Düsseldorfer Entscheidungen Nr. 3310
Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil vom 03. August 2023, I-2 U 46/23
Vorinstanz: 4a O 81/22
- I. Auf die Berufung wird das am 26. Januar 2023 verkündete Urteil der 4a Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf abgeändert.
- Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 12. Oktober 2022 wird zurückgewiesen.
- II. Die Verfügungsklägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
- III. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 3.000.000,- € festgesetzt.
- Gründe
- I.
- Von einer Darstellung des Sachverhaltes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1, 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO abgesehen.
- II.
- Die zulässige Berufung der Verfügungsbeklagten hat Erfolg.
- Richtigerweise hätte das Landgericht dem Antrag der Verfügungsklägerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nicht stattgeben dürfen.
- A.
- Das Verfügungspatent (EP 2 959 XXA) betrifft die Bereitstellung eines Sphingosine-1-phosphat (= S1P)-Rezeptormodulators zur Behandlung von multipler Sklerose (MS), die schubförmig remittiert.
- Multiple Sklerose ist eine Autoimmunerkrankung, bei der sich die Autoimmunaktivität gegen Antigene des Zentralen Nervensystems (ZNS) richtet. Entzündungen in Teilen des ZNS führen zum Verlust der Myelinscheide um die Nervenfasern herum (Demyelinisierung), zum Verlust von Nervenfasern und schließlich zum Absterben von Neuronen, Oligodendrozyten und Gliazellen. MS ist eine chronische, fortschreitende, behindernde Krankheit, wobei sich die schubförmig remittierende MS (RRMS) in wiederkehrenden Schüben mit fokalen oder multifokalen neurologischen Störungen äußert.
- Ein grundsätzliches Problem bei der Therapie von MS besteht darin, dass die Behandlung nur teilweise wirksam ist und sich trotz einer entzündungshemmenden und immunsuppressiven Behandlung in den meisten Fällen lediglich eine kurze Verzögerung beim Fortschreiten der Krankheit einstellt.
- Die Wirkstoffklasse der S1P-Rezeptormodulatoren sind bekannte Immunmodulatoren. Sie haben die Fähigkeit, G-Protein-gekoppelte S1P-Rezeptoren zu modulieren, indem sie in den Lymphknoten an die Rezeptoren binden und dadurch verhindern, dass bestimmte lymphatische Immunzellen aus den Lymphknoten abwandern (sogenanntes „Lymphozyten-Homing“) und von dort zunächst in das Blut und letztlich in das zentrale Nervensystem gelangen. Dank der S1P-Modulatoren wird eine Verringerung der Lymphozyten im Blutkreislauf erreicht, die, würden die lymphatischen Immunzellen das zentrale Nervensystem erreichen, sich durch Fehlregulierung gegen körpereigene Strukturen richten und sogenannte pro-inflammatorische Zytokine freisetzen würden, welche wiederum die schädliche Zerstörung der Myelinscheide von Nervenzellen zur Folge hätten.
- Ein bekannter Vertreter eines S1P-Rezeptormodulators, der gegen RRMS eingesetzt wird, ist der Wirkstoff 2-Amino-2-[2-(4-octylphenyl)ethyl]propan-1,3-diol mit dem Internationalen Freinamen „B“.
- Das Verfügungspatent schlägt dessen Verwendung in einer täglichen oralen Dosis von 0,5 mg vor. Demgemäß stellt der einzige Patentanspruch – in der Form eines zweckgebundenen Stoffanspruchs – die Kombination folgender Merkmale unter Schutz:
- 1. S1P-Rezeptormodulator zur Verwendung bei der Behandlung von schubförmig-remittierender multipler Sklerose.
- 2. Der S1P-Rezeptormodulator ist 2-Amino-2-[2-(4-octylphenyl)ethyl]propan-1,3-diol in freier Form oder in Form eines pharmazeutisch unbedenklichen Salzes.
- 3. Der S1P-Rezeptormodulator wird oral in einer Tagesdosis von 0,5 mg verabreicht.
- Im Vergleich zu am Prioritätstag des Klagepatents erfolgreich erprobten Dosierungen des B-Wirkstoffs in einer Menge von 1,25 mg und 5 mg pro Tag liegt dem Verfügungspatent die Erkenntnis zugrunde, dass sich der therapeutische Erfolg schon bei einer Tagesdosis von nur 0,5 mg einstellt, dessen Einsatz dank der geringeren Wirkstoffmenge für den Patienten vorteilhaft ist.
- B.
- Das Landgericht hat angenommen, dass es für die Befolgung der im Verfügungspatent gemachten Dosierungsangabe allein auf den eigentlichen Wirkstoff B ankommt, und ausgehend davon festgestellt, dass das angegriffene Generikum „B C 0,5 mg Hartkapseln“ wortsinngemäß von der technischen Lehre des Verfügungspatents Gebrauch macht und der Verfügungsklägerin als eingetragener Patentinhaberin deshalb ein (Verfügungs-)Anspruch auf Unterlassung weiterer Angebots- und Vertriebshandlungen (§ 139 Abs. 1 Satz 1 PatG) sowie ein durch die angeordnete amtliche Verwahrung zu sichernder (Verfügungs-)Anspruch auf Vernichtung der im inländischen Besitz und/oder Eigentum der Verfügungsbeklagten befindlichen Verletzungsprodukte (§ 140a Abs. 1 Satz 1 PatG) zusteht. Diese Ausführungen lassen einen Rechtsfehler nicht erkennen.
- C.
- Zu Unrecht hat das Landgericht allerdings einen Verfügungsgrund bejaht (§ 935 ZPO). Die Annahme, der Rechtsbestand des Verfügungspatents sei in dem für den Erlass einer einstweiligen Verfügung erforderlichen Umfang gesichert, hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
- 1.
Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats (InstGE 9, 140 – Olanzapin; InstGE 12, 114 – Harnkatheterset; GRUR-RR 2011, 81, 82 – Gleitsattel-Scheibenbremse II; Urt. v. 06.12.2012, Az.: I-2 U 46/12, BeckRS 2013, 13744; GRUR-RR 2013, 236, 239 f. – Flupirtin-Maleat; Urt. v. 07.11.2013, Az.: I-2 U 94/12, GRUR-RS 2014, 04902 – Desogestrel; Urt. v. 18.12.2015, Az.: I-2 U 35/15, GRUR-RS 2016, 6208 Rn. 18 – diagnostisches Verfahren; Urt. v. 31.08.2017, Az.: I-2 U 11/17, BeckRS 2017, 125974 Rn. 48; Urt. v. 14.12.2017, Az.: I-2 U 18/17, GRUR-RS 2017, 142305 Rn. 12 – Kombinationszusammensetzung; Urt. v. 26.09.2019, Az.: I-2 U 28/19, GRUR-RS 2019, 33227 = GRUR-RR 2020, 240 [Ls.] – MS-Therapie; GRUR-RR 2021, 249, 250 – Cinacalcet II; GRUR-RR 2021, 400, 402 – MS-Therapie II; GRUR-RS 2023, 5166 – Fumarsäureester), dass der Erlass einer einstweiligen Verfügung insbesondere auf Unterlassung nur in Betracht kommt, wenn sowohl die Frage der Patentverletzung als auch der Bestand des Verfügungsschutzrechts im Ergebnis so eindeutig zugunsten des Verfügungsklägers zu beantworten sind, dass eine fehlerhafte, in einem etwa nachfolgenden Hauptsacheverfahren zu revidierende Entscheidung nicht ernstlich zu erwarten ist. - Allerletzte Sicherheit in diesem Sinne kann es freilich – und muss es deshalb auch – nicht geben, weil der Rechtsbestand eines Patents – anders als vielfach die Verletzungsfrage – typischerweise von Wertungsfragen abhängt, deren Beantwortung keine mathematische Aufgabe mit sicher voraussagbarem Ausgang ist, weswegen sich das Schicksal eines Patents über den für den Rechtsbestand vorgesehenen gesetzlichen Instanzenzug hinweg ergebnisrelevant ändern kann. Möglich ist häufig nur eine momentane, die zur fraglichen Zeit der Entscheidung über das Verfügungsbegehren aktuelle Rechtsbestandssituation widerspiegelnde Gewissheit, die – mangels einer besseren Alternative – nichtsdestotrotz die prinzipiell maßgebliche Orientierung für das Verletzungsgericht sein muss.
- a)
Besondere Vorsicht ist allerdings bei der Erteilungsentscheidung geboten, die nach einer rein internen Diskussion zwischen Anmelder und Patentamt ergeht. Angesichts der anhaltend hohen Widerrufs- und Vernichtungsquote erteilter Patente, nach der sich von 10 mit einem Einspruch oder einer Nichtigkeitsklage angegriffenen Schutzrechten nur etwa 3 im erteilten Umfang als rechtsbeständig erweisen (vgl. die Nachweise bei Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 15. Aufl., Kap. G Rn. 57), kann die Tatsache der Patenterteilung als solche eine einstweilige Unterlassungsverfügung nicht ohne weiteres tragen, sondern lässt sich von einem hinreichend gesicherten Rechtsbestand regelmäßig nur ausgehen, wenn das Verfügungspatent bereits ein erstinstanzliches Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren überstanden hat (Senat, InstGE 9, 140, 146 – Olanzapin; InstGE 12, 114 – Harnkatheterset; GRUR-RR 2011, 81, 82 – Gleitsattel-Scheibenbremse II; Urt. v. 07.11.2013, Az.: I-2 U 94/12, GRUR-RS 2014, 04902 – Desogestrel; Urt. v. 18.12.2014, Az.: I-2 U 60/14, BeckRS 2015, 01829 Rn. 17; Urt. v. 18.12.2015, Az.: I-2 U 35/15, GRUR-RS 2016, 6208 Rn. 18 – diagnostisches Verfahren; Urt. v. 31.08.2017, Az.: I-2 U 11/17, BeckRS 2017, 125974 Rn. 48; Urt. v. 14.12.2017, Az.: I-2 U 18/17, GRUR-RS 2017, 142305 Rn. 12 – Kombinationszusammensetzung; Urt. v. 26.09.2019, Az.: I-2 U 28/19, GRUR-RS 2019, 33227 = GRUR-RR 2020, 240 [Ls.] – MS-Therapie; GRUR-RR 2021, 249, 250 – Cinacalcet II, GRUR-RR 2021, 400, 402 – MS-Therapie II; GRUR-RS 2023, 5166 – Fumarsäureester). Um ein Verfügungsschutzrecht für ein einstweiliges, die Hauptsache vorwegnehmendes Verfügungsverfahren tauglich zu machen, bedarf es deshalb grundsätzlich einer positiven Entscheidung der dafür zuständigen, mit technischer Sachkunde ausgestatteten Einspruchs- oder Nichtigkeitsinstanzen in einem kontradiktorischen Verfahren. - Ob sich an der Zulässigkeit dieser Handhabung durch die Vorabentscheidung des EuGH in der Rechtssache C-44/21 (GRUR 2022, 811 – Phoenix Contact/Harting) etwas geändert hat (vgl. Kühnen, a.a.O., Kap. G Rn. 81 ff; Deichfuß, GRUR 2022, 800; Keßler/Palzer, EuZW 2022, 562; Stierle, Mitt 2022, 277), bedarf im Streitfall keiner Entscheidung, weil sich eine kontradiktorische Rechtsbestandsentscheidung im Streitfall schon nach der bisherigen Senatsrechtsprechung erübrigt.
- b)
Von dem Erfordernis einer dem Verfügungskläger günstigen Rechtsbestandsentscheidung – nicht von der Notwendigkeit, das mit dem Verfügungsbegehren befasste Verletzungsgericht von dem Rechtsbestand des Verfügungsschutzrechts zu überzeugen (Senat, Urt. v. 10.12.2015 – I-2 U 35/15) – kann in Sonderfällen abgesehen werden. Sie zeichnen sich durch Umstände aus, die eine von dem Gewöhnlichen abweichende Interessenlage begründen, unter der die Gefahr einer Fehlentscheidung des Verletzungsgerichts, das sich auf den Erteilungsakt verlässt, hingenommen werden kann und/oder muss. Die in der bisherigen Instanzrechtsprechung anerkannten Ausnahmefälle – bei denen es sich ausdrücklich um nicht abschließende Beispiele handelt – lassen sich im Wesentlichen in drei Kategorien einteilen, nämlich in solche Sachverhalte, bei denen der Erteilungsakt für sich eine besondere Verlässlichkeit beanspruchen kann (z.B. wegen der Beteiligung eines Wettbewerbers am Erteilungsverfahren oder der bestätigenden Rechtsbestandsentscheidung durch ein renommiertes ausländisches Gericht), in solche Sachverhalte, bei denen der Patentinhaber eines besonderen Rechtsschutzes bedarf (z.B. wegen eines bevorstehenden Schutzrechtsablaufs oder der Schutzrechtsverletzung durch ein Generikum), und in solche Sachverhalte, bei denen der Schutzbestandsangriff schon vom Verletzungsgericht als aussichtslos entlarvt werden kann. - Dementsprechend bedarf es einer kontradiktorischen Rechtsbestandsentscheidung zugunsten des Verfügungspatents u.a. dann nicht, wenn sich der Verfügungsbeklagte (oder ein anderer ernstzunehmender Wettbewerber) bereits mit eigenen Einwendungen am Erteilungsverfahren beteiligt hat, so dass die Patenterteilung sachlich der Entscheidung in einem zweiseitigen Einspruchsverfahren gleichsteht, oder wenn (z.B. mit Rücksicht auf die Marktsituation oder die aus der Schutzrechtsverletzung drohenden Nachteile) außergewöhnliche Umstände gegeben sind, die es für den Verfügungskläger ausnahmsweise unzumutbar machen, den Ausgang des Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahrens abzuwarten (vgl. Senat, InstGE 12, 114, 121 – Harnkatheterset; Urt. v. 07.11.2013, Az.: I-2 U 94/12, GRUR-RS 2014, 04902 – Desogestrel; GRUR-RR 2013, 236, 240 – Flupirtin-Maleat; Urt. v. 18.12.2015, Az.: I-2 U 35/15, GRUR-RS 2016, 6208 Rn. 19 – diagnostisches Verfahren; Urt. v. 14.12.2017, Az.: I-2 U 18/17, GRUR-RS 2017, 142305 Rn. 12 – Kombinationszusammensetzung; zuletzt: GRUR-RS 2023, 5166 – Fumarsäureester).
- aa)
Im Falle von Dritteinwendungen kommt es – anders als das Landgericht meint – nicht darauf an, ob im Erteilungsverfahren diejenigen Einspruchsgründe und diejenigen Entgegenhaltungen geprüft worden sind, auf die sich im Verfügungs- und Rechtsbestandsverfahren der Antragsgegner stützt. Allein der Umstand, dass ein Wettbewerber die fraglichen Einwände bei seinem Dritteinwand nicht vorgebracht hat, spricht indiziell dafür, dass sie nicht von Bedeutung sind. Denn ein Dritter wird sich regelmäßig nur dann an einem fremden Erteilungsverfahren beteiligen, wenn er ein eigenes wirtschaftliches Interesse daran hat, dass eine Patenterteilung unterbleibt. Dieses Interesse wird sich typischerweise daraus ergeben, dass er bereits auf dem einschlägigen Produktmarkt tätig ist oder dies zumindest beabsichtigt und durch die Abwendung einer Patenterteilung zugunsten des Anmelders eigene Handlungsfreiheiten zu gewinnen hofft. Solches kann nur gelingen, wenn er mit seinen Dritteinwendungen sämtliche verfügbaren Einwände vorbringt und insbesondere die besten Argumente nicht ausspart. - Das Gesagte bedeutet nicht, dass im Rahmen der Dritteinwendungen nicht angeführte Schriften und/oder Widerrufs/Nichtigkeitsgründe belanglos wären, sondern lediglich, dass es, um trotz Patenterteilung unter Drittbeteiligung eine Unterlassungsverfügung abzuwenden, vielmehr Sache des Antragsgegners ist, dem Verletzungsgericht darzutun, dass die neuen Entgegenhaltungen (zu denen auch solche Druckschriften zählen, die von einem Dritten vorgebracht, im Erteilungsverfahren jedoch aus Gründen der Verspätung nicht berücksichtigt worden sind) entscheidend näher beim Erfindungsgegenstand liegen als die im Erteilungsverfahren berücksichtigten, und es davon zu überzeugen, dass erstmals thematisierte Widerrufsgründe mit der gebotenen Gewissheit tragen werden (Senat, GRUR-RR 2021, 249 – Cinacalcet II).
- bb)
Ein „außergewöhnlicher“ Sachverhalt liegt regelmäßig bei Verletzungshandlungen von Generikaunternehmen vor. Während der von ihnen angerichtete Schaden im Falle einer späteren Aufrechterhaltung des Patents vielfach enorm und (z.B. mit Rücksicht auf den durch eine entsprechende Festsetzung von Festbeträgen verursachten Preisverfall) nicht wiedergutzumachen ist, hat eine (wegen späterer Vernichtung des Patents) unberechtigte Verfügung lediglich zur Folge, dass das Generikaunternehmen vorübergehend zu Unrecht vom Markt ferngehalten wird, was durch entsprechende Schadenersatzansprüche gegen den Patentinhaber vollständig ausgeglichen werden kann. Das Generikaunternehmen notfalls auf eine spätere Schadensliquidation zu verweisen, ist umso mehr angebracht, als es für seine Marktpräsenz im Allgemeinen keine eigenen wirtschaftlichen Risiken eingeht, weil das Präparat dank des Patentinhabers medizinisch hinreichend erprobt und am Markt etabliert ist. Gleichzeitig kommt hinzu, dass der wirkungsvollen Durchsetzung eines Patents im Bereich der Pharmazie eine ganz besonders herausgehobene Bedeutung zukommt, weil der Patentschutz den zentralen Anreiz und Motor für die pharmazeutische Entwicklung – und damit letztlich für die Volksgesundheit – repräsentiert. Denn wegen der mit der Forschung und anschließenden Arzneimittelzulassung verbundenen immensen Kosten findet eine kommerzielle Entwicklungstätigkeit nur bei gesicherten Amortisationsaussichten statt, und diese wiederum hängen entscheidend von der effektiven Durchsetzung eines dem forschenden Unternehmen gewährten Patentschutzes ab. - Es hat deswegen eine Verbotsverfügung zu ergehen, auch wenn für das Verletzungsgericht mangels einer fachkundigen Rechtsbestandsentscheidung keine endgültige und eindeutige Sicherheit über den Rechtsbestand gewonnen werden kann, sofern das Verletzungsgericht (aufgrund der ihm angesichts der betroffenen technischen Materie möglichen eigenen Einschätzung) für sich die Überzeugung (im Sinne hinreichender Glaubhaftmachung) davon gewinnt, dass das Verfügungsschutzrecht rechtsbeständig ist, weil sich die mangelnde Patentfähigkeit seines Erfindungsgegenstandes nicht feststellen lassen wird. Hierfür müssen aus der Sicht des Verletzungsgerichts entweder die besseren Argumente für die Patentfähigkeit sprechen, so dass sich diese positiv bejahen lässt, oder es muss (mit Rücksicht auf die im Rechtsbestandsverfahren geltende Beweislastverteilung) die Frage der Patentfähigkeit mindestens ungeklärt bleiben, so dass das Verletzungsgericht, wenn es anstelle des Patentamtes oder des BPatG in der Sache selbst zu befinden hätte, dessen Rechtsbestand zu bejahen hätte (Senat, GRUR-RR 2013, 236, 240 – Flupirtin-Maleat; Urt. v. 07.11.2013, Az.: I-2 U 94/23, GRUR-RS 2014, 04902 – Desogestrel; Urt. v. 19.02.2016, Az.: I-2 U 54/15, BeckRS 2016, 6344 Rn. 13; Urt. v. 14.12.2017; Urt. v. 14.12.2017, Az.: I-2 U 18/17, GRUR-RS 2017, 142305 Rn. 12 – Kombinationszusammensetzung; GRUR-RR 2021, 249, 252 – Cinacalcet II; GRUR-RR 2021, 400, 403 – MS-Therapie II; zuletzt: GRUR-RS 2023, 5166 – Fumarsäureester).
- c)
Im Streitfall liegen gleich zwei der in der Senatsrechtsprechung anerkannten Ausnahmetatbestände vor, die eine Rechtsbestandsentscheidung zum Verfügungspatent erübrigen. - aa)
Die Patenterteilung ist – erstens – unter Berücksichtigung von Einwendungen Dritter, nämlich einer ganzen Reihe von generischen Wettbewerbern der Verfügungsklägerin, zustande gekommen, wobei dem Erteilungsbeschluss vorliegend deshalb ein ganz besonderes Gewicht beikommt, weil er nicht – wie gewöhnlich – von der erstinstanzlich zuständigen Prüfungsabteilung, sondern – umfangreich begründet – von der Technischen Beschwerdekammer des Europäischen Patentamtes erlassen worden ist, die auch im laufenden Einspruchsverfahren vor dem EPA voraussichtlich die instanzbeendende Entscheidung über den Rechtsbestand des Verfügungspatents treffen wird. - Dass die Technische Beschwerdekammer diverse Stellungnahmen Dritter, die diese trotz ihrer Beteiligung am erstinstanzlichen Prüfungsverfahren und des dort bereits identisch verfolgten Patentbegehrens erstmals nach der Beschwerdebegründung eingereicht haben, aus Verspätungsgründen nicht zugelassen hat, bleibt ohne rechtliche Bedeutung. Bereits die Drittbeteiligung am erstinstanzlichen Prüfungsverfahren suspendiert von einer kontradiktorischen Rechtsbestandsentscheidung, weil anzunehmen ist, dass ein Wettbewerber, der naturgemäß im Ungewissen über den Ausgang des Prüfungsverfahrens ist, gegen die nachgesuchte Patenterteilung beizeiten alle Argumente vorgebracht haben würde, die irgendeine ernstzunehmende Aussicht auf Erfolg haben könnten. Wäre es deshalb bereits vor der Prüfungsabteilung zur Erteilung des Verfügungspatents gekommen, hätten die dort vergeblich vorgebrachten 11 Dritteinwendungen genügt, um eine Unterlassungsverfügung ohne streitige Rechtsbestandsentscheidung erlangen zu können. Das Ergebnis kann kein anderes sein, wenn es deshalb nicht zu einer Patenterteilung gekommen ist, weil die Prüfungsabteilung – aus der Sicht der Beschwerdeinstanz – rechtsfehlerhaft entschieden hat und – wie die korrigierende Beschwerdeentscheidung zeigt – bereits von ihr richtigerweise die Erteilung des Verfügungspatents hätte beschlossen werden müssen. Die im Laufe des Beschwerdeverfahrens vorgebrachten weiteren 15 Dritteinwendungen rechtfertigen deswegen – bis zur Darlegung des Gegenteils durch den Verletzer – die Vermutung, dass ihnen keine größere Relevanz zukommt als denjenigen Dritteinwendungen, die bereits im erstinstanzlichen Prüfungsverfahren vorgebracht worden sind.
- Gestützt wird diese Annahme zusätzlich dadurch, dass der Zurückweisung neuen Vorbringens in der Beschwerdeinstanz vor dem EPA eine Prüfung daraufhin vorauszugehen hat, ob die fraglichen Dokumente prima facie von hoher Relevanz für die Beurteilung der Patentfähigkeit sind, was bejahendenfalls ihre Zulassung zum Beschwerdeverfahren zur Folge haben muss (Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA, 10. Aufl., Abschnitt 5.13.2). Auch wenn sich die Beschwerdekammerentscheidung nicht ausdrücklich zu diesem Relevanzkriterium verhält, führt sie doch aus, dass die zurückgewiesenen Stellungnahmen sämtlich bereits im Verfahren vor der Prüfungsabteilung hätten präsentiert werden können und müssen, und die Kammer in Anbetracht dessen beschlossen hat, die Stellungnahmen im Beschwerdeverfahren nicht mehr zu berücksichtigen. Entgegen der Auffassung des Landgerichts lassen diese Bemerkungen hinreichend deutlich erkennen, dass sich die Beschwerdekammer Gedanken über die Zulassung der neuen, verspäteten Dritteinwendungen gemacht und insoweit eine (den Dritten nachteilige) Entscheidung getroffen hat. Gegenstand dieser Entscheidung kann sinnvollerweise nur die Frage gewesen sein, ob die festgestellte verfahrensmäßige Verspätung bestimmter Dritteinwendungen ausnahmsweise deshalb im Interesse materieller Gerechtigkeit zurückzutreten hat, weil die späten Einwendungen eine hohe Relevanz für die Erteilungsentscheidung haben.
- bb)
Zweitens handelt es sich um einen Generika-Fall, der aufgrund seiner wirtschaftlichen Besonderheiten schon für sich außergewöhnliche Umstände begründet, die von einer streitigen Rechtsbestandsentscheidung suspendieren. Dass der regulatorische Vermarktungsschutz der Verfügungsklägerin (Art. 14 Nr. 11 VO (EG) 726/2004, § 24b Abs. 1 Satz 2 AMG) am 22.03.2022 abgelaufen und die Veröffentlichung der Patenterteilung erst am 12.10.2022 erfolgt ist, so dass sich ein schutzrechtsfreier Übergangszeitraum von ca. 7 Monaten (22.03. bis 11.10.2022) ergeben hat, während dessen generische Anbieter auf den Markt treten konnten, ändert daran nichts. - Dass die Verfügungsklägerin – in grober Weise gegen ihre eigenen wirtschaftlichen Interessen! – die Patenterteilung ohne vernünftigen Sachgrund bewusst verzögert haben soll, ist nicht zu erkennen. Entscheidend kommt es darauf aber nicht einmal an. Selbst wenn der Verfügungsklägerin irgendein Verzögerungsvorwurf zu machen sein sollte, wäre er ohne jede Auswirkung geblieben, wenn die Prüfungsabteilung die dem Verfügungspatent zugrundeliegende Anmeldung – aus der Sicht der Beschwerdeinstanz – rechtsfehlerfrei behandelt hätte. Dann nämlich wäre bereits am 19.11.2020 (und nicht erst mit der korrigierenden Beschwerdeentscheidung), mithin weit vor Ablauf des Vermarktungsschutzes, eine die Patenterteilung beschließende Entscheidung ergangen, so dass ein schutzrechtsfreier Zeitraum nicht hätte entstehen können. Die Verfügungsklägerin muss jedoch keinen rechtlichen Nachteil deswegen auf sich nehmen, weil die Erteilungsbehörde fehlerhaft entschieden hat.
- Es kann dahinstehen, ob es sich aus demselben Grund verbietet, der Verfügungsklägerin anzulasten, dass es infolge des vom 22.03. bis 11.10.2022 vorübergehenden Auftretens generischer Produkte zu einer Marktsituation gekommen ist, die den Streitfall wegen der dadurch in gewissem Umfang rechtmäßig eingetretenen Preiserosion von den typischen Generika-Fällen unterscheidet. Abgesehen davon, dass die von der Verfügungsklägerin als Folge der fehlerhaften Zurückweisung ihrer Patentanmeldung durch die Prüfungsabteilung hinzunehmenden wirtschaftlichen Nachteile keine Rechtfertigung dafür sein können, den Schaden auf Seiten der Verfügungsklägerin noch weiter zu perpetuieren, hat das Landgericht rechtsfehlerfrei festgestellt (LGU 53-57), dass der Verfügungsklägerin, sollten keine Unterlassungsverfügungen gegen den weiteren Vertrieb generischer Produkte ergehen, beträchtliche zusätzliche Umsatzeinbußen dadurch drohen, dass für B die Festsetzung von Festbeträgen droht. Jedenfalls ihretwegen ist es der Verfügungsklägerin billigerweise nicht zuzumuten, vor einer Durchsetzung ihres Patents die Einspruchsentscheidung abzuwarten.
- Gleichzeitig ist die Verfügungsbeklagte nicht schutzwürdiger als ein gewöhnliches Generikaunternehmen, für das die Rechtsprechung bisher eine Ausnahme vom Erfordernis einer streitigen Rechtsbestandsentscheidung angenommen hat. Zwar waren die nach dem Auslaufen des Vermarktungsschutzes (22.03.2022) bis zur Veröffentlichung des Verfügungspatents (12.10.2022) vorgenommenen Benutzungshandlungen der Verfügungsbeklagten rechtmäßig. Wie das Landgericht (LGU 57/58) richtig erkannt hat, war für die Verfügungsbeklagte jedoch schon vor Beginn ihrer allerersten Vertriebshandlung aufgrund der am 08.02.2022 ergangenen, die Patenterteilung anordnenden Beschwerdekammerentscheidung zweifelsfrei ersichtlich, dass der Verfügungsklägerin demnächst ein Patent zustehen würde, in dessen Schutzbereich mit dem Generikum widerrechtlich eingegriffen wird. Sämtliche Benutzungen geschahen deswegen in der sicheren Erkenntnis und unter bewusster Inkaufnahme dessen, dass die Benutzungen augenblicklich nach der Veröffentlichung der Patenterteilung wieder eingestellt werden müssen. Wenn die Verfügungsbeklagte unter solchen Rahmenbedingungen den – von vornherein auf eine begrenzte Zeitspanne angelegten – Vertrieb ihres Generikums aufgenommen hat, weil sie die Ertragsaussichten trotz allem als lohnend genug eingeschätzt hat, so kann sie jetzt nicht damit argumentieren, dass ein durch die Patenterteilung bedingtes Abtreten vom Markt für sie mit wirtschaftlich unangemessenen Konsequenzen verbunden wäre. Vielmehr hat sich lediglich dasjenige Risiko verwirklicht, das die Verfügungsbeklagte mit ihrem Generikum bewusst auf sich genommen hat.
- d)
Aus der regelmäßigen Notwendigkeit einer positiven streitigen Rechtsbestandsentscheidung folgt umgekehrt, dass, sobald sie vorliegt, prinzipiell von einem ausreichend gesicherten Bestand des Verfügungspatents auszugehen ist (Senat, Urt. v. 19.02.2016, Az.: I-2 U 54/15, BeckRS 2016, 6344 Rn. 12; Urt. v. 14.12.2017, Az.: I-2 U 18/17, GRUR-RS 2017, 142305 Rn. 12 – Kombinationszusammensetzung; Urt. v. 26.09.2019, Az.: I-2 U 28/19, GRUR-RS 2019, 33227 = GRUR-RR 2020, 240 [Ls.] – MS-Therapie; GRUR-RR 2021, 249, 251 – Cinacalcet II; zuletzt: GRUR-RS 2023, 5166 – Fumarsäureester). - aa)
Das Verletzungsgericht hat zwar als diejenige Stelle, die die Unterlassungsverfügung erlässt, die rechtliche Pflicht, auch nach erstinstanzlichem Abschluss eines Rechtsbestandsverfahrens selbst ernsthaft die Erfolgsaussichten der dagegen gerichteten Angriffe zu prüfen, um sich in eigener Verantwortung ein Bild von der Schutzfähigkeit der Erfindung als Grundlage für die nachgesuchte Unterlassungsverurteilung zu machen. Diese Prüfung hat jedoch natürliche, strukturell bedingte Grenzen. Mit Rücksicht auf die gesetzliche Zuständigkeitsverteilung, die die Entscheidung über den Bestand erteilter Patente nun einmal den mit technischen Fachleuten ausgestatteten Rechtsbestandsinstanzen zuweist, und mit Rücksicht auf die Tatsache, dass nur diese fundierte einschlägige Kenntnisse und Erfahrungen auf dem jeweils betroffenen Technikgebiet besitzen, während den Verletzungsgerichten infolge ihrer rein juristischen Besetzung eine bloß laienhafte Beurteilung technischer Fragen möglich ist, hat ein Verletzungsgericht bei seiner Rechtsbestandsprüfung grundsätzlich die von der zuständigen Fachinstanz (DPMA, EPA, BPatG) nach technisch sachkundiger Prüfung getroffene Entscheidung über die Aufrechterhaltung des Verfügungspatents hinzunehmen und, sofern im Einzelfall keine besonderen Umstände vorliegen, die gebotenen Schlussfolgerungen zu ziehen, indem es zum Schutz des Patentinhabers die erforderlichen Unterlassungsanordnungen trifft (Senat, Urt. v. 19.02.2016, Az.: I-2 U 54/15, BeckRS 2016, 6344 Rn. 12; Urt. v. 14.12.2017; Urt. v. 26.09.2019, Az.: I-2 U 28/19, GRUR-RS 2019, 33227 = GRUR-RR 2020, 240 [Ls.] – MS-Therapie; GRUR-RR 2021, 249, 251 – Cinacalcet II; zuletzt: GRUR-RS 2023, 5166 – Fumarsäureester). - Grund, die Rechtsbestandsentscheidung in Zweifel zu ziehen und von einem Unterlassungsgebot abzusehen, besteht nur dann, wenn das Verletzungsgericht die Argumentation der Einspruchs- oder Nichtigkeitsinstanz für nicht vertretbar hält oder wenn der mit dem Rechtsbehelf gegen die Einspruchs- oder Nichtigkeitsentscheidung unternommene Angriff auf das Verfügungspatent auf (z.B. neue) erfolgversprechende Gesichtspunkte gestützt wird, die die bisher mit der Sache befassten Stellen noch nicht berücksichtigt und beschieden haben (Senat, Urt. v. 06.12.2012, Az.: I-2 U 46/12, BeckRS 2013, 13744; GRUR-RR 2021, 249, 251 f. – Cinacalcet II; zuletzt: GRUR-RS 2023, 5166 – Fumarsäureester). Demgegenüber ist es für den Regelfall nicht angängig, den Verfügungsantrag trotz erstinstanzlich aufrechterhaltenen Schutzrechts allein deshalb zurückzuweisen, weil das Verletzungsgericht seine eigene (laienhafte) Bewertung des technischen Sachverhaltes an die Stelle der Beurteilung durch die zuständige Einspruchs- oder Nichtigkeitsinstanz setzt (Senat, Urt. v. 18.12.2014, Az.: I–2 U 60/14, BeckRS 2015, 01829 Rn. 17; Urt. v. 19.02.2016, Az.: I-2 U 54/15, BeckRS 2016, 6344 Rn. 12; Urt. v. 14.12.2017; GRUR-RR 2021, 249, 252 – Cinacalcet II; zuletzt: GRUR-RS 2023, 5166 – Fumarsäureester). Solches verbietet sich ganz besonders dann, wenn es sich um eine technisch komplexe Materie (z.B. aus dem Bereich der Chemie, Pharmazie oder Elektronik) handelt, in Bezug auf die die Einsichten und Beurteilungsmöglichkeiten des technisch nicht vorgebildeten Verletzungsgerichts von vornherein limitiert sind (Senat, GRUR-RS 2023, 5166 – Fumarsäureester).
- Denn während sich ein Verletzungsgericht bei komplexen technischen Gegenständen ein zumindest einigermaßen fundiertes eigenes Bild gegebenenfalls insoweit machen kann, als es darum geht, ob der Gegenstand des Verfügungspatents in der zugrunde liegenden Ursprungsanmeldung eindeutig und unmittelbar offenbart gewesen ist, und sich möglicherweise auch die Neuheitsfrage noch halbwegs eigenständig überblicken lässt, hängt die Entscheidung darüber, ob der Fachmann in naheliegender Weise vom vorbekannten Stand der Technik zu der Erfindung gelangen konnte, von einem tiefgreifenden technischen Verständnis und Einblick in das Fachwissen, die Fähigkeiten sowie die Denk- und Vorgehensweise eines Durchschnittsfachmanns im Prioritätszeitpunkt ab. Dazu besitzt auch ein erfahrenes Verletzungsgericht, jedenfalls wenn es sich nicht um einfach mechanische, sondern – wie hier – um komplexe Erfindungen handelt, in aller Regel keinerlei eigene Expertise (Senat, GRUR-RS 2023, 5166 – Fumarsäureester). Hingegen ist es die tagtägliche Aufgabe von Einspruchsabteilungen, Beschwerdekammern und Nichtigkeitssenaten, sich auf dem ihnen jeweils zugewiesenen, eng begrenzten technischen Fachgebiet Gedanken darüber zu machen, welche Vorkenntnisse der einschlägige Fachmann zum maßgeblichen Zeitpunkt besessen hat, mit welchem Wissenshorizont er deshalb den Stand der Technik wahrgenommen und mit welcher Strategie er diesen fortzuentwickeln versucht hat. Aufgrund ihrer stetigen und im Zweifel langjährigen Befassung mit genau diesen Fragestellungen haben die Spruchkörper der Rechtsbestandsinstanzen einen reichen Erfahrungsschatz, der die Handhabung des Kriteriums der erfinderischen Tätigkeit auf eine rechtssichere Basis stellt (Senat, GRUR-RS 2023, 5166 – Fumarsäureester). Vor diesem Hintergrund verbietet es sich, dass ein Verletzungsgericht, welches weder über ein annähernd vergleichbares Wissen noch über Erfahrungen bezüglich der Entwicklungsarbeit von Technikern verfügt, seine eigene, notwendigerweise gänzlich laienhafte Einschätzung über die Überlegungen einer fundierten Rechtsbestandsentscheidung stellt.
- Der technische Wissens- und Erfahrungsvorsprung begrenzt gleichzeitig aber auch den Gegenstand dessen, wofür ein Vorrang der getroffenen Rechtsbestandsentscheidung anzuerkennen ist. Er existiert dort nicht, wo Wissens- und Erfahrungsdefizite des Verletzungsgerichts, die dessen Zurückhaltung gebieten, nicht bestehen, was der Fall ist, wenn und soweit es um rein patentrechtliche und/oder denkgesetzliche Fragestellungen geht, deren angemessene Beurteilung nicht von einer speziellen technischen Expertise abhängt.
- bb)
Wegen der unmittelbar vergleichbaren Interessen- und Entscheidungslage gilt das zuvor Gesagte genauso, wenn für das Verfügungspatent – wie hier – zwar (noch) keine kontradiktorische Rechtsbestandsentscheidung streitet, ihr aber eine begründete Erteilungsentscheidung zugrunde liegt, die unter namhaften Dritteinwendungen zustande gekommen ist. Unter den besagten Umständen hat sich das Verletzungsgericht mit einer abweichenden technischen Einschätzung dessen, was die Erteilungsbeschwerdeinstanz entschieden hat, im Zweifel zurückzuhalten und kann von deren fachlicher Beurteilung nur bei wirklich triftigen Gründen abrücken. Das gilt nicht zuletzt deshalb, weil deren Spruchkörper im Zweifel auch über den gegen das Verfügungspatent laufenden Rechtsbestandsangriff entscheiden werden. - Schon bisher ist dabei in der Senatsrechtsprechung anerkannt, dass speziell die Rechtsbestandsentscheidungen einer Technischen Beschwerdekammer des EPA (gleiches würde für die Technischen Beschwerdesenate des BPatG gelten) aufgrund ihrer übergeordneten Stellung im Rechtsschutzsystem ein hohes Vertrauen in ihre Richtigkeit rechtfertigen, weswegen ein Abweichen des Verletzungsgerichts von deren Erkenntnissen nur ganz ausnahmsweise denkbar ist (Senat, Urt. v. 21.01.2016 – I-2 U 48/15). Da es für die prominente Bedeutung maßgeblich auf die durch die Stellung des Spruchkörpers im Instanzenzug verbürgte Qualität der getroffenen Entscheidung ankommt, und nicht darauf, in welchem formellen Rechtszug – einem Einspruchs- oder einem Erteilungsverfahren – sie zustande gekommen ist, müssen die erwähnten Restriktionen für eine abweichende Beurteilung technischer Sachverhalte durch das Verletzungsgericht selbstverständlich auch für eine Beschwerdekammerentscheidung gelten, die nach einer zurückgewiesenen Patentanmeldung ergangen ist.
- cc)
Sie werden prinzipiell auch nicht dadurch relativiert, dass zur Erteilungsentscheidung gegensätzliche Erkenntnisse eines ausländischen, ebenfalls mit technischer Expertise ausgestatteten Gerichts vorliegen, so dass sich die technischen Fachleute mit jeweils beachtlichen Gründen uneins darüber sind, ob eine bestimmte technische Lehre schutzfähig ist oder nicht. - Haben die sich einander widersprechenden Entscheidungen – wie hier die Erteilungsentscheidung der Technischen Beschwerdekammer und verschiedene ausländische Verletzungsentscheidungen, die den Rechtsbestand des Verfügungspatents negativ eingeschätzt haben – einen identischen technischen Sachverhalt zum Gegenstand, weil sie sich mit derselben technischen Lehre (sic.: dem Verfügungspatent) und denselben Entgegenhaltungen aus dem Stand der Technik befassen, so dass die Argumentation der einen Stelle in unauflöslichem Widerspruch zu der gegenläufigen Argumentation der anderen Stelle steht, kann der bestehende Streit naturgemäß nicht abschließend von dem mit technischen Laien besetzten Verletzungsgericht entschieden werden, das aus Rechtsgründen daran gehindert ist, sich externer technischer Sachverständigenhilfe, derer es bedürfte, zu versichern. Das bedeutet allerdings nicht, dass unter den besagten Umständen zwingend von einem nicht hinreichend gesicherten Rechtsbestand auszugehen wäre. Denn nicht schon jede anderslautende, die Schutzfähigkeit der Erfindung verneinende Entscheidung, die irgendwo unter Beteiligung technischen Sachverstandes (sei es technischer Richter oder externer Sachverständiger) getroffen worden ist, kann rechtsschutzhindernd sein. Erforderlich ist vielmehr, dass die gegenläufige Erkenntnis von einem Entscheider herrührt, der Zugriff auf das Verfügungsschutzrecht hat, weil er in den für die Beurteilung seines Rechtsbestandes vorgesehenen Instanzenzug eingebunden ist (Senat, Urt. v. 31.08.2017 – I-2 U 11/17). Dass nur deren Erkenntnisse relevant sind, folgt aus dem gesetzlichen Zuständigkeitsregime, das die Frage der Patenterteilung und des Rechtsbestandes technischen Entscheidungsinstanzen überantwortet, deren Erkenntnisse die Verletzungsgerichte zu respektieren haben, indem sie die einstweilen getroffene Erteilungs- oder Rechtsbestandsentscheidung mit ihrer Unterlassungsverfügung nachzuvollziehen haben. Die vom Gesetz vorgenommene Zuständigkeits- und Verantwortlichkeitsverteilung rechtfertigt aber nicht nur im Grundsatz die Unterlassungsverurteilung, sondern sie limitiert zugleich die Reichweite, in der dem Erteilungsakt widersprechende Entscheidungen die zum Verfügungsschutzrecht ergangene Erkenntnis als Grundlage für eine vorläufige Verurteilung wegen Patentverletzung entwerten können. Denkbar ist dies nur dort, wo die einstweilen positive Erteilungs- oder Rechtsbestandsentscheidung als verlässliche Beurteilungsgrundlage für das einstweilige Verfügungsverfahren wegfällt, weil mit ihrer inhaltlichen Abänderung im weiteren europäischen oder anschließenden nationalen Instanzenzug mit hinreichender Gewissheit deshalb zu rechnen ist, weil dort bereits widerrufende oder vernichtende Erkenntnisse zu dem fraglichen technischen Sachverhalt ergangen sind (Kühnen, a.a.O., Kap. G Rn. 100).
- Dem Patentinhaber nachteilige Erkenntnisse (z.B. ausländischer Verletzungsgerichte), die diesen besonderen institutionellen Anforderungen nicht genügen, stellen als technisch fachkundige Äußerungen allerdings Indizien dar, die das Verletzungsgericht zwar ohne jede Bindungswirkung, aber dennoch im Rahmen seiner Prüfung ernsthaft zu erwägen hat, ob es die getroffene Erteilungsentscheidung oder die aufrechterhaltende Rechtsbestandsentscheidung zum Verfügungsschutzrecht für vertretbar hält (und ihr deshalb folgt) oder nicht (Senat, GRUR-RS 2019, 33227 – MS-Therapie). Ihr indizieller Wert ist dabei tendenziell umso höher einzuschätzen, je umfangreicher die Erfahrung der ausländischen Instanz in der Behandlung von Rechtsbestandsfragen ist und umso größer die technische Expertise ist, die dem ausländischen Entscheider bei seiner Beurteilung zur Verfügung gestanden hat (Senat, GRUR-RR 2021, 400 – MS-Therapie II).
- Durch die vorgenommene Differenzierung – und nur durch sie – bleibt zugunsten des Schutzrechtsinhabers ein – gerade im Bereich der Generika unverzichtbarer – effektiver einstweiliger Rechtsschutz gewährleistet. Denn selbstverständlich ist es denkbar und auch realistisch, dass der Rechtsbestand eines Patents in verschiedenen Jurisdiktionen letztlich unterschiedlich beurteilt wird, und dies betrifft vordringlich den Streit um die Erfindungshöhe, mit der eine wertend abwägende Frage aufgeworfen ist, die im Einzelfall mit ebenso guten Gründen in die eine wie in die andere Richtung beantwortet werden kann. Weil dem so ist, kann es nicht sein, dass dem Patentinhaber eine vorläufige Durchsetzung seines Schutzrechts trotz einer von ihm erstrittenen Erteilungs- oder Aufrechterhaltungsentscheidung unter Hinweis darauf versagt bleibt, dass anderswo ein Patentamt oder Gericht zu einem (vielleicht ebenso gut vertretbaren) gegenteiligen Resultat gelangt ist (Kühnen, a.a.O., Kap. G Rn. 102).Neue, von der Erteilungsbeschwerdeinstanz noch nicht behandelte Angriffe gegen den Rechtsbestand stehen – wie bei Vorliegen einer erstinstanzlich aufrechterhaltenden Einspruchs- oder Nichtigkeitsentscheidung – unter dem Vorbehalt, dass die Entgegenhaltung im Vergleich mit dem von der Beschwerdeinstanz Geprüften der Erfindung näher steht oder, wenn der betreffende Angriff erstmals unternommen wird, für sich aus der Sicht des Verletzungsgerichts eine genügende Erfolgsaussicht bietet.
- 2.
Von diesen Grundsätzen ausgehend ist der Rechtsbestand des Verfügungspatents nicht in dem für den Erlass einer einstweiligen Verfügung ausreichenden Maße gesichert. Im Nachhinein haben sich nämlich neue Erkenntnisse aus dem Stand der Technik ergeben, die der Beschwerdekammer bei ihrer Entscheidung noch nicht vorgelegen haben und die durchgreifende Zweifel daran begründen, dass das Verfügungspatent den Einsprüchen gegen seine Erteilung standhalten wird. - a)
Für die rechtliche Beurteilung hat es keine entscheidende Bedeutung, ob als Stand der Technik von der als Anlage FBD 15 überreichten Präsentation der Verfügungsklägerin, der zugehörigen, als Anlage FBD 14 vorgelegten Pressemitteilung, der Veröffentlichung von D et al. (Anlage FBD 22) oder der Schrift von E et al (Anlage FBD 26) ausgegangen wird, denn sämtlichen Verlautbarungen kommt derselbe für die Rechtsbestandsbeurteilung relevante Offenbarungsgehalt zu. - aa)
Die Präsentation nach Anlage FBD 15 aus dem Jahr 2005 berichtet über die Ergebnisse einer Phase-II-Studie mit RRMS-Patienten unter der täglichen oralen Behandlung mit 1,25 mg bzw. 5 mg B (vgl. die Folien 11 und 15) sowie die Ankündigung eines weiteren Arms in der als nächstes geplanten Phase-III-Studie mit einer verringerten Dosis von 0,5 mg B (Folie 26). Ausweislich des Präsentationsinhalts zeigten die verabreichten Tagesdosen von 1,25 mg und 5 mg B eine signifikante Reduktion der Anzahl an Gd+-Läsionen im Vergleich zum Einsatz eines Placebos (Folie 15), wobei die therapeutische Wirksamkeit der genannten Dosierungen auf Folie 24 dahingehend zusammengefasst ist, dass bei der höheren 5 mg-Dosis vermehrt unerwünschte Nebenwirkungen aufzutreten scheinen (vgl. die Folien 23 und 24). Auf Folie 24 heißt es in deutscher Übersetzung: - „[…] Keine offensichtlichen Unterschiede zwischen den Dosierungen in Bezug auf die Wirksamkeit, wobei einige unerwünschte Ereignisse bei höheren Dosierungen häufiger auftreten […]“.
- bb)
Nichts anderes besagt die (im Erteilungsverfahren gewürdigte) Pressemitteilung vom 6. April 2006 (Anlage FBD 14). Auch sie berichtet von derselben in zwei Patientengruppen, die täglich mit B-Dosierungen von 1,25 mg bzw. 5 mg über einen Zeitraum von 18 Monaten behandelt wurden. Die therapeutische Wirksamkeit hält die Pressemitteilung wie folgt fest (Seite 1, 2. Absatz): - „Die Daten, die auf der Tagung der American Neurological Association (AAN) vorgestellt wurden, zeigten, dass beide Gruppen von Patienten, die F (1,25 mg und 5 mg) einnahmen und bei denen in den ersten sechs Monaten der Studie im Vergleich zu Placebo eine Verringerung der annualisierten Rückfallquote um mehr als 50 % zu verzeichnen war, diese niedrige Rückfallquote auch während der anschließenden 12-monatigen Verlängerungsphase beibehielten.“
- Zusätzlich wird geäußert, dass nach 12 Monaten der Einnahme die Patientengruppe, welche die Dosierung von 5 mg erhalten hat, auf die niedrigere Dosis von 1,25 mg umgestellt worden ist, weil festgestellt wurde, dass beide Dosierungen eine gleiche Wirksamkeit aufweisen, die höhere Dosis von 5 mg B jedoch vermehrt zu stärkeren Nebenwirkungen geführt hat (S. 1, letzter Absatz):
- „[…] Alle Patienten in der Verlängerungsstudie werden nun mit der 1,25-mg-Dosis Dosis fortgeführt, da sowohl die 5-mg-Dosis, die eine höhere Rate an unerwünschten Ereignissen aufwies, als auch die 1,25-mg-Dosis die Krankheitsaktivität gleich wirksam reduzieren.“
- Für die geplante Phase-III-Studie wird ein weiterer Studienarm angekündigt, dem eine Tagesdosis von 0,5 mg B zugrunde liegen soll (S. 2, 2. Absatz):
- „G hat seine erste Phase-III-Zulassungsstudie mit dem Namen „H“ (B Research Evaluating Effects of Daily Oral Therapy in Multiple Sclerosis) begonnen. […] Die Studienteilnehmer werden zu gleichen Teilen randomisiert und erhalten entweder 1,25 mg oder 0,5 mg F oder Placebo einmal täglich bis zu 24 Monate lang.“
- Die einzige zusätzliche Information, die der (späteren, aus April 2006 stammenden) Pressemitteilung (Anlage FBD 14) im Vergleich mit der (früheren) Präsentation nach Anlage FBD 15 entnommen werden kann, ist, dass der in Aussicht gestellte Studienarm bereits in diversen europäischen Ländern begonnen hat.
- cc)
Der Offenbarungsgehalt der Entgegenhaltung von D et al. (Anlage FBD 22) geht über den geschilderten Informationsgehalt der Anlagen FBD 14 und 15 nicht hinaus. Die Schrift befasst sich mit der angekündigten Phase-III-Studie unter Angabe der Parameter, unter denen die Studie durchgeführt werden soll. Insbesondere werden die zur Verabreichung vorgesehenen B-Dosierungen von 1,25 mg und 0,5 mg herausgestellt. Der vorletzte Absatz der Anlage FBD 22 belehrt den Fachmann in diesem Zusammenhang ausdrücklich darüber, dass für die erwähnten Dosierungen noch keine Ergebnisse vorliegen („Results are expected in 2009“) und die Studie demgemäß zur Untersuchung der Wirksamkeit eingeleitet worden ist („A large randomised, double-blind, placebo-controlled Phase-III study (Protocol 2301) has been initiated to further evaluate efficacy and safety of B in patients with RR-MS.“). - dd)
E et al. (Anlage FBD 26) befassen sich gleichfalls mit der Phase-II-Studie zu an RRMS („relapsing MS“) erkrankten Studienteilnehmern, denen B in Tagesdosierungen von 1,25 mg bzw. 5 mg verabreicht wurde. In der Schlussfolgerung werden weitere Untersuchungen mit geringeren Dosierungen empfohlen („These data support exploring potentially lower doses of F in future MS studies.“). Eine Tagesdosis von 0,5 mg findet dabei keine explizite Erwähnung („lower doses“). - b)
Ausgehend von der geschilderten, am Prioritätstag (27.06.2007) gegebenen Erkenntnislage kann – wie das Landgericht im Anschluss an die Beschwerdekammerentscheidung zutreffend entschieden hat – zwar nicht angenommen werden, dass dem Fachmann die technische Lehre des Verfügungspatents bereits neuheitsschädlich, nämlich unmittelbar und eindeutig, offenbart gewesen ist. Nachdem die Erfindung – zweckgebunden – darin besteht, den B-Wirkstoff oral in einer Tagesdosis von 0,5 mg zur Behandlung von RRMS einzusetzen, und mit den im Stand der Technik angekündigten klinischen Tests der Phase III erst Gewissheit darüber herbeigeführt werden sollte, ob das zusätzlich zu untersuchende Dosierungsschema den in Betracht gezogenen Therapieerfolg überhaupt zeitigen kann, gehörte es am Prioritätstag gerade nicht zum Wissen der Fachwelt, dass sich die RRMS mit einer oralen Tagesdosis B von 0,5 mg erfolgversprechend behandeln lässt. - c)
Die veröffentlichten Resultate der Phase-II-Studie haben für den Fachmann – vorbehaltlich besonderer Umstände dazu später unter d) – jedoch prinzipiell einen hinreichenden Anlass gegeben, der Frage nachzugehen, ob sich nicht eine geringere als diejenige oral zu verabreichende Tagesdosis von 1,25 mg B, die sich bereits in der Phase-II-Studie als therapeutisch wirksam erwiesen hat, zur Behandlung von RRMS eignet. - aa)
Der grundsätzliche Anlass für die Suche nach einer geringeren als der bereits erfolgreich untersuchten Dosierung erklärt sich bereits daraus, dass zwischen der Wirkstoffmenge und etwaigen Nebenwirkungen ihrer Verabreichung im Allgemeinen ein naheliegender Zusammenhang dergestalt besteht, dass mit einer größeren Wirkstoffdosis vielfach auch stärkere und/oder umfassendere Nebenwirkungen verbunden sind, so dass die fachmännische Überlegung nahegelegt ist, die unerwünschten Nebenwirkungen durch eine geringere (aber therapeutisch dennoch oder genauso nützliche) Wirkstoffdosis günstig zu beeinflussen (Senat, GRUR-RS 2023, 5166 – Fumarsäureester). Dass sich schon die 1,25 mg-Tagesdosis in der Phase-II-Studie als nur mit geringen Nebenwirkungen versehen herausgestellt hat, beseitigt die besagte Motivation nicht, weil die vergleichende Betrachtung des Nebenwirkungsprofils der 5 mg-Dosis für den Fachmann die Erwartung rechtfertigt, dass sich mit einer weiteren Absenkung der Dosierung auf einen Wert von unter 1,25 mg auch die verbliebenen (schon geringen) Nebenwirkungen weiter reduzieren und voraussichtlich vollständig erledigen. Im Bereich der MS-Behandlung kommt dem beachtliches Gewicht zu, weil von einer RRMS-Erkrankung betroffene Patienten Medikamente über außerordentlich lange Zeiträume, gegebenenfalls sogar Jahrzehnte, bis zu ihrem Lebensende einzunehmen haben (Senat, GRUR-RS 2023, 5166 – Fumarsäureester), womit sich zugleich weitere Vorteile einer geringeren Wirkstoffdosierung jenseits einer minimalen bzw. vollständig fehlenden Nebenwirkung für unzählige betroffene RRMS-Patienten offenbaren. Sie liegen – wie im Verhandlungstermin erörtert – darin, dass ein Patient als Folge einer spürbar verringerten Wirkstoffmenge weniger Medikamente am Tag einzunehmen hätte (was die Medikation unter den Bedingungen des Alltags im Zweifel erleichtert), und dass er auch mit Blick auf die stattfindende Verstoffwechselung des Medikaments von einer geringeren Dosis profitieren kann. - bb)
Dank der Phase-II-Studie war zwar die Wirksamkeit einer B-Tagesdosis von 1,25 mg belegt; es bestanden darüber hinaus jedoch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass mit dieser Menge – zufällig – die geringste signifikant wirksame Dosierung von B gefunden war. Vielmehr bestand für das Gegenteil eine gewisse Erfolgserwartung allein deshalb, weil es sich um einen wirklichen Glücksgriff gehandelt hätte, wenn mit der minimal getesteten Tagesdosis von 1,25 mg B zufälligerweise die erste und niedrigste therapeutisch wirksame Dosis aufgetan worden wäre. Technisch-wissenschaftlich betrachtet bestand daher erheblicher Grund zu der Annahme, dass mit der Studie die Wirksamkeitsgrenze ggf. noch nicht ermittelt war, sondern diese weiter ihrer Aufklärung harrte (Senat, GRUR-RS 2023, 5166 – Fumarsäureester). In diesem Zusammenhang geht es nicht darum, eine weitere Dosierung in eine außerordentlich umfangreiche, langwierige und kostspielige Studie der Phase III aufzunehmen, sondern sich z.B. in einer kostengünstigeren Phase II -Studie Gewissheit darüber zu verschaffen, ob und welche Wirkstoffdosis unterhalb von 1,25 mg therapeutisch zielführend und für den Patienten weniger belastend ist (Senat, GRUR-RS 2023, 5166 – Fumarsäureester). Daran ändert nichts, dass – wie die Verfügungsklägerin im Verhandlungstermin herausgestellt hat – die möglichst baldige Zulassung und Bereitstellung einer wirksamen B-Therapie für RRMS-Patienten ein wichtiges Anliegen war, welches es vordringlich gemacht habe, die klinischen Studien in der nächsten Phase fortzusetzen, anstatt mit einer neuen Dosierung in der Phase II zu verharren. Abgesehen davon, dass beide Maßnahmen sich nicht gegenseitig ausschließen, sondern selbst von demselben Unternehmen sinnvoll nebeneinander durchgeführt werden können, kommt es für die rechtliche Beurteilung nicht auf die spezifischen Belange der Verfügungsklägerin an, die bereits die 1,25 mg-Tagesdosis in einer Phase-II-Studie erfolgreich erprobt hatte und sich in einer klinischen Versuchsreihe befand, sondern auf dasjenige, was für irgendeinen Fachmann eine mögliche Handlungsoption gewesen wäre. Ihm hätten alle denkbaren Aufklärungsmöglichkeiten zur Verfügung gestanden, die Erkenntnisse über die therapeutische Wirksamkeit einer geringeren B-Dosis hätten hervorbringen können. - Es mit einer 0,5 mg-Dosis zu versuchen, lag für den Fachmann vorliegend umso näher, als die diversen Berichte über die Ergebnisse der Phase-II-Studie an RRMS-Patienten (Anlagen FBD 14, 15, 22) schlussfolgernd selbst – sogar für die nachfolgende, kostenintensive Phase-III-Studie mit 1.000 (!) Probanden – ankündigen, in diese eine B-Tagesdosis von 0,5 mg aufzunehmen, dem Fachmann also ausdrücklich denjenigen Weg weisen, der sich ihm schon aus allgemeinen pharmazeutischen Überlegungen erschlossen hat.
- d)
Für die Frage des Naheliegens kommt es damit maßgeblich darauf an, ob es für den Fachmann mit dem Wissen des Prioritätstages verlässliche Hinweise darauf gegeben hat, dass sich eine B-Tagesdosis von lediglich 0,5 mg nicht als therapeutisch wirksam erweisen kann, so dass sich dahingehende Versuche (die grundsätzlich in Betracht zu ziehen gewesen wären) erübrigen. - aa)
Dazu genügt noch nicht das bloße Fehlen einer angemessenen Erfolgserwartung, weil in der Rechtsprechung des Europäischen Patentamts der „try and see“-Ansatz anerkannt ist. Er besagt, dass ein Mangel an angemessener Erfolgserwartung dann nicht zur Bejahung einer erfinderischen Tätigkeit führt, wenn der Fachmann es angesichts der Umstände des Einzelfalles vorziehen würde zu prüfen, ob die von ihm ersonnene mögliche Lösung funktioniert, statt das Projekt von vornherein mit der Überlegung aufzugeben, dass sein Erfolg nicht sicher ist (Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA, a.a.O., Abschnitt I. D. 7.2 „try and see“-Situation unter Verweis u.a. auf T 333/97, T 377/95 vom 24. April 2001, T 1045/98, T 1396/06, T 2168/11). In Anbetracht dessen bedarf es zur Bejahung einer erfinderischen Tätigkeit also einer Situation, in der dem Fachmann der Versuch als zwecklos erscheinen muss. - bb)
Die Technische Beschwerdekammer des EPA hat dies – ohne allerdings die „try and see“-Problematik ausdrücklich anzusprechen – angenommen, weil der Stand der Technik dem Fachmann die Erkenntnis vermittelt habe, dass zur wirksamen Behandlung von RRMS mindestens 70 % der in den Lymphknoten zirkulierenden Lymphozyten beseitigt werden müssen und sich diese Rate mit einer B-Tagesdosis von (nur) 0,5 mg nicht erreichen lässt, weswegen der Wissensstand am Prioritätstag von der technischen Lehre des Verfügungspatents „weggelehrt“ habe. - (1)
Den erstgenannten Umstand, wonach für eine erfolgreiche therapeutische Behandlung von RRMS ein Schwellenwert für die Verringerung der Lymphozytenzahl um mindestens 70 % erforderlich ist, hat die Beschwerdekammer der Veröffentlichung von I et al. (Anlage FBD 16) entnommen. Die fachmännische Erkenntnis, dass sich der geforderte Lymphozyten-Reduzierungswert mit einer B-Tagesdosis von 0,5 mg nicht erreichen lässt, hat die Beschwerdekammer durch die Veröffentlichungen von J et al. (Anlage FBD 17) und K et al. (Anlage FBD 18) in Verbindung mit der Schrift von L begründet gesehen. - (2)
Bei ihrer diesbezüglichen Annahme hat die Beschwerdekammer nicht übersehen, sondern ausdrücklich gewürdigt, dass die Initiatoren der Phase-II-Studie die aufgezeigten Zweifel an dem potenziellen therapeutischen Nutzen einer 0,5 mg-Tagesdosis offenbar nicht umgetrieben haben, weil sie für die – sogar deutlich umfangreichere und kostspieligere – Phase-III-Studie mit insgesamt 1.000 Probanden die Aufnahme einer genau solchen Tagesdosis (von 0,5 mg B) bedenkenlos angekündigt haben. - (a)
Nichtsdestotrotz begründet das tatsächliche Design der Phase-III-Studie ein ganz wichtiges Indiz für die damalige Sicht des Fachmanns zur Sinnhaftigkeit der geplanten Erweiterung des Studiendesigns, weil auch die Leiter einer pharmazeutischen Studie technisch sachkundig sind, Pharmaunternehmen, die solche Studien in Auftrag geben und finanzieren, ihr Geld herkömmlicherweise nicht in absehbar aussichtslose „Forschung“ investieren, und die medizinische Versorgung von an RRMS erkrankten Patienten im Rahmen einer Phase-III-Studie mit einer Dosierung (von 0,5 mg), die – anders als die bereits als therapeutisch wirksam bestätigte Tagesdosis von 1,25 mg – ersichtlich nichts auszurichten vermag, ethisch nicht zu vertreten wäre, wenn sie – wie hier – zusätzlich zu einer für die Studie ohnehin vorgesehenen Placebo-Gruppe erfolgen soll. - Eine Indizwirkung besteht unter den besagten Umständen umso mehr, als die von der Verfügungsklägerin vorgenommene, nach ihrer jetzigen Argumentation therapeutisch vorhersehbar sinnlose Erweiterung der in der Studie zu untersuchenden Tagesdosen um eine solche von 0,5 mg ohne jede Problemdiskussion (die vom technischen Standpunkt der Beschwerdekammer an sich zu erwarten gewesen wäre) und damit wie selbstverständlich unternommen worden ist.
- (b)
Soweit sich die Verfügungsklägerin schriftsätzlich und im Verhandlungstermin darauf berufen hat, eine gegenüber der 1,25 mg-Tagesdosis um 60 % reduzierte Wirkstoffmenge von lediglich 0,5 mg sei zwar ohne jede therapeutische Erfolgsaussicht gewesen, jedoch zur Beschleunigung des behördlichen Zulassungsverfahrens für die 1,25 mg-Dosis aufgenommen worden, um das für die Arzneimittelzulassung bedeutsame Dosis-Wirkungs-Profil von B zu klären, bestehen für diese Motivationslage nach dem Akteninhalt keine tragfähigen Anhaltspunkte. - Zunächst schließt das eine – die Erleichterung der angestrebten Arzneimittelzulassung für eine sicher therapeutisch wirksame Dosierung von 1,25 mg – das andere – die Gewinnung neuer Erkenntnisse über die etwaige therapeutische Nützlichkeit einer (auch deutlich) herabgesetzten Tagesdosis von 0,5 mg – keineswegs aus. Ausweislich der von der Verfügungsklägerin selbst angeführten Leitlinien der US-amerikanischen Arzneimittelzulassungsbehörde dienen Phase-III-Studien nämlich nicht nur dazu, die Erkenntnisse der vorausgegangenen Studien in Bezug auf Wirksamkeit und Unbedenklichkeit auf einer breiteren Datenbasis zu bestätigen, sondern können daneben den zusätzlichen Zweck verfolgen, die Dosis-Wirkungs-Beziehung weiter aufzuklären oder zu erforschen, ob ein Behandlungspotenzial für weitere Bevölkerungsgruppen, andere Krankheitsstadien oder im Zusammenwirken mit anderen Medikamenten besteht. Selbst wenn es deshalb seinerzeit bei den Studien der Phase III tatsächlich vordringlich um eine rasche Arzneimittelzulassung für die 1,25 mg-Tagesdosis gegangen sein sollte (wofür objektive Anhaltspunkte – wie Schriftwechsel mit der Zulassungsbehörde, authentische interne Aktenvermerke oder dergleichen – nicht beigebracht sind), räumt dies den weiteren sinnhaften Zweck nicht aus, mit Aufnahme der 0,5 mg-Dosierung in die Studie eine weitere Anwendung zur therapeutischen Behandlung von RRMS aufzudecken.
- Hinzu kommt, dass es – wie bereits ausgeführt – ethisch unverantwortlich wäre, innerhalb einer Phase-III-Studie – neben der ohnehin vorgesehenen Placebo-Gruppe – weitere hunderte erkrankte Patienten mit einer Wirkstoffdosis zu versorgen, von der – wie die Verfügungsklägerin im Verhandlungstermin behauptet hat – sicher bekannt war, dass sie therapeutisch nichts auszurichten vermag und die deshalb dem alleinigen Zweck gedient haben soll, für die Zulassungsbehörde einen Fehlschlag zu dokumentieren. Eine solche Motivationslage hat auch deshalb auszuscheiden, weil sich sinnhafte Erkenntnisse zur Dosis-Wirkungs-Beziehung eines Medikaments nicht gewinnen lassen, wenn eine sicher absehbar wirkungslose Dosis getestet wird, sondern nur dann denkbar sind, wenn eine solche niedrigere Dosierung gewählt wird, dass sich mit ihr die Aussicht und Chance auf einen therapeutischen Nutzen verbindet. Denn nur unter dieser Voraussetzung kann der Zulassungsbehörde nachgewiesen werden, dass die für die Zulassung in Aussicht genommene (höhere) Wirkstoffdosis (hier: 1,25 mg) therapeutisch notwendig und dem Patienten deshalb auch zuzumuten ist. Um zu diesem Zweck auszuschließen, dass sich ein therapeutischer Nutzen auch unterhalb der für die Zulassung vorgesehenen Wirkstoffmenge einstellt, ist es geradezu unverzichtbar, einen (oder ggf. sogar mehrere) Dosierung(en) zu testen, von der/denen der Fachmann noch berechtigterweise eine therapeutische Wirksamkeit erwarten kann, weil nur so plausibel ist, dass mit der für die Zulassung vorgesehenen Menge (hier: 1,25 mg) tatsächlich diejenige Wirkstoffdosis gefunden ist, derer es zur Behandlung bedarf. Die Dosis von 0,5 mg hält so gesehen zwar einen deutlichen Abstand von der in der Studie II erfolgreich getesteten 1,25 mg-Dosis. Der Fachmann wird daraus – mangels irgendeiner anderen sinnvollen Erklärung, die stattdessen in Betracht kommen könnte – jedoch gleichwohl den Schluss ziehen, dass sich mit der fraglichen Dosis eine berechtigte Erfolgserwartung verbindet, die es sinnhaft macht, die 0,5 mg-Dosis (ohne weitere Zwischendosierungen von z.B. 0,75 mg, 1 mg) zur Klärung der Frage in die Phase-III-Studie aufzunehmen, ob nicht eine Dosis unterhalb von 1,25 mg von therapeutischem Nutzen ist.
- (c)
Der tatsächliche Ausbau des Studiendesigns, das die Tagesdosis von 0,5 mg einbezieht, repräsentiert gleichwohl nur ein (wenn auch schwergewichtiges) Indiz, womit es für die Einschätzung des Rechtsbestandes, der dem Verfügungspatent vom Senat zu attestieren ist, schlussendlich darauf ankommen muss, ob sich bei einer notwendigerweise laienhaften technischen Beurteilung der Verhältnisse, die einem Verletzungsgericht ohne einen technischen Sachverständigen allein möglich ist, derartige Bedenken an der Argumentation der Beschwerdekammer ergeben, dass der Erlass einer Unterlassungsverfügung auch unter der sich aus Art. 50 Abs. 1 TRIPS und Art. 9 Abs. 1 Enforcement-RL ergebenden Verpflichtung der Gerichte zu einer wirkungsvollen vorläufigen Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums nicht verantwortet werden kann. - Dabei ist im Blick zu behalten, dass das Verfügungspatent zwar nur dann widerrufen werden kann, wenn sich ein gesetzlicher Widerrufsgrund zur Überzeugung der zuständigen Rechtsbestandsinstanz (welche innerhalb des europäischen Instanzenzuges voraussichtlich die Technische Beschwerdekammer des EPA sein wird) positiv feststellen lässt, so dass verbleibende Zweifel, die dazu führen, dass die Frage der Erfindungshöhe ungeklärt bleibt, zugunsten des Patentinhabers und seines Verfügungspatents gehen, dass allerdings dann, wenn – wie hier – grundsätzlich von einem Naheliegen der Erfindung auszugehen ist, weil der Fachmann prinzipiell Anlass für die Suche nach einer geringeren therapeutisch wirksamen Dosis hatte, und dieser Anlass ausnahmsweise deshalb nicht bestehen soll, weil der Stand der Technik dem Fachmann die Zwecklosigkeit eines solchen Unterfangens vermittelt haben soll, die Darlegungs- und Beweislast hierfür beim Patentinhaber liegt.
- bb)
Das Berufungsvorbringen zeigt neue, bei der Erteilungsentscheidung noch nicht berücksichtigte Umstände auf, die die Überlegungen der Beschwerdekammer als nicht mehr vertretbar erscheinen und stattdessen den Widerruf des Verfügungspatents erwarten lassen. Sie belegen, dass am Prioritätstag eine begründete Aussicht bestanden hat, dass sich eine orale B-Tagesdosis von deutlich weniger als 1,25 mg als therapeutisch nützlich erweisen kann, so dass sich die angekündigten klinischen Studien der Phase III mit einer Dosis von 0,5 mg aus fachmännischer Sicht nicht nur als ein Unternehmen darstellen, das in der aussichtslosen Hoffnung auf einen Erfolg unternommen wird, sondern als ein Versuch, der zwar nicht mit einer Erfolgsgarantie, wohl aber mit einer realistischen Aussicht auf Erfolg verknüpft ist. - Bei den neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen handelt sich um die Ergebnisse einer von dem Unternehmensverbund der Verfügungsklägerin finanzierten Studie, über die M et al. (Anlage TW 18 im Verfahren I-2 U 49/23) in einer Fachveröffentlichung aus dem Jahr 2005 berichten. Das Dokument ist gegenüber der von der Beschwerdekammer für die angeblich erforderliche Lymphozyten-Verlustrate von mindestens 70 % herangezogenen Schrift von I et al. aus dem Jahr 2004 (Anlage FBD 16) aktuelleren Veröffentlichungsdatums und ihr Inhalt kann eine plausible Erklärung dafür liefern, wieso die Verfügungsklägerin nach dem Verlauf der Phase-II-Studie mit oralen B-Tagesdosen von 1,25 mg und 5 mg in die anstehende Phase-III-Studie kurzerhand und ohne weitere Diskussion eine Tagesdosis von 0,5 mg als aussichtsreiche Alternative aufgenommen hat.
- (1)
Die von der Beschwerdekammer herangezogene Druckschrift von I et al. stützt sich auf experimentelle Modelluntersuchungen, die mit B (F) an SJL-Mäusen mit einer etablierten schubförmig remittierenden Autoimmunenzephalitis (EAE) durchgeführt worden sind. Ohne dazu detaillierte Untersuchungsresultate z.B. in Tabellenform oder grafisch aufbereitet zu dokumentieren, halten die Autoren folgende für den Streitfall relevanten Erkenntnisse fest (Anm.: Unterstreichungen hinzugefügt): - „Ursprünglich ging man davon aus, dass … eine Wirkung der In-vivo-Behandlung mit F (…) eine tiefgreifende Lymphopenie im peripheren Blut ist, wobei die Zahl der Lymphozyten bei therapeutischen Dosen des Wirkstoffs auf 5 – 10 % der Kontrollwerte fällt. … Es scheint nun, dass zumindest einer der Mechanismen, durch den F seine Wirkungen in vivo erzielt, in der Sequestrierung von zirkulierenden Lymphozyten in den peripheren Lymphknoten besteht (…).“
- „Wie bereits berichtet, wurde bei der Behandlung mit F … eine dosisabhängige und reversible Lymphopenie beobachtet. Diese erreichte bei den höchsten verwendeten Dosen einen maximalen Abbau von etwa 70 – 80 %.“
- „In Dosis-Wirkungs-Experimenten stellten wir fest, dass ein Schwellenwert von etwa 70 % der peripheren Lymphozyten erforderlich war, um eine Wirkung zu erzielen, und dass die Dosis-Wirkungs-Beziehung zwischen klinischem Nutzen und Lymphopenie sehr steil war. Trotz dieser Beobachtungen haben wir einen unterbrochenen Zusammenhang zwischen der Lymphopenie und den klinischen Ergebnissen festgestellt. … Zu Beginn der Verabreichung an kranke Tiere konnten wir eine rasche klinische Besserung feststellen, die noch vor dem Auftreten eines erheblichen Maßes an Lymphopenie eintrat. Nach Absetzen des Präparates kam es zu einer Verzögerung von 1 – 2 Tagen, bevor sich die klinischen Symptome zu verstärken begannen. … Die Korrelation zwischen Lymphopenie und klinischer Wirksamkeit ist daher unvollkommen, und obwohl die Lymphopenie ein Biomarker ist, der mit der klinischen Wirksamkeit korreliert und möglicherweise ein Mechanismus ist, der zu dieser Wirksamkeit beiträgt, können auch andere Mechanismen an der Erzielung des allgemeinen therapeutischen Nutzens beteiligt sein, der in Modellen für Transplantation und Autoimmunerkrankungen beobachtet wurde.“
- Obwohl I et al. selbst darauf hinweisen, dass der Zusammenhang zwischen der Reduzierung der Lymphozytenzahl im peripheren Blut und der therapeutischen Wirksamkeit von B kein absolut strikter ist, befasst sich die Beschwerdekammerentscheidung mit eben dieser Einschränkung und den Folgen für die Erfolgserwartung des Fachmanns im Hinblick auf eine geringere als die Maximaldosierung nicht.
- Im Zusammenhang mit der Erörterung der Erfindungshöhe (Abschnitt 7.10) stellt die Beschwerdekammerentscheidung lediglich apodiktisch fest, dass der Stand der Technik nach I et al., J et al., K et al. und L dem Fachmann die Erkenntnis vermittelt habe, dass sich mit einer oralen B-Tagesdosis von 0,5 mg die erforderliche Lymphopenie (Lymphozytenverlust von mindestens 70 %) nicht erreichen lässt. Auf den näheren Inhalt der Schriften wird dabei nicht eingegangen; stattdessen verweist die Entscheidung zur Begründung auf die vorausgehenden Abschnitte 5.4 (b) bis 5.4 (d), die sich allerdings lediglich mit der Frage befassen, ob der Stand der Technik für den Fachmann plausibel gemacht hat, dass eine orale B-Tagesdosis von 0,5 mg bei der Behandlung von RRMS therapeutisch wirksam sein kann, so dass sich die Plausibilität eines therapeutischen Nutzens nicht aus der Patentanmeldung selbst erschließen muss. Es stellt jedoch zwei grundlegend verschiedene Dinge dar, ob der Stand der Technik für den Fachmann glaubhaft macht, dass ein bestimmtes Dosierungsschema therapeutisch wirksam sein kann, oder ob sich aus demselben Stand der Technik für ihn die Botschaft ergibt, dass ein bestimmtes Dosierungsschema therapeutisch mit solcher Gewissheit zum Scheitern verurteilt ist, dass sinnvollerweise nicht einmal der Versuch unternommen zu werden braucht.
- Ähnliche Begründungsdefizite bestehen im Hinblick auf die weiteren von der Beschwerdekammerentscheidung abgehandelten Schriften von J et al. und K et al..
- (2)
J et al. berichten über 23 nierentransplantierte Patienten, denen B (F) in oralen Tagesdosen von 0,25 mg, 0,5 mg, 1 mg und 2,5 mg verabreicht worden ist und bei denen sich gezeigt hat, dass „F einen dosisabhängigen Anstieg der mittleren prozentualen Verringerung der peripheren Lymphozytenzahlen bewirkt (…).“ Weiter heißt es (Anm.: Unterstreichung hinzugefügt): - „Bei Verwendung der Lymphopenie als F-PD-Surrogatmarker sind hohe prozentuale Reduzierungen (ca. 80 %) der peripheren Lymphozyten erforderlich, um die beste Wirksamkeit zur Verhinderung der akuten Abstoßung von Transplantaten zu erzielen.“
- Die nachfolgend eingeblendete Fig. 7A der Veröffentlichung zeigt die Lymphozytenreduktion (in %) in Abhängigkeit von der verabreichten B-Dosis.
- Die Detailauswertung zeigt, dass der mutmaßliche Schwellenwert von 70 % Lymphozytenreduktion bei einer B-Tagesdosis von etwa 1,7 mg erreicht wird, während die Lymphozyten-Verlustrate bei einer durch die Phase-II-Studie als therapeutisch wirksam bestätigten Dosis von 1,25 mg B gerade nicht bei mindestens 70 %, sondern bei nur etwas mehr als 60 % liegt. Eine Dosis von 0,5 mg zeigt immerhin noch eine Lymphozytenreduktion von etwa 45 %.
- Die Beschwerdekammer erläutert nicht, wieso sich aus dieser Offenbarung – der dosisabhängigen Verlustrate an Lymphozyten und der Feststellung, dass sich bei einer Verlustrate von etwa 80 % der optimale („beste“) therapeutische Effekt einstellt – ergeben soll, dass sich unterhalb eines Lymphozytenverlustes von 70 % und deshalb auch bei einer Verlustrate von z.B. 45 % kein brauchbarer klinischer Nutzen bei der Behandlung von RRMS mehr einstellen kann. Dessen hätte es vor allem deshalb bedurft, weil die eigene Phase-II-Studie der Verfügungsklägerin die Wirksamkeit einer 1,25 mg-Dosis ergeben hat und nach den Untersuchungsbefunden von J et al. für diese (therapeutisch wirksame) Dosis der angeblich notwendige Schwellenwert eines Lymphozytenverlustes von 70 % nicht erreicht, sondern um Einiges verfehlt wird.
- (3)
Die Veröffentlichung von K et al. beschreibt schließlich eine Phase-I-Studie ebenfalls mit – insgesamt 61 – nierentransplantierten Patienten, die über die Dauer von 28 Tagen orale B-Tagesdosen von 0,125 mg, 0,25 mg, 0,5 mg, 1,0 mg, 2,5 mg oder 5 mg erhalten haben. Aus der nachfolgenden Grafik - schließen die Autoren, dass „F-Dosen von mehr oder gleich 1,0 mg/Tag zu einer signifikanten Verringerung der Lymphozytenzahl im peripheren Blut um bis zu 85 % führten, die sich innerhalb von 3 Tagen nach Absetzen der Studienmedikation umkehrte.“ Weiter heißt es:
- „Pharmakokinetische Messungen ergaben, dass F über einen weiten Bereich lineare Beziehungen zwischen Dosen und Konzentrationen aufweist …“.
- Die eingeblendete Abbildung bestätigt eindrucksvoll den Befund aus der Studie von J et al., dass sich bei einer B-Tagesdosis von 0,5 mg (offene Dreiecke) eine Lymphozytenreduktion zwischen 40 und 50 % einstellt.
- Nimmt man die bisher diskutierten Schriften zusammen, so vermag der Senat schon nicht zu erkennen, woraus sich am Prioritätstag genau mit der gebotenen Verlässlichkeit ergeben haben soll, dass eine orale B-Tagesdosis von 0,5 mg für eine sinnvolle RRMS-Behandlung untauglich ist.
- (4)
Für diese Annahme ist jedenfalls aber kein Raum mehr, wenn die Veröffentlichung von M et al. in Betracht gezogen wird, die der Beschwerdekammer noch nicht vorgelegen hat. - Ihr kommt schon deshalb ein ganz besonderes Gewicht bei, weil es sich um die Auswertung einer umfangreichen Phase-II-Dosisfindungsstudie handelt, bei der 167 nierentransplantierte Patienten über 3 Monate hinweg mit F in einer Dosis von 0,25 mg, 0,5 mg, 1,0 mg oder 2,5 mg behandelt wurden. Da die Behandlungsgruppen der Studie (0,25 mg: 43; 0,5 mg: 43; 1,0 mg: 40; 2,5 mg: 41) – bei gleichzeitig mehrmonatiger Behandlungsdauer – bedeutend größer waren als die der übrigen Studien, auf die sich die Beschwerdekammer stützt, ist es wegen der breiten Datenbasis nicht – wie bei klein angelegten Studien – erforderlich, nominelle Unterschiede zwischen den Gruppen mit Vorsicht zu interpretieren.
- Als Resultat der durchgeführten Untersuchungen hält die Schrift von M et al. fest:
- „Die immunsuppressive Wirksamkeit von Anti-Lymphozyten-Wirkstoffen ist bekannt; die Wirkungsweise von F unterscheidet sich jedoch in vielerlei Hinsicht. Der scheinbare Rückgang der peripheren Lymphozyten mit F steht nicht im Zusammenhang mit dem Absterben von Lymphozyten, sondern mit einer verstärkten Sequestrierung beim Homing zu den Lymphknoten und Peyer`schen Flecken, wo die Zellen voll aktiv sind und auf Immunstimuli reagieren. Nach der Verabreichung von F spiegelt die rasche Wiederherstellung einer normalen Lymphozytenzahl die Pharmakologie des Medikaments wider, und die Erholung aller Lymphozyten-Untergruppen ist ebenfalls vollständig.
…
Obwohl die Verarmung der peripheren Lymphozyten eine notwendige Voraussetzung für die Wirksamkeit von F zu sein scheint, deuten diese Ergebnisse darauf hin, dass die immunmodulierende Wirkung von F nicht ausschließlich durch seine pharmakodynamische Wirkung auf die zirkulierenden Lymphozyten vermittelt wird.“ - In den anschließenden Schlussfolgerungen heißt es weiter (Anm.: Unterstreichung hinzugefügt):
- „F ist der erste S1P-R-Agonist, der in präklinischen Modellen das Homing von Lymphozyten moduliert und die Abstoßung von Allotransplantaten verhindert. Bei Empfängern von de novo-Nierentransplantaten konnte in dieser Studie nachgewiesen werden, dass dieses neuartige Medikament in einer Dosis von 1,0 oder 2,5 mg/Tag in Kombination mit einer Standarddosis von CsA eine gleichwertige Wirksamkeit wie eine MMF-basierte Therapie zur Verhinderung einer akuten Abstoßung aufweist. … Der Trend zu einer verbesserten Abstoßungsprophylaxe bei Patienten, die mit F in einer Dosierung von 2,5 mg/Tag behandelt wurden, ohne dass sich das Risiko von Infektionen oder Nebenwirkungen erhöhte, deutet darauf hin, dass von den in dieser Studie untersuchten Dosierungen F in einer Dosierung von 2,5 mg/Tag das beste Verhältnis zwischen Sicherheit und Wirksamkeit bietet.“
- Mit dem letzten Satz ist eindeutig nicht gesagt, dass alle anderen untersuchten Dosierungen als diejenige von 2,5 mg therapeutisch wirkungslos sind. Mit Blick auf die Tagesdosis von 1 mg ergibt sich dies schon aus ihrer ausdrücklich empfehlenden Erwähnung im weiter oben zitierten Text. Soweit es die noch niedrigeren Dosierungen von 0,25 mg und 0,5 mg betrifft, verhält sich die Veröffentlichung zu ihnen lediglich mit dem Hinweis, dass die „Wirksamkeitsparameter von F in einer Dosis von 1,0 und 2,5 mg im Vergleich zu 0,25 und 0,5 mg darauf hindeuten, dass die Wirksamkeit dosisabhängig ist“, womit ebenfalls nicht gesagt ist, dass es den betreffenden niedrigen Dosierungen gesichert an einer therapeutischen Wirkung fehlt. Um der offen gehaltenen Bemerkung in Richtung auf die Wirksamkeit und ihrer tatsächlichen Abhängigkeit von der B-Dosis Näheres zu entnehmen, wird der Fachmann deshalb die – nachstehend eingeblendete – Abbildung 2 der Schrift zurate ziehen, die sich für alle untersuchten Dosierungsschemata zu der mittleren Veränderung der absoluten Lymphozytenzahl verhält.
- Vergleicht der Fachmann die Verlustrate für die in der Schrift ausdrücklich empfohlene 1,0 mg-Dosierung (Dreiecke) mit der für die 0,5 mg-Dosierung verzeichneten Verlustrate (Kreise), so stellt er fest, dass die Werte nicht signifikant voneinander abweichen. Dabei spielt es keine Rolle, dass die Grafik die absoluten Lymphozytenverluste wiedergibt, weil ungeachtet der gewählten Darstellungsweise eine repräsentative Aussage dazu möglich bleibt, in welchem – ungefähr gleichen oder ganz verschiedenen – Ausmaß sich unter der Therapie mit bestimmten B-Dosen eine Lymphopenie eingestellt hat. Insoweit lässt Abbildung 2 erkennen, dass zwar die 0,25 mg-Dosis in der Verlustrate (Raute) deutlich schlechter abschneidet als alle anderen, dass dies auf die 0,5 mg-Dosis im Vergleich zur 1,0 mg-Dosis jedoch nicht zutrifft. Schon deshalb ist nicht ersichtlich, wieso es für den Fachmann als aussichtslos erschienen sein soll, es mit einer B-Dosis von 0,5 mg wenigstens zu versuchen.
- Das gilt ganz besonders vor dem Hintergrund der Tatsache, dass M et al. mit der von ihnen durchgeführten umfangreichen Studie den bereits von I et al. thematisierten Fehlschluss untermauert haben, dass der Wirkmechanismus von B nicht – wie in der Fachwelt angenommen und auch von der Beschwerdekammerentscheidung zugrunde gelegt – maßgeblich auf dem Verlust von Lymphozyten beruht, sondern dass daneben noch andere Kausalitäten in Betracht zu ziehen sind. Solange aber – wie dies für den Prioritätstag zutrifft – die wirklichen Zusammenhänge hinter dem klinischen Nutzen von B nicht zuverlässig geklärt und bekannt waren, konnte die Tatsache, dass sich mit einer oralen B-Tagesdosis von 0,5 mg ggf. kein Lymphozytenverlust von mindestens 70 % erzielen lässt, nicht zu dem gesicherten Schluss führen, dass eine Tagesdosis von 0,5 mg für die RRMS-Behandlung aussichtslos ist. Denn der Fachmann musste als ernstzunehmende Möglichkeit in Rechnung stellen, dass die Verlustrate an Lymphozyten nur eine von mehreren Ursachen für die therapeutische Wirksamkeit von B ist und dass der damals noch nicht vollständig aufgedeckte tatsächliche Wirkmechanismus ein solcher ist, der auch bei einer Dosis von 0,5 mg zum Tragen kommt.
- Gestützt wurde diese Möglichkeit durch die Ergebnisse der von der Verfügungsklägerin selbst durchgeführten Phase-II-Studie, die ergeben hatte, dass sich – wie oben (S. 16) zitiert – die B-Dosen von 1,25 mg und 5 mg bei der therapeutischen RRMS-Behandlung als gleich wirksam herausgestellt hatten, was entweder die Annahme einer linearen Dosisabhängigkeit der Wirksamkeit von B infrage stellen konnte oder aber zu der Schlussfolgerung führen musste, dass mit der 1,25 mg Dosis oder – was durch nichts ausgeräumt war – mit einer noch geringeren Dosis bereits ein maximales Aktivitätsplateau erreicht war, von dem ab eine weitere Wirkstoffmenge keinen zusätzlichen therapeutischen Nutzen mehr mit sich bringt. Im letztgenannten Fall ist aber nicht ersichtlich, wieso eine Dosierung (ggf. auch deutlich) unterhalb von 1,25 mg verlässlich absehbar mit keiner sinnvollen klinischen Wirksamkeit mehr verbunden sein sollte.
- Dementsprechend empfiehlt auch E als einer der Studienautoren in einer Veröffentlichung vor dem Prioritätstag (Anlage FBD 26), die der Beschwerdekammer ebenfalls nicht vorgelegen hat, dass die mit der Phase-II-Studie zu Wirkstoffdosen von 1,25 mg und 5 mg erhobenen „Daten für die Erforschung potenziell niedrigerer Dosierungen von B in künftigen MS-Studien sprechen.“ Bei der Lektüre dieser Empfehlung ist dem Fachmann einsichtig, dass mit einer „niedrigeren Dosierung“ sinnvollerweise nur eine solche gemeint sein kann, die sich durch eine deutlich und nicht nur minimal geringere Wirkstoffmenge auszeichnet. Denn typischerweise ist nur unter dieser Vor-aussetzung ein spürbarer Rückgang der mit der Wirkstoffgabe verbundenen Nebenwirkungen und Stoffwechselaktivitäten und ein nennenswerter Komfortgewinn für den Patienten bei der Medikamenteneinnahme zu erwarten.
- (5)
Bei Berücksichtigung aller am Prioritätstag verfügbaren Erkenntnisquellen (die der Beschwerdekammer bei ihrer Entscheidung nicht vorgelegen haben) ist zusammenfassend festzustellen, dass beachtliche Zweifel daran bestanden, dass die Wirksamkeit von B tatsächlich auf einem Lymphozytenverlust von mindestens 70 % beruht, womit der genaue Wirkmechanismus für den Fachmann offen war. Der Versuch mit einer signifikant geringeren Wirkstoffdosis als 1,25 mg war infolgedessen zwar noch nicht mit irgendeiner Erfolgsgarantie verbunden; dessen bedarf es für ein Naheliegen aber auch nicht. Ausreichend ist vielmehr, dass die aufgedeckte Unklarheit über die Wirkungszusammenhänge für die Verwendung einer niedrigen B-Dosis die Chance auf einen therapeutischen Effekt begründet hat, die es einen Versuch wert gemacht hat. Nach der Lebenserfahrung spricht manches dafür, dass die Verfügungsklägerin die Sachlage in Kenntnis der von ihrem Konzern finanzierten Dosisfindungsstudie von M et al. und der dabei gewonnenen Erkenntnisse nicht anders als vorstehend geschildert beurteilt hat. Es liegt nahe, dass sie genau deswegen – erstens – keine Hindernisse dafür gesehen hat, es im Rahmen der anstehenden Phase-III-Studie mit einer B-Tagesdosis von 0,5 mg zu versuchen, und dabei – zweitens – in ihrer diesbezüglichen Ankündigung nicht einmal einen weiteren Erläuterungsbedarf für die in Aussicht genommene Ausweitung des Dosierungsschemas gesehen hat. - III.
- Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
- Eines Ausspruches zur vorläufigen Vollstreckbarkeit bedarf es nicht, weil das vorliegende Urteil als zweitinstanzliche Entscheidung im Verfahren der einstweiligen Verfügung keinem Rechtsmittel mehr unterliegt (§ 542 Abs. 2 S. 1 ZPO) und ohne besonderen Ausspruch endgültig vollstreckbar ist.