4a O 45/20 – Verlegematte

Düsseldorfer Entscheidungen Nr. 3167

Landgericht Düsseldorf

Urteil vom 16. Dezember 2021, Az. 4a O 45/20

  1. I. Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, im Rahmen geschäftlicher Handlungen Entkopplungsmatten anzubieten, zu vertreiben oder sonst in den Verkehr zu bringen und/oder diese Handlungen durch Dritte vornehmen zu lassen, deren Oberfläche – unabhängig von der farblichen Ausführung – eine Gestaltung aufweisen, wie nachfolgend in zwei Ausschnitten abgebildet:
  2. II. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin durch Vorlage eines chronologisch geordneten Verzeichnisses schriftlich Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen über Zeitpunkte und Umfang von Handlungen gemäß Ziffer I. und zwar unter Angabe
    1. der für die Bundesrepublik Deutschland bestimmten Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Lieferanten und anderer Vorbesitzer sowie der Einkaufspreise,
    2. der einzelnen Lieferungen und Bestellungen, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen, Liefer- und Bestellmengen, -zeiten und -preisen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer und der Verkaufsstellen, für welche die Erzeugnisse bestimmt waren,
    3. der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen, Angebotsmengen, -zeiten und -preisen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
    4. der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Herstellungs- und Verbreitungsauflage, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
    5. der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
    wobei die Beklagte hinsichtlich der Angaben zu II. 1. und II. 2. Kopien der Auftragsbestätigungen und Rechnungen sowie Liefer- und Zollpapiere vorzulegen hat, und für den Fall, dass keine Rechnungen vorhanden sind, Kopien der Lieferscheine,
    wobei der Beklagten vorLlten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer nicht-gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von ihr zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten und in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte die durch dessen Einschaltung entstehenden Kosten übernimmt und ihn ermächtigt, ihr auf Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter nicht gewerblicher Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Rechnungslegung enthalten ist.
    III. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin jeglichen Schaden zu ersetzen, der ihr infolge von vorstehend unter Ziffer I. bezeichneten Handlungen entstanden ist und zukünftig noch entstehen wird.
    IV. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 4.196,90 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.06.2020 zu zahlen.
    V. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
    VI. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, hinsichtlich Ziff. I. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 400.000,00 €, hinsichtlich Ziff. II. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000,00 € und hinsichtlich Ziff. IV. und V. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags.
  3. Tatbestand
  4. Die Parteien streiten um Unterlassungs- und Folgeansprüche aus wettbewerblichem Leistungsschutz wegen des Angebots und Vertriebs von Entkopplungsmatten durch die Beklagte.
    Die Klägerin ist ein international operierendes Unternehmen, das insbesondere auf die Herstellung und den Vertrieb von Produkten und Lösungen für die technisch funktionsgerechte und optisch ansprechende Verlegung von Fliesenbelägen spezialisiert ist. Sie ist Pionierin im Bereich der Entkopplungsmatten. Diese sorgen für eine Entkopplung zwischen Untergrund (unter anderem Estrich) und dem auf die Verlegematte aufzubringenden Oberflächenbelag (z.B. Fliesen), wodurch Spannungen, Risse, Verschiebungen und Bewegungen nicht mehr direkt auf die Fliese übertragen, sondern aufgehoben oder verringert werden und so Rissbildungen vorgebeugt wird.
    Sie vertreibt unter anderem die von ihrem Geschäftsführer und Gründer, Herrn A, erfundene Entkopplungs- bzw. Verlegematte unter der Bezeichnung „B“, die über Fliesen- und Baustoffgroßhändler, kleinere Fliesenfachgeschäfte sowie Baumärkte vertrieben wird. Nachdem die „B“-Verlegematten zunächst eine Rippenstruktur aufwiesen, wurde diese im Jahr 2000 auf eine quadratische Struktur mit matrixartigen Reihen und Spalten angeordneten hinterschnittenen quadratischen Vertiefungen umgestellt, wobei jede Vertiefung vier miteinander verbundene Seitenwände aufweist, die die Ecken der quadratischen Form definieren. Die Seitenwände der Vertiefungen sind zugleich die Seitenwände der gleichmäßig matrixartig zwischen den Vertiefungen angeordneten Stege, deren Oberflächen parallel zum Grundkörper verlaufen. Eine Abbildung der „B“-Entkopplungsmatte, von der ein Musterstückteil als Anlage K 2 zu den Akten gereicht worden ist, wird nachstehend eingeblendet:
    Seit dem Jahr 2012 wird die Entkopplungsmatte unter der Bezeichnung „B 25“ in orangener Farbe vertrieben, ohne dass Änderungen an der Struktur der Oberfläche vorgenommen wurden (insoweit meint die Bezeichnung „B-Entkopplungsmatten“ im Folgenden die Entkopplungsmatten in der vorstehend eingeblendeten Gestaltung).
    Die Klägerin war Inhaberin des europäischen Patents EP XXX, das am 15.04.1999 angemeldet, dessen Anmeldung erstmals am 07.02.2001 veröffentlicht wurde und das die Priorität des deutschen Patents unter der Registernummer XXX U vom 22.04.1998 in Anspruch nahm. Das Patent ist am 15.04.2019 abgelaufen. Es betraf eine Trägerplatte aus folienartigen Kunststoff für einen plattenbekleideten Bodenaufbau oder eine Wand.
    Die Beklagte ist ein inhabergeführtes mittelständisches italienisches Unternehmen. Es wurde im Jahr 1980 gegründet und bietet schwerpunktmäßig Profile für Bodenbeläge und Verkleidungen sowie hygienische Wandanschlüsse sowohl im professionellen Anwendungsbereich als auch für Heimwerker an.
    Die Klägerin erlangte Ende des Jahres 2019 davon Kenntnis, dass die Beklagte in Deutschland über Baumärkte eine neue Entkopplungsmatte vertrieb, von der die Klägerin ein Musterstück als Anlage K 16 zu den Akten gereicht hat und deren Vorderseite wie folgt gestaltet war:
  5. Die Unterseite der Entkopplungsmatte wies eine Beschriftung auf der Gewebe-/Vliesschicht wie folgt auf:
  6. Die von der Beklagten vertriebenen Entkopplungsmatten wurden nicht von ihr hergestellt, sondern fertig von einem italienischen Produzenten bezogen.
    Die Klägerin mahnte die Beklagte mit dem als Anlage K 18 vorgelegten anwaltlichen Schreiben vom 05.12.2019 wegen unlauterer wettbewerbsrechtlicher Nachahmung gemäß §§ 3, 4 Nr. 3 lit. a und b UWG sowie wegen Verstoßes gegen § 5 Abs. 2 UWG ab und forderte sie zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung sowie zur Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten auf der Grundlage eines Gegenstandswertes in Höhe von 500.000,00 € auf. Die Beklagte lehnte die Ansprüche mit anwaltlichem Schreiben vom 14.01.2020 (Anlage K 20) ab. Wegen der weiteren Korrespondenz der Parteien wird auf das Anlagenkonvolut B 3 Bezug genommen.
  7. Die Klägerin behauptet, sie sei die führende Anbieterin von Entkopplungsmatten in Deutschland. In den Jahren 2004 bis 2019 seien durchschnittlich deutlich mehr als eine Millionen Quadratmeter der B-Entkopplungsmatte pro Jahr in Deutschland verkauft und damit ein durchschnittlicher Jahresumsatz von über X Millionen Euro erzielt worden, was die Beklagte mit Nichtwissen bestreitet. Dies entspreche einem Marktanteil der Klägerin von annähernd X % auf dem Markt für Entkopplungsmatten. Sie sei daher bei allen maßgeblichen Fachhändlern und bei großen Baumärkten mit ihren Entkopplungsmatten gelistet.
    Sie ist der Ansicht, ihr stehe ein Unterlassungsanspruch aus wettbewerblichem Leistungsschutz zu. Denn den von ihr vertriebenen Entkopplungsmatten mit den in matrixartigen Reihen und Spalten angeordneten hinterschnittenen quadratischen Vertiefungen komme eine wettbewerbliche Eigenart zu. Sie behauptet hierzu, die Abnehmer seien daran gewöhnt, Entkopplungsmatten anhand der Oberflächengestaltung dem jeweiligen Hersteller zuzuordnen, was der Grund dafür sei, dass die jeweiligen Hersteller ihre Matten mit unterschiedlich gestalteten Vertiefungen versehen hätten. Die ästhetische Gestaltung ihrer eigenen B-Entkopplungsmatten mit den in matrixartigen Reihen und Spalten angeordneten hinterschnittenen quadratischen Vertiefungen sei bei deren Einführung und auch heute noch auf dem Markt für Entkopplungsmatten einzigartig und werde daher als Herkunftshinweis wahrgenommen. Insoweit unterschieden sich die aus dem Anlagenkonvolut K 14 (entsprechende Musterstücke sind als Anlagen K 14a bis K 14h zu den Akten gereicht worden) und der Anlagen K 21a und K 21b hervorgehenden Konkurrenzprodukte der wichtigsten auf dem deutschen Markt anbietenden Mitbewerber hinsichtlich der optischen Gestaltung deutlich von ihren Entkopplungsmatten. Soweit Wettbewerber versucht hätten, eine ähnliche Gestaltung für ihre Produkte zu wählen, seien diese Versuche – was von der Beklagten mit Nichtwissen bestritten wird – konsequent unterbunden worden. Die Klägerin bestreitet mit Nichtwissen, dass die von der Beklagten vorgebrachten Wettbewerbsprodukte der Firmen C und D sowie die Entkopplungsmatte „E“ – insbesondere bereits bei Markteintritt der klägerischen Entkopplungsmatte „B“ – in nennenswertem Umfang in Deutschland vertrieben wurden. Ohnehin unterschieden sich die von der Beklagten angeführten Konkurrenzprodukte hinsichtlich ihrer Oberflächengestaltung deutlich von ihren Entkopplungsmatten, wobei sie auf die bildlichen Gegenüberstellungen der Anlagen K 23 bis K 26 sowie der Anlagen K 32 bis K 34 verweist.
    Sie ist weiter der Auffassung, sie könne sich auch nach Ablauf des Patentschutzes auf eine wettbewerbliche Eigenart ihres Produktes berufen, da sich diese auch aus technischen Merkmalen ergeben könne, die durch den technischen Gebrauchszweck bedingt, jedoch ohne Qualitätseinbußen frei wählbar und austauschbar seien. Insoweit behauptet sie, die Form und Anordnung der Vertiefungen bzw. Noppen auf der Oberseite der Entkopplungsmatten sei willkürlich wählbar, ohne dass deren technische Funktionalität beeinträchtigt werde. Dies gehe auch daraus hervor, dass die Oberflächenstruktur der auf dem Markt existierenden Konkurrenzprodukten völlig unterschiedlich gestaltet sei, ohne dass es zu Qualitätseinbußen komme (unter Verweis auf die sachverständige Stellungnahme des Herrn Dr. F, Entwicklungsleiter der Firma, die die klägerischen Entkopplungsmatten herstellt, Anlage K 21). Insoweit stellten die quadratischen Vertiefungen nicht die bestmögliche technische Lösung dar. Vielmehr sei eine rundförmige Vertiefung die optimalere Form, da dabei die Bewegungen/Spannungen in alle Richtungen gleichmäßig abgebaut bzw. entkoppelt werden könnten. Auch Vielecke wiesen aus technischer Sicht eine optimiertere Form auf. Entsprechend habe eine Analyse der Haftzugswerte sowohl der quadratischen Vertiefungen der klägerischen Entkopplungsmatte als auch der anderweitigen geometrischen Formen von Entkopplungsmatten anderer Hersteller ergeben, dass – mit Ausnahme der Entkopplungsmatte „G“ – sämtliche Entkopplungsmatten mit andersförmigen geometrischen Gestaltungen bessere Haftungswerte aufwiesen, als die quadratischen Vertiefungen der klägerischen Entkopplungsmatte (s. Übersicht Anlage K 36/Bl. 209 ff. GA). Auch die Verwendung des transparenten Materials durch die Beklagte habe keine Vorteile für den Fliesenleger, insbesondere könne er die Verteilung des Fliesenklebers bei einer Ansicht von oben nicht erkennen. Im Gegensatz dazu habe die farbliche Einfärbung der klägerischen Entkopplungsmatten den Vorteil einer höheren UV-Resistenz.
    Die wettbewerbliche Eigenart sei ihrer Ansicht nach zudem deutlich gesteigert. Die B-Verlegematte verfüge in den maßgeblichen Verkehrskreisen über eine große Bekanntheit. Insoweit verweist sie auf mehrere Auszeichnungen im In- und Ausland (Anlagen K 5 bis K 8), auf die Verwendung der B-Entkopplungsmatte bei dem Bau bzw. der Renovierung von Prestigebauten (Anlagenkonvolut K 11), auf diverse redaktionelle Beiträge in der Fachpresse (Anlagenkonvolut K 12), auf ihre Messeauftritte (beispielhaft Anlage K 13) sowie auf ihre – unstreitig – vorgenommenen TV-Werbemaßnahmen (vgl. Screenshots der Anlagen K 9, K 10 und K 29). Sie behauptet hierzu, ihre Werbeanzeigen erreichten nahezu den gesamten Fachverkehr in Deutschland. Zudem beliefen sich die allein auf die B-Entkopplungsmatte bezogenen Werbekosten seit dem Jahr 2000 auf mehr als acht Millionen Euro, was die Beklagte mit Nichtwissen bestreitet. Die Bekanntheit folge ihrer Auffassung nach auch aus der kontinuierlichen Benutzung in Katalogen, Produktübersichten und Preislisten (vgl. beispielhafte Auszüge aus Preislisten der Klägerin, Anlagen K 27a bis K 27f und aus Werbeprospekten, Anlagen K 28a bis K 28d). Sie behauptet, in den Jahren 2016 bis 2020 seien allein die deutschen Preislisten in Auflagen zwischen X und X Stück an Händler und potentielle Abnehmer vertrieben worden, was die Beklagte mit Nichtwissen bestreitet.
    Sie ist ferner der Auffassung, die Beklagte habe ihre B-Entkopplungsmatte nahezu millimetergenau nachgeahmt (vgl. Gegenüberstellung der Anlage K 30). Insbesondere weise die angegriffene Entkopplungsmatte der Beklagten keine unterschiedliche Bodenstruktur mit kleinen Löchern auf, wie es die Bilder vermuten ließen. Vielmehr scheine das rückseitige gepunktete weiße Vliesgewebe durch den durchsichtigen Kunststoffboden der Vertiefungen hindurch (vgl. Gegenüberstellung der Anlage K 31). Mutmaßliche Detailunterschiede seien für den Gesamteindruck ohnehin irrelevant und im Übrigen dem Herstellungsprozess geschuldet.
    Durch die nahezu identische Nachahmung werde auch eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft der angegriffenen Entkopplungsmatte herbeigeführt. Die abweichende farbliche Gestaltung sei zur Vermeidung einer Herkunftstäuschung nicht ausreichend, da der angesprochene Verkehr eher auf die übereinstimmenden technisch-konstruktiven Merkmale als auf die abweichende Farbgebung achte. Dass auf der Unterseite der Matten das Firmenschlagwort der Beklagten „H“ aufgebracht sei, reiche zur Ausräumung einer Herkunftstäuschung ebenfalls nicht aus, da für den angesprochene Verkehr nicht die Vlies-Unterseite, sondern die Oberseite maßgeblich sei. Insoweit würden Entkopplungsmatten nicht nur mit der Unterseite bzw. in einer Verpackung, sondern gerade auch in Baumärkten, bei den Großhändlern und in den Fachgeschäften ohne Verpackung ausgestellt und angeboten sowie in Produktkatalogen und auf den Angebotsseiten im Internet unverpackt und ohne jeglichen Herstellerhinweis beworben. Selbst falls der angesprochene Verkehr die Firmenkennzeichnung der Beklagten zur Kenntnis nehme, bestehe jedenfalls die Gefahr einer mittelbaren Herkunftstäuschung durch die Annahme organisatorischer oder wirtschaftlicher Beziehungen der Parteien.
    Des Weiteren werde durch die identische Übernahme der die B-Entkopplungsmatte prägenden Merkmale deren Wertschätzung bzw. ihr guter Ruf durch die Beklagte unangemessen ausgenutzt.
    Die Klägerin beantragt, nachdem sie mit Schriftsatz vom 04.10.2021 die Abbildung im Antrag ausgetauscht hat,
  8. wie erkannt.
  9. Die Beklagte beantragt,
  10. die Klage abzuweisen.
  11. Die Beklagte erklärt den Verzicht auf die Erhebung der Rüge der örtlichen Zuständigkeit.
    Sie ist der Ansicht, der Klageantrag zu Ziff. I., mit dem die Klägerin zeitlich unbegrenzten ergänzenden wettbewerblichen Leistungsschutz für Entkopplungsmatten in jeglicher Farbgestaltung beanspruche, sei exzessiv zu weit gefasst.
    Sie ist der Auffassung, die geltend gemachten Ansprüche seien nicht gegeben. Denn der klägerischen B-Entkopplungsmatte komme ihrer Auffassung nach bereits keine wettbewerbliche Eigenart zu. Insoweit würden Konkurrenzprodukte mit einem matrixförmigen quadratischen Design im identischen Geschäftssegment in Deutschland angeboten und vertrieben, teilweise sogar in der gleichen Farbe wie die klägerischen Produkte. Zudem könne allein die Gestaltung der klägerischen Produkte mit einem quadratischen Matrixdesign ohnehin keine wettbewerbliche Eigenart begründen. Denn die Abnehmer achteten beim Kauf von Entkopplungsmatten vornehmlich auf deren Preis und Funktionalität, nicht aber auf deren Design. Insbesondere dürfe die für die Klägerin charakteristische rot-orange Farbgebung nicht außen vor gelassen werden, da die Abnehmer gerade diese in Erinnerung behielten. Insoweit wiesen nicht die quadratischen Vertiefungen und Spalten in der Matrixanordnung auf die Klägerin hin, sondern – allenfalls – deren über Jahre hinweg konstant verwendete Farbgebung ihrer Produkte.
    Die Klägerin könne sich auch nicht auf ihre faktische Monopolstellung berufen, die alleine durch den in der Vergangenheit bestehenden Patentschutz entstanden sei. Insoweit seien die Wettbewerber wegen der drohenden Patentverletzung gehindert gewesen, Entkopplungsmatten mit einem quadratischen Matrixdesign anzubieten. Da der Patentschutz abgelaufen sei, sei es der Klägerin verwehrt, die konkrete technische Ausgestaltung ihrer Matten weiterhin über den wettbewerblichen Leistungsschutz zu monopolisieren. Denn die Anordnung in eng aneinander liegenden Quadraten mit Vertiefungen liefere technisch die qualitativ besten Ergebnisse für eine effiziente Entkoppelung unterschiedlicher Materialien wie Beton einerseits und Fliesen andererseits. Daher sei diese Gestaltung technisch notwendig, um langjährig sicherzustellen, dass die verlegten Fliesen zuverlässig ihre Funktion erfüllten. Die quadratische waffelartige Form mit den sehr engen Abständen zwischen den kleinflächigen Quadraten und vertikalen und horizontalen Linien, die senkrecht zu den auf die wirkenden Kräften stünden, biete die beste Gewähr dafür, dass die zwischen den beiden Materialien – Fliesen und Zement-/Betonboden – wirkenden Kräfte gleichmäßig verteilt und somit entschärft würden. Die Struktur der Entkopplungsmatten sei gerade nicht willkürlich austauschbar, sondern böte einen erheblichen Qualitätsvorsprung gegenüber anderweitigen Gestaltungen. Die konkrete Formgebung und Ausgestaltung der von ihr vertriebenen Matten erziele sogar technisch wesentlich bessere Ergebnisse als die B-Entkopplungsmatten der Klägerin oder andere Konkurrenzprodukte (vgl. Privatgutachten vom 15.07.2021, Anlage B 4, deutsche Übersetzung Anlage B 5).
    Ihrer Ansicht nach übernehme sie bei ihren Entkopplungsmatten auch nicht diejenigen Merkmale, die – ggf. – eine wettbewerbliche Eigenart der klägerischen Matten begründeten. Denn die von ihr vertriebenen weißen Entkopplungsmatten wiesen eine andere Farbgebung sowie eine unterschiedliche Ausfüllung der Vertiefungen auf. Insbesondere fehlten die stegartigen Umrandungen der quadratischen Vertiefungen, die bei der klägerischen Matte auffielen. Auch die Struktur des Bodens sei unterschiedlich (glatt – porös). Durch die kleinen Löcher in den Vertiefungen werde eine bessere Verbindung der Matten mit dem verwendeten Kleber erreicht.
    Verwechslungen der Produkte der Parteien seien zudem auf jeglichen Handelsstufen in der insoweit maßgeblichen spezifischen Verkaufssituation in stationären und Online-Vertriebskanälen ausgeschlossen. Insbesondere im verpackten und aufgerollten Zustand, in dem die Entkopplungsmatten beider Parteien in der Regel vertrieben würden, achte der Abnehmer vornehmlich auf den deutlichen Herstellerhinweis auf der entsprechenden Banderole, die matrixartige quadratische Struktur sei hingegen in diesem Zustand nicht erkennbar. Insoweit präsentierten sich ihre Entkopplungsmatten, sofern sie nicht verlegt würden, ausschließlich mit der textilen Unterseite zuerst, auf der sich in vielfacher Wiederholung das großflächige Logo und der Marken-/Firmenname der Beklagten sowie ein schwarzes, vertikal und horizontal verlaufendes Gittermuster befinde. Durch die deutlich abweichende Gestaltung der Matten habe sie zumutbare und geeignete Maßnahmen zur Vermeidung von Herkunftstäuschungen vorgenommen.
    Schließlich ist sie der Ansicht, der Auskunftsanspruch sei zu weit gefasst. Zudem sei der von der Klägerin angenommene Gegenstandswert der Abmahnung weit überhöht. Auch müsse die für die Abmahnung entstandene Geschäftsgebühr zur Hälfte, maximal jedoch mit einem Gebührensatz von 0,75 auf die Verfahrensgebühr angerechnet werden.
    Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 26.10.2021 Bezug genommen.
  12. Entscheidungsgründe
  13. Die zulässige Klage ist begründet.
  14. I.
    1.
    Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Unterlassung aus wettbewerblichem Nachahmungsschutz gemäß §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1, 3 Abs. 1, 4 Nr. 3 lit. a. UWG.
  15. a.
    Die Klägerin ist als Mitbewerberin der Beklagten gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG aktivlegitimiert. Zwischen den Parteien besteht ein konkretes Wettbewerbsverhältnis, da sie gleichartige Waren – hier Entkopplungsmatten – innerhalb desselben Abnehmerkreises – Fachkräfte im Handwerk sowie Heimwerker – abzusetzen versuchen, so dass das beanstandete Wettbewerbsverhalten des einen Mitbewerbers den anderen zu beeinträchtigen vermag. Das Anbieten und Inverkehrbringen der angegriffenen Entkopplungsmatte durch die Beklagte stellen jeweils auch geschäftliche Handlungen im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG dar.
  16. b.
    Es liegt zudem ein Verstoß gegen § 4 Nr. 3 lit. a UWG vor.
    Nach dieser Vorschrift handelt unlauter, wer Waren anbietet, die eine Nachahmung der Waren eines Mitbewerbers sind, wenn er dadurch eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeiführt.
    Der Vertrieb eines nachahmenden Erzeugnisses kann wettbewerbswidrig sein, wenn das nachgeahmte Produkt über wettbewerbliche Eigenart verfügt und besondere Umstände hinzutreten, die die Nachahmung unlauter erscheinen lassen. So verhält es sich, wenn die Nachahmung geeignet ist, eine Herkunftstäuschung hervorzurufen und der Nachahmer geeignete und zumutbare Maßnahmen zur Vermeidung der Herkunftstäuschung unterlässt. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen dem Grad der wettbewerblichen Eigenart, der Art und Weise und der Intensität der Übernahme sowie den besonderen wettbewerblichen Umständen, so dass bei einer größeren wettbewerblichen Eigenart und einem höheren Grad der Übernahme geringere Anforderungen an die besonderen Umstände zu stellen sind, die die Wettbewerbswidrigkeit der Nachahmung begründen und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urt. v. 20.09.2018, Az. I ZR 71/17, Rn. 11 – Industrienähmaschinen; BGH, Urt. v. 16.11.2017, Az. I ZR 91/16, Rn. 13 – Handfugenpistole, jeweils zitiert nach juris).
  17. aa.
    Die B-Entkopplungsmatte in der streitgegenständlichen Gestaltung, die die Klägerin für sich herstellen lässt, verfügte bei ihrer Markteinführung im Jahre 2000 über wettbewerbliche Eigenart.
  18. (1)
    Einem Erzeugnis kommt wettbewerbliche Eigenart zu, wenn seine konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale geeignet sind, die interessierten Verkehrskreise auf seine betriebliche Herkunft oder seine Besonderheiten hinzuweisen. Das gilt auch für technische Erzeugnisse (st. Rspr.; vgl. nur BGH GRUR 2017, 734 Rn. 19 – Bodendübel m.w.N.). Wettbewerbliche Eigenart liegt insbesondere dann vor, wenn sich das Erzeugnis aufgrund besonderer Gestaltungsmerkmale von anderen Produkten im Marktumfeld so abhebt, dass der Verkehr es einem bestimmten Hersteller zuordnet (BGH, WRP 2013, 1189, Rn. 24 – Regalsystem).
    Für die Beurteilung der wettbewerblichen Eigenart ist der Gesamteindruck eines Erzeugnisses maßgebend. Dieser kann auch durch Gestaltungsmerkmale bestimmt oder mitbestimmt werden, die für sich genommen nicht geeignet sind, im Verkehr auf dessen Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen hinzuweisen. Derartige Gestaltungsmerkmale können in ihrem Zusammenwirken eine wettbewerbliche Eigenart nicht nur verstärken, sondern auch erst begründen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urt. v. 16.11.2017, Az. I ZR 91/16, Rn. 14 – Handfugenpistole; BGH, Urt. v. 15.12.2016, Az. I ZR 197/15, Rn. 19 – Bodendübel, jeweils zitiert nach juris; BGH, GRUR 2012, 1155 Rn. 31 – Sandmalkasten; BGH, GRUR 2010, 80 Rn. 34 – LIKEaBIKE).
    Für die wettbewerbliche Eigenart kommt es zwar nicht darauf an, dass die angesprochenen Verkehrskreise, den Hersteller der Ware namentlich kennen; erforderlich ist aber, dass sie annehmen, die Ware stamme von einem bestimmten Hersteller, wie auch immer dieser heißen möge, oder sei von einem mit diesem verbundenen Unternehmen in Verkehr gebracht worden (BGH, a.a.O., Rn. 14 – Handfugenpistole).
    Wettbewerbliche Eigenart bedingt weder, dass das Erzeugnis neu oder originell ist, noch dass der Hersteller des Originals damit bereits einen wettbewerblichen Besitzstand durch Verkehrsbekanntheit erlangt hat. Andernfalls würden noch nicht oder erst kurz auf den Markt gebrachte Erzeugnisse vom Schutz ausgeschlossen (OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.11.2018, Az. I-15 U 74/17, Rn. 61 m.w.N.). Ein Erzeugnis hat hingegen keine wettbewerbliche Eigenart, wenn der angesprochene Verkehr die prägenden Gestaltungsmerkmale des Erzeugnisses nicht (mehr) einem bestimmten Hersteller oder einer bestimmten Ware zuordnet (BGH, Urt. v. 16.11.2017, Az. I ZR 91/16, Rn. 14 – Handfugenpistole, m.w.N.).
    Die Ermittlung des entsprechenden Verkehrsverständnisses ist dabei keine Tatsachenfeststellung, sondern Anwendung eines speziellen Erfahrungswissens (BGH, Urt. v. 15.04.2010, Az. I ZR 145/08, Rn. 50 – Femur-Teil; OLG Düsseldorf, Urt. v. 03.03.2016, Az. I-15 U 30/15, Rn. 40, jeweils zitiert nach juris). Ob den B-Entkopplungsmatten im Streitfall wettbewerbliche Eigenart zukommt, vermögen die Kammermitglieder daher aufgrund ihrer langjährigen Erfahrung in Rechtsstreitigkeiten im Bereich des Patentrechts und damit in Zusammenhang stehenden Streitigkeiten des Wettbewerbsrechts selbst zu beurteilen. Überdies richten sich die jeweiligen Angebote der Entkopplungsmatten sowohl an Fachkreise als auch an Endverbraucher, so dass die Kammermitglieder auch zu den angesprochenen Verkehrskreisen zählen.
  19. (2)
    Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kommt der B-Entkopplungsmatte eine jedenfalls durchschnittliche wettbewerbliche Eigenart zu.
    Sie ist gekennzeichnet durch folgende Gestaltungsmerkmale:
    1. Quadratische Struktur mit in matrixartigen Reihen und Spalten angeordneten hinterschnittenen nahezu quadratischen Vertiefungen, wobei jede Vertiefung vier miteinander verbundene Seitenwände aufweist, die die Ecken der quadratischen Form definieren. Die Seitenwände der Vertiefungen sind zugleich die Seitenwände der gleichmäßig matrixartig zwischen den Vertiefungen angeordneten Stege, deren Oberflächen parallel zum Grundkörper verlaufen;
    2. eine Farbgestaltung in kräftigem Orange.
  20. Insgesamt weist die orange Entkopplungsmatte eine schlichte und geradlinige Kombination aus den nahezu quadratischen Vertiefungen und den als Stegen ausgebildeten Hervorhebungen auf, die die Dreidimensionalität der Oberflächenstruktur in gefälliger Weise hervorheben.
    Dass es sich insgesamt um ein schlichtes, geradliniges und durch Grundformen geprägtes Design handelt, steht der wettbewerblichen Eigenart nicht entgegen. Insoweit kann auch ein zurückhaltendes, puristisches Design geeignet sein, die Aufmerksamkeit des Verkehrs zu erwecken und sich als Hinweis auf die betriebliche Herkunft des Produkts einzuprägen (BGH GRUR 2012, 1155 Rn. 34 – Sandmalkasten, m.w.N.). Es handelt sich bei den klägerischen Entkopplungsmatten insbesondere nicht um Allerweltserzeugnisse oder Dutzendware, die sich dadurch auszeichnen, dass der Verkehr auf deren betriebliche Herkunft oder Qualität keinen Wert legt (BGH, GRUR 2012, 1155 Rn. 34 – Sandmalkasten; vgl. BGH, GRUR 2007, 339 Rn. 26 = WRP 2007, 313 – Stufenleitern, m.w.N.). Denn der angesprochene Verkehr wird gerade bei Entkopplungsmatten, deren (technischer) Zweck es insbesondere ist, Schäden an verlegten Fliesen zu verhindern, Wert darauf legen, dass sie eine entsprechende Qualität aufweisen und ihre technische Funktion erfüllen können. Die betriebliche Herkunft ist ihm vor diesem Hintergrund gerade nicht gleichgültig.
    Im Zeitpunkt der Markteinführung der B-Entkopplungsmatte in der hier streitgegenständlichen Gestaltung im Jahr 2000 war eine Entkopplungsmatte mit der dargestellten Oberflächenstruktur nicht bekannt. Die Klägerin selbst hat zuvor eine Entkopplungsmatte vertrieben, deren Oberseite mit einer Rippenstruktur versehen war. Anders gestaltete Entkopplungsmatten waren mangels anderweitigen Vortrags der Parteien im Markt nicht präsent. Bei den von den Parteien eingeführten Konkurrenzprodukten handelt es sich mangels anderweitigen Vortrags um das aktuelle Marktumfeld, so dass diese für die Beurteilung der wettbewerblichen Eigenart zum Zeitpunkt der Markteinführung der klägerischen Matten unerheblich sind. Zu berücksichtigen ist zudem, dass die Klägerin in Deutschland Pionierin auf dem Markt für Entkopplungsmatten gewesen ist.
    Auch die farbliche Gestaltung der klägerischen Entkopplungsmatte (Merkmal 2) prägt ihren Gesamteindruck jedenfalls mit. Insoweit ist weder vorgetragen worden noch anderweitig ersichtlich, dass die Klägerin die B-Entkopplungsmatte auch in anderen Farben vertrieben hätte.
  21. (3)
    Zwar ist das vorgenannte Merkmal 1 technisch bedingt. Dennoch kann es die wettbewerbliche Eigenart der Entkopplungsmatte (mit)begründen, da es frei austauschbar ist, ohne dass damit Qualitätseinbußen verbunden wären.
  22. (i)
    Insoweit können technisch notwendige Gestaltungsmerkmale – also Merkmale, die bei gleichartigen Erzeugnissen aus technischen Gründen zwingend verwendet werden müssen – aus Rechtsgründen zwar keine wettbewerbliche Eigenart begründen. Denn die Übernahme solcher nicht oder nicht mehr unter Sonderrechtsschutz stehender Gestaltungsmerkmale ist mit Rücksicht auf den Grundsatz des freien Stands der Technik wettbewerbsrechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden. Handelt es sich dagegen nicht um technisch notwendige Merkmale, sondern nur um solche, die zwar technisch bedingt, aber frei austauschbar sind, ohne dass damit Qualitätseinbußen verbunden sind, können sie eine wettbewerbliche Eigenart (mit)begründen, sofern der Verkehr wegen dieser Merkmale auf die Herkunft der Erzeugnisse aus einem bestimmten Unternehmen Wert legt oder mit ihnen gewisse Qualitätserwartungen verbindet (BGH, GRUR 2017, 734 Rn. 19 – Bodendübel; BGH, GRUR 2000, 521 [523] – Modulgerüst I; GRUR 2010, 80 Rn. 27 – LIKEaBIKE; GRUR 2010, 1125 Rn. 22 – Femur-Teil; GRUR 2012, 1155 Rn. 27 – Sandmalkasten; GRUR 2013, 951 Rn. 19 – Regalsystem; GRUR 2013, 1052 Rn. 18 – Einkaufswagen III; GRUR 2015, 909 Rn. 18 u. 24 – Exzenterzähne).
    Der Umstand, dass die Klägerin in der Vergangenheit über einen Patentschutz für Entkopplungsmatten verfügt hat, steht deren wettbewerblicher Eigenart daher nicht per se entgegen. Insoweit gebietet der Umstand, dass der nach Ablauf des Patentschutzes freie Stand der Technik für den Wettbewerb offenzuhalten ist, es nicht, den vom abgelaufenen Patentschutz erfassten technischen Merkmalen eines Erzeugnisses aus Rechtsgründen von vornherein die Eignung abzusprechen, auf die betriebliche Herkunft oder die Besonderheiten des Erzeugnisses hinzuweisen (BGH, GRUR 2017, 734 Rn. 21 – Bodendübel, m.w.N.; BGH, GRUR 2015, 909 Rn. 23 – Exzenterzähne). Der lauterkeitsrechtliche Nachahmungsschutz ist nach Schutzzweck, Voraussetzungen und Rechtsfolgen anders als der Patentschutz ausgestaltet. Ansprüche aus wettbewerblichem Leistungsschutz wegen der Verwertung eines fremden Leistungsergebnisses können unabhängig vom Bestehen von Ansprüchen aus einem Sonderschutzrecht gegeben sein, wenn besondere Begleitumstände vorliegen, die außerhalb des sondergesetzlichen Tatbestands liegen (BGH a.a.O. – Bodendübel; zum Patent vgl. BGH, GRUR 2015, 909 Rn. 23 – Exzenterzähne; zum Geschmacksmuster vgl. BGH, GRUR 2010, 80 Rn. 18 – LIKEaBIKE; zum Urheberrecht vgl. BGH, GRUR 2011, 134 Rn. 65 = WRP 2011, 249 – Perlentaucher; GRUR 2012, 58 Rn. 41 – Seilzirkus; GRUR 2017, 79 Rn. 37 – Segmentstruktur; zum Markenrecht vgl. BGH, GRUR 2013, 951 Rn. 20 – Regalsystem).
    Die Annahme, dass vormals unter Patentschutz stehende technische Merkmale eines Erzeugnisses seine wettbewerbliche Eigenart begründen können, führt auch nicht zur Verlängerung des während des Patentschutzes bestehenden Verwertungsmonopols. Der wettbewerbliche Leistungsschutz darf keinen in zeitlicher Hinsicht unbegrenzten Schutz vor Nachahmungen für eine Innovation gewähren. Ein solcher Schutz stünde im Gegensatz zu der gesetzlichen Befristung des Innovationsschutzes im Patentrecht (BGH a.a.O., Rn. 22 – Bodendübel, m.w.N.). Die Nachahmung eines nicht oder nicht mehr unter Patentschutz stehenden Erzeugnisses ist jedoch nur bei Hinzutreten besonderer Umstände – wie einer vermeidbaren betrieblichen Herkunftstäuschung (§ 4 Nr. 3 Buchst. a UWG) oder einer unangemessenen Rufausnutzung (§ 4 Nr. 3 Buchst. b UWG) – unlauter. Die Beurteilung der Unlauterkeit erfordert eine einzelfallbezogene Gesamtwürdigung unter Abwägung aller betroffenen Interessen. Dazu gehört auch das Interesse der Mitbewerber, sich einer zum freien Stand der Technik gehörigen technischen Lösung zu bedienen. Danach besteht kein sachlicher Grund, einem Erzeugnis im Hinblick auf den früheren Patentschutz seiner Merkmale die wettbewerbliche Eigenart von vornherein zu versagen und es dadurch schlechter zu stellen als andere technische Erzeugnisse, die nicht unter Patentschutz standen (BGH a.a.O., Rn. 22 – Bodendübel, m.w.N.).
  23. (ii)
    Nach dem Vortrag der Parteien ist nicht festzustellen, dass die konkrete Ausgestaltung der Oberfläche der Entkopplungsmatten mit einer quadratischen Struktur mit in matrixartigen Reihen und Spalten angeordneten hinterschnittenen nahezu quadratischen Vertiefungen technisch notwendig ist.
    Ein Gestaltungsmerkmal ist technisch notwendig, wenn ein bestimmter technischer Erfolg nur mithilfe dieses Merkmals und nicht auch auf andere Weise erreicht werden kann (BGH, GRUR 2017, 734 Rn. 31 – Bodendübel; vgl. BGH, GRUR 2000, 521 [523] – Modulgerüst I; GRUR 2007, 339 Rn. 27 – Stufenleitern; GRUR 2007, 984 Rn. 20 = WRP 2007, 1455 – Gartenliege; GRUR 2015, 909 Rn. 24 – Exzenterzähne). Der technische Erfolg beurteilt sich nach der technischen Funktion des Erzeugnisses im Hinblick auf den konkreten Gebrauchszweck (BGH, GRUR 2017, 734 Rn. 31 – Bodendübel; vgl. BGH, GRUR 2000, 521 [523 f.] – Modulgerüst I; GRUR 2005, 600 [602] – Handtuchklemmen; GRUR 2007, 984 Rn. 20 – Gartenliege; GRUR 2009, 1073 Rn. 13 f. – Ausbeinmesser; GRUR 2010, 80 Rn. 28 – LIKEaBIKE; GRUR 2015, 909 Rn. 24 ff. – Exzenterzähne; GRUR 2016, 720 Rn. 24 – Hot Sox). Technisch nicht notwendige, sondern technisch lediglich bedingte, aber ohne Qualitätseinbußen frei austauschbare Gestaltungsmerkmale können eine wettbewerbliche Eigenart (mit)begründen, sofern der Verkehr wegen dieser Merkmale auf die Herkunft der Erzeugnisse aus einem bestimmten Unternehmen Wert legt oder mit ihnen gewisse Qualitätserwartungen verbindet (BGH, GRUR 2017, 734 Rn. 31 – Bodendübel; BGH, GRUR 2015, 909 Rn. 26 – Exzenterzähne). Der Vergleich mit anderen marktgängigen, denselben technischen Zweck erfüllenden Produkten kann zeigen, dass die Ausgestaltung der technischen Merkmale für sich genommen oder zumindest in ihrer Kombination nicht technisch notwendig ist (BGH, GRUR 2017, 734 Rn. 31 – Bodendübel; vgl. BGH, GRUR 2000, 521 [524] – Modulgerüst I; GRUR 2010, 1125 Rn. 23 – Femur-Teil; GRUR 2013, 951 Rn. 21 u. 24 – Regalsystem; GRUR 2013, 1052 Rn. 21 – Einkaufswagen III; GRUR 2015, 909 Rn. 24 – Exzenterzähne).
    Dies gilt auch für ein ehemals patentgeschütztes Produkt. Bei der Frage, ob Gestaltungsmerkmale technisch notwendig oder lediglich technisch bedingt sind, ist auf andere Produkte abzustellen, die denselben technischen Zweck erfüllen. Der in einen Vergleich einzubeziehende Markt darf nicht derart verengt werden, dass nur solche Produkte in die Betrachtung einbezogen werden, die auf der Lehre des Patents aufbauen. Entscheidend ist vielmehr, welche Produkte der angesprochene Verkehr als funktionell vergleichbar ansieht (BGH, GRUR 2017, 734 Rn. 32 – Bodendübel).
    Die Entkopplungsmatte hat den technischen Zweck, einen auf einen Untergrund aufzubringenden Oberflächenbelag, oftmals Fliesen, von dem Untergrund zu entkoppeln und so die aus unterschiedlichen Ausdehnungen zwischen Untergrund und Belag auftretenden Spannungen abzubauen. Durch diese Vermeidung einer direkten Übertragung von Spannungen, Rissen, Verschiebungen und Bewegungen auf die Fliese soll Rissbildungen vorgebeugt werden.
    Dieser technische Zweck kann nicht nur durch Entkopplungsmatten in der hier streitgegenständlichen Gestaltung erreicht werden. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass es zur Erfüllung des technischen Zwecks zwingend einer Oberfläche mit in matrixartigen Reihen und Spalten angeordneten hinterschnittenen nahezu quadratischen Vertiefungen bedarf.
    Aus den von der Klägerin vorgelegten Beispielen von Entkopplungsmatten anderer Hersteller des Anlagenkonvolutes K 14 geht insoweit hervor, dass es Entkopplungsmatten auf dem deutschen Markt gibt, deren konkrete Ausgestaltung deutlich von derjenigen der klägerischen B-Entkopplungsmatten abweicht. So weisen diese nicht matrixartig angeordneten nahezu quadratischen Vertiefungen auf, sondern unter anderem runde Vertiefungen wie folgt:(…)
    tropfenförmige wie folgt:
  24. (…)
    knochenförmige Ausstülpungen wie folgt:
    (…)
    (…)
    Auch die funktional vergleichbaren Entkopplungsvliese oder -gewebe (im Original als Anlagen K 23a und K 25a vorgelegt) weisen eine glatte und damit völlig abweichende Oberflächengestaltung auf.
    Aus dem Umstand, dass sich eine hohe Anzahl an anderweitig gestalteten Konkurrenzprodukten auf dem Markt befindet, die denselben technischen Zweck erfüllen, folgt, dass die konkrete Ausgestaltung einer Entkopplungsmatte nach dem Merkmal 1 nicht technisch zwingend ist, sondern Alternativmöglichkeiten bestehen.
    Dem ist die Beklagte nicht substantiiert entgegen getreten. Insbesondere hat sie nicht aufgezeigt, dass anderweitige Oberflächengestaltungen der Entkopplungsmatten zu Einbußen an Qualität oder Funktionalität führen.
    Insoweit hat sie zur Substantiierung ihres Vortrags, die Struktur der Entkopplungsmatten sei gerade nicht willkürlich austauschbar, sondern böte einen erheblichen Qualitätsvorsprung gegenüber anderweitigen Gestaltungen, ein Privatgutachten des Herrn I vom 15.07.2021 als Anlage B 4 (deutsche Übersetzung Anlage B 5) vorgelegt. Soweit dieser dort ausführt, die Ausgestaltung der angegriffenen Entkopplungsmatte sei für die Verbindungswirkung (insbesondere auch gegenüber der Gestaltung der mit rechteckigen Vertiefungen ausgestalteten B-Entkopplungsmatte) vorzugswürdig, weil die Fläche der Bereiche der Vertiefungen und derjenigen der diese umgebenden Streben („Linien“) dort sehr gut bzw. besser ausbalanciert sei, was eine höhere spezifische Belastung pro qm ermögliche, ausgezeichnete Ergebnisse hinsichtlich der Kompression oder der multidirektionalen Ausbreitung von Kräften liefere sowie eine gleichmäßige Verteilung der residualen Feuchtigkeit und des Druckausgleichs unter Belastung ermögliche, so geht daraus jedenfalls nicht hervor, welche konkreten, messbaren Qualitätseinbußen mit der Wahl einer anderen Oberflächenstruktur im Hinblick auf den vorgenannten technischen Zweck verbunden sein sollen. Insoweit reicht der pauschale Vortrag, die mechanische Haftung würde sich dadurch verringern und die residuale Feuchtigkeit würde sich ungleichmäßig verteilen, für die Darlegung einer relevanten Qualitätseinbuße nicht aus. Soweit Herr I hervorhebt, dass die Entkopplungsmatten auf dem Markt, die andere Formgestaltungen aufweisen, – anders als die Entkopplungsmatten der Parteien – eine „non-woven“ Folie aufwiesen, die auch die Vertiefungen miteinschließe, „um damit von einer mechanischen Verankerung zu einer chemischen Verbindung zu wechseln“, so ist nicht dargelegt, welche Qualitätseinbuße mit dieser Folie verbunden sein soll. Zudem weisen – wie unter anderem aus den Mustern der Anlagen K 14d bis 14f ersichtlich – nicht alle der anderweitig gestalteten Konkurrenzprodukte eine solche Folie auf.
    Zudem ist die Klägerin dem Vortrag der Beklagten substantiiert entgegengetreten, indem sie unter Verweis auf die Übersicht der Anlage K 36 im Einzelnen dargelegt hat, dass eine Überprüfung der Haftzugswerte ihrer B-Entkopplungsmatte und der aus den Anlagen K 14a, K 14c bis K 14h, K 21a und K 24a ersichtlichen Konkurrenzprodukte ergeben habe, dass die Haftzugswerte der Konkurrenzprodukte – eines ausgenommen – entgegen der Luptung der Beklagten durchgehend höher gewesen seien als der Haftzugswert der B-Entkopplungsmatte, dass also die Konkurrenzprodukte mit abweichender Oberflächengestaltung sogar eine höhere Haftzugsfestigkeit bzw. Abreißfestigkeit aufwiesen. Die Beklagte hat diesen Vortrag der Klägerin lediglich pauschal bestritten, ohne aufzuzeigen, aus welchen Gründen diese Überprüfung der Haftzugswerte unrichtig gewesen sein sollte. Auch innerhalb der ihr eingeräumten nachgelassenen Schriftsatzfrist hat sie hierzu nicht weiter vorgetragen.
  25. bb.
    Ob die wettbewerbliche Eigenart der Entkopplungsmatte eine Steigerung erfahren hat, kann im Ergebnis dahinstehen.
    Der Grad der wettbewerblichen Eigenart eines Erzeugnisses kann durch seine tatsächliche Bekanntheit im Verkehr verstärkt werden (BGH, GRUR 2017, 734 Rn. 43, Bodendübel; vgl. BGH, GRUR 2010, 1125 Rn. 24 – Femur-Teil; BGH, GRUR 2013, 1052 Rn. 24 – Einkaufswagen III; BGH, GRUR 2015, 909 Rn. 28 – Exzenterzähne). Das gilt auch für ein vormals patentgeschütztes Produkt, dessen Verkehrsbekanntheit nicht nur Folge der durch das Patent gewährten Monopolstellung ist, sondern auf den Marketing- oder Vertriebsaktivitäten des früheren Patentinhabers beruht (BGH, GRUR 2017, 734 Rn. 43, Bodendübel, m.w.N.).
    Aufgrund der langjährigen Marktpräsenz von mittlerweile über X Jahren, der dargelegten umfangreichen Bewerbung und den zahlreichen Prämierungen kann davon ausgegangen werden, dass die B-Entkopplungsmatte der Klägerin im Markt bekannt ist. Insoweit hat die Klägerin dargelegt, dass die B-Entkopplungsmatte mehrfach Auszeichnungen im In- und Ausland erhielt (vgl. Anlagen K 5 bis K 8) und sie bei dem Bau bzw. der Renovierung verschiedener (Prestige-)Bauten, unter anderem bei der Renovierung des X X, eingesetzt wurde (vgl. Anlagenkonvolut K 11 mit entsprechender Berichterstattung unter Abbildung der Matten). Zudem war die B-Entkopplungsmatte Gegenstand diverser redaktioneller Beiträge in der Fachpresse (vgl. Anlage K 1 und Anlagenkonvolut K 12). Des Weiteren wurde die hier maßgebliche Oberflächengestaltung der Matten nicht nur auf den Messeauftritten der Klägerin, wie beispielhaft aus der Abbildung der Anlage K 13 ersichtlich, prominent beworben, sondern auch in ihren TV-Werbespots herausgestellt (vgl. Screenshots der Anlagen K 9 und K 29).
    Im Ergebnis kann indes dahinstehen, ob die jedenfalls durchschnittliche wettbewerbliche Eigenart unter Berücksichtigung der – insoweit bestrittenen – Absatz- und Umsatzzahlen der klägerischen Entkopplungsmatte sowie ihres behaupteten Marktanteils von annähernd X % eine Steigerung erfahren hat, da eine vermeidbare Herkunftstäuschung – wie im Folgenden ausgeführt wird – bereits unter Zugrundelegung einer durchschnittlichen wettbewerblichen Eigenart in der Gesamtabwägung anzunehmen ist.
  26. cc.
    Die wettbewerbliche Eigenart ist auch nicht bereits erloschen oder hat eine wesentliche Schwächung erfahren.
    Die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Beklagte (vgl. BGH GRUR 1998, 477, 479 – Trachtenjanker) vermochte nicht darzulegen, dass die wettbewerbliche Eigenart Ende 2019, als die angegriffene Entkopplungsmatte von ihr im Inland angeboten wurde, nachträglich entfallen oder wesentlich geschwächt war.
    Die wettbewerbliche Eigenart muss grundsätzlich im Zeitpunkt des Anbietens der Nachahmung auf dem Markt noch fortbestanden haben (vgl. BGH, GRUR 1985, 876, 878 – Tchibo/Rolex I; OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.02.2018, Az. 20 U 137/16, Rn. 21, zitiert nach juris). Von einem Fortbestand der wettbewerblichen Eigenart ist trotz des Vertriebs von Nachahmungen im großen Umfang auszugehen, solange die angesprochenen Verkehrskreise zwischen Original und Kopie unterscheiden und die Kopie ohne weiteres oder nach näherer Prüfung als solche erkennbar ist (OLG Düsseldorf Urt. v. 11.12.2014 – I-15 U 92/14, BeckRS 2015, 618 Rn. 35 – Le Pliage-Tasche; BGH, GRUR 1998, 830, 833 – Les-Paul-Gitarren; BGH, GRUR 2007, 795 Rn. 28 – Handtaschen). Sie erlischt, wenn die prägenden Gestaltungsmerkmale des nachgeahmten Originals, z.B. durch eine Vielzahl von Nachahmungen, Allgemeingut geworden sind, der Verkehr sie also nicht (mehr) einem bestimmten Hersteller oder einem mit diesem durch Lizenz- oder Gesellschaftsvertrag verbundenen Unternehmen oder einer bestimmten Ware zuordnet (BGH, WRP 2015, 1090, Rn. 11 – Exzenterzähne; BGH, GRUR 2007, 984, Rn. 24 – Gartenliege; BGH, WRP 2016, 854, Rn. 16 – Hot Sox; BGH, WRP 2017, 51, Rn. 52 – Segmentstruktur; BGH WRP 2017, 792, Rn. 41 – Bodendübel).
    Mangels anderweitiger Anhaltspunkte ist von einem erstmaligen Anbieten der Nachahmung durch die Beklagte Ende des Jahres 2019 auszugehen (vgl. hierzu die Abmahnung der Klägerin vom 05.12.2019, Anlage K 18).
  27. (1)
    Die von der Klägerin angeführten Wettbewerbsprodukte, die jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt im Markt erhältlich sind, weisen bereits eine anderweitige Oberflächengestaltung auf (s.o.) und tragen daher nicht zu einer Schwächung der wettbewerblichen Eigenart bei.
  28. (2)
    Die von der Beklagten angeführten Konkurrenzprodukte weisen – unterstellt, sie zählten zum relevanten Marktumfeld – bereits eine anderweitige Oberflächengestaltung als die klägerische Entkopplungsmatte auf (i). Zudem fehlt es an substantiiertem Vortrag der Beklagten zur Marktbedeutung der Produkte (ii).
  29. (i)
    Soweit die Beklagte in ihrer Klageerwiderung das über die Webseite unter XXX angebotene „J“ entgegenhält, geht aus der konkreten Gestaltung des Entkopplungsgewebes, wie aus dem von der Klägerin im Original vorgelegten Musterstück der Anlage K 23a ersichtlich, hervor, dass die Entgegenhaltung im Gegensatz zu der klägerischen Entkopplungsmatte keine der charakteristischen Vertiefungen aufweist.
    Soweit die Beklagte als weitere Entgegenhaltung eine „K“ in blauer Farbe anführt, so weist diese bereits nicht die die wettbewerbliche Eigenart begründenden Merkmale der klägerischen B-Entkopplungsmatte auf. Insoweit ist aus der Abbildung (S. 8 der Klageerwiderung, Bl. 58 GA) ersichtlich, dass diese gerade nicht eine quadratische Struktur mit in matrixartigen Reihen und Spalten angeordneten hinterschnittenen nahezu quadratischen Vertiefungen aufweist, sondern runde Vertiefungen. Dies geht auch aus dem als Anlage K 24a im Original von der Klägerin vorgelegten Musterteil der Matte hervor.
    Gleiches gilt für das Entkopplungsvlies der L Befestigungstechnik (vgl. Abbildung auf S. 9 der Klageerwiderung, Bl. 59 GA), das – wie auch aus dem von der Klägerin als Original vorgelegten Musterstück der Anlage K 25a ersichtlich – bereits keine Vertiefungen aufweist, sondern flach gestaltet ist.
    Auch die als Entgegenhaltung angeführte gelbe „M“ (vgl. Abbildung auf S. 10 der Klageerwiderung, Bl. 60 GA) weist nicht die prägenden Merkmale der klägerischen Entkopplungsmatte auf, wie es aus der von der Klägerin als Anlage K 26 vorgelegten bildlichen Gegenüberstellung hervorgeht. Denn die Vertiefungen weisen zwar eine quadratische Struktur auf. Dadurch, dass die Vertiefungen im Verhältnis zu den Stegen der klägerischen Entkopplungsmatte aber wesentlich kleiner sind und darüber hinaus die quadratischen Vertiefungen durch – insoweit weniger tiefe – horizontale Oberflächenvertiefungen, die Kanäle ausbilden, verbunden sind, entsteht – auch unabhängig von der grünen Farbe – ein völlig anderer Gesamteindruck.
    Soweit die Beklagte auf die Entkopplungsmatten einer Firma „C“ verweist (vgl. Abbildungen auf S. 11 der Klageerwiderung, Bl. 61 GA), kann an dieser Stelle unterstellt werden, dass diese Abnehmern in der Bundesrepublik Deutschland angeboten werden. Denn auch diese weisen zwar eine orangene Farbe, jedoch nicht die das klägerische Produkt prägende quadratische Struktur mit in matrixartigen Reihen und Spalten angeordneten hinterschnittenen nahezu quadratischen Vertiefungen auf. Dies ist aus den kleinen Abbildungen bereits nicht erkennbar und geht auch nicht aus der von der Klägerin vergrößerten Abbildung auf Seite 12 ihrer Replik (Bl. 131 GA) hervor, die sechseckige und gerade keine (nahezu) quadratischen Vertiefungen zeigt.
    Auch die Entgegenhaltungen in Gestalt der XXX, der YYY sowie der ZZZ Entkopplungsmatte weisen keine zu der Gestaltung der klägerischen Entkopplungsmatte vergleichbare Gestaltung mit matrixartig angeordneten hinterschnittenen quadratischen Vertiefungen auf (vgl. Gegenüberstellung der Anlagen K 32 bis K 34). Vielmehr zeichnen sie sich entweder durch eine flache Gestaltung aus oder durch Vertiefungen mit einer anderen geometrischen Grundform (Sechseck).
    Schließlich weist zwar die von der Beklagten angeführte Entkopplungsmatte der Firma N. eine zu der klägerischen Entkopplungsmatte nahezu identische Oberflächenstruktur auf (vgl. auch bildliche Gegenüberstellung auf S. 9 des klägerischen Schriftsatzes vom 04.10.2021, Bl. 202 GA). Die Klägerin hat indes dargelegt, dass sie gegen diese Firma aufgrund der mutmaßlichen Verletzung ihrer Rechte ein Klageverfahren vor dem LG Köln (Az. 84 O 81/20) eingeleitet hat und die Entkopplungsmatte darüber hinaus auf dem deutschen Markt noch nicht vertrieben wurde.
  30. (ii)
    Die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Beklagte hat darüber hinaus bereits nicht die Marktbedeutung der Entgegenhaltungen dargelegt (BGH GRUR 2005, 600 (602) – Handtuchklemmen; OLG Köln 12.6.2020 – 6 U 265/19 Rn. 72, m.w.N.; Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 39. Aufl. 2021, UWG § 4 Rn. 3.77), insbesondere nicht die der über XXX abrufbaren „CCC“, die eine Gestaltung wie die klägerische Entkopplungsmatte „B“ aufzuweisen scheint (vgl. Abbildung auf S. 11 der Klageerwiderung, Bl. 61 GA), die der auf Seite 19 des Schriftsatzes der Beklagten vom 20.10.2021 (Bl. 269 GA) eingeblendeten Entkopplungsmatte sowie derjenigen Entkopplungsmatten, die auf den im Termin zur mündlichen Verhandlung überreichten Internetauszügen abgebildet sind. Die Beklagte hat weder zum Vertriebszeitraum noch zu den Absatzzahlen oder Werbeanstrengungen der verschiedenen Entgegenhaltungen vorgetragen. Vielmehr wird aus dem Vortrag der Beklagten deutlich, dass sie keinen genauen Überblick über die Marktpräsenz der Produkte hat.
    Soweit sie ausführt, ihre Darlegungslast werde überspannt, wenn von ihr verlangt würde, die ihr nicht bekannten Umsatzzahlen zu erfragen, die von den Konkurrenzunternehmen mit den Entgegenhaltungen auf dem deutschen Markt erzielt würden, und sie insoweit auf das Urteil des OLG Köln vom 14.7.2017 (6 U 197/16) Bezug nimmt, so verfängt dies nicht. Das OLG Köln führt zwar aus, dass es nicht zwingend erforderlich sei, Absatzzahlen der Wettbewerber zu benennen, die dem Anspruchsgegner in der Regel nicht bekannt sein werden, da bei der Prüfung der „hinreichenden Bekanntheit“ des nachgeahmten Produkts diese nicht nur aus hohen Absatzzahlen, sondern beispielsweise auch aus entsprechenden Werbeanstrengungen abgeleitet werden könne (OLG Köln, GRUR-RR 2018, 207 Rn. 73). Auch solche hat die Beklagte indes nicht vorgetragen. Entsprechend hat es auch das OLG Köln in dem vorzitierten Verfahren nicht ausreichen lassen, dass die dortige Beklagte vorgetragen hat, dass die Entgegenhaltungen – teilweise bei größeren Internetportalen – käuflich erworben werden können (OLG Köln, a.a.O., Rn. 75).
    Vor diesem Hintergrund kann nicht festgestellt werden, dass nachträglich eine Gewöhnung des Verkehrs an entsprechend der klägerischen Entkopplungsmatte gestaltete Matten eingetreten ist.
  31. dd.
    Des Weiteren stellt die angegriffene Entkopplungsmatte der Beklagten auch eine nahezu identische Nachahmung der B-Entkopplungsmatte der Klägerin dar, die jedenfalls bei den Endkunden als potentiellen Abnehmern zu einer jedenfalls mittelbaren Herkunftstäuschung führt.
  32. (1)
    Eine Nachahmung setzt voraus, dass das angegriffene Produkt dem Originalprodukt so ähnlich ist, dass es sich in ihm wiedererkennen lässt (vgl. BGH, GRUR 2015, 1214 Rn. 78 – Goldbären; BGH, GRUR 2017, 79 Rn. 64 – Segmentstruktur). Die Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Erzeugnisse ist nach ihrem Gesamteindruck zu beurteilen. Denn der Verkehr nimmt ein Produkt in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen wahr, ohne es einer analysierenden Betrachtung zu unterziehen. Dabei müssen gerade die übernommenen Gestaltungsmittel diejenigen sein, die die wettbewerbliche Eigenart des Erzeugnisses ausmachen, für das Schutz beansprucht wird (BGH, GRUR 2017, 734 Rn. 45 – Bodendübel; BGH, GRUR 2007, 795 Rn. 32 = WRP 2007, 1076 – Handtaschen; GRUR 2010, 1125 Rn. 25 – Femur-Teil; GRUR 2016, 730 Rn. 47 – Herrnhuter Stern; BGH, GRUR 2010, 80, Rn. 39 – LIKEaBIKE). Dabei ist der Erfahrungssatz zu berücksichtigen, dass der Verkehr die in Rede stehenden Produkte regelmäßig nicht gleichzeitig wahrnimmt und miteinander vergleicht, sondern seine Auffassung aufgrund eines Erinnerungseindrucks gewinnt. Regelmäßig treten dabei die übereinstimmenden Merkmale mehr hervor als die Unterschiede, so dass es maßgeblich nicht so sehr auf die Unterschiede als auf die Übereinstimmungen ankommt (BGH, GRUR 2018, 832 Rn. 65 – Ballerinaschuh; BGH, GRUR 2007, 795 Rn. 34 – Handtaschen)
    Nach diesen Maßstäben stellt die angegriffene Entkopplungsmatte der Beklagten eine nahezu identische Nachahmung der B-Entkopplungsmatte dar.
    Die Entkopplungsmatten der Parteien stehen sich hinsichtlich ihrer Oberflächengestaltung wie folgt gegenüber:
    Insoweit sind jedenfalls die Form, Größe und Länge der Elemente – aus der Sicht des angesprochenen Verkehrs – weitgehend identisch. Die von der Beklagten hervorgehobenen Unterschiede in den einzelnen Elementen, wie Größenabweichungen im Millimeterbereich sowie ein unterschiedliches Längen-/Breitenverhältnis der Vertiefungen, sind nur nach einer näheren Befassung erkennbar, die der Verkehr regelmäßig nicht vornimmt. Gleiches gilt für die von der Beklagten angeführten Unterschiede in der Struktur der Oberfläche, die nach ihrem Vortrag „porös“ sei und tausende kleine Löcher aufweise. Insoweit erkennt der angesprochene Verkehr bei flüchtiger Betrachtung, dass es sich bei den sichtbaren Punkten nicht um einen Teil der Oberflächenstruktur handelt, sondern um das Durchschimmern der gepunkteten Struktur des auf der Rückseite angebrachten Vlieses.
  33. (2)
    Die klägerische B-Entkopplungsmatte verfügte zum Zeitpunkt der Markteinführung der angegriffenen Entkopplungsmatte auch über die für eine Herkunftstäuschung erforderliche „gewisse Bekanntheit“.
    Die Gefahr einer Täuschung über die betriebliche Herkunft eines nachgeahmten Erzeugnisses setzt, sofern nicht Original und Nachahmung nebeneinander vertrieben werden und der Verkehr damit beide unmittelbar miteinander vergleichen kann, voraus, dass das nachgeahmte Erzeugnis eine gewisse Bekanntheit erlangt hat. Es genügt bereits eine Bekanntheit, bei der sich die Gefahr der Herkunftstäuschung in noch relevantem Umfang ergeben kann, wenn Nachahmungen vertrieben werden (BGH, GRUR 2009, 79, Rn. 35 – Gebäckpresse; BGH, GRUR 2007, 984, Rn. 34 – Gartenliege, m.w.N.). Indes ist eine Herkunftstäuschung in aller Regel bereits begrifflich nicht möglich, wenn dem Verkehr nicht bekannt ist, dass es ein Original gibt (BGH, GRUR 2005, 600, 602 – Handtuchklemmen; BGH, GRUR 2005, 166, 167 – Puppenausstattungen). Entscheidend ist eine Bekanntheit auf dem inländischen Markt sowie der Zeitpunkt der Markteinführung der Nachahmung (BGH, GRUR 2009, 79, Rn. 35 – Gebäckpresse, m.w.N.).
    Zum Zeitpunkt der Markteinführung Ende des Jahres 2019 verfügte die klägerische Entkopplungsmatte jedenfalls aufgrund der langjährigen Marktpräsenz seit dem Jahr 2000, der mehrfachen Auszeichnungen und der Presseberichterstattung unter anderem über ihren Einsatz bei Bau- und Renovierungsarbeiten von (Prestige-)Bauten über eine gewisse Bekanntheit im deutschen Markt (s.o., Ausführungen unter Ziff. I. 1. b. bb.).
  34. (3)
    Zwar liegt keine unmittelbare Herkunftstäuschung vor. Denn die die klägerischen Entkopplungsmatten mitprägende orangene Farbe wird von der Beklagten nicht übernommen. Vielmehr ist die Entkopplungsmatte der Beklagten farblos. Die abweichende Farbgebung schließt indes eine mittelbare Herkunftstäuschung nicht aus.
    Für die Gefahr einer Täuschung über die betriebliche Herkunft genügt es insoweit, wenn der Verkehr bei der Produktnachahmung annimmt, es handle sich um eine neue Serie oder um eine Zweitmarke des Originalherstellers oder es bestünden lizenz- oder gesellschaftsvertragliche Beziehungen zwischen den beteiligten Unternehmen (BGH, GRUR 2009, 1069 Rn. 15 – Knoblauchwürste; BGH, GRUR 2009, 1073 Rn. 15 – Ausbeinmesser; BGH, GRUR 2019, 196 Rn. 15 – Industrienähmaschinen). Insoweit besteht aufgrund der nahezu identischen Übernahme der matrixartig, in Reihen und Spalten angeordneten hinterschnittenen quadratischen Vertiefungen trotz der anderweitigen Farbgestaltung die Gefahr, dass der angesprochene Verkehr annimmt, zwischen den Parteien bestünden lizenzvertragliche Beziehungen, wobei die Beklagte zwar dazu ermächtigt wurde, die Oberflächenstruktur der klägerische Matte zu übernehmen, jedoch nicht die für das klägerische Unternehmen charakteristische Farbe Orange.
    Die jedenfalls mittelbare Herkunftstäuschung wurde insbesondere nicht in der für die Beurteilung der Herkunftstäuschung maßgeblichen Erwerbssituation (BGH, GRUR 2017, 734 Rn. 62 – Bodendübel; BGH, GRUR 2010, 1125 Rn. 33 f. – Femur-Teil; BGH, GRUR 2013, 951 Rn. 32 – Regalsystem) durch eine erkennbar abweichende Kennzeichnung der angegriffenen Entkopplungsmatten ausgeräumt.
    Eine Herkunftstäuschung kann durch eine deutlich sichtbare, sich vom Originalprodukt unterscheidende Kennzeichnung der Nachahmung ausgeräumt werden, wenn die angesprochenen Verkehrskreise diese einem bestimmten Unternehmen nicht allein anhand ihrer Gestaltung zuordnen, sondern sich beim Kauf auch an den Herstellerangaben in der Werbung, den Angebotsunterlagen oder an der am Produkt angebrachten Herstellerkennzeichnung orientieren (BGH, GRUR 2017, 734 Rn. 61 – Bodendübel, m.w.N.).
    Die Beklagte hat insoweit vorgetragen, dass bei einem Bezug über das Internet aufgrund einer deutlichen Kennzeichnung von Entkopplungsmatten eine Herkunftstäuschung ausgeschlossen werde. Jedoch hat sie nicht dargelegt, ob und wie gerade die streitgegenständliche angegriffene Entkopplungsmatte im Internet beworben und angeboten wurde, so dass nicht festgestellt werden kann, ob dort eine abweichende Herstellerkennzeichnung deutlich erkennbar war oder nicht. Soweit die Beklagte mit Schriftsatz vom 20.10.2021 vorgetragen hat, dass auf der Internetseite des Baumarktes O eine „P“ der Beklagten unter der Bezeichnung „H“ angeboten werde, die auf der Abbildung deutlich mit dem Firmennamen gekennzeichnet sei, so geht daraus bereits nicht hinreichend hervor, dass es sich bei der „Abdichtungsbahn“ um die hier streitgegenständliche Entkopplungsmatte der Beklagten handelt.
    Soweit die Beklagte vorgetragen hat, dass im stationärem Vertrieb in Baumärkten sowohl die Entkopplungsmatte der Klägerin als auch der Beklagten den Kunden – professionellen Handwerkern und Endverbrauchern – unverpackt und aufgerollt präsentiert würden, wie folgt, so ist zwar auf der Rückseite der angegriffenen Entkopplungsmatten das Unternehmenskennzeichen der Beklagten deutlich erkennbar. Es sind jedoch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der angesprochene Verkehr die Kennzeichnung gerade als Herstellerkennzeichnung und nicht als Handelsmarke bzw. -kennzeichnung erkennt. Insoweit räumt eine Handelsmarke auf dem nachgeahmten Produkt die Gefahr der Herkunftstäuschung – im Gegensatz zu unterschiedlichen Herstellerangaben – nicht grundsätzlich aus (BGH GRUR 2009, 1069 Ls. 2 – Knoblauchwürste). Insbesondere hat die Beklagte selbst ausgeführt, dass sie nicht Herstellerin der Matten ist, sondern diese von einem italienischen Hersteller bezieht und unter eigener Marke bzw. ihrem Unternehmenskennzeichen lediglich weiter vertreibt. Ferner ist auch in der vorstehend dargestellten Erwerbssituation am sich aufklappenden Ende der aufgerollten Entkopplungsmatten die nahezu identische charakteristische matrixartige Struktur mit den quadratischen Vertiefungen hinreichend erkennbar. Darüber hinaus ist anhand des im Termin von dem Beklagtenvertreter überreichten Originals der Entkopplungsmatte der Beklagten ersichtlich, dass sogar in aufgerolltem Zustand die matrixartige Struktur mit quadratischen Vertiefungen für den Betrachter deutlich erkennbar ist. Die im Termin überreichte Entkopplungsmatte der Beklagten wird nach ihrem Vortrag genau so auch im stationären Handel präsentiert. Gerade der Endverbraucher, der den Markt der Entkopplungsmatten und die jeweiligen Hersteller nicht im Einzelnen kennt, wird seinen Fokus vornehmlich auf das technisch-funktionale und deutlich erkennbare Merkmal der charakteristischen Oberflächenstruktur mit den (nahezu) quadratischen Vertiefungen richten.
    Zwar sind nach der Rechtsprechung des BGH jedenfalls im Falle gewerblicher Einkäufer bzw. Fachkreise, die in der Regel über eine besseren Überblick über die angebotenen Produkte und deren Hersteller im Markt verfügen, für die Annahme einer Herkunftstäuschung im weiteren Sinne aufgrund der Annahme lizenzvertraglicher Beziehungen über eine fast identische Nachahmung hinausgehende Hinweise auf mögliche lizenzrechtliche Verbindungen erforderlich, wobei ein solcher Hinweis beispielsweise darin liegen kann, dass die Beklagte zuvor Originalprodukte der Klägerin vertrieben hat oder die Parteien früher einmal durch einen Lizenzvertrag verbunden waren (BGH GRUR 2019, 196 Rn. 20 – Industrienähmaschinen, m.w.N.). Solche Hinweise sind nicht ersichtlich. Insbesondere haben die Parteien in der Vergangenheit im Bereich der Entkopplungsmatten nicht zusammengearbeitet, was jedoch auch dem Umstand geschuldet ist, dass die Beklagte diese zuvor (überhaupt) nicht vertrieben hat. Jedoch wird ein relevanter Teil des angesprochenen Verkehrs in Gestalt der abnehmenden Endkunden aufgrund der nahezu identischen Nachahmung und mangels konkreter Kenntnisse vom Markt auch ohne zusätzliche Hinweise von einer lizenz- oder gesellschaftsvertraglichen Beziehung der Parteien ausgehen.
    Da es für eine Herkunftstäuschung ausreicht, dass ein relevanter Teil des Verkehrs in einer der genannten Erwerbssituationen einer Herkunftstäuschung unterliegt, kommt es im Ergebnis nicht mehr darauf an, wie die Entkopplungsmatten auf der reinen B2B-Ebene präsentiert werden. Zudem kann dahinstehen, ob und wie die angegriffenen Matten auch über das Internet angeboten oder beworben worden sind.
  35. ee.
    Die Herkunftstäuschung war zudem vermeidbar.
    Eine Herkunftstäuschung ist vermeidbar, wenn sie durch geeignete und zumutbare Maßnahmen verhindert werden kann. Ob und welche Maßnahmen dem Wettbewerber zur Verhinderung einer Herkunftstäuschung zugemutet werden können, ist anhand einer umfassenden Interessenabwägung zu beurteilen. Bei dieser Abwägung sind unter anderem das Interesse des Herstellers des Originalerzeugnisses an der Vermeidung einer Herkunftstäuschung, das Interesse des Wettbewerbers an der Nutzung nicht unter Sonderrechtsschutz stehender Gestaltungselemente sowie das Interesse der Abnehmer an einem Preis- und Leistungswettbewerb zwischen den unterschiedlichen Anbietern zu berücksichtigen (BGH, GRUR 2017, 734 Rn. 54 – Bodendübel; vgl. BGH, GRUR 2000, 521 [525] – Modulgerüst I; GRUR 2013, 951 Rn. 35 f. – Regalsystem; GRUR 2015, 909 Rn. 33 – Exzenterzähne; GRUR 2016, 730 Rn. 68 – Herrnhuter Stern). Einem Wettbewerber ist es regelmäßig nicht zuzumuten, auf eine angemessene technische Lösung zu verzichten, um die Gefahr einer Herkunftstäuschung oder einer Rufausnutzung zu vermeiden (BGH, GRUR 2017, 734 Rn. 54 – Bodendübel; vgl. BGH, GRUR 2000, 521 [525] – Modulgerüst I; GRUR 2005, 600 [603] – Handtuchklemmen; GRUR 2007, 984 Rn. 35 – Gartenliege; GRUR 2012, 58 Rn. 46 – Seilzirkus; GRUR 2013, 951 Rn. 36 – Regalsystem; GRUR 2015, 909 Rn. 35 u. 41 – Exzenterzähne). Bei einer (nahezu) identischen Nachahmung gilt allerdings im Hinblick auf die Zulässigkeit der Übernahme von Merkmalen, die dem freien Stand der Technik angehören und der angemessenen Lösung einer technischen Aufgabe dienen, ein strengerer Maßstab als bei einem geringeren Grad der Übernahme (BGH, GRUR 2017, 734 Rn. 54 – Bodendübel; vgl. BGH, GRUR 2012, 1155 Rn. 39 – Sandmalkasten; GRUR 2015, 909 Rn. 36 – Exzenterzähne).
    Bei einer (nahezu) identischen Übernahme – wie im Streitfall – kann sich der Nachahmer grundsätzlich nicht darauf berufen, er habe lediglich eine nicht unter Sonderrechtsschutz stehende angemessene technische Lösung übernommen. Führt die Übernahme solcher Merkmale zu einer (nahezu) identischen Nachahmung, ist es einem Wettbewerber regelmäßig zuzumuten, auf eine andere angemessene technische Lösung auszuweichen, wenn er der Gefahr einer Herkunftstäuschung nicht auf andere Weise – etwa durch eine (unterscheidende) Kennzeichnung seiner Produkte – entgegenwirken kann (BGH, GRUR 2017, 734 Rn. 54 – Bodendübel; BGH, GRUR 2015, 909 Rn. 36 – Exzenterzähne).
    Angesichts der im Markt erhältlichen Entkopplungsmatten anderer Wettbewerber, die eine dem Gesamteindruck nach völlig abweichende Oberflächengestaltung aufweisen, wäre es der Beklagten zumutbar gewesen, auf eine andere Oberflächenstruktur auszuweichen, um eine Herkunftstäuschung zu vermeiden. Dass ihr dieses Ausweichen aufgrund von Qualitätseinbußen und damit merklicher Wettbewerbsnachteile unzumutbar wäre, hat diese nicht aufgezeigt (s.o.). In der Gesamtabwägung überwiegt daher das Interesse der Klägerin an der Vermeidung einer Herkunftstäuschung.
  36. ff.
    In der Gesamtschau stellt sich das Anbieten der angegriffenen Entkopplungsmatte durch die Beklagte unter Berücksichtigung der jedenfalls durchschnittlichen wettbewerblichen Eigenart der klägerischen Entkopplungsmatte und der nahezu identischen Nachahmung angesichts der bestehenden Ausweichmöglichkeiten hinsichtlich der Oberflächengestaltung als insgesamt unlauter dar.
    Auf eine Unlauterkeit nach § 4 Nr. 3 Buchst. b UWG wegen Ausnutzung der Wertschätzung der klägerischen Entkopplungsmatte kam es daher nicht mehr an.
  37. c.
    Die Beklagte hat die durch die Verletzung indizierte Wiederholungsgefahr nicht durch die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung ausgeräumt. Die Wiederholungsgefahr erstreckt sich zudem nicht nur auf die im Antrag eingeblendete Entkopplungsmatte in weißer/farbloser Gestaltung, sondern auf Entkopplungsmatten mit der dargestellten Oberflächengestaltung in jeglicher unifarbener Farbgestaltung. Eine solche Verallgemeinerung ist zulässig, da damit kerngleiche Verletzungshandlungen erfasst werden. Nach der Rechtsprechung des BGH können insoweit bereits bei der Fassung eines Unterlassungsantrags und der darauf beruhenden Urteilsformel im Interesse eines hinreichenden Rechtsschutzes insoweit gewisse Verallgemeinerungen zulässig sein, sofern darin das Charakteristische der Verletzungshandlung zum Ausdruck kommt (BGH, GRUR 2013, 1071 Rn. 14 – Umsatzangaben). Es ist nicht ersichtlich, dass unter Berücksichtigung der Übernahme der charakteristischen Oberflächenstrukturierung der Entkopplungsmatte, wie sie hier angegriffen wird, eine andere unifarbene Farbgestaltung die mittelbare Herkunftstäuschung vermeiden oder ausräumen würde.
  38. 2.
    Nach den Ausführungen unter Ziff. I. 1. kommt es auf einen Anspruch aus §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1, 5 Abs. 2 UWG nicht mehr an.
  39. II.
    Die Klägerin hat gegen die Beklagte zudem einen Anspruch auf Schadensersatzfeststellung aus § 9 UWG.
    Die Beklagte handelte insbesondere jedenfalls fahrlässig. Für die Annahme eines zumindest fahrlässigen Verhaltens reicht es insoweit aus, dass sich der Verletzer – wie hier – erkennbar in einem Grenzbereich des rechtlich Zulässigen bewegt und deshalb eine von der eigenen Einschätzung abweichende Beurteilung der rechtlichen Zulässigkeit seines Verhaltens in Betracht ziehen muss (BGH, GRUR 2017, 734 Rn. 73 – Bodendübel, m.w.N.). Zudem kann sich die Beklagte nicht damit exkulpieren, dass sie die angegriffenen Entkopplungsmatten selbst weder designt noch hergestellt hat, da sie jedenfalls für das Angebot der Entkopplungsmatten und der damit verbundenen Rechtsverletzungen verantwortlich ist.
    Die genaue Schadenshöhe steht derzeit noch nicht fest. Da es jedoch ausreichend wahrscheinlich ist, dass der Klägerin durch die rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten ein Schaden entstanden ist, der von der Klägerin noch nicht beziffert werden kann, weil sie ohne eigenes Verschulden in Unkenntnis über den Umfang der Verletzungshandlungen ist, ist ein rechtliches Interesse der Klägerin an einer Feststellung der Schadenersatzverpflichtung dem Grunde nach anzuerkennen, § 256 ZPO.
  40. III.
    Damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, ihren Schadensersatzanspruch zu beziffern, steht ihr gegen die Beklagte ein Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung im zuerkannten Umfang aus §§ 242, 259 BGB zu. Die Klägerin ist auf die Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt; die Beklagte wird durch die von ihr verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet.
  41. IV.
    Der geltend gemachte Anspruch auf Freistellung von den vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten ergibt sich aus § 12 Abs. 1 S. 2 UWG aF.
    Nach § 12 Abs. 1 S. 2 UWG aF (seit 2.12.2020: § 13 Abs. 3 UWG) kann ein zur Geltendmachung eines wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruchs Berechtigter, der nach § 12 Abs. 1 S. 1 UWG aF (seit 2.12.2020: § 13 Abs. 1 UWG) vor der Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens den Schuldner abmahnen und ihm Gelegenheit geben soll, den Streit durch Abgabe einer mit einer angemessenen Vertragsstrafe bewehrten Unterlassungsverpflichtung beizulegen, die dafür erforderlichen Aufwendungen ersetzt verlangen, soweit die Abmahnung berechtigt ist. Eine Abmahnung ist berechtigt, wenn sie begründet ist, ihr also ein materiell-rechtlicher Unterlassungsanspruch zugrunde liegt, und sie außerdem wirksam sowie erforderlich ist, um dem Unterlassungsschuldner einen Weg zu weisen, den Unterlassungsgläubiger ohne Inanspruchnahme der Gerichte klaglos zu stellen (st. Rspr.; vgl. BGH, GRUR 2021, 752 Rn. 13 m.w.N.).
    Die Abmahnung vom 15.12.2019 war nach diesen Maßstäben begründet (s.o. Ziff. I. bis III.). Sie war berechtigt, da sie der Beklagten die Möglichkeit gegeben hat, die Klägerin klaglos zu stellen.
    Die Höhe der Abmahnkosten ergibt sich aus dem angesetzten Gegenstandswert in Höhe von 500.000,00 € aus einer 1,3-fachen Geschäftsgebühr zzgl. Auslagenpauschale. Steuern werden nicht geltend gemacht. Die Klägerin darf zudem die volle 1,3-fache Geschäftsgebühr geltend machen. Eine Anrechnung auf die Verfahrensgebühr erfolgt in diesem Fall erst im Kostenfestsetzungsverfahren.
    Der der Abmahnung zugrunde gelegte Gegenstandswert in Höhe von 500.000,00 € ist nicht zu beanstanden und bewegt sich im Rahmen dessen, was die Kammer in vergleichbaren Fällen annimmt. Maßgeblich ist insoweit das wirtschaftliche Interesse der Klägerin an der begehrten Unterlassung. Bei den klägerischen B-Entkopplungsmatten handelt es sich um eines ihrer prestigeträchtigsten Produkte, das seit mehr als 20 Jahren unter anderem auf dem deutschen Markt vertrieben wird. Zudem handelt es sich bei der angegriffenen Entkopplungsmatte um eine nahezu identische Nachahmung, so dass auch der Angriffsfaktor hoch ist. Umstände, die für eine niedrigeren Gegenstandswert sprächen, hat die Beklagte nicht aufgezeigt.
    Der Zinsanspruch folgt aus §§ 288 Abs. 1, 291 BGB ab dem 14.06.2020.
    V.
    Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 709, 108 Abs. 1 ZPO.

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