Düsseldorfer Entscheidungen Nr. 3118
Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 10. Juni 2021, Az. 4c O 47/20
- I. Die Beklagte wird verurteilt,
- 1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,-, ersatzweise Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an ihren jeweiligen Geschäftsführern zu vollziehen ist, zu unterlassen
- Kabelwickelband, insbesondere für den Motorenraum eines Automobils mit einem bandförmigen, aus Gewebe bestehenden Träger der mindestens auf einer Seite mit einer selbstklebenden Klebeschicht versehen ist, die aus einem Haftklebstoff besteht, wobei das Gewebe des Trägers aus einem Garn besteht, welches im Gewebe des Trägers Kettfäden und Schussfäden bildet, aus einem Polyamidwerkstoff gebildet ist, und welches eine Garnstärke von mindestens 280 dtex aufweist, wobei das Garn aus 24 bis 80 Filamenten gebildet ist, und wobei das Kabelwickelband sowohl an einem Dorn mit 5 mm Durchmesser, als auch an einem Dorn mit 10 mm Durchmesser die Abriebklasse E gemäß LV 312 erfüllt,
- in der Bundesrepublik Deutschland herzustellen, anzubieten oder in Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
- wobei die Filamente um eine mittlere Längsachse (X-X) des Garns miteinander verdreht sind, wobei die Filamente eine Anzahl an Drehungen bezogen auf einen Meter Länge (T/m) im Bereich von 80 bis 320 aufweisen;
- 2. der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie die zu Ziff. 1 bezeichneten Handlungen seit dem 07.05.2020 begangen hat, und zwar unter Angabe:
- a. der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
b. der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
c. der Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellen Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden, - – wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
- 3. der Klägerin in einer geordneten Aufstellung unter Vorlage von Belegen, wie Rechnungen oder Lieferscheinen oder Quittungen, darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu Ziff. 1 bezeichneten Handlungen seit dem 18.10.2014 begangen hat und zwar unter Angabe:
a. der Herstellungsmengen und -zeiten, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen,
b. der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, -preisen und der jeweiligen Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,
c. der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
d. der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, im Falle von Internet-Werbung der Domain, der Zugriffszahlen und der Schaltungszeiträume jeder Kampagne;
e. der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns, - wobei die Angaben zu lit. e erst ab dem 07.06.2020 geschuldet sind;
- wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob bestimmte Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten sind;
- 4. die auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland in ihrem unmittelbaren und/oder mittelbaren Besitz und/oder in ihrem Eigentum befindlichen, unter Ziff. I.1. bezeichneten Erzeugnisse auf eigene Kosten zu vernichten oder an einen von der Klägerin zu bestimmenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf ihre (der Beklagten) Kosten herauszugeben;
- 5. die unter Ziff. I.1. bezeichneten, in Verkehr gebrachten Erzeugnisse gegenüber den gewerblichen Abnehmern unter Hinweis auf den gerichtlich festgestellten patentverletzenden Zustand der Sache (Urteil des.. vom..) und mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen und die Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen.
- II. Es wird festgestellt,
1. dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin für die zu I.1. bezeichneten, in der Zeit vom 18.10.2014 bis zum 06.06.2020 begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen;
2. dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu I.1 bezeichneten und seit dem 07.06.2020 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird. - III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
- IV. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 10 % und die Beklagte zu 90 %.
- V. Das Urteil ist hinsichtlich Ziff. I.1, 4. und 5. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 1.800.000, hinsichtlich Ziff. I.2. und 3. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 200.000 sowie hinsichtlich Ziff. IV. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
- Tatbestand
- Die Klägerin macht gegen die Beklagte patentrechtliche Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft, Rechnungslegung, Rückruf, Vernichtung, Urteilsveröffentlichung sowie auf Feststellung der Entschädigungs- und Schadensersatzverpflichtung geltend.
Sie ist eingetragene und alleinverfügungsberechtigte Inhaberin des Deutschen Patents DE 10 2013 XX 602 B4 (Anlage B1, im Folgenden: Klagepatent). Das Klagepatent wurde am 14.03.2013 angemeldet. Die Anmeldung wurde am 18.09.2014 offengelegt und der Hinweis auf die Patenterteilung am 07.05.2020. Das Klagepatent steht auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft. Über den seitens der Beklagten erhobenen Einspruch vom 22.09.2020 (Anlage KR 2) ist bislang keine Entscheidung ergangen. Das Klagepatent betrifft Kabelwickelband für den Motorenraum eines Automobils. - Anspruch 1 des Klagepatents lautet:
„Kabelwickelband für den Motorenraum eines Automobils, mit einem bandförmigen, aus Gewebe bestehenden Träger (1), der mindestens auf einer Seite mit einer selbstklebenden Klebeschicht (2) versehen ist, die aus einem Haftklebstoff besteht, wobei das Gewebe des Trägers (1) aus einem Garn (3a, 3b) besteht, welches im Gewebe des Trägers (1) Kettfäden und Schussfäden bildet, aus einem Polyamidwerkstoff gebildet ist und welches eine Garnstärke von mindestens 280 dtex aufweist, wobei das Garn (3a, 3b) aus 24 bis 80 Filamenten (4) gebildet ist, und wobei das Kabelwickelband sowohl an einem Dorn mit 5 mm Durchmesser, als auch an einem Dorn mit 10 mm Durchmesser die Abriebklasse E gemäß LV 312 erfüllt, dadurch gekennzeichnet, dass die Filamente (4) um eine mittlere Längsachse (X-X) des Garns (3a, 3b) miteinander verdreht sind, wobei die Filamente (4) eine Anzahl von Drehungen bezogen auf einen Meter Länge (T/m) im Bereich von 80 bis 320 aufweisen.“ - Wegen des Wortlauts der „insbesondere“-geltend gemachten Ansprüche 2 bis 16 wird auf die Klagepatentschrift verwiesen.
- Nachfolgend sind die Figuren 1 und 2 des Klagepatents eingeblendet, welche einen perspektivischen Querschnitt durch ein erfindungsgemäßes Kabelwickelband und Ansichten von zwei Garnen zur Herstellung eines Gewebeträgers für ein erfindungsgemäßes Kabelwickelband veranschaulichen.
- Das Familienunternehmen der Klägerin ist weltweit auf den Geschäftsfeldern der technischen Klebebänder, Kabel, Leitungen und Leitungssätzen tätig. Stammsitz ist A, weltweit sind bei der Klägerin X Mitarbeiter beschäftigt. Ihre Kunden gehören vorwiegend der X an.
- Das Unternehmen der Beklagten produziert technische Klebebänder und unterhält insbesondere einen Standort in A. Tätigkeitsbereich der Beklagten ist die X, aber ebenso die X, das X sowie der X.
- Ende April X führte die Klägerin einen Testkauf durch und bestellte beim Unternehmen B GmbH das Kabelwickelband „C“ (im Folgenden: angegriffene Ausführungsform) der Beklagten. Die Klägerin erhielt die Lieferung am 20.05.2019 (Anlage B7) und leitete sie an das D-Institut (…) (XXX) zur Untersuchung weiter. Der Prüfbericht wurde als Anlage A8 zur Gerichtsakte gereicht.
- Zwischen den Parteien ist unter dem Az. 4c O 41/20 mit dem Schutzrecht EP 1 911 XXX B1 ein weiteres Verletzungsverfahren vor der Kammer anhängig. Die unter dem Az. 4c O 48/20 geführte Klage mit dem Schutzrecht DE 20 2013 XXX XXX U1 hat die Klägerin zurückgenommen.
- Die Klägerin ist der Ansicht, dass die angegriffenen Ausführungsformen wortsinngemäßen unmittelbaren Gebrauch von der Lehre des Klagepatents machen würden. Das Klagepatent verlange nicht, dass das Garn für die im Gewebe des Trägers gebildeten Kett- und Schussfäden identische Eigenschaften aufweise. Es sei daher zulässig, wenn Filamentanzahl und Garnstärke unterschiedlich ausfallen würden. Entscheidend sei lediglich, dass sich die Werte jeweils im Bereich des vom Klagepatent Vorgegebenen bewegen würden. Dies treffe auf die angegriffene Ausführungsform zu. Die durchgeführten Messungen hätten, wie die Klägerin behauptet, gezeigt, dass die Fäden 67 bzw. 65/71 Filamente aufweisen würden. Die Garnstärke betrage für Kettfäden 480 dtex. Die Garnstärke habe für die Schussfäden zwar nicht ausgemessen werden können, im Wege einer Berechnung könne dieser Wert aber ermittelt und mit mindestens 462 dtex angegeben werden. Damit würden sich auch diese Angaben in einem sehr ähnlichen Bereich bewegen. Hinsichtlich der erforderlichen Verdrehung der Kett- und Schussfäden lasse es das Klagepatent ausreichen, wenn nur die Kett- oder nur die Schussfäden verdreht seien. Diesen Anforderungen genügte die angegriffene Ausführungsform, weil sie für die Kettfäden eine S-Drehungsrichtung und 202-219 Drehungen/m aufweise. Dass eine Drehung der Schussfäden aufgrund der zu kurzen Fadenlänge nicht habe gemessen werden können, sei daher unerheblich.
- Der Rechtsstreit sei schließlich auch nicht auszusetzen, weil sich das Klagepatent im Nichtigkeitsverfahren als rechtsbeständig erweisen werde.
- Die Klägerin beantragt, nachdem sie das Datum im Klageantrag Ziff. III von 14.04.2013 in 18.10.2013 geändert hat,
- wie erkannt und zudem der Klägerin Rechnung über nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns ab dem 07.05.2020 zu legen, sowie der Klägerin zu gestatten, … (z.B. Urteilskopf und Urteilstenor) auf Kosten der Beklagten durch … (z.B. eine in drei aufeinanderfolgenden Ausgaben der Zeitschrift … erscheinende halbseitigen Anzeige) öffentlich bekannt zu geben.
- Die Beklagte beantragt,
- die Klage abzuweisen,
hilfsweise, den Rechtsstreit bis zu einer erstinstanzlichen Entscheidung im Nichtigkeitsverfahren auszusetzen - Die Beklagte meint, mit der angegriffenen Ausführungsform die Lehre des Klagepatents nicht zu verwirklichen. Das Klagepatent verlange, dass ein anspruchsgemäßes Klebeband aus einem Garn hergestellt werde, das gleichbleibende Parameter aufweise. Denn mit der Vorgabe der Abriebfestigkeit und Materialdicke etc. gebe es konkrete Materialeigenschaften vor, die synergetisch zusammenwirken sollen. Dies betreffe insbesondere Kett- und Schussfäden. In der angegriffenen Ausführungsform werde für den Kettfaden ein anderes Material mit anderen Eigenschaften als für den Schussfaden verwendet. Die Messergebnisse der Klägerin könnten zum Nachweis einer Verletzung nicht herangezogen werden, da das seitens der Klägerin zur Akte gereichte Prüfgutachten methodisch zweifelhaft und unrichtig sei. Dies zeige sich an der ermittelten Anzahl der Filamente, welche für den Schussfaden nicht 65 bzw. 71, sondern 36 betrage. Dies habe ein eigens von der Beklagten in Auftrag gegebener Prüfbericht bei dem Deutschen Textilforschungszentrum Nord-West (Anlage KR1) ergeben. Eine Patentverletzung scheide zudem aus, weil die Schussfäden keine messbaren Drehungen aufweisen würden (vgl. Prüfbericht Anlage KR 5). Die Schussfäden würden, so behauptet die Beklagte, allenfalls pro einzelnem Filamentgarn eine Drehung von 156/m in Z-Richtung aufweisen. Dies entspreche aber nicht einer Drehung des Garns als solchen, weil die beiden Fäden aufgrund ihrer je eigenen Drehung nicht miteinander zu einem Garn „verschmolzen“ werden könnten. Es verbliebe daher, so meint die Beklagte, für die Schussfäden bei zwei getrennten Garnen, die unabhängig nebeneinander herlaufen würden.
- Jedenfalls sei der Rechtsstreit auszusetzen, da sich das Klagepatent im angestrengten Nichtigkeitsverfahren als nicht rechtsbeständig erweisen werde. Die Lehre des Klagepatents sei gegenüber der Anmeldeschrift im Hinblick auf den ausgewählten Bereich der Drehungen von 80 bis 320 Drehungen unzulässig erweitert und außerdem nicht ausführbar. Denn es sei nicht ersichtlich, dass eine andere Drehungszahl als 180 T/m eine weiterhin hohe Abriebfestigkeit erreicht werden könnte. Weiterhin fehle es ihm an erfinderischer Tätigkeit. Die Druckschrift EP 1 911 XXX A1 Anlage D1, im Folgenden: D1) lege in Kombination mit der Druckschrift JP 2021-17415 A Anlage D3, im Folgenden: D3) bzw. dem Dokument mit dem Titel „XXX, BP Saville aus dem Jahr 1999 (Anlage D4, im Folgenden: D4) die erfindungsgemäße Lehre nahe. Dies gelte entsprechend für die Druckschrift DE 10 2008 XXX XXX A1 (Anlage D2, im Folgenden: D2) und die D3 bzw. D4.
- Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zur Akte gereichten Schriftstücke nebst Anlage Bezug genommen.
- Entscheidungsgründe
- A.
Die zulässige Klage ist im ganz Wesentlichen begründet. - I.
Das Klagepatent betrifft ein Kabelwickelband, insbesondere für den Motorenraum eines Automobils, mit einem bandförmigen, aus Gewebe bestehenden Träger. Dieser ist dabei mindestens auf einer Seite mit einer selbstklebenden Klebeschicht versehen, die aus Haftklebestoff besteht, und das Garn bildet in dem Gewebe Kett- und Schussfäden (vgl. Abs. [0001]). Ein derart ausgestaltetes Klebeband war bereits aus der EP 1 911 XXX A1 vorbekannt. Diese Druckschrift betrifft ein in der Herstellung wenig aufwändiges Kabelwickelband von geringer Dicke (weniger als 0,5 mm) und welches auch ohne einer Velours- oder Vliesschicht eine hohe Abriebfestigkeit aufweist (Abs. [0002]). Weiter führt das Klagepatent dort zur gemeinsamen Prüfungsrichtlinie einiger Automobilhersteller LV 312 „Klebebänder für Kabelsätze in Kraftfahrzeigen“ (1/2005) aus. Dieses vorbekannte Band profitierte bereits von einer synergistischen Wirkung des Werkstoffs des Gerns mit dessen Fadenfeinheit und Fadenaufbau.
In Abs. [0003] würdigt das Klagepatent die WO 2011/XXX XXX A1 als vorbekannt, die ein Gewebeklebeband, insbesondere Kabelwickelband aus bandförmigen Gewebeträger mit mindestens einer Klebebeschichtung betrifft. Die Abriebklasse war allerdings nur niedrig und lag in den Klassen C oder D. Dieser Gewebeträger war aus Kettfäden und Schussfäden hergestellt, wobei die Fadenstärke der Schussfäden größer war als diejenige der Kettfäden und die auf die Breite bezogene Fadenstärke der Kettfäden kleiner ist als die auf die Länge bezogene Fadenstärke der Schussfäden.
Die in Abs. [0004] angeführte GB 1 XXX XXX A lehrt ein Verpackungsband, das aus parallel in Bandlängsrichtung verlaufende, verdrehte Fadenstränge bestand und die durch ein spezielles Kunststoff-Bindematerial zusammengehalten werden. Schussfäden wurden bei der Herstellung dieses Bandes nicht verwendet. Ein weiteres Klebeband wird in Abs. [0005] erläutert, das von der US 2004/ XXXX XXX A1 unter Schutz gestellt wird. Um eine verbesserte Handeinreißbarkeit zur Verfügung zu stellen, wurde dort zwischen dem Folienträger und einer Klebeschicht zusätzlich eine textile Einlage („scrim“) vorgesehen. Diese konnte aus einem weitmaschigen Gewirk, Gelege oder aus einem Gewebe gebildet sein, dessen Quer- und Längselemente Filamente, Multifilamente (Filamentbündel), Garne, Fäden und Kombinationen derselben umfassen können.
Vorbekannt im Stand der Technik war auch schon, dass textile Fasern miteinander verdreht werden können (vgl. Abs. [0009]). Dies dient als Garnverfestigung bei Stapelfasern, mithin bei einzelnen Fasern kurzer Länge, damit diese einen verarbeitbaren Faden herstellen können. Auf diese Weise sollte eine hohe Zugfestigkeit der Fasern erreicht werden, die sodann auf den Faserverbund übertragen werden konnte. Bei Filamentgarnen dagegen ist ein Verdrehen nicht erforderlich und deshalb auch kaum üblich. Diese (aus Polyester bestehenden) Garne erhalten allenfalls einen Schutzdrall von wenigen Drehungen pro Meter, um einer elektrostatischen Aufladung entgegenzuwirken. - Am bekannten Stand der Technik kritisiert das Klagepatent als nachteilig, dass die bekannten Klebebänder keine hinreichend hohe Abriebfestigkeit aufweisen würden.
- Das Klagepatent stellt sich daher die Aufgabe, wie es in Abs. [0006] formuliert, ein Klebeband der eingangs genannten Art zur Verfügung zu stellen, das eine noch höhere Abriebfestigkeit aufweist.
- Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Klagepatent ein Klebeband mit den nachfolgenden Merkmalen vor:
- 1. Kabelwickelband für den Motorenraum eines Automobils,
2. mit einem bandförmigen, aus Gewebe bestehenden Träger (1),
2.1 der mindestens auf einer Seite mit einer selbstklebenden Klebeschicht (2) versehen ist,
2.1.1 die aus einem Haftklebstoff besteht,
2.2 wobei das Gewebe des Trägers (1) aus einem Garn (3a, 3b) besteht,
2.2.1 welches im Gewebe des Trägers (1) Kettfäden und Schussfäden bildet,
2.2.2 aus einem Polyamidwerkstoff gebildet ist
2.2.3 und welches eine Garnstärke von mindestens 280 dtex aufweist, 2.2.4. wobei das Garn (3a, 3b) aus 24 bis 80 Filamenten (4) gebildet ist, - 3. und wobei das Kabelwickelband sowohl an einem Dorn mit 5 mm Durchmesser, als auch an einem Dorn mit 10 mm Durchmesser die Abriebklasse E gemäß LV 312 erfüllt,
- dadurch gekennzeichnet,
- 4. dass die Filamente (4) um eine mittlere Längsachse (X-X) des Garns (3a, 3b) miteinander verdreht sind,
5. wobei die Filamente (4) eine Anzahl von Drehungen bezogen auf einen Meter Länge (T/m) im Bereich von 80 bis 320 aufweisen -
II.
Ausführungen der Kammer bedarf es nur zur Merkmalsgruppe 2.2, insbesondere zu den Merkmalen 2.2.1 und 2.2.4, sowie zum Merkmal 4, weil sich die Parteien zu Recht nur insoweit über das Verständnis des Klagepatents und dessen Verletzung streiten. - 1.
Die Merkmalsgruppe 2.2 erläutert das Gewebe des Trägers, das aus einem Garn bestehen soll. Dieses Garn wird näher beschrieben, indem es im Gewebe des Trägers Kettfäden und Schussfäden bilden soll, aus einem Polyamidwerkstoff gebildet sein, eine Garnstärke von mindestens 280 dtex aufweisen und das Garn aus 24 bis 80 Filamenten gebildet sein soll. - Unter dem Gewebe des Trägers bestehend aus einem Garn versteht das Klagepatent ein textiles Gebilde, welches aus mehreren Garnfäden, nämlich den für einen Webvorgang erforderlichen Kett- und Schussfäden hergestellt wurde, sowie ferner den Anspruchsvorgaben betreffend die Beschaffenheit zu dem Werkstoff, der Garnstärke und der Anzahl der Filamente entspricht. Es ist dabei nicht erforderlich, dass alles Garn zur Bildung des Gewebes, mithin die Kettfäden und Schussfäden, identisch hinsichtlich seiner Materialeigenschaften ist. Sowohl die Kettfäden als auch die Schussfäden müssen aber jeweils die beanspruchten Eigenschaften aufweisen und in der anspruchsgemäßen Spannbreite liegen. Das Klagepatent bestimmt darüber hinaus aber weder, wie die Anzahl der Filamente innerhalb des Garns zu gruppieren sind, noch, welche Zusammensetzungsmöglichkeiten eines Garns überhaupt bestehen.
- Der Begriff des Gewebes zeigt dem Fachmann bereits rein-philologisch, dass ein in bestimmter Weise gewebter, aus sich kreuzenden Fäden (Garn) bestehender Stoff vorliegt.
- Seiner rein-philologischen Bedeutung nach unterstützt der Ausdruck Garn hierzu seine Einsatzmöglichkeit als Gewebematerial. Denn Garn – im Sinne eines Sammelbegriffs für alle linienförmigen textilen Gebilde – kann als ein Faden bestehend aus einzelnen Fasern definiert werden. Ein Faden wiederum ist seinem rein-philologischen Verständnis nach ein langes, sehr dünnes, z.B. aus Fasern gedrehtes Teilstück des linienförmigen textilen Gebildes. Garn stellt somit einen generischen Ausdruck dar, wohingegen Faden eine räumlich-körperliche Konkretisierung ist. Deshalb können diese beiden Begrifflichkeiten insbesondere dann synonym verwendet werden, wenn – wie hier – Garn auch seinem Verwendungszweck nach beschrieben wird, nämlich dessen Einsatz zur Bildung eines Gewebes.
- Hinsichtlich der vorgenannten Begrifflichkeiten will das Klagepatent mangels anderslautender Hinweise für den Bereich der Kabelwickelbänder insbesondere für Motorenräume auch nicht von diesem allgemeinen Begriffsverständnis im Sinne eines eigenen Lexikons abweichen. Dies bestätigt Abs. [0012] mit einem ergänzenden Hinweis auf das Begriffsverständnis, der eine eigene fachspezifische Bedeutung für den Begriff des Garns nicht erkennen lässt:
„Die zur Herstellung von Garnen für den Gewebeträger des erfindungsgemäßen Klebebandes eingesetzten Garne sind aus den Spinndüsen ersponnene multifile Filamentgarne, die aus parallel nebeneinander liegenden Filamenten bestehen, welche vorzugsweise vor dem Verdrehen auch intermingelt sein können. Beim Verdrehen erhalten sie auf Zwirnmaschinen, die üblicherweise zum Verzwirnen von zwei oder mehreren Garnen in der Textilindustrie eingesetzt werden, einen Drall, d. h. sie werden umeinander – bzw. der Garnverband um seine eigene Achse – gedreht und erhalten dadurch einen größeren Zusammenhalt. Dabei stellt sich ein stabiler runder Garnkörper ein.“ - Weitere eindeutige und abschließend festgelegte Beschaffenheitsangaben zur Struktur des für das Gewebe benutzten Garns sind weder dem Anspruchswortlaut noch den Beschreibungsstellen zu entnehmen. Es fehlen insbesondere Anhaltspunkte für die von der Beklagten vertretenen Ansicht, wonach das Gewebe aus einem einzigen Garn mit identischen Parametern bestehen müsste.
- Schon dem Anspruchswortlaut fehlen Hinweise, dass das Gewebe aus einem einzigen Garn mit identischen Parametern handeln müsste. Merkmal 2.2 gibt mit dem Ausdruck „einem Garn“ lediglich in der Art eines Oberbegriffs, ohne technische Konkretisierungen vorzunehmen, den Bestandteil des Gewebes an („besteht“). Jegliche Hinweise, wonach das Wort „einem“ als Zahlwort gemeint sein soll und es deshalb synonym „einziges“ Garn, heißen könnte – mit der Konsequenz, dass das Gewebe durchgängig aus Garn (Kettfäden und Schussfäden) mit u.a. derselben Filamentanzahl und derselben Garnstärke bestehen müsste – fehlen. Schon im Anspruchswortlaut ist diese ausdrückliche Eingrenzung nicht vorhanden. Der Anspruchswortlaut offenbart ebenso wenig dadurch, dass kein anderes Material als das Garn als Bestandteil für das Gewebe angeführt wird, dass ausschließlich identisches Garn benutzt worden sein dürfte. Denn für alles im Gewebe verarbeitete Garn gelten die im Anspruch vorgesehenen Bereichsangaben.
- Gerade aufgrund dieser Bereichsangaben in den Merkmalen 2.2.1 bis 2.2.4 wird das Verständnis von „einem Garn“ als unbestimmter Artikel bekräftigt. Denn darin werden vier kumulative Anforderungen aufgestellt, die das in Merkmal 2.2 angeführte Garn definieren sollen. Die Merkmale 2.2.3 und 2.2.4 formulieren dabei eine Mindestangabe bzw. eine Bereichsangabe, innerhalb derer sich die Beschaffenheit des Garns bewegen darf, aber auch muss. Kriterien, anhand derer eine Auswahl zu treffen ist, etwa wie die einzelnen 24 bis 80 Filamente gebündelt zu einem Garnfaden zusammenzufassen sind, sieht das Klagepatent nicht vor, sondern überlässt sie dem Belieben des Fachmanns.
- Auch die übrige Anspruchssystematik mit Blick auf Merkmal 2.2.1 führt nicht zu dem Verständnis, wonach das im Gewebe verwendete Garn identische Eigenschaften aufweisen muss. Garn stellt zwar den Oberbegriff für Kett- und Schussfäden dar, weil das Klagepatent in diesem Merkmal beschreibt, dass das Garn zu Kett- und Schussfäden ausgebildet werden soll, um das Gewebe herstellen zu können. Diese Struktur wird bereits durch das Begriffsverständnis des Gewebes, also eines verflochtenen Textils, bedingt, wonach mindestens zwei Stränge vorhanden sind, die miteinander verwoben werden können. Konkrete, gar identische Eigenschaften für die Kett- und Schussfäden werden im Anspruch 1 jedoch nicht unter Schutz gestellt. Vielmehr betreffen die folgenden Merkmale und die darin postulierten Eigenschaften wiederum allgemein nur das Garn. Ein jeweils beliebig die Eigenschaften der Merkmale 2.2.2 bis 2.2.4 erfüllendes Garn bildet somit die Kettfäden und Schussfäden. Für die einzelnen Fäden ist damit nur erforderlich, dass sie aus einem Garn gebildet sind und beliebig in den beanspruchten Bereichsangaben liegen. Strengere Anforderungen im Sinne einer identischen Beschaffenheit werden nicht aufgestellt.
- Dieses Verständnis steht systematisch auch in Einklang mit der Vorgabe in Merkmal 2.2.4 und der zulässigen Anzahl der Filamente des Garns. Denn dieses setzt voraus, dass das Garn, welches die Kettfäden bildet, und das Garn, welches die Schussfäden bildet, aus jeweils 24 bis 80 Filamenten bestehen. Es erfolgt mithin schon im Klagepatentanspruch eine separate Betrachtung der im Gewebe verarbeiteten Garnfäden.
- Schließlich ist die Reihenfolge der Merkmale 2.2.1 bis 2.2.4 variabel und 2.2.1 könnte zuletzt als Merkmal 2.2.4 angeführt werden. Eine solch geänderte Reihenfolge verdeutlicht den Bezug dieser Untermerkmale auf das Garn in Merkmal 2.2 und somit auch den Umstand, dass die Bildung der Kett- und Schussfäden nur eine weitere Beschreibung des Garns und dessen Einsatzes bei der Bildung des Gewebes ist, ohne dies an das Erfordernis identischer Garneigenschaften für Kett- und Schussfäden im Übrigen zu knüpfen.
- Andere als die vorstehend beschriebenen Vorgaben zum Garn macht das Klagepatent nicht. Es befasst sich nicht im Einzelnen damit, wie das Garn aufgebaut sein soll; ob etwa nebeneinander liegende Fäden zu einem Garn zusammengefasst werden dürfen oder nur einzelne Filamente(bündel) vorliegen dürfen. Das Fehlen solcher Angaben erschließt sich dem Fachmann auch vor dem Hintergrund, dass das Klagepatent nicht ein Garn mit besonderen Eigenschaften bereitstellen will, sondern ein Kabelwickelband.
- Das erläuterte Verständnis wird von den Beschreibungsabsätzen unterstützt. Sie offenbaren kein Erfordernis, dass das Gewebe aus einem einzigen, das heißt dieselben Parameter aufweisenden Garn – bildend Kettfäden und Schussfäden – besteht.
- Die Verwendung der Singularform das Garn wie z.B. in Abs. [0024], welcher im wesentlichem dem Inhalt des Klagepatentanspruchs 1 entspricht, ist kein Hinweis auf das Erfordernis eines einzigen Garns mit identischen Materialeigenschaften. Es heißt dort:
„Das Gewebe des Trägers 1 besteht aus einem Garn, welches aus einem Polyamidwerkstoff, insbesondere aus PA 6.6, gebildet ist und welches eine Garnstärke von mehr als 280 dtex, insbesondere von 470 dtex, aufweist. Das Garn ist aus 24 bis 80 Filamenten, insbesondere aus 48 bis 80 Filamenten, vorzugsweise aus 68 Filamenten, gebildet. Dabei sollten keine Stapelfasern verwendet werden.“ - Diese Beschreibungsstelle befasst sich nämlich überhaupt nicht mit der Struktur des Gewebes, das aus – nach Ansicht der Beklagten identischem – Garn hergestellt sein soll. Dass es nach der Lehre des Klagepatents nicht bloß eines Garns bedarf, sondern vor allem dessen entsprechender Verarbeitung, um überhaupt ein Gewebe zu erhalten, zeigt Abs. [0032]:
„Im Speziellen wurde als Ausführungsbeispiel für die Erfindung ein Kabelwickelband hergestellt, dessen Träger 1 die nachstehend in Tabelle 2 wiedergegebene Gewebekonstruktion aufwies.“ - Denn er beschreibt, dass unter Verweis auf die Tabelle 2 eine Gewebekonstruktion durch die Benutzung des Garns erhalten wird. Obwohl es sich dabei um ein Ausführungsbeispiel für die Erfindung eines Kabelwickelbandes handelt, was den Erfindungsgehalt nicht einzuschränken vermag, offenbart die Tabelle 2 das schon in Merkmal 2.2.1 ausgedrückte, grundlegende Verständnis des Klagepatents, dass unterschiedliche Fäden erforderlich sind, um das Gewebe herzustellen. Es werden die Kettfäden und Schussfäden erwähnt, indes ohne bestimmte Anforderungen an sie zu stellen. Dadurch wird zugleich das Verständnis des im Anspruch benutzten Ausdrucks Garn als bloß verallgemeinernder Oberbegriff belegt, der diese beiden Fadenarten zusammenfasst. Die aus Merkmal 2.2.4 bekannte Filamentanzahl wird pro Kett-/ Schussfaden betrachtet, was eine unterschiedliche Ausgestaltung zusätzlich bekräftigt. Wie insoweit auch der Tabelle zu entnehmen ist, liegen sämtliche dieser Angaben innerhalb der vom Klagepatentanspruch 1 vorgegebenen Bereichsangaben. Dass die Angaben zur Garnstärke und Filamentanzahl von Kett- und Schussfäden in dieser Tabelle identisch sind, führt zu keinem anderen Ergebnis. Aufgrund des durch die Tabelle 2 bloß veranschaulichten Ausführungsbeispiels kommt eine Einengung des Garns auf nur identische Materialwerte nicht in Betracht.
- Bekräftigt wird das Verständnis, dass das zur Herstellung des Gewebes benutzte Garn innerhalb einer Spannbreite an Werten liegen darf, durch Abs. [0036], der die Tabelle 3 beschreibt. Insoweit spricht Abs. [0036] ausdrücklich von Variationsbereichen, innerhalb derer die Basisdaten eines erfindungsgemäßen Kabelwickelbandes liegen können, wobei in der Tabelle jeweils bevorzugte engere Bereiche angegeben wurden. Damit verdeutlicht das Klagepatent den für sämtliche Materialeigenschaften des Gewebes (gesteuert über das Garn) bestehenden Gestaltungsspielraum hinsichtlich seiner konkreten Beschaffenheit/Zusammensetzung. Dass eine solche Variation nicht auch bezüglich der Anzahl der Filamente in den Kett-/Schussfäden möglich sein sollte, lässt die Klagepatentschrift nicht erkennen.
- In Abs. [0040] hält die Klagepatentschrift außerdem abschließend fest, dass die Erfindung vorwiegend anhand von Ausführungsbeispielen dargestellt wurde, aber nicht auf diese beschränkt ist und damit auch nicht identisches Garn für die Bildung des Gewebes genutzt werden darf.
- Keine der vorerwähnten Beschreibungsstellen lehrt dabei Anforderungen an die Kombination von Werkstoff, Garnfeinheit, Filamentaufbau und Verdrehung, um die in Abs. [0014] erläuterte synergistische Wirkung zu erhalten. Es fehlen zudem gegenteilige Anhaltspunkte, wonach bei auftretenden Abweichungen, etwa in Gestalt unterschiedlich ausgestalteter Kett- und Schussfäden, erwünschte Wirkungen nicht mehr erreicht werden könnten. Auch die Beklagte führt keine Stellen der Klagepatentschrift an, um zu belegen, dass bei der Kombination bestimmter Werte diese Synergie durchbrochen würde. Derlei ist auch nicht in Abs. [0017] offenbart. Es heißt unter wiederholter Bezugnahme auf die synergetische Wirkung:
„Überraschenderweise gelingt es mit dieser Kombination von Träger-, Klebstoff- und Beschichtungsmaterial erfindungsgemäß ein Klebeband zu schaffen, das bei Wahrung von ausgezeichneten anwendungstechnisch relevanten Gebrauchseigenschaften ohne Interliner abrollfähig auf sich selbst wickelbar ist, wobei das erfindungsgemäße Klebeband auch mit geringem Aufwand herstell- und verarbeitbar ist.“ - Entgegen der Auffassung der Beklagten dient der Verweis auf die Herstellbarkeit und Verarbeitbarkeit ebenso wenig dazu, die Nutzung bestimmter Garnarten, wie etwa gefachter Garne, für die Bildung des Gewebes auszuschließen. Denn, selbst wenn gefachte Garne in ihrer Herstellung tatsächlich aufwändig sind, kommt es darauf nicht an, weil sich die vorgenannte Beschreibung auf die Herstellung des Klebebandes als solches bezieht und nicht auf die Herstellung dessen einzelner Bestandteile. Anderen Bedarf an einer Klarstellung etwa zum Fadenaufbau hat die erfindungsgemäße Lehre allerdings nicht gesehen, obwohl schon der eingangs genannte Abs. [0012] den Grundaufbau aus multifilen Filamentgarnen benennt, sodass andere Eigenschaften des Garns, wie die Anordnung der einzelnen Filamente in Filamentbündel, abgesehen von den beanspruchten Spannbreiten in das Belieben des Fachmanns gestellt sind.
- Weiterhin spricht Unteranspruch 18 für das ausgeführte Verständnis. Dort wird beansprucht, dass das Garn (3, 3a) aus 68 Filamenten gebildet ist. Bei einer derart bestimmten Vorgabe der Filamentanzahl besteht kein Spielraum mehr, dass einzelne Fäden eines Garns, welches das Gewebe bilden soll, eine unterschiedliche Anzahl an Filamenten aufweisen. Solange demgegenüber diese Eingrenzung nicht vorgenommen worden ist, wie zum Beispiel in Unteranspruch17, der zwar gegenüber Anspruch 1 eine engere, aber gleichwohl noch eine Bereichsangabe vorsieht, verlangt das Klagepatent die Benutzung von aus derselben Anzahl an Filamenten gebildeten Garns nicht. Deshalb lassen auch diejenigen Unteransprüche, die eine Verdrehung nur der einen Fadenart, beider Fadenarten oder eine unterschiedliche Anzahl der Drehungen in den beiden Fäden zulassen, keinen anderen Rückschluss zu, wonach nur in diesen Fällen keine identischen Eigenschaften des Garns vorliegen müssten. Denn, solange jedenfalls nicht der Unteranspruch 18 herangezogen wird, lässt auch die Kombination der Unteransprüche 4 bis 6 aufgrund des entsprechenden Rückbezugs in Unteranspruch 17 zu, dass die Anzahl der Filamente variabel sein kann. Ein funktionaler Zusammenhang zwischen der Anzahl der Filamente und derjenigen der Drehungen derart, dass eine bestimmte Menge an Drehungen eine bestimmte Anzahl an Filamenten voraussetzen würde, ist zudem nicht ersichtlich.
- Die Figuren der Klagepatentschrift offenbaren kein anderes Verständnis. Im Hinblick auf die jeweilige Anzahl der Filamente in den Kett- bzw. Schussfäden fehlen konkrete Angaben. Die Zeichnung der Figur 1 mag erkennen lassen, dass jeweils eine identische Anzahl vorhanden ist. Aufgrund des bereits erläuterten Charakters als lediglich bevorzugtes Ausführungsbeispiel, ist sie indes nicht abschließend zu verstehen. Die Figur 2 dagegen lässt überhaupt keinen Rückschluss auf die Anzahl der Filamente zu.
- Technisch-funktionale Gesichtspunkte bekräftigen das aufgezeigte Verständnis. Für den (nicht beanspruchten) Herstellungsprozess eines Gewebes ist es erforderlich, mehrere Fäden miteinander zu verarbeiten. Um die technische Funktion der erfindungsgemäßen Lehre zu erreichen, die wie die Beklagte richtigerweise erkennt in dem Zusammenspiel von Werkstoff, Fadenfeinheit und Fadenaufbau liegt, ist es entscheidend, aber auch ausreichend, dass das benutzte Garn im Bereich der zulässigen Materialeigenschaften liegt. Diese sind so gewählt, dass eine geringe Klebebanddicke bei gleichzeitig hoher Abriebfestigkeit erzielt wird. Die technische Notwendigkeit, nur Garn mit innerhalb dieser Spannbreite liegenden identischen Angaben zu wählen, besteht nicht. Grundsätzlich alle Werte innerhalb der Spannbereiche in Kombination mit Material etc. führen zur gewünschten Eigenschaft, der besonders hohen Abriebfestigkeit.
-
2.
Das Klagepatent stellt in Merkmal 4 unter Schutz, dass die Filamente um eine mittlere Längsachse (X-X) des Garns miteinander verdreht sind. Darunter versteht das Klagepatent, dass die Filamente der Kettfäden und/oder die Filamente der Schussfäden verdreht sein sollen. - Dieses Verständnis folgt aus den Beschreibungsstellen sowie insbesondere technisch-funktionalen Gesichtspunkten.
- In Abs. [0018] der allgemeinen Beschreibung heißt es:
„In dem Gewebe des Trägers ist es dabei möglich, dass entweder nur die Filamente der Kettfäden oder nur die Filamente der Schussfäden um eine mittlere Längsachse des Garns miteinander verdreht sind, oder dass sowohl die Kettfäden, als auch die Schussfäden diesen erfindungsgemäßen Drall aufweisen. Zur Kombination vorteilhafter Fülleigenschaften mit einer guten Webfähigkeit bei der Herstellung des Trägers des erfindungsgemäßen Klebebandes können die Filamente des Garns der Kettfäden eine größere Anzahl von Drehungen bezogen auf einen Meter Länge aufweisen als die Filamente im Garn der Schussfäden.“ - Die Unteransprüche 4 und 5 unterstützen den Fachmann in dem aufgezeigten Verständnis. Danach können entweder nur die Filamente (4) des Garns (3a, 3b) der Kettfäden oder nur die Filamente (4) des Garns (3a, 3b) der Schussfäden um die mittlere Längsachse (X-X) des Garns (3a, 3b) miteinander verdreht sein [Unteranspruch 4] oder sowohl die Filamente (4) des Garns (3a, 3b) der Kettfäden, als auch die Filamente (4) des Garns (3a, 3b) der Schussfäden um die mittlere Längsachse (X-X) des Garns (3a, 3b) können miteinander verdreht sein [Unteranspruch 5]. Wenn schon der Klagepatentanspruch 1 zwingend die Verdrehung der Filamente in beiden Fäden regeln wollte, hätte es keinen Bedarf mehr für Unteranspruch 5 gegeben. Ferner ist ein weites Verständnis von Anspruch 1 auch deshalb erforderlich, weil andernfalls der Unteranspruch 4, welcher über den Bezug auf Unteranspruch 3, welcher sich seinerseits Anspruch 1 bezieht, nicht in dessen Schutzbereich fallen würde. Es fehlen damit in der Klagepatentschrift Hinweise, dass die angestrebte besonders hohe Abriebfestigkeit nur erreicht werden könnte, wenn sowohl Kett- als auch Schussfäden bzw. deren Filamente Verdrehungen aufweisen würden.
- Insoweit sind auch technisch-funktional keine Gründe zu ersehen, die dies erforderlich machen würden. Zu berücksichtigen ist nämlich auch hier, dass das Klagepatent für seine Lehre mehrere Komponenten zusammen und in Wechselwirkung zueinander betrachtet. Die Verdrehung der Filamente ist dabei ein Bestandteil dieser synergistischen Wirkung. Dass diese durchbrochen würde, bei ausschließlich der Verdrehung einer Fadenart ist dabei nicht zu erkennen. Vielmehr könnte eine fehlende zweite Verdrehung durch eine Anpassung der anderen Komponenten ausgeglichen werden.
-
III.
Vorstehendes Verständnis zugrunde legend macht die angegriffene Ausführungsform von der Merkmalsgruppe 2.2, insbesondere Merkmalen 2.2.3 und 2.2.4, sowie Merkmal 4 Gebrauch. - 1.
Die Darlegungs- und nötigenfalls Beweislast für den Aufbau und die Beschaffenheit der angegriffenen Ausführungsform trifft hier gemäß der allgemeinen zivilprozessualen Regeln im Sinne des § 138 ZPO die Klägerin, weil sie aus diesen Tatsachen die Verletzung des Anspruchs, als für sie günstigen Umstand aufzeigen will. Sie muss daher entsprechenden Vortrag in schlüssiger Weise präsentieren. Die Beklagtenseite ist sodann gehalten, zu den einzelnen relevanten Behauptungen in der Klageschrift Stellung zu nehmen und sich über die diesbezüglichen tatsächlichen Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß zu erklären. Dies bedeutet zwar nicht, dass der Beklagte von sich aus das Gericht und den Kläger über den wirklichen Verletzungstatbestand zu unterrichten hätte. Er kann sich auf das Bestreiten bestimmter vom Kläger behaupteter technischer Merkmals beschränken. Allerdings darf dieses Bestreiten nicht pauschal bleiben, sondern muss im Rahmen seiner Erkenntnismöglichkeiten in der gleichen Weise substantiiert sein, wie es das Vorbringen des Klägers ist. Prinzipiell gilt der Grundsatz, dass je substantiierter der Sachvortrag des Klägers ist, desto strenger auch die Anforderungen an ein substantiiertes Bestreiten des Beklagten sind (Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 13. Aufl., Kap. E, Rn. 147 m.w.N.). - Diesen Voraussetzungen genügt das klägerische Vorbringen. Zunächst ist die grundsätzliche Struktur der angegriffenen Ausführungsform zwischen den Parteien unstreitig. Diese besteht aus Schussfäden (Querrichtung) und Kettfäden (Längsrichtung), welche sich in lichtmikroskopischen Aufnahmen breiter aufgefächert darstellen als die Schussfäden. Nachfolgend eingeblendete Abbildungen entstammen von den Seiten 6 und 12 des Prüfberichts und veranschaulichen den Aufbau des Garns:
- 2.
Die Garnstärke (Merkmal 2.2.3) sowie insbesondere den Umstand, dass die Anzahl an Filamenten für die Kett- und Schussfäden benutzte Garn in der Spannbreite des Merkmals 2.2.4 liegt, hat die Klägerin substantiiert aufgezeigt. Außerdem ist Merkmal 4 verwirklicht, da jedenfalls der Kettfaden verdrehte Filamente aufweist. Sofern die Beklagte meint, dass die angegriffene Ausführungsform nicht aus einem, sondern aus zwei Garnen bestehe, unterliegt sie einem Fehlverständnis. - a.
Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht Merkmal 4.1, weil das Gewebe aus einem Garn besteht, das den erfindungsgemäßen Anforderungen entspricht (vgl. folgende lit. b bis lit. d). Unerheblich ist, ob es sich bei Kett- und Schussfäden um gefachtes Garn handelt, weil das Klagepatent dazu keine Vorgaben macht. Die Schussfäden in der angegriffenen Ausführungsform sind dabei nicht als zwei getrennte Garne anzusehen, auch wenn sie aus zwei Filamentbündeln bestehen. Denn jedenfalls bei deren Einbringen in das Gewebe handelt es sich nur noch um einen nach außen erkennbaren Garnfaden. -
b.
Merkmal 2.2.3 wird von der angegriffenen Ausführungsform verletzt. Das benutzte Garn weist eine Garnstärke von 480 dtex (Kettfäden) bzw. 462/513 dtex (Schussfäden) auf und liegt somit oberhalb der mindestens verlangten 280 dtex. Davon ist die Kammer aufgrund des substantiierten Vorbringens der Klägerin überzeugt.
Im Prüfbericht wurde die Stärke der Kettfäden mit 48 tex beziffert, was umgerechnet 480 dtex sind. Die Bestimmung der Feinheit von Garnen und Zwirnen wurde nach der DIN 53830-3 vorgenommen (vgl. Anlage 8a, S. 11). Der Messung zugrunde lag eine 50cm lange Messprobe. Tex ist dabei die vereinheitlichte Maßeinheit, welche die Feinheit von Textilfasern angibt. Sie knüpft an die Dicke, den Durchmesser oder die Stärke der Fasern an. Er kann die längenbezogene Masse oder die massebezogene Länge angeben. Tex betrifft das Verhältnis von Gramm/Meter. 1tex entspricht 1Gramm pro 1000 Meter, 1dtex ist 1 Gramm pro 10.000 Meter. - Für die Querrichtung dagegen konnte in dem Prüfbericht kein Ergebnis festgestellt werden, was mit der zu kurzen Messstrecke erläutert wurde. Nachdem die Klägerin in der Klageschrift noch pauschal und ohne nähere Erläuterung auch für die Schussfäden dennoch von einer Garnstärke von 480 dtex ausgegangen ist, hat sie in der Replik diese fehlenden Angaben auf nachvollziehbare Weise hergeleitet und mit 513 dtex bzw. bei Berücksichtigung einer Toleranz von +/- 10 % mit 462 dtex angegeben. Diese Werte wurden mithilfe der Gleichung für die Titererrechnung und der anderen bekannten Größen wie das Flächengewicht und die breitenbezogene Feinheit der Längsfäden ermittelt werden. Die entsprechenden Werte ergeben sich jeweils aus dem Prüfbericht.
- Zur Veranschaulichung der im Prüfbericht festgestellten Ergebnisse wird nachfolgend die von der Klägerin erstellte Tabelle eingeblendet:
- Der technische Prüfbericht konnte als qualifizierter Parteivortrag umfänglich in die rechtliche Würdigung eingestellt werden. Denn die von der Beklagten zunächst erhobenen methodischen Zweifel an dem klägerischen Prüfbericht vermochte die Klägerin auf plausible Weise auszuräumen. Sie hat erläutert, mit der Klageschrift versehentlich eine nicht finalisierte Fassung des Berichts eingereicht zu haben. Der fertiggestellte und mit der Replik zur Akte gereichte Prüfbericht räumt die formalen Beanstandungen der Beklagten dagegen vollständig aus. An der nunmehr vorliegenden Fassung des Prüfberichts hat die Beklagte keine Kritik mehr geübt.
- Hinsichtlich der von der Klägerin für die Merkmalsverwirklichung angeführten Messergebnisse hat die Beklagte zunächst schon nicht den Messwert der Kettfäden in Abrede gestellt und im weiteren auch nicht auf erhebliche Weise die Berechnungen für die Schussfäden zu entkräften vermocht. In der Duplik hat sie insbesondere nicht die Richtigkeit der Gleichung in Abrede gestellt.
- Zwar hat die Beklagte in der Duplik unter Bezugnahme auf eine eigene Untersuchung des Deutschen Textilforschungszentrums Nordwest öffentliche Prüfstelle GmbH behauptet, dass die Garnfeinheit der Schussfäden 242dtex betrage, womit sie außerhalb der anspruchsgemäßen Vorgabe von „mindestens 280dtex“ liege. Dies vermag im Lichte des substantiierten Vorbringens der Klägerin aber nicht durchzudringen und zu einem anderen Ergebnis zu führen. Denn die Beklagte trägt zu diesen Untersuchungen vor, dass diesen ein Schussfaden, bestehend aus zwei „Garnen“, zugrunde lag und pro Faden die Garnfeinheit gemessen wurde. Der in das Gewebe des Klebebandes eingebrachte Schussfaden besteht dabei unstreitig aus beiden dieser Garne. Deshalb muss die Garnfeinheit von 242dtex des einen Fadens mit derjenigen des anderen Fadens addiert werden, was zu einer Garnstärke von 484 dtex entspricht. Dieses Ergebnis deckt sich mit demjenigen der Klägerin aus dem Prüfbericht nahezu vollständig. Bestätigt wird diese tatsächliche Ausgestaltung der angegriffenen Ausführungsform im Schussfaden aus zwei Fadenbündeln weiterhin durch den Prüfbericht, Anlage B13. Dessen Richtigkeit stellt die Beklagte nicht in Abrede. Auch nach diesem Prüfbericht kommt einem der Stränge eine Garnfeinheit von 24,73 dtex zu. In Addition mit dem Wert des zweiten Strangs liegt damit die Stärke des Garns insgesamt bei 494dtex und damit näherungsweise im Bereich von 480dtex.
-
c.
Die Klägerin hat, ebenfalls belegt durch ihr vorgerichtlich beauftragtes Privatgutachten, substantiiert dargelegt, dass sowohl die Anzahl der Filamente in den Kettfäden als auch diejenige in den Schussfäden zwischen 24 und 80 liegt. Zwei durchgeführte Messungen haben für die Längsrichtung (also die Kettfäden) eine Anzahl von je 67 ergeben, für die Querrichtung wurden Werte von 65 bzw. 71 erreicht. - Sofern die Beklagte bemängelt, dass unter Punkt 9 das Messverfahren zur Bestimmung der Filamente nicht angegeben worden und deshalb nicht nachvollziehbar ist, verfängt dies letztlich nicht. Es handelt sich trotz der Kritik der Beklagten um plausibles Vorbringen. Nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten soll in der angegriffenen Ausführungsform die Filamentanzahl für Schussfäden 36 betragen. Wie die Beklagte zu diesen Werten gelangt ist, hat sich nicht detaillierter erläutert. Zwar hat die Beklagte auf Messergebnisse des Deutschen Textilforschungszentrums Nord-West (vgl. Anlage KR1) verwiesen. Indes wird zu diesen Messwerten kein Messverfahren angegeben. Für eine ähnliche Herangehensweise wie in den Prüfungen der Klägerin sprechen ferner die ermittelten Ergebnisse für die Kettfäden, welche in einer ähnlichen Größenordnung wie diejenigen des IFAM liegen. Zu den von der Beklagten ermittelten abweichenden Werten für die Querrichtung (Schussfäden) kommt außerdem hinzu, dass die Klägerin nachvollziehbar erläutert hat, wie es zu den etwa halb so hohen Messwerten wie im Prüfbericht des IFAM kommen konnte; nämlich indem für die Schussfäden nicht die Summe aller Filamente angegeben wurde, sondern nur ein von insgesamt zwei Filamentbündeln im „Doppelschuss“ berücksichtigt wurde. Dieses Vorbringen hat die Beklagte nicht bestritten. Vielmehr belegen ihre eigenen Untersuchungen zur Feinheit des Schussfadens gerade diese Schilderungen. Denn bei 36 Filamenten für ein Filamentbündel liegen insgesamt 72 Filamente für den Schussfaden vor. Dies steht im Einklang mit dem Messergebnis der Klägerin.
-
d.
Die Kammer kann auch eine Verdrehung der Filamente in den Kettfäden im Bereich von 80 bis 320 pro Meter feststellen. Unerheblich ist, dass die Beklagte meint, dass eine Verdrehung der Schussfäden nicht vorliege bzw. nicht ermessen werden konnte. Denn jedenfalls ist das Vorbringen der Klägerin, wonach die längsverlaufenden Kettfäden 202 bis 219 Drehungen/m aufweisen, unbestritten geblieben, was für eine Verwirklichung der erfindungsgemäßen Lehre ausreichend ist. - IV.
Aufgrund der vorstehenden Ausführungen resultieren die folgenden Rechtsfolgen: - 1.
Da die Beklagte das Klagepatent widerrechtlich benutzt hat, ist sie gemäß § 139 Abs. 1 PatG zur Unterlassung der Benutzungshandlungen verpflichtet. - 2.
Die Beklagte trifft auch ein zumindest fahrlässiges Verschulden. Denn die Beklagte als Fachunternehmen hätte bei Anwendung der von ihr im Geschäftsverkehr zu fordernden Sorgfalt die Benutzung des Klagepatents erkennen und vermeiden können, § 276 BGB. Für die Zeit ab Erteilung des Klagepatents schuldet die Beklagte daher Ersatz des Schadens, welcher der Klägerin entstanden ist und noch entstehen wird, § 139 Abs. 2 PatG. - Da die genaue Schadensersatzhöhe derzeit noch nicht feststeht, die Klägerin nämlich keine Kenntnis über den Umfang der Benutzungs- und Verletzungshandlungen durch die Beklagte hat, hat sie ein rechtliches Interesse gemäß § 256 ZPO daran, dass die Schadensersatzpflicht der Beklagten dem Grunde nach festgestellt wird.
- Der Anspruch auf die Feststellung der Entschädigungsverpflichtung folgt aus § 1 Abs. 2 IntPatÜG. Da auch hier die genaue Höhe dieses Anspruchs derzeit noch nicht beziffert werden kann, hat die Klägerin ein rechtliches Interesse an der Feststellung dieser Verpflcihtung.
- 3.
Um die Klägerin in die Lage zu versetzen, den ihr zustehenden Schadensersatz zu beziffern, ist die Beklagte verpflichtet, im zuerkannten Umfang über ihre Benutzungshandlungen Rechnung zu legen, § 140b PatG i.V.m. § 242 BGB. Der Auskunftsanspruch ergibt sich aus § 140b Abs. 3 PatG. - Die Angaben zu einzelnen Kostenfaktoren, aufgeschlüsselt nach Gestehungskosten und dem erzielten Gewinn, waren dagegen nur ab dem Erteilungstag des Klagepatents zuzüglich einem Monat Karenzzeit geschuldet.
- 4.
Die Beklagte ist nach § 140a Abs. 1 und 3 PatG in der zuerkannten Weise auch zur Vernichtung und zum Rückruf der das Klagepatent verletzenden Gegenstände verpflichtet. - 5.
Die Klägerin hat dagegen keinen Anspruch auf Urteilsveröffentlichung gegen die Beklagte aus § 140e PatG, da das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen nicht hinreichend dargelegt wurde. - a.
Gemäß § 140e PatG kann der obsiegenden Partei einer auf das PatG gestützten Klage im Urteil die Befugnis zugesprochen werden, das Urteil auf Kosten der unterliegenden Partei öffentlich bekannt zu machen, wenn sie ein berechtigtes Interesse darlegt. Die Art und der Umfang der Bekanntmachung müssen im Urteil bestimmt werden, § 140e S. 2 PatG. - Voraussetzung für den Anspruch auf Urteilsbekanntmachung ist maßgeblich, dass der Obsiegende ein berechtigtes Interesse darlegt und die für sein Interesse maßgeblichen Umstände beweist. Das Obsiegen als solches rechtfertigt die Urteilsbekanntmachung auf Kosten des Unterlegenen also für sich genommen nicht (vgl. Schulte/Mes, PatG, 10. Aufl., § 140e, Rn. 5 ff.). Es geht nicht allein um die Bestrafung durch öffentliche Bloßstellung, sondern genauso um die Beseitigung eines fortdauernden Störungszustandes (vgl. Kühnen, a.a.O., Kapitel D., Rn. 581). Entscheidend ist daher, ob die Bekanntmachung auch zur Abschreckung und Störungsbeseitigung beitragen kann. Erforderlich ist dabei eine umfassende Abwägung der maßgeblichen Umstände des Einzelfalls wie etwa: Umfang und Schwere der Rechtsverletzung, Grad des Verschuldens, öffentliche Darstellung des Konflikts, insbesondere durch den Unterliegenden, und Informationsinteresse der Öffentlichkeit. Gegen die Veröffentlichung können ein längerer Zeitablauf seit der (beendeten) Verletzungshandlung, eine etwaige außergewöhnliche Beeinträchtigung des Betriebs des Unterlegenen oder der Wegfall des Schutzrechts sprechen (vgl. Schulte/Mes, a.a.O., Rn. 11; Kühnen, a.a.O., Rn. 593 ff.).
- Die Umstände, die das berechtigte Interesse begründen, sind vom Kläger darzutun und zu beweisen; die gegenläufigen Belange, die einer Veröffentlichung oder einer bestimmten Art/einem bestimmten Umfang der Bekanntmachung entgegenstehen, stehen in der Darlegungs- und Beweislast des Schuldners (vgl. Kühnen, a.a.O., Rn. 600).
- b.
Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt, weil die Klägerin nur pauschal behauptet hat, ihr Interesse an der Urteilsbekanntmachung folge aus ihrer Stellung als Wettbewerberin der Beklagten und aus den infolge der Patentverletzung erlittenen Umsatz- und Gewinneinbußen. Zudem sei es im Bereich der Automobilherstellung üblich, dass die Hersteller die Zulieferer freigeben und in entsprechenden Datenbanken listen. - Da die Klägerin keinerlei weiteren Angaben zu den behaupteten Umsatz- und Gewinneinbußen gemacht hat, vermochte die Kammer das Ausmaß der durch die Schutzrechtsverletzung verursachten Beeinträchtigungen nicht zu beurteilen.
- Weiter war zu berücksichtigen, dass diejenigen Hersteller, die mit der Beklagten mit Blick auf die streitgegenständlichen Klebebänder in einer Geschäftsbeziehung stehen, bereits durch den ebenfalls geltend gemachten und austenorierten Rückrufanspruch über das Urteil informiert werden. Weder vorgetragen, noch zu erkennen ist, inwieweit der Klägerin über diese Automobilhersteller hinaus ein berechtigtes Interesse an der Informierung der Öffentlichkeit über die Patentverletzung zustehen sollte. Bei den angegriffenen Ausführungsformen handelt es sich – was sich insbesondere auch aus der von der Klägerin selbst angeführten Freigabe durch die die Klebebänder einsetzenden Automobilhersteller zeigt – um einen Spezialbedarf, der nicht von jedermann gekauft wird.
-
V.
Der Rechtsstreit war nicht auszusetzen. Die Kammer vermochte nicht festzustellen, dass die im Wege der Nichtigkeitsklage vorgebrachten Einwände gegen den Rechtsbestand des Klagepatents überwiegend wahrscheinlich erfolgreich verlaufen würden.
Nach Auffassung der Kammern (Mitt. 1988, 91 – Nickel-Chrom-Legierung, BlPMZ 1995, 121 – Hepatitis-C-Virus), die durch das Oberlandesgericht Düsseldorf (GRUR 1979, 188 – Flachdachabläufe; Mitt. 1997, 257, 258 – Steinknacker) und den Bundesgerichtshof (GRUR 1987, 284 – Transportfahrzeug; GRUR 2014, 1237 ff. – Kurznachrichten) bestätigt wurde, stellen ein Einspruch gegen das Klagepatent oder die Erhebung der Nichtigkeitsklage als solche noch keinen Grund dar, den Verletzungsrechtsstreit auszusetzen, da dies faktisch darauf hinauslaufen würde, dem Angriff auf das Klagepatent eine den Patentschutz hemmende Wirkung beizumessen, die dem Gesetz fremd ist (§ 58 Abs. 1 PatG). Die Interessen der Parteien sind vielmehr gegeneinander abzuwägen. - Wenn das Klagepatent mit einer Patentnichtigkeitsklage angegriffen ist, verurteilt das Verletzungsgericht, wenn es eine Verletzung des in Kraft stehenden Patents bejaht, grundsätzlich nur dann wegen Patentverletzung, wenn es eine Nichtigerklärung nicht für (überwiegend) wahrscheinlich hält; andernfalls hat es die Verhandlung des Rechtsstreits nach § 148 ZPO auszusetzen, bis jedenfalls erstinstanzlich über die Nichtigkeitsklage entschieden ist (BGH, GRUR 2014, 1237, 1238 – Kurznachrichten). Denn eine – vorläufig vollstreckbare – Verpflichtung des Beklagten zu Unterlassung, Auskunft, Rechnungslegung sowie Vernichtung patentgemäßer Erzeugnisse ist regelmäßig nicht zu rechtfertigen, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten steht, dass dieser Verurteilung durch die Nichtigerklärung des Klagepatents die Grundlage entzogen werden wird. Der aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) in Verbindung mit den Grundrechten folgende und damit verfassungsrechtlich verbürgte Justizgewährungsanspruch gebietet, dem Verletzungsbeklagten wirkungs-vollen Rechtsschutz zur Verfügung zu stellen, wenn er sich gegen den Angriff aus dem Klagepatent mit einem Gegenangriff gegen den Rechtsbestand dieses Patents zur Wehr setzen will. Dies erfordert nicht nur eine effektive Möglichkeit, diesen An-griff selbst durch eine Klage auf Nichtigerklärung führen zu können auch eine angemessene Berücksichtigung des Umstands, dass in diesem Angriff auch ein – und gegebenenfalls das einzige – Verteidigungsmittel gegen die Inanspruchnahme aus dem Patent liegen kann. Wegen der gesetzlichen Regelung, die für die Ansprüche nach §§ 139 ff. PatG lediglich ein in Kraft stehendes Patent verlangt und für die Beseitigung dieser Rechtsposition nur die in die ausschließliche Zuständigkeit des Patentgerichts fallende Nichtigkeitsklage zur Verfügung stellt, kann der Angriff gegen das Klagepatent anders als in anderen Rechtsordnungen nicht als Einwand im Verletzungsverfahren oder durch Erhebung einer Widerklage auf Nichtigerklärung geführt werden. Dies darf indessen nicht dazu führen, dass diesem Angriff jede Auswirkung auf das Verletzungsverfahren versagt wird. Die Aussetzung des Verletzungsstreits ist vielmehr grundsätzlich, aber auch nur dann geboten, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass das Klagepatent der erhobenen Nichtigkeitsklage nicht standhalten wird (BGH, GRUR 2014, 1237, 1238 – Kurznachrichten).
- 1.
Die Lehre des Klagepatents ist nicht im Merkmal 5 unzulässig erweitert, indem die Filamente eine Anzahl an Drehungen bezogen auf einen Meter Länge (T/m) im Bereich von 80 bis 320 aufweisen. - Eine unzulässige Erweiterung ist gegeben bei einer Änderung des Gegenstandes der Patentanmeldung, so dass dieser über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht. Eine Änderung der Ansprüche ist nur dann eine unzulässige Erweiterung, wenn dadurch der Gegenstand der Anmeldung erweitert wird. Dies ist der Fall, wenn mit der Anspruchsänderung erstmals ein Gegenstand offenbart wird, der nicht Inhalt der ursprünglichen Anmeldung war (Schulte/Moufang, PatG, 10. Auflage, § 38 PatG, Rn. 13 ff.).
- Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
- Unstreitig sah die Anmeldeschrift im Unteranspruch 2 einen Bereich von 10-400 vor, innerhalb dessen die Anzahl der Drehungen liegen sollte, vorzugsweise einen Bereich von 140 bis 260. Diese Bereichsangaben wurden auf S. 3/S. 4 der Anmeldeschrift wiederholt. Auch auf Seite 5 wird die Bereichsangabe von 10 bis 400 als optimale Anzahl der Drehungen angegeben. Ergänzend heißt es zu dieser Spannbreite, dass sie als ein Wert anzusehen ist, der noch unterhalb der Höhe des erreichbaren Maximums (etwa 2200 T/mm bis 2500 T/m) liegt. Insbesondere durch diese Bestimmung eines Maximalwertes erkennt der Fachmann, dass die zuvor dargestellte Spannbreite einen geschlossenen numerischen Bereich umfasst, dessen Anfangs- und Endpunkt sowie auch die zwischen diesen Punkten liegenden Werte mitoffenbart sind (vgl. Schulte, a.a.O., § 3, Rn. 125; § 34, Rn. 374). Dies hat zur Konsequenz, dass auch die Auswahl eines anderen Bereichs, solange er grundsätzlich innerhalb der Spanne von 10 bis 400 liegt, vom Gegenstand der Anmeldung erfasst ist und nicht zu einer unzulässigen Erweiterung führt. In Fällen wie dem vorliegenden führt die Konkretisierung auf einen engeren Bereich sogar tatsächlich zu einer Eingrenzung des Anmeldegegenstands.
- Gegen die unzulässige Erweiterung spricht ferner, dass die Prüfungsabteilung das Klagepatent in Kenntnis der abgeänderten Bereichsangabe erteilt hat und bereits insoweit im Erteilungsverfahren die Problematik der Bedeutung einer solchen Angabe erörtert. Hinzukommt, dass die Beklagte auch in der Duplik nichts Gegenteiliges mehr ausgeführt und dargelegt hat, weshalb es sich um eine eigenständige erfinderische Tätigkeit handeln sollte, diesen gegenüber der Anmeldung engeren Bereich auszuwählen.
- 2.
Die erfindungsgemäße Lehre ist auch ausführbar. - Eine für die Ausführbarkeit hinreichende Offenbarung ist gegeben, wenn der Fachmann ohne erfinderisches Zutun und ohne unzumutbare Schwierigkeiten in der Lage ist, die Lehre des Patentanspruchs auf Grund der Gesamtoffenbarung der Patentschrift in Verbindung mit dem allgemeinen Fachwissen am Anmelde- oder Prioritätstag praktisch so zu verwirklichen, dass der angestrebte Erfolg erreicht wird. Es ist also nicht erforderlich, dass bereits der Patentanspruch alle zur Ausführung der Erfindung erforderlichen Angaben enthält. Vielmehr genügt es, wenn der Fachmann die insoweit notwendigen Einzelangaben der allgemeinen Beschreibung oder den Ausführungsbeispielen entnehmen kann (vgl. BGH, GRUR 2010, 901 – Polymerisierbare Zementmischung; Schulte, a.a.O., § 34, Rn. 338).
- Wie mit Blick auf die unzulässige Erweiterung dargestellt wurde, handelt es sich bei der Spannbreite von 80 bis 320 um eine Bereichsangabe, die zulässigerweise aus dem größeren Bereich von 10 bis 400 ausgewählt wurde. Es sind keine Anhaltspunkte vorhanden, dass nicht jeweils für die gesamte Spannbreite die gewünschte Abriebfestigkeit bereitgestellt werden könnte. Zu berücksichtigen ist insofern auch, dass das Klagepatent das Erreichen einer besonders hohen Abriebfestigkeit stets als Zusammenspiel mehrerer Komponenten und Werte (die ihrerseits variabel sind) betrachtet und daher eine geringere Anzahl an Drehungen möglicherweise durch die Erhöhung/entsprechende Anpassung anderer Werte ausgeglichen werden könnte.
- Ferner sollte die Abänderung den Bedenken der Erteilungsabteilung und deren Kritik, dass die Spanne von 10 bis 400 sehr weit gefasst sei, begegnen. Daraufhin erarbeitete die Klägerin einen kleineren Bereich an Drehungen und nahm Anpassungen an den Beschreibungsstellen vor, welche die Prüfungsabteilung beanstandungslos hinnahm.
Schriftsätzlich hat die Beklagte vorliegend nicht näher ausgeführt, weshalb die angestrebte Abriebfestigkeit nicht auch bei einer anderen Anzahl von Drehungen erreicht werden könnte, sondern auf 180T/m bezogen sei. Offensichtlich entnimmt die Beklagte den Messwert von 180T/m der Tabelle 2. Wie aber bereits im Rahmen der Auslegung dargestellt, handelt es sich bei der Tabelle 2 und den erhaltenen Werten um ein Ausführungsbeispiel, mithin nicht um abschließende Wertbestimmungen. Anhaltspunkte, dass die Abriebfestigkeit bloß bei der konkreten Drehanzahl von 180T/m erreicht werden könnte, fehlen. Der Verweis auf Ausführungen in der Einspruchsschrift ist nicht geeignet, derlei Vorbringen hier zu ersetzen, weil es gemäß dem Hinweis in der prozessleitenden Verfügung auf eigenständiges Vorbringen im Verletzungsverfahren ankommt. -
3.
Das Klagepatent beruht schließlich auch auf erfinderischer Tätigkeit. Keine der von der Beklagten geltend gemachten Dokumenten-Kombinationen haben die erfindungsgemäße Lehre im Stand der Technik nahegelegt. - Nach § 4 PatG gilt eine Erfindung als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend, wenn sie sich für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt. Um das Begehen eines von den bisher beschrittenen Wegen abweichenden Lösungswegs nicht nur als möglich, sondern dem Fachmann nahegelegt anzusehen, bedarf es – abgesehen von den Fällen, in denen für den Fachmann auf der Hand liegt, was zu tun ist – in der Regel zusätzlicher, über die Erkennbarkeit des technischen Problems hinausreichender Anstöße, Anregungen, Hinweise oder sonstiger Anlässe dafür, die Lösung des technischen Problems auf dem Weg der Erfindung zu suchen (BGH, GRUR 2009, 746 – Betrieb einer Sicherheitseinrichtung; BGH, GRUR 2010, 407 – einteilige Öse). Daraus kann man entnehmen, dass es positive Anregungen im Stand der Technik geben muss, in Richtung des Klagepatents weiter zu denken. Der Fachmann muss auf die Problemstellung kommen, die dem Klagepatent zugrunde liegt und er muss Hinweise bekommen, dass man dieses Problem mit Mitteln des Klagepatents löst.
- a.
Die Kombination der D1 und D3 kann dem Rechtsbestand des Klagepatents nicht mit Erfolg entgegengehalten werden. - Die D1 hat ein Kabelwickelband, insbesondere für den Motorenraum eines Automobils mit einem Gewebe als Träger zum Gegenstand. Sie lehrt, dass auch ein einschichtig aufgebautes Gewebeband eine hohe Abriebfestigkeit aufweisen kann und erklärt dies mit einer synergistischen Wirkung zwischen dem Werkstoff, der Fadenfeinheit sowie dem Fadenaufbau. Dabei sind unstreitig nicht die Merkmale 4 und 5 des hiesigen Klagepatents offenbart, weil die D1 keine Verdrehungen der Filamente vorsieht.
- Diese fehlenden Merkmale kann die Beklagte nicht erfolgreich aus der D3 herleiten.
- Die D3 betrifft ein Gewebeklebeband, das elastisch ist und dennoch ausgezeichnet per Hand abreißbar. Zudem soll es relativ leicht sein. Das Gewebematerial weist ein Basismaterial auf, welches aus einem Laminat (gewebter Stoff aus Längs- und Querfäden) und einem Film, der aus thermoplastischem Harz, das auf einer oder beiden Seiten des betreffenden gewebten Stoffes als Schicht aufgetragen wurde, zusammengesetzt ist (vgl. Abs. [0006]). Ferner war vorgesehen, dass der Querfaden aus einem gezwirnten Faden mit einer bestimmten Anzahl an Drehungen im Bereich von 50T bis 1000T/m verarbeitet war. Auf diese Weise wollte die Lehre der D3 Nachteile vorbekannter Gewebebänder beheben, die sie darin sah, dass um ein elastisches Basismaterial zu erhalten, entweder der Stoff dicker gemacht wurde (breiterer Faden oder höhere Fadendichte) oder der Harzfilm. Dies ging zugleich mit einer nicht gewünschten Gewichtserhöhung einher. Die D3 beschreibt zu den vorzunehmenden Drehungen weiter, dass 500 T/m die wünschenswerte Obergrenze ist (Abs. [0012]).
- Diesen Inhalt der D3 zugrunde legend vermag die Kammer schon keinen Anlass zu ersehen, weshalb der Fachmann die Lehre der D1 mit derjenigen der D3 kombinieren sollte. Denn die D1 stellt eine in sich geschlossene Vorrichtung eines Gewebeklebebandes zur Verfügung und geht von einem einschichtigen Aufbau des Gewebes aus. Danach besteht kein Bedarf mehr, bestimmte Komponenten dieses Trägers dicker oder dünner auszugestalten, um ein wünschenswert dünnes Klebeband zu erhalten. Insoweit stellt die D1 gegenüber der D3 bereits eine Weiterentwicklung dar, sodass fraglich erscheint, ob der Fachmann bei einer weiteren Verbesserung der D1 überhaupt solche Druckschriften heranziehen würde, die noch einen mehrschichtigen Gewebeträger betreffen. Auch das Vorbringen der Beklagten in der Duplik ist nicht geeignet, einen Anlass zur Kombination der Dokumente aufzuzeigen. Vielmehr sieht die Beklagte selbst Bedarf, auf die von der D3 erstrebte gute Handabreißbarkeit aufgrund eines verdrehten Querfadens zu verzichten, um dadurch die Abriebfestigkeit zu steigern. Auch diese durch den Fachmann vorzunehmende Veränderung an der Lehre der D3, um in Richtung auf die Lehre des Klagepatents zu gelangen zeigt, dass die D3 und die D1 jeweils selbstständige Vorrichtungen bereitstellen, an deren grundlegenden Aufbau zuerst Veränderungen vorgenommen werden müssten, um sie sodann miteinander kombinieren zu können. Sie legen die erfindungsgemäße Lehre deshalb nicht nahe.
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b.
Die Kombination der D1 mit allgemeinem Fachwissen (D4, D5, KR 6) ist nicht geeignet, hinreichende Zweifel an der Erfindungshöhe des Klagepatents zu wecken. - aa.
Die in der D1 nicht offenbarten Merkmale 4 und 5 liegen auch nicht durch die D4 nahe. - Schriftsätzlicher Vortrag der Beklagten zur D4 ist erst in der Duplik erfolgt und eine deutsche Übersetzung des Dokuments fehlt weiterhin, weshalb es schon aus formellen Gründen unberücksichtigt bleiben müsste. Unbeschadet dessen ist aber auch in materieller Hinsicht nicht zu ersehen, weshalb der Fachmann dieses Lehrbuch zum Anlass nehmen sollte, für die Filamente eine Anzahl an Drehungen gerade im Bereich von 80 bis 320 T/m vorzusehen und so zugleich zu einer erhöhten Abriebfestigkeit zu gelangen. Insoweit bedarf es keiner Aufklärung, ob dieses vorwiegend auf Textilien bezogene Dokument für den hier betreffenden Bereich der Gewebeklebebänder zum Einsatz in Automobilen einschlägig wäre. Denn selbst wenn dies unterstellt wird, kann weder Merkmal 4 noch Merkmal 5 als nahegelegt erachtet werden.
Zwar mag es sein, dass die D4 unter Ziff. 7.4 offenbart, dass unter bestimmten Bedingungen eine höhere Abriebfestigkeit bereitgestellt werden könnte, wozu als maßgebliche Faktoren in den Unterabschnitten Fadentyp, Fadeneigenschaften, Garndrehung sowie Gewebestruktur für die Bereitstellung einer Abriebfestigkeit angeführt werden. Inwieweit aber vor allem die Anzahl der Garndrehungen konkret dazu beitragen soll, ist nicht unmittelbar und eindeutig feststellbar, zumal der Abschnitt 7.4.1 einleitend aufgefundene Widersprüche erwähnt, die aus einer Kombination unterschiedlicher Faktoren für die Abriebfestigkeit resultieren. Es ist deshalb für den Fachmann nicht im Sinne eines Fahrplans naheliegend, gerade die Gardrehung in den Blick zu nehmen, um sicher zu einer erhöhten Abriebfestigkeit zu gelangen. - Entsprechendes gilt für die in Merkmal 5 beanspruchte Anzahl der Drehungen. Die D4 beschreibt keinerlei konkrete Werte oder Spannbreiten an Werten, innerhalb derer sich die Anzahl der Drehungen bewegen müsste. Allenfalls wird offenbart, dass die Anzahl der Drehungen einen Beitrag zur Abriebfestigkeit leisten kann. Um welchen Bereich es sich dabei handelt, ist nicht ersichtlich. Es fehlen außerdem Anhaltspunkte, um zumindest einen pauschalen und umfassenden Bereich an Drehungen annehmen zu können, innerhalb dessen der Bereich von 80 bis 320 T/m liegen könnte. Sofern die Beklagte an dieser Stelle wiederum auf die D3 verweist, um einen Umdrehungsbereich von 50T bis 1000T/m als nahegelegt zu präsentieren, verfängt dies aus dem mangelnden Anlass zur Kombination der D1 mit der D3 nicht. Außerdem belegt dies, dass die D4 von sich aus keine konkreten Hinweise auf den Umgang mit Garnverdrehungen bietet.
- bb.
Die Kombination mit der D5 – sofern überhaupt als von der Beklagten geltend gemacht zu erachten – scheitert jedenfalls daran, dass insoweit keinerlei schriftsätzliches Vorbringen der Beklagten erfolgt ist; auch nicht in der Duplik. Dementsprechend hat sich die Klägerin damit auch in der Replik nicht auseinandergesetzt. - cc.
Im Ergebnis nicht zielführend ist auch die Kombination der D1 mit der KR 6 als Ausdruck des allgemeinen Fachwissens. - Wie zuvor schon zur D4 fehlt es auch bei der KR6 an einer deutschen Übersetzung.
Aber auch inhaltlich, obwohl sich die KR6 anders als die D4 ausdrücklich auf den Automobil-Bereich bezieht, vermag die KR6 nicht die Merkmale 4 und 5 nahezulegen. Auf deren Seite 49 wird zwar erläutert, dass mittels eines Falschdralls (false-twist-textured) die Abriebfestigkeit eines Garns sowie dessen Stärke positiv beeinflusst werden konnten und dies auch für Multifilamentgarne, die grundsätzlich einer solchen Verdrehung nicht bedürfen, gilt, ist jedenfalls in der KR6 keine Anzahl an Drehungen offenbart, umso weniger eine solche im Bereich zwischen 80 und 320. Die von der Beklagten in Bezug genommene Passage, die eine Umdrehung von 100T/m belegen soll, betrifft nämlich nicht die Verdrehung eines Garns, sondern die Intermingelung einzelner Garnfasern in bestimmten Abständen. Dies geht ausdrücklich aus dem letzten Absatz der Seite 49 hervor:
„In order to give some cohesion tot he carn the filaments are „intermingled“ at points along the length of the yarn […].“ - Veranschaulicht wird dies durch die Figur 3.3 auf Seite 50, die solche Intermingelungspunkte darstellt. Dass die angesprochenen Knoten und Punkte einen Zusammenhang zur Anzahl der Drehungen haben könnten, ist nicht zu erkennen.
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c.
Die D2 kombiniert mit der D3 steht der Erfindungshöhe des Klagepatents nicht entgegen. - Die D2 stellt hoch abriebfestes Band mit einem Gewebe als Träger unter Schutz, mit dem vorzugsweise langgestrecktes Gut wie Leitungen oder Kabelsätze umhüllt werden sollen. Um vorbekannte Garne weiter zu verbessern und einen hohen Schutz der Einzelleitungen gegen mechanische Schädigungen bereitzustellen, sollen die für das Gewebe verwendeten Garne eine Stärke von 280 bis 1100dtex aufweisen und jedes Garn außerdem aus mindestens 90 Einzelfilamenten aufgebaut sein (vgl. Abs. [0025]). In Abs. [0077] wird gerade die hohe Anzahl der Filamente und die Werkstoffeigenschaften hervorgehoben, die ein besonders anschmiegsames und an der Oberfläche glattes Gewebe ergeben. Zudem weist dieses Gewebe die höheren Abriebeigenschaften auf.
- Die D2 lehrt unstreitig die Merkmale 4 und 5 nicht. Darüber hinaus fehlt es bereits an der Offenbarung des Merkmals 2.2.4, wonach das Garn aus 24 bis 80 Filamenten gebildet sein soll. Denn die D2 verlangt, dass das Garn aus mindestens 90 Einzelfilamenten besteht. Mit dieser Vorgabe liegt es außerhalb desjenigen Bereichs, den das Klagepatent schützen will und zwar sogar insoweit, als dass die D2 deutlich über diese Filamentanzahl hinausgehen will und die Obergrenze nach dem Klagepatent noch unter der Untergrenze der D2 liegt. Ferner schützt die D2 in Unteranspruch 2 sogar eine Anzahl von 130 bis 145 Einzelfilamenten, was weiter zeigt, dass ein Bereich in der Größenordnung der erfindungsgemäßen Lehre außerhalb dessen liegt, was die D2 als für ihre Lehre erfindungsgemäß betrachtet. Dies wird auch durch den Beschreibungsabsatz [0168] bekräftigt, der die mit einer geringeren Anzahl an Filamenten herabgesetzte Abriebfestigkeit kritisiert.
- Zwar könnte Merkmal 5 in zureichender Weise als von der D3 offenbart angesehen werden. Auf obige Ausführungen kann insoweit verwiesen werden. Indes könnte jedenfalls das Merkmal 2.2.4 nicht ersatzweise aus der D3 hergeleitet werden. Allenfalls wird dort nämlich eine Einschlagdichte von Längs- und Querfäden offenbart, die 15-100 Fäden betragen soll. Damit meint die D3 aber etwas anderes als die Anzahl der Fäden. Jedenfalls hat die Beklagte ein anderes Verständnis nicht erläutert. Dass die Bereichsangabe von 24 bis 80 Filamenten aus anderen Gründen auf der Hand gelegen hätte, ist nicht ersichtlich.
- d.
Selbiges gilt für die Kombination der D2 mit der D4. In der D4 wird abstrakt die Möglichkeit, Garn zu verdrehen, angeführt und auch der Umstand, dass dies zu einer höheren Abriebfestigkeit führen kann. Insoweit wird aber der Einfluss auch anderer Faktoren angeführt und eine konkrete Anzahl wünschenswerter Verdrehungen wird überhaupt nicht angegeben. So entnimmt der Fachmann der D4 keine Hinweise, die ihm einen bestimmten Anhaltspunkt für die zahlenmäßige Eingrenzung der Drehungen geben könnte. Dass das Auffinden der klagepatentgemäßen Eingrenzung dabei dennoch nahegelegen haben könnte, ist weder von der Beklagten überzeugend vorgebracht worden, noch anderweitig zu ersehen. -
4.
Das Klagepatent ist gegenüber der D3 auch neu. - Eine Entgegenhaltung ist dann neuheitsschädlich, wenn sich die gesamte als Erfindung beanspruchte Lehre des Klagepatents aus dieser Schrift, deren Gesamtinhalt zu ermitteln ist, für den Fachmann am Prioritätstag in einer Weise ergibt, dass ihm die dort vorgestellte technische Lösung unmittelbar und eindeutig sämtliche Merkmale der Erfindung offenbart. Dabei beschränkt sich die technische Lehre der Patentschriften nicht auf den Inhalt der Ansprüche, sondern schließt die gesamte technische Information ein, die ein Durchschnittsfachmann Ansprüchen, Beschreibung und Abbildungen entnehmen kann (vgl. BGH GRUR 2009, 382, 384 – Olanzapin).
- Diese Voraussetzungen treffen auf die D3 nicht zu. Unter Verweis auf vorstehende Ausführungen offenbart die D3 jedenfalls die Merkmale 2.2.4 und 3 nicht unmittelbar und eindeutig. Insbesondere ist Merkmal 2.2.4 auch nicht implizit offenbart. Insoweit hat in der obergerichtlichen deutschen sowie in der europäischen Rechtsprechung im Rahmen der Neuheitsprüfung Anerkennung gefunden, dass über den reinen Wortlaut eines Anspruchs oder der Beschreibungsstellen hinaus auch dasjenige als offenbart anzusehen ist, was der Fachmann auch ohne ausdrückliche Erwähnung aufgrund seines allgemeinen Fachwissens für die Ausführung der unter Schutz gestellten Lehre für selbstverständlich oder unerlässlich hält (so. „implizite Offenbarung“). Auf diese Weise wird der Sinngehalt eines Dokuments, also seine technische Information, die der fachkundige Leser der jeweiligen Quelle vor dem Hintergrund seines Fachwissens entnimmt, umfänglich erfasst. Eine Ergänzung der eigentlichen Offenbarung eines Dokumentes durch das Fachwissen liegt in dieser Vorgehensweise nicht. Denn auch für die implizite Offenbarung ist erforderlich, dass sie sich klar und eindeutig aus den ausdrücklichen Aussagen ergibt (Haedicke/Timmann PatR-HdB, § 4, beck-online, Rn. 170, 171; BGH, GRUR 2009, 382 – Olanzapin).
- Diese Voraussetzungen kann die Kammer vorliegend nicht feststellen. Es ist nicht ersichtlich, dass der Fachmann aufgrund seines Fachwissens erkennt, dass der in Abs. [0029] beschriebene Fadendurchmesser von 300dtex eine Filamentanzahl von 24 bis 80 bedingt.
- B.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 709 ZPO.