4b O 68/19 – Basismittel für Lebens- und Futtermittelherstellung

Düsseldorfer Entscheidungen Nr. 3092

Landgericht Düsseldorf

Urteil vom 19. November 2020, Az. 4b O 68/19

  1. Die Klage wird abgewiesen.
  2. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
  3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
  4. Tatbestand
  5. Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Verletzung des Gebrauchsmusters DE 20 2006 XXX XXX U 1 (nachfolgend: Klagegebrauchsmuster) auf Auskunft und Rechnungslegung sowie Feststellung der Restschadensersatzpflicht in Anspruch.
  6. Eingetragener Inhaber des Klagegebrauchsmusters (vorgelegt als Anlage K 1), das am 23. November 2006 angemeldet wurde, ist der Geschäftsführer der Klägerin, Herr A. Das Klagegebrauchsmuster ist durch Abzweigung aus der Anmeldung des Stammpatents EP 06 81 XXX.8 unter Inanspruchnahme von drei Prioritäten vom 29. November 2005, 16. Januar 2006 und 5. April 2006 entstanden. Das Klagegebrauchsmuster wurde am 22. April 2013 eingetragen. Die Bekanntmachung der Eintragung im Patentblatt erfolgte am 13. Juni 2013. Die Schutzdauer des Klagegebrauchsmusters ist Ende November 2016 abgelaufen.
  7. Das Klagegebrauchsmuster betrifft ein Basismaterial für die Herstellung insbesondere von Lebens- und Futtermitteln. Der von der Klägerin geltend gemachte, auf Anspruch 1 rückbezogene Schutzanspruch 8 in Verbindung mit den Unteransprüchen 3 und 6 lautet:
  8. Nahrungsmittel, Nahrungsergänzungsmittel, Nahrungsmittel-Vorprodukt, Futtermittel, Futterergänzungsmittel oder Futtermittel-Vorprodukt, Pharmazeutikum, Tierarzneimittel oder Kosmetikum, welches zu mindestens 50 Gew.-%, bevorzugt zu mindestens 80 Gew.-% aus dem Basismaterial besteht, wobei
    das Basismaterial besteht aus (i) einem Pulver, ausgewählt aus einem Stärkemehl, Lecithinpulver, einer Mischung mehrerer Stärkemehle miteinander, und einer Mischung eines oder mehrerer Stärkemehle mit Lecithin (im Folgenden „Pulver“), (ii) einem Sirup oder einer Mischung von mehreren Sirups und (iii) 0 bis 1,0 Gew.-% einer funktionellen Komponente, wobei
    der Sirup ein Hexose-Sirup ist und wobei
    das Basismaterial pastös ist.
  9. Mit Vereinbarung vom 20. Februar 2017 (Anlage K 3) sind sämtliche Nutzungsrechte an dem Klagegebrauchsmuster einschließlich eventueller Schadensersatzansprüche wegen unberechtigter Nutzung an die Klägerin übertragen worden.
  10. Die Beklagte bietet an und vertreibt in der Bundesrepublik Deutschland Rollfondant, insbesondere die Produkte „B“ und „C“ (nachfolgend „angegriffene Ausführungsform“). Ein Muster der angegriffenen Ausführungsform ist als Anlage K 15 Aktenbestandteil.
  11. Nach dem von der Klägerin vorgelegten Untersuchungsbericht der D GmbH (Anlage K 6) weist der B der Beklagten folgende Inhaltsstoffe/Kennzahlen auf:
  12. Den Hauptanteil des Fondants bildet danach Saccharose mit 73,2 % pro 100 Gramm. Der Anteil von enzymatischer Stärke beträgt danach 3,9 % pro 100 Gramm. Der Anteil an Glukose konnte mit 0,4 % und der an Maltose mit 5,5 % bestimmt werden. Fructose und Lactose liegen mit weniger als 0,2 % unterhalb der Bestimmungsgrenze. Fett macht einen Anteil von 3,4 % aus.
  13. Der C der Beklagten weist nach dem von der Klägerin vorgelegten Untersuchungsbericht der D GmbH (Anlage K 7) folgende Inhaltsstoffe/Kennzahlen auf:
    Den Hauptanteil des Fondants bildet danach Saccharose mit 76,3 % pro 100 Gramm. Der Anteil von enzymatischer Stärke beträgt danach 4,2 % pro 100 Gramm. Der Anteil an Glukose, Fructose und Lactose liegt mit weniger als 0,2% unterhalb der Bestimmungsgrenze. Der Anteil an Maltose konnte mit 5,5 % pro 100 Gramm bestimmt werden. Fett macht einen Anteil von 3,7 % aus.
  14. Die Klägerin ist der Ansicht, Angebot und Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform stellten eine Verletzung des schutzfähigen Klagegebrauchsmusters dar. Bei der aufgeführten Saccharose handele es sich um einen Bestandteil von Glukose-Sirup. Eine Unterscheidung zwischen der Verwendung von Zucker und Wasser für die Herstellung des Produkts einerseits sowie der Verwendung von Sirup andererseits, sei nicht angebracht. Saccharose sei zudem ein Disaccharid und dies unterfalle der Gruppe der Oligosaccharide. Bestandteil des Glukosesirups sei – neben Glukose – ein sehr großer Anteil von Oligosacchariden, also zum Beispiel Zucker als Disaccharid.
  15. Die Klägerin beantragt in der Hauptsache,
  16. I. die Beklagte zu verurteilen,
  17. ihr Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagte im Zeitraum 22. April 2013 bis 30. November 2016
  18. in der Bundesrepublik Deutschland Rollfondant angeboten und/oder vertrieben hat, soweit das Produkt zu mindestens 50 Gewichts-% aus einem Basismaterial besteht, bestehend aus (i) einem Pulver, ausgewählt aus einem Stärkemehl, Lecithinpulver, einer Mischung mehrerer Stärkemehle miteinander und einer Mischung eines oder mehrerer Stärkemehle mit Lecithin (im Folgenden „Pulver“), (ii) einem Sirup oder einer Mischung mehrerer Sirups und (iii) 0 bis 1,0 Gew.-% einer funktionellen Komponente, wobei der Sirup ein Hexose-Sirup ist und wobei das Basismaterial pastös ist
  19. und zwar unter Vorlage eines geordneten Verzeichnisses unter Angabe
  20. a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, Typenbezeichnungen, Artikelnummern, Lieferzeiten, Lieferpreisen und Namen und Anschriften der Abnehmer,
    b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach den Angebotsmengen, Typenbezeichnungen, Artikelnummern, Angebotszeiten und Angebotspreisen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
    c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach einzelnen Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
    d) der Gestehungskosten unter Angabe der einzelnen Kostenfaktoren sowie des erzielten Gewinns;
  21. wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder ein bestimmter Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
  22. II. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr dasjenige herauszugeben, was sie durch die in Ziff. I bezeichneten und vom 22. April 2013 bis 30. November 2016 begangenen Handlungen erlangt hat;
  23. hilfsweise,
  24. III. ihr Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagte im Zeitraum 22. April 2013 bis 30. November 2016
  25. in der Bundesrepublik Deutschland Rollfondant angeboten und/oder vertrieben hat, soweit das Produkt zu mindestens 50 Gewichts-% aus einem Basismaterial besteht, bestehend aus (i) einem Pulver, ausgewählt aus einem Stärkemehl, Lecithinpulver, einer Mischung mehrerer Stärkemehle miteinander und einer Mischung eines oder mehrerer Stärkemehle mit Lecithin (im Folgenden „Pulver“), (ii) einem Sirup oder einer Mischung mehrerer Sirups und (iii) 0 bis 1,0 Gew.-% einer funktionellen Komponente, wobei der Sirup ein Hexose-Sirup ist, der Glukose enthält, und wobei das Basismaterial pastös ist
  26. und zwar unter Vorlage eines geordneten Verzeichnisses unter Angabe wie unter Ziff. I. lit. a) – d),
  27. wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder ein bestimmter Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
  28. IV. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr dasjenige herauszugeben, was sie durch die in Ziff. III. bezeichneten und vom 22. April 2013 bis 30. November 2016 begangenen Handlungen erlangt hat;
  29. weiter hilfsweise,
  30. ihr nachzulassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung (Bank- oder Sparkassenbürgschaft) abzuwenden.
  31. Die Beklagte beantragt,
    die Klage abzuweisen.
  32. Die Beklagte ist der Ansicht, die angegriffene Ausführungsform mache von der Lehre des Klagegebrauchsmusters keinen Gebrauch. Ein Basismaterial bzw. eine entsprechende Zuordnung der Zutaten finde sich weder in der Zutatenliste noch in der von der Klägerin veranlassten Analyse.
  33. Zudem verwende sie, die Beklagte, für die Herstellung der angegriffenen Ausführungsform keinen Sirup im Sinne der Lehre des Klagegebrauchsmusters, vielmehr werde der angegriffenen Ausführungsform Zucker und Wasser in Form von Zuckerwasser beigegeben, wobei es sich nicht um einen Sirup im Sinne der geschützten Lehre handele. Das Klagegebrauchsmuster verlange die Anwesenheit einer konzentrierten, dickflüssigen Zucker- bzw. Zuckeraustauschlösung. Im Falle der Verwendung von Glukosesirup werde dies in der Zutatenliste zudem auch üblicherweise angegeben. Die Klägerin könne insofern nicht von der Zutatenliste auf die Zusammensetzung der angegriffenen Ausführungsform schließen.
  34. Schließlich sei das Klagegebrauchsmuster nicht rechtsbeständig. Der Gegenstand des Klagegebrauchsmusters sei neuheitsschädlich vorweggenommen.
  35. Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
  36. Entscheidungsgründe
  37. Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keine Ansprüche auf Auskunftserteilung und Rechnungslegung sowie auch keinen Anspruch auf Feststellung der Restschadensersatzverpflichtung dem Grunde nach gemäß §§ 24 Abs. 2, 24 f. Satz 2, 24b Abs. 1 und 3 GebrMG, §§ 242, 259, 852 BGB.
  38. I.
    Das Klagegebrauchsmuster betrifft ein Basismaterial für die Herstellung insbesondere von Lebens- und Futtermitteln. Dieses Basismaterial besteht aus einem Pulver, ausgewählt aus einem Verdickungsmittel und Lecithinpulver („Pulver“) und aus einem Sirup. Es ist insbesondere für die Herstellung von Lebensmitteln und Futtermitteln geeignet. (Abs. [0001], Textstellen ohne Bezugsangabe stammen aus der Klagegebrauchsmusterschrift).
  39. Bei der Herstellung von Lebensmitteln, so das Klagegebrauchsmuster, wird häufig mit Basismaterialien gearbeitet, die einen erheblichen Anteil am fertigen Lebensmittel ausmachen können. Solche Basismaterialien sind häufig vorkonfektionierte Mischungen wie beispielsweise Backmischungen, Marzipanrohmasse oder Aromamischungen, die für das einzelne fertige Lebensmittel angepasst ausgewählt und entsprechend ihrer jeweiligen Eigenschaften gelagert werden müssen.
  40. Diese Basismaterialien weisen, so das Klagegebrauchsmuster weiter, oft Nachteile auf. Zum einen sind sie insbesondere nach dem Öffnen der Verpackung nur begrenzt haltbar, Restbestände sind verderblich und ziehen Ungeziefer an. Zudem können sich nach dem Öffnen Bakterien und andere Mikroorganismen ansiedeln und vermehren (Abs. [0003]).
  41. Als nachteilig beschreibt das Klagegebrauchsmuster weiter, dass derartige Mischungen oft empfindlich gegenüber Temperaturschwankungen sind und nicht selten umständlich zu handhaben; sie sind klebrig oder neigen in Pulverform zu Staub- und Klumpenbildung. Dadurch wird die richtige Dosierung und Weiterverarbeitung erschwert (Abs. [0004]). Drei Bestandteile, die heute in den meisten Lebensmitteln zu finden sind, sind Stärkemehl oder andere Verdickungsmittel, Lecithin und Zucker bzw. Zuckeraustauschstoffe. Diese Bestandteile sind in ihrer Reinform pulverförmig. Möchte man diese in einer vorkonfektionierten Mischung anbieten, sieht man sich mit verschiedenen Schwierigkeiten konfrontiert, unter anderem trennen sich die Einzelbestandteile solcher Mischungen infolge der Schwerkraft, so dass sich innerhalb einer Packung unterschiedliche Mischungsverhältnisse ausbilden können. Dies macht eine Weiterverarbeitung mit immer gleicher Dosierung fast unmöglich. Zudem können sich die Zutaten solcher Mischungen, die auch flüssige oder pastöse Komponenten enthalten, bei der Lagerung absetzen und so voneinander trennen oder Gradienten ausbilden. Auch sind physikalisch-chemische Effekte möglich, zum Beispiel das Abscheiden von Ölen und Fetten oder das Auskristallisieren von Zucker und Zuckeraustauschstoffen. Schließlich sind solche Mischungen oft klebrig und/oder klumpig und dadurch schlecht dosierbar. Der enthaltene Kristallzucker führt zu einer nur sehr begrenzten Haltbarkeit (Abs. [0006]).
  42. Durch die DE-A-XXX ist die Herstellung stärkehaltiger Zuckermassen bekannt, jedoch nur bei erhöhtem Druck und erhöhter Temperatur (Abs. [0009]). Dies erfordert einen hohen maschinellen Aufwand und Systeme zur Kontrolle von Druck und Temperatur und ist folglich mit erheblichen Nachteilen behaftet.
  43. Das Klagegebrauchsmuster hat es sich vor diesem Hintergrund zur Aufgabe gemacht, ein Basismaterial zur Verfügung zu stellen, das die beschriebenen Nachteile des Standes der Technik überwindet. Insbesondere soll es in diesem Basismaterial nicht zu einer Trennung der Einzelbestandteile kommen, es soll leicht dosierbar und verarbeitbar sein, und es soll mit den meisten gebräuchlichen Lebensmitteln bzw. Lebensmittelbestandteilen verbindbar bzw. eine Basis für Lebensmittel sein (Abs. [0012]).
  44. Dies soll durch Schutzanspruch 8 in Verbindung mit den Unteransprüchen 3 und 6 erreicht werden, deren Merkmale wie folgt gegliedert werden können:
  45. 1. Nahrungsmittel, Nahrungsergänzungsmittel, Nahrungsmittel-Vorprodukt, Futtermittel, Futterergänzungsmittel, Futtermittel-Vorprodukt, Pharmazeutikum, Tierarzneimittel oder Kosmetikum;
    2. das Produkt besteht zu mindestens 50 Gew.-% aus dem Basismaterial;
    3. das Basismaterial besteht aus
    (a) einem Pulver, ausgewählt aus einem aus einem Stärkemehl, Lecithinpulver, einer Mischung mehrerer Stärkemehle miteinander und einer Mischung eines oder mehrerer Stärkemehle mit Lecithin (im Folgenden „Pulver“),
    (b) einem Sirup oder einer Mischung von mehreren Sirups und
    (c) 0 – 1,0 Gew.-% einer funktionalen Komponente,
    4. wobei der Sirup ein Hexose-Sirup ist;
    5. wobei das Basismaterial pastös ist.
  46. II.
    Die angegriffene Ausführungsform macht vorliegend von Merkmal 3b keinen unmittelbaren wortsinngemäßen Gebrauch.
  47. 1.
    Nach § 12a GebrMG wird der Schutzbereich eines Gebrauchsmusters durch den Inhalt der Schutzansprüche bestimmt, wobei die Beschreibung und die Zeichnungen zur Auslegung der Schutzansprüche heranzuziehen sind. Die Auslegung ist nach den gleichen Grundsätzen vorzunehmen wie bei einem Patent (BGH, GRUR 2007, 1059 – Zerfallszeitmessgerät); so entspricht § 12a GebrMG inhaltlich den für Patente einschlägigen Regelungen in § 14 S. 1 PatG bzw. Art. 69 Abs. 1 S. 1 EPÜ. Maßgebend ist der Offenbarungsgehalt der Ansprüche und ergänzend – im Sinne einer Auslegungshilfe – der Offenbarungsgehalt der Patentschrift bzw. Gebrauchsmusterschrift, soweit dieser Niederschlag in den Ansprüchen gefunden hat (BGH, GRUR 1999, 909, 911 – Spannschraube; GRUR 2004, 1023, 1024 – Bodenseitige Vereinzelungseinrichtung). Hierbei ist nicht am Wortlaut zu haften, sondern auf den technischen Gesamtzusammenhang abzustellen, den der Inhalt der Gebrauchsmusterschrift dem Fachmann vermittelt.
  48. Ausgehend von diesem Maßstab gilt hier für das zwischen den Parteien streitige Merkmal 3b Folgendes:
  49. a)
    Eine Definition dessen, was das Klagegebrauchsmuster unter einem Sirup versteht, findet sich in Absatz [0020]. Danach ist ein Sirup
  50. „eine dickflüssige, konzentrierte Lösung eines Zuckers oder Zuckeraustauschstoffs, die durch Kochen oder andere Techniken, insbesondere durch enzymatische Spaltungsprozesse, aus zuckerhaltigen Flüssigkeiten wie Zuckerwasser, Zuckeraustauschstoffhaltigen Flüssigkeiten, Zuckerrübensaft, Fruchtsäften oder Pflanzenextrakten gewonnen wird. Durch seinen hohen Zuckergehalt ist er auch ohne Kühlung lange haltbar, Sirup im Sinne der vorliegenden Erfindung sind unter anderem Glukosesirup, Fruktosesirup und Maltitolsirup (auch als Maltitsirup bezeichnet).“
  51. Wie die zitierte Definition den Fachmann lehrt, ist ein Sirup im Sinne der Lehre des Klagegebrauchsmusters zum einen durch seinen Inhaltsstoff bzw. seine Inhaltsstoffe, beispielsweise Zucker, Zuckeraustauschstoff, Zuckerwasser oder zuckerhaltige Flüssigkeiten gekennzeichnet, und zum anderen durch seine dickflüssige Konsistenz, mit der eine hohe Konzentration von Zucker („konzentrierte Lösung eines Zuckers“) einhergeht.
  52. Diese Beschaffenheit erhält der Sirup – wie die in der Beschreibung enthaltene Definition weiter zu erkennen gibt – durch „Kochen oder andere Techniken, insbesondere durch enzymatische Spaltungsprozesse“, wobei diese Beschreibung des Herstellungsprozesses den Schutzumfang des hier streitgegenständlichen Sachanspruchs nicht beschränkt. Gleichwohl bringt der Fachmann die Herstellungsweise mit der beschriebenen Beschaffenheit eines erfindungsgemäßen Sirups derart in Zusammenhang, dass ein bloßes Vermischen der Ausgangssubstanzen wie beispielsweise Wasser und Zucker noch keinen Sirup im Sinne des Klagegebrauchsmusters hervorbringt. Es bedarf insoweit eines chemischen Prozesses, der zur Dickflüssigkeit des Sirups und zu der mit dieser zusammenhängenden hohen Zuckerkonzentration führt.
  53. Die so beschriebene Beschaffenheit eines „Sirups“ grenzt sich klagegebrauchsmustergemäß von in Wasser gelöstem Zucker („Zuckerwasser“) ab. Eine solche Trennung ist zum einen bereits in der Definition des Begriffs „Sirup“ nach Abschnitt [0020] angelegt, die „Zuckerwasser“ als Ausgangssubstanz nennt. Die Trennung setzt sich zum anderen auch in der übrigen Klagegebrauchsmusterbeschreibung fort, und ergibt sich auch aus der gebotenen funktionsorientierten Betrachtung. Denn durch den Bestandteil „Sirup“ grenzt sich das Klagegebrauchsmuster von aus dem Stand der Technik bekannten Basismaterialien ab, die ein Gemisch aus Wasser und Zucker, beispielsweise haushaltsüblichem Kristallzucker, enthalten, was die Haltbarkeit derartiger Mischungen begrenzt (Abs. [0006]). Insbesondere dem Sirup wird hingegen nach dem Klagegebrauchsmuster eine die Haltbarkeit erhöhende Wirkung zugewiesen (Abs. [0052]). Zudem soll gerade durch die Verwendung von Sirup eine schwerkraftbedingte Trennung der Einzelbestandteile verhindert werden, insbesondere das Auskristallisieren von Zucker (vorbekannter Technikstand: Abs. [0005], [0006]; mit Bezug zu der geschützten Lehre: Abs. [0023] a. E.),
  54. „Das Material gemäß Ausführungsform (1) [gemeint ist das Basismaterial] zersetzt sich bevorzugt auch bei langem Stehen nicht in seine Bestandteile, ist also lange haltbar. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Sirup im Basismaterial Glukosesirup oder Isomaltsirup ist.“ (Abs. [0051]).
  55. Die Lehre des Klagegebrauchsmusters weist dem Bestandteil Sirup – im Unterschied zu Zuckerwasser – mithin einen für die Herbeiführung der erfindungswesentlich angestrebten Aufgabe (Abs. [0012]) maßgebliche Bedeutung bei.
  56. b)
    Soweit die Klägerin im Hinblick auf den Bedeutungsgehalt des Begriffs Hexose-„Sirup“ (wie hier mit Merkmal 4 beansprucht) im Sinne der Lehre des Klagegebrauchsmusters darauf verweist, dass in Abschnitt [0023] „(…) Glukosesirup“ als Glukose-Sirup (als Unterfall eines Hexose-Sirups, vgl. Abs. [0022]) beispielhaft genannt ist, ergibt sich daraus kein von dem dargestellten Auslegungsergebnis abweichendes Verständnis eines klagegebrauchsmustergemäßen Sirups. Der Definition von „Glukosesirup“ in Abschnitt [0023] entnimmt der Fachmann, dass es sich dabei um ein Gemisch verschiedener Einfach- und Mehrfachzucker handeln kann, mithin neben Glukose als Einfachzucker auch andere Zuckerarten, unter anderem auch Mehrfachzucker (genannt sind neben Maltose und Maltotriose auch Oligosaccaride) enthalten sein können. Nicht hingegen entnimmt der Fachmann ihr, dass es – entgegen der Begriffsbestimmung in Abs. [0020] – nunmehr allein noch auf die stoffliche Zusammensetzung von Zucker und Wasser ankommt, hingegen die Substanz („dickflüssig“) und erhöhte Zuckerkonzentration keine Rolle mehr spielen. Eine solche Betrachtung widerspricht der Systematik der Klagegebrauchsmusterbeschreibung, die zunächst einen Sirup als allgemeinen Begriff definiert, und im Folgenden – diesem Oberbegriff unterfallende – speziellere Formen eines Sirups nennt (Abs. [0022], [0023]).
  57. 2.
    Ob das Klagegebrauchsmuster in der geltend gemachten Fassung schutzfähig ist, kann dahingestellt bleiben. Denn jedenfalls hat die Klägerin nicht dargelegt, dass die angegriffene Ausführungsform das Merkmal 3b des geltend gemachten kombinierten Schutzanspruchs 8 in Verbindung mit den Unteransprüchen 3 und 6 verwirklicht.
  58. Die Zutatenliste enthält keinen Hinweis auf Sirup oder ein Sirupgemisch. Zwar weist allein das Fehlen der Angabe „Glukosesirup“ bzw. „Hexosesirup“ nicht grundsätzlich darauf hin, dass Sirup im Fondant fehlt. Dass jedoch die Inhaltsstoffe Zucker, Glukose und Maisstärke ein Basismaterial im Sinne der Merkmalsgruppe 3 bilden, hat die Klägerin, die nach den allgemeinen zivilprozessualen Regeln die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der Verletzung des Klageschutzrechts trifft (OLG Düsseldorf, Urt. v. 20.01.2017, Az.: I-2 U 41/12, GRUR-RS 2017, 102029, Rn.104), nicht dargetan.
  59. a)
    Der Rollfondant der Beklagten enthält unstreitig Zucker (Saccharose), Glukose und Wasser. Damit sind die Bestandteile genannt, die nach der Definition des Klagegebrauchsmusters in einem Sirup enthalten sind. Das bloße Vorliegen dieser Komponenten in Form von Zuckerwasser lässt aber den Rückschluss darauf, dass diese auch als „sirupartige“ Substanz im Sinne der Lehre des Klagegebrauchsmusters vorliegen, nicht zu. Zwar kommt es – im Rahmen des hier streitgegenständlichen Sachanspruchs – nicht darauf an, dass und wie die Komponenten des Basismaterials vermischt und wann und wie sie mit weiteren Komponenten zusammengegeben wurden. Gleichwohl ist aber erforderlich, dass die das Basismaterial klagegebrauchsmustergemäß ausmachenden Komponenten zu irgendeinem Zeitpunkt in der von der geschützten Lehre vorgesehenen Verbindung vorlagen.
  60. b)
    Auch allein aufgrund der Anwesenheit von Glukose in der angegriffenen Ausführungsform vermag die Kammer nicht darauf zu schließen, dass eine „sirupartige“ Substanz im Sinne der Lehre des Klagegebrauchsmusters vorliegt. Denn mit dem Inhaltsstoff Glukose ist – so die Sichtweise des Klagegebrauchsmusters – keine Aussage darüber verbunden, ob ein Sirup vorliegt. So beschreibt Abschnitt [0023], der sich zu dem Begriff des „Glukose-Sirups“ verhält, Glukose lediglich als Hauptbestandteil eines Sirups und benennt so die inhaltliche Komponente. Daraus folgt hingegen nicht, dass bei Vorliegen von Glukose immer auch ein Sirup im Sinne des Klagegebrauchsmusters gegeben ist.
  61. III.
    Die Ausführungen zum Hauptantrag gelten gleichermaßen im Hinblick auf den Hilfsantrag. Auch insoweit fehlt es an einer Verwirklichung des Merkmals 3b durch die angegriffene Ausführungsform.
  62. IV.
    Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.
  63. V.
    Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 und S. 2 ZPO.
  64. Der Klägerin war Vollstreckungsschutz nach § 712 ZPO nicht zu gewähren. Sie hat nicht dargelegt und glaubhaft gemacht, dass ihr durch die Vollstreckung des Urteils ein nicht zu ersetzender Nachteil im Sinne von § 712 ZPO entsteht.
  65. VI.
    Der Streitwert wird gem. §§ 51 Abs. 1, 45 Abs. 1 Satz 3 GKG auf 100.000 Euro festgesetzt.

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