entscheidung, die im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens ergangen sei. Nachdem sowohl § 717 ZPO als auch § 945 ZPO eine Risikohaftung des Gläubigers begründeten, bestehe für den Schuldner einer Verfügungsvollziehung kein Rechtsschutzbedürfnis, auch über § 717 ZPO Ersatz zu erhalten.
  53. Eine Aussetzung sei nicht veranlasst, insbesondere nicht im Hinblick auf ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH gemäß Art. 267 AEUV. Soweit die Beklagte die Vorschrift des § 945 ZPO unter Bezugnahme auf die europäische Rechtssache C-688/17 (Gedeon/Richter) dahin kritisiere, dass diese eine verschuldensunabhängige Haftung des Vollziehungsgläubigers anordne, vermöge dies die Notwendigkeit eines Vorabentscheidungsersuchens nicht zu begründen. Im vorliegenden Fall habe das Gericht nach § 287 ZPO die Höhe des Schadens schätzen dürfen, wodurch eine etwaige Starre der Schadenersatzregelung jedenfalls abgemildert werde. Dies gelte umso mehr als auch in der zuvor vorgenommenen Referenzmarktbestimmung sowie bei der Bemessung der Marktanteile ein Spielraum gegeben sei, von dem die Kammer auch Gebrauch gemacht habe.
  54. Gegen das ihren Prozessbevollmächtigen jeweils am 29.09.2022 zugestellte Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt – die Klägerin mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 31.10.2022, einem Montag, am selben Tag bei Gericht eingegangen, und die Beklagte mit am selben Tag bei Gericht eingegangenem Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 27.10.2022.
  55. Die Beklagte verfolgt mit ihrer Berufung ihr Begehren auf Klageabweisung weiter, soweit sie damit in erster Instanz keinen Erfolg hatte, und begehrt hilfsweise die Aussetzung des Verfahrens bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung der Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts in den parallelen Einspruchsverfahren gegen das EP ‘XXB und das EP ‘XXC sowie bis zu einer Vorabentscheidung des EuGH gemäß Art. 267 AEUV.
  56. Sie macht insbesondere geltend:
  57. Entgegen der Auffassung des Landgerichts bestehe der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch schon dem Grunde nach nicht.
  58. Dies folge zunächst daraus, dass die einstweilige Verfügung nicht wirksam vollzogen worden sei. Denn ohne eine „richtige“ Sicherheitsleistung – an der es aufgrund von Unzulänglichkeiten der Bürgschaftserklärung fehle – sei eine einstweilige Verfügung nicht vollzogen. Aus Antragstellersicht sei die Verfügung „taub“ und aus Antragsgegnersicht könne sie genau deshalb keinen Vollziehungsdruck aufbauen und daher auch keinen Schadenersatzanspruch nach § 945 ZPO auslösen, zumal dieser bekanntlich ausscheide, wenn sich der Antragsgegner freiwillig zur Unterlassung verpflichte. Als Gesellschaft eines internationalen Konzerns, mit juristischem Inhouse-Know how und spezialisierten externen Anwälten sei die Klägerin auch nicht schutzwürdig.
  59. Hinsichtlich der durch die angegriffene Ausführungsform unstreitig verletzten parallelen Schutzrechte EP ‘XXB und EP ‘XXC habe das Landgericht versäumt, sich mit dem relevanten Aussetzungsmaßstab zu befassen. Tatsächlich liege die Rechtfertigung für die zurückhaltende Aussetzungspraxis der Verletzungsgerichte in der beschränkten Schutzdauer von Patenten; eben diese Rechtfertigung sei im vorliegenden Fall nicht gegeben. Dies gelte in der Berufungsinstanz erst recht, zumal die Klägerin bereits über einen quantitativ erheblichen vollstreckbaren Zahlungsanspruch verfüge und die mündliche Verhandlung beim Europäischen Patentamt schon im Februar 2024 anstehe.
  60. Das Urteil des Landgerichts beruhe überdies auf verschiedenen tatsächlich und/oder rechtlich falschen Annahmen zur Bestimmung der vermeintlichen Anspruchshöhe. So sei jedenfalls ab dem 01.02.2020 ein Schaden ausgeschlossen, weil die Grundsätze der Drittschadensliquidation nicht anwendbar seien. Es sei schon nicht dargelegt, dass und warum der vermeintliche Schaden bei der D exakt derselbe sein sollte wie bei der Klägerin, vielmehr sei davon auszugehen, dass die Umstrukturierung nur deshalb vorgenommen worden sei, weil bei der D ein höherer Gewinn entstehe. Es fehle zudem an einer aus der Sicht des Schuldners „zufälligen“ Schadensverlagerung, weil die Umstrukturierung der D-Gruppe lange nach der vermeintlichen Vollziehung und infolge einer bewussten unternehmerischen Entscheidung erfolgt sei. Die D habe es – anders als in den herkömmlichen Anwendungsfällen der Drittschadensliquidation – gerade in der Hand gehabt, eine eigene Anspruchsberechtigung durch einen Marktauftritt herbeizuführen.
  61. Jedenfalls aber sei der Schadenszeitraum durch den Widerruf des Verfügungspatents am 10.09.2020, den die Unternehmensgruppe der Klägerin medial intensiv habe nutzen können, und – weiter hilfsweise – durch die Aufnahme der angegriffenen Ausführungsform in die Therapieleitlinie am 17.02.2021 begrenzt.
  62. Das Landgericht habe auch den vermeintlich relevanten Referenzmarkt fehlerhaft bestimmt. Zwar habe es sich im Ausgangspunkt zu Recht auf die von der EU-Kommission aufgestellten Leitlinien und die Rechtsprechung des Gerichts der Europäischen Union (EuG) berufen, habe für das relevante Stichwort der „Austauschbarkeit“ aber nicht, wie geboten, den Wettbewerb auf dem Markt der Erstlinienbehandlung für MS analysiert, sondern zu Unrecht die Austauschbarkeit bzw. Substituierbarkeit im Sinne von § 129 Abs. 1 S. 2 SGB V herangezogen. Das Landgericht hätte richtigerweise insbesondere die oral zu verabreichenden Konkurrenzprodukte und die konkrete Switchrate berücksichtigen müssen. Bei dem Segment GA 20 handele es sich entgegen der Auffassung des Landgerichts um einen geeigneten Ausgangspunkt für die Prognose der vermeintlichen Entwicklung von Verkaufsanteilen im Segment GA 40.
  63. Die Bestimmung der hypothetischen Marktanteile der angegriffenen Ausführungsform decke sich weitgehend mit ihren, der Beklagten, gutachterlichen Ausführungen und sei daher nicht zu beanstanden. Hinsichtlich des Teilmarkts „Übrige GKVen“ dürfte der hypothetische Verkaufsanteil der angegriffenen Ausführungsform allerdings bei maximal 10 % liegen und nicht, wie das Landgericht angenommen habe, zwischen 8 % und 12 %.
  64. Bei der Ermittlung der vermeintlichen Umsätze der Klägerin gehe das Landgericht von einem im Wesentlichen gleichbleibenden Preisniveau aus, was unrealistisch sei. Es sei vielmehr anzunehmen, dass sich der Preis in dem Segment GA 40 nach unten bewegt hätte, je mehr Volumen die angegriffene Ausführungsform erreicht hätte. Denn es müsse mit einer Reaktion von ihrer, der Beklagten, Seite gerechnet werden, was durch die von ihr gezeigten Preisinformationen auch indiziert werde. Da für sie nicht ersichtlich sei, in welchem Rahmen die Klägerin Preisnachlässe gewähren könne (und in der Vergangenheit hätte gewähren können), wäre eine Schätzung oder sachverständige Begutachtung notwendig gewesen.
  65. Nicht überzeugend sei es auch, wenn das Landgericht von einer Quote von 60 % Gewinn ausgehe, nachdem die Klägerin laut ihrem Geschäftsbericht 2018 im Durchschnitt lediglich 27 % Gewinn erwirtschaftet habe und zudem davon auszugehen sei, dass die Erzielung von Umsatzerlösen bei der angegriffenen Ausführungsform als hybridem Produkt höhere Kosten verursache als dies bei typischen Generika der Fall sei. Soweit die Klägerin der Berücksichtigung des Geschäftsberichts die Gemeinkosten-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entgegenhalten wolle, sei zu berücksichtigen, dass sich diese Entscheidung (BGH, GRUR 2001, 329 – Gemeinkostenanteil) auf die Herausgabe des Verletzergewinns beziehe und die tragenden Gedanken auf den verschuldensunabhängigen Anspruch aus § 945 ZPO nicht übertragbar seien. Sähe man dies anders, müsse auch diese Frage zur Prüfung der Vereinbarkeit mit der Enforcement-Richtlinie dem EuGH vorgelegt werden.
  66. Ferner sei nicht dargetan, dass und warum die vermeintlichen Kollateralschäden in Höhe von 851.392 Euro angefallen sein sollten.
  67. Schließlich fehle der Klage das Feststellungsinteresse, weil seit Klageerhebung nicht nachvollziehbar sei, warum sich die Klägerin nicht bemühe, die Höhe des angeblichen weiteren Schadens zu beziffern.
  68. Die Beklagte beantragt,
  69. „das am 29.09.2022 verkündete Urteil der 4c. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf zu dem Aktenzeichen 4c O 48/21 aufzuheben und die Klage vom 07.09.2021 mit den Anträgen aus der mündlichen Verhandlung vom 28.07.2022 zurückzuweisen;
  70. hilfsweise:
  71. 1. den Rechtsstreit gemäß § 148 ZPO bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung der Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts in den parallelen Einspruchsverfahren gegen EP 3 199 XXB sowie EP 2 630 XXC auszusetzen;
  72. 2. den Rechtsstreit bis zu einer Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union gemäß Art. 267 Abs. 2 AEUV auszusetzen.“
  73. Die Klägerin beantragt,
  74. die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
  75. Sie verteidigt das Urteil, soweit das Landgericht einen Anspruch aus § 945 ZPO bejaht und der Klage stattgegeben hat. Unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens macht sie zu der Berufung der Beklagten geltend:
  76. Hinsichtlich der Position „Kollateralschäden“ setze sich die Beklagte nicht mit den Ausführungen des Landgerichts auseinander und genüge die Berufungsbegründung damit schon nicht den Anforderungen des § 520 Abs. 3 ZPO.
  77. Inhaltlich habe das Landgericht zu Recht angenommen, dass die vermeintlichen Mängel der Sicherheitsleistung nicht dazu führen könnten, dass sich die Beklagte als Vollstreckungsgläubigerin einer Haftung nach § 945 ZPO entziehen könne. Es wäre in keiner Weise interessengerecht, das mit einer unerkannt unwirksamen Vollziehung verbundene Risiko dem Vollstreckungsschuldner zuzurechnen.
  78. Auch im Hinblick auf die parallelen Patente der Beklagten greife deren Kritik, das Landgericht habe die Definition des Aussetzungsmaßstabs versäumt, nicht durch. In dem angegriffenen Urteil werde zutreffend ein Prüfungsmaßstab bestimmt und angewendet; eine Lockerung sei auch in der Berufungsinstanz nicht geboten.
  79. Die Möglichkeit der Drittschadensliquidation für den Zeitraum ab Inkrafttreten der Betriebspacht (01.02.2020) habe das Landgericht zutreffend angenommen. Insbesondere entspreche der bei der D entstandene (produktbezogene) Schaden exakt demjenigen, der bei ihr, der Klägerin, entstanden wäre. Selbst wenn man – was richtigerweise schon nicht geboten sei – den Zeitpunkt der Schadensverlagerung für relevant hielte, wäre die Zufälligkeit in Bezug auf denjenigen Schaden gegeben, der nach Beginn der Betriebspacht durch die fortgesetzte Vollziehung entstanden sei. Dass die Schadensverlagerung, wie es Landgericht formuliere, auf eine „bewusste unternehmerische Entscheidung“ zurückzuführen sei, sei ebenfalls nicht relevant. Dies werde schon daran deutlich, dass in den Fällen, in denen der Bundesgerichtshof die Möglichkeit einer Drittschadensliquidation anerkannt habe, die Schadensverlagerung jeweils auf einer vertraglichen Vereinbarung beruhe. Entgegen der Auffassung der Beklagten sei der D ein eigener Markteintritt unzumutbar gewesen. Wegen der hierfür erforderlichen Mitwirkung von ihrer, der Klägerin, Seite, der die gerichtliche Unterlassungsverfügung entgegengestanden hätte, sei er aber auch unmöglich gewesen.
  80. Die Umsatzerlöse der D nach Abschluss des Betriebspachtvertrages seien aufgrund der Vollziehung der einstweiligen Verfügung und der damit erzwungenen Marktabstinenz auch der D während des Zeitraums der einstweiligen Verfügung, aber auch noch im Zeitraum danach („nachlaufender Schaden“) im Vergleich zum hypothetischen Szenario ohne einstweilige Verfügung substanziell verringert. Dies führe bei ihr, der Klägerin, zu einem Mindestschaden von 2 % der durch die einstweilige Verfügung bewirkten Umsatzverluste bei D. Dieser Mindestschaden lasse sich bis zum Ende des Vollziehungszeitraums anhand des vorgelegten Zahlenmaterials zum hypothetischen Umsatz der D berechnen. Für den Zeitraum nach Ende des Vollziehungszeitraums begründe er das rechtliche Interesse am Feststellungsantrag sogar dann, wenn eine Drittschadensliquidation nicht anerkannt werden sollte.
  81. Die Angriffe der Beklagten gegen die vom Landgericht vorgenommene Schadensberechnung griffen nicht durch. Zu Recht habe das Landgericht GA 40-Fertigspritzen als Referenzmarkt für die Berechnung des entgangenen Gewinns bestimmt. Soweit Patienten im fraglichen Zeitraum andere (konkurrierende) MS-Therapien gegenüber GA 40-Fertigspritzen vorgezogen hätten, sei dies durch die Heranziehung der tatsächlichen Marktdaten als Berechnungsgrundlage bereits berücksichtigt. Klarzustellen sei angesichts der Ausführungen der Beklagten, dass die absolute Zahl der mit GA behandelten Patienten im Zeitraum 2016 bis 2021 im Wesentlichen stabil und in dem für die Schadensberechnung relevanten Zeitraum 2019/2020 quasi gleich geblieben sei. Innerhalb dieses Segments seien Verschiebungen von Marktanteilen erfolgt, insbesondere von GA 40-Fertigspritzen hin zum „M“ (nachfolgend auch: N), die indes ebenfalls durch die Heranziehung der tatsächlichen Marktdaten als Berechnungsgrundlage bereits berücksichtigt seien.
  82. Der Ansatz der Beklagten, die hypothetische Marktanteilsentwicklung der angegriffenen Ausführungsform auf dem GA 40-Markt an der Entwicklung von C 20 auf dem GA 20-Markt zu orientieren, sei nicht zutreffend. Eine gleichlaufende Marktentwicklung von C 20 und der angegriffenen Ausführungsform sei gerade nicht gegeben. So habe C 20 eineinhalb Jahre nach Markteinführung einen Marktanteil von 3,3 % am GA 20-Markt gehabt, während die angegriffene Ausführungsform eineinhalb Jahre nach Markteinführung einen Marktanteil von 13,4 % am GA 40-Markt ohne Pen bzw. 11,6 % am GA 40-Markt mit Pen gehabt habe. Bereits im März 2019, also vor Inkrafttreten des Rabattvertrages mit der K-Krankenversicherung und 15 Monate nach Markteintritt, habe die angegriffene Ausführungsform nach den Zahlen der Beklagten einen Marktanteil von 7 % und damit einen mehr als doppelt so hohen Anteil wie C 20 eineinhalb Jahre nach Markteintritt gehabt. Von einer auch nur annähernd gleichlaufenden Entwicklung könne daher keine Rede sein.
  83. Soweit die Beklagte in Bezug auf die sich aus der Kostenquote ergebenden hypothetischen Gewinn der angegriffenen Ausführungsform auf ihren, der Klägerin, Geschäftsbericht 2018 verweise, bleibe unberücksichtigt, dass dieser auf der Ausgabenseite sämtliche Gemeinkosten ansetze und dass zudem verschiedene Produkte unterschiedliche Gewinnmargen aufwiesen. Auch der Verweis der Beklagten auf das hybride Zulassungsverfahren der angegriffenen Ausführungsform laufe leer, da schon nicht ersichtlich sei, inwiefern sich daraus zusätzliche Kosten ergeben sollten. Die weiteren von der Beklagten vermissten Kostenpunkte (Bewerbungen durch den Außendienst, Patientenunterstützungsprogramme) seien in der Form von Vertriebs- und Marketingkosten bei der Berechnung berücksichtigt worden.
  84. Mit der von ihr eingelegten Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren auf Verurteilung der Beklagten weiter, soweit dieses in erster Instanz erfolglos geblieben ist. Die Klägerin macht zur Begründung insbesondere geltend:
  85. Im Rahmen der Schadensschätzung nach § 287 ZPO habe das Landgericht aufgrund fehlerhafter Annahmen und zu hoher Anforderungen an die Darlegungslast den Schaden in Form von entgangenem Gewinn (§ 252 BGB) zu niedrig bemessen.
  86. Bezogen auf den Teilmarkt „Übrige GKVen“ habe das Landgericht den hypothetischen Marktanteil der angegriffenen Ausführungsform massiv unterschätzt. Allein bei Fortsetzung der tatsächlichen Marktdynamik, wie sie bis zum Vollzug der einstweiligen Verfügung gegeben gewesen sei, ergebe sich ein deutlich höherer Marktanteil von 18,8 % im September 2020. Wenn man darüber hinaus eine – ebenfalls durch die tatsächlichen Marktdaten bis zur einstweiligen Verfügung bereits indizierte – zunehmende Beschleunigung des Wachstums der angegriffenen Ausführungsform berücksichtige, sei von einem Anstieg des hypothetischen Marktanteils auf bis zu 25 % auszugehen. Das Landgericht habe bei seiner Schadensschätzung die von ihr, der Klägerin, auch für das Jahr 2019 – bis zur Vollziehung der einstweiligen Verfügung – dargelegten Anknüpfungstatsachen nicht ausreichend gewürdigt und habe zudem deutlich überhöhte Anforderungen an ihre Darlegungslast gestellt, wenn es etwa für den ungebrochenen Verlauf der positiven Patientenentwicklung weitere Belege verlange.
  87. Im Hinblick auf den Teilmarkt „J“ gelte, dass keine Änderungen am landgerichtlichen Urteil veranlasst seien, soweit man sich ihrer Position anschließe und den Marktanteil der angegriffenen Ausführungsform im Juni 2019 im J-Teilmarkt (16 %) bei der Bestimmung der Open House-Dynamik im Segment „Übrige GKVen“ berücksichtige. Wenn man hingegen mit der Beklagten eine Berücksichtigung im Zusammenhang mit der Open House-Dynamik ablehne, weil man die Entwicklung im Juni 2019 auf einen exklusiven Rabattvertrag zurückführe, sei eine entsprechende Erhöhung der hypothetischen Marktanteile im J-Teilmarkt angezeigt.
  88. Auch in Bezug auf den Teilmarkt „K“ habe das Landgericht infolge der ungerechtfertigten Zurückweisung der von ihr, der Klägerin, angeführten Vergleichsprodukte die hypothetischen Marktanteile der angegriffenen Ausführungsform deutlich unterschätzt und dabei durch überhöhte Anforderungen an die Darlegungslast gegen den einschlägigen rechtlichen Maßstab verstoßen. Sie habe ausführlich dargelegt, dass und aus welchen Gründen sich der Marktanteil der angegriffenen Ausführungsform im Rahmen des exklusiven Rabattvertrages mit der K zwar zunächst etwas langsamer entwickelt hätte als bei Vergleichsprodukten, jedoch gleichwohl im Laufe der Zeit den Anteil von rund 70 % erreicht hätte, den auch alle von ihr angeführten Vergleichsprodukte (mindestens!) erzielt hätten.
  89. Schließlich habe das Landgericht zu Unrecht die Verlangsamung des Marktwachstums für den N und die dadurch weniger ausgeprägte Verschiebung von Marktanteilen weg von GA 40-Fertigspritzen hin zum Pen nicht berücksichtigt, zu der es ohne Vollziehung der einstweiligen Verfügung durch die Bewerbung der angegriffenen Ausführungsform unter Herausstellung auch der Nachteile des Pen (mehr Müll, höhere Kosten) gekommen wäre („Pen-Effekt“). Das Landgericht habe dabei insbesondere unbeachtet gelassen, dass es nach dem erneuten Markteintritt der angegriffenen Ausführungsform zu eben diesem Effekt tatsächlich gekommen sei.
  90. Weiter habe das Landgericht infolge fehlerhafter Rechtsanwendung einen Anspruch auf Gewinnherausgabe sowie diesbezügliche Rechnungslegung verneint. Die Begründung in dem angegriffenen Urteil gehe schon im Ausgangspunkt fehl, denn dort werde lediglich eine entsprechende Anwendung von § 717 Abs. 3 ZPO geprüft, auf die sie, die Klägerin, ihren Gewinnherausgabeanspruch indes gar nicht gestützt habe. Sie habe zwar auf den drohenden Wertungswiderspruch zwischen der Haftung bei Vollziehung einer einstweiligen Verfügung (§ 945 ZPO) einerseits und der Haftung bei der Vollstreckung eines Berufungsurteils im Hauptsacheverfahren (§ 717 Abs. 3 ZPO) andererseits hingewiesen. Es handele sich indes um einen originären Bereicherungsanspruch aus §§ 812 Abs. 1 S. 1, 818 Abs. 2 BGB, der durch das Vollstreckungsrecht nicht ausgeschlossen werde. Ihre „Leistung“ liege bis zum Inkrafttreten des Betriebspachtvertrages am 01.02.2020 im Unterlassen des eigenen Marktauftritts und ab diesem Zeitpunkt im Unterlassen der Förderung des Vertriebs durch die D. Infolge ihres Unterlassens habe für die Beklagte eine vorteilhafte Wettbewerbslage vorgelegen und damit eine Vermögensmehrung, die in dem Umfang, in dem sie sich durch Zusatzgewinne realisiert und finalisiert habe, mit den Mitteln des Kondiktionsrechts rückgängig zu machen sei („erlangtes Etwas“). Soweit die Beklagte darauf verweise, dass der Vertrieb von B in Deutschland durch die A GmbH erfolge, ändere dies nichts daran, dass es sich um Gewinne der Beklagten handele. Denn die A GmbH sei eine Tochtergesellschaft der Beklagten und nehme unstreitig an deren Konzernabschluss teil.
  91. Schließlich habe das Landgericht ihr, der Klägerin, zu Unrecht 70 % der Kosten auferlegt. Tatsächlich ergebe sich in Anwendung der von der Beklagten unwidersprochenen Angaben zur Zusammensetzung des vom Gericht übernommenen Streitwerts in Höhe von 18 Mio. Euro für sie, die Klägerin, eine Obsiegensquote von über 66 %.
  92. Eine Aussetzung des Verfahrens im Hinblick auf die kartellrechtliche Untersuchung der Europäischen Kommission sei nicht veranlasst. Das Verfahren sei zwar insoweit von Interesse als es bestätige, dass die Patentstrategie der Beklagten missbräuchlich gewesen sei. Eine Voraussetzung für die hier zu prüfenden Ansprüche infolge der ungerechtfertigten Vollziehung der einstweiligen Verfügung stelle dies jedoch nicht dar.
  93. Die Klägerin beantragt,
  94. 1. unter Abänderung von Ziffer I. des Tenors des angefochtenen Urteils die Beklagte zur Zahlung von Schadenersatz in Höhe von 8.449.909,29 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu verurteilen;
  95. 2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin denjenigen Gewinn herauszugeben, den sie (die Beklagte) bzw. die A GmbH infolge der Vollstreckung der einstweiligen Verfügung vom 14.06.2019 (Az.: 4c O 22/19) erzielt hat, soweit dieser den nach den Ziff. I. und II. des Tenors des angefochtenen Urteils zu ersetzenden Schaden übersteigt;
  96. 3. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie (die Beklagte) bzw. die A GmbH seit dem 30.06.2018 die Produkte „B“ und „M“ in Verkehr gebracht haben, und zwar unter Angabe:
  97. a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,
  98. b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
  99. c) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns.
  100. Die Beklagte beantragt,
  101. die Berufung der Klägerin zurückzuweisen;
  102. hilfsweise,
  103. das Verfahren bis zum Abschluss des Kartellverfahrens „AT.40588 A B“ auszusetzen.
  104. Sie verteidigt das angefochtene Urteil, soweit das Landgericht die Klage abgewiesen hat und tritt den Ausführungen der Klägerin zur Rechtfertigung ihrer Berufung entgegen:
  105. Überzeugend habe das Landgericht einen Anspruch auf Gewinnherausgabe abgelehnt, denn § 945 ZPO regele die Haftung des Vollziehungsgläubigers abschließend. Soweit sich die Klägerin auf einen in der Literatur erörterten Wertungswiderspruch zwischen § 717 Abs. 2 ZPO und § 717 Abs. 3 ZPO stütze, lasse sich dieser auf § 945 ZPO nicht übertragen, weil dort die Haftung stets und für alle Fälle gleich sei. Jedenfalls seien die Voraussetzungen einer Kondiktion nach § 812 Abs. 1 S. 1 BGB nicht gegeben, weil die Klägerin angesichts des Bestands der Parallelpatente nicht „zu Unrecht“ vom Markt ferngehalten worden sei und weil auch nicht ersichtlich sei, was die Klägerin an sie, die Beklagte, „geleistet“ und was sie, die Klägerin, aufgrund dessen „erlangt“ habe. Wie die Klägerin auch selbst vortrage, erfolge der Vertrieb in Deutschland ausschließlich über die nicht verfahrensbeteiligte A GmbH. Äußerst hilfsweise sei auch insoweit die Sache bis zu einer Vorabentscheidung des EuGH auszusetzen.
  106. Folgerichtig scheide auch ein Rechnungslegungsanspruch aus, wobei zu beachten sei, dass die A GmbH nicht Partei des Rechtsstreits und an dem vorhergehenden Verfügungsverfahren ebenfalls nicht beteiligt gewesen sei. Es sei auch nicht ersichtlich, warum eine Rechnungslegung bereits seit dem 30.06.2018 erfolgen sollte. Hilfsweise sei die Zweckbindung und der notwendige Geheimnisschutz bei Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüchen zu berücksichtigen, indem der Senat beispielsweise die Pflicht zur Auskunft/Rechnungslegung im Tenor von der Vereinbarung einer angemessenen Vertraulichkeitsvereinbarung abhängig mache und auch deren Wortlaut vorgebe. Überdies sei zu bedenken, dass mit Blick auf das anhängige Prüfungsverfahren der Europäischen Kommission bestimmte Informationen erst offengelegt werden dürften, wenn das Verfahren beendet sei.
  107. Die Einwände der Klägerin gegen die vermeintliche Schadenshöhe griffen nicht durch. Insbesondere habe das Landgericht keine zu hohen Anforderungen an die Darlegungslast gestellt, sondern die Klägerin habe, soweit zu ihrem Nachteil entschieden worden sei, schlicht nicht ausreichend Vortrag geleistet.
  108. Betreffend das Segment „Übrige GKVen“ habe das Landgericht das von der Klägerin betriebene „cherry-picking“ zutreffend abgelehnt. Die Klägerin wolle vermeintliche Erfolge der Marktanteilsentwicklung der angegriffenen Ausführungsform vor der angeblichen Vollziehung im Ergebnis wenigstens linear fortführen und gehe dabei sogar von einer Beschleunigung aus, wolle ferner die Entwicklung im separaten Untersegment J einbeziehen und ihre Hypothese zudem auf die letzten sechs Monate vor der vermeintlichen Vollziehung stützen.
  109. Soweit die Klägerin zu dem Segment „J“ einen Marktanteil von 16 % nach Gewinn des Rabattvertrages durch den Konkurrenten I behaupte, erschließe sich dies weiterhin nicht. Es fehle jeglicher Anhaltspunkt für die von der Klägerin vertretene Sichtweise, wonach Ärzte bestrebt gewesen wären, ihren Patienten das behördlich zugelassene Präparat von I zu „ersparen“ und gleichzeitig ein möglichst billiges Präparat – die angegriffene Ausführungsform – zu verordnen. Die Klägerin habe zudem selbst richtigstellen müssen, dass das I-Produkt nicht qualitativ schlechter sei als die angegriffene Ausführungsform.
  110. Mit Blick auf das Segment „K“ habe das Landgericht zutreffend darauf abgestellt, dass die Klägerin nicht habe vortragen können, warum die angegriffene Ausführungsform als Nachahmerprodukt einer sogenannten NBCD (non-biological complex drug) höhere Marktanteile als 40-50 % hätte erreichen sollen. Die Referenzprodukte der Klägerin seien normale Generika und daher nicht relevant.
  111. Den vermeintlichen „Pen-Effekt“ habe das Landgericht zu Recht abgelehnt. Die diesbezüglichen Ausführungen der Klägerin seien unschlüssig, insbesondere sei die tatsächliche Verlangsamung des Marktwachstums für den N in keiner Weise mit der Wiedereinführung der angegriffenen Ausführungsform verbunden. Ein langsames Abflachen der Wachstumskurve habe sich vielmehr bereits ab April/Mai 2019 gezeigt.
  112. Hilfsweise sei eine Aussetzung geboten. Dies gelte mit Blick auf die parallelen Patente EP ‘XXB und EP ‘XXC bereits deshalb, weil nach der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache C-688/17 (GRUR 2019, 1168 – Bayer/Richter ua) die frühere Rechtsprechung des OLG Düsseldorf (vgl. BeckRS 2018, 5145 Rn. 51) wieder gelten dürfte, wonach eine Schadenersatzhaftung ausscheide, wenn der Unterlassungsanspruch zum Zeitpunkt der einstweiligen Verfügung bestanden habe und lediglich rückwirkend entfallen sei. Sollte man eine innerstaatliche Relevanz des förmlichen Prüfverfahrens der Europäischen Kommission erkennen, müsse zudem der Ausgang dieses Verfahrens mit der entsprechenden Marktabgrenzung abgewartet werden.
  113. Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze der Parteien und der von ihnen vorgelegten Anlagen sowie auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
  114. II.
  115. Die Rechtsmittel beider Parteien sind zulässig, insbesondere genügen die Berufungsbegründungen den Anforderungen des § 520 Abs. 3 ZPO. Das gilt auch für die Position „Kollateralschäden“ (= Ersatz des Wertes vernichteter Ware), in Bezug auf die sich der Berufungsbegründung der Beklagten diejenigen Umstände hinreichend entnehmen lassen, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergeben soll (§ 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 ZPO). Die Begründungsschrift macht deutlich, dass die Berufung auf eine – entscheidungserhebliche – Rechtsverletzung im Sinne der §§ 513 Abs. 1, 546 ZPO gestützt wird, die darin liegen soll, dass das Landgericht den Vernichtungsschaden zugesprochen hat, obwohl die Klägerin aus Sicht der Beklagten nicht überzeugend dargetan hat, dass und warum die besagten Schäden angefallen sein sollen. In der Sache haben beide Rechtsmittel teilweise Erfolg.
  116. A.
  117. Die Klage ist, auch soweit es die Feststellungsbegehren angeht, zulässig. Dass die Feststellungsklage in zulässiger Weise erhoben worden ist, hat bereits das Landgericht zutreffend ausgeführt. Entgegen der Auffassung der Beklagten kommt es nicht darauf an, ob die Klägerin zwischenzeitlich hätte versuchen können, ihre Begehren zu beziffern. Denn der Kläger einer einmal zulässig erhobenen Feststellungsklage ist auch dann nicht gehalten, zur Leistungsklage überzugehen, wenn der Anspruch zwischenzeitlich bezifferbar wird (BGH, GRUR 2021, 714 Rn. 15 – Saints Row m.w.N.).

    B.

  118. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch aus § 945 ZPO, in dessen Rahmen sie entgangenen Gewinn in Höhe von 2.377.143 Euro und den Ersatz des Wertes vernichteter Ware in Höhe von 851.392 Euro, insgesamt also die Zahlung von 3.228.535 Euro, sowie die Feststellung der Schadenersatzpflicht der Beklagten ab Oktober 2020 verlangen kann. Darüber hinaus steht der Klägerin aus Bereicherungsrecht (§ 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. BGB) ein Anspruch auf Feststellung einer Pflicht der Beklagten zur Herausgabe des Vollstreckergewinns, soweit er den im Rahmen des § 945 ZPO zu ersetzenden Schaden übersteigt, sowie ein die Bezifferung dieses Anspruchs vorbereitender Auskunftsanspruch im tenorierten Umfang zu.
  119. 1.
    Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Ersatz des ihr durch die Vollziehung der einstweiligen Verfügung im Zeitraum bis Ende September 2020 entgangenen Schadens in Höhe von 3.228.535 Euro aus § 945 ZPO. Den darüber hinaus mit ihrem bezifferten Antrag geltend gemachten Betrag kann sie hingegen nicht verlangen.
  120. a)
    Zutreffend hat das Landgericht angenommen, dass die gegen die Klägerin ergangene einstweilige Verfügung sich im Sinne von § 945, 1. Hs., 1. Var. ZPO als von Anfang an ungerechtfertigt erwiesen hat, nachdem das Verfügungspatent rechtskräftig widerrufen worden ist. Weil der Widerruf des Patents – wie die Nichtigerklärung – auf den Zeitpunkt der Anmeldung der Erfindung zum Patent zurückwirkt (ex tunc), hat der mit der einstweiligen Verfügung geltend gemachte Unterlassungsanspruch in Folge des Patentwiderrufs von Anfang an nicht bestanden und handelt es sich dabei um einen von § 945 ZPO erfassten Fall (BGH, GRUR 2006, 219 Rn. 16 – Detektionseinrichtung II; siehe auch bereits BGH, GRUR 1979, 869 – Oberarmschwimmringe).
  121. b)
    Das Landgericht hat ebenfalls zu Recht angenommen, dass dem Schadenersatzanspruch der Klägerin nicht entgegensteht, dass sie aus einem anderen als dem für den Erlass der einstweiligen Verfügung maßgeblichen Grund gehalten gewesen wäre, den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform zu unterlassen.
  122. Ein nach § 945 ZPO zu ersetzender Schaden ist nicht entstanden, wenn der durch die Vollziehung einer ungerechtfertigt ergangenen einstweiligen Verfügung Betroffene ohnehin materiell-rechtlich – etwa wegen eines anderweitigen Verstoßes gegen wettbewerbsrechtliche Bestimmungen – verpflichtet gewesen wäre, das ihm durch die einstweilige Verfügung untersagte Verhalten zu unterlassen. In einem solchen Fall entfällt zwar nicht die Kausalität zwischen der Vollziehung der einstweiligen Verfügung und der Einstellung des darin untersagten Verhaltens, für die es allein auf die reale Ursache des haftungsbegründenden Ereignisses ohne Berücksichtigung von Ersatzursachen ankommt. Ein Ersatz der durch Vollziehung einer ungerechtfertigten einstweiligen Verfügung erlittenen Vermögenseinbuße scheidet aber aus normativen Gründen aus. Ein Betroffener soll im Wege des Schadenersatzes keine Kosten ersetzt bekommen, die ihm auch bei rechtskonformem Verhalten auf jeden Fall entstanden wären (BGH, NJW 2006, 2767 Rn. 27; GRUR 2016, 406 Rn. 15 – Piadina-Rückruf; Zöller-Vollkommer, 34. Aufl., § 945 Rn. 14c).
  123. Soll sich die Alternativhaftung – wie hier – aus einem anderen Patent des Vollstreckungsgläubigers ergeben, so kann dahinstehen, ob eine Entlastung nur in Betracht kommt, wenn der Rechtsbestand des weiteren Schutzrechts im Zeitpunkt der Entscheidung über das Schadenersatzbegehren bereits endgültig geklärt ist oder jedenfalls auch für dieses Schutzrecht die strengen Rechtsbestandsvoraussetzungen für den Erlass einer Unterlassungsverfügung gegeben sind. Im Streitfall besteht – bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Senat – jedenfalls kein Grund zu der Annahme, dass eine alternative Unterlassungspflicht der Klägerin aufgrund des EP ‘XXB und/oder des EP ‘XXC gegeben sein könnte. Denn beide Schutzrechte sind erstinstanzlich, das parallele Verfügungspatent sogar rechtskräftig widerrufen worden.
  124. Nachdem die Beklagte sich in der Berufungsinstanz nicht inhaltlich mit einer möglichen Rechtsbeständigkeit der Parallelpatente auseinandersetzt, sondern lediglich mit Blick auf deren fortbestehende Bestandskraft die Aussetzung der Verhandlung gemäß § 148 ZPO begehrt, bedarf es an dieser Stelle keiner weitergehenden Ausführungen und kann auf die Darstellung in dem angegriffenen Urteil Bezug genommen werden (LGU S. 15 ff.).
  125. c)
    Nach dem Wortlaut des § 945 ZPO ist die Schadenersatzpflicht des Vollziehungsgläubigers nicht von einem Verschulden abhängig, sondern als reine Risikohaftung konzipiert. Wer aus einem noch nicht endgültigen Titel die Vollstreckung betreibt, soll das Risiko tragen, dass sich sein Vorgehen nachträglich als unberechtigt erweist (BGH, NJW 2017, 1600 Rn. 9).
  126. Es kann auf sich beruhen, ob eine reine Risikohaftung nach Inkrafttreten der Enforcement-Richtlinie nicht mehr europarechtskonform ist (dazu unter 5.c)) und es deswegen im Bereich des geistigen Eigentums und seiner gerichtlichen Durchsetzung als Voraussetzung einer Haftung des Vollziehungsgläubigers eines Verschuldens bedarf. Ein solches wäre nämlich vorliegend gegeben. Die Beklagte handelte fahrlässig, weil sie bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen können, dass ein Widerruf des Verfügungspatents möglich ist. Es sind zwar Konstellationen denkbar, in denen das Vertrauen auf den Bestand der erstinstanzlichen Rechtsbestandsentscheidung nicht als fahrlässig zu bewerten sein mag, weil deren spätere Abänderung nicht vorhersehbar war, z.B. weil sie auf einer überraschenden Änderung der Rechtsprechung beruht. Im Streitfall liegen der Einspruchsentscheidung zum Verfügungspatent aber Wertungsfragen zugrunde, deren abweichende Beurteilung im Beschwerdeverfahren – nicht zuletzt unter Berücksichtigung der anhaltend hohen Quoten erfolgreicher Rechtsbestandsverfahren auch vor dem Europäischen Patentamt (siehe die Nachweise bei Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 15. Aufl., Abschn. G Rn. 57) – durchaus im Bereich des Möglichen lag und deshalb erwartbar war. Wer sich in einer solchen – ungeklärten – Situation im Vertrauen darauf, dass es bei dem von der Einspruchsabteilung eingenommenen, ihm günstigen Standpunkt auch im Beschwerdeverfahren verbleiben wird, zum Erwirken und Vollziehen einer einstweiligen Verfügung entschließt, handelt fahrlässig.
  127. Dieser Bewertung steht nicht entgegen, dass der Inhaber eines erstinstanzlich aufrechterhaltenen Schutzrechts vor deutschen Gerichten eine einstweilige Verfügung erwirken kann und die Beklagte von dieser ihr zustehenden Möglichkeit unter Offenlegung der nur erstinstanzlich erfolgten Aufrechterhaltung des Verfügungspatents Gebrauch gemacht hat. Zwar ist die Haftung desjenigen, der ein staatliches, gesetzlich eingerichtetes und geregeltes Verfahren einleitet oder betreibt und dabei subjektiv redlich handelt, auch wenn sein Begehren sachlich nicht gerechtfertigt ist und dem anderen Teil aus dem Verfahren über dieses hinaus Nachteile erwachsen, grundsätzlich auf die im Verfahrensrecht vorgesehenen Sanktionen begrenzt (vgl. BGH, GRUR 2018, 832 Rn. 76 – Ballerinaschuh m.w.N.). Das Haftungsprivileg steht der Annahme einer Fahrlässigkeit der Beklagten indes schon deshalb nicht entgegen, weil es gerade nicht um eine Fehleinschätzung der Rechtslage geht, für welche derjenige, der ein staatlich geregeltes Verfahren für die Geltendmachung seiner Rechte in Anspruch nimmt, außerhalb der prozessrechtlich hierfür vorgesehenen Sanktionen nicht haften soll. Vielmehr hat die Beklagte sich in einer Situation zum Handeln entschieden, in der ihr bewusst war, dass sie zwar aufgrund der Rechtsprechung deutscher Gerichte eine einstweilige Verfügung erwirken, diese sich aber aufgrund der im Rechtsbestandsverfahren noch ausstehenden Entscheidung als von Anfang an ungerechtfertigt erweisen kann.
  128. d)
    Soweit die Beklagte argumentiert, dass es mit Blick auf die von ihr geltend gemachten Mängel der als Sicherheit bereitgestellten Bürgschaft bereits an einer Vollziehung der einstweiligen Verfügung fehlt, greift dies nicht durch.
  129. Das Gesetz versteht unter der Vollziehung die Zwangsvollstreckung aus der einstweiligen Verfügung. Das ergibt sich aus § 928 ZPO, der die Vorschriften über die Zwangsvollstreckung auf die Vollziehung des Arrests für entsprechend anwendbar erklärt und der nach § 936 ZPO auch für die einstweilige Verfügung gilt (BGH, Urt. v. 02.11.1995, Az.: IX ZR 141/94, juris Rn. 9; NJW 1999, 3122, 3123). Nur eine Gläubigerhandlung, die als zwangsweise Durchsetzung einer angeordneten Maßregel angesehen werden kann, ist demnach eine Vollziehung im Sinne des § 945 ZPO (BGH, Urt. v. 02.11.1995, Az.: IX ZR 141/94, juris Rn. 14). Demgegenüber ist es – weil der Vollstreckungsdruck unabhängig davon besteht – keine Voraussetzung des Vollziehungsbegriffs, dass die seitens des Gläubigers erfolgte zwangsweise Durchsetzung ordnungsgemäß erfolgt und die Verfügung nicht auf einen Antrag des Schuldners hin wegen Nichtbeachtung der Vollziehungsfrist aufzuheben wäre. Ob die Klägerin mit Blick auf etwaige Mängel der Bürgschaftserklärung zur Stellung eines Aufhebungsantrags gehalten gewesen wäre, ist vor diesem Hintergrund keine Frage des haftungsbegründenden Tatbestands, sondern ist im Rahmen eines etwaigen Mitverschuldens zu erörtern (dazu unter f)).
  130. e)
    Für die Bemessung des Schadens gelten die allgemeinen Grundsätze der §§ 249 ff. BGB. Der Anspruch nach § 945 ZPO umfasst grundsätzlich den durch die Vollziehung adäquat-kausal verursachten, unmittelbaren und mittelbaren Schaden des Vollstreckungsschuldners einschließlich des ihm infolge des Vollzugs einer Unterlassungsverfügung entgangenen Gewinns (BGH, NJW 2006, 2767 Rn. 19; NJW 2017, 1600 Rn. 9). In Anwendung dieser Grundsätze ist der Klägerin infolge der Vollziehung ein entgangener Gewinn in Höhe von 2.377.143 Euro zu ersetzen (dazu unter aa)). Sie kann darüber hinaus den Ersatz des Wertes vernichteter Ware („Kollateralschäden“) in Höhe von 851.392 Euro (dazu unter bb)) sowie die Feststellung einer weitergehenden Schadenersatzpflicht ab Oktober 2020 (dazu unter cc)) verlangen. Der sogenannte Vollstreckergewinn der Beklagten ist, wovon auch die Klägerin zu Recht ausgeht, im Rahmen des Anspruchs nach § 945 ZPO keine ersatzfähige Position (dazu unter dd)).
  131. aa)
    Entgangenen Gewinn hat die Beklagte der Klägerin für den Zeitraum bis Ende September 2020, für den die Klägerin einen bezifferten Anspruch geltend macht, in Höhe von 2.377.143 Euro zu ersetzen.
  132. (1)
    Den infolge der Marktabstinenz entgangenen Gewinn kann die Klägerin für den Zeitraum ab dem durch die Vollziehung der einstweiligen Verfügung erzwungenen Markaustritt Ende Juni 2019 verlangen (dazu unter (a)). Soweit es den Ersatz des durch den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform hypothetisch am Markt erzielbaren Gewinns angeht, endet die Ersatzpflicht der Beklagten mit der Verpachtung des Betriebs von der Klägerin an die D ab 01.02.2020 (dazu unter (b)). Nur in Höhe der ihr entgangenen Pachteinnahmen kann die Klägerin entgangenen Gewinn darüber hinaus auch für den Zeitraum von Februar 2020 bis Ende September 2020 verlangen (dazu unter (c)).
  133. (a)
    Wie das Landgericht zutreffend und von den Parteien unbeanstandet ausgeführt hat, setzt die Schadenersatzpflicht ein, sobald mit der Vollziehung begonnen wird, was, wenn es zur Vollziehung einer Vollstreckungssicherheit bedarf, auch deren Beibringung (nebst Zustellung ihres Nachweises) erfordert. Nachdem diese Voraussetzungen nach den unangegriffenen Feststellungen des Landgerichts am 26.06.2019 vorlagen, kann die Klägerin entgangenen Gewinn ab dem Zeitpunkt ihres daraufhin erfolgten Marktaustritts verlangen.
  134. (b)
    Die Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz desjenigen Gewinns, der durch den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform am Markt erzielbar gewesen wäre, endet vorliegend mit der Verpachtung des Geschäftsbetriebs der Klägerin an die D mit Wirkung zum 01.02.2020.
  135. Eben dieser Schaden ist ab Verpachtung des Geschäftsbetriebs nicht mehr bei der als „Gegner“ des Verfügungsverfahrens nach § 945 ZPO anspruchsberechtigten Klägerin eingetreten, sondern bei der für den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform verantwortlichen D. Gegen diese Grundannahme, von der auch das Landgericht ausgegangen ist, wenden sich die Parteien in der Berufungsinstanz nicht. Es ist insbesondere nicht vorgetragen, dass sich infolge der Struktur im Konzern der Klägerin ein entgangener Gewinn der D als eigener Schaden auf das Ergebnis der Klägerin ausgewirkt hätte (zu einer solchen Fallgestaltung vgl. BGH, Beschl. v. 10.11.2011, Az.: IX ZR 106/09, Rn. 5 ff. bei juris; siehe dazu aber auch BGH, NZM 2023, 561 Rn. 31).
  136. Entgegen der Auffassung des Landgerichts kann die Klägerin den Schaden der D auch nicht im Wege einer Drittschadensliquidation geltend machen.
  137. (aa)
    In besonders gelagerten Fällen lässt die Rechtsprechung die sogenannte Drittschadensliquidation zu, bei der der Gläubiger den Schaden geltend machen kann, der bei dem Dritten eingetreten ist, der selbst keinen Anspruch gegen den Schädiger hat. Für die Zulassung einer Drittschadensliquidation ist der Gesichtspunkt maßgebend, dass der Schädiger keinen Vorteil daraus ziehen soll, wenn ein Schaden, der eigentlich bei dem Gläubiger eintreten müsste, zufällig aufgrund eines zu dem Dritten bestehenden Rechtsverhältnisses auf diesen verlagert ist. Die Anwendung der Grundsätze der Drittschadensliquidation scheidet aus, wenn diese zu einer Schadenshäufung führen würde (vgl. BGH, NJW 2016, 1089 Rn. 27; NZM 2023, 561 Rn. 23). In der Rechtsprechung haben sich im Wesentlichen drei Fallgruppen herausgebildet, in denen die Drittschadensliquidation zugelassen wird, nämlich im Zusammenhang mit der mittelbaren Stellvertretung, der Gefahrentlastung und der Obhutspflicht für Sachen eines Dritten (siehe im Einzelnen MüKo BGB-Oetker, 9. Aufl., § 249 Rn. 296 ff.). Bei vergleichbarer Interessenlage kommt eine Drittschadensliquidation allerdings auch in anderen Fällen in Betracht (MüKo BGB-Oetker, 9. Aufl., § 249 Rn. 290 mit Beispielen aus der Rechtsprechung), so grundsätzlich auch im Rahmen eines Anspruchs nach § 945 ZPO (vgl. BGH, NZM 2023, 561 Rn. 16).
  138. (bb)
    Die hier zu beurteilende Fallgestaltung lässt sich indes weder einer der anerkannten Fallgruppen zuordnen noch liegt eine diesen vergleichbare Interessenlage vor.
  139. Bei dem entgangenen Gewinn handelt es sich um eine höchst individuelle Schadensposition, für die schon grundsätzlich fraglich ist, ob sie überhaupt – im Sinne einer Drittschadensliquidation – identisch auf einen Dritten verlagert werden kann (vgl. dazu BeckOGK-Brand, Stand: 01.03.2022, § 249 Rn. 344). Im Falle der Verpachtung wäre solches eindeutig nicht der Fall, wenn der Pächter selbst bereits auf dem fraglichen Markt tätig wäre, so dass sich seine Marktanteile und die dadurch bedingten Handlungsmöglichkeiten infolge der Verpachtung vergrößern. Der einem solchen Pächter entgehende Gewinn wäre fraglos ein anderer, tendenziell höherer, wofür der Vollstreckungsgläubiger, der keinen Einfluss auf die Verpachtung hat, keinesfalls einzustehen haben kann. Aus der Sicht des Schuldners, dem zudem jeder Einblick in die Kosten- und Vertriebsstrukturen des Gläubigers und des Dritten fehlt, ist es daher keineswegs unerheblich, welche Gesellschaft einen entgangenen Gewinn geltend macht. Im Streitfall braucht dem nicht abschließend nachgegangen zu werden. Selbst wenn sich ausnahmsweise – wie die Klägerin geltend macht – der Schaden exakt deckt, weil sowohl Kostenstruktur als auch Vertriebsaussichten bei der D in keiner Weise von den entsprechenden Faktoren bei ihr, der Klägerin, abweichen, kommt eine Drittschadensliquidation aus anderen Gründen nicht in Betracht.
  140. Bei der Verpachtung des von einer Unterlassungsverfügung betroffenen Betriebs ist der Schaden schon deshalb nicht auf einen Dritten (den Pächter) verlagert, weil der seinen Betrieb verpachtende Vollstreckungsschuldner (weiterhin) selbst geschädigt ist. Entweder ist der Verpächter wegen der eingeschränkten Brauchbarkeit des Pachtgegenstandes daran gehindert, die reguläre Pacht durchzusetzen, oder er ist aus dem Gesichtspunkt der Rechtsmängelhaftung zur Pachtminderung verpflichtet. Es liegt deshalb keine Verlagerung ein und desselben Schadens auf einen Dritten vor; vielmehr verändert sich der in der Person des Verpächters entstehende Schaden. Auch im Streitfall, in dem zwischen der Klägerin und der D eine Pacht in Höhe von 2 % der Umsätze vereinbart ist, liegt es nicht anders. Die Klägerin erhält aufgrund des fehlenden Vertriebs der angegriffenen Ausführungsform durch die D keine Zahlungen („2 % von Null“). Ihr eigener Schaden entspricht daher einem Gewinnverlust aus 2 % von denjenigen hypothetischen Umsätzen, den die D mit dem Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform erzielt hätte, wenn sie sich daran nicht durch die einstweilige Verfügung gehindert gesehen hätte.
  141. Ferner ist zu berücksichtigen, dass die D an einem eigenen Markteintritt aufgrund der gegen die Klägerin ergangenen einstweiligen Verfügung rechtlich nicht gehindert war. Wenn die Entscheidung der D gegen einen Markteintritt auch von Überlegungen zu einer materiell-rechtlichen Schadenersatzpflicht und der Möglichkeit einer auch gegen sie ergehenden einstweiligen Unterlassungsverfügung geprägt gewesen sein mag, so ist sie von der gegen die Klägerin ergangenen einstweiligen Verfügung als der schadensbegründenden Ursache doch gänzlich unabhängig. Während es dem Dritten in den anerkannten Fallgruppen der Drittschadensliquidation regelmäßig nicht möglich ist, selbst einen Anspruch gegen den Schuldner zu erhalten, liegt der Fall hier anders. Durch einen eigenen Marktauftritt hätte die D entweder – wenn die Beklagte gegen sie nicht gerichtlich vorgegangen wäre – überhaupt keinen Schaden erlitten oder sie hätte – wenn die Beklagte auch gegen sie eine einstweilige Verfügung erwirkt und vollstreckt hätte – selbst einen Anspruch aus § 945 ZPO erlangt. Dem steht nicht der Einwand der Klägerin entgegen, dass sie sich durch die notwendige Unterstützung der D bei ihrem Marktauftritt selbst dem Risiko eines Verstoßes gegen die gerichtliche Unterlassungsanordnung ausgesetzt hätte. Entscheidend ist, dass die D an einem sofortigen eigenen Vertrieb zwar möglicherweise faktisch gehindert war (beispielsweise wegen fehlender Lagerbestände oder noch nicht auf sie übertragener Lieferverträge), dass ein durch die einstweilige Verfügung begründetes rechtliches Hindernis aber nicht vorlag und die einstweilige Verfügung in rechtlicher Hinsicht nicht die Ursache des fehlenden Marktauftritts der D war.
  142. Eine etwaige Schadensverlagerung wäre schließlich nicht, wie es eine Drittschadensliquidation voraussetzt, aus der Sicht des Schädigers zufällig. Allein die Tatsache, dass der Schädiger auf den Abschluss des Pachtvertrages keinen Einfluss und hiervon im Zweifel auch keine Kenntnis hat, reicht für das Kriterium der Zufälligkeit nicht aus. Die behauptete Verlagerung – eine solche unterstellt – beruht nicht auf einer gesetzlichen Vorschrift oder einer anderweitig außerhalb des Einflussbereichs des Schädigers liegenden Regelung, sondern auf einer bewussten und nach Entstehung des Anspruchs getroffenen Entscheidung der Klägerin als Vollstreckungsschuldnerin, den Markt freiwillig zu verlassen. Insofern lässt sich die Fallgestaltung auch nicht mit derjenigen in dem bereits erwähnten Urteil des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 2016 (NJW 2016, 1089) vergleichen. Dort hatte die Verlagerung des Schadens (Sanierungskosten infolge einer mangelhaften Architektenleistung) von dem Verpächter als Auftraggeber der Architektenleistung auf den Pächter ihre Ursache zwar in einer vertraglichen Regelung des Pachtvertrages, nach der sämtliche Arbeiten an der verpachteten Halle in den Verantwortungsbereich des Pächters fallen und von diesem bezahlt werden müssen. Der Pachtvertrag war aber bereits Jahre vor der Schadensentstehung geschlossen worden, weshalb der entschiedene Fall nicht mit der hier in Rede stehenden Konstellation zu vergleichen ist, in der sich der Geschädigte (die Klägerin) nach Entstehung des Anspruchs bewusst aus dem Markt zurückzieht.
  143. Auch die von den Parteien diskutierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach bei einer Markenverletzung dem Lizenznehmer kein eigener Schadenersatzanspruch zusteht, sondern der Lizenzgeber als Markeninhaber im Wege der Drittschadensliquidation einen dem Lizenznehmer entstandenen Schaden geltend machen kann (BGH, GRUR 2007, 877 Rn. 32 – Windsor Estate; GRUR 2012, 630 Rn. 51 – CONVERSE II; GRUR 2013, 925 Rn. 57 – VOODOO), ist nicht einschlägig. In keiner der vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fälle wird die Möglichkeit einer Drittschadensliquidation im Falle eines nach Entstehen des Anspruchs aus § 14 Abs. 6 MarkenG geschlossenen Lizenzvertrages erörtert.
  144. Soweit die Klägerin ausführt, die Zufälligkeit werde durch die fortgesetzte Vollziehung nach Beginn der Betriebspacht begründet, ist auch insoweit entscheidend, dass die Beendigung der Schadenskausalität Folge einer bewussten betrieblichen Entscheidung ist, die nach Entstehung des Anspruchs getroffen wurde.
  145. (c)
    Soweit es den Zeitraum ab 01.02.2020 bis zum Wiedereintritt der angegriffenen Ausführungsform in den Markt durch die D im Oktober 2020 betrifft, ist der Klägerin, wie erläutert, ein eigener Schaden in Höhe eines Gewinnverlustes aus 2 % der während dieses Zeitraumes hypothetisch erzielbaren Umsätze der D entstanden. Den entsprechenden Schaden hat die Klägerin im vorliegenden Rechtsstreit auch in ausreichender Form vorgetragen und geltend gemacht (vgl. Schriftsatz vom 22.03.2022, S. 23, Bl. 143 E-Akte LG, Schriftsatz vom 14.09.2023, S. 5, Bl. 461 E-Akte OLG).
  146. Der Schaden ist – ungeachtet der fehlenden rechtlichen Wirkung der Unterlassungsverfügung für die D – adäquat kausal durch die Vollziehung der einstweiligen Verfügung verursacht, die gegen die Klägerin ergangen und vollzogen worden ist. Wie bereits ausgeführt, umfasst der Anspruch nach § 945 ZPO in Anwendung der allgemeinen Grundsätze der §§ 249 ff. BGB den durch die Vollziehung adäquat-kausal verursachten, unmittelbaren oder mittelbaren Schaden des Vollstreckungsschuldners (BGH, NJW 2006, 2767 Rn. 19; NJW 2017, 1600 Rn. 9). Der notwendige Zurechnungszusammenhang zwischen schädigendem Ereignis und Schaden bleibt bei Vorliegen eines eigenen selbstschädigenden Handelns des Geschädigten bestehen, wenn die selbstschädigende Handlung durch das haftungsbegründende Ereignis herausgefordert wurde oder wenn für die selbstschädigende Handlung ein rechtfertigender Anlass im Sinne einer nicht als ungewöhnlich oder gänzlich unangemessen zu bewertenden Entschließung besteht (BGH, NJW 2017, 1600 Rn. 11; MüKo ZPO-Drescher, 6. Aufl. 2020 Rn. 21). Der Zurechnungszusammenhang fehlt, wenn der Geschädigte selbst in völlig ungewöhnlicher oder unangemessener Weise in den schadensträchtigen Geschehensablauf eingreift und eine weitere Ursache setzt, die den Schaden endgültig herbeiführt (BGH, NJW 2017, 1600 Rn. 11).
  147. Gemessen an diesen Grundsätzen ist der erforderliche Zurechnungszusammenhang zwischen der Vollziehung der einstweiligen Verfügung gegen die Klägerin und dem ihr entgangenen Pachtzinsgewinn gegeben. Nachdem keinerlei Anhaltspunkte dafür vorgetragen oder ersichtlich sind, dass die Verpachtung des verletzenden Geschäftsbetriebes aus Anlass der Unterlassungsvollstreckung gegen die Klägerin vorgenommen worden ist und hiergegen ebenfalls der Umstand spricht, dass die D Angebot und Vertrieb der mutmaßlichen Verletzungsgegenstände nach dem 01.02.2020 gerade nicht (anstelle der Klägerin) aufgenommen und fortgesetzt hat, liegt der Verpachtung offenbar eine vollstreckungsunabhängige konzerninterne Umstrukturierung zugrunde, mit der – wie die Klägerin im Verhandlungstermin vom 21.09.2023 unwidersprochen erläutert hat – bestimmte Geschäftstätigkeiten neu geordnet und gebündelt werden sollten. Derartige Maßnahmen sind innerhalb eines großen Industriekonzerns nichts Ungewöhnliches oder Unangemessenes. Es handelt sich vielmehr um einen im Geschäftsverkehr üblichen und alltäglichen Vorgang, der den Zusammenhang zwischen Schadensursache und Schaden daher nicht unterbricht.
  148. (2)
    Nachdem die Beklagte auf den erstinstanzlich erhobenen Einwand einer mangelnden Lieferfähigkeit der Klägerin in der Berufungsinstanz nicht mehr zurückgekommen ist, kann insoweit auf die Ausführungen in dem angegriffenen Urteil Bezug genommen werden (LGU S. 26).
  149. (3)
    Für den Zeitraum bis zur Verpachtung des Geschäftsbetriebs an die D (Ende Juni 2019 bis Ende Januar 2020) legt der Senat seiner Schadensschätzung einen entgangenen Gewinn der Klägerin in Höhe von 2.239.535 Euro zugrunde.
  150. Gemäß § 252 BGB ist der entgangene Gewinn zu ersetzen, der nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen, insbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte. § 252 BGB enthält für den – grundsätzlich darlegungs- und beweisbelasteten – Geschädigten eine § 287 ZPO ergänzende Beweiserleichterung, wonach dieser nur die Umstände darzulegen und in den Grenzen des § 287 ZPO zu beweisen braucht, aus denen sich nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge oder den besonderen Umständen des Falls die Wahrscheinlichkeit des Gewinneintritts ergibt; da die Beweiserleichterungen der § 252 BGB, § 287 ZPO auch die Darlegungslast derjenigen Partei, die Ersatz des entgangenen Gewinns verlangt, mindern, dürfen insoweit keine zu strengen Anforderungen gestellt werden (BGH, NJW 2002, 2553, 2553 f.; OLG Köln, Urt. v. 22.07.2016, Az.: 6 U 182/11, BeckRS 2016, 131847 Rn. 16).
  151. Die Art und Weise der Berechnung des entgangenen Gewinns hat das Landgericht in dem angegriffenen Urteil zutreffend dargestellt (LGU S. 26 f.). Danach ist es zunächst erforderlich, den relevanten Referenzmarkt zu bestimmen (dazu unter (a)), um sodann feststellen zu können, welchen Marktanteil die Klägerin mit der angegriffenen Ausführungsform auf diesem Markt gehabt hätte (dazu unter (b)). Ausgehend von diesem Marktanteil ist der hypothetische Umsatz zu ermitteln, der sich aus der Multiplikation der Anzahl der Produkteinheiten (Verpackungen), die die Klägerin hätte veräußern können, mit dem dafür hypothetisch erzielten Verkaufspreis ergibt (dazu unter (c)). Schließlich ist durch Abzug der in diesem Zusammenhang abzugsfähigen hypothetischen Kosten (dazu unter (d)) von dem entgangenen Umsatz der entgangene Gewinn zu ermitteln (dazu unter (e)).
  152. (a)
    Zu Recht geht das angegriffene Urteil von dem Markt aller GA 40-Fertigspritzen-Präparate als geeignetem Ausgangspunkt für die Schadensschätzung aus. Das Landgericht hat die aus der Bekanntmachung der Europäischen Kommission folgende und von dem Gericht der Europäischen Union (EuG) im kartellrechtlichen Kontext zugrunde gelegte Definition angewendet, wonach der sachlich relevante Produktmarkt sämtliche Erzeugnisse oder Dienstleistungen umfasst, die von den Verbrauchern hinsichtlich ihrer Eigenschaften, ihrer Preise und ihres vorgesehenen Verwendungszwecks als substituierbar angesehen werden (EuG, Urt. v. 12.12.2018, Az.: T-691/14, BeckRS 2018, 37325 Rn. 1382), wobei die Besonderheiten des Arzneimittelsektors in verschiedener Hinsicht eine angepasste Bewertung erfordern (EuG, a.a.O, Rn. 1384 ff.). Die Heranziehung dieses wettbewerbsrechtlichen Prüfungsmaßstabs ist gerechtfertigt, weil es auch bei der hypothetischen Gewinnermittlung darum geht, welcher Markterfolg der angegriffenen Ausführungsform ohne die vollzogene Unterlassungsverfügung beschieden gewesen wäre, was sich sinnvoll nur durch eine Betrachtung derjenigen Konkurrenzprodukte feststellen lässt, gegen die sich die angegriffene Ausführungsform am Markt aufgrund ihrer gleichen Verwendungstauglichkeiten und der dadurch bedingten Gleichwertigkeit aus Nachfragersicht hätte durchsetzen müssen. Weiter zutreffend hat das Landgericht auch berücksichtigt, dass bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln wie den GA 40-Produkten die Nachfrage maßgeblich von dem verschreibenden Arzt gesteuert wird. Ausgehend hiervon hat es unter Berücksichtigung der identischen Wirkstoffmenge und des damit in Zusammenhang stehenden ähnlichen Behandlungsregimes die als Fertigspritzen zu verabreichenden GA 40-Produkte als relevanten Markt angesehen. Die Einbeziehung von GA 20-Produkten hat das Landgericht hingegen mit der Begründung abgelehnt, dass sich eine Substituierbarkeit auch mit Blick auf das Behandlungsregime nicht feststellen lasse. Dass diese Ausführungen, denen sich der Senat anschließt und auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, nicht zutreffen, hat die Beklagte mit ihren Berufungsangriffen nicht aufzuzeigen vermocht.
  153. Soweit die Beklagte darauf verweist, die Bestimmung des Referenzmarkts unter dem Stichwort der Austauschbarkeit basiere offenbar nicht auf der wirtschaftlichen Analyse von Wettbewerb auf dem Markt der Erstlinienbehandlung von MS, sondern auf der Frage der Austauschbarkeit bzw. Substituierbarkeit im Sinne von § 129 Abs. 1 S. 2 SGB V, wobei es sich dabei lediglich um eine Vergütungsregelung handele, bleibt offen, worin genau die Beklagte eine Fehlerhaftigkeit des angegriffenen Urteils erkennt. Weder lässt sich ihrem Vortrag entnehmen, an welchem Teil der Ausführungen sie die Anwendung einer Vorschrift aus dem SGB V durch das Landgericht festmacht, noch zeigt sie die aus ihrer Sicht bestehenden Unterschiede in dem Verständnis der Begriffe der Austauschbarkeit bzw. Substituierbarkeit auf. Sollte die Beklagte auf die erstinstanzlich wiederholt angesprochene fehlende Substituierbarkeit des N abstellen, ist diese zur Überzeugung des Senats weder nach dem Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung und die daraus unter Umständen folgende Pflicht zur Abgabe eines anderen als des verordneten Arzneimittels (§ 129 Abs. 1 S. 2 SGB V) noch im Rahmen einer kartellrechtlichen Marktabgrenzung gegeben.
  154. Dass Patienten generell häufig eine orale Verabreichung von Medikamenten bevorzugen und Neurologen die Verabreichungsform für das zweitwichtigste Kriterium bei der Wahl der Erstlinienbehandlung halten, mag zwar zutreffen. Mit diesem Hinweis allein vermag die Beklagte aber nicht aufzuzeigen, dass sich GA 40-Fertigspritzen-Präparate durch die von ihr genannten oral zu verabreichenden Präparate mit verschiedenen Wirkstoffen substituieren lassen. Unstreitig war GA 40 in oral zu verabreichender Darreichungsform im Vollziehungszeitraum auf dem Markt nicht verfügbar.
  155. Soweit die Beklagte schließlich auf einen wachsenden Markt der Erstlinienbehandlung für MS bei sinkender perspektivischer Relevanz von GA und auf die Notwendigkeit der Berücksichtigung konkreter Switchraten verweist, ist nicht zu erkennen, dass dies der vorgenommenen Marktabgrenzung entgegensteht. Wie die Klägerin zu Recht betont, liegen der im folgenden Schritt vorzunehmenden Schätzung hypothetischer Marktanteile die tatsächlichen Daten auf dem Markt der GA 40-Produkte zugrunde. Absolut sinkende Marktanteile, sei es aufgrund von wettbewerblichem Druck oder infolge von aus sonstigen Gründen erfolgenden Switches, sind darin bereits enthalten.
  156. (b)
    Ausgehend von dieser Marktbestimmung ist zu ermitteln, welchen Anteil die Klägerin auf dem GA 40-Fertigspritzenmarkt mit der angegriffenen Ausführungsform im Zeitraum von dem Verlassen des Markts Ende Juni 2019 bis zur Verpachtung des Betriebs mit Wirkung zum 01.02.2020 gehabt hätte.
  157. (aa)
    Entgegen der Auffassung der Beklagten kann auch der Senat nicht feststellen, dass die Entwicklung von Verkaufsanteilen von C 20 im Segment GA 20 ein geeigneter Ausgangspunkt für die Ermittlung einer hypothetischen Entwicklung der angegriffenen Ausführungsform im Segment GA 40 ist.
  158. Die Klägerin hat unter Verweis auf ihr Zahlenmaterial überzeugend dargelegt, dass ihr Produkt C 20 im Verhältnis zum GA 20-Gesamtmarkt in den ersten eineinhalb Jahren nach Markteinführung einen anderen Verlauf genommen hat als dies bei der angegriffenen Ausführungsform im Verhältnis zum GA 40-Gesamtmarkt der Fall gewesen ist. Diese statistische Aufbereitung hat die Klägerin zudem bereits in erster Instanz unter Verweis auf die von ihr eingeholten Gutachten untermauert. Demnach ist der GA 20-Markt zum Zeitpunkt des Markteintritts von C 20 davon geprägt gewesen, dass der überwiegende Teil der Patienten bereits zuvor auf GA 40-Produkte umgestellt gewesen ist und die verbleibenden Patienten eher nicht mehr hätten umgestellt werden wollen oder sollen, weshalb aus ihrer, der Klägerin, Sicht auch eine kostenintensive Bewerbung durch den Außendienst nicht wirtschaftlich gewesen wäre (vgl. zweites E-Gutachten, Anlage TW 12, S. 8).
  159. Dem setzt die Beklagte unter Verweis auf das H-Gutachten zwar eigenes Zahlenmaterial entgegen und verweist auf einen vergleichbaren Anteil von C 20 und der angegriffenen Ausführungsform an Open-House-Verträgen im Zeitraum Juni 2018 bis Mai 2019 sowie auf ähnliche Anteilsentwicklungen beider Produkte nach Abschluss des jeweiligen Rabattvertrages mit der K-Krankenversicherung. Dies vermag aber nicht die von der Klägerin dargestellte unterschiedliche Entwicklung in dem Zeitraum nach der Markteinführung zu entkräften. Nachdem die angegriffene Ausführungsform zum Zeitpunkt des durch die Vollziehung der einstweiligen Verfügung erzwungenen Marktaustritts lediglich eineinhalb Jahre auf dem Markt war, erscheint dem Senat die Gegenüberstellung der relativen Entwicklung beider Produkte im Verhältnis zu dem Gesamtmarkt, wie es die Klägerin getan hat, und die sich daraus ergebende fehlende Vergleichbarkeit überzeugend.
  160. (bb)
    Der hypothetische Marktanteil der Klägerin ist, wovon auch die Parteien übereinstimmend ausgehen, aufgrund unterschiedlicher Marktmechanismen für die insgesamt vier Teilmärkte J (gesetzliche Krankenversicherung), K (gesetzliche Krankenversicherung), übrige gesetzliche Krankenversicherungen und private Krankenversicherungen eigenständig zu ermitteln.
  161. J
    Soweit es den Teilmarkt der J (Marktanteil am Gesamtmarkt der gesetzlichen Krankenversicherungen: 27 %) angeht, für den das Landgericht den hypothetischen Marktanteil der angegriffenen Ausführungsform mit Werten zwischen 2 % und 4 % bemessen hat, ist schon nicht zu erkennen, dass sich die Klägerin hiergegen mit der Berufung wenden will. Sie beanstandet lediglich, dass der Marktanteil von 16 % der angegriffenen Ausführungsform auf dem J-Teilmarkt im Juni 2019 entweder bei der Erfassung der Marktdynamik unter den Open House-Verträgen auf dem Teilmarkt „Übrige GKVen“ oder bei der Bestimmung der Marktanteile auf dem J-Teilmarkt hätte berücksichtigt werden müssen. Dass und in welcher Höhe das Landgericht den Markanteil auf dem J-Teilmarkt aber hätte anders (höher) bemessen müssen, geht aus dem Vorbringen der Klägerin nicht hervor.
  162. Jedenfalls schließt sich der Senat der Bewertung des Landgerichts an. Die Annahme eines Marktanteils von 2 % bei Beginn der Vollziehung lässt sich nachvollziehbar mit dem Anteil von „nec aut idem-Verschreibungen“ von 12 % der Verordnungen der angegriffenen Ausführungsform zum Zeitpunkt des Beginns des ab Juli 2019 geltenden exklusiven Rabattvertrages der J mit dem Konkurrenten I und dem von der Klägerin angeführten Marktanteil der angegriffenen Ausführungsform von 16 % im Juni 2019 erklären, woraus sich ein unter dem Rabattvertrag zugrunde zu legender Marktanteil von ca. 2 % ergibt. Nachdem auch die Beklagte davon ausgeht, dass unter der Geltung eines exklusiven Rabattvertrages die Quote von „nec aut idem-Verordnungen“ ansteigt und sich – wenn auch unter dem Vorbehalt, dass dies für Nichtoriginalpräparate nicht nachgewiesen sei – den Annahmen der Klägerin anschließt, legt der Senat seiner Schätzung ebenfalls einen Anstieg auf 4 % innerhalb des Vollziehungszeitraums zugrunde.
  163. K
    Der Bemessung des hypothetischen Marktanteils im Teilmarkt K (Marktanteil am Gesamtmarkt der gesetzlichen Krankenversicherungen: 16 %) legt der Senat seiner Schadensschätzung einen innerhalb des Vollziehungszeitraums sukzessive auf 72 % ansteigenden Marktanteil unter der hypothetischen Fortgeltung des exklusiven Rabattvertrages der K mit der Klägerin zugrunde.
  164. Die Klägerin hat plausibel erläutert, dass Vergleichsprodukte unter der Geltung eines exklusiven Rabattvertrages innerhalb eines Jahres einen Marktanteil von 70 % bis 90 % erreicht haben. Sie hat damit dargetan, wie sich die Marktanteile unter der Geltung eines exklusiven Rabattvertrages nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge entwickeln (§ 252 BGB) und somit den an sie zu stellenden Anforderungen genügt. Die behauptete Entwicklung steht überdies in Einklang mit dem im Kern unstreitigen Umstand, dass Arzneimittel unter der Geltung exklusiver Rabattverträge üblicherweise – wenn nicht besondere Umstände dem entgegenstehen – hohe Marktanteile zu erzielen in der Lage sind und ist ferner kongruent zu der bei Bewertung der hypothetischen Marktanteile auf dem Teilmarkt J zugrunde gelegten Betrachtungsweise.
  165. Soweit das Landgericht die Ausführungen zu den Vergleichsprodukten aus dem Feld der Hybrid-Arzneimittel bzw. Generika (erstes E-Gutachten, Anlage TW 2, S. 20 ff.) dahingehend beanstandet, die konkrete Marktsituation auf den in Bezug genommenen Märkten sei nicht bekannt, schließt sich der Senat dem nicht an. In dem ersten E-Gutachten wird ausführlich dargelegt, dass es einen eindeutigen Referenzmarkt zu dem GA-Markt aufgrund der Eigenarten der Substanz nicht geben kann und dass es deshalb erforderlich ist, den Markt über seine Charakteristika zu beschreiben (Anlage TW 2, S. 19 f.). Aus diesem Grund hat der Gutachter der Klägerin Referenzmärkte herangezogen, die (a) durch Fachärzte dominiert sind und Indikationen mit (b) schwerwiegenden Erkrankungen und (c) chronischen Krankheitsverläufen vorweisen und ausgehend hiervon untersucht, welchen Marktanteil die nach diesen Kriterien ausgewählten Arzneimittel in einem nicht rabattierten Markt und sodann unter der Geltung eines exklusiven Rabattvertrages zugunsten eben dieses Arzneimittels erzielen (Anlage TW 2, S. 20). Soweit die Beklagte betont, es handele sich bei der angegriffenen Ausführungsform um eine sogenannte NBCD (non-biological complex drug) und damit um ein „schwieriges“ Produkt, ist nicht feststellbar, dass dies der Heranziehung – auch – herkömmlicher Generika als Referenzprodukt entgegenstehen würde. So handelt es sich bei dem im ersten E-Gutachten erläuterten Produkt O, dem eine Steigerung des Marktanteils innerhalb von zwölf Monaten nach Inkrafttreten des exklusiven Vertrages auf 70 % gelungen ist, ebenfalls um ein Hybrid-Arzneimittel (vgl. Anlage TW 2, S. 21). Im Übrigen ist nicht erkennbar, inwiefern sich der Umstand, dass es sich nicht um ein herkömmliches Generikum handelt, konkret auf die Verordnungspraxis der Ärzte oder die Abgabepraxis der Apotheken auswirken sollte. Auch die Argumentation im H-Gutachten (Anlage B 16a, Rn. 99) vermag greifbare Gründe hierfür nicht aufzuzeigen.
  166. Dass der Anstieg des Marktanteils der angegriffenen Ausführungsform im ersten Monat der Geltung des exklusiven Rabattvertrages von 8 % auf (nur) 40 % sowie das relativ gleichbleibende Niveau auch in den zwei folgenden Monaten bis zur Vollziehung der einstweiligen Verfügung der dargestellten Sichtweise entgegenstünde, ist nicht erkennbar. Es erscheint dem Senat nachvollziehbar und steht in Einklang mit der tabellarischen Übersicht der Entwicklung von Vergleichsprodukten in dem ersten E-Gutachten (Anlage TW 2, S. 23), dass der Anstieg von Marktanteilen unter der Geltung eines exklusiven Rabattvertrages eine Entwicklung vollzieht. Dass diese Entwicklung bei der angegriffenen Ausführungsform in den ersten drei Monaten langsamer verlaufen ist als dies bei einigen – nicht allen – Referenzprodukten der Fall war, hat die Klägerin plausibel begründet. Sie hat diesem Umstand zudem dadurch Rechnung getragen, dass sie auch in den für die Berechnung des entgangenen Gewinns bedeutsamen Folgemonaten ihrem Zahlenmaterial einen vergleichsweise langsamen Anstieg der Marktanteile zugrunde gelegt hat. Soweit das H-Gutachten von der Klägerin angeführte Vergleichspräparate mit einer vergleichbaren Entwicklung in den ersten drei Monaten, die im Laufe der Zeit gleichwohl Marktanteile von mindestens 70 % erreicht haben, von der Betrachtung ausschließt und sodann darlegt, dass die übrigen Vergleichsprodukte bereits in den ersten drei Monaten im Durchschnitt einen Anteil von 68 % erreicht haben (Anlage B 16a, S. 34 f.), entkräftet dies unter Berücksichtigung der Ausführungen der Klägerin nicht das anzunehmende hypothetische Wachstum der Marktanteile der angegriffenen Ausführungsform auf bis zu 72 %. Insbesondere erscheint das Ausnehmen einzelner Produkte aus der Betrachtung vor dem Hintergrund nicht sinnvoll, dass angesichts der Besonderheiten des Marktes vollständig vergleichbare Produkte nicht existieren – auch die Beklagte behauptet dies nicht – und dass vor diesem Hintergrund stets ein Argument dafür gefunden werden könnte, das eine oder andere Produkt aus der Betrachtung auszuschließen.
  167. Übrige GKVen
    In Bezug auf den von sogenannten Open House-Verträgen geprägten Teilmarkt der übrigen GKVen (Marktanteil am Gesamtmarkt der gesetzlichen Krankenversicherungen: 57 %) legt der Senat seiner Schadensschätzung, wie das Landgericht, einen Marktanteil der angegriffenen Ausführungsform von 8 % im Juni 2019 zugrunde, der im Zeitraum der Marktabstinenz der angegriffenen Ausführungsform auf bis zu 12 % gestiegen wäre.
  168. Ausgehend von dem Marktanteil von 8 % vor Beginn der Vollziehung entspricht eine solche Entwicklung zur Überzeugung des Senats dem gewöhnlichen Lauf der Dinge (§ 252 BGB). Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich die angegriffene Ausführungsform zum Zeitpunkt der Vollziehung rund eineinhalb Jahre auf dem Markt befand, ein weiteres Wachstum schon aus diesem Grund naheliegend erscheint (vgl. zweites E-Gutachten, Anlage TW 12, S. 12) und zusätzlich, wie es das Landgericht zu Recht angenommen hat, ein additiver positiver Effekt des ab April 2019 bestehenden exklusiven Rabattvertrages mit der K auch auf den Teilmarkt der übrigen gesetzlichen Krankenversicherungen zu berücksichtigen ist (beispielsweise aufgrund erhöhter Vorratshaltung in den Apotheken). Eine Steigerung von mehr als 4 % innerhalb des Vollziehungszeitraums, nachdem die angegriffene Ausführungsform innerhalb von eineinhalb Jahren einen Anteil von 8 % erreicht hatte, entspricht hingegen nicht dem üblichen Lauf der Dinge.
  169. Dies schließt zwar die Darlegung einer darüber hinausgehenden Dynamik und somit auch die Zugrundelegung eines höheren Wachstums in der Schadensschätzung nicht aus. Der Senat ist indes auch unter Berücksichtigung der von der Klägerin angeführten Argumente von einem weitergehenden Wachstum oder gar der von ihr behaupteten Verdreifachung der ursprünglichen Marktanteile auf bis zu 25 % nicht überzeugt. So ist hinsichtlich der von der Klägerin angeführten Faktoren für anhaltende bzw. zunehmende Markanteilsgewinne (Preisvorteil der angegriffenen Ausführungsform gegenüber B, hypothetische Vertriebsbemühungen, zunehmende „nec aut idem-Verordnungen“ für die angegriffene Ausführungsform) nicht zu erkennen, dass diese Aspekte in der zugrunde gelegten Marktanteilsentwicklung nicht bereits abgebildet sind. Zu Recht weist die Klägerin zwar auf die Bedeutung eines Preisvorteils hin, zumal Ärzte und Apotheken nach §§ 12, 70 SGB V bei der Verschreibung und Abgabe von Arzneimitteln dem Wirtschaftlichkeitsgebot unterliegen (vgl. zweites E-Gutachten, Anlage TW 12, S. 18). Dabei handelt es sich jedoch um eine grundsätzliche Erwägung, die bereits seit Markteinführung der angegriffenen Ausführungsform zum Tragen kommt und hinsichtlich derer nicht erkennbar ist, dass sie sich im Zeitraum der Marktabstinenz darüber hinausgehend ausgewirkt hätte. Zudem darf bei der Beurteilung des hypothetischen Szenarios nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Beklagte zusätzlichen Vertriebsbemühungen der Klägerin nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge eigene verstärkte Bemühungen entgegengesetzt hätte. Die Beklagte hat durch Verweis auf das H-Gutachten zudem nachvollziehbar dargetan, dass B unter Open House-Bedingungen in der Regel als wirtschaftlich angesehen worden und abgabefähig gewesen wäre (Anlage B 16a, S. 42 f.), was gegen eine deutlich stärkere Berücksichtigung des Preisvorteils der angegriffenen Ausführungsform spricht. Auch die von der Klägerin angeführten Gründe für eine weitere Beschleunigung des Wachstums (Spill-over-Effekte aus dem exklusiven K-Rabattvertrag, zunehmendes Vertrauen aller Beteiligten in Bezug auf die Sicherheit und Qualität der angegriffenen Ausführungsform, Reduzierung der Verunsicherung im Markt in Bezug auf die Patentsituation, erhöhte Vorratshaltung der angegriffenen Ausführungsform in den Apotheken) lassen eine über die bereits berücksichtigte Dynamik hinausgehende Steigerung nicht als wahrscheinlich erscheinen.
  170. PKVen
    Im Teilmarkt der PKVen beträgt nach den Feststellungen des Landgerichts, gegen die sich die Parteien in der Berufungsinstanz nicht wenden, der hypothetische Marktanteil der angegriffenen Ausführungsform 6 %.
  171. (cc)
    Eine Verschiebung der dargestellten Marktanteile aufgrund des sogenannten „Pen-Effekts“ ist, wie es auch das Landgericht gesehen hat, nicht vorzunehmen. Unter dem Pen-Effekt versteht die Klägerin, dass der Anstieg der Marktanteile zugunsten des im September 2019 auf dem Markt eingeführten N – und die damit einhergehende Abnahme der Größe des GA 40-Fertigspritzen-Markts – ohne die Vollziehung der einstweiligen Verfügung weniger stark ausgefallen wäre. Die Klägerin führt den von ihr behaupteten Effekt insbesondere darauf zurück, dass durch die Bewerbung der angegriffenen Ausführungsform und die Besprechung seitens der Außendienst-Mitarbeiter auch die Nachteile des Pens (Umweltbelastung, Kosten) hervorgehoben worden wären. Der Senat vermag indes nicht festzustellen, dass die Hervorhebung beider Faktoren kurzfristigen Einfluss auf die Verordnungspraxis der Ärzte gehabt hätte. Vielmehr ist davon auszugehen, dass Ärzten Faktoren wie eine etwaige größere Umweltbelastung und höhere Kosten des Pens auch ohne ihre Herausstellung durch Vertriebsmitarbeiter der Klägerin bekannt sind und sie diese bei ihrer Entscheidung für oder gegen die Verordnung des unstreitig für die Patienten auch Vorteile bietenden Pens berücksichtigen. Darüber hinaus war zu bedenken, dass derartige Vertriebsmaßnahmen – ihre Wirksamkeit unterstellt – Zeit benötigen, um sich in einer tatsächlich geänderten Verordnungspraxis niederzuschlagen. Dass sich solche Maßnahmen im Vollziehungszeitraum in einer tatsächlichen Steigerung von Marktanteilen ausgewirkt hätten, lässt sich daher nicht feststellen. Schließlich darf auch insoweit nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Beklagte in einem hypothetischen Szenario der Darstellung der Klägerin eigene Vertriebsmaßnahmen entgegengesetzt hätte. Soweit die Klägerin auf eine mit Wiedereinführung der angegriffenen Ausführungsform zusammenfallende Verlangsamung des Wachstums verweist, vermag der Senat der entsprechenden Darstellung (vgl. LGU S. 36) schon keinen über die sich bereits zuvor abzeichnende Verlangsamung des Wachstums hinausgehenden zeitlichen Zusammenhang zu entnehmen; erst recht ist ein kausaler Zusammenhang daraus nicht erkennbar.
  172. (c)
    Ausgehend von den festgestellten Marktanteilen ist der hypothetische Nettoumsatz zu ermitteln, der sich aus der Multiplikation der Anzahl der Produkteinheiten (Verpackungen), die die Klägerin hätte veräußern können, mit dem dafür hypothetisch erzielten Nettoverkaufspreis ergibt. Dieser beträgt 5.718.071 Euro.
  173. (aa)
    Die Gesamtzahl der hypothetisch auf die Klägerin entfallenden Verpackungen für den Markt der GA 40-Fertigspritzen lässt sich für den Zeitraum bis 31.01.2020 wie folgt ermitteln:
  174. J
  175. Monat Packungen gesamt
    Anteil der Klägerin Anzahl
    Juli 2019 1515 2 % 23
    August 2019 1258 2 % 25
    September 2019 1246 2 % 26
    Oktober 2019 1425 2 % 28
    November 2019 1223 2 % 29
    Dezember 2019 1228 3 % 31
    Januar 2020 1252 3 % 32
    194
  176. Das den Teilmarkt J betreffende Zahlenmaterial (Gesamtzahl der Verpackungen, Anzahl der Packungen auf der Basis des Anteils der Klägerin) ist zwischen den Parteien unstreitig (vgl. Anlage TW 11 S. 4, H-Gutachten, Anlage B 16a S. 96) und entspricht, wie anhand der Gesamtanzahl der Packungen in der Anlage zum Urteil (LGU S. 46) erkennbar ist, auch dem vom Landgericht für den von diesem angenommenen Schadenszeitraum zugrunde gelegten Wert. Dass die auf den Anteil der Klägerin bezogene Gesamtzahl der Packungen rechnerisch nicht nachvollziehbar ist, beruht auf von den Parteien vorgenommenen – zulässigen – Rundungen (insbesondere der hypothetischen Marktanteile) und stellt die Eignung des Zahlenmaterials als Grundlage der Schadensschätzung nicht in Frage.
  177. K
  178. Monat Packungen gesamt
    Anteil der Klägerin Anzahl
    Juli 2019 805 45 % 358
    August 2019 690 47 % 324
    September 2019 682 50 % 338
    Oktober 2019 775 52 % 403
    November 2019 683 55 % 372
    Dezember 2019 664 57 % 378
    Januar 2020 727 60 % 433
    2.606
  179. Hinsichtlich des Teilmarkts K ist die Größe des Markts (Gesamtzahl der Verpackungen) zwischen den Parteien unstreitig (vgl. Anlage TW 11 S. 5, H-Gutachten, Anlage B 16a S. 95) und auch vom Landgericht seiner Berechnung zugrunde gelegt worden (LGU S. 46). Der Anteil der Klägerin ist, weil sich der Senat insoweit ihrer Darstellung anschließt, der Aufstellung der Klägerin entnommen (Anlage TW 11 S. 5). Hinsichtlich der auch hier bestehenden Rundungsdifferenzen wird auf die Erläuterung zum Teilmarkt J Bezug genommen.
  180. Übrige GKVen
  181. Monat Packungen gesamt
    Anteil der Klägerin Anzahl
    Juli 2019 3060 9 % 275,40
    August 2019 2642 11 % 290,62
    September 2019 2508 12 % 300,96
    Oktober 2019 2860 12 % 343,20
    November 2019 2632 12 % 315,84
    Dezember 2019 2524 12 % 302,88
    Januar 2020 2698 12 % 323,76
    ≈ 2.153
  182. Soweit es den Teilmarkt Übrige GKVen betrifft, hat der Senat seiner Berechnung die vom Landgericht festgestellten Zahlen einschließlich der Nachkommastellen (LGU S. 46) zugrunde gelegt und erst bei dem Gesamtergebnis eine Rundung vorgenommen. Die Gesamtzahl der Packungen ist auch insoweit zwischen den Parteien unstreitig (vgl. Anlage TW 11 S. 6, H-Gutachten, Anlage B 16a S. 98).
  183. PKVen
  184. Monat Packungen gesamt Anteil der Klägerin Anzahl
    Juli 2019 754 6 % 42
    August 2019 662 6 % 36
    September 2019 690 6 % 38
    Oktober 2019 655 6 % 36
    November 2019 687 6 % 38
    Dezember 2019 608 6 % 34
    Januar 2020 723 6 % 40
    264
  185. Schließlich hat der Senat für die Ermittlung der hypothetisch abgesetzten Packungen auf dem Teilmarkt PKVen hinsichtlich der Gesamtpackungen das zwischen den Parteien unstreitige Zahlenmaterial (Anlage TW 11 S. 7, H-Gutachten, Anlage B 16a S. 99) zugrunde gelegt. Die Ermittlung der auf die Klägerin entfallenden Packungen auf der Grundlage ihres als solchen unstreitigen hypothetischen Marktanteils von 6 % folgt der Darstellung der Beklagten (H-Gutachten, Anlage B 16a S. 99). Die Zahlen der Parteien weichen aufgrund unterschiedlicher Rundungen leicht voneinander ab, wobei es sich bei den Zahlen der Beklagten, wie anhand der Angabe des Gesamtwerts in der Anlage zum Urteil erkennbar (LGU S. 46), um diejenigen handelt, die das Landgericht zugrunde gelegt hat. Der Senat hat mit Blick auf die durch Rundungen bedingten rechnerischen Abweichungen auch unter Berücksichtigung der Ausführungen der Klägerin in ihrem erstinstanzlichen Urteilsberichtigungsantrag keine Bedenken an der Verwertung des Zahlenmaterials im Rahmen der Schadensschätzung, zumal auch die Zahlen der Klägerin derartige rundungsbedingte Abweichungen aufweisen. Ergänzend wird auf die Ausführungen zum Teilmarkt J Bezug genommen.
  186. (bb)
    Die maßgeblichen Nettopreise pro Verpackung können, wie es auch das Landgericht angenommen hat, auf der Grundlage der Darlegung der Klägerin in die Schadensschätzung eingestellt werden.
  187. Die Klägerin ist bei der Ermittlung der Nettopreise wie folgt vorgegangen: Ausgehend von einem im Wesentlichen konstanten Bruttopreis je Packung (gemäß der Listung in der Lauer-Taxe im Dezember 2017), und zwar in Höhe von 727,38 Euro pro 12er Packung und 2.182,15 Euro pro 36er Packung, hat sie Durchschnittspreise errechnet und die jeweils einschlägigen Rabatte abgezogen, nämlich Großhandelsrabatte in Höhe von 1,5 %, einen obligatorischen Rabatt gegenüber gesetzlichen Krankenversicherungen in Höhe von 6 % sowie den Rabatt gemäß dem exklusiven Rabattvertrag mit der K-Krankenversicherung. Davon ausgehend ist die Klägerin zu folgenden durchschnittlichen Nettopreisen pro Packung gelangt:
  188. J € 1.534
    K € 735
    Übrige GKVen € 1.473
    PKVen € 1.264
  189. Die Rechnung ist für den Senat nachvollziehbar und zur Ermittlung des Schadens im Rahmen des § 287 ZPO geeignet. Der hiergegen von der Beklagten erhobene Einwand, es sei davon auszugehen, dass sich bei zunehmenden Volumen der Preis in dem Segment GA 40 insgesamt nach unten entwickelt hätte, greift nicht durch. Es lässt sich nicht feststellen, dass die von ihr dargestellte Preisentwicklung ihres Produktes B (siehe zuletzt Schriftsatz vom 26.07.2023, dort S. 15, Bl. 370 E-Akte OLG) auf die angegriffene Ausführungsform, bei der es sich gerade nicht um das Originalprodukt, sondern um ein generisches bzw. hybrides Arzneimittel handelt, übertragbar ist. Soweit die Beklagte einen gleichbleibenden Nettopreis in Frage stellt, lässt sich ihrem Vortrag schon nicht die (konkrete) Behauptung entnehmen, dass und in welchem Umfang im Vollziehungszeitraum weitere Rabatte gewährt worden wären.
  190. (cc)
    Davon ausgehend errechnet sich der hypothetische Nettoumsatz wie folgt:
  191. Anzahl
    Verpackungen Nettopreis
    pro Verpackung in € Nettoumsatz
    in €
    J 194 1.534 297.596
    K 2.606 735 1.915.410
    Übrige GKVen 2.153 1.473 3.171.369
    PKVen 264 1.264 333.696
    Gesamt 5.718.071
  192. (d)
    Kosten sind für den Schadenszeitraum insgesamt in Höhe von 3.478.536 Euro in Abzug zu bringen.
  193. (aa)
    Zunächst sind produktspezifische Kosten, wovon auch das Landgericht ausgegangen ist, der Darstellung der Klägerin wie folgt von dem Nettoumsatz in Abzug zu bringen:
  194. Eingesparte Kosten
    Anteil des
    Nettoumsatzes in %
    Einkaufspreis 39
    Verpackung 0,54
    Transport-/Logistik 0,2
    ≈ 39,75
  195. Ausgehend von dem dargestellten hypothetischen Nettoumsatzverlust in Höhe von 5.718.071 Euro ergeben sich also produktspezifische Kosten in Höhe von ≈ 2.272.933 Euro.
  196. Hypothetische Kosten für Marketing sind in Höhe von 850.521 Euro in Abzug zu bringen, für Vertrieb in Höhe von 355.082 Euro. Dabei legt der Senat ebenfalls die von der Klägerin dargelegten Werte zugrunde, wobei diese wie folgt auf den Schadenszeitraum umzurechnen waren:
  197. Marktabstinenz
    gesamt
    (≈ 15 Monate) Marktabstinenz bis
    Verpachtung
    (≈ 7 Monate)
  198. Marketingkosten in € 1.822.544 ≈ 850.521
    Vertriebskosten in € 760.891 ≈ 355.082
  199. (bb)
    Gemeinkosten, die sich nicht derart der angegriffenen Ausführungsform zuordnen lassen, dass sie – wenn es dieses Produkt nicht gäbe – als Kostenposition entfielen, sind bei der Ermittlung des Gewinns nicht zu berücksichtigen. Dieser für den Schadenausgleich nach begangener Schutzrechtsverletzung durch Abschöpfung des Verletzergewinns anerkannte Grundsatz (BGH, GRUR 2001, 329 – Gemeinkostenanteil) findet auch bei der Ermittlung des entgangenen Gewinns im Rahmen des § 945 ZPO Anwendung.
  200. Der Bundesgerichtshof begründet die mangelnde Relevanz solcher Gemeinkosten in der genannten Entscheidung zwar damit, dass der Verletzergewinn und die Art seiner Berechnung der Sanktionierung des schädigenden Verhaltens und auf diese Weise der Prävention gegen weitere Schutzrechtsverletzung dient, wobei diese Erwägung auf die Durchsetzung eines redlich erstrittenen Unterlassungstitels nicht ohne Weiteres übertragbar ist. Gleichwohl gilt auch im Rahmen der Haftung aus § 945 ZPO, dass Fixkosten, die „sowieso“ angefallen wären, das durch die sich als ungerechtfertigt erweisende Vollziehung einer einstweiligen Verfügung betroffene Unternehmen auch ohne das vom Markt genommene Produkt belastet hätten. Sie schmälern vor diesem Hintergrund nicht die für die Ermittlung des entgangenen Gewinns maßgebliche Vermögenslage, die sich ohne die Vollziehung der einstweiligen Verfügung und somit bei fortdauerndem Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform eingestellt hätte. Jedenfalls dann, wenn die angegriffene Ausführungsform – für etwas Anderes bestehen im Streitfall keine Anhaltspunkte – nur eines von diversen Umsatzträgern des Vollstreckungsschuldners war, hat sich die Gewinnsituation durch die Vollziehung der Unterlassungsverfügung um genau denjenigen Überschuss des Umsatzes über die produktspezifischen Kosten verringert, weil die identischen Gemeinkosten angefallen und durch die anderweitige Geschäftstätigkeit des Geschädigten gedeckt worden wären.
  201. (cc)
    Der Vortrag der Klägerin zu ihren in Abzug zu bringenden Kosten, den diese bereits erstinstanzlich unter Verweis auf eine eidesstattliche Versicherung ihres Finance Director Germany Commercial (Anlage TW 19) näher erläutert hat, ist nachvollziehbar und stellt eine geeignete Grundlage für die Schadensschätzung dar. Die Einwände der Beklagten vermögen die Darstellung der Klägerin nicht zu entkräften.
  202. Soweit die Beklagte den Gewinnanteil von rund 60 % als zu hoch beanstandet und auf den Geschäftsbericht der Klägerin für das Jahr 2018 verweist, wonach im Durchschnitt 27 % Gewinn erwirtschaftet wurden, zeigt sie damit Fehler in der Darstellung der Klägerin nicht auf. Die Angabe im Geschäftsbericht ist schon deshalb nicht aussagekräftig, weil Gewinnmargen sich produktspezifisch unterscheiden können und der Geschäftsbericht den Gewinnanteil unternehmensbezogen unter Berücksichtigung sämtlicher Gemeinkosten ausweist. Der pauschale Hinweis, dass ein hybrides Arzneimittel höhere Kosten verursache als eher „einfach“ zu verkaufende herkömmliche Generika, stellt die Berechnung der Klägerin ebenfalls nicht in Frage. Auf den entsprechenden Hinweis der Klägerin in ihrer Berufungserwiderung, wonach nicht ersichtlich sei, inwiefern sich aus dem hybriden Zulassungsverfahren der angegriffenen Ausführungsform zusätzliche abzugsfähige Kosten ergeben sollten, ist die Beklagte nicht mehr eingegangen.
  203. Soweit die Beklagte hinsichtlich der Kosten für Marketing und Vertrieb – zu denen auch die Bewerbungen durch den Außendienst sowie Patientenunterstützungsprogramme gehören – eine nicht ausreichend belegte Darstellung der Klägerin beanstandet, ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin zu einem Abzug dieser prozentual bestimmten Kosten nach der bereits erwähnten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (GRUR 2001, 329 – Gemeinkostenanteil) schon nicht verpflichtet gewesen wäre. Nimmt sie, wie geschehen, gleichwohl einen Abzug vor, kann dieser von der Beklagten nicht mit Erfolg als zu niedrig oder als unsubstantiiert dargelegt gerügt werden.
  204. (e)
    Der entgangene Gewinn im Zeitraum bis zur Verpachtung des Geschäftsbetriebs errechnet sich also wie folgt:
  205. Hypothetischer Nettoumsatzverlust 5.718.071 €
    Produktspezifische Kosten – 2.272.933 €
    Marketingkosten – 850.521 €
    Vertriebskosten – 355.082 €
    = 2.239.535 €
  206. (4)
    Für den Zeitraum ab der Verpachtung des Geschäftsbetriebs an die D mit Wirkung zum 01.02.2020 bis Ende September 2020 legt der Senat seiner Schadensschätzung einen entgangenen Gewinn der Klägerin in Höhe von 137.608 Euro zugrunde.
  207. Für die Ermittlung des entgangenen Gewinns der Klägerin in diesem Zeitraum ist zunächst der hypothetische Umsatz der D auf dem auch insoweit maßgeblichen Referenzmarkt der GA 40-Fertigspritzenprodukte zu bestimmen (dazu unter (a)). Die hypothetische Pacht der Klägerin entspricht 2 % dieser Umsätze (dazu unter (b)). Zur Gewinnermittlung wären hiervon hypothetische Kosten der Verpachtung in Abzug zu bringen (dazu unter (c)).
  208. (a)
    Im Streitfall bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die D bereits vor der Verpachtung auf dem Markt der mutmaßlichen Verletzungsprodukte tätig gewesen ist oder dass sonst in ihrem Geschäftsbetrieb irgendwelche Vorkehrungen dafür getroffen waren, in den einschlägigen Markt einzutreten. Ihre hypothetische Geschäftstätigkeit beruht daher maßgeblich auf der mit der Klägerin vereinbarten Betriebspacht, weswegen es gerechtfertigt ist, im Rahmen der Schadensschätzung (die keine vollkommene, sondern nur eine die verlässliche Schätzung erlaubende Identität erfordert) von demjenigen fortgeschriebenen Zahlenmaterial auszugehen, das für die Ermittlung des hypothetischen Umsatzes der Klägerin im Zeitraum bis zur Verpachtung maßgeblich ist. Auf die Erläuterungen zur Quelle dieses Zahlenwerkes unter (3) (c)) wird insoweit Bezug genommen.
  209. (aa)
    Die Gesamtzahl der hypothetisch auf die D entfallenden Verpackungen für den Markt der GA 40-Fertigspritzen lässt sich für den Zeitraum vom 01.02.2020 bis Ende September 2020 wie folgt ermitteln:
  210. J
  211. Monat Packungen gesamt
    Anteil der D Anzahl
    Februar 2020 1063 3 % 34
    März 2020 1462 2 % 35
    April 2020 1092 3 % 37
    Mai 2020 1019 4 % 38
    Juni 2020 1148 3 % 40
    Juli 2020 1255 3 % 40
    August 2020 1049 4 % 40
    September 2020 1092 4 % 40
    304
    K
  212. Monat Packungen gesamt
    Anteil der D Anzahl
    Februar 2020 608 62 % 377
    März 2020 828 65 % 534
    April 2020 593 67 % 397
    Mai 2020 613 70 % 426
    Juni 2020 595 72 % 428
    Juli 2020 699 72 % 503
    August 2020 595 72 % 428
    September 2020 593 72 % 427
    3.520
  213. Übrige GKVen
  214. Monat Packungen gesamt
    Anteil der D Anzahl
    Februar 2020 2390 12 % 286,80
    März 2020 3099 12 % 371,88
    April 2020 2335 12 % 280,20
    Mai 2020 2276 12 % 273,12
    Juni 2020 2288 12 % 274,56
    Juli 2020 2715 12 % 325,80
    August 2020 2245 12 % 269,40
    September 2020 2236 12 % 268,32
    ≈ 2.350
  215. PKVen
  216. Monat Packungen gesamt Anteil der D Anzahl
    Februar 2020 604 6 % 33
    März 2020 814 6 % 45
    April 2020 617 6 % 34
    Mai 2020 545 6 % 30
    Juni 2020 656 6 % 36
    Juli 2020 837 6 % 46
    August 2020 540 6 % 30
    September 2020 630 6 % 35
    289
  217. (bb)
    Ausgehend von den auch insoweit entsprechend der Darstellung der Klägerin zugrunde zu legenden durchschnittlichen Nettopreisen pro Packung (siehe dazu unter (3) (c) (bb)) errechnet sich der hypothetische Umsatz der D wie folgt:
  218. Anzahl
    Verpackungen Nettopreis
    pro Verpackung in € Nettoumsatz
    in €
    J 304 1.534 466.336
    K 3.520 735 2.587.200
    Übrige GKVen 2.350 1.473 3.461.550
    PKVen 289 1.264 365.296
    Gesamt 6.880.382
  219. (b)
    Die bei dem angenommenen Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform hypothetisch erzielbare Pacht der Klägerin beläuft sich auf 2 % dieses Umsatzes, somit auf ≈ 137.608 Euro.
  220. (c)
    Dass der Klägerin als Verpächterin bei einer Marktteilnahme der angegriffenen Ausführungsform Kosten entstanden wären, die nicht als Gemeinkosten ohnehin außer Betracht zu bleiben hätten, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Die entgangene Pacht in Höhe von 137.608 Euro entspricht daher ihrem entgangenen Gewinn.
  221. bb)
    Darüber hinaus kann die Klägerin 851.392 Euro als Ersatz des Wertes solcher Chargen der angegriffenen Ausführungsform verlangen, die aufgrund ihres Ablaufdatums (absehbar) nicht mehr vertrieben werden konnten und daher vernichtet werden mussten.
  222. (1)
    Bei dem Wert der vernichteten Chargen handelt es sich um einen nach §§ 249 Abs. 1, 251 Abs. 1 BGB ersatzfähigen Schaden. Die Klägerin hat den Wert der Packungen basierend auf dem Einkaufspreis angegeben, weshalb auch keine doppelte Berücksichtigung im Verhältnis zu der Schadensposition des entgangenen Gewinns droht.
  223. (2)
    Dass die Vernichtung der Chargen erforderlich war und tatsächlich erfolgt ist, hat die Klägerin in erster Instanz durch den Verweis auf die als Anlage TW 25 vorgelegte eidesstaatliche Versicherung des Herrn L, Head of Operations bei der D Germany GmbH, vorgetragen und auf den Hinweis des Senats mit Schriftsatz vom 14.09.2023 konkretisiert.
  224. Danach sei hinsichtlich der Chargen 160186A und 160185B die im Dezember 2019 erfolgte Vernichtung erforderlich gewesen, weil die Chargen nur bis Dezember 2019 bzw. Januar 2020 haltbar gewesen seien und somit festgestanden habe, dass die Chargen vor einer etwaigen günstigen Entscheidung der Technischen Beschwerdekammer nicht mehr hätten vertrieben werden können. Hingegen wären die Chargen im Juni/Juli 2020 noch absetzbar gewesen, weil das Produkt C 40 sechs Monate vor dem Marktdatum noch marktfähig sei. Zwar hatte die Klägerin ausweislich des landgerichtlichen Urteils in der mündlichen Verhandlung erster Instanz noch behauptet, die Marktfähigkeit ende bereits neun Monate vor dem Ablaufdatum. Die Beklagte ist den entsprechenden Ausführungen der Klägerin im Schriftsatz vom 14.09.2023, mit denen sie das Vorbringen korrigiert hat, indes nicht entgegengetreten. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 21.09.2023 hat der Prozessvertreter der Beklagten zwar erklärt, es sei keine gesetzliche Bestimmung zur Haltbarkeit bekannt. Dem lässt sich ein Bestreiten des Vorbringens der Klägerin jedoch nicht entnehmen, zumal sich die Klägerin auf das Bestehen einer gesetzlichen Bestimmung nicht berufen hat. Sie hat vielmehr ausgeführt, dass es sich um eine bekannte Standardregel für viele Produkte in Deutschland handele, die der Beklagten, die mit B ebenfalls ein GA 40-Produkt vertreibe, bekannt sein müsse. Dass es eine solche (ungeschriebene) Standardregel gibt, hat die Beklagte nicht in Abrede gestellt und erst recht nicht einen gegenüber der Behauptung der Klägerin längeren oder kürzen Zeitraum vor dem Ablaufdatum behauptet, in dem das Produkt nicht mehr marktfähig ist. Das diesbezügliche Vorbringen der Klägerin ist damit als unstreitig anzusehen (vgl. § 138 Abs. 3 ZPO) und als solches unabhängig von den Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 ZPO in der Berufungsinstanz zu berücksichtigen (BGHZ 76, 133 = NJW 1980, 945; OLG Düsseldorf, Urt. v. 05.07.2018, Az.: I-2 U 51/17, BeckRS 2018, 23974 Rn. 94 – Anschlussarmaturen; Urt. v. 22.03.2019, Az.: I-2 U 31/16, BeckRS 2019, 6087 Rn. 222 – improving handovers; Urt. v. 30.9.2021, Az.: I-2 U 52/20, GRUR-RS 2021, 32045 Rn. 75 – Entfernbare Schutzgruppe).
  225. Die im Oktober 2020 erfolgte Vernichtung der Charge 1703318B sei, so die Klägerin weiter, ebenfalls notwendig gewesen, weil die Charge nach Aufhebung der einstweiligen Verfügung im September 2020 nicht mehr marktfähig gewesen sei. Von der Firma Q seien für die Vernichtung 465,00 Euro in Rechnung gestellt worden.
  226. (3)
    Auf der Grundlage des mit Schriftsatz vom 14.09.2023 konkretisierten Vorbringens der Klägerin, dem die Beklagte auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 21.09.2023 nicht mehr entgegengetreten ist, lassen sich Eintritt und Höhe des Schadens wie geschehen feststellen.
  227. Soweit es die im Oktober 2020 vernichtete Charge 1703318B angeht, ist der Schaden zur Überzeugung des Senats trotz der Verpachtung an die D noch bei der Klägerin eingetreten. Denn die Klägerin hatte bereits in erster Instanz im Zusammenhang mit der aus ihrer Sicht fehlenden Möglichkeit eines Markteintritts der D vorgetragen, dass sie sich an der Überlassung der Lagerbestände durch die einstweilige Verfügung gehindert gesehen hat (Schriftsatz der Klägerin vom 22.03.2022 S. 21, Bl. 141 E-Akte LG).
  228. Der Senat hat auf der Grundlage des, wie ausgeführt, unstreitigen Vorbringens zur sechs Monate vor dem Ablaufdatum noch bestehenden Marktfähigkeit auch keine durchgreifenden Zweifel daran, dass die Charge 160185B ohne die Vollziehung der einstweiligen Verfügung noch absetzbar gewesen wäre und nicht auch ohne diese hätte vernichtet werden müssen. Die Klägerin hat konkret behauptet, dass auch diese Charge mit dem Ablaufdatum im Dezember 2019 im Juni 2019 noch absetzbar gewesen wäre, dies jedoch durch die Vollziehung der einstweiligen Verfügung verhindert worden sei. Der Senat versteht den entsprechenden Vortrag, den auch die Beklagte nicht in Zweifel gezogen hat, dahingehend, dass die Abgabe an den Großhandel unmittelbar bevorstand, was in den letzten Tagen des Monats Juni 2019 möglich gewesen wäre. Angesichts des zu dieser Zeit bestehenden erheblichen Marktanteils der Klägerin und der daraus folgenden Menge abzugebender Packungen erscheint dies durchaus plausibel und kann der Senat auch diese Charge bei der Schadensberechnung berücksichtigen.
  229. (4)
    Der durch die Vernichtung eingetretene Schaden errechnet sich wie folgt:
  230. Charge Wert pro Packung
    (basierend auf Einkaufspreis) Menge Schaden
    160186A 268,50 € 1.935 520.224,75 €
    160185B 806,70 € 390 314.613,00 €
    1703318B 22,01 € 731 16.089,31 €

    = 850.927,06 €

    Kosten
    Q 465,00 €

  231. Gesamt
    ≈ 851.392 €
  232. cc)
    Die Klägerin kann schließlich die Feststellung einer ab Oktober 2020 bestehenden Schadenersatzpflicht der Beklagten verlangen, weil ihr aufgrund des auch noch nach erneutem Markteintritt beeinträchtigten Vertriebs der angegriffenen Ausführungsform Gewinn entgangen sein kann. Dieser entspricht der Differenz zwischen ihren auf dem tatsächlichen Umsatz der D beruhenden Pachteinnahmen und denjenigen Pachteinnahmen, den sie in einem hypothetischen Szenario ohne den aufgrund der Vollziehung der einstweiligen Verfügung auch noch ab Oktober 2020 beeinträchtigten Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform erzielt hätte.
  233. dd)
    Der von der Beklagten infolge der Vollziehung der einstweiligen Verfügung zusätzlich generierte Gewinn stellt, wovon auch die Parteien zu Recht ausgehen, keine im Rahmen des Anspruchs nach § 945 ZPO ersatzfähige Schadensposition dar. Nach den für die Bemessung des Umfangs dieses Anspruchs maßgeblichen §§ 249 ff. BGB gilt der Grundsatz der Naturalrestitution, weswegen also derjenige Zustand herzustellen ist, der ohne den zum Ersatz verpflichtenden Umstand bestehen würde (§ 249 Abs. 1 BGB), wobei bei Unmöglichkeit der Herstellung eine Entschädigung in Geld zu leisten (§ 251 Abs. 1 BGB). Danach kommt, weil die Marktabstinenz der Klägerin nicht ungeschehen gemacht werden kann, nur eine Geldentschädigung in Betracht, die sich nach dem sogenannten Wert- oder Summeninteresse bemisst, das der durch das Schadensereignis ausgelösten Minderung im Gesamtvermögen des Geschädigten entspricht (Dauner-Lieb/Langen-Magnus, 4. Aufl., § 251 Rn. 8; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 15. Aufl., Abschn. I Rn. 43). Ein solche Minderung liegt jedoch in Bezug auf den Vollstreckergewinn der Beklagten nicht vor, weil das Vermögen der Klägerin um die infolge der Vollziehung der einstweiligen Verfügung durch die Beklagte erzielten Zusatzgewinne nicht erhöht worden wäre.
  234. f)
    Es ist kein mitwirkendes Verschulden der Klägerin bei der Schadensentstehung (§ 254 BGB) zu berücksichtigen. Ein solches folgt insbesondere nicht daraus, dass sie es unterlassen hat, ein auf Nichtvollziehung der einstweiligen Verfügung gestütztes Aufhebungsbegehren mit dem Argument zu betreiben, die von der Beklagten innerhalb der Vollziehungsfrist beigebrachte Bankbürgschaft sei nicht ordnungsgemäß.
  235. aa)
    Da auf den Schadenersatzanspruch aus § 945 ZPO die allgemeinen Vorschriften der §§ 249 ff. BGB anzuwenden sind, ist auch ein mitwirkendes Verschulden der Klägerin (§ 254 BGB) zu berücksichtigen (BGH, NJW 2006, 2767 Rn. 30; GRUR 2016, 406 Rn. 38 – Piadina-Rückruf; OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 07.05.2009, Az.: 6 U 185/07, BeckRS 2009, 139326 Rn. 43). Nach § 254 Abs. 1 BGB hängen die Verpflichtung zum Schadenersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes, wenn bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Geschädigten mitgewirkt hat, von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Geschädigten darauf beschränkt, dass er es unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern (§ 254 Abs. 2 S. 1 BGB). Ein derartiger Verstoß gegen die Obliegenheit des Geschädigten zur Schadensminderung kommt in Betracht, wenn der Geschädigte die Einlegung eines aussichtsreichen Rechtsbehelfs unterlässt (BGH, NJW 2016, 2557 Rn. 27; NJW 2017, 1600 Rn. 25; Zöller-Vollkommer, 34. Aufl., § 945 Rn. 14c; vgl. auch OLG München, GRUR 1996, 998, 999 – Unterlassener Widerspruch) oder wenn er eine sich aufdrängende Verteidigungsmöglichkeit nicht nutzt (BGH, GRUR 2016, 406 Rn. 46 – Piadina-Rückruf). Hingegen wird ein Mitverschulden durch die fehlende Einlegung eines nicht aussichtsreichen Rechtsmittels nicht begründet (OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 07.05.2009, Az.: 6 U 185/07, BeckRS 2009, 139326 Rn. 46).
  236. bb)
    Die Klägerin hat durch das fehlende Betreiben eines Aufhebungsbegehrens keine Obliegenheit zur Schadensminderung verletzt, insbesondere bei der notwendigen Gesamtwürdigung aller Umstände keine in diesem Sinne aussichtsreiche, ihr aber zugleich zumutbare Verteidigungsmöglichkeit unterlassen.
  237. Es liegt bereits kein eindeutiger, etwa bereits in der Rechtsprechung geklärter Fall einer unzureichenden Sicherheitsleistung vor. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass zum Zeitpunkt der Vollziehung der einstweiligen Verfügung Ende Juni 2019 die Möglichkeit eines Aufhebungsbegehrens wegen einer unzureichenden Bankbürgschaft nicht in dem Maße im Fokus der (anwaltlichen) Aufmerksamkeit stand, wie es seit der Entscheidung des Senats vom 25.06.2020 (GRUR 2020, 1126 – Vollziehungssicherheit) der Fall ist, in dem ein auf eine nicht ordnungsgemäße Vollziehung infolge unzureichender Sicherheitsleistung wegen Fehlern der Bankbürgschaft gestütztes Aufhebungsverfahren in der Berufungsinstanz Erfolg hatte. Darüber hinaus muss in die Bewertung einbezogen werden, dass die von der Beklagten beanstandeten Mängel ihrer Bankbürgschaft weit weniger eindeutig ins Auge springen als dies etwa in dem der erwähnten Senatsentscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt der Fall war, in dem als Sicherungsfall einzig und allein die Aufhebung oder Abänderung des Unterlassungsausspruchs aus dem landgerichtlichen Urteil genannt war und demzufolge den Unterschieden zwischen einer Haftung aus § 717 Abs. 2 ZPO und § 945 ZPO nicht ansatzweise Rechnung getragen wurde. Demgegenüber sind die von der Beklagten beanstandeten Mängel der Bürgschaftserklärung, die § 945 ZPO – zumindest beispielhaft – immerhin nennt, nicht in vergleichbarem Maße „auf den ersten Blick“ erkennbar, sondern bedürfen einer eingehenderen Prüfung.
  238. Darüber hinaus ist zu bedenken, dass der Widerruf des Verfügungspatents erst deutlich nach dem Ablauf der Vollziehungsfrist erfolgt ist und die Klägerin zum Zeitpunkt des möglichen Aufhebungsantrages somit noch nicht wissen konnte, ob es zu dem späteren Widerruf kommt. Selbst wenn man annimmt, dass eine Schadensminderungspflicht bereits im Vorfeld eines später möglicherweise entstehenden Schadenersatzanspruchs aus § 945 ZPO bestehen kann, tritt im Streitfall hinzu, dass zur Vermeidung eines Schadenseintritts nicht nur der Aufhebungsantrag gestellt werden musste. Die Klägerin hätte vielmehr im Anschluss daran auch die durch die aufgehobene einstweilige Verfügung untersagten Benutzungshandlungen wieder aufnehmen und sich damit dem Risiko einer Haftung wegen Patentverletzung aussetzen müssen, obgleich der Ausgang des Rechtsbestandsverfahrens unsicher war.
  239. 2.
    Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291 S. 1, S. 2, 288 Abs. 1 S. 2 BGB.
  240. 3.
    Die Klägerin kann die von ihr begehrte Feststellung verlangen, dass die Beklagte ihr denjenigen Gewinn zu erstatten hat, den sie (die Beklagte) bzw. die A GmbH infolge der Vollziehung der einstweiligen Verfügung erzielt hat, soweit dieser den ihr bereits aus § 945 ZPO zu ersetzenden Schaden übersteigt. Ein entsprechender Anspruch der Klägerin folgt aus § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Var. BGB (Leistungskondiktion). Die Klägerin kann diesen Anspruch noch nicht konkret beziffern, weshalb sie ihn im Wege der Feststellungsklage geltend machen kann.
  241. a)
    Die Anwendung von Bereicherungsrecht wird durch § 945 ZPO nicht ausgeschlossen.
  242. Sofern eine Handlung die Tatbestände mehrerer anspruchsbegründender Normen erfüllt, treten die daraus resultierenden Ansprüche, soweit sie auf dasselbe Ziel gerichtet sind, grundsätzlich in sogenannter echter Anspruchskonkurrenz nebeneinander mit der Folge, dass jeder Anspruch nach seinen Voraussetzungen, seinem Inhalt und seiner Durchsetzung selbstständig zu beurteilen ist und seinen eigenen Regeln folgt (BGH, NJW 2014, 3089 Rn. 53 m.w.N.). Eine abweichende Beurteilung ist nur dann geboten, wenn einer Vorschrift zu entnehmen ist, dass sie einen Sachverhalt erschöpfend regeln und dementsprechend die Haftung aus anderen Anspruchsgrundlagen ausschließen oder in bestimmter Hinsicht beschränken will (vgl. BGH, a.a.O.).
  243. Für den Anspruch aus § 717 Abs. 2 ZPO hat der Bundesgerichtshof bereits angenommen, dass durch diesen die Anwendung der Bereicherungsvorschriften des Bürgerlichen Rechts nach Abschluss des Verfahrens nicht ausgeschlossen werden (BGH, Urt. v. 26.10.2006, Az.: IX ZR 147/04 Rn. 23). Diese Vorschrift diene dem besonderen Schutz der Prozesspartei, die die Vollstreckung aus einem erstinstanzlichen Urteil hingenommen oder zur Abwendung der Vollstreckung geleistet hat, indem der Rückforderungsanspruch bereits nach Aufhebung des Urteils durchgesetzt werden könne. Diese als Instrument innerprozessualer Waffengleichheit ausgestaltete Norm verwehre es der Partei jedoch nicht, bis zum Vorliegen einer rechtskräftigen Entscheidung abzuwarten und sodann die daraus folgenden Bereicherungsansprüche geltend zu machen (BGH, a.a.O.). Ein Grund, diese Frage mit Blick auf § 945 ZPO anders zu beurteilen, ist nicht ersichtlich. Mit dem Anspruch aus § 945 ZPO wird dem von der Vollziehung einer sich als von Anfang an als ungerechtfertigt erweisenden einstweiligen Verfügung betroffenen Vollziehungsschuldner ein verschuldensunabhängiger Schadenersatzanspruch zur Verfügung gestellt; eine Begrenzung der Haftung des ehemaligen Vollziehungsgläubigers ist damit nicht verbunden. Der zwischen den Parteien eingehend diskutierte Wertungswiderspruch zu der Haftung nach § 717 Abs. 3 ZPO droht zudem auch mit Blick auf § 945 ZPO: Betrachtete man die Haftung aus § 945 ZPO als abschließend, wäre im Rahmen des Bereicherungsausgleichs nach § 717 Abs. 3 ZPO – nach der Vollstreckung eines nach der gesetzlichen Wertung mit höherem Vertrauen verbundenen Berufungsurteils – der Vollstreckergewinn herauszugeben, während im Rahmen der Risikohaftung des § 945 ZPO – nach Vollziehung einer nach der gesetzlichen Wertung mit einer erhöhten Unsicherheit verbundenen einstweiligen Verfügung – nur der dem Vollziehungsschuldner entgangene Gewinn zu ersetzen wäre (vgl. Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 15. Aufl., Abschn. I Rn. 44 zu § 717 Abs. 2 ZPO).
  244. b)
    Die Voraussetzungen eines Anspruchs aus § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Var. BGB (Leistungskondiktion) liegen vor.
  245. aa)
    Eine bereicherungsrechtliche „Leistung“ der Klägerin liegt in dem Unterlassen ihres eigenen Marktauftritts während der Vollziehung. Unter einer Leistung versteht man die bewusste und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens, wobei es in erster Linie darauf ankommt, welchen Zweck die Beteiligten nach ihrem zum Ausdruck gekommenen Willen mit der Zuwendung verfolgt haben und wobei, sofern die Vorstellungen der Beteiligten nicht übereinstimmen, eine objektive Betrachtungsweise aus der Sicht des Zuwendungsempfängers geboten ist (st. Rspr., siehe nur BGH, NJW 2004, 1169 m.w.N.). Mit dem Unterlassen weiterer Vertriebshandlungen hat die Klägerin als Vollstreckungsschuldnerin eine Wettbewerbslage geschaffen, die die Beklagte begünstigt, indem sich ihr Produkt B dem zusätzlichen Wettbewerb durch die angegriffene Ausführungsform nicht mehr stellen musste und sie die bislang von dieser vereinnahmten Marktanteile (zumindest teilweise) übernehmen konnte. Die Einstellung der Vertriebshandlungen ist zwar durch die Vollziehung der einstweiligen Verfügung erzwungen, jedoch gleichwohl bewusst und zielgerichtet erfolgt. Die Freiwilligkeit der Vermögensmehrung ist keine Voraussetzung des bereicherungsrechtlichen Leistungsbegriffs; vielmehr ist auch eine unter dem Druck der Zwangsvollstreckung erfolgte Vermögensmehrung eine Leistung (vgl. MüKo BGB-Schwab, 8. Aufl., § 812 Rn. 51). Die Schwelle der Eingriffskondiktion ist erst dann überschritten, wenn der Gläubiger selbst – im Sinne eines aktiven Tuns – Vollstreckungshandlungen vornimmt und sich somit gleichsam etwas „nimmt“ (vgl. Schwab, a.a.O.; siehe auch OLG Schleswig, NJW 2017, 1970). Solches ist hier indes nicht der Fall, weil es die Klägerin war, die die Vertriebshandlungen nach Vollziehung der einstweiligen Verfügung (wenn auch unfreiwillig) eingestellt hat.
  246. Das Vorliegen eines bereicherungsrechtlichen Leistungsverhältnisses wird durch die Verpachtung des Geschäftsbetriebs an die D nicht ausgeschlossen. Eine dem Unterlassen des eigenen Marktauftritts durch die Klägerin gleich zu erachtende bewusste und zweckgerichtete Mehrung des Vermögens der Beklagten ist auch dadurch gegeben, dass die D – wie ausgeführt – adäquat kausal von einem Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform abgesehen hat. Da der ergänzende Bereicherungsausgleich letztlich der vollständigen und umfassenden Schadenskompensation dient, mit der verhindert wird, dass der rechtswidrig Vollstreckende aus seiner widerrechtlichen Vollstreckungsmaßnahme einen wirtschaftlichen Vorteil behält, kann es keinen Unterschied machen, ob der bereichernde Vollstreckergewinn auf der erzwungenen Marktabstinenz des Vollstreckungsschuldners beruht oder darauf, dass ein Pächter des betreffenden Geschäftsbetriebes unter dem Eindruck der bestehenden Unterlassungsverfügung – adäquat kausal – von Vertriebshandlungen absieht. Es kommt deswegen nicht darauf an, ob Vertriebsaktivitäten der D ohne eine Mitwirkung der Klägerin (Überlassung von Lagerbeständen, etc.) überhaupt nicht möglich gewesen wären, so dass die Klägerin die maßgebliche Ursache für das andauernde Fernbleiben der angegriffenen Ausführungsform vom Markt zu verantworten hat, oder ob die D zwar auf den Markt hätte treten können, solches jedoch angesichts einer voraussichtlichen eigenen Inanspruchnahme wegen Patentverletzung unterblieben ist. Auch im letztgenannten Fall ist der bereichernde Vollstreckergewinn, der nicht beim Vollstreckungsgläubiger verbleiben darf, demjenigen zugute zu halten, der durch die unberechtigte Vollstreckungsmaßnahme geschädigt ist. Das ist der Verpächter des Geschäftsbetriebes, der bedingt durch die Vollziehungsmaßnahme in eine schwierige und nachteilige Position insofern geraten ist, als er – wie dargelegt – entweder vom vornherein Abschläge vom marktüblichen Pachtzins hinnehmen muss oder einer Rechtsmängelhaftung ausgesetzt ist.
  247. bb)
    Infolge der Leistung hat die Beklagte „etwas erlangt“, wobei dieser Begriff dem bereits für die Leistung konstitutiven Vorteil des Empfängers entspricht (BeckOK BGB-Wendehorst, Stand: 01.08.2023, § 812 Rn. 54). Der von der Beklagten erlangte Vermögensvorteil liegt in dem Maße vor, in dem es ihr gelungen ist, die vollziehungsbedingt veränderte Wettbewerbssituation zu ihren Gunsten zu nutzen, indem sie anderenfalls der Klägerin zugefallene Marktanteile durch ihr eigenes Produkt besetzt (vgl. Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 15. Aufl., Abschn. I Rn. 48).
  248. Der Annahme einer auf Seiten der Beklagten eingetretenen Vermögensmehrung steht auch nicht entgegen, dass der Vertrieb von B in Deutschland nicht durch die Beklagte, sondern durch ihre Tochtergesellschaft, die A GmbH, erfolgt. Die Klägerin hat ausführlich dargelegt, dass die A GmbH an dem Konzernabschluss der Beklagten als der Muttergesellschaft des A-Konzerns teilnimmt und die Gewinne der A GmbH somit solche der Beklagten sind. Dem ist die Beklagte in der Berufungsinstanz nicht konkret entgegengetreten.
  249. cc)
    Die Leistung ist auch ohne rechtlichen Grund erfolgt. Es liegt aus den bereits unter 1. a) erörterten Gründen aufgrund des mit ex tunc-Wirkung erfolgten Widerrufs des Verfügungspatents ein Fall anfänglicher Rechtsgrundlosigkeit vor.
  250. dd)
    In der Folge ist die Beklagte der Klägerin zur Herausgabe ihres durch die rechtsgrundlose Leistung erlangten Vermögensvorteils verpflichtet. Der Bereicherungsanspruch kann, wie es im Antrag der Klägerin auch Niederschlag gefunden hat, neben dem auf den Ersatz ihres eigenen entgangenen Gewinns gerichteten Anspruch aus § 945 ZPO nur in dem Umfang zum Zuge kommen, wie der Vollstreckergewinn der Beklagten ihren eigenen entgangenen Gewinn übersteigt. Nur in diesem Umfang ist die Beklagte angesichts der bestehenden Haftung aus § 945 ZPO noch bereichert (vgl. Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 15. Aufl., Abschn. I Rn. 52).
  251. 4.
    Die Klägerin kann auch in dem begehrten Umfang zur Bezifferung des Vollstreckergewinns der Beklagten Auskunft verlangen.
  252. a)
    Der Auskunftsanspruch folgt aus § 242 BGB, weil der Klägerin notwendige Detailkenntnisse unverschuldet fehlen, sie aber zur Bezifferung ihres Anspruchs auf diese angewiesen ist, während die Beklagte über das erforderliche Wissen verfügt und es der Klägerin in zumutbarer Weise verschaffen kann (vgl. Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 15. Aufl., Abschn. I Rn. 49). Der Anspruch umfasst auch die seitens der Beklagten als Konzernmuttergesellschaft über den Vertrieb der A GmbH zu erteilenden Auskünfte, derer sie sich für den Vertrieb von B in Deutschland bedient.
  253. Die Klägerin kann auch, wie von ihr begehrt, die Auskunft bereits für den Zeitraum ab etwa einem Jahr vor der Vollziehung der einstweiligen Verfügung verlangen, um beurteilen zu können, in welchem Umfang das Geschäftsvolumen und der Gewinn der Beklagten durch ihre, der Klägerin, Marktabstinenz gestiegen sind.
  254. Nicht ersichtlich ist allerdings in Folge der obigen Ausführungen zur Nichtberücksichtigung des von der Klägerin geltend gemachten „Pen-Effekts“ (siehe dazu unter 1. e) aa) (3) (b) (cc)), dass für die Bezifferung des Anspruchs auch Angaben zu dem Absatz des N erforderlich sind.
  255. b)
    Dass der Titulierung eines Auskunftsanspruchs das anhängige Verfahren der EU-Kommission entgegenstünde, wie die Beklagte meint, ist nicht zu erkennen. Die Beklagte bezieht sich auf Artikel 6 (5) lit. a) der Kartellschadensersatz-Richtlinie der Europäischen Kommission (RL 2014/104/EU), wonach die nationalen Gerichte die Offenlegung von Informationen, die von einer natürlichen oder juristischen Person eigens für das wettbewerbsbehördliche Verfahren erstellt wurden, erst dann anordnen dürfen, wenn eine Wettbewerbsbehörde ihr Verfahren durch Erlass einer Entscheidung oder in anderer Weise beendet hat. Die hier in Rede stehenden Informationen, mögen sie im Rahmen des kartellrechtlichen Verfahrens auch von Bedeutung sein, sind indes nicht „eigens für das wettbewerbsbehördliche Verfahren erstellt“ worden.
  256. c)
    Soweit die Beklagte anregt, die Pflicht zur Auskunftserteilung im Tenor von dem Abschluss einer angemessenen Vertraulichkeitsvereinbarung abhängig zu machen und deren Wortlaut vorzugeben, sieht der Senat für eine entsprechende Anordnung keinen Anlass.
  257. Dabei ist zunächst zu bedenken, dass es nicht um die Überprüfung eines dem Auskunftsgläubiger vorenthaltenen Wissens geht, wie dies im Rahmen solcher Rechnungslegungspositionen der Fall ist, bei denen von der Rechtsprechung die Anordnung eines Wirtschaftsprüfervorbehalts in Betracht gezogen wird. Der Beklagten kommt es vielmehr entscheidend darauf an, dass die Klägerin das von ihr selbst zur Bezifferung des Vollstreckergewinns benötigte Wissen bei sich behält und dieses nicht mit Dritten teilt. Es ist allerdings schon nicht erkennbar, dass die Klägerin überhaupt ein Interesse daran haben könnte, Dritten die fraglichen Informationen zur Verfügung zu stellen. Soweit es nicht konzernverbundene Dritte angeht, fehlt jeder Anhaltspunkt dafür, dass der Klägerin daran gelegen sein könnte, diesen den Vorteil derartiger Zusatzinformationen zu verschaffen. Innerhalb des klägerischen Konzerns mag eine solche Motivation zwar grundsätzlich denkbar sein. Es fehlt insoweit jedoch an Vortrag dazu, dass es im Konzern der Klägerin Gesellschaften gibt, die in einem Konkurrenzverhältnis zu der Beklagten stehen und somit aus den in Rede stehenden Informationen einen Vorteil ziehen könnten.
  258. 5.
    Eine Aussetzung der Verhandlung in entsprechender Anwendung des § 148 ZPO ist nicht veranlasst.
  259. a)
    Mit Blick auf die zu den Parallelpatenten EP ‘XXB und EP ‘XXC am 06.–08.02.2024 anstehende Verhandlung der Technischen Beschwerdekammer ist eine Aussetzung bereits deshalb nicht veranlasst, weil maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung einer aus anderen Gründen bestehenden Unterlassungspflicht im Vollziehungszeitraum der Zeitpunkt der Entscheidung im Verfahren über den Anspruch aus § 945 ZPO ist (dazu unter 1. b)).
  260. b)
    Eine Aussetzung bis zu einer Entscheidung im kartellrechtlichen Prüfverfahren der EU-Kommission (AT.40588 A B) kommt ebenfalls nicht in Betracht, weil von dem Ergebnis der Untersuchung keinerlei Auswirkungen auf die Entscheidung des hiesigen Rechtsstreits zu erwarten sind. Dies gilt auch für die Frage der dort vorgenommenen Marktabgrenzung, die zwar auch im vorliegenden Fall nach europarechtlichen Maßstäben vorzunehmen ist, sich aber mit dem Kartellverfahren gleichwohl nicht decken muss.
  261. c)
    Schließlich sieht der Senat keinen Anlass für ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV und die Aussetzung der vorliegenden Verhandlung bis zu einer Entscheidung des EuGH.
  262. Dies gilt mit Blick auf die Frage, ob die verschuldensunabhängige Ausgestaltung des § 945 ZPO im Lichte des Art. 9 (7) der Enforcement-Richtlinie, auch unter Berücksichtigung des Urteils des EuGH vom 12.09.2019 in der Rechtssache C-688/17 (GRUR 2019, 1168 – Bayer/Richter ua), europarechtskonform ist, bereits deshalb, weil sich für den hier zu entscheidenden Fall ein Verschulden der Beklagten feststellen lässt (siehe dazu unter 1. c)). In Bezug auf die weiteren von der Beklagten unter dem Gesichtspunkt der Gefahr einer uferlosen Haftung aus § 945 ZPO sowie einer Haftung aus Bereicherungsrecht angeregten Vorlagefragen vermag der Senat bereits nicht die Entscheidungserheblichkeit der Auslegung unionsrechtlicher Vorschriften zu erkennen.
  263. III.
  264. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO und, soweit es die Kosten erster Instanz angeht, aus § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO.
  265. Bei seiner Kostenentscheidung hat sich der Senat für die Bestimmung des wechselseitigen Obsiegens und Unterliegens im Grundsatz an der schon erstinstanzlich vorgenommenen Streitwertaufteilung der Klägerin (siehe die tabellarische Auflistung in der Berufungsbegründung der Klägerin vom 30.01.2023, S. 27, Bl. 204 E-Akte OLG) orientiert. Abweichend hiervon ist allerdings der auf die Herausgabe des Vollstreckergewinns gerichtete Feststellungs- und Auskunftsantrag mit einem höheren Betrag zu bemessen, weil – abweichend von der Streitwertaufteilung der Klägerin – diejenigen Gewinnbeträge, die nach dem Klagevorbringen sachlich Gegenstand der geltend gemachten Drittschadensliquidation sind, aufgrund der anderweitigen rechtlichen Beurteilung durch den Senat im Feststellungsantrag aufgehen. Im Rahmen des Feststellungsantrages betreffend den nachlaufenden Schaden ab Oktober 2020 hat der Senat ferner berücksichtigt, dass ein Schaden der Klägerin in diesem Zeitraum nur hinsichtlich verminderter Pachteinnahmen eingetreten sein kann. Soweit es den Auskunftsanspruch zur Ermittlung des Vollstreckergewinns der Beklagten betrifft, ist mindernd in Abzug zu bringen, dass durch den N erzielte Marktanteile außer Betracht zu bleiben haben.
  266. Die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeben sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
  267. Die Revision war gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, weil die Rechtssache mit Blick auf die bislang höchstrichterlich noch nicht geklärten Rechtsfragen im Zusammenhang mit einer Anwendung der Grundsätze der Drittschadensliquidation, der Herausgabe des Vollstreckergewinns nach Bereicherungsrecht, des Mitverschuldens bei fehlendem Aufhebungsantrag und der Berücksichtigung von Gemeinkosten im Rahmen eines Anspruchs nach § 945 ZPO – ohne dass hiermit eine Beschränkung der Zulassung verbunden wäre – sowohl grundsätzliche Bedeutung hat als auch die Fortbildung des Rechts und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 und Nr. 2 ZPO).
  268. Prof. Dr. X
  269. Dr. Y
  270. Dr. Z

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