Düsseldorfer Entscheidungen Nr. 3287
Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 14. Februar 2023, Az. 4c O 68/21
- I. Die Beklagten werden verurteilt,
- 1. der Klägerin in einer vollständigen und geordneten Aufstellung in einer mittels EDV auswertbaren, elektronischer Form darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie (die Beklagten)
- medizinische Vorrichtungen zum Bewirken der Hämostase eines Blutgefäßes zur Verwendung durch ein Endoskop
- in der Zeit vom 1. November 2017 bis einschließlich zum 20. September 2022 in der Bundesrepublik Deutschland angeboten, in Verkehr gebracht und/oder gebraucht und/oder zu den genannten Zwecken eingeführt und/oder besessen haben,
- wobei die medizinische Vorrichtung aufweist: eine Klemme, wobei die Klemme mindestens zwei Klemmenschenkel hat; einen Steuerdraht, der mit der Klemme koppelbar ist, wobei der Steuerdraht reversibel betätigbar ist, um sowohl die mindestens zwei Klemmenschenkel zu öffnen als auch um die mindestens zwei Klemmenschenkel zu schließen, wobei der Steuerdraht von der Klemme abkoppelbar ist; eine axial steife Hülle, die den Steuerdraht umhüllt, wobei die Hülle imstande ist, eine erste Kraft zu übertragen, die einer zweiten Kraft des Steuerdrahts entgegenwirkt; eine Verriegelungshülse, wobei der Steuerdraht in proximaler Richtung gezogen werden kann, um die Klemme durch die Verriegelungshülse zu ziehen, wodurch die mindestens zwei Klemmenschenkel geschlossen werden; einen Halter, wobei der Halter mit der Verriegelungshülse lösbar gekoppelt ist; einen Handgriff, der mit der axial steifen Hülle gekoppelt ist; und ein Betätigungselement, das mit dem Steuerdraht gekoppelt ist, wobei der Steuerdraht durch das Betätigungselement in Eingriff nehmbar ist, um die mindestens zwei Klemmenschenkel zu öffnen, die mindestens zwei Klemmenschenkel zu schließen und den Steuerdraht von der Klemme abzukoppeln, wobei die Vorrichtung ferner eine Halterlösungsanordnung aufweist, wobei die Halterlösungsanordnung einen Eingriff mit dem Halter herstellen kann, um den Halter von der Verriegelungshülse abzukoppeln,
- und zwar unter Angabe
- a) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
b) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
c) der Menge der ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden;
wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen; - 2. der Klägerin durch ein vollständiges und geordnetes Verzeichnis in einer mittels EDV auswertbaren, elektronischen Form darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie (die Beklagten) die vorstehend in Ziffer I.1. bezeichneten Handlungen von dem 1. Dezember 2017 bis zum 20. September 2022 begangen haben, und zwar unter Angabe:
- a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer,
b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, im Falle von Internet-Werbung der Domain, den Zugriffszahlen und der Schaltungszeiträume, und bei direkter Werbung, wie Rundbriefen, der Namen und Anschriften der Empfänger,
d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
wobei den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht-gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten trägen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter nichtgewerblicher Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist; - 3. die oben unter Ziffer I.1. bezeichneten, bis zum 20. September 2022 in den Verkehr gelangten Erzeugnisse
- a) aus den Vertriebswegen zurückzurufen, indem diejenigen gewerblichen Abnehmer, denen durch die Beklagten oder mit ihrer Zustimmung Besitz an diesen Erzeugnisse eingeräumt wurde, ernsthaft, schriftlich und unter Hinweis darauf, dass das angerufene Gericht mit dem zu bezeichnenden Urteil auf eine Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents EP 3 XXX XXX erkannt hat, aufgefordert werden, die Erzeugnisse an sie zurückzugeben, wobei für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Rückzahlung des gegebenenfalls bereits gezahlten Kaufpreises und die Übernahme der durch die Rückgabe entstehenden Transport-, Versand- und Verpackungskosten, einschließlich etwaiger Zoll- und Lagerkosten, verbindlich zugesagt wird; und
b) endgültig aus den Vertriebswegen zu entfernen, wobei insbesondere die folgenden Maßnahmen zu ergreifen sind:
– die Beklagten haben alle möglichen und zumutbaren Maßnahmen zu ergreifen, um die Standorte und die Besitzer über die in Ziffer I.1. bezeichneten Erzeugnisse zu ermitteln;
– soweit die Beklagten selbst rechtliche oder tatsächliche Verfügungsgewalt über die in Ziffer I.1. bezeichneten Erzeugnisse inne haben, müssen die rechtlich zulässigen und zumutbaren Maßnahmen ergriffen werden, damit diese Erzeugnisse in den unmittelbaren Besitz der Beklagten gelangen und dort verbleiben;
– soweit die Beklagten weder rechtliche noch tatsächliche Verfügungsgewalt über die in Ziffer I.1. bezeichneten Erzeugnisse inne haben, müssen sie alle rechtlich zulässigen und zumutbaren Maßnahmen ergreifen, um die Personen, die Ansprüche auf Herausgabe oder Vernichtung gegen die Inhaber der Verfügungsgewalt der Erzeugnisse inne haben, zur Geltendmachung dieser Ansprüche zu veranlassen und/oder diese Personen bei der Geltendmachung dieser Ansprüche zu unterstützen; - 4. nur die Beklagten zu 1) und 2): die in der Bundesrepublik Deutschland bis zum 20. September 2022 in ihrem unmittelbaren und/oder mittelbaren Besitz und/oder Eigentum gelangten, oben unter Ziffer I.1. bezeichneten Erzeugnisse an einen von der Klägerin zu benennenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten herauszugeben.
- II. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, allen Schaden zu ersetzen, der der A Limited, XXX, XXX in der Zeit vom 1. Dezember 2017 bis zum 27. Oktober 2021 und der Klägerin in der Zeit von dem 28. Oktober 2021 bis zum 20. September 2022 durch die zu Ziffer I.1. bezeichneten Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
- III. Es wird festgestellt, dass sich der Rechtsstreit im Umfang des auf das Klagepatent gestützten Unterlassungsanspruchs in der Hauptsache erledigt hat.
- IV. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
- V. Die Kosten des Rechtsstreits werden den Beklagten auferlegt.
- VI. Das Urteil ist im Hinblick auf die Ziffern I.1., 4. und 5. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 700.000,-, im Hinblick auf die Ziffern I.2. und I.3. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 100.000,- und im Hinblick auf die Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
- VII. Der Streitwert wird auf EUR 1.000.000,- festgesetzt.
- Tatbestand
- Die Klägerin gehört zur US-amerikanischen A Gruppe, die schwerpunktmäßig auf dem Gebiet der Entwicklung, der Herstellung und des Vertriebs von Medizinprodukten tätig ist, insbesondere auch im Bereich der Endoskopie.
- Sie macht noch Ansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung, Rückruf, Entfernung aus den Vertriebswegen, Vernichtung sowie Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Schadensersatz aus dem deutschen Teil des europäischen Patents EP 3 XXX XXX B1 (Anlage VP 1, in deutscher Übersetzung als Anlage VP 1 Ü zur Akte gereicht; im Folgenden: Klagepatent) geltend, als dessen Inhaberin sie seit dem 28. Oktober 2021 im Patentregister eingetragen ist. Zuvor war die A Limited mit Sitz in XXX (XXXs) im Register als Inhaberin eingetragen. Das Klagepatent wurde unter Inanspruchnahme einer US-amerikanischen Priorität vom 5. Oktober 2001 (US XXX) am 20. September 2002 angemeldet und als Anmeldung am 25. Mai 2016 offengelegt wurde. Der Hinweis auf die Erteilung des Klagepatents wurde am 1. November 2017 veröffentlicht. Das Klagepatent ist zum 20. September 2022 wegen Zeitablaufs erloschen.
- Das Klagepatent war Gegenstand eines vor der Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts geführten Einspruchsverfahren, welches unter anderem von der B LLC, einen Unternehmen der Unternehmensgruppe der Beklagten initiiert worden war. Auf die mündliche Verhandlung vom 9. Dezember 2021 (vgl. Protokoll vorgelegt als Anlage VP 17) hat die Einspruchsabteilung das Klagepatent in der vorliegend geltend gemachten Fassung (vgl. Anlage VP 3) eingeschränkt aufrechterhalten (vgl. Entscheidungsgründe vorgelegt als Anlage VP 16). Über die gegen diese Entscheidung der Einspruchsabteilung seitens der Einsprechenden eingelegten Beschwerde (Az. T 2087/22) ist noch nicht entschieden.
- Das Klagepatent betrifft eine endoskopische Vorrichtung zur Verursachung von Hämostase. Der Anspruch 1 des – in englischer Sprache angemeldeten und erteilten – Klagepatents lautet in seiner aufrechterhaltenen Fassung in deutscher Übersetzung:
- „1. Medizinische Vorrichtung (100) zum Bewirken der Hämostase eines Blutgefäßes zur Verwendung durch ein Endoskop, wobei die medizinische Vorrichtung aufweist: eine Klemme (101), wobei die Klemme (101) mindestens zwei Klemmenschenkel (102, 103) hat; einen Steuerdraht (108), der mit der Klemme (101) koppelbar ist, wobei der Steuerdraht (108) reversibel betätigbar ist, um sowohl die mindestens zwei Klemmenschenkel (102, 103) zu öffnen als auch um die mindestens zwei Klemmenschenkel (102, 103) zu schließen, wobei der Steuerdraht (108) von der Klemme (101) abkoppelbar ist; eine axial steife Hülle (111), die den Steuerdraht (108) umhüllt, wobei die Hülle (111) imstande ist, eine erste Kraft zu übertragen, die einer zweiten Kraft des Steuerdrahts (108) entgegenwirkt; eine Verrieglungshülse (113), wobei der Steuerdraht (108) in proximaler Richtung gezogen werden kann, um die Klemme (101) durch die Verriegelungshülse (113) zu ziehen, wodurch die mindestens zwei Klemmenschenkel geschlossen werden; einen Halter (110), wobei der Halter mit der Verriegelungshülse (113) lösbar gekoppelt ist; einen Handgriff, der mit der axial steifen Hülle (111) gekoppelt ist; und ein Betätigungselement, das mit dem Steuerdraht (108) gekoppelt ist, wobei der Steuerdraht (106) durch das Betätigungselement in Eingriff nehmbar ist, um die mindestens zwei Klemmenschenkel (102, 103) zu öffnen, die mindestens zwei Klemmenschenkel (102, 103) zu schließen und den Steuerdraht (108) von der Klemme (101) abzukoppeln; dadurch gekennzeichnet, dass die Vorrichtung ferner aufweist: eine Halterlösungsanordnung (109), wobei die Halterlösungsanordnung (109) einen Eingriff mit dem Halter (110) herstellen kann, um den Halter (110) von der Verriegelungshülse (113) abzukoppeln.“
- Die nachstehend wiedergegebenen Figuren sind dem Klagepatent entnommen und erläutern dessen technische Lehre anhand eines bevorzugten Ausführungsbeispiels:
- Figur 1 zeigt eine anspruchsgemäße Klemme (Clip, 101) mit zwei Schenkeln (102 und 203), die im geöffneten Zustand mit dem Halter (110) verbunden ist. Figur 2 zeigt die Klemme mit Verriegelungshülse (113) im geschlossenen Zustand und noch bevor diese vom Rest der Vorrichtung gelöst wird. Nachfolgend wiedergegeben ist die Figur 1 mit seitens der Klägerin versehenen Einfärbungen und Erläuterungen (vgl. Anlage VP 5):
- Die Beklagten gehören zur international tätigen C Group, einem US-amerikanischen Unternehmen mit Sitz in XXX, das hauptsächlich medizinische Geräte herstellt (unter der Bezeichnung „C XXX“). Die Beklagte zu 1) betreibt das „C XXX XXX“ im nordrhein-westfälischen XXX, wo die Lagerhaltung und der Versand von mehreren C-Standorten in Europa zusammengefasst ist (vgl. Anlage VP 9). Die Beklagte zu 2) ist laut Homepage der Beklagten zu 3) die deutsche Distributionsgesellschaft und für den Verkauf in Deutschland zuständig (vgl. Anlage VP 9). Die Beklagte zu 3) stellt das europäische Hauptquartier der C XXX dar. Am Standort in XXX, XXX, werden etwa 10 % der C XXX Produkte für den weltweiten Markt produziert. Darüber hinaus betreibt die Beklagte zu 3) auch das „XXX“ und ein mit Produktentwicklung beschäftigtes „XXX“ (vgl. Anlage VP 9).
- Die Klägerin erwarb über ihre Prozessbevollmächtigten von den Beklagten in der Bundesrepublik Deutschland angebotene Gewebeklemmen mit der Bezeichnung „XXX“ (vgl. Ablichtung des erworbenen Produkts in der Umverpackung, vorgelegt als Anlage VP 6; nachfolgend: angegriffene Ausführungsform) (vgl. Rechnung vom 7. Dezember 2021, vorgelegt als Anlage VP 7). Als Anlagenkonvolut VP 12 hat die Klägerin zudem eine Reihe von Ablichtungen und selbst erstellte 3D-Modelle der angegriffenen Ausführungsform zur Akte gereicht und diese mit Anmerkungen versehen. Nachfolgende Ablichtungen sind der Anlage VP 12 entnommen:
- Die Klägerin hat die Beklagten aus dem Klagepatent bereits im Wege des einstweiligen Rechtschutzes in Anspruch genommen, wobei die Kammer den Beklagten mit Beschluss vom 3. Januar 2022 (Az. 4c O 62/21) den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform untersagte. Auf die seitens der Beklagten zu 1) und 2) gegen diesen Beschluss erhobenen Widerspruch bestätigte die Kammer die einstweilige Verfügung mit Urteil vom 12. April 2022 (Az. 4c O 62/21, Anlage VP 15). Auf die seitens der Beklagten zu 1) und 2) gegen diese Entscheidung zum OLG Düsseldorf eingelegte Berufung bestätigte das OLG Düsseldorf mit Urteil vom 27. Oktober 2022 (Az. I-15 U 58/22, Anlage B12) dem Grunde nach die Entscheidung des Landgerichts, wobei die Klägerin den Rechtsstreit wegen zwischenzeitlich eingetretenen Schutzrechtsablauf einseitig für erledigt erklärt hatte. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf vorstehend genannten Anlagen Bezug genommen.
- Das Klagepatent war – in der vorliegend geltend gemachten Fassung – auch bereits Gegenstand weiterer Parallelverfahren, die die Klägerin gegen einen Wettbewerber der Parteien vor der hiesigen Kammer geführt hat. Mit Urteilen der Kammer vom 16. Januar 2020 (Az. 4c O 94/18) und 17. Juni 2021 (Az. 4c O 37/20) wurden die dortigen Beklagten jeweils wegen der Verletzung des Klagepatents verurteilt, wobei das OLG Düsseldorf die gegen das erstgenannte Urteil eingelegte Berufung mit Urteil vom 29. April 2021 (Az. I-15 U 4/20, zitiert nach juris) zurückgewiesen hat. Wegen der weiteren Einzelheiten der Urteile wird auf die jeweiligen Entscheidungen Bezug genommen.
- Die Klägerin meint, die angegriffene Ausführungsform mache von der technischen Lehre des Klagepatents wortsinngemäßen Gebrauch.
- Soweit das Klagepatent eine Klemme voraussetze, mache es dem Fachmann keine einschränkenden Vorgaben dahingehend, dass die Klemme neben den beiden Klemmenschenkel nicht auch noch aus weiteren Bauelementen bestehen könne. Vielmehr sei die Vorgabe bezüglich der beiden Klemmenschenkel als Mindestausstattung der Klemme zu verstehen.
- Die erfindungsgemäße Lehre würde auch keine Vorgabe dahingehend beinhalten, dass die Klemme unmittelbar mit dem Steuerdraht gekoppelt sein müsse. Entsprechendes ergebe sich weder aus der philologischen Bedeutung des Begriffs Koppeln („coupled“) noch aus den Absätzen [0017] und [0022], die von einer Verbindung dieser beiden Bauelemente sprächen, ohne indes weitere zwischengeschaltete Bauteile auszuschließen. Dies führe auch dazu, dass eine Abkopplung der Klemme im Sinne der Lehre des Klagepatents bereits dann vorliege, wenn der Steuerdraht nicht mehr mit der Klemme verbunden sei.
- Soweit das Klagepatent fordere, dass die Hülse einen Beitrag zum Schließvorgang der Klemmenschenkel beitrage, so sei es ausreichend, wenn ein tatsächlicher Beitrag geleistet werde. Das Klagepatent setze weder einen entscheidenden bzw. vorrangigen Beitrag der Hülse voraus, noch schließe es aus, dass weitere Bauteile und/oder Mechanismen am Schließvorgang beteiligt seien. Ein entsprechendes Verständnis hätten die Kammer und das OLG auch in den parallelen Verfahren gegen einen Wettbewerber so vertreten.
- Wie im parallelen Verfügungsverfahren von der Kammer bereits festgestellt, setze das Klagepatent auch keine formschlüssige Kopplung zwischen Halter und Verriegelungshülse voraus. Vielmehr mache das Klagepatent keiner weiteren Vorgaben zum Umfang der Kopplung, so dass auch eine reibschlüssige Verbindung unter den Schutzbereich fiele. Das Erfordernis einer formschlüssigen Verbindung ergebe sich nicht aus den Absätzen [0021], [0027] und [0029] bis [0031] und den dort verwendeten Begriffen „(dis-)engage“ und „insert“/„receive“, da das Klagepatent explizit von „coupled“ (Koppeln) spreche und sich aus der Verwendung unterschiedlicher Begriffe gerade ergebe, dass das Klagepatent mehrere Arten der Verbindung kenne. Für den Kern der Erfindung, die Möglichkeit der reversiblen Öffnen und Schließens der Klemme, sei die Art der Verbindung auch nicht von Bedeutung, so dass das einzige verbliebene Ausführungsbeispiel im Klagepatent die Lehre auch nicht beschränken könne.
- Das Klagepatent enthalte schließlich auch keine Vorgaben dahingehen, dass die Halterlöseanordnung ein eigenständiges Bauteile darstelle müsse, welches nichts mit der Kopplung des Steuerdrahtes mit der Klemme zu tun habe. Auch dieses Verständnis habe das Landgericht bereits mehrfach geteilt.
- Unter Berücksichtigung dieses Verständnisses seien alle Merkmale durch die angegriffene Ausführungsform verwirklicht.
- Dahingestellt bleiben könne, ob es sich bei dem von den Parteien als Driver bezeichneten Bauteil nicht – wie die Klägerin meint – um ein Element der Klemme handele, mit der Folge, dass eine unmittelbare Kopplung des Steuerdrahts an der Klemme vorliege. Jedenfalls sei der Steuerdraht über den Driver mittelbar mit der Klemme gekoppelt.
- Zwar werde der Schließvorgang in der angegriffenen Ausführungsform auch durch einen Zahnradmechanismus vollzogen. Ab einem bestimmten Punkt des Herein- bzw. Hindurchziehens der Klemme durch die Hülse bestünde ein Kontakt der Klemmenschenkel mit der Hülse, so dass diese durch den Druck weiter zusammengedrückt würden und die Hülse somit einen Beitrag zum Schließen leiste. Zum Zeitpunkt des Kontakts mit der Hülse sei die Klemme auch noch nicht vollständig geschlossen, vielmehr komme es bereits nach ca. 2/3 des Schließvorgangs zu diesem Kontakt. Unabhängig davon leisteten die in der Verriegelungshülse vorhandenen Langlöcher einen eigenen kausalen Beitrag zum Schließvorgang, da sie in Zusammenspiel mit den Pins als Ankerpunkt für den Zahnradmechanismus dienten. Soweit die Beklagten auf Dokumente (der Klägerin) aus den parallelen US-Verfahren Bezug nehmen würden, seien diese bereits dem Grund nach untauglich, die Verletzung zu widerlegen, da sich diese auf den neueren, nicht angegriffenen Clip XXX Clip bezögen und nicht auf die angegriffene Ausführungsform.
- Bei dem sog. Sheperd’s Hook in den angegriffenen Clips handele es sich um eine Halterlöseanordnung im Sinne der Lehre des Klagepatents, da es nicht darauf ankomme, dass der Haken auch für die Kopplung entscheidend sei.
- Letztlich vertritt die Klägerin die Ansicht, die Beschwerde gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung werde keinen Erfolg haben.
- Nachdem die Klägerin den Unterlassungsantrag für erledigt erklärt hat, beantragt sie,
- zu erkennen wie geschehen.
- Die Beklagten, die sich der Teilerledigungserklärung nicht angeschlossen haben, beantragen,
- die Klage abzuweisen;
- hilfsweise
- den Rechtsstreit gemäß § 184 ZPO bis zu einer Entscheidung der Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts im Einspruchsverfahren gegen das Europäische Patent EP 3 XXX XXX B1 auszusetzen.
- Die Beklagten meinen, die angegriffene Ausführungsform würde von der Lehre des Klagepatents keinen Gebrauch machen.
- Danach solle der Steuerdraht mit der Klemme koppelbar sein. Diese Vorgabe verstehe der Fachmann dergestalt, dass eine unmittelbare Kopplung dieser beiden Elemente vorliegen müsse, mithin es keine zwischengelagerten Bauelemente geben dürfe. Entsprechendes ergäbe sich insbesondere aus der Beschreibung des Ausführungsbeispiels der Figuren 1 bis 7, wenn in Absatz [0022] etwa die Rede davon sei, dass der Steuerdraht von dem Handgriff bis unmittelbar zur Klemme verlaufe.
- Aus der Vorgabe, dass der Steuerdraht von Klemme abkoppelbar sein müsse, folge, dass nach dem Abkopplungsvorgang weder der Steuerdraht noch ein zu diesem gehörendes Element mit der Klemme verbunden sein dürfe.
- Soweit das Klagepatent eine Verriegelungshülse voraussetzen würde, so müsse diese einen entscheidenden kausalen Beitrag dafür leisten, dass sich die Klemmenschenkel schließen, wenn die Klemme durch die Hülse gezogen werde. Entsprechendes Verständnis hätten die Kammer sowie das OLG Düsseldorf in parallelen Verfahren auch bereits bestätigt.
- Ferner würde das Klagepatent einen Halter voraussetzen, der lösbar mit der Verriegelungshülse gekoppelt sei, wobei sich aus der Vorgabe einer „Kopplung“ ergebe, dass ein formschlüssiger Eingriff des Halters in der Verriegelungshülse vorliegen müsse. Dieses Verständnis folge bereits aus der allgemeinen sprachlichen Bedeutung des Begriffs Koppeln. Das Klagepatent verwende den Begriff des Koppelns an mehreren Stellen und mit Blick auf verschiedene Bauteile, wobei stets ein formschlüssiger Eingriff gemeint sei und nicht eine bloße kraft- oder reibschlüssige Verbindung. Bestätigung in dieser Sichtweise erfahre der Fachmann insbesondere durch das Ausführungsbeispiel der Figuren 1 bis 7, bei dem das Klagepatent zwischen einem passgenauen Einsetzen und einer Kopplung unterscheide. Dem Ausführungsbeispiel käme auch deswegen eine erhebliche Bedeutung für das fachmännische Verständnis zu, da das Klagepatent über keine allgemeine Beschreibung verfügen würde. Soweit das ursprüngliche Ausführungsbeispiel der Figur 21 nebst zugehörigem Absatz [0051] im Rahmen des Einspruchsverfahrens gestrichen worden seien, könnten diese Stellen trotzdem zur Auslegung herangezogen werden. Dem Absatz [0051] könne der Fachmann entnehmen, dass das Klagepatent den Begriff der mechanischen Verriegelung („positive mechanical lock“) auch mit Blick auf den Halter verwende. Demgegenüber folge aus dem Umstand, dass auch das Ausführungsbeispiel der Figuren 12 und 13, welches eine bloße Pressanpassung („interference fit“) beschrieben habe, gestrichen worden sei, dass eine rein reibschlüssige Verbindung nicht erfindungsgemäß sei.
- Schließlich würde das Klagepatent eine Halterlösungsanordnung voraussetzen, die den Halter in Eingriff nehmen könne, um ihn von der Verriegelungshülse abzukoppeln. Dabei müsse es sich um eine separate Anordnung innerhalb der beanspruchten Vorrichtung handeln, die insbesondere von der ebenfalls beanspruchten Kopplung des Steuerdrahts mit der Klemme getrennt sei müsse.
- Unter Berücksichtigung dieses Verständnisses mache die angegriffene Ausführungsform keinen Gebrauch von der Lehre des Klagepatents. Der angegriffenen Ausführungsform fehle es bereits an einer unmittelbaren Verbindung des Steuerdrahts mit der Klemme, da der von der Klägerin als „Drive Wire“ bezeichnete Steuerdraht nicht direkt mit der Klemme („Jaws“) verbunden sei, sondern über den Haken („Shepherd’s Hook“) mit dem „Drive“, den die Klägerin selbst als Verbindungselement bezeichne. Dieses Verständnis habe die Klägerin jedenfalls in dem parallelen US-Verfahren vertreten. Da der „Driver“ auch nach Abtrennung des Steuerdrahtes an der Klemme verbleibe, sei die Klemme auch nicht im Sinne des Klagepatents vom Steuerdraht abgekoppelt.
- Die Hülse der angegriffenen Ausführungsform leiste – anders als die angegriffenen Vorrichtungen aus den parallelen Verfahren – auch keinen bzw. keinen entscheidenden Beitrag zum Schließen der Klemme. Die Klemme der angegriffenen Ausführungsform werde über eine Zahnradkonstruktion geöffnet und geschlossen. Daraus folge auch, dass die Klemme in den Clips der Beklagten eine andere Bewegung ausführe, als eine Klemme, die mit Hilfe der Hülse geschlossen werde. Anders als die angegriffenen Clips aus den parallelen Verfahren verfüge die angegriffene Ausführungsform auch über keine Stifte („Pins“), die im Zusammenspiel mit der Hülse den Schließvorgang mit bewirkten.
- Der Halter („Cath Attach“) in der angegriffenen Ausführungsform sei lediglich in die Hülse („Housing“) reibschlüssig eingesetzt und daher fehle es an einem formschlüssigen Eingriff.
- Soweit die Klägerin den am Ende des Steuerdrahts angeordneten Haken („Sheperd’s Hook“) als Halterlösungsanordnung identifiziert habe, erfülle dieser indes auch die Funktion der Kopplung des Steuerdrahts mit der Klemme mit der Folge, dass er nicht als Halterlösungsanordnung im Sinne des Klagepatents dienen könne.
- Die Beschwerde gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung hätte hinreichende Erfolgsaussichten, da die Entgegenhaltung US 3,XXX XXX („XXX“), welche dem Klagepatent neuheitsschädlich entgegenstehe, nicht vollständig bzw. nicht zutreffend gewürdigt worden sei.
- Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie auf die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.
- Entscheidungsgründe
- Die zulässige Klage hat im tenorierten Umfang Erfolg. Mit der angegriffenen Ausführungsform haben die Beklagten die technische Lehre des Klagepatentes benutzt. Sie sind der Klägerin deshalb in dem aus der Urteilsformel ersichtlichen Umfang zur Auskunftserteilung, zur Rechnungslegung, zum Schadensersatz und zu Rückruf, Entfernung und Vernichtung verpflichtet. Soweit die Klägerin ursprünglich eine Verurteilung der Beklagten zur Unterlassung begehrt hat, ist die Erledigung des Rechtsstreits festzustellen. Im Übrigen ist die Klage bezüglich des Vernichtungsanspruchs gegenüber der Beklagten zu 3) nicht gerechtfertigt.
- I.
Das Klagepatent betrifft eine blutstillende Klemmvorrichtung, die auch als Gewebeklemmvorrichtung bezeichnet wird. Derartige Klemmvorrichtungen werden insbesondere im Rahmen endoskopischer Verfahren eingesetzt, um aktiv und/oder prophylaktisch eine Blutstillung im Körperinneren vorzunehmen. Übliches Anwendungsgebiet sind Erkrankungen des Magen-Darm-Trakts. - Wie das Klagepatentpatent einleitend ausführt (Absätze [0002] f.) stellen Magen-Darm-Blutungen eine erhebliche Gefahr für Patienten dar, wobei die Behandlung einer solchen Blutung äußerst zeitkritisch ist. Insoweit sind solche innere Blutungen auch das gefährlichste Anwendungsgebiet, mit denen sich ein Gastroenterologe beschäftigen muss. Der Arzt kann eine solche Blutung chirurgisch oder endoskopisch diagnostizieren und behandeln, wobei die Chirurgie höhere Kosten verursacht und eine höhere Morbiditäts- und Sterblichkeitsrate zur Folge hat. Daher sei endoskopische Behandlungen – soweit möglich – der Vorzug zu gewähren.
- Aus dem Stand der Technik zum Prioritätszeitpunkt waren, wie das Klagepatent weiter einleitend in dem Absatz [0004] darstellt, dem Gastroenterologen zwei gängige Behandlungsmöglichkeiten sowie einige seltener angewandte Therapien bekannt.
- Bei der Thermotherapie wird ein Katheter mit einer steifen Heizelementspitze durch den Arbeitskanal eines Endoskops geführt, nachdem die Blutung visualisiert und diagnostiziert worden ist. Nach Austritt der steifen Katheterspitze aus dem Endoskop wird das Endoskop so manipuliert, dass die Spitze gegen die Blutungsstelle drückt. Dann wird Wärme ausgeübt, entweder über ein Widerstandselement in der Spitze oder durch Einwirkung von HF-Energie über das Gewebe, wodurch das Gewebe ausgetrocknet und kauterisiert wird. Die Kombination aus der Spitze, die das Gewebe/Gefäß zusammendrückt, und der Einwirkung von Wärme schweißt theoretisch das Gefäß zu (Absatz [0005]). Obwohl Thermobehandlung zur Blutstillung recht erfolgreich ist, muss oft mehr als ein Versuch unternommen werden und häufig treten Nachblutungen auf. Von Nachteil ist ferner, dass beide Arten der Thermotherapie einen spezialisierten Energieerzeuger erfordern und die Ausrüstung teuer sein kann (Absatz [0006]).
- Bei der zweiten gängigen Therapie – der Injektionstherapie – wird nach Visualisierung und Diagnose der Blutung ein Katheter mit einer distal ausfahrbaren Injektionsnadel durch den Arbeitskanal des Endoskops geführt. Sobald die Katheterspitze das Endoskop verlassen hat, wird das Endoskop zur Blutungsstelle manipuliert, die Nadel wird ferngesteuert ausgefahren und in die Blutungsstelle eingeführt. Anschließend wird ein vasokonstriktives (gefäßverengendes) oder sklerosierendes (Gewebeverhärtung bewirkendes) Medikament über die Nadel injiziert. Oft sind zahlreiche Injektionen in und um die Blutungsstelle nötig, bis es zu Blutstillung kommt. Wie bei der Thermotherapie stellt die Rezidivblutung ebenfalls ein Problem dar (Absatz [0007]). Eine Kombination der Thermo- und Injektionstherapie ist möglich und wird in einigen Regionen wie den USA eingesetzt.
- Wie das Klagepatent in Absatz [0009] weiter ausführt, liegt die primäre Erfolgsrate der endoskopischen Behandlung bei etwa 90 %, wobei die Nachblutungsrate für endoskopisch behandelte aktive Blutungen 10 bis 30 % beträgt. Trotz Einführung neuer Behandlungen und Vorrichtungen seien diese Quoten seit Jahrzehnten nicht deutlich besser geworden. In der Chirurgie beträgt der Kurz- und Langzeiterfolg für permanente Hämostase praktisch 100 %. Chirurgisch liegt die Erfolgsrate höher, da die Blutungsstelle mechanisch zusammengedrückt wird, was eine bessere Hämostase bewirkt. Mit Hilfe solcher Vorrichtungen wie Klemmen, Clips, Klammern Nahtmaterialien (d. h. Vorrichtungen, die ausreichende konstriktive Kräfte auf Blutgefäße ausüben können, um den Blutfluss zu begrenzen oder zu unterbrechen) wird das blutende Gefäß ligiert, oder das Gewebe um die Blutungsstelle wird zusammengedrückt, was alle umliegenden Gefäße unterbindet (Absatz [0010]).
- Dem Fachmann war zum Prioritätszeitpunkt – wie das Klagepatent in Absatz [0011] ausführt – auch bereits eine Vorrichtung bekannt, die die Vorteile der Chirurgie mit einer weniger invasiven endoskopischen Prozedur vereint, nämlich der Olympus-EndoClip. Mit dieser Vorrichtung wird das blutende Gefäß zusammengedrückt, um die Blutung zu stillen. Problematisch ist bei dieser Vorrichtung, dass nach Beginn des Backenverschlusses diese nicht wieder geöffnet werden kann und der Arzt somit gezwungen ist, den Clip abzuschießen. Da die betroffenen Gefäße häufig schwer zu erkennen sind, müssen oft mehrere Clips gesetzt werden, um das Gefäß erfolgreich zusammenzudrücken und Blutstillung zu erreichen. Darüber hinaus ist der Olympus-EndoClip eine teils wiederverwendbare Vorrichtung, wodurch die Leistung der Vorrichtung mit dem Gebrauch leidet.
- Im Anschluss daran erwähnt das Klagepatent drei Schriften, ohne an den in diesen vorgeschlagenen Vorrichtungen Kritik zu üben. Zunächst befasst sich das Verfügungspatent mit der US 3 XXX XXX A, auf welcher der Oberbegriff des Anspruchs 1 beruht. Diese Schrift offenbart einen Clip, der lösbar mit einer Zuführeinrichtung (Instrumentenkörper) verbunden ist. Der Clip ist dabei 8-förmig ausgestaltet und mit einem Haken an einem distalen Ende des Instrumentenkörpers befestigt, wobei der Clip geöffnet und geschlossen werden kann, indem er relativ zu einem Eingriffselement verschoben wird. Das Eingriffselement dient dazu, den Clip in einer verschlossenen Position zu halten, um einen erkrankten Bereich in einem Hohlraum im Körperinneren abzuklemmen, wobei der Clip zusammen mit dem Eingriffselement im Inneren des Körpers des Patienten verbleibt (Abs. [0012]).
- Des Weiteren nimmt das Klagepatent Bezug auf die US 5 XXX XXX A, die ein Set zur Behandlung von Gefäßmissbildungen mit einer aus Titan hergestellten Klammer offenbart. Die Klammer ist im entlasteten Zustand gespreizt und kann durch einen Klemmring, der im angesetzten Zustand entlang der Klammer verlagerbar ist, in die Klemmstellung überführt werden. Die Klammer wird durch eine Sonde, die eine röhrenförmige Hülle und einen darin geführten Setzstab aufweist, in den Körper eingeführt (Abs. [0013]).
- Das Klagepatent beschreibt schließlich die JP H05 XXX XXX A. Diese offenbart eine Klemmenvorrichtung mit einem Einführrohr, einer in dem Einführrohr aufgenommenen Klemme, einem Klemmenbefestigungsring, der in einem nicht gespannten Zustand hinter der Klemme angebracht ist, eine Faser und eine Einrichtung, die den Klemmenbefestigungsring durch die Wirkung von durch die Faser zugeführter Laserenergie nach vorne verschiebt (Absatz [0014]).
- Vor dem Hintergrund dieses Standes der Technik formuliert es das Klagepatent in Absatz [0016] als Ziel der Erfindung, dem Endoskopiker eine Technik und eine Vorrichtung an die Hand zu geben, die erstens eine Erfolgsrate entsprechend der chirurgischen Option hat, die zweitens leichter als der Olympus-EndoClip vorzubereiten ist und drittens leichter als der Olympus-EndoClip zu setzen ist.
- Zur Lösung dieses technischen Problems schlägt Anspruch 1 des Klagepatents in der durch das Europäische Patentamt im Einspruchsverfahren aufrechterhaltenen eingeschränkten Fassung eine Vorrichtung mit folgenden Merkmalen vor:
- 1. Medizinische Vorrichtung zum Bewirken der Hämostase eines Blutgefäßes zur Verwendung durch ein Endoskop.
2. Eine Klemme; die Klemme hat mindestens zwei Klemmenschenkel.
3. Ein Steuerdraht
(a) Der Steuerdraht ist mit der Klemme koppelbar.
(b) Der Steuerdraht ist reversibel betätigbar, um sowohl die mindestens zwei Klemmenschenkel zu öffnen als auch um die mindestens zwei Klemmenschenkel zu schließen.
(c) Der Steuerdraht ist von der Klemme abkoppelbar.
4. Eine axial steife Hülle
(a) Die axial steife Hülle umhüllt den Steuerdraht.
(b) Die axial steife Hülle ist imstande, eine erste Kraft zu übertragen, die einer zweiten Kraft des Steuerdrahts entgegenwirkt.
5. Eine Verriegelungshülse, wobei der Steuerdraht in eine proximale Richtung gezogen werden kann, um die Klemme durch die Verriegelungshülse zu ziehen, wodurch die mindestens zwei Klemmenschenkel geschlossen werden.
6. Ein Halter; der Halter ist lösbar mit der Verriegelungshülse gekoppelt.
7. Ein Handgriff; der Handgriff ist mit der axial steifen Hülle gekoppelt.
8. Ein Betätigungselement
(a) Das Betätigungselement ist mit dem Steuerdraht gekoppelt.
(b) Durch das Betätigungselement ist der Steuerdraht in Eingriff nehmbar, um die mindestens zwei Klemmenschenkel zu öffnen und die mindestens zwei Klemmenschenkel zu schließen und den Steuerdraht von der Klemme abzukoppeln.
9. Eine Halterlösungsanordnung (109); die Halterlösungsanordnung kann einen Eingriff mit dem Halter (110) herstellen, um den Halter (110) von der Verriegelungshülse (113) abzukoppeln. -
II.
Mit der angegriffenen Ausführungsform haben die Beklagten die technische Lehre des Klagepatentes benutzt. Zwischen den Parteien steht neben den beiden bereits im vorangegangenen Verfügungsverfahren diskutierten Merkmalen 6 und 8 nunmehr auch die Verwirklichung der Merkmale 3.a, 3.c, 5 und 8.b im Streit. Die Kammer vermochte die Verwirklichung aller streitigen Merkmale festzustellen. - 1.1.
Nach der Lehre des Klagepatents setzt sich die beanspruchte medizinische Vorrichtung zum Bewirken der Hämostase eines Blutgefäßes aus einer Klemme, einem Steuerdraht, einer axial steifen Hülle, einer Verriegelungshülse, einem Halter, einem Handgriff, einem Betätigungselement und einer Halterlöseanordnung zusammen, wobei die einzelnen Bestandteile der Vorrichtung von den Merkmalen bzw. Merkmalsgruppen 2 bis 9 näher beschrieben werden. - II.1.1.
Der Merkmalsgruppe 3 kann der Fachmann nähere Vorgaben zum Steuerdraht entnehmen, der – wie der Bezeichnung Steuerdraht entnommen werden kann – für die Steuerung der Klemme bzw. Klemmenschenkel von elementarer Bedeutung ist. Gemäß Merkmal 3.a soll der Steuerdraht mit der Klemme koppelbar und gemäß Merkmal 3.c auch wieder von der Klemme abkoppelbar sein. Merkmal 3.b beschreibt demgegenüber die Funktion des Steuerdrahts, der reversibel betätigbar sein soll, um sowohl die mindestens zwei Klemmenschenkel zu öffnen als auch um die mindestens zwei Klemmenschenkel zu schließen. - Danach setzt das Klagepatent eine Verbindung des Steuerdrahts mit der Klemme voraus, über die die Klemme gesteuert werden kann. Diese Verbindung muss dabei derart stabil bzw. sicher ausgestaltet sein, dass sich der Steuerdraht nicht versehentlich von der Klemme lösen kann. Auf der anderen Seite muss die Verbindung aber lösbar sein, da der Steuerdraht nach dem endgültigen Setzen der Klemme durch den behandelnden Arzt von der Klemme abgetrennt werden muss („Abkopplung“), um den Steuerdraht wieder aus dem Körper des Patienten entfernen zu können. Die Art und Weise der räumlich-körperlichen Ausgestaltung der Verbindung („Kopplung“) überlässt das Klagepatent mangels entsprechender Vorgaben dem Fachmann. So macht das Klagepatent keine Vorgaben dazu, ob der Steuerdraht unmittelbar, d.h. ohne weitere zwischengeschaltete Bauelemente, mit der Klemme verbunden ist oder eine mittelbare Verbindung besteht. Gleiches gilt, ob die Verbindung ein- oder mehrteilig ausgestaltet ist. Das Klagepatent macht auch keine Vorgaben dahingehend, dass nach dem Abkoppeln nur die Klemmenschenkel und nicht auch etwaige andere Bauelemente des Clips im Körper des Patienten verbleiben dürfen.
- Das entsprechende Verständnis ergibt sich für den Fachmann zunächst aus dem vom Klagepatent gewählten Begriff der „Kopplung“, der nach seiner philologischen Bedeutung nach nur die Verbindung von zwei oder mehr Elementen zum Zwecke ihres Zusammenwirkens beschreibt (vgl. Auszug aus dem Duden, vorgelegt als Anlage B 2). Dem Fachmann ist insoweit bewusst, dass der Begriff des Koppelns im Bereich der Technik in verschiedenen Situationen verwendet wird. So wird etwa von der Kopplung eines Anhängers an einen PKW/LKW gesprochen, wobei diese Verbindung über ein weiteres Element bzw. eine mechanische Verbindung in Form einer Kupplung erfolgt und der gekoppelte Anhänger mit dem Zugfahrzeug dergestalt zusammenwirkt, dass das Zugfahrzeug den Anhänger steuert. Demgegenüber wird im Bereich der Elektrotechnik auch dann von einem Koppeln zweier Geräte gesprochen, wenn diese über eine physische Verbindung miteinander verbunden sind. So werden etwa Zubehörgeräte wie Kopfhörer, Tastaturen oder Lautsprecher mittels einer drahtlosen Funktechnik wie Bluetooth miteinander gekoppelt, so dass diese Zubehörgeräte mit dem Hauptgerät interagieren können. Dem kann entnommen werden, dass der Fachmann unter einer Kopplung grundsätzlich keine bestimmte Art der Verbindung und erst recht keine unmittelbare Verbindung versteht, solange jedenfalls die gewählte Verbindung ein Interagieren der verbundenen Geräte ermöglicht.
- Die Beschreibung des Klagepatents, die sich nach der Entscheidung der Einspruchsabteilung im Wesentlichen in der näheren Beschreibung des einzig verblieben Ausführungsbeispiels der Figuren 1 bis 7 erschöpft, bietet dem Fachmann keinen Anlass, dem Begriff der Kopplung die Bedeutung einer unmittelbaren Kopplung zuzumessen. Das von den Beklagten vertretene Verständnis des Begriffs Koppeln, nach dem es einer unmittelbaren Verbindung des Steuerdrahts mit der Klemme bedürfe, kann den Absätzen [0017] und [0022] nicht entnommen werden. Soweit in Absatz [0017] davon die Rede ist, dass ein erfindungsgemäßer Clip über einen Steuerdraht verfügt, der „mit der Klemme verbunden ist und von der Klemme getrennt werden kann“ (im maßgeblichen Englischen Wortlaut ist von „connected to“ die Rede), so folgt aus dem Begriff „verbunden“ nicht, dass es einer unmittelbaren Verbindung der genannten Bauteile bedarf.
- Den Beklagten ist zuzugeben, dass das Klagepatent in den Figuren 1 bis 7 eine bevorzugte Ausführungsform beschreibt, deren Verbindung des Steuerdrahts mit der Klemme insbesondere den beiden nachstehenden Figuren 2 und 3 entnommen werden kann:
- Im Absatz [0022] heißt es mit Blick auf dieses Ausführungsbeispiel (Hervorhebungen gen hinzugefügt):
- „Die Klemme 101 ist eine verformbare Mehrschenkel-Greifvorrichtung, die am distalen Abschnitt eines flexiblen Schafts (der Hülle 111) über ein nachgebendes Verbindungsglied (den j-Haken 107) befestigt ist. Der flexible Schaft ist an seinem proximalen Ende mit einem Handgriff (Fig. 7) verbunden, wobei der Handgriff analog zu einer Biopsiezange ist. Ein halbsteifer Draht (der Steuerdraht 108), der vom Handgriff zur Klemme101 geführt ist, wirkt als Einrichtung zum Betätigen der Klemme 101 zwischen der offenen und geschlossenen Position. […]“
- Der Fachmann kann diesem Ausführungsbeispiel entnehmen, dass der Steuerdraht, der an seinem der Klemme zugewandtem Ende über einen j-Haken verfügt (107) direkt mit der Klemme verbunden ist, da der j-Haken in die Öffnungen (106) der Klemmschenkel (102 und 103) eingreifen. Daraus folgt vorliegend nicht, dass das Klagepatent unter der Kopplung des Steuerdrahts mit der Klemme stets eine unmittelbare Verbindung dieser beiden Elemente meint. Denn bereits aus grundsätzlichen Erwägungen vermag ein Ausführungsbeispiel die technische Lehre eines Patents nicht zu beschränken, selbst wenn es sich um das einzige Ausführungsbeispiel handelt. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die entsprechenden Angaben trotz ihrer vorgenannten Verortung in der Klagepatentschrift im Rahmen der Schilderung eines Ausführungsbeispiels ausnahmsweise kein Spezifikum dieses einzigen in der Klagepatentschrift dargestellten Ausführungsbeispiels darstellen, sondern der Fachmann ohne Weiteres erkennt, dass sie dem eigentlichen Erfindungsgedanken des Klagepatents zwingend immanent sind (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil v. 13. August 2015, Az. I-15 U 2/14, Rz. 100 – zitiert nach juris). Vorliegend erkennt der Fachmann, dass das Klagepatent der Verbindung des Steuerdrahts mit der Klemme keine solch immanente Bedeutung zumisst. Vielmehr stellt die Möglichkeit des mehrfachen Öffnens und Schließen der Klemme beim Setzvorgang den Kern der Erfindung dar, wobei dafür unerheblich ist, dass der Steuerdraht unmittelbar mit der Klemme verbunden ist. Dem Fachmann ist daher unter Berücksichtigung einer technisch-funktionalen Betrachtung klar, dass es mehrere Möglichkeiten gibt, den Steuerdraht mit der Klemme direkt oder über weitere Bauteile zu verbinden, um das reversible Öffnen und Schließen der Klemme zu bewerkstelligen.
- II.1.2.
Unter Berücksichtigung dieses Verständnisses der Merkmalsgruppe 3 vermochte die Kammer eine Verletzung festzustellen. - Der innere Aufbau der angegriffenen Ausführungsform steht zwischen den Parteien nicht in Streit. Er gibt sich aus nachfolgender, von der Klägerin zur Akte gereichten Ablichtung 3a sowie aus der seitens der Beklagten mit der Klageerwiderung vorgelegten Modelldarstellung, die zwischen den Parteien im vorangegangenen Verfügungsverfahren diskutiert wurde:
- Zu erkennen ist, dass die Klemmenschenkel („Jaws“) über ein Verbindungselement („Driver“) mit dem Steuerdraht bzw. dem j-Haken am Steuerdraht verbunden sind. Insoweit kommt es für die Kopplung im Sinne von Merkmal 3.a nicht darauf an, ob der Driver Teil des Steuerdrahts ist und somit eine unmittelbare Verbindung zwischen Klemme und Steuerdraht besteht, da auch eine mittelbare Verbindung über den Driver als Mittelelement hinreichend ist.
- Die angegriffenen Clips verwirklichen auch Merkmal 3.c, gemäß dem der Steuerdraht von der Klemme abkoppelbar sein muss. Wie auf nachfolgend erneut wiedergegebener Abbildung 1a zu sehen ist, handelt es sich bei dem Verbindungselement („Driver“) um ein separates Bauteil, welches zwischen dem Steuerdraht mit j-Haken und den Klemmenschenkeln angeordnet ist:
- Dass dieses Bauteil nach dem Lösen des Hakens (Abkoppeln) mit den Klemmenschenkeln im Körper des Patienten verbleibt, steht einer Verwirklichung dieses Merkmals nicht entgegen, da es nur auf die Trennbarkeit des Steuerdrahtes von der Klemme ankommt und nicht darauf, ob etwaige weitere Verbindungselemente, die nicht Teil des Steuerdrahts sind, im Körper des Patienten verbleiben. Insoweit vermögen auch etwaige Aussagen der Klägerin im parallelen US-Verfahren, demnach der Driver nicht Teil der Klemme sei, eine Nichtverletzung nicht begründen, da daraus nicht folgt, dass der Driver Teil des Steuerdraht ist.
- 1.2.
Merkmal 5 umfasst als weiteres Bauteil der geschützten Vorrichtung die Verriegelungshülse, wobei der Steuerdraht in eine proximale Richtung gezogen werden kann, um die Klemme durch die Verriegelungshülse zu ziehen, wodurch die mindestens zwei Klemmenschenkel geschlossen werden. - 1.2.1.
Danach setzt das Klagepatent eine Verriegelungshülse voraus, die einen kausalen Beitrag zum Schließen der Klemme bzw. der Klemmenschenkel leistet, d.h. die Hülse muss an dem Schließvorgang (mit-)ursächlich beteiligt sind. Nicht erforderlich ist, dass es sich um einen wesentlichen bzw. den entscheidenden kausalen Beitrag handelt und/oder dass es keine weiteren Bauteile oder Mechanismen neben der Hülse gibt, die ebenfalls am Schließvorgang beteiligt sind. Neben der Beteiligung am Schließvorgang kommt der Verriegelungshülse noch ein weiterer Zweck zu, vorliegend die abschließende Verriegelung der gesetzten Klemme. - Hinsichtlich solcher Zweckbestimmungen in einem Patentanspruch ist anerkannt, dass diese grundsätzlich keinen Einfluss auf den Schutzbereich haben und diesen insbesondere nicht grundsätzlich einschränken, weil die Zweckangabe zunächst nur die funktionelle Eignung einer klagepatentgemäßen Vorrichtung klarstellend erläutert und auf diese Weise die technische – zumal: die räumlich-körperliche – Ausgestaltung der Vorrichtung mittelbar beschreibt (BGH GRUR 1979, 149, 151 – Schießbolzen), woraus der Umkehrschluss gezogen werden kann, dass sich der Schutzbereich auf jeden Gegenstand bezieht, der die gleichen Eigenschaften besitzt (BGH GRUR 1991, 436, 442 – Befestigungsvorrichtung II). Allerdings ist auch anerkannt, dass der Fachmann die Zweckbestimmung jedenfalls in der Weise ernst nimmt, dass er sie als Erkenntnisquelle dafür heranzieht, wie er die klagepatentgemäße Vorrichtung ausgestalten muss. In diesem Sinne ist eine Zweckangabe ebenso geeignet über eine bloß beispielhafte Erläuterung der Funktionsweise hinaus zur patentgemäßen Lehre beizutragen, indem sie die Merkmale der Vorrichtung mittelbar beschreibt (BGH GRUR 1981, 259, 260 – Heuwerbungsmaschine II). Auf die Bestimmung des Schutzbereichs wirkt sich eine solche Zweckangabe dann derart aus, dass die Vorrichtung so ausgebildet sein muss, dass sie den beschriebenen Zweck erreichen kann (BGH GRUR 2009, 837, 838 – Bauschalungsstütze; BGH GRUR 2006, 923, 925 – Luftabscheider für Milchsammelanlage). Vom Schutzbereich des eine Vorrichtung lehrenden Patents ist in diesem Fall demnach nur eine solche Vorrichtung umfasst, welche die mit der Zweckangabe gelehrte Funktion erfüllen kann, wenn also die Vorrichtung so ausgestaltet ist, wie sie durch den genannten Zweck bedingt ist (BGH GRUR 2009, 837, 838 – Bauschalungsstütze; BGH GRUR 1991, 436, 442 – Befestigungsvorrichtung II; BGH GRUR 1979, 149, 151 – Schießbolzen). Aus dem Umstand, dass es ausreichend ist, dass die Vorrichtung den vorgesehenen Zweck erreichen kann, folgt auch, dass die Vorrichtung nicht zwingend allein auf diesen Zweck zugeschnitten sein muss. Hinreichend ist es vielmehr, wenn der Zweck (neben anderen Zwecken) ohne weiteres erreicht werden kann.
- Letztgenannte Funktion, die abschließende Verriegelung der gesetzten Klemme, ergibt sich zunächst aus der vom Klagepatent gewählten konkreten Bezeichnung der Hülse als Verriegelungshülse, wobei in Absatz [0017] im maßgeblichen englischen Wortlaut von einem „lock arrangement“ gesprochen wird. Entsprechendes entnimmt der Fachmann auch der Systematik des Anspruchs und dem Zusammenspiel der einzelnen Bestandteile eines erfindungsgemäßen Clips, nach dem die Verriegelungshülse mit der Klemme zusammen im Körper des Patienten verbleibt, um zu verhindern, dass die Klemme sich ungewollt wieder öffnet.
- Auch die erstgenannte Funktion, die (mit-)ursächliche Beteiligung der Hülse am Schließvorgang, ergibt sich für den Fachmann unmittelbar aus dem Wortlaut des Merkmals 5, der durch den Begriff „wodurch“ („thereby“) einen entscheidenden Hinweis enthält, dass die Hülse am Schließvorgang der Klemme jedenfalls mittelbar beteiligt sein muss. Die Hülse muss daher räumlich-körperlich so ausgestaltet sein, dass sie während die Klemme durch die Hülse hindurchgezogen wird, so auf die Klemme einwirken kann bzw. mit entsprechenden Bauteilen zusammenwirken kann, dass sich die Klemmeschenkel schließen. Der Wortlaut lässt indes mangels konkreter weiterer Angaben an keiner Stelle erkennen, dass die Hülse das einzige Element sein muss, welches den Schließvorgang einleitet bzw. begleitet.
- Etwas anderes folgt auch nicht aus dem von den Beklagten in Bezug genommenen Absatz [0029], der Bezug nimmt auf die in nachstehend wiedergegebener Figur 4 gezeigte Verriegelungshülse des Ausführungsbeispiels:
- In Absatz [0029] führt das Klagepatent insoweit aus (Hervorhebungen hinzugefügt):
- „Die in Figur 4 gezeigte Verriegelungshülse 113 besteht aus einem rohrförmigen proximalen Abschnitt, der in das distale Ende der äußeren Hülse 112 passt. Die Halteöffnung 116 und die gegenüberliegende Halteöffnung (nicht dargestellt) in der Verriegelungshülse 113 nehmen die Haltevorsprünge 118, 119 auf (Figur 6). Das distale Ende der Verriegelungshülse 113 hat einen Verriegelungshülsenausschnitt 117, der etwas größer ist als der Querschnitt der Klemmenschenkel (Figur 3). Wenn die Klemmenschenkel durch den Ausschnitt 117 gezogen werden, werden die Klemmenschenkel gegeneinander gedrückt, wodurch das zwischen den Klemmenschenkeln befindliche Gewebe (nicht dargestellt) komprimiert wird.“
- Der Fachmann kann dieser Beschreibung entnehmen, dass die Hülse in der bevorzugten Ausführungsform durch ihre räumlich-körperliche Gestaltung einen Druck auf die Klemmenschenkel ausübt, sobald die Klemme durch die Hülse gezogen wird. Dieser Druck führt zu einem Schließen der Klemmenschenkel. Wie mit Blick auf die Merkmale 3.a und 3.c bereits ausgeführt, vermag das Ausführungsbeispiel die Lehre des Klagepatents nicht einzuschränken, insbesondere schließt es das Ausführungsbeispiel nicht aus, dass es noch weitere Bauelemente bzw. Mechanismen gibt, die ebenfalls für den Schließvorgang der Klemme mitbewirken.
- Auch unter Berücksichtigung technisch-funktionaler Aspekte ist nichts dafür ersichtlich, dass die Hülse den (einzigen) entscheidenden Beitrag zum Schließvorgang leisten muss. Der Fachmann erkennt, dass es dem Klagepatent in erster Linie darauf ankommt, dass der Arzt die Klemme nicht nur ein einziges Mal setzen kann, sondern ggf. den Sitz der Klemme korrigieren kann, wenn es erforderlich ist. Erst wenn die Klemme richtig sitzt, soll sie so verriegelt werden, dass sie sich nicht mehr ungewollt öffnet. Insoweit erkennt der Fachmann auch den wesentlichen Zweck der Verriegelungshülse, hier die endgültige Sicherung der Klemme. Der Fachmann entnimmt der Zweckangabe (wodurch), dass die Verriegelungshülse zudem noch an dem Schließvorgang beteiligt sein muss, mangels konkreter Vorgaben dazu, wie dieser Vorgang auszugestalten ist bzw. welche Bauteile der Klemme noch beteiligt sein sollen, schließt er, dass das Klagepatent keinen bestimmten Weg bzw. Mechanismus vorsieht, der das Schließen bewirken soll. Daher weist er der Hülse auch nicht zwingend eine zentrale Rolle beim Schließvorgang zu.
- Das entsprechende Verständnis von Merkmal 5 wurde seitens der Kammer auch bereits in dem unter dem Az. 4c O 94/18 geführten Parallelverfahren gegen einen Wettbewerber der Parteien vertreten und vom OLG Düsseldorf bestätigt (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil v. 29. April 2021, I-15 U 4/20 – zitiert nach Juris). So führt das OLG in Rz. 126 mit Blick auf Merkmal 5 aus:
- „Das Merkmal spricht demnach sowohl den Vorgang des Verriegelns der Klemme als auch den Vorgang des Schließens der Klemme bzw. der Klemmenschenkel an. Für beide Vorgänge ist die Verriegelungshülse nach der technischen Lehre des geltend gemachten Anspruchs (mit)verantwortlich.“
- In den Rz. 133 ff. heißt es (Hervorhebungen hinzugefügt):
- „Die Verriegelungshülse muss ferner am Schließvorgang der mindestens zwei Klemmenschenkel mitwirken. Der Anspruch sieht nämlich nicht nur vor, dass – wie in den Merkmalen 3b) und 8b) gefordert – der Steuerdraht das Schließen der mindestens zwei Klemmenschenkel bewirkt. Merkmal 5 verdeutlicht vielmehr mit dem Satzteil „wobei der Steuerdraht in eine proximale Richtung gezogen werden kann, um die Klemme durch die Verriegelungshülse zu ziehen, wodurch die mindestens zwei Klemmenschenkel geschlossen werden.“, dass die Verriegelungshülse einen Beitrag beim Schließen leisten muss. Ihr kommt mithin auch im Rahmen des Schließvorganges eine Funktion zu. Der Wortlaut des Anspruchs („wodurch“ bzw. „thereby“) führt dem Fachmann insoweit vor Augen, dass es um einen kausalen Zusammenhang zwischen dem Ziehen der Klemme durch die Verriegelungshülse und dem Schließen der Klemmenschenkel geht. Es genügt deshalb nicht, wovon auch das Landgericht zu Recht ausgegangen ist, eine (rein) zeitliche Koinzidenz zwischen dem Hereinziehen der Klemme in die Verriegelungshülse und dem Schließen der Schenkel.
- […]
- Auch wenn die anspruchsgemäße Verriegelungshülse demzufolge derart gestaltet sein muss, dass sie einen kausalen Beitrag zum Schließen leistet, bedeutet dies nicht, dass nur sie allein für den Schließvorgang verantwortlich sein muss. Sie muss hieran lediglich erheblich mitwirken (BGH GRUR 2020, 159 – Lenkergetriebe).
- Die Beklagten betonen folglich zu Recht, dass das schlichte Vorhandensein einer Verriegelungshülse nicht genügt, weil der Anspruch einen Wirkzusammenhang zwischen dem Ziehen der Klemmenschenkel durch die Verriegelungshülse und dem Schließen der Klemme fordert. Aus dieser Forderung lässt sich jedoch nicht ableiten, dass die Verriegelungshülse „konkret“ am Schließvorgang beteiligt sein bzw. selbst „funktional“ mit der Klemme beim Schließen zusammenwirken muss. Auf welche konkrete Art und Weise die Verriegelungshülse die notwendige Mitwirkung beim Schließvorgang leistet, lässt der Anspruch vielmehr offen.“
- Die Kammer sieht auch unter Berücksichtigung des weiteren Vorbringens der Beklagten keine Veranlassung, von diesem Verständnis abzurücken.
- 1.2.2.
Die angegriffenen Clips machen unter Berücksichtigung von dem vorstehenden Verständnis auch Gebrauch von Merkmal 5. - Die Beklagten stützten sich zur Begründung einer Nichtverletzung in erster Linie darauf, dass die Klemmenschenkel („Jaws“) weit überwiegend allein durch einen Zahnradmechanismus geschlossen würden, was durch das Verbindungselement („Driver“) verwirklicht werde. Die Hülse („Housing“) sei demgegenüber nicht am Schließvorgang beteiligt, da die Klemme außerhalb der Hülse geschlossen werde und erst die geschlossene Klemme in die Hülse hineingezogen werde.
- Für die Verletzung unerheblich ist, dass sich die Klemmenschenkel in den angegriffenen Clips – von der Klägerin insoweit nicht in Abrede gestellt – auch über einen Zahnradmechanismus schließen, da das Klagepatent das Vorhandensein weiterer Schließmechanismen nicht ausschließt.
- Dass die Hülse indes – wie von den Beklagten behauptet – keinen Beitrag zum Schließen der Klemme beiträgt, vermag die Kammer nicht festzustellen. Vielmehr hat die Klägerin zur Überzeugung der Kammer aufgezeigt, dass es während des Prozesses des Hereinziehens der Klemmenschenkel in die Hülse („Housing“) an einem bestimmten Punkt des Schließvorgang zu einem Kontakt der Wände der Hülse mit der Klemme kommt. Entsprechendes wurde von den Beklagten nicht in erheblicher Art und Weise bestritten. Soweit die Beklagten die mit der Replik vorgelegten Test der Klägerin bestreitet, so hätte es ihr, da es sich um ihr eigenes Produkt handelt und die Klägerin substantiiert vorgetragen hat, oblegen aufzuzeigen, wieso es keinen Kontakt der Hülse mit den Klemmenschenkel gibt. Wie Ziffer 52 der Duplik vom 2. Dezember 2022 entnommen werden kann, gehen die Beklagten selbst davon aus, dass das „das housing den Zahnradmechanismus während des Schließvorgangs der angeblichen Klemme unterstützt“. Dieser kausale Beitrag genügt, selbst wenn es sich nicht um einen Hauptbeitrag handeln sollte. Insoweit kommt es auch nicht mehr darauf an, dass – wie die Klägerin behauptet – die Beklagten auf eine Version ihres Clips Bezug genommen haben, die nicht angegriffen wird.
- Unabhängig davon hat die Klägerin mit der Replik und den als Anlagenkonvolut VP 19 zur Akte gereichten Ablichtungen eines der angegriffenen Clips aufgezeigt, dass die in der Hülse („Housing“) vorhandenen Langlöcher mit den Pins (rote Punkte) der Klemme interagieren, indem sie als Führungskulisse dienen:
- Das OLG Düsseldorf hatte in seinem zuvor in Bezug genommen Urteil mit Blick auf einen Clip, dessen Schließmechanismus ebenfalls Führungskulissen und Pins, die Teil der Hülse waren, ein Verletzung angenommen, da die Hülse jedenfalls mittelbar einen kausalen Beitrag leistet (vgl. Rz. 151 f.)
- 1.3.
Merkmal 6, welches schon in dem diesem Hauptsachverfahren vorangegangenen Verfügungsverfahren zwischen den Parteien in Streit stand, betrifft den Halter, der lösbar mit der Verriegelungshülse gekoppelt sein muss. - 1.3.1.
Das Klagepatent setzt demnach eine temporäre, d.h. eine lösbare, Verbindung zwischen dem Halter und der Verriegelungshülse voraus, ohne dem Fachmann weitere räumlich-körperliche Vorgaben zur Art der Verbindung zu machen. Die Lehre des Klagepatents ist daher nicht auf eine formschlüssige Verbindung beschränkt, bei der die beiden Elemente im Eingriff stehen. Vielmehr stellt es das Klagepatent in das Belieben des Fachmanns, wie er die lösbare Verbindung herstellt, etwa auch über einen Kraft- oder Reibschluss oder auf eine andere geeignete Art und Weise. - Dieses Verständnis ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des Anspruchs, der auch mit Blick auf die Verbindung des Halters zur Hülse von einem Koppeln („coupled“) spricht. Dieses Verständnis des Klagepatents von dem Begriff des Koppeln ist von der hiesigen Kammer bereits in ihrem Urteil vom 12. April 2021 (Az. 4c O 62/21) vertreten worden, der in dem zwischen den Parteien geführten Verfügungsverfahren ergangen ist. Das OLG Düsseldorf hat dieses Verständnis sodann mit Urteil vom 11. August 2022 (Az. I-15 U 58/22, vorgelegt als Anlage B 12) bestätigt und unter anderem ausgeführt:
- „Auch der Umstand, dass sich die „Kopplung“ in Anspruch 1 auf einen „Halter“ bezieht, lässt den Fachmann nicht annehmen, dass hierdurch eine bestimmte Art der Verbindung von Halter und Verriegelungshülse vorgegeben wird. Denn auch ein „Halten“ muss nicht zwingend durch das Vorsehen eines Formschlusses erfolgen; ein dauerhaftes oder nur vorübergehendes, d.h. „lösbares“ „Halten“ kann sowohl durch einen Formschluss als auch durch einen Reibschluss oder andere Formen geeigneter Verbindungen gewährleistet werden. Eine bestimmte Art der Verbindung, insbesondere durch einen formschlüssigen Eingriff, ist weder dem Begriff „coupled“ bzw. „gekoppelt‘ noch dem Begriff „retainer‘ bzw. „Halter‘ zu entnehmen.“
- Zur Vermeidung von Wiederholungen wird vollumfänglich auf die Entscheidungsgründe des OLG in seinem vorstehenden Urteil (Ziffer 2 auf den Seiten 7 bis 19) Bezug genommen. Die Kammer schließt sich den Ausführungen des OLG vollumfänglich an, wobei das OLG umfassend und überzeugend dargelegt hat, wieso sich das Erfordernis eines Formschlusses weder aus der Beschreibung des Ausführungsbeispiels noch aus der Systematik des Klagepatents, einer technisch-funktionalen Betrachtung, der Einbeziehung des vom Klagepatent gewürdigten Standes der Technik oder unter Berücksichtigung des Erteilungs- und Einspruchsverfahrens ergibt.
- Auch die seitens der Beklagten mit der Duplik nach der Entscheidung des OLG vorgebrachten Argumente vermögen das von ihr vertretene Verständnis nicht zu begründen. Zum einen erschöpfen sich die Ausführungen der Beklagten weitestgehend in Wiederholungen ihres Vorbringens im Verfügungsverfahren, zu denen die Kammer und das OLG schon Stellung genommen haben. Soweit die Beklagten zuletzt (erneut) zur Begründung ihres Auslegungsergebnisses ausführlich auf im Einspruchsverfahren gestrichene Beschreibungsstellen und Ausführungsbeispiele Bezug nehmen, insbesondere die Figuren 12 bis 14 und Figur 21 nebst Absatz [0051], so hat das OLG Düsseldorf in seinem Urteil bereits umfangreich dargelegt, wieso diese gestrichenen Passagen nicht zu begründen vermögen, dass das Klagepatent in Merkmal 6 eine formschlüssige Verbdingung voraussetzt. So hießt es im letzten Absatz auf Seite 16 des OLG-Urteils:
- „Der Umstand, dass Figur 21 und der sie beschreibende Abs. [0051] im Einspruchsverfahren gestrichen wurden, ist für die Auslegung von Merkmal 6 allerdings ohne Bedeutung. Die Streichung erfolgte nämlich lediglich deswegen, weil Abs. [0051] von einem „outer sleeve“ statt von einem „lock sleeve“ (der Verriegelungshülse) gesprochen hat, während die Ausführungsform gemäß Figur 1 abweichend davon mit dem „outer sleeve“ die sogenannte Außenhülse (die patentgemäße axial steife Hülle) bezeichnet hat. Die Streichung von Figur 21 erfolgte damit zur Vermeidung von begrifflichen Widersprüchen im Hinblick auf die „outer sleeve“. Zu Recht weisen die Verfügungsbeklagten darauf hin, dass sich deshalb aus der Streichung der Figur 21 und des sie beschreibenden Abs. [0051] keine Konsequenzen für das erfindungsgemäße Verständnis der „Kopplung“ des Halters mit der Verriegelungshülse ergeben.“
-
1.3.2.
Unter Berücksichtigung dieses Verständnisses macht die angegriffene Ausführungsform Gebrauch von Merkmal 6, da der Halter („Cath Attach“) unstreitig mit der Hülse („Housing“) in einem reibschlüssigen Kontakt steht, der für eine Kopplung im Sinne des Merkmal 6 ausreichend ist. - 1.4.
Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht auch das Merkmal 8.b, gemäß dem der Steuerdraht durch das Betätigungselement der Merkmalsgruppe 8 in Eingriff nehmbar ist, um die mindestens zwei Klemmenschenkel zu öffnen und die mindestens zwei Klemmenschenkel zu schließen und den Steuerdraht von der Klemme abzukoppeln. - Wie zuvor mit Blick auf die Merkmalsgruppe 3 unter Ziffer 1.1.1 ausgeführt, setzt das Klagepatent keine bestimmte Art der Verbindung des Steuerdrahtes mit der Klemme voraus, erst recht keine unmittelbare Verbindung dieser beiden Elemente, jedenfalls solange die Verbindung lösbar ist, damit der Steuerdraht von der Klemme abgekoppelt werden kann. Insoweit ist unschädlich, dass die Klemme bzw. die Klemmenschenkel („Jaws“) in der angegriffenen Ausführungsform nur mittelbar über den Driver (Verbindungselement) mit dem Steuerdraht in Form des j-Hakens gekoppelt ist. Da es sich bei dem Driver – wie in Ziffer 1.1. ebenfalls dargelegt – nicht um einen Teil des Steuerdrahtes handelt, ist es mit Blick auf Merkmal 8.b unschädlich, dass dieser mit den Klemmschenkeln im Körper des Patienten verbleibt, da es nach der Trennung des Steuerdrahtes von dem Driver keine Verbindung mehr zur Klemme gibt und der Steuerdraht damit abgekoppelt ist.
- 1.5.
Schließlich verwirklicht die angegriffene Ausführungsform auch Merkmal 9, welches die Halterlösungsanordnung näher beschreibt. Danach kann die Halterlösungsanordnung einen Eingriff mit dem Halter herstellen, um den Halter von der Verriegelungshülse abzukoppeln. - Auch dieses Merkmal ist von den Parteien im vorangegangenen Verfügungsverfahren umfassend diskutiert und von der Kammer und dem OLG gewürdigt worden. Wie das OLG Düsseldorf unter lit. b) auf der Seite 19 f. seines Urteils (Anlage B 12) dargelegt hat, handelt es sich bei der Halterlösungsanordnung um ein Bauteil, „das dazu geeignet ist, im Zusammenwirken mit dem Halter dafür zu sorgen, dass die im Körper verbleibende Klemme nebst Verriegelungshülse von den übrigen Bestandteilen der Vorrichtung abgekoppelt werden kann, damit letztere aus dem Körper des Patienten entfernt werden können“.
- Weiter stellt das OLG in Bestätigung der erstinstanzlichen Entscheidung der Kammer auf Seite 20 unter lit. aa) fest:
- „Merkmal 9 fordert im Hinblick auf die konstruktive Ausgestaltung der Halterlösungsanordnung nämlich nur, dass diese einen Eingriff mit dem Halter herstellen kann, um den Halter von der Verriegelungshülse abzukoppeln. Konkrete räumlich-körperliche Vorgaben an ein entsprechendes Bauteil stellt Merkmal 9 nicht auf. Insbesondere verlangt Merkmal 9 nicht, dass die dort geforderte Halterlösungsanordnung als separate Anordnung neben der in Merkmal 3 beanspruchten Kopplung des Steuerdrahts mit der Klemme vorliegen muss. Vielmehr ist es sowohl nach dem Wortlaut als auch nach dem Wortsinn des Anspruchs unter Berücksichtigung systematischer und/oder funktionaler Aspekte ebenso möglich, dass dieselbe Anordnung sowohl die in Merkmal 3 beanspruchte Kopplung bzw. Abkopplung des Steuerdrahts mit bzw. von der Klemme als auch die in Merkmal 9 geforderte Abkopplung des Halters von der Verriegelungshülse gewährleistet.“
- Die Beklagten haben ihre mit der Klageerwiderung nur pauschal begründete Ansicht, dass es sich bei einer Halterlösungsanordnung im Sinne des Klagepatents um ein separates Bauteil handeln muss, in Ansehung der Entscheidung des OLG aufrechterhalten, mit der Duplik allerdings keine weiteren Argumente vorgebracht, aus welchem Grund die Ansicht des OLG falsch sein sollte. Soweit sie als einziges Argument auf Absatz [0030] Bezug genommen haben, so ist dieser Absatz, wie auch die Absätze [0029] und [0031] vom OLG bereits umfassend gewürdigt worden. Insoweit führt das OLG aus:
- „Allerdings weiß der Fachmann, dass es sich bei den Figuren 1 bis 7 der Verfügungspatentschrift (nur) um die Beschreibung bzw. Illustration eines bevorzugten Ausführungsbeispiels handelt, auf dessen Sinngehalt die Erfindung in ihrer gesamten Breite allgemeinen Grundsätzen zufolge nicht beschränkt ist. Dieser Grundsatz wurde oben zu Merkmal 6 bereits ausführlich dargestellt. Die dortigen Erwägungen gelten für Merkmal 9 sinngemäß. Maßgeblich ist auch hier, ob die technische Lehre – ausnahmsweise – ausschließlich dann verwirklicht werden kann, wenn die in den Ausführungsbeispielen gezeigte Ausbildung gegeben ist. Es ist hingegen nicht festzustellen, dass die von dem in der Verfügungspatentschrift gezeigten Ausführungsbeispiel vorgesehene separate Ausführung der Kopplungs-bzw. Abkopplungsanordnungen nach den Merkmalen 3 und 9 für die Lehre des geltend gemachten Anspruchs 1 zwingend ist.
- Insbesondere gibt die erfindungsgemäße Lehre eine bestimmte Reihenfolge der Abkopplungsvorgänge, die ggf. eine separate Anordnung der sie bewirkenden Bauteile erforderlich machen würde, nicht vor.“
- Die Kammer macht sich diese Ausführungen zu Eigen.
- Unter Berücksichtigung dieses Verständnisses besteht an der Verwirklichung auch von Merkmal 9 kein Zweifel, da unschädlich ist, dass der j-Haken („Sheperd’s Hook“) Teil des Steuerdrahtes und kein separates Bauteil ist.
- 2.
Aus der Verletzung des Klagepatentes ergeben sich nachfolgende Rechtsfolgen: - 2.1.
Die Beklagten haben das Klagepatent bis zu dessen Ablauf der Schutzdauer am 20. September 2022 widerrechtlich benutzt. - 2.2.
Die Beklagten trifft ein zumindest fahrlässiges Verschulden. Denn die Beklagten als Fachunternehmen hätten bei Anwendung der von ihr im Geschäftsverkehr zu fordernden Sorgfalt die Benutzung des Klagepatents erkennen und vermeiden können, § 276 BGB. Für die Zeit ab Erteilung des Klagepatents bis zu dessen Ablauf am 20. September 2022 schulden die Beklagten daher Ersatz des Schadens, welcher der Klägerin entstanden ist und noch entstehen wird, Art. 64 EPÜ, § 139 Abs. 2 PatG. Da die genaue Schadensersatzhöhe derzeit noch nicht feststeht, die Klägerin nämlich keine Kenntnis über den Umfang der Benutzungs- und Verletzungshandlungen durch die Beklagten hat, hat sie ein rechtliches Interesse gemäß § 256 ZPO daran, dass die Schadensersatz- und Entschädigungspflicht der Beklagten dem Grunde nach festgestellt wird, wobei der Anspruch zeitlich auf den Ablaufs der Schutzdauer des Klagepatentes zu beschränken war. - 2.3.
Um die Klägerin in die Lage zu versetzen, den ihr zustehenden Schadensersatz und die ihr zustehende angemessene Entschädigung zu beziffern, sind die Beklagten verpflichtet, im zuerkannten Umfang über ihre Benutzungshandlungen bis zum Ablauf der Schutzdauer des Klagepatentes Rechnung zu legen, § 140b PatG i.V.m. § 242 BGB. - Nach der mittlerweile etablierten Rechtsprechung der Düsseldorf Kammern (vgl. LG Düsseldorf, Urt. v. 21. September 2017, Az. 4a O 18/16, Rz. 224, zitiert nach juris; Kühnen, Hdb. der Patentverletzung, 15. Aufl. Kap. D., Rn. 884) kann die Klägerin – nach ihrer Wahl – Auskunft und Rechnungslegung nur dann auch in elektronischer Form , d.h. neben der grundsätzlich schriftlich geschuldeten Form, verlangen, soweit die entsprechenden Belege bei den Beklagten auch bereits elektronisch vorliegen. Die Klägerin hat demzufolge keinen Anspruch darauf, dass die Beklagten die bei ihnen vorhandenen Dokumente in eine elektronische Form überführen.
- 2.4.
Die Beklagten sind nach Art. 64 EPÜ, § 140a Abs. 1 und 3 PatG in der zuerkannten Weise auch zur Vernichtung und zum Rückruf der das Klagepatent verletzenden Gegenstände verpflichtet. Ein Wirkungsverlust des Patents schließt die genannten Ansprüche nicht aus. Betroffen sind diejenigen Gegenstände, die vor dem Zeitpunkt des Wirkungsverlusts in die Vertriebswege gelangt sind (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 23. Januar 2020, I-2 U 3/19; Schulte/Voß, PatG, 11. Aufl. § 140a PatG Rn. 9 und 36). - Nach der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Düsseldorf sowie des Landgerichts Düsseldorf stellt zudem das Entfernen aus den Vertriebswegen einen Bestandteil des Rückrufes dar, da der Verletzer mit dem Rückruf die Bereitschaft zu Ausdruck bringt, die zurückgegebenen Gegenstände wieder an sich zu nehmen (vgl. OLG Düsseldorf, InstGE 12, 88 – Cinch-Stecker). Grundsätzlich kann der Verletzte daher gemäß § 140a Abs. 3 PatG vom Verletzer neben dem Rückruf kumulativ auch Entfernung der patentverletzenden Gegenstände aus den Vertriebswegen verlangen (vgl. BGH GRUR 2017, 785, 785 f. – Abdichtsystem; Grabinski/Zülch in Benkard, Kommentar zum PatG, 11. Auflage, § 140a, Rn. 19). Im Vergleich zum Rückruf genügt dabei nicht der Appell an den Besitzer zu einer freiwilligen Rückgabe; wegen der Endgültigkeit sind vielmehr gesteigerte Bemühungen erforderlich, die verlangen, dass bestehe Rückforderungsansprüche, notfalls mit gerichtlicher Hilfe, durchgesetzt werden. Allerdings gilt der Vorbehalt des – rechtlich und tatsächlich – Möglichen auch hier, so dass der Verbleib verletzender Erzeugnisse etwa nur unter Auswertung bekannter und verfügbarer Erkenntnisse aufgeklärt werden muss. (vgl. Kühnen, a.a.O., Kap. D., Rn. 916 m.w.N.). Im Klageantrag ist konkret anzugeben, welche Entfernungsmaßnahme verlangt wird, denn ohne eine nähere Konkretisierung dazu, welche Maßnahmen genau verlangt werden, ist das Begehren nichtssagend und deswegen prozessual unzulässig (vgl. Kühnen, a.a.O., Kap. D., Rn. 978; aA Grabinski/Zülch/Benkard, a.a.O., § 140a, Rn. 20).
- Unbegründet ist der Vernichtungsanspruch allerdings gegenüber der Beklagten zu 3), da diese im Ausland ansässig ist. Kann bei einem inländischen Verletzer regelmäßig stillschweigend von Eigentum/Besitz im Inland ausgegangen werden, bedarf es bei einem ausländischen Verletzer schlüssigen Sachvortrags des Verletzten zum Eigentum/Besitz im Inland (OLG Düsseldorf, InstGE 7, 139 – Thermocycler). Dabei genügt der Vortrag einer aktiven Beteiligung an Vertriebshandlungen deutscher Vertriebsunternehmen nicht, um Eigentum/Besitz des ausländischen Unternehmens im Inland zu begründen.
- III.
Mit Blick auf die von den Beklagten gegen das Klagepatent Klageschutzrechte eingewandten Entgegenhaltungen ist eine Aussetzung des Rechtsstreits gemäß § 148 ZPO bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung der Beschwerdekammer des Europäischen Patentamtes im Einspruchsverfahren gegen das Klagepatent nicht geboten. - 1.
Nach Auffassung der Kammern (Mitt. 1988, 91 – Nickel-Chrom-Legierung, BlPMZ 1995, 121 – Hepatitis-C-Virus), die durch das Oberlandesgericht Düsseldorf (GRUR 1979, 188 – Flachdachabläufe; Mitt. 1997, 257, 258 – Steinknacker) und den Bundesgerichtshof (GRUR 1987, 284 – Transportfahrzeug; GRUR 2014, 1237 ff. – Kurznachrichten) bestätigt wurde, stellen ein Einspruch gegen das Klagepatent oder die Erhebung der Nichtigkeitsklage als solche noch keinen Grund dar, den Verletzungsrechtsstreit auszusetzen, da dies faktisch darauf hinauslaufen würde, dem Angriff auf das Klagepatent eine den Patentschutz hemmende Wirkung beizumessen, die dem Gesetz fremd ist (§ 58 Abs. 1 PatG). Die Interessen der Parteien sind vielmehr gegeneinander abzuwägen. - Wenn das Klagepatent mit einem Einspruch oder mit einer Patentnichtigkeitsklage angegriffen ist, verurteilt das Verletzungsgericht, wenn es eine Verletzung des in Kraft stehenden Patents bejaht, grundsätzlich nur dann wegen Patentverletzung, wenn es eine Nichtigerklärung nicht für (hinreichend) wahrscheinlich hält; andernfalls hat es die Verhandlung des Rechtsstreits nach § 148 ZPO auszusetzen, bis jedenfalls erstinstanzlich über die Nichtigkeitsklage entschieden ist (BGH, GRUR 2014 1238 – Kurznachrichten). Denn eine – vorläufig vollstreckbare – Verpflichtung des Beklagten zur Unterlassung, Auskunftserteilung, Rechnungslegung, zum Rückruf sowie zur Vernichtung patentgemäßer Erzeugnisse ist regelmäßig nicht zu rechtfertigen, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten steht, dass dieser Verurteilung durch die Nichtigerklärung des Klagepatents die Grundlage entzogen werden wird. Der aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) in Verbindung mit den Grundrechten folgende und damit verfassungsrechtlich verbürgte Justizgewährungsanspruch gebietet es, dem Verletzungsbeklagten wirkungsvollen Rechtsschutz zur Verfügung zu stellen, wenn er sich gegen den Angriff aus dem Klagepatent mit einem Gegenangriff auf den Rechtsbestand dieses Patents zur Wehr setzen will. Dies erfordert nicht nur eine effektive Möglichkeit, diesen Angriff selbst durch eine Klage auf Nichtigerklärung bzw. durch Erhebung eines Einspruchs führen zu können, sondern auch eine angemessene Berücksichtigung des Umstands, dass in diesem Angriff auch ein – und gegebenenfalls das einzige – Verteidigungsmittel gegen die Inanspruchnahme aus dem Patent liegen kann. Wegen der gesetzlichen Regelung, die für die Ansprüche nach §§ 139 ff. PatG lediglich ein in Kraft stehendes Patent verlangt und für die Beseitigung dieser Rechtsposition nur die in die ausschließliche Zuständigkeit des Patentgerichts fallende Nichtigkeitsklage zur Verfügung stellt, kann der Angriff gegen das Klagepatent anders als in anderen Rechtsordnungen nicht als Einwand im Verletzungsverfahren oder durch Erhebung einer Widerklage auf Nichtigerklärung geführt werden. Dies darf indessen nicht dazu führen, dass diesem Angriff jede Auswirkung auf das Verletzungsverfahren versagt wird. Die Aussetzung des Verletzungsstreits ist vielmehr grundsätzlich, aber auch nur dann geboten, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass das Klagepatent dem erhobenen Einspruch/der anhängigen Nichtigkeitsklage nicht standhalten wird (BGH, GRUR 2014 1238 – Kurznachrichten). Dies kann regelmäßig dann nicht angenommen werden, wenn der Nichtigkeitsangriff darauf gerichtet ist, die Neuheit oder die erfinderische Tätigkeit bei Findung der klagepatentgemäßen Lehre in Frage zu stellen, sich jedoch für eine Bejahung der Patentierbarkeit, die auch insoweit von der wertenden Beurteilung der hierfür zuständigen Instanzen abhängt, noch vernünftige Argumente finden lassen. Gleiches gilt in Fällen, in denen der dem Klagepatent entgegengehaltene Stand der Technik bereits im Erteilungsverfahren berücksichtigt oder das Klagepatent erstinstanzlich aufrechterhalten worden ist (vgl. Kühnen, a.a.O., Kap. E., Rn. 868 f.).
- Wurde das Klagepatent bereits in einem Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren bestätigt, so hat das Verletzungsgericht grundsätzlich die von der zuständigen Fachinstanz (DPMA, EPA, BPatG) nach technisch sachkundiger Prüfung getroffene Entscheidung über die Aufrechterhaltung des Klagepatents hinzunehmen (so zuletzt zum Vorbescheid: OLG Düsseldorf, Urt. v. 4. März 2021, Az. I-2 U 25/20, GRUR-RS 2021, 4420).
- Grund, die parallele Rechtsbestandsentscheidung in Zweifel zu ziehen und von einer Verurteilung vorerst abzusehen, besteht nur dann, wenn das Verletzungsgericht die Argumentation der Einspruchs- oder Nichtigkeitsinstanz für nicht vertretbar hält oder wenn der Angriff auf den Rechtsbestand nunmehr auf (z. B. neue) erfolgversprechende Gesichtspunkte gestützt wird, die die bisher mit der Sache befassten Stellen noch nicht berücksichtigt und beschieden haben (OLG Düsseldorf, Urt. v. 6. Dezember 2012, Az.: I-2 U 46/12, BeckRS 2013, 13744; Kühnen, a.a.O. Kap. E, Rn. 720). Im Regelfall ist es nicht angängig, den Verletzungsrechtsstreit trotz der erstinstanzlichen Aufrechterhaltung des Schutzrechts auszusetzen und von einer Verurteilung (vorerst) abzusehen, indem das Verletzungsgericht seine eigene Bewertung des technischen Sachverhaltes an die Stelle der ebenso gut vertretbaren Beurteilung durch die zuständige Einspruchs- oder Nichtigkeitsinstanz setzt (zum Verfügungsverfahren: OLG Düsseldorf, Urt. v. 19. Februar 2016, Az.: I-2 U 55/15, BeckRS 2016, 06345; Urt. v. 18. Dezember 2014, Az.: I-2 U 60/14, BeckRS 2015, 01029; Urt. v. 10. November 2011, Az.: I-2 U 41/11; Urt. v. 31. August 2017, Az.: I-2 U 71/16, BeckRS 2017,129336; Urt. v. 05. Juli 2018, Az.: I-2 U 41/17). Geht es nicht darum, dass z.B. Passagen einer Entgegenhaltung von der Einspruchsabteilung oder dem Bundespatentgericht übersehen und deshalb bei seiner Entscheidungsfindung überhaupt nicht in Erwägung gezogen worden sind, sondern dreht sich der Streit der Parteien darum, welche technische Information dem im Bestandsverfahren gewürdigten Text aus fachmännischer Sicht zu entnehmen ist und welche Schlussfolgerungen der Durchschnittsfachmann hieraus aufgrund seines allgemeinen Wissens zu ziehen imstande gewesen ist, sind die Rechtsbestandsinstanzen aufgrund der technischen Vorbildung und der auf dem speziellen Fachgebiet gegebenen beruflichen Erfahrung ihrer Mitglieder eindeutig in der besseren Position, um hierüber ein Urteil abzugeben. Es ist daher prinzipiell ausgeschlossen, dass sich das Verletzungsgericht mit (notwendigerweise laienhaften) eigenen Erwägungen über das Votum der technischen Fachleute hinwegsetzt (OLG Düsseldorf, Urt. v. 22. März 2019, Az.: I-2 U 31/16, BeckRS 2019, 6087).
- 2.
Ausgehend von diesen Grundsätzen kommt eine Aussetzung des Rechtsstreits bis zum rechtskräftigen Abschluss des Einspruchsbeschwerdeverfahrens vorliegend nicht in Betracht. Anhaltspunkte dafür, warum die Entscheidung der Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamtes vom 9. Dezember 2021 offensichtlich unrichtig sein sollten, haben die Beklagten weder aufzuzeigen vermocht, noch sind solche Gründe ersichtlich. - Das OLG Düsseldorf sah in seinem Berufungsurteil aus dem parallelen Verfügungsverfahren – ebenso wie die Kammer zuvor – keine Veranlassung, sich über die Entscheidung der technisch fachkundig besetzten Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamtes hinwegzusetzen (vgl. dritter Absatz auf Seite 25 des OLG-Urteils, Anlage B 12). Insoweit hat sich das OLG auch mit der seitens der Beklagten als neuheitsschädlich in Bezug genommenen US-Schrift US 3,XXX XXX (vorgelegt als Anlage B 18, in deutscher Übersetzung vorgelegt als Anlage B 18/2; nachfolgend XXX) auseinandergesetzt und konnte eine offensichtlich fehlerhafte Würdigung dieser Entgegenhaltung durch die Einspruchsabteilung nicht feststellen. Die Einspruchsabteilung sah durch XXX die Möglichkeit des reversiblen Öffnens und Schließens der Klemmschenkel (Merkmal 3.b) ebenso wie eine Halterlösungsanordnung im Sinne von Merkmal 9 als nicht hinreichend offenbart.
- In der Klageerwiderung haben die Beklagten zu der Frage, wo der Fachmann XXX hinreichend sicher und eindeutig ein mehrfaches Öffnen und Schließen der Klemme entnehmen kann, nichts ausgeführt. Soweit sie mit der Duplik erstmals Bezug genommen haben auf die Offenbarung des Merkmal 3.b durch XXX, so vermochte die Kammer nicht festzustellen, dass die Entscheidung der Einspruchsabteilung offensichtlich unrichtig ist.
- Soweit die Beklagten Bezug nehmen auf verschiedene Passagen der Beschreibung in XXX (bspw. Spalte 5, Zeilen 14 bis 18, Spalte 4, Zeilen 34 bis 38) sowie auf die Figuren 1, 6 und 7, so gestehen sie im weiteren Verlauf zu (Rz. 80 der Duplik), dass die Reversibilität der Klemme in XXX „nicht ausdrücklich erwähnt“ werde. Die Beklagten stützten sich daher auf eine implizite Offenbarung dieses Merkmals, etwa in nachfolgender Figur 1 von XXX, die mit den Anmerkungen der Seite 4 der Anlage B 9 entnommen wurde:
- In XXX ist beschrieben, dass sich die Klemme (11) durch proximales Ziehen am Steuerdraht (19) erst öffnet und dann schließt, wenn die Abschnitte 11b in die Aussparung (16a) eingreifen und die Klemme dadurch verriegelt wird. An keiner Stelle wird – wie auch das OLG festgestellt hat – ein distales Schieben des Steuerdrahtes beschrieben, welches ggf. ein reversibles Öffnen der Klemme ermöglichen könnte. Dagegen spricht, dass XXX vielmehr davon ausgeht, dass der Clip beim Zurückziehen in den Halter eingeklemmt wird. Der Clip wird in proximale Richtung in den Halter gezogen, damit über dessen Einpressen die Klemmenschenkel zunächst geöffnet und dann bei weiterer Bewegung verschlossen werden können (vgl. Anlage B 12, Sp. 6 Zeilen 3 ff. „to cause the offset portions to be urgingly pressed to move the clamping portions of the clip member to an opened position, adapted to be forcefully engaged with the intersecting portions of the clip member, when the hook member is further retracted by the first actuating means, to cause the clamping portions of the clip member to be closed to clip the affected portion of the body cavity, and adapted to be left…“). Dass bei einer solchen Einpressung eine Verschiebung in distale Richtung erfolgen kann, um eine Reversibilität zu bewerkstelligen, ist nicht zu erkennen. Vielmehr besteht die Gefahr, dass sich bei einem Schieben des Steuerdrahts in distale Richtung dieser ungewollt von der Klemme abkoppelt und so eine halb geöffnete und damit nicht arretierte Klemme im Körper des Patienten verbleibt, was zu erheblichen Gefahren führt. Daher ist auch nicht zu erkennen, aus welchem Grund der Fachmann – wie die Beklagten meinen – auf diese Bewegung des Steuerdrahtes bei der Lektüre von XXX kommen sollte, zumal das reversible Öffnen der Klemme keine Aufgabenstellung von XXX ist. Diese Schrift hat sich vielmehr zur Aufgabe gestellt, die vorbekannte Vorrichtung mit Federvorspannung so weiterzuentwickeln, dass ein größerer Öffnungswinkel erreicht werden kann. Allein der pauschale Verweis auf ein entsprechendes Fachwissens des Fachmanns genügt nicht, um entsprechende Überlegungen des Fachmanns zum Prioritätszeitpunkt zu belegen.
- Daran ändern auch die als Anlage B 9_1 (in deutscher Übersetzung als Anlage B 9_2) und B 10_1 (in deutscher Übersetzung als Anlage B 10_2) vorgelegten Gutachten des Herrn Prof. XXX von der School of Engineering an der XXX University in den Vereinigten Staaten (XXX) nichts, da auch Prof. XXX ohne weitere Begründung nur pauschal behauptet, dass der Fachmann XXX ein distales Schieben zum reversiblen Öffnen der Klemme entnehmen könnte (vgl. Seite 7 der Anlage B 9_2).
- IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO. - Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 709, 108 ZPO.
- Der Streitwert wird auf 1.000.000,- EUR festgesetzt. Davon entfallen 100.000,- EUR auf eine gesamtschuldnerische Haftung der Beklagten.
- Dass die Klägerin den Rechtstreit in der Hauptsache betreffend den Unterlassungsanspruch im Hinblick auf den Ablauf der gesetzlichen Schutzdauer des Klagepatents einseitig für erledigt erklärt hat, hat keinen Einfluss auf den Streitwert (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 3. August 2009, I-2 U 154/08, BeckRS 2009, 89467).