4c O 76/19 – Zahnersatzherstellungsverfahren

Düsseldorfer Entscheidungen Nr. 3083

Landgericht Düsseldorf

Urteil vom 27. Oktober 2020, Az. 4c O 76/19

  1. Die Klage wird abgewiesen.
  2. II. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
  3. III. Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. Die Sicherheit kann auch durch eine unwiderrufliche, unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Europäischen Union als Zoll- oder Steuerbürgin anerkannten Bank oder Sparkasse erbracht werden.
  4. Tatbestand
  5. Der Kläger verfolgt gegen die Beklagte Ansprüche auf Unterlassung, Auskunftserteilung sowie Rechnungslegung und Feststellung der Schadensersatzverpflichtung wegen Verletzung des europäischen Patents EP 3 043 XXX B1 (Anlage K1, im Folgenden: Klagepatent). Er ist eingetragener und allein verfügungsberechtigter Inhaber des Klagepatents, welches ein Verfahren zur Herstellung eines Zahnersatzes unter Schutz stellt. Die Anmeldung erfolgte am 13. September 2013. Der Hinweis auf die Anmeldung wurde unter dem 20. Juli 2016 veröffentlicht und derjenige über die Erteilung des Patents am 29. März 2017. Das Klagepatent steht auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft. Mit Entscheidung vom 28. Juni 2019 wurde das Klagepatent vom Europäischen Patentamt im erstinstanzlichen Einspruchsverfahren uneingeschränkt aufrechterhalten (Anlagenkonvolut K 3). Über die gegen diese Entscheidung eingelegte Beschwerde ist bislang nicht entschieden worden (Anlagenkonvolut B 1).
  6. Anspruch 1 des Klagepatents lautet:
    „Verfahren zur Herstellung eines Zahnersatzes, aufweisend die folgenden Schritte:
    — Erstellen einer Abbildung (1) des Gesichts (2) des Patienten in einer Frontansicht, wobei der Mund des Patienten geöffnet ist und die zu ersetzende Zahnleiste (3) des Patienten sichtbar ist,
    — Überblenden der Zähne (3) des Patienten in der Abbildung (1) des Gesichts (2) des Patienten durch die digitale Fotografie einer ausgewählten Zahnleiste (8) mittels einer Bildbearbeitungssoftware,
    — Anpassen der Größe und/oder der Form der ausgewählten Zahnleiste (8) in der Fotografie an den Mund und/oder das Gesicht (2) des Patienten mittels der Bildbearbeitungssoftware,
    — Übermittlung der durch die Anpassung erhaltenen Größe und/oder Form der ausgewählten Zahnleiste (8) an ein CAD/CAM System,
    — Auswahl im CAD/CAM System einer dreidimensionalen Zahnleiste, die der ausgewählten Zahnleiste (8) entspricht,
    — Anpassen der dreidimensionalen Zahnleiste im CAD/CAM System anhand der in der Fotografie ermittelten Größe und/oder Form der ausgewählten Zahnleiste (8),
    — Ausfräsen des Zahnersatzes aus einem Materialblock anhand der im CAD/CAM System ermittelten Größe und/oder Form der angepassten dreidimensionalen Zahnleiste.“
  7. Nachfolgende Figuren stammen aus der Klagepatentschrift und zeigen eine beispielhafte Ausführungsform eines erfindungsgemäßen Verfahrens. Figur 1 ist ein Blockdiagramm und veranschaulicht den Ablauf eines solchen Verfahrens. Die weiteren Figuren 2 bis 4 zeigen jeweils eine Abbildung eines Gesichts eines Patienten.
  8. Die Beklagte vertreibt digitale Softwarelösungen im Bereich der Zahntechnik und Zahnmedizin. Sie bietet Softwaremodule für dentale CAD/CAM Systeme anderer Hersteller an. Auf ihrer unter der Domain www.A.com/de abrufbaren Webseite ist unter der Rubrik „unsere Produkte“ unter der Bezeichnung „B“ ein Verfahren mit der Bezeichnung „C“ (vgl. Anlagen K 5, K 6, im Folgenden angegriffene Ausführungsform/angegriffene Software/angegriffenes Verfahren) genannt, die zum Zwecke des ästhetischen Zahnersatzes eingesetzt wird.
  9. Der Kläger meint, dass die Beklagte mit der angegriffenen Ausführungsform mittelbaren Gebrauch von der Lehre des Klagepatents mache. Die angegriffene Software diene im zahntechnischen Bereich dazu, das Herstellen eines Zahnersatzes aus einem Materialblock zu erleichtern. Dass unmittelbar die angegriffene Software ein physisches Zahnersatzteil herstelle, sei dafür nicht erforderlich. Grundlage für die Konfiguration einer Zahnleiste sei eine zweidimensionale Darstellung des Ist-Zustandes einer zu ersetzenden Zahnleiste, welche in die Software hochgeladen werde. Die angegriffene Software müsse dafür nicht selbstständig eine solche Abbildung zur Verfügung stellen können. Weiterhin behauptet der Kläger, dass in der Software neue Zahnformen auf die Ist-Zahnleiste überblendet und als solche noch im 2D-Format bearbeitet werden könnten. Diese Zahnleisten können dabei ihrerseits auf dreidimensionale Darstellungen zurückgehen. Eine auf dem Bildschirm ersichtliche zweidimensionale Darstellung der überblendeten Zähne entspreche der zur gleichen Zeit in der rechten Bildhälfte ersichtlichen dreidimensionalen Darstellung der Zähne. Dazu ist der Kläger der Ansicht, dass deshalb die nach Größe und Form angepasste Zahnleiste an ein CAD/CAM-System übermittelt werde. Der durch das „Designing“ erhaltene Datensatz werde anschließend zur Produktion benutzt. Dies ergebe sich aus dem eigenen Youtube-Video der Beklagten, welches den Verfahrensablauf darstelle.
  10. Der Kläger beantragt,
  11. I. die Beklagte wird verurteilt,

    1. es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €‚ ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu insgesamt zwei Jahren, diese zu vollziehen an ihren jeweiligen gesetzlichen Vertretern, zu unterlassen,

  12. D-Module im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland anzubieten und/oder zu liefern, die für ein Verfahren zur Herstellung eines Zahnersatzes geeignet sind, aufweisend die folgenden Schritte:
  13.  Erstellen einer Abbildung des Gesichts des Patienten in einer Frontansicht, wobei der Mund des Patienten geöffnet ist und die zu ersetzende Zahnleiste des Patienten sichtbar ist,
     Überblenden der Zähne des Patienten in der Abbildung des Gesichts durch die digitale Fotografie einer ausgewählten Zahnleiste mittels einer Bildbearbeitungssoftware,
     Anpassen der Größe und/oder der Form der ausgewählten Zahnleiste in der Fotografie an den Mund und/oder das Gesicht des Patienten mittels der Bildbearbeitungssoftware,
     Übermittlung der durch die Anpassung erhaltenen Größe und/oder Form der ausgewählten Zahnleiste an ein CAD/CAM System,
     Auswahl im CAD/CAM System einer dreidimensionalen Zahnleiste, die der ausgewählten Zahnleiste entspricht,
     Anpassen der dreidimensionalen Zahnleiste im CAD/CAM System anhand der in der Fotografie ermittelten Größe und/oder Form der ausgewählten Zahnleiste,
     Ausfräsen des Zahnersatzes aus einem Materialblock anhand der im CAD/CAM System ermittelten Größe und/oder der angepassten dreidimensionalen Zahnleiste;
  14. 2. dem Kläger in einem geordneten Verzeichnis darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagte die zu Ziffer I.1. ausgeführten Handlungen seit dem 29. April 2017 begangen hat, und zwar unter Angabe
  15. a) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und Vorbesitzer,
  16. b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, Lieferzeiten sowie der Typenbezeichnungen und der Namen und Anschriften der Abnehmer,
  17. c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, Angebotszeiten sowie Typenbezeichnungen und der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
  18. d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
  19. e) der nach einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungs- und Vertriebskosten und des erzielten Gewinns,
  20. wobei
  21. – die Beklagte hinsichtlich der Angaben zu Ziff.2.a) und b) Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine vorzulegen hat,
  22. – der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht gewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger statt dem Kläger einem von diesem zu bezeichnenden und ihm gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, dem Kläger auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
  23. II. es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, allen Schaden zu ersetzen, der dem Kläger in der Zeit seit dem 29. April 2017 durch die vorstehend zu I.1. bezeichneten Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
  24. Die Beklagte beantragt,
    zu erkennen, wie geschehen.
  25. Sie ist der Auffassung, mit der angegriffenen Software die klagepatentgemäße Lehre nicht mittelbar zu verwirklichen. Die Software diene schon nicht dazu, einen physischen Zahnersatz herzustellen. Nach der Lehre des Klagepatents sei für eine ausgewählte Zahnleiste ferner deren Volldarstellung erforderlich; lediglich Umrandungen einer Zahnleiste zu visualisieren, wie es in der angegriffenen Software geschehe, genüge nicht. Der Überblendung in der angegriffenen Software läge ein 3D-„Mesh“-Abbild, mithin ein Gitternetz bestehend aus kleinen Dreiecken zugrunde, sodass die Anpassung einer 3D-Zahnleiste an eine zweidimensionale Abbildung vorgenommen werde. Wenngleich die abgebildete und in die Abbildung des Gesichts eingefügte Zahnleiste wie natürliche Zähne in 2D und wie eine natürliche Darstellung aussähen, handele es sich jedenfalls nicht nur um eine originäre 2D-Darstellung. Dies erkenne man insbesondere daran, dass Verschiebungen in dem 3D-Modell unmittelbar in die 2D-Darstellung übernommen würden, was unstreitig ist. Dementsprechend werde auch die Größenanpassung unmittelbar an der dreidimensionalen Darstellung vorgenommen. Hierzu behauptet die Beklagte deshalb, dass es sich bei der angegriffenen Software nicht um eine Bildbearbeitungssoftware handele, sondern um eine komplexe CAD Software zur einschrittigen Bearbeitung dreidimensionaler Darstellungen. Das Klagepatent verlange insoweit aber, dass eine solche Software erst getrennt und zu einem späteren Zeitpunkt angewendet werde. Schließlich könne, so behauptet die Beklagte, der aus der angegriffenen Software generierte Datensatz nicht unmittelbar zum Ausfräsen des entworfenen Zahnersatzes herangezogen werden, da diverse Zwischenschritte und Änderungen in diesem Datensatz notwendig seien.
  26. Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zur Akte gereichten Schriftstücke nebst Anlagen Bezug genommen.
  27. Entscheidungsgründe
  28. Die zulässige Klage ist unbegründet. Dem Kläger stehen die geltend gemachten Ansprüche nicht zu.
  29. I.
    Das Klagepatent, welches ein Verfahren zur Herstellung eines Zahnersatzes betrifft, stellt einleitend in Abs. [0001] heraus, dass solche Verfahren im Stand der Technik grundsätzlich bekannt waren. In Abs. [0002] nimmt es dazu Bezug auf die DE 102 03 XXX A1, die bei der Herstellung einer Zahnprothese auf ein CAD/CAM-System zurückgreift. Danach wird die Zahnprothese an einer Fotoaufnahme des Gebisses zu einem noch gesunden Zustand angepasst. Die gewonnenen Gestaltungsdaten werden zu einer Fräsbearbeitungsvorrichtung als Bearbeitungskommando übertragen. Die Zahnprothese wird sodann aus einem Blockmaterial durch Fräsen hergestellt. Ohne eine Fotographie des Gebisses im gesunden Zustand ist diese Art der Herstellung der Zahnprothese nicht möglich (vgl. Abs. [0003]).
  30. Als vorbekannt würdigt das Klagepatent in Abs. [0004] ferner die WO 2009/105XXX A1. Dort wird anfangs eine digitale Fotographie des Gebisses aufgenommen. Der Patient wählt einen Zahnersatz aus, welcher sodann in einer Software die vorhandenen Zähne des Patienten, abgebildet in der Fotografie, ersetzt. Der Patient hat die Möglichkeit, die neuen Zähne zu betrachten. Bei Nichtgefallen steht es ihm frei, einen anderen Zahnersatz auszuwählen, welcher sodann in der Software dargestellt wird. Die ermittelten Daten der gewünschten Zahnform werden an den Hersteller des Zahnersatzes übergeben. Dieser kann für die Herstellung nur auf die Daten der digitalen Fotografie zurückgreifen, um ein dreidimensionales Modell für ein CAD/CAM-System zu erhalten.
  31. An diesem vorbekannten Stand der Technik kritisiert das Klagepatent, dass die Umsetzung in ein 3D-Modell nur ungenau erfolgen kann und stets eine Fotografie für die Herstellung des Zahnersatzes erforderlich ist (vgl. Abs. [0006]).
  32. Das Klagepatent formuliert es daher als Aufgabe (technisches Problem), ein Verfahren zur Herstellung eines Zahnersatzes bereitzustellen, das die bekannten Nachteile überwindet und eine optimale Anpassung des Zahnersatzes an die Wünsche des Patienten zulässt (Abs. [0007]).
  33. Es schlägt zur Lösung dieser Aufgabe daher ein Verfahren mit den folgenden Merkmalen vor:
  34. 1. Verfahren zur Herstellung eines Zahnersatzes, aufweisend die folgenden Schritte:
    2. Erstellen einer Abbildung (1) des Gesichts (2) des Patienten in einer Frontansicht, wobei der Mund des Patienten geöffnet ist und die zu ersetzende Zahnleiste (3) des Patienten sichtbar ist,
    3. Überblenden der Zähne (3) des Patienten in der Abbildung (1) des Gesichts (2) des Patienten durch die digitale Fotografie einer ausgewählten Zahnleiste (8) mittels einer Bildbearbeitungssoftware,
    4. Anpassen der Größe und/oder Form der ausgewählten Zahnleiste (8) in der Fotografie an den Mund und/oder das Gesicht (2) des Patienten mittels der Bildbearbeitungssoftware,
    5. Übermittlung der durch die Anpassung erhaltenen Größe und/oder Form der ausgewählten Zahnleiste (8) an ein CAD/CAM System,
    6. Auswahl im CAD/CAM System einer dreidimensionalen Zahnleiste, die der ausgewählten Zahnleiste (8) entspricht,
    7. Anpassen der dreidimensionalen Zahnleiste im CAD/CAM System anhand der in der Fotografie ermittelten Größe und/oder Form der ausgewählten Zahnleiste (8),
    8. Ausfräsen des Zahnersatzes aus einem Materialblock anhand der im CAD/CAM System ermittelten Größe und/oder Form der angepassten dreidimensionalen Zahnleiste.
  35. II.
    Die Kammer vermag nicht festzustellen, dass die angegriffene Ausführungsform von der Lehre nach dem Klagepatent mittelbaren Gebrauch macht. Zwischen den Parteien steht zuletzt zu Recht nur die Verwirklichung der Merkmale 2 und 3 sowie 5 bis 7 durch die angegriffene Ausführungsform im Streit, so dass sich Ausführungen der Kammer zu den weiteren Merkmalen erübrigen. Ungeachtet der Verwirklichung der Merkmale 2 und 3 kann eine Benutzung der Merkmale 5 bis 7 durch die angegriffene Ausführungsform nicht festgestellt werden.
  36. 1.
    Das Klagepatent stellt in seinem Patentanspruch 1 ein Verfahren unter Schutz, welches in verschiedenen Verfahrensschritten die Herstellung eines Zahnersatzes beschreibt. Dabei soll zunächst eine Abbildung des Gesichts des Patienten und des zu ersetzenden Zahnersatzes erfolgen. In einem ersten Schritt werden mittels einer Bildbearbeitungssoftware dann die Zähne des Patienten in der Abbildung durch die digitale Fotografie einer ausgewählten Zahnleiste überblendet. Die überblendeten Zähne können dann weiter im Hinblick auf Größe und/oder Form bearbeitet werden. Die so bearbeitete digitale Fotografie der ausgewählten Zahnleiste wird in einem zweiten Schritt an ein CAD/CAM System übermittelt, in welchem dann eine dreidimensionale Zahnleiste ausgewählt wird, welche der zuvor ausgewählten Zahnleiste entspricht. Anschließend erfolgt im CAD/CAM System eine Anpassung der dreidimensionalen Zahnleiste anhand der in der Fotografie ermittelten Größe und/oder Form der ausgewählten Zahnleiste und als letzten Schritt ein Ausfräsen des Zahnersatzes anhand der im CAD/CAM System ermittelten Größe und/oder Form der angepassten dreidimensionalen Zahnleiste.
  37. Das Klagepatent verbindet daher die beiden aus dem Stand der Technik bekannten Verfahren, nämlich die Bearbeitung einer digitalen Fotografie (vgl. Abs. [0004]) und das Verfahren zur Herstellung einer Zahnprothese mittels des CAD/CAM Systems unter Verwendung einer Fotoaufnahme des gesunden Zustands des Gebisses (vgl. Abs. [0002]) zu einem einheitlichen Verfahren, ohne jedoch auf die Selbständigkeit der beiden Verfahren zu verzichten. Dementsprechend sieht der Patentanspruch 1 vor, zunächst mittels einer Bildbearbeitungssoftware die digitale Fotografie eines überblendeten Zahns zu bearbeiten und in einem nächsten Schritt das entsprechende Ergebnis an das CAD/CAM System zu übermitteln, in welchem dann weitere Bearbeitungsschritte, gegebenenfalls automatisch, erfolgen.
  38. Unter einem Überblenden von Zähnen (Merkmal 3) versteht das Klagepatent, dass mittels ein oder mehreren Zähnen oder einer kompletten Zahnreihe veranschaulicht werden soll, wie das Gesicht eines Patienten mit diesen neuen Zähnen anstatt der noch vorhandenen Zähne aussieht. Überblenden meint dabei, dass die Zahnleiste der digitalen Fotografie über die vorhandenen Zähne gelegt wird und nur noch die ausgewählte Zahnleiste in dem Bereich, in dem der Zahnersatz erfolgen soll, sichtbar ist. Eine digitale Fotografie im Sinne des Klagepatentes beinhaltet eine Fotografie, die der Bildbearbeitung zugänglich ist. Dabei sind vom Wortsinn des Begriffs der digitalen Fotografie – entgegen der Ansicht der Beklagten – nicht lediglich zweidimensionale digitale Fotografien umfasst, sondern auch – worauf es hier im Streitfall ankommt – dreidimensionale Fotografien. Denn dem Klagepatent kommt es lediglich darauf an, dass die im Anspruch genannte digitale Fotografie der Bildbearbeitung zugänglich ist und für eine solche Bearbeitung kommt es nicht darauf an, ob die digitale Fotografie auf einem zwei- oder dreidimensionalen Datensatz beruht.
  39. Bereits dem Wortlaut lässt sich keine Beschränkung auf eine zweidimensionale Fotografie entnehmen, da insoweit nur von einer digitalen Fotografie die Rede ist. Die Formulierung lässt daher sowohl das Überblenden mittels einer zwei- wie auch einer dreidimensionalen Fotografie zu.
  40. Auch der Systematik des Anspruchs lässt sich ein einschränkendes Verständnis nicht entnehmen. Zwar ist in den Merkmalen 6 bis 8 von einer dreidimensionalen Zahnleiste die Rede. Die dortige Verwendung des Begriffs „dreidimensional“ führt indes nicht dahin, dass unter einer digitalen Fotografie nur eine zweidimensionale verstanden werden könnte. Denn zum einen bezieht das Klagepatent in den Merkmalen 6 bis 8 die Dreidimensionalität auf die Zahnleiste. Zum anderen wird in den genannten Merkmalen Bezug genommen auf das CAD/CAM System, ein rechnergestütztes Modell, bei welchem die Berechnung stets mittels dreidimensionaler Daten erfolgt.
  41. Ein der Ansicht der Beklagten entsprechendes Verständnis des Begriffs der digitalen Fotografie kann auch nicht dem Umstand entnommen werden, dass in dem im Merkmal 5 beschriebenen Verfahrensschritt eine „Übermittlung der durch die Anpassung erhaltenen Größe und/oder Form der ausgewählten Zahnleiste an ein CAD/CAM System“ erfolgt. Denn eine Übermittlung kann sowohl im Falle zweidimensionaler wie auch dreidimensionaler Daten erfolgen. Maßgeblich ist hier lediglich die Überführung in das rechnergestützte CAD/CAM System.
  42. Auch der Beschreibung der Erfindung lässt sich keine Beschränkung auf eine zweidimensionale digitale Fotografie entnehmen. So wird in Abs. [0013] der allgemeinen Beschreibung der Erfindung ausgeführt:
  43. „Die Abbildung des Gesichts des Patienten kann grundsätzlich mit jedem bildgebenden Verfahren hergestellt werden. Die Abbildung kann z.B. eine digitale zweidimensionale Fotografie sein, ein Film, eine Zeichnung und/oder eine dreidimensionale Fotografie, welche z.B. mit einem Gesichtsscanner erstellt werden kann.“
  44. In Abs. [0014] heißt es ferner:
  45. „Das Überblenden der Zähne des Patienten durch die Fotografie der ausgewählten Zahnleiste erfolgt mittels einer geeigneten und aus dem Stand der Technik bekannten herkömmlichen Bildbearbeitungssoftware. Die ausgewählte Zahnleiste wird erfindungsgemäß derart an den Mund bzw. das Gesicht des Patienten angepasst, dass die ausgewählte Zahnleiste optimal zum Mund bzw. Gesicht des Patienten passt.“
  46. Mit den genannten Textstellen macht das Klagepatent deutlich, dass es für die Art der digitalen Daten gerade nicht darauf ankommt, ob diese zwei- oder dreidimensionaler Natur sind. Die Abbildung des Gesichts des Patienten, die zwei- oder dreidimensional sein kann, kann vielmehr durch jegliche Fotografie mittels einer geeigneten Bildbearbeitungssoftware überblendet werden. Maßgeblich ist danach lediglich, dass die digitale Fotografie der Bildbearbeitung zugänglich ist.
  47. Entsprechendes kann auch dem Abs. [0024] entnommen werden, wo von einer Zahnbibliothek in elektronischer Form die Rede ist. Auch hier erfolgt keine Beschränkung auf irgendeine Form des Datensatzes.
  48. Auch die von der Beklagten angeführten Textstellen in den Abs. [0020], [0021] und [0029] führen zu keinem anderen Verständnis. Exemplarisch wird nachfolgend Abs. [0020] wiedergegeben:
  49. „Im CAD/CAM System ist in elektronischer Form das dreidimensionale Bild der ausgewählten Zahnleiste gespeichert bzw. enthalten. Dadurch ist es vorteilhaft möglich, die mit der Bildbearbeitungssoftware ermittelten Daten auf das dreidimensionale elektronische Modell im CAD/CAM System zu übertragen (…).“
  50. Denn mit der zitierten bzw. den genannten Textstellen wird lediglich deutlich gemacht, dass im CAD/CAM System die aus einer digitalen Fotografie ausgewählte Zahnleiste, mittels derer die Zähne des Patienten überblendet wurden, als dreidimensionales Bild im CAD/CAM System gespeichert ist. Damit geht indes keine Aussage über die Art der Daten der digitalen Fotografie einher. Anderes folgt auch nicht aus dem Umstand, dass eine Übertragung der mittels der Bildbearbeitungssoftware erhaltenen Daten auf das dreidimensionale elektronische Modell des CAD/CAM Systems erfolgt. Denn mit dieser Aussage wird lediglich deutlich gemacht, dass eine Überführung des bildgebenden Verfahrens in ein rechnergestütztes Modell erfolgt.
  51. Auch die gebotene technisch funktionale Betrachtung führt zu keiner anderen Sichtweise. Denn das Klagepatent hat es sich zur Aufgabe gemacht, die aus dem Stand der Technik bekannten nachteiligen Verfahren, welche entweder ein CAD/CAM System oder eine digitale Fotografie betrafen und vom Klagepatent als nachteilig erachtet werden, zu verbessern. Eine solche Verbesserung bedingt allerdings nicht die Überführung zweidimensionaler bildgebender Daten in das CAD/CAM System, in welchem dann eine dreidimensionale Zahnleiste ausgewählt wird, die der ausgewählten Zahnleiste entspricht. Maßgeblich ist vielmehr, dass die mittels einer Bildbearbeitungssoftware bearbeitete Zahnleiste in das dreidimensionale rechnergestützte CAD/CAM System überführt werden kann und dort eine dreidimensionale Zahnleiste vorhanden ist, die der ausgewählten Zahnleiste entspricht. Hierdurch werden die aus dem Stand der Technik bekannten und getrennten Systeme in ein einheitliches System überführt, wobei sowohl die digitale Fotografie wie auch die dreidimensionale Zahnleiste des CAD/CAM Systems der Bearbeitung zugänglich sind.
  52. Hinsichtlich des Anpassens der Größe und/oder Form der ausgewählten Zahnleiste der Fotografie an den Mund und/oder das Gesicht des Patienten mittels der Bildbearbeitungssoftware (Merkmal 4) trifft das Klagepatent zur Ausgestaltung der Bildbearbeitungssoftware keine Aussage. In Abs. [0014] ist lediglich von einer Bildbearbeitungssoftware die Rede, die geeignet und aus dem Stand der Technik bekannt ist.
  53. Soweit ferner eine Übermittlung der durch die Anpassung erhaltenen Größe und/oder Form der ausgewählten Zahnleiste an ein CAD/CAM System (Merkmal 5) vorgesehen ist, müssen die Informationen, die im vorangegangenen Verfahrensschritt mit der Bearbeitung durch die Bildbearbeitungssoftware erhalten wurden, an ein CAD/CAM System übermittelt werden. Dazu heißt es im Klagepatent in Abs. [0018]:
  54. „(…) Diese Daten werden erfindungsgemäß an das CAD/CAM System übermittelt. Bei dem CAD/CAM System handelt es sich um eine aus dem Stand der Technik bekannte Software zur computergestützten Konstruktion und Herstellung eines Zahnersatzes. Der Zahntechniker kann mit einem solchen CAD/CAM System die Größe und/oder Form der Zähne bzw. der Zahnleiste verändern.“
  55. In Abs. [0019] wird weiter ausgeführt:
  56. „So kann z.B. in der Bildbearbeitungssoftware die Breite jedes einzelnen Zahns festgelegt und gemessen werden. Die gemessene Breite kann in das CAD/CAM System eingegeben werden, so dass auch im CAD/CAM System die optimal angepasste Breite verwendet werden kann. Diese Prozedur kann für jeden Zahn durchgeführt werden, bis die ganze Zahnleiste komplett angepasst ist.“
  57. In Abs. [0051] ist vorgesehen, dass die Übertragung automatisch oder manuell erfolgen kann.
  58. Die Auswahl einer dreidimensionalen Zahnleiste im CAD/CAM System, die der ausgewählten Zahnleiste entspricht und das Anpassen der dreidimensionalen Zahnleiste im CAD/CAM System anhand der in der Fotografie ermittelten Größe und/oder Form der ausgewählten Zahnleiste, werden in den Merkmalen 6 und 7 beschrieben und im letzten Schritt – Merkmal 8 – das Ausfräsen des Zahnersatzes aus einem Materialblock.
  59. 2.
    Ausgehend von dem geschilderten Verständnis der Lehre nach dem Klagepatent vermag die Kammer nicht festzustellen, dass die angegriffene Software von der geschilderten Lehre Gebrauch macht.
  60. Insbesondere die Verwirklichung der Merkmale 5 bis 7 kann nicht festgestellt werden. Denn es ist nicht zu erkennen, dass bei der angegriffenen Ausführungsform eine Übermittlung der durch die Anpassung erhaltenen Größe und/oder Form der ausgewählten Zahnleiste an ein CAD/CAM System erfolgt.
  61. Bei der angegriffenen Ausführungsform wird zunächst die Fotografie der Zahnleiste des Patienten, welche entweder hochgeladen oder mithilfe einer Webcam aufgenommen werden kann, automatisch in 3D-Objekte konvertiert, die mit den 3D-Scans der Zähne des Patienten zusammengeführt werden können (vgl. Anlage K 5). Diese dreidimensionalen Darstellungen von Zahnreihen können dann mittels 2D-Tools bearbeitet werden, wobei die Bearbeitung mittels dreidimensionaler Mesh-Abbildungen einer Zahnleiste erfolgt. Das Mesh-Abbild beschreibt eine dreidimensionale Form als Gitternetz, welches aus einer Liste von Dreiecken im dreidimensionalen Raum gebildet wird, deren Eckpunkte über X/Y/Z-Werte definiert sind. Dabei sehen die auswählbaren Zahnleisten aus wie natürliche Zähne mit einer einheitlichen, zahnfarbenen Oberfläche und vermitteln bei Frontalansicht einen flächigen, zweidimensionalen Eindruck, auch wenn ihnen ein dreidimensionales Mesh zugrundeliegt. Die jeweiligen Veränderungen im Zuge der Bearbeitung können dann aus verschiedenen Blickwinkeln in Echtzeit beobachtet werden (vgl. Anlage K 5).
  62. Es ist bei dem so beschriebenen Verfahren nicht zu erkennen, dass eine Übermittlung der mittels einer bearbeiteten digitalen Fotografie überblendeten Zahnleiste an ein CAD/CAM System erfolgt. Nach den Ausführungen der Beklagten bedarf es keiner Übermittlung der dreidimensionalen Darstellung der Zahnleiste an ein CAD/CAM System, da es sich während der ganzen Bearbeitung der Zahnleiste um einen einheitlichen dreidimensionalen Datensatz, der in einer CAD Software bearbeitet wird, handelt. Es handelt sich nach dem Vortrag der Beklagten insoweit um eine komplexe CAD Software, bei welchem die dreidimensionalen Daten mittels 2D-Tools bearbeitet werden können, mithin um ein einheitliches System und nicht, wie es das Klagepatent vorsieht, um ein zweistufiges System. Dementsprechend erfolgt auch keine Anpassung der dreidimensionalen Zahnleiste im CAD/CAM System anhand der in der Fotografie ermittelten Größe und/oder Form der ausgewählten Zahnleiste, da es sich um die identische Zahnleiste handelt, die bereits bearbeitet wurde.
  63. Soweit die Klägerin diesbezüglich vorgetragen hat, dass eine Überführung der digitalen Bilddaten in ein rechnergestütztes CAD/CAM Modell erfolge, vermag die Kammer dies nicht festzustellen. Den vorgelegten Unterlagen kann dies nicht entnommen werden. Auch den von den Parteien überreichten bzw. in den Schriftsätzen wiedergegebenen Ablichtungen von Bildsequenzen kann nicht entnommen werden, dass eine Übermittlung der digitalen dreidimensionalen Daten an ein CAD/CAM System erfolgt. Eine Übermittlung von Daten kann nicht festgestellt werden.
  64. III.
    Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
  65. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
  66. Der Streitwert wird auf 250.000,- EUR festgesetzt.

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