4c O 12/16 – Komprimiervorrichtung für Datenpakete

Düsseldorfer Entscheidungen Nr. 3209

Landgericht Düsseldorf

Urteil vom 01. März 2022, Az. 4c O 12/16

  1. I. Die Klage wird abgewiesen
  2. II. Die Kosten des Rechtstreits trägt die Klägerin.
  3. III. Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
  4. Tatbestand
  5. Die Klägerin ist (…). Mit der vorliegenden Klage nimmt sie die Beklagte, ein Tochterunternehmen der A-Gruppe, wegen der Verletzung des zwischenzeitlich abgelaufenen, europäischen Patents EP 1 280 XXX B1 (Anlage K 2, deutsche Übersetzung (DE 694 34 XXX T2) Anlage K 3, im Folgenden „Klagepatent“) auf Auskunft, Rechnungslegung und Feststellung der Schadensersatzverpflichtung in Anspruch.
  6. Die Anmeldung des Klagepatents erfolgte am 29. Dezember 1994 in englischer Verfahrenssprache unter Inanspruchnahme einer Priorität der niederländischen Patentanmeldungen NL 940 XXX vom 21. Januar 1994 und NL 940 XXX vom 25. November 1994. Am 3. Mai 2006 wurde der Hinweis auf die Patenterteilung veröffentlicht. Mit Schriftsatz vom 2. September 2016 hat die Beklagte Nichtigkeitsklage beim Bundespatentgericht erhoben. Mit Urteil vom 15. November 2017 erklärte das Bundespatentgericht den vorliegend maßgeblichen Patentanspruch 21 für nichtig. Mit der hiergegen gerichteten Berufung hielt der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 11. August 2020 Patentanspruch 21 in eingeschränktem Umfang aufrecht (Anlage K 20, nachfolgend: BGH-Urteil).
  7. Das Klagepatent betrifft Verfahren und Vorrichtungen zur Transformierung einer Serie von Datenpaketen mit Hilfe von Datenkompression. Der geltend gemachte Anspruch 21 des Klagepatents hat in der maßgeblichen englischen Fassung in der eingeschränkt aufrechterhaltenen Fassung nachfolgenden Wortlaut:
  8. „Device for compressing data packets, comprising input means for receiving a first series of data packets each having a header field and a data field, identification means for determining the channel (A, B, …..) of the data packets received, processing means for compressing the data field of each data packet to be compressed, and output means for forming a second series of data packets each having a header field and a data field, and for accommodating, in the data field of a data packet of the second series, a compressed data field of the first series, characterized in that processing means are provided for compressing, per channel (A, B,…..) data to be accommodated in a data field of the second series and for accommodating, in each data field of the second series, data of only one channel (e.g. A) and buffer means are provided for buffering, per channel (A, B, …) compressed data to be accommodated in a data field of the second series.”
  9. In der deutschen Übersetzung lautet Anspruch 21 des Klagepatents in der eingeschränkt aufrechterhaltenen Fassung mit der Wortgebung des BGH-Urteils:
  10. „Vorrichtung zum Komprimieren von Datenpaketen, umfassend Eingangsmittel zum Empfangen einer ersten Folge von Datenpaketen, die jeweils ein Kopffeld und ein Datenfeld aufweisen, Identifizierungsmittel zum Erkennen der Kanalzugehörigkeit (A, B, …) der empfangenen Datenpakete, Verarbeitungsmittel zum Komprimieren des Datenfeldes jedes zu komprimierenden Datenpakets, Ausgabemittel zum Formen einer zweiten Folge von Datenpaketen, die jeweils ein Kopffeld und ein Datenfeld aufweisen, und um in das Datenfeld eines Datenpakets der zweiten Folge ein komprimiertes Datenfeld der ersten Folge unterzubringen, dadurch gekennzeichnet, dass Verarbeitungsmittel zur kanalweise Komprimierung von Daten bereitgestellt werden, die in ein Datenfeld der zweiten Folge unterzubringen sind, und um in jedes Datenfeld der zweiten Folge Daten von nur einem Kanal (z.B. A) unterzubringen und Puffermittel zum Puffern von komprimierten Daten von jedem Kanal (A, B, …) vorgesehen sind, die in ein Datenfeld der zweiten Abfolge unterzubringen sind.“
  11. Die nachstehend verkleinert wiedergegebenen Zeichnungen sind dem Klagepatent entnommen. Figur 1 zeigt eine schematische Ansicht der Wandlung einer ersten Folge von Datenpaketen in eine zweite Folge von Datenpaketen; Figur 3 zeigt eine schematische Darstellung des Verfahrens gemäß der Erfindung bezogen auf das B-Modell und Figur 4 eine schematische Darstellung eines ersten Ausführungsbeispiels einer Vorrichtung zum Komprimieren und/oder Dekomprimieren von Datenpaketen gemäß der Erfindung.
  12. Die Beklagte vertrieb und bewarb während der Laufzeit des Klagepatentes u.a. in Deutschland GSM/GPRS-fähige Mobiltelefone (Smartphones), Tablet Computer und Notebooks, unter anderem die Modelle „C“ und „D“ (im Folgenden „angegriffene Ausführungsformen“).
  13. Die Klägerin ließ einige der angegriffenen Mobiltelefone der Beklagten durch das Unternehmen E untersuchen. Die Untersuchung, deren Durchführungsmethodik ursprünglich durch die Beklagte in Zweifel gezogen wurde, ergab, dass die untersuchten Geräte die grundsätzliche Fähigkeit zur Datenkomprimierung in der SNDCP-Schicht unterstützen. Auf den Untersuchungsbericht nach Anlage K 13 wird Bezug genommen.
  14. Die Datenkomprimierung in der SNDCP-Schicht ist Bestandteil des ETSI TS XXX 065 V4.3.X (XX09) Standards mit dem Titel „XXX (…)
  15. Die Klägerin und die A Corporation schlossen mit Datum vom 21. Oktober/30. Oktober 2009 eine Vereinbarung „XXXt“, welche als Anlage KAP 1 (in deutscher Übersetzung Anlage KAP 1a) vorgelegt wurde und auf welche wegen dessen Inhalts Bezug genommen wird.
  16. Die Klägerin ist der Auffassung, die angegriffenen Ausführungsformen unterstützten eine Datenkomprimierung und -dekomprimierung in der SNDCP-Schicht gemäß dem SNDCP-Standard (Anlage K 11) in klagepatentgemäßer Weise. Es komme nicht darauf an, ob die angegriffenen Ausführungsformen die Datenkomprimierungsfunktion konkret nutzten, sondern es reiche aus, wenn diese geeignet seien, die SNDCP-Datenkompression auszuführen. Es obliege der Beklagten, im Einzelnen und substantiiert darzutun, warum welche angegriffenen Ausführungsformen von der Datenkomprimierungsfunktion keinen Gebrauch machen bzw. keinen Gebrauch machen könnten.
  17. Die Datenkomprimierung in der SNDCP-Schicht gemäß der Standardspezifikation erfolge gemäß der Lehre nach dem Klagepatent. Eine Vorrichtung, welche geeignet sei vom SNDCP-Standard Gebrauch zu machen, weise Kanäle im Sinne des Klagepatentes auf. Hierzu reiche das Vorhandensein logischer Kanäle aus, was auch vom BGH in seinem Nichtigkeitsberufungsurteil so vertreten worden sei. Soweit der BGH von einer logischen Verbindung zwischen Endgeräten auf der Sender- und Empfängerseite gesprochen habe, sei weder spezifiziert worden, was unter einem Endgerät zu verstehen sei noch sei gesagt worden, dass die logische Verbindung unmittelbar zwischen Endgeräten bestehen müsse. Insofern liege eine logische Verbindung zwischen einer Mobilstation und dem SGSN ohne weiteres vor.
    Eine Vorrichtung, welche geeignet sei vom SNDCP-Standard Gebrauch zu machen, sehe auch Verarbeitungsmittel zum Komprimieren des Datenfeldes von jedem zu komprimierenden Datenpaket vor. Das Klagepatent sei insoweit nicht darauf beschränkt lediglich das Datenfeld zu komprimieren; gleichermaßen könne auch das Kopffeld komprimiert werden. Entsprechendes ergebe sich aus dem breit gefassten Anspruchswortlaut sowie mit Blick auf ein Ausführungsbeispiel, welches ausdrücklich nur die Komprimierung des Datenfeldes vorsehe. Insoweit sei es ohne Relevanz, dass im SNDCP-Standard nicht nur das Datenfeld sondern auch das Kopffeld komprimiert werde.
    Letztlich seien die angegriffenen Ausführungsformen auch geeignet zum Puffern von komprimierten Daten von jedem Kanal, die in ein Datenfeld der zweiten Abfolge unterzubringen seien. Hierzu sei erforderlich, dass Puffermittel vorhanden seien, die gleichzeitig und kanalrein komprimierte Daten vorhalten und speichern könnten. Entsprechendes sehe auch der SNDCP-Standard vor. Figur 4 lasse sich entnehmen, dass nach der Komprimierung eine Segmentierung erfolge und komprimierte Daten in zweite Datenfelder eingebracht würden. Es müssten daher immer dann, wenn ein Datenpaket der ersten Abfolge eines bestimmten logischen Kanals bzw. einer logischen Quelle, d.h. eines bestimmten PDP-Kontextes, nicht komplett verarbeitet und in ein Datenfeld der zweiten Abfolge eingefügt werden könne, die segmentierten, zurückbehaltenen und noch nicht verarbeiteten Teile gespeichert werden und zwar gleichzeitig für die unterschiedlichen Kanäle in einem dazu geeigneten Speicher. Bei einer geeigneten SNDCP-Vorrichtung müsse dies zwangsläufig erfolgen.
  18. Die Klägerin beantragt, nachdem sie in der mündlichen Verhandlung Ansprüche erst ab dem 6. September 2010 geltend gemacht und im Übrigen die Klage mit Zustimmung der Beklagten teilweise zurückgenommen hat,
  19. I. die Beklagte zu verurteilen,
  20. der Klägerin unter Vorlage eines einheitlichen, geordneten Verzeichnisses vollständig darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie vom 6. September 2010 bis zum 29. Dezember 2014
  21. Vorrichtungen zum Komprimieren von Datenpaketen, umfassend eine Eingangseinheit zum Empfangen einer ersten Abfolge von Datenpaketen, die jeweils ein Kopffeld und ein Datenfeld aufweisen, eine Identifikationseinheit zum Bestimmen des Kanals der empfangenen Datenpakete, eine Verarbeitungseinheit zum Komprimieren des Datenfeldes von jedem zu komprimierenden Datenpaket, und eine Ausgangseinheit zum Ausbilden einer zweiten Abfolge von Datenpaketen, die jeweils ein Kopffeld und ein Datenfeld haben, und zum Einpassen eines komprimierten Datenfels der ersten Abfolge in das Datenfeld eines Datenpakets der zweiten Abfolge,
  22. in der Bundesrepublik Deutschland angeboten, in Verkehr gebracht, oder gebraucht, oder zu den genannten Zwecken entweder eingeführt oder besessen hat,
  23. bei denen Verarbeitungsmittel zum Komprimieren je Kanal von in eine Datenfeld der zweiten Abfolge einzupassende Daten und zum Einpassen von Daten von nur einem Kanal in jedes Datenfeld der zweiten Abfolge vorgesehen sind,
  24. und Puffermittel zum Puffern von komprimierten Daten von jedem Kanal vorgesehen sind, die in ein Datenfeld der zweiten Abfolge unterzubringen sind,
  25. und zwar unter Angabe
  26. a) der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer sowie der Einkaufspreise,
  27. b) der einzelnen Lieferungen und Bestellungen, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen, Liefer- und Bestellmengen, -zeiten und –preisen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer und der Verkaufsstellen, für welche die Erzeugnisse bestimmt waren,
  28. c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen, Angebotsmengen, -zeiten und -preisen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
  29. d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Herstellungs- und Verbreitungsauflage, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
  30. e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
  31. wobei
  32. die Beklagte hinsichtlich der Angaben zu lit. a) und b) Rechnungen und für den Fall, dass keine Rechnungen vorhanden sind, Lieferscheine vorzulegen hat,
  33. der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer nicht-gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, dieser gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten und in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte die durch dessen Einschaltung entstehenden Kosten übernimmt und ihn ermächtigt, der Klägerin auf Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter nicht-gewerblicher Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Rechnungslegung enthalten ist;
  34. II. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die unter Ziffer. I. bezeichneten, in der Zeit vom 6. September 2010 bis zum 29. Dezember 2014 begangenen Handlungen entstanden ist.
  35. Hilfsweise:
  36. wobei sich die Schadensersatzpflicht vor dem 1. Januar 2013 auf die Herausgabe dessen beschränkt, was die Beklagte durch die Benutzung des EP 1 280 XXX B1 auf Kosten der Klägerin erlangt hat.
  37. Die Beklagte beantragt,
  38. die Klage abzuweisen.
  39. Die Beklagte rügt die Unzuständigkeit des Landgerichts Düsseldorf für die bis einschließlich 31. August 2014 geltend gemachten Ansprüche. Sie ist der Auffassung, dass auf Grund des als Anlage KAP 1, in deutscher Übersetzung Anlage KAP 1a, vorgelegten „XXX“ (nachfolgend: Agreement) zwischen der Klägerin und der A Corporation Ansprüche lediglich an dem in Art. 12 vereinbarten Standort XXX geltend gemacht werden dürften. Bei dem Klagepatent handele es sich um ein KPN-Non-Asserted-Patent, welches unter die Vereinbarung falle. Die Klägerin mache ein solches Patent gegenüber einem A-Vertriebsunternehmen geltend. Schon für die Frage, ob die Klägerin ein solches Patent entgegen dem Agreement gegen die Beklagte durchsetzen dürfe, sei nach dem Willen der Vertragsparteien London zuständig, da es sich um eine „Streitigkeit, die aus dem Agreement hervorgehe“, handele. Hierzu legt die Beklagte ein Rechtsgutachten des Herrn F als Anlage KAP 2, deutsche Übersetzung Anlage KAP 2a, sowie ein zweites Statement als Anlage KAP 8, KAP 8a vor. Selbst bei angenommener Zuständigkeit des Landgerichts Düsseldorf ergebe sich aus der Vereinbarung eine materielle Verzichtswirkung hinsichtlich sämtlicher Ansprüche für den Zeitraum vom 30. Oktober 2009 bis einschließlich 31. August 2014.
  40. In Bezug auf die geltend gemachte Verletzung fehle schlüssiger Vortrag der Klägerin. Die Untersuchungen der Klägerin seien nicht geeignet, den Nachweis der Benutzung einer im Standard verankerten Optionalität zu nachzuweisen.
  41. Die Beklagte ist der Auffassung, dass eine Vorrichtung nach dem SNDCP-Standard keine logischen Kanäle aufweisen würde, da solche zwischen Endgeräten bestehen müssten, was bei einer Mobilstation und einem Netzwerkknoten (SGSN) nicht der Fall sei. Der BGH habe dies deutlich gemacht, als die WO 92/XXX (Anlage K 6) nicht als neuheitsschädlich eingestuft worden sei, da dort ein logischer Kanal zwischen einem Endgerät und einem Gerät des Netzwerks – Gateway – nicht unter das Patent falle. Zwar könnten die Zieladresse hinter dem Gateway wiederum Endgeräte sein; der Empfänger des Kanals, das Gateway, sei jedoch kein Endgerät. Insofern liege keine Verletzung vor, da im SNDCP-Standard die Kanäle nur solche zwischen einem Endgerät und einem Netzwerkknoten betreffen würden.
    Ferner würde entgegen der Lehre des Klagepatentes im SNDCP-Standard auch nicht nur das Datenfeld komprimiert, sondern Datenfeld und Header. Dies sehe das Klagepatent nicht vor. Insofern mache die Systematik des Anspruchs, welche deutlich zwischen den Datenfeldern und den Kopffeldern unterscheide, deutlich, dass eine Komprimierung nur des Datenfeldes erfolgen solle. Entsprechendes folge auch aus dem Umstand, dass der vorbekannte Stand der Technik, die EP-A-0 XXX XXX eine Komprimierung von Kopffeldern vorsah. Das Klagepatent kritisiere daran, dass sich durch diese Vorgehensweise die Übertragungskapazität für nutzbare Daten vermindere, da man auch den „overhead“ übertragen müsse. Zudem müssten die einzelnen Übertragungsstationen in einem Netzwerk ein entsprechendes (De-)Kompressionsverfahren beherrschen. Jede einzelne Übertragungsstation habe die Datenpakete dekomprimieren müssen, das Kopffeld auslesen und die Datenpakete dann wieder komprimieren und weiterleiten müssen. Dies werde vom Klagepatent beanstandet.
    Überdies scheitere eine Verletzung des Klagepatentes daran, dass der SNDCP-Standard keine Pufferung mehrerer Daten aus mehreren logischen Kanälen zwischen zwei Endgeräten vor dem Einleiten des Versandvorganges zur gleichen Zeit und voneinander getrennt vorsehe. Die SNDCP-Standardspezifikation sehe Entsprechendes nicht vor. Es gebe auch keine technische Selbstverständlichkeit, dass dies so erfolgen müsse. Dagegen spreche, dass im SNDCP-Standard zwar eine Pufferung der N-PDUs unter Ziffer 6.3 vorgesehen sei. Allerdings erfolge diese vor der Komprimierung und nicht, wie es das Klagepatent vorsehe, danach. Auch der Umstand, dass der SNDCP-Standard Multiplexen vorsehe, bedinge keine erfindungsgemäße Pufferung. Denn auch dort sei keine Pufferung vorgesehen. Gegen eine Pufferung spreche überdies, dass sich die Kanalzugehörigkeit anhand der hinterlegten NSAPI als Identifizierungsmöglichkeit bestimmen lasse, welche bis zum Erhalt der SNSM-XXX.indication im Speicher verbleibe, wie auch Ziffer 6.3 des SNDCP-Standards entnommen werden könne.
  42. Die Beklagte erhebt ferner die Einrede der Verjährung. Die Klägerin als Mobilfunknetzbetreiberin habe Kenntnis gehabt, welche Geräte in ihrem Netzwerk aktiv sind und ob diese Geräte von dem SNDCP-Standard Gebrauch machen oder nicht. Ferner vertreibe die Klägerin selbst die Geräte der Beklagten und ihr sei deren Ausgestaltung daher seit der Markteinführung bekannt.
  43. Entscheidungsgründe
  44. Die zulässige Klage ist unbegründet.
  45. I.
    Das Landgericht Düsseldorf ist auch für Ansprüche vor dem 1. September 2014 zuständig. Es liegt keine zur Anwendung kommende Gerichtsstandvereinbarung im Sinne von Art. 25 Abs. 1 der Brüssel-Verordnung (Verordnung (EU) Nr. 1215/2012) vor. Die Gerichtswahlvereinbarung nach Artikel 12.1 der Lizenz- und Nicht-Durchsetzungs-Vereinbarung (Anlage KAP 1, Übersetzung Anlage KAP 1a) findet keine Anwendung. Der maßgebliche englische Wortlaut von Artikel 12.1 lautet:
  46. „Venue and jurisdiction for any dispute arising under this Agreement shall be London.”
  47. In deutscher Übersetzung:
  48. „Erfüllungsort und Gerichtsstand für alle sich aus dieser Vereinbarung ergebenden Streitigkeiten ist London.“
  49. Ungeachtet des Umstandes, dass die Beklagte nicht Partei des Agreements ist, fällt die vorliegende Klage nicht unter den Begriff der „sich aus dieser Vereinbarung ergebenden Streitigkeiten“.
  50. Denn die von Beklagtenseite vorgebrachte Nichtangriffsabrede nach Artikel 2.5 und 2.6 erstreckt sich ausdrücklich auf A und ihre „derzeit verbundenen Unternehmen“. Die Beklagte existierte zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses (21./30. Oktober 2009) noch nicht und fällt mithin nicht in den persönlichen Anwendungsbereich der Vereinbarung. Mangels eines eröffneten Anwendungsbereichs handelt es sich nicht um eine Streitigkeit „aus dieser Vereinbarung“.
  51. Gleiches gilt für die Nichtangriffsverpflichtung nach Artikel 2.7 der Vereinbarung. Dieser erstreckt eine Nichtangriffsverpflichtung auf „die Nutzung und den Weiterverkauf von A-Produkten durch A-Kunden“. Auch hier ist der persönliche Anwendungsbereich nicht eröffnet. A-Kunden sind nach der Legaldefinition der Vereinbarung auf Seite 7 Dritte, die A-Produkte direkt oder indirekt an Endbenutzer verkaufen, einschließlich OEM-ODM-Kunden, Vertriebshändler und/oder Betreiber von A oder ihrer verbundenen Unternehmen. Bei der Beklagten handelt es sich nicht um einen „A-Kunden“ im Sinne der Vereinbarung, sondern um ein verbundenes Unternehmen, wie es auf Seite 2 der Vereinbarung legaldefiniert ist, nämlich ein Unternehmen, das direkt oder indirekt von einer der Parteien beherrscht wird, was von der Beklagten nicht in Abrede gestellt worden ist. Die Vereinbarung unterscheidet daher eindeutig zwischen A-Kunden und den mit A verbundenen Unternehmen.
  52. Es sind auch keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass die Vereinbarung dahingehend auszulegen ist, dass ein verbundenes Unternehmen gleichzeitig der Definition des A-Kunden unterfallen könnte. Nach den von Herrn F dargelegten Auslegungsgrundsätzen im englischen Recht ist die objektive Aufgabe für die Auslegung eines schriftlichen Vertrages, die von den Parteien verfolgte Absicht zu ermitteln, nämlich durch die Fokussierung auf die Bedeutung der relevanten Worte in ihrem dokumentarischen, sachlichen und kommerziellen Zusammenhang (vgl. Anlage KAP 2a Seite 1 f.). Diese Bedeutung muss, wie weiter ausgeführt wird, in Bezug auf die natürliche und übliche Bedeutung der Klausel, sonstige maßgebliche Bestimmungen, den Gesamtzweck der Klausel und des Dokumentes, die den Vertragsparteien zum Zeitpunkt der Ausfertigung des Dokumentes bekannten oder von ihnen angenommenen Tatsachen und Umstände sowie rationale kommerzielle Überlegungen, wobei subjektive Indizien für die Absichten der Vertragsparteien unberücksichtigt gelassen werden, beurteilt werden. Daraus zieht der Privatgutachter der Beklagten F in seiner zweiten Stellungnahme den Schluss, dass die Vereinbarung darauf ausgelegt gewesen sei, es A zu erlauben bestimmte Produkte weltweit zu verkaufen, so dass es nicht die allgemeine Absicht der Parteien gewesen sein könne, eine Vereinbarung abzuschließen, die die Lieferkette dem Risiko von Patentverletzungsklagen in Bezug auf nicht geltend gemachte KPN-Patente auszusetzen. Es seien keine Anhaltspunkte ersichtlich, die für einen solchen einvernehmlichen Parteiwillen sprächen (vgl. Anlage KAP 8, Anlage KAP 8a, Rn. 39 ff.).
  53. Dies mag der Sicht der Beklagten entsprechen, steht allerdings im Widerspruch zu den klaren Definitionen von verbundenen Unternehmen und A-Kunden in dem Agreement, womit sich der Privatgutachter nicht auseinandersetzt. Vielmehr argumentiert er lediglich über eine mutmaßliche Absicht der Parteien für die er allerdings keine Anhaltspunkte nennt.
  54. Gegen ein entsprechendes Verständnis ist überdies anzuführen, dass dann, sollte man die Beklagte als Teil der Vertriebskette und damit freigestellt im Sinne von Artikel 2.7 der Vereinbarung ansehen, Artikel 2.3 der Vereinbarung leerlaufen würde. Es ist kein Grund ersichtlich, warum die Gewährung einer Unterlizenz durch A an zukünftige verbundene Unternehmen unter den Zustimmungsvorbehalt der Klägerin gestellt wird, wenn Vertriebshandlungen durch diese Unternehmen ohnehin freigestellt wären. Diesen Widerspruch vermochte auch Herr F nicht aufzulösen.
  55. II.
    Das Klagepatent betrifft ein Verfahren sowie eine Vorrichtung zum Komprimieren und Dekomprimieren von Datenpaketen.
  56. Zunächst führt die Klagepatentschrift zum allgemeinen Hintergrund der Erfindung aus, dass Datenkompression in der Praxis angewendet werde, um die Kapazität eines Kommunikationskanals zu erhöhen und hierdurch eine gewisse Anzahl von Daten in geringerer Zeit oder geringerer Bandbreite übertragen zu können. Die Datenkompression wird in der Regel dadurch erreicht, dass die häufigsten Daten durch einen kurzen Code und die weniger häufigen Daten durch einen langen Code ersetzt und sodann die komprimierten Daten in Form von Datenpaketen übertragen werden. Somit wird eine erste Abfolge von Datenpaketen, die jeweils ein Kopffeld und ein Datenfeld aufwiesen, in eine zweite Abfolge von Datenpaketen, die jeweils ein Kopffeld und ein Datenfeld aufweisen, transformiert; im Falle einer erfolgreichen Komprimierung wird die zweite Abfolge im Allgemeinen kürzer sein, d.h. weniger Daten als die erste Abfolge enthalten.
  57. Ein solches Verfahren ist, wie die Klagepatentschrift ausführt, aus dem Stand der Technik bekannt und wird in der Druckschrift EP A 0 XXX 593 beschrieben. Bei dem bekannten Verfahren wird eine erste Abfolge von Datenpaketen, die aus verschiedenen Quellen (Kanälen) stammen können, in eine zweite Abfolge von Datenpaketen transformiert, die über einen (Netzwerk-)Kanal übertragen werden können, wobei Informationen in den Datenfeldern der zweiten Abfolge gespeichert werden, welche sich auf die originalen Datenpakete beziehen. Daher enthalten die Datenfelder der zweiten Abfolge Unter-Kopffelder, die unter anderem die Länge des komprimierten Datenfeldes und Rekonstruktionsinformationen beinhalten. Auf der Basis dieser besagten Unter-Kopffelder können die originalen Datenfelder, d.h. die Datenfelder der Datenpakete der ersten Abfolge, rekonstruiert werden.
  58. An diesem bekannten Verfahren kritisiert es das Klagepatent als nachteilig, dass eine relativ große Menge zusätzlicher Informationen, d.h. die Unter-Kopffelder zu übertragen sei, wodurch sich die Übertragungskapazität an Datenpaketen vermindere. Darüber hinaus müssten in dem bekannten Verfahren die Unter-Kopffelder jeweils auf der Empfangsseite von den Nutzdaten getrennt werden, bevor die Datenfelder dekomprimiert werden könnten. Dies führe zu einem zusätzlichen Verarbeitungsschritt, der sowohl Verarbeitungszeit als auch Verarbeitungsmittel koste (Schaltkreise und/oder Software). Falls das bekannte Verfahren über ein Netzwerk mit Zwischenstationen (Vermittlungsstellen, Schaltpunkte) zur Übertragung von Nachrichten zwischen verschiedenen Quellen eingesetzt werde, beinhalte das bekannte Verfahren weiterhin die Notwendigkeit, für alle Zwischenstationen die Komprimierungsfunktion zu unterstützen, da das Weiterleiten des Netzwerkes an das Bündeln von Kanälen in den komprimierten Datenpaketen angepasst werden müsse.
  59. Vor diesem Hintergrund formuliert das Klagepatent die Aufgabe, die genannten und andere Nachteile des Standes der Technik zu überwinden und ein Verfahren zum Umwandeln durch Datenkompression von einer Abfolge von Datenpaketen anzugeben, das eine effiziente Übertragung der komprimierten Daten durch optimalen Einsatz der Datenfelder der zweiten Abfolge liefert. Insbesondere sei es ein Ziel der vorliegenden Erfindung, ein Verfahren anzugeben, um Datenfelder zu transformieren, welches es schafft, dass Datenpakete von verschiedenen Kanälen in effizienter Weise verarbeitet werden. Ein weiteres Ziel der Erfindung liege darin, ein Verfahren zum Transformieren von Datenpaketen anzugeben, welches besonders geeignet für den Einsatz in X.25 Netzwerken ist. Schließlich sei es auch ein Ziel der vorliegenden Erfindung, ein Verfahren zum Transformieren von Datenpaketen anzugeben, welches von dem eingesetzten Komprimierungs- oder Dekomprimierungsverfahren unabhängig ist.Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Klagepatent in seinem eingeschränkt aufrechterhaltenen Anspruch 21 eine Vorrichtung mit folgenden Merkmalen vor:
  60. 21. Vorrichtung (100, 200) zum Komprimieren von Datenpaketen, umfassend
  61. 21.1 Eingangsmittel (110, 210) zum Empfangen einer ersten Folge von Datenpaketen (10), die jeweils ein Kopffeld (h) und ein Datenfeld (d) aufweisen,
  62. 21.2 Identifizierungsmittel (110, 210) zum Erkennen der Kanalzugehörigkeit (A, B….) der empfangenen Datenpakete,
  63. 21.3 Verarbeitungsmittel (130, 230) zum Komprimieren des Datenfeldes jedes zu komprimierenden Datenpaket, und
  64. 21.4 Ausgabemittel (160, 260)
  65. 21.4a zum Formen einer zweiten Folge von Datenpaketen (20), die jeweils ein Kopffeld und ein Datenfeld aufweisen, und
  66. 21.4b um in das Datenfeld eines Datenpakets der zweiten Folge (20) ein komprimiertes Datenfeld der ersten Folge (10) unterzubringen.
  67. 21.5 Es werden Verarbeitungsmittel (130, 230) bereitgestellt
  68. 21.5a zur kanalweisen (A, B, ….) Komprimierung von Daten, die in ein Datenfeld der zweiten Folge (20) unterzubringen sind, und
  69. 21.5b um in jedes Datenfeld der zweiten Folge (20) Daten von nur einem Kanal (z.B. A) unterbringen.
  70. 21.6 und Puffermittel (161, 261) zum Puffern von komprimierten Daten von jedem Kanal (A, B, …) vorgesehen sind, die in ein Datenfeld der zweiten Abfolge (20) unterzubringen sind.
  71. III.
    Die angegriffenen Ausführungsformen machen von der technischen Lehre des maßgeblichen Klagepatentanspruchs 21 keinen wortsinngemäßen Gebrauch.
  72. Von den zuletzt zwischen den Parteien im Streit stehenden Merkmale 21.2, 21.3 und 21.6 vermag die Kammer jedenfalls nicht festzustellen, dass das Merkmal 21.6 durch die angegriffene Ausführungsform verwirklicht wird.
  73. a)
    Das im Nichtigkeitsberufungsverfahren hinzugekommene Merkmal 21.6 besagt, dass Puffermittel zum Puffern von komprimierten Daten von jedem Kanal vorgesehen sind, die in ein Datenfeld der zweiten Abfolge unterzubringen sind.
  74. Merkmal 21.6 konkretisiert die in der Merkmalsgruppe 21.5 vorgesehenen Anforderungen, wonach Verarbeitungsmittel bereitgestellt werden, zur kanalweisen Komprimierung von Daten, die in ein Datenfeld der zweiten Folge unterzubringen sind, um in jedes Datenfeld der zweiten Folge Daten von nur einem Kanal unterzubringen. Die empfangenen Daten werden danach je Kanal und nicht kanalübergreifend komprimiert und gepuffert. Die gemeinsam komprimierten Datenpakete stammen aus demselben Quellkanal und werden daher kanalrein in ein Datenfeld der zweiten Folge eingepasst.
  75. Zweck der Puffermittel ist es, dass ein zu einem bestimmten Kanal gehörendes Datenpaket nicht schon deshalb versendet werden muss, weil das als nächstes zu verarbeitende Paket zu einem anderen Kanal gehört. Mit Hilfe der Puffer können die komprimierten Daten vielmehr nach Kanälen getrennt so lange gesammelt werden, bis die Pakete der zweiten Abfolge in optimaler Weise gefüllt sind, da für jeden Kanal komprimierte Daten aufgespeichert werden können, z.B. bis das Datenfeld eines Datenpaketes ganz gefüllt ist (vgl. Klagepatent Abs. [0013] a.E.). Dabei kommt es maßgeblich darauf an, dass eine Speichereinrichtung die gleichzeitige kanalreine Speicherung der Daten von mehreren Kanälen ermöglicht.
  76. b)
    Dass die angegriffene Ausführungsform hierzu objektiv geeignet ist, vermag die Kammer nicht mit der erforderlichen Sicherheit festzustellen. Dass der SNDCP-Standard eine entsprechende Ausgestaltung vorsieht, steht nicht fest. Im Einzelnen:
  77. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass eine Mobilstation (MS) zur selben Zeit mehrere PDP-Kontexte zu demselben oder verschiedenen externen Netzwerken errichten kann. Dabei kann es für eine Mobilstation notwendig sein, mehrere PDP-Kontexte zu errichten und für die Datenübertragung zu verwenden und zwar dann, wenn die Datenpakete unterschiedlicher Anwendungen oder Quellen zu unterschiedlichen Access Point Names (APN) / unterschiedlichen externen Netzwerken geschickt werden oder die Verwendung unterschiedlicher Paketdatenprotokolle (PDP, Packet Data Protocol; z.B. IPv4 und IPv6) für die Datenpakete unterschiedlicher Anwendungen oder Quellen, oder unterschiedlicher QoS (Quality of Service)-Profile für unterschiedliche Anwendungen oder Quellen (z.B. bei einer Übertragung unterschiedlicher Priorität) oder auch bei einer Übertragung von Datenpaketen unterschiedlicher Anwendungen oder Quellen in einem unterschiedlichen Übertragungsmodus („acknowledged mode oder unacknowledged mode). In einem GSM/GPRS-Netzwerk bestehen für eine bestimmte Mobilstation bis zu 11 verschiedene PDP Kontexte gleichzeitig. NSAPIs (Network Service Access Point Identifier) werden verwendet, um den PDP Kontext zu identifizieren und zwischen verschiedenen PDP Kontexten einer bestimmten Mobilstation zu unterscheiden, wenn in der Mobilstation mehrere Verbindungen gleichzeitig abgewickelt werden. Ein PDP kann dabei verschiedene PDP-Kontexte und NSAPIs aufweisen. Es ist jedoch auch möglich, dass jedes NSAPI einen separaten PDP nutzt (vgl. Anlage K 11 Ziffer 4 General). Wenn eine Mobilstation einen PDP-Kontext anfordert, handelt sie einen NSAPI mit dem Netzwerk aus. Eine Übermittlung des Datenpaketes erfolgt dann zusammen mit dem ausgehandelten NSAPI zur Identifizierung des PDP Kontextes zwischen Mobilstation und SGSN.
  78. Im SNDCP-Standard erfolgt in der SNDCP-Schicht eine Datenkomprimierung. Nachfolgend wiedergegeben wird Figur 1 des Standards. Diese zeigt u.a. die SNDCP-Netzwerkschicht, die sowohl im Protokollstapel der Mobilstation als auch im Protokollstapel einer SGSN im GSM/GPRS-Netzwerk vorhanden ist.
  79. Die Benutzer der Dienstleistungen, die von dem SNDCP zur Verfügung gestellt werden, sind jeweils die darüber befindlichen Protokolle/Schichten, bei der Mobilstation PDP (bspw. IP4 bzw. IP6 in der Figur 1) und im SGSN ein Relay. Von der Mobilstation zu dem SGSN werden Daten zunächst an die IPv4/IPv6-Schicht weitergegeben und von der SNDCP-Schicht übernommen. Die Daten durchlaufen dann den gesamten Protokollstapel der Mobilstation und der Basisstation hindurch und werden dann durch die Schichten im Protokollstapel der SGSN geleitet, bevor sie an die GGSN übermittelt werden. Das SNDCP dient insgesamt der Anpassung von Datenpaketen der darüber liegenden höheren Netzwerkschicht an die Anforderungen der nächstniedrigeren Netzwerkschicht. Entsprechend gehört zu den Hauptaufgaben der SNDCP das Multiplexen von mehreren PDPs, Komprimierung und Dekomprimierung von Nutzdaten, Komprimierung und Dekomprimierung von Protokollinformationen und Segmentieren einer Netzwerkprotokoll-Dateneinheit (N-PDU) in Logical Link Control-Protokoll Dateneinheiten (LL-PDUs) und Wiederzusammensetzen von LL-PDUs in ein N-PDU.
  80. Die Datenpakete, die die SNDCP-Schicht von der übergeordneten PDP-Schicht erhält, werden als N-PDUs (Network Protocol Data Units) bezeichnet; von der SNDCP-Schicht abgegebene Datenpakete werden als SN-PDUs bezeichnet. Bei den Protokolldateneinheiten handelt es sich um Datenpakete, die üblicherweise aus Nutzdaten (user data) und Kopfdaten (protocol control information oder header) bestehen.
  81. Figur 4 des Standards, welche nachfolgend wiedergegeben wird,
  82. zeigt die Verarbeitung (Komprimierung und Segmentieren) der N-PDUs in SN-PDUs in der SNDCP-Schicht. Bei der Datenkomprimierung handelt es sich um eine optionale SNDCP-Funktion; wenn sie angewendet wird, erfolgt sie auf die gesamte N-PDU, einschließlich der Protokollinformationen, d.h. sowohl für die Nutzdaten als auch die Kopfdaten (vgl. Anlage K 11, Ziffer 6.6 data compression). Gemäß der Figur 4 werden dann die SN-PDUs von der SNDCP-Schicht an die LLC-Schicht übergeben. Je nachdem, ob die Übertragung der Datenpakete bestätigt werden soll (acknowledged data transfer) oder nicht (unacknowledged data transfer), werden die SN-PDUs unterschiedlich bezeichnet (SN-DATA PDU oder SN-UNITDATA PDU).
  83. Die Verarbeitungsschritte werden in Ziffer 5.2 Service Functions (Anlage K 11, Seite 18) näher beschrieben. Danach erfolgt eine Protokollinformations-Komprimierung, Nutzdatenkomprimierung und Segmentierung der komprimierten Informationen in SN-DATA oder SN-UNITDATA PDUs.
  84. Figur 4 zeigt damit, dass das Ergebnis der auf die gesamte N-PDU angewandten Datenkomprimierung in das Datenfeld eines SN-PDUs eingebracht wird und anschließend an die untere Schicht weitergegeben wird.
  85. Weder Figur 4 noch an anderer Stelle wird im SNDCP-Standard aufgezeigt, dass eine gleichzeitige Speicherung von segmentierten und komprimierten Daten mehrerer Kanäle kanalrein vorgesehen ist.
  86. Das in Figur 4 aufgezeigte Schema der Komprimierung und Segmentierung von N-PDUs und deren Einbringung in das Datenfeld einer SN-DATA PDU zwingt auch nicht zu einer entsprechenden Pufferung. Denn der SN-DATA.request und der SN-UNIDATA.request werden nach dem unbestrittenen Vortrag der Beklagten nicht gleichzeitig verarbeitet. Es handelt sich vielmehr um Alternativen, da das N-PDU entweder eine Anfrage betrifft, ob die Daten angekommen sind (SN-DATA.request) oder aber eine Anfrage, ob die Daten nicht angekommen sind (SN-UNIDATA.request) (vgl. Anlage K 11, Seite 45, Ziffer 7.2). Da mithin eine zeitgleiche Verarbeitung der N-PDUs nicht erfolgt, lässt dies keinen Schluss auf das Vorhandensein von Puffermitteln zu, die geeignet sind, gleichzeitig kanalrein zu speichern. Entsprechende Puffermittel bzw. ein Puffern wird auch nicht in Figur 4 gezeigt.
  87. Auch der Verweis der Klägerin auf ihren Vortrag auf Seite 43 der Klageschrift, wonach im Rahmen des Multiplexens der N-PDUs unter Abschnitt 6.1 (Seite 20) erläutert wird, dass der NSAPI-Wert sowohl beim Senden als auch beim Empfang der Daten von der jeweiligen SNDCP-Entität zur Identifizierung des SNDCP-Nutzers und des PDP-Kontextes verwendet wird und daher bei der SNDCP-Verarbeitung Daten verschiedener Quellen miteinander gemultiplext werden, woraus sich ergebe, dass es für jeden Kanal eine eigenständige Verarbeitung bzw. Pufferung geben müsse, bedingt dies nicht das technisch zwingende Vorhandensein von erfindungsgemäßen Puffermitteln. So mag zwar für jedes der Datenpakete der bis zu elf logischen Kanäle eine Segmentierung angewandt werden können, wie dies unter Ziffer 5.2 Service functions und Ziffer 6.7 Segmentation and reassembly im SNDCP-Standard (Anlage K 11) beschrieben ist. Der Standard macht indes keinerlei Angaben, was erfolgt, wenn ein Datenpaket der ersten Abfolge einer bestimmten logischen Quelle (PDP-Kontext) nicht komplett verarbeitet und in ein Datenfeld der zweiten Abfolge eingefügt werden kann. Der Schluss, dass die segmentierten, zurückbehaltenen und noch nicht verarbeiteten Teile gespeichert werden und zwar zeitgleich für die unterschiedlichen Kanäle kann nicht ohne weiteres gezogen werden.
  88. Dagegen spricht, dass der SNDCP-Standard das Prinzip der Pufferung grundsätzlich kennt. So wird in Ziffer 6.3 des SNDCP-Standards eine Pufferung der N-PDUs in der SNDCP-Schicht (Anlage K 11, Seite 23) beschrieben (Hervorhebung hinzugefügt).
  89. „The N-PDU shall be buffered in the SNDCP-layer before they are compressed segmented and transmitted to the LLC layer.“
  90. Allerdings erfolgt die Pufferung, bevor die N-PDUs komprimiert segmentiert und an die LLC-Schicht übergeben werden. Eine Pufferung erfolgt daher vor der Komprimierung und nicht, wie es das Klagepatent vorsieht, nach der Komprimierung.
  91. Der Umstand, dass der SNDCP-Standard tatsächlich eine Pufferung kennt, eine solche allerdings für die segmentierten und komprimierten N-PDUs nicht beschreibt, lässt daher den Schluss zu, dass keine Pufferung der segmentierten und komprimierten N-PDUs erfolgt.
  92. Technisch mag aufgrund des Umstandes, dass eine Sequenzierung komprimierter Daten erfolgt, eine kanalreine Pufferung eine Lösung sein. Andere Lösungen sind allerdings auch denkbar und von der Beklagten aufgezeigt worden. So lässt sich nach dem nachvollziehbaren Vortrag der Beklagten, die Kanalzugehörigkeit auch anhand der NSAPI bestimmen. Diese bleibt, wie dem zweiten Satz der Ziffer 6.3 zum N-PDU buffering entnommen werden kann, als Identifizierungsmöglichkeit bis zum Erhalt der SNSM-DEACTIVATE.indication im Speicher:
  93. „The reception of an SNSM-DEACTIVATE.indication shall trigger the deletion of the buffer for the related NSAPI.“
  94. Mithin ist eine kanalreine Pufferung technisch nicht zwingend, da der NSAPI zur Kennzeichnung und Identifizierung im Speicher verbleibt und es daher einer kanalreinen Speicherung nicht unbedingt bedarf. Entsprechendes kann auch den Ausführungen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 1. Februar 2022 mit Verweis auf Textstellen aus dem Standard, welche als Anlage zum Protokoll genommen wurden, nicht entnommen werden.
  95. Zusammengefasst werden kann, dass der SNDCP-Standard eine kanalreine gleichzeitige Pufferung sequenzierter und komprimierter N-PDUs nicht ausdrücklich vorsieht. Eine solche mag zwar eine Lösung für die Verfahrensweise mit sequenzierten und komprimierten Daten sein. Dass sie technisch zwingend erfolgen muss, steht allerdings nicht fest. Technische Alternativen wurden von der Beklagten aufgezeigt.
  96. Mangels Feststellungen zur Verletzung des Klagepatentes durch die angegriffene Ausführungsform bedarf es keiner Ausführungen der Kammer zu der zwischen den Parteien streitigen Frage eines „Anspruchsverzichts“ aufgrund des Agreements und der Verjährung etwaiger Ansprüche.
    III.
    Die Kostenentscheidung findet ihre Grundlage in §§ 91 Abs. 1, 269 Abs. 3 ZPO.
  97. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Abs. 1 ZPO.
    Der Streitwert wird auf 500.000,00 € festgesetzt.

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