4b O 42/09 – PVD-Vorrichtung

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 1422

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 22. Juni 2010, Az. 4b O 42/09

Rechtsmittelinstanz: 2 U 85/10

I. Die Beklagten werden verurteilt,

1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,00 – ersatzweise Ordnungshaft – oder eine Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Fall wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft im Falle der Beklagten zu 1) an ihren jeweiligen Geschäftsführern zu vollstrecken ist, zu unterlassen,

Vorrichtungen zur Aufbringung wenigstens eines Überzuges auf Gegenstände mittels einer Dampfablagerung (PVD) unter Unterdruck, aufweisend eine PVD-Vorrichtung zum Überziehen des Gegenstandes unter Unterdruck, wenigstens eine Schleuse, die die PVD-Vorrichtung von der Umgebung trennt, eine Transportvorrichtung, die sich durch die PVD-Vorrichtung und in die Schleuse hinein erstreckt, wobei die Transportvorrichtung dazu angepasst ist, Gegenstände, die auf Trägern angeordnet sind, zu transportieren, die PVD-Vorrichtung für eine halbkontinuierliche Behandlung der Gegenstände, die auf den Trägern angeordnet sind, angepasst ist, eine Vorverarbeitungsvorrichtung zur Durchführung einer Vorverarbeitung an dem Gegenstand, eine Nachverarbeitungsvorrichtung zum Nachverarbeiten der Gegenstände, wobei sich die Transportvorrichtung durch die wenigstens eine Schleuse, die Vorverarbeitungsvorrichtung und die Nachbearbeitungsvorrichtung erstreckt,

in der Bundesrepublik Deutschland herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen,

die dadurch gekennzeichnet sind, dass die Vorverarbeitungsvorrichtung einer Anwendungsvorrichtung zum Aufbringen eines Lackes auf die zu behandelnden Gegenstände aufweist, der mittels Strahlung, beispielsweise UV- oder IR-Strahlung, aushärtet und eine Vorrichtung zum Bestrahlen der lackierten Gegenstände mit der relevanten Strahlung;

2. der Klägerin in einer geordneten Aufstellung unter Vorlage von Rechnungen hinsichtlich der Angaben zu a) bis c) darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu 1. bezeichneten Handlungen seit dem 1.11.2003 begangen haben, und zwar unter Angabe

a) der Herstellungsmengen und Herstellungszeiten, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen,

b) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten oder anderer Vorbesitzer,

c) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen und der jeweiligen Typenbezeichnungen, sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,

d) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen und der jeweiligen Typenbezeichnungen, sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

e) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

im Falle von Internet-Werbung der Domain, der Zugriffszahlen und der Schaltungszeiträume,

f) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

wobei den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;

3. die vorstehend unter Ziffer 1. bezeichneten, im Besitz Dritter befindlichen Erzeugnisse aus den Vertriebswegen zurückzurufen, indem diejenigen Dritten, denen durch die Beklagte oder mit deren Zustimmung Besitz an den Erzeugnissen eingeräumt wurde, unter Hinweis darauf, dass die Kammer mit dem hiesigen Urteil auf eine Verletzung des Klagepatents EP 1129XXX B1 erkannt hat, ernsthaft aufgefordert werden, die Erzeugnisse an die Beklagte zurückzugeben und den Dritten für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Rückzahlung des gegebenenfalls bereits gezahlten Kaufpreises sowie die Übernahme der Kosten zugesagt wird und endgültig zu entfernen, indem die Beklagte diese Erzeugnisse wieder an sich nimmt oder die Vernichtung derselben beim jeweiligen Besitzer veranlasst;

4. – insoweit nur die Beklagte zu 1) – die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz und/oder Eigentum befindlichen, vorstehend zu 1. bezeichneten Erzeugnisse auf eigene Kosten zu vernichten oder nach ihrer Wahl an einen von ihr zu benennenden Treuhänder zum Zwecke der Vernichtung auf ihre – der Beklagten zu 1) – Kosten herauszugeben (alternativ an einen zur Vernichtung bereiten Gerichtsvollzieher).
II. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu I.1. bezeichneten und seit dem 1. November 2003 begangenen Handlungen entstanden ist oder noch entstehen wird.
III. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagten 90% und die Klägerin 10 % zu tragen.
IV. Das Urteil ist für die Klägerin vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 5.000.000 Euro, für die Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
V. Der Streitwert wird auf 5.000.000 Euro festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin ist alleinige eingetragene Inhaberin des Europäischen Patents EP 1 129 XXX B1 (nachfolgend: „Klagepatent“, Anlage K 6, deutsche Übersetzung in Anlage K 6a). Das Klagepatent wurde unter Inanspruchnahme der niederländischen Priorität NL 1010XXX vom 11.11.1998 am 11.11.1999 angemeldet. Die Bekanntmachung und Veröffentlichung der Patenterteilung erfolgte am 1.10.2003.
Am 19.5.2010 reichte die Beklagte zu 1) die aus der Anlage B 7 ersichtliche Nichtigkeitsklage gegen den deutschen Teil des Klagepatents beim Bundespatentgericht ein.
Die nachfolgend eingeblendete Figur 1 zeigt eine perspektivische schematische Ansicht eines kompletten Gerätes in einer vom Klagepatent bevorzugten Ausführunform.

Die Parteien sind Wettbewerber im Bereich der Metallisierung, d.h. der Beschichtung von Gegenständen mit einem Metallüberzug sowie dem Verkauf solcher Produkte. Die Beklagte zu 1), deren Geschäftsführer die Beklagten zu 2) – 4) sind, stellt her, bietet an und liefert im gesamten Bundesgebiet unter der Bezeichnung A und insbesondere unter der Modellbezeichnung A B automatisierte Anlagensysteme (vgl. Angebotsschreiben gem. Anlage K 12; Demonstrationsvideo gem. Anlage K 13; Produktbeschreibung gem. Anlage K 14; Werbebroschüre gem. Anlage K 15). Die Beklagte zu 1) lieferte Ende des Jahres 2007 eine derartige Anlage an die C GmbH, ein Tochterunternehmen der D GmbH&Co.KG.

Die nachfolgend eingeblendete schematische Gesamtübersicht der angegriffenen Ausführungsform (Anlage K 16) ist dem aus Anlage K 13 ersichtlichen Video entnommen.

Die Klägerin meint, die angegriffene Ausführungsform mache in wortsinngemäßer Weise von der technischen Lehre des Anspruchs 1 des Klagepatents Gebrauch. Insbesondere verfüge diese über eine Transportvorrichtung im Sinne des Klagepatents, die sich durch die PVD-Vorrichtung und in die Schleuse hinein erstrecke. Sie nimmt die Beklagten deshalb auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Feststellung der Schadensersatzverpflichtung, Vernichtung sowie auf Rückruf und Entfernung in Anspruch.

Die Klägerin beantragt,

im Wesentlichen wie erkannt, wobei sie die Klage mit Zustimmung der Beklagten im Haupttermin vom 27.5.2010 insoweit teilweise zurückgenommen hat, als sie ursprünglich den Vernichtungsanspruch auch gegen die weiteren Beklagten geltend gemacht und hinsichtlich sämtlicher Beklagter eine Urteilsveröffentlichung gem. § 140e PatG begehrt hat.

Die Beklagten beantragen,
1. die Klage abzuweisen,
2. hilfsweise, den Rechtsstreit im Hinblick auf die Nichtigkeitsklage der Beklagten zu 1) auszusetzen.

Die Beklagten sind der Ansicht, die angegriffene Ausführungsform verfüge nicht über eine klagepatentgemäße Transportvorrichtung, die sich durch die PVD-Vorrichtung, die wenigstens eine Schleuse, die Vorverarbeitungsvorrichtung und die Nachverarbeitungsvorrichtung erstrecke. Sie gehöre zu einer anderen Einrichtungsgattung als die patentgemäße Vorrichtung: Während das Klagepatent eine sog. Inline-Anlage lehre, sei die angegriffene Ausführungsform als sog. Batch- bzw. Chargen- Anlage ausgestaltet. Eine Chargen-Anlage weise zu einer Inline-Anlage den Unterschied auf, dass kein durchgehendes Transportsystem vorliege, sondern die zu bearbeitenden Gegenstände gesondert zugeführt und wieder entnommen werden müssten, um alsdann einem anderen Bearbeitungsprozess zugefügt werden zu können. Daher verletze die angegriffene Ausführungsform das Klagepatent nicht, weil – insoweit im Tatsächlichen unstreitig – bei ihr die zu behandelnden Gegenstände vor der PVD-Vorrichtung auf einen Beschichtungskäfig gesetzt würden, der dann in die PVD-Vorrichtung hineingefahren werde; nach Durchführung des Beschichtungsprozesses werde der Beschichtungskäfig – unstreitig – wieder aus der PVD-Vorrichtung entnommen und die beschichteten Gegenstände heruntergenommen. Ihren hilfswese gestellten Aussetzungsantrag begründen die Beklagten damit, dass der deutsche Teil des Klagepatents mangels Neuheit bzw. erfinderischer Tätigkeit vernichtet werde.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet. Die angegriffene Ausführungsform verletzt das Klagepatent wortsinngemäß, weshalb die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Feststellung der Schadensersatzverpflichtung, Vernichtung sowie auf Rückruf und endgültige Entfernung aus den Vertriebswegen gegeben sind (Art. 64 EPÜ, §§ 9, 139, 140a Abs. 1 und 3, 140b PatG, §§ 242, 259 BGB).

I.
Das Klagepatent betrifft eine Vorrichtung zum Beschichten von Gegenständen mittels eines sogenannten PVD-Verfahrens (physikalische Dampfablagerung). Darunter versteht man eine Gruppe von vakuumbasierten Beschichtungsverfahren bzw. Dünnschichttechnologien, bei denen die Schicht direkt durch Kondensation eines Ausgangsmaterials gebildet wird.
Solche Geräte sind nach den einleitenden Bemerkungen des Klagepatents allgemein bekannt und werden etwa dazu verwendet, eine dünne Schicht aus Metall auf Plastik aufzubringen, um einem Gegenstand ein metallisches Aussehen zu verleihen (z.B. Kappen für Kosmetikflaschen). Herkömmlich wird der zu beschichtende Gegenstand zur Verarbeitung auf Gestellen platziert und mit einem Lacküberzug versehen, um die Klebekraft zu erhöhen und eine gleichmäßige Oberfläche zu erzielen. Bekannt ist auch eine Vorbehandlung in Form einer Flammbehandlung. Nachfolgend wird der zu verarbeitende Gegenstand in einen Unterdruckbehälter platziert, in welchem ein Unterdruck erzielt wird und mittels einer Verdampfung von metallischen Gegenständen ein Metalldampf in den Unterdruckbehälter eingeführt wird, der sich auf den lackierten Komponenten ablagert („physikalische Dampfablagerung“). Nach vollständiger Verdampfung wird wieder Luft in den Behälter gelassen und die Gegenstände können von den Gestellen entfernt werden. Anschließend erfolgt eine Nachbehandlung, die in der Regel als Lackierbehandlung erfolgt, indem die sehr dünne Metallschicht mit einem Schutzlack überzogen wird.
An dieser herkömmlichen Vorgehensweise kritisiert das Klagepatent, dass viele Vorgänge unvermeidlich manuell durchgeführt werden müssen und die betreffende Arbeit daher mühevoll und schwierig sei.
Die WO-A-97/28290 offenbart ein Gerät zur Aufbringung von wenigstens einem Überzug auf Gegenstände mittels PVD unter Vakuum, das dazu angepasst ist, Kathodenstrahlröhren zu benutzen, die das Sputtern von Metallüberzügen auf Glas mit sich bringen.
Vor diesem technischen Hintergrund formuliert das Klagepatent die Aufgabe, ein Gerät zu schaffen, das dazu angepasst ist, einen Metallüberzug auf Materialien aufzubringen, die nur überzogen werden können, wenn sie durch einen Lacküberzug bedeckt wurden.
Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Klagepatent im Anspruch 1 eine Vorrichtung mit folgenden Merkmalen vor:

1. Vorrichtung zur Aufbringung wenigstens eines Überzuges auf Gegenstände mittels einer Dampfablagerung (PVD) unter Unterdruck, aufweisend

1.1 eine PVD-Vorrichtung zum Überziehen des Gegenstandes unter Unterdruck,

1.1.1 die PVD-Vorrichtung ist für eine halbkontinuierliche Behandlung der Gegenstände, die auf den Trägern angeordnet sind, angepasst;
1.2 wenigstens eine Schleuse, die die PVD-Vorrichtung von der Umgebung trennt;

1.3 eine Transportvorrichtung,

1.3.1 die sich durch die PVD-Vorrichtung und in die Schleuse hinein erstreckt;

1.3.2 wozu die Transportvorrichtung dazu angepasst ist, Gegenstände, die auf Trägern angeordnet sind, zu transportieren,

1.3.3 wobei sich die Transportvorrichtung durch die wenigstens eine Schleuse, die Vorverarbeitungsvorrichtung und die Nachverarbeitungsvorrichtung erstreckt;

1.4 eine Vorverarbeitungsvorrichtung zur Durchführung einer Vorverarbeitung an dem Gegenstand,

1.4.1 die Vorverarbeitungsvorrichtung weist eine Anwendungsvorrichtung zum Aufbringen eines Lackes auf die zu behandelnden Gegenstände auf, die mittels Strahlung, beispielsweise UV- oder IR-Strahlung, aushärtet;

1.4.2 die Vorverarbeitungsvorrichtung weist eine Vorrichtung zum Bestrahlen der lackierten Gegenstände mit der relevanten Strahlung auf;

1.5 eine Nachbearbeitungsvorrichtung zum Nachverarbeiten der Gegenstände.

Als Vorteil der klagepatentgemäßen Lösung hebt die Klagepatentschrift (Absatz [0014]) hervor: Da die Transportvorrichtung zum Zwecke einer halbkontinuierlichen Behandlung der Gegenstände angepasst sei und sich darüber hinaus durch die Verarbeitungsvorrichtung erstrecke, werde es möglich, die Gegenstände für die Dampfbeschichtung ohne Be- und Entladevorgänge zu behandeln, so dass sich die Nutzung eines gewissen Automatisierungsgrades ergebe. Ein Handhaben der Gegenstände zwischen den Behandlungen, wenn sie ohnehin auf den Gestellen platziert sind, werde so eingespart.

II.
Die angegriffene Ausführungsform macht in wortsinngemäßer Weise von der technischen Lehre des Anspruchs 1 des Klagepatents Gebrauch. Dies gilt auch im Hinblick auf das von den Beklagten insoweit im Ergebnis allein bestrittene Merkmal 1.3. Denn die angegriffene Ausführungsform verfügt über eine klagepatentgemäße Transportvorrichtung.

1)
Die Transportvorrichtung wird in der Merkmalsgruppe 1.3 dadurch näher konkretisiert, als dass sie sich durch die PVD-Vorrichtung und in die Schleuse hinein erstreckt (Merkmal 1.3.1), ferner dazu angepasst ist, Gegenstände, die auf Trägern angeordnet sind, zu transportieren (Merkmal 1.3.2), und dass sie sich durch die wenigstens eine Schleuse, die Vorverabreitungsvorrichtung und die Nachverarbeitungsvorrichtung erstreckt (Merkmal 1.3.3).
Abgesehen von den genannten Kriterien, welche das Klagepatent für die Transportvorrichtung vorsieht, werden keine zwingenden Vorgaben an die konstruktive Ausgestaltung derselben gestellt. Der Fachmann erkennt daher, dass der Anspruchswortlaut insbesondere eine mehrteilige Ausgestaltung der Transportvorrichtung nicht ausschließt; das Klagepatent schreibt nicht (zwingend) vor, ob die Transportvorrichtung ein- oder mehrteilig auszubilden ist. Das Wort „eine“ im Merkmal 1.3 ist ersichtlich nicht als Zahlwort in dem Sinne zu verstehen, als dass es sich um ein einteiliges Vorrichtungsteil handeln müsse. Vielmehr zeigt bereits die anspruchsgemäß vorgesehene Schleuse (vgl. Merkmale 1.2 und 1.3.1), dass eine Aufteilung der Transportvorrichtung dem Verständnis des Klagepatents immanent ist.
Ferner sieht der Fachmann, dass das Klagepatent den Begriff „Vorrichtung“ auch anderenorts so gebraucht, dass auch solche Vorrichtungen gemeint sind, die aus mehreren Komponenten gebildet werden: So besteht zum Beispiel die Gesamtvorrichtung aus mehreren Teilkomponenten (PVD-Vorrichtung; Vor- und Nachbearbeitungsvorrichtung sowie Transportvorrichtung); die Vorverarbeitungsvorrichtung setzt sich ihrerseits aus den Bestandteilen Anwendungsvorrichtung (Merkmal 1.4.1) und Bestrahlungsvorrichtung (Merkmal 1.4.2) zusammen.
Der Fachmann erkennt daher, dass es nicht auf eine Ein- oder Mehrteiligkeit der Transportvorrichtung ankommt, sondern dass wesentlich nur ist, dass ein Transport der Gegenstände ermöglicht wird, wie er der Aufgabenstellung und den klagepatentgemäß hervorgehobenen Vorteilen entspricht. Der entsprechende technische Sinn und Zweck kann auch erreicht werden, wenn die Transportvorrichtung aus verschiedenen Abschnitten besteht, solange die Gegenstände nicht per Hand von einer zu anderen Vorrichtungskomponente umgeladen werden müssen, sondern auf den Trägern verbleiben können und letztere automatisiert zwischen/auf verschiedene Abschnitte umgeladen werden können. Soweit die Beklagten meinen, eine die hier vertretene Auslegung löse sich von dem prägenden und bestimmenden Begriff der „Transportvorrichtung“ und stelle nur auf den Transportvorgang ab, ist dem zu widersprechen. Der Begriff „Transportvorrichtung“ enthält – wie bereits ausgeführt – keine zwingenden räumlich-körperlichen Vorgaben, so dass eine (weite) funktionale Interpretation durchaus statthaft ist.
In dieser Sichtweise wird der Fachmann ferner durch das Ausführungsbeispiel gemäß Abschnitten [0041 ff.] und die zugehörige Figur 2 des Klagepatents bestärkt. Danach sind bevorzugt im Rahmen einer U-förmigen Transportvorrichtung sog. Rotationsvorrichtungen angeordnet, die Rotationsscheiben aufweisen (vgl. auch Anlage K 20). Durch diese Rotationsvorrichtungen wird die Transportvorrichtung in verschiedene Abschnitte gegliedert, um einen Transport über eine Winkel von 90 Grad durchführen zu können: nämlich in Teile vor und nach der Rotationsvorrichtung sowie diese selbst. Eine „Einteiligkeit“ der Transportvorrichtung kann demzufolge nicht Bestandteil der allgemeinen technischen Lehre des Klagepatents sein. Trotz der Aufteilung der Transportvorrichtung in verschiedene Abschnitte verbleiben die Gegenstände auch in diesem Ausführungsbeispiel permanent auf den Trägern, so dass sie nicht separat be- und entladen werden müssen. Denn sie werden, während sie sich auf den Trägern befinden, auf die Rotationsscheibe geschoben und von dort werden sie auf den der Rotationsvorrichtung nachfolgenden Teil der Transportvorrichtung verbracht.
Entsprechendes gilt für das im Abschnitt [0055] gelehrte und in Figur 5 des Klagepatents illustrierte Ausführungsbeispiel, gemäß dem die Transportvorrichtung ebenfalls aus verschiedenen Abschnitten besteht. Auch dort findet ein Umladen der Träger statt.

Vor diesem Hintergrund verfängt auch der Hinweis der Beklagten auf den Abschnitt [0040], wo von einer „geschlossenen Transportvorrichtung“ die Rede ist, nicht. Es ist zum einen zweifelhaft, ob sich der dortigen Schilderung überhaupt eine Einteiligkeit der Transportvorrichtung im Sinne des Verständnisses der Beklagten entnehmen lässt. Selbst wenn das anzunehmen wäre, dürfte man hieraus jedenfalls nicht den Schluss ziehen, die allgemeine Lehre des Klagepatents sei auf eine derartige Konstruktion beschränkt. Vielmehr handelt es sich insoweit lediglich um ein Ausführungsbeispiel entsprechend der oben wiedergegebenen Illustration in der Figur 1. Diese bevorzugte Ausführungsvariante ist erst Gegenstand des rückbezogenen Unteranspruchs 8; der Hauptanspruch 1 beinhaltet mithin ein entsprechend breiteres Verständnis. Die Beklagten vermochten keinen technischen Grund aufzuzeigen, nach dem es zwingend erforderlich wäre, zum Erreichen der betreffenden technischen Vorteile eine einteilige Transportvorrichtung vorzusehen.

2)
Ausgehend von diesem Verständnis verfügt die angegriffene Ausführungsform über eine klagepatentgemäße Transportvorrichtung in Gestalt des in der oben wiedergegebenen Anlage K 16 rot gezeichneten Vorrichtungsteils. Dieses ermöglicht einen Transport der zu behandelnden Gegenstandes durch die gesamte Anlage, ohne dass diese oder die Träger, auf denen sie angeordnet sind, vor oder nach den verschiedenen Einzelvorrichtungen jeweils erst von Hand be- und entladen werden müssen. Die rot gekennzeichnete Transportvorrichtung geht auch durch die PVD-Vorrichtung (gelb), in und durch die Schleuse (orange) sowie durch die Vorverarbeitungsvorrichtung (grün). Unstreitig ist die Transportvorrichtung der angegriffenen Ausführungsform auch dazu angepasst, auf Trägern angeordnete Gegenstände zu transportieren. Lediglich zu Beginn des Verfahrens müssen die Gegenstände auf den Trägern platziert werden, während hernach ein manuelles Be- und Entladen entfällt.
Ohne Erfolg machen die Beklagten geltend, es fehle an einer Verletzung, weil der eine Teil der Transportvorrichtung an der Rotorbestückungseinheit ende, der andere Teil erst wieder an der Rotorentstückungseinheit beginne und die Rotorhandlingseinheit nicht zur Transportvorrichtung gehöre. Denn zum einen steht entsprechend der vorstehenden Auslegung des Klagepatents eine mehrteilige Ausgestaltung der Transportvorrichtung einer Verwirklichung des Anspruchs 1 nicht entgegen. Zum anderen wird der Fachmann auch den durch den Rotor gebildeten Abschnitt der Anlage als Teil der funktional zu verstehenden „Transportvorrichtung“ ansehen. Bei der gebotenen funktionalen Betrachtung erstreckt sich eine Transportvorrichtung auch dann in die PVD-Vorrichtung, wenn die in einem Käfig befindlichen Gegenstände in diese hineingeschoben werden. Das Klagepatent setzt insbesondere nicht etwa voraus, dass kein Umladen der Träger innerhalb der Transportvorrichtung erfolgt. Es geht ihm vielmehr darum, im Interesse einer größeren Automatisierung währenddessen ein (manuelles) Entfernen der Gegenstände von den Trägern zu vermeiden. Dass hierbei zunächst mehrere Gegenstände vor dem Rotor gesammelt werden, bevor sie zusammen in einem Käfig in die Vakuumkammer geschoben werden, steht der Verwirklichung des Anspruchs 1 nicht entgegen, da das Klagepatent keine Vorgaben zur Transportdurchführung in zeitlicher Hinsicht macht; in diesem Zusammenhang kommt es also nicht darauf an, ob der betreffende Sammelvorgang sogar exakt der in Figur 4 des Klagepatents gezeigten „Puffereinrichtung“ entspricht.
Auch das Argument der Beklagten, wonach die angegriffene Ausführungsform eine Chargen- bzw. Batch-Anlage sei, während das Klagepatent allein eine Inline-Anlage betreffe, verfängt nicht. Der Fachmann erkennt, dass das Klagepatent sich nicht direkt auf einen bestimmten Anlagentypus beschränkt, vielmehr spricht Merkmal 1 ausdrücklich in allgemeiner Form von einer „Vorrichtung zur Aufbringung eines Überzuges auf Gegenstände“. Aber auch im Übrigen enthält der Anspruch 1 keinen unmittelbaren oder mittelbaren Hinweis darauf, dass nur eine Inline-Anlage erfasst sei. Insoweit ist zur Vermeidung von Wiederholungen auf die unter 1) erfolgten Ausführungen zur konstruktiven Ausgestaltung der patentgemäßen Transportvorrichtung zu verweisen. Unbehelflich ist in diesem Zusammenhang ferner der Hinweis der Beklagten auf die Figur 9 und das dort illustrierte bloße Ausführungsbeispiel (vgl. Absatz [0052]). Dieses ist nicht geeignet, die technische Lehre des Klagepatents auf einen inline durchgeführten Bedampfungsprozess zu beschränken. Der Anspruch selbst enthält an keiner Stelle irgendeine Einschränkung in Bezug auf die Art und Weise des Bedampfungsprozesses.

III.
Da die Beklagten das Klagepatent widerrechtlich benutzt haben, sind sie gemäß Art. 64 EPÜ, § 139 Abs. 1 PatG zur Unterlassung der Benutzungshandlungen verpflichtet. Die Beklagte zu 1) muss sich das Handeln ihrer Geschäftsführer gem. § 31 BGB zurechnen lassen.
Die Beklagten zu 2) – 4) trifft ein zumindest fahrlässiges Verschulden (§ 276 BGB). Bei Anwendung der von ihnen im Geschäftsverkehr zu fordernden Sorgfalt hätten sie die Benutzung des Klagepatents erkennen und vermeiden können. Soweit sie sich damit verteidigen, dass ihre Patentanwälte im Zuge einer Recherche das Klagepatent nicht entdeckt hätten und die Ursache dafür darin bestehe, dass das Klagepatent „als chemisches Patent registriert sei“, verfängt dies nicht. Grundsätzlich gilt, dass die Rechtswidrigkeit ein Verschulden indiziert (BGH, GRUR 1993, 460 – Wandabstreifer). Ein Gewerbetreibender hat sich daher vor Aufnahme seiner Tätigkeit nach entgegenstehenden Schutzrechten Dritter zu erkundigen. Der Sorgfaltspflicht wird grundsätzlich entsprochen, wenn sachkundiger Rat von erfahrenen Patentanwälten eingeholt wird (BGH, GRUR 1977, 250 _ Kunststoffprofil). Die Beklagten haben jedoch nicht näher erläutert, wie ihre Patentanwälte im Einzelnen bei ihrer Recherche vorgingen und welchen konkreten Rat sie mit welcher Begründung erteilten (vgl. BGH GRUR 1993, 460 – Wandabstreifer). Insofern ist das zu vermutende Verschulden der Beklagten zu 2) – 4) nicht als widerlegt anzusehen. Für die Zeit nach Patenterteilung schulden die Beklagten daher gesamtschuldnerisch Ersatz des Schadens, welcher der Klägerin entstanden ist und noch entstehen wird, Art. 64 EPÜ, § 139 Abs. 2 PatG. Da die genaue Schadenshöhe derzeit noch nicht feststeht und die Klägerin unverschuldet keine Kenntnis über den Umfang der Benutzungs- und Verletzungshandlungen durch die Beklagten hat, hat die Klägerin ein rechtliches Interesse gemäß § 256 ZPO daran, dass die Schadensersatzpflicht der Beklagten dem Grunde nach festgestellt wird.
Um die Klägerin in die Lage zu versetzen, den ihr zustehenden Schadensersatz zu beziffern, ist die Beklagte verpflichtet, im zuerkannten Umfange über ihre Benutzungshandlungen Rechnung zu legen. Hinsichtlich der Angebotsempfänger ist der Beklagten ein Wirtschaftsprüfervorbehalt einzuräumen (vgl. OLG Düsseldorf, InstGE 3, 176 – Glasscheiben-Befestiger; Kühnen/Geschke, Durchsetzung von Patenten in der Praxis, 4. Aufl., Rn. 783).

Aufgrund der widerrechtlichen Benutzung des Klagepatents ist die Beklagte zu 1) schließlich gemäß Art. 64 EPÜ, § 140a Abs. 1 PatG verpflichtet, die Exemplare der angegriffenen Ausführungsform zu vernichten oder auf eigene Kosten vernichten zu lassen. Die Ansprüche auf Rückruf- und endgültige Entfernung aus den Vertriebswegen folgen aus Art. 64 EPÜ, § 140a Abs. 1 PatG; nach der Rechtsprechung der Kammer sind auch Organe in Bezug auf diese Ansprüche passivlegitimiert, weil § 140a Abs. 3 anders als dessen Abs. 1 nicht das Bestehen von Eigentum oder Besitz voraussetzt (vgl. Urteil v. 24.9.2009, 4b O 126/08, S. 39; a.A. Kühnen/Geschke, Die Durchsetzung von Patenten in der Praxis, 4. Auflage, Rn 821).

IV.

Eine Aussetzung des Rechtsstreits im Hinblick auf die Nichtigkeitsklage gem. Anlage B 7 ist bereits deshalb nicht veranlasst, weil die Beklagte zu 1) diese unstreitig am 19.5.2010 und damit erst ca. eine Woche vor dem hiesigen Haupttermin beim Bundespatentgericht einreichte. Wird eine Nichtigkeitsklage erst so kurzfristig vor dem Haupttermin eingereicht, dass der Kläger – wie hier – vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung im Verletzungsrechtsstreit nicht angemessen erwidern kann, ist eine Aussetzung bereits deshalb nicht veranlasst (vgl. etwa OLG Düsseldorf, GRUR 1979, 636 f. – Ventilanbohrvorrichtung).

V.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 2, 100 Abs. 4, 269 Abs. 3 S. 2 ZPO.
Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeben sich aus § 709 ZPO.