Düsseldorfer Entscheidungen Nr. 3081
Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 10. November 2020, Az. 4c O 35/19
- I. Die Beklagte wird verurteilt,
- 1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- € – ersatzweise Ordnungshaft oder eine Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an ihren jeweiligen Geschäftsführern zu vollziehen ist, zu unterlassen,
- eine gekühlte Reinigungsvorrichtung beinhaltend: ein Rohr aufweisend eine einem Rohrinnenraum zugewandte innere Oberfläche und eine der äußeren Umgebung des Rohres zugewandte äußere Oberfläche, wobei im Rohrinnenraum ein entzündbares Material und ein Sprengzünder vorgesehen sind; und ein Verteilungselement für ein fluides Medium, wobei das fluide Medium eingerichtet ist, das entzündbare Material zu kühlen, wobei das Verteilungselement auf das Rohr aufsteckbar ist, wobei das Verteilungselement eingerichtet ist, um das fluide Medium entlang zumindest eines Teils der äußeren Oberfläche des Rohrs zu leiten, wobei das entzündbare Material eine Sprengschnur ist, und wobei das Rohr durch eine Sprengung zerstörbar ist; wobei das Rohr einen Durchmesser in einem Bereich von 2 cm bis 5 cm hat; wobei das Rohr in der Nähe von Ablagerungen und/oder Verschmutzungen auf Leitungsrohren von Wärmetauscheranlagen oder Brennkammern positionierbar ist; wobei das Rohr eingerichtet ist, dass durch die Sprengung die Bruchteile des Rohres gegen die Leitungsrohre schlagen und dadurch Ablagerungen und/oder Verschmutzungen entfernt werden; wobei das Rohr kein Innenrohr eines als Doppelrohr mit Kühlkopf, Innenkühlmantel und Versorgungskopf ausgebildeten Kühlbehälters ist,
- in der Bundesrepublik Deutschland herzustellen, zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken zu besitzen;
- 2. der Klägerin sowie Herrn A unter Vorlage eines einheitlichen, geordneten Verzeichnisses schriftlich vollständig darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang die Beklagte die zu Ziffer 1. bezeichneten Handlungen seit dem 20. August XXX0 begangen hat, und zwar unter Angabe
- a) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
b) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die diese Erzeugnisse bestimmt waren,
c) der Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden, - wobei
- – die Aufstellung der Daten zusätzlich in einer mittels EDV auswertbaren, elektronischen Form zu übermitteln ist; und
– zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen; - 3. der Klägerin sowie Herrn A unter Vorlage eines einheitlichen, geordneten Verzeichnisses schriftlich vollständig darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagte die zu Ziffer 1. bezeichneten Handlungen seit dem 20. August XXX0 begangen hat, und zwar unter Angabe:
- a) der Herstellungsmengen und –zeiten,
b) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, im Falle von Internetwerbung der Domain, den Zugriffszahlen und der Schaltungszeiträume, und bei direkter Werbung, wie Rundbriefen, den Namen und Anschriften der Empfänger,
d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns, - wobei
- – die Aufstellung mit den Daten der Rechnungslegung zusätzlich in einer mittels EDV auswertbaren, elektronischen Form zu übermitteln ist.
- II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sowie Herrn A allen Schaden zu ersetzen, der ihnen durch die seit dem 20. August XXX0 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
- III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
- IV. Die Kosten des Rechtstreits trägt die Beklagte zu 90 %, im Übrigen die Klägerin.
- V. Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung hinsichtlich des Tenors zu Ziffer I.1. in Höhe von 175.000,- €, hinsichtlich der Tenors zu Ziffer I.2. und 3. in Höhe von insgesamt 75.000,- € und hinsichtlich der Kosten (Tenor zu IV.) in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar; für die Beklagten ist das Urteil wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. Die Sicherheit kann auch durch eine unwiderrufliche, unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Europäischen Union als Zoll- oder Steuerbürgin anerkannten Bank oder Sparkasse erbracht werden.
- Tatbestand
- Die Klägerin nimmt mit der vorliegenden Klage wegen Verletzung des Gebrauchsmusters DE 20 2XXX XXX 755 U1 (Anlage VP 1, nachfolgend Klagegebrauchsmuster) die Beklagte in Anspruch.
- Die Klägerin ist zusammen mit Herrn A eingetragene Inhaberin des Klagegebrauchsmusters, welches eine Abzweigung der DE 10 2XXX XXX 421 A1 ist, die am 17. Februar 2XXX angemeldet wurde. Die Abzweigung wurde am 4. Juni 2019 unter Inanspruchnahme der inneren Priorität der DE 10 2015 XXX 867.3 vom 30. Dezember 2015 beantragt. Die Eintragung des Klagegebrauchsmusters erfolgte am 17. Juni 2019 und die Bekanntmachung der Eintragung im Patentblatt am 25. Juli 2019.
- Das Klagegebrauchsmuster betrifft eine gekühlte Reinigungsvorrichtung. Der eingetragene Schutzanspruch 1 hat folgenden Wortlaut:
- „Gekühlte Reinigungsvorrichtung (100) beinhaltend: ein Rohr (108) aufweisend eine einem Rohrinnenraum (109) zugewandte innere Oberfläche (113) und eine der äußeren Umgebung des Rohres (108) zugewandte äußere Oberfläche (112), wobei im Rohrinnenraum (109) ein entzündbares Material (110) und ein Sprengzünder (111) vorgesehen sind; und ein Verteilungselement (106) für ein fluides Medium, wobei das fluide Medium eingerichtet ist, das entzündbare Material (110) zu kühlen, wobei das Verteilungselement (106) auf das Rohr (108) aufsteckbar ist, wobei das Verteilungselement (106) eingerichtet ist, um das fluide Medium entlang zumindest eines Teils der äußeren Oberfläche (112) des Rohrs (108) zu leiten, wobei das entzündbare Material (110) ein gelatinöser Sprengstoff oder eine Sprengschnur ist, und wobei das Rohr (108) durch eine Sprengung zerstörbar ist.“
- Geltend gemacht wird der Schutzanspruch 1 von der Klägerin zuletzt mit nachfolgendem Wortlaut:
- „Gekühlte Reinigungsvorrichtung (100) beinhaltend: ein Rohr (108) aufweisend eine einem Rohrinnenraum (109) zugewandte innere Oberfläche (113) und eine der äußeren Umgebung des Rohres (108) zugewandte äußere Oberfläche (112), wobei im Rohrinnenraum (109) ein entzündbares Material (110) und ein Sprengzünder (111) vorgesehen sind; und ein Verteilungselement (106) für ein fluides Medium, wobei das fluide Medium eingerichtet ist, das entzündbare Material (110) zu kühlen, wobei das Verteilungselement (106) auf das Rohr (108) aufsteckbar ist, wobei das Verteilungselement (106) eingerichtet ist, um das fluide Medium entlang zumindest eines Teils der äußeren Oberfläche (112) des Rohrs (108) zu leiten, wobei das entzündbare Material (110) eine Sprengschnur ist, und wobei das Rohr (108) durch eine Sprengung zerstörbar ist; wobei das Rohr einen Durchmesser in einem Bereich von 2 cm bis 5 cm hat; wobei das Rohr in der Nähe von Ablagerungen und/oder Verschmutzungen auf Leitungsrohren von Wärmetauscheranlagen oder Brennkammern positionierbar ist; wobei das Rohr eingerichtet ist, dass durch die Sprengung die Bruchteile des Rohres gegen die Leitungsrohre schlagen und dadurch Ablagerungen und/oder Verschmutzungen entfernt werden; wobei das Rohr kein Innenrohr eines als Doppelrohr mit Kühlkopf, Innenkühlmantel und Versorgungskopf ausgebildeten Kühlbehälters ist.“
- Nachfolgend verkleinert wiedergegeben sind die Figuren 1a und 1b der Klagegebrauchsmusterschrift, welche eine beispielhafte Ausbildung der Erfindung zeigt.
- Gegen die Schutzfähigkeit des Klagegebrauchsmusters beantragte die Beklagte mit Schreiben vom 10. Oktober 2019 die Löschung beim Deutschen Patent- und Markenamt, über die noch nicht entschieden ist.
- Die Klägerin, welche die Muttergesellschaft der Klägerin aus den Parallelverfahren 4c O 7/18 und 4c O 41/18 ist, ist ein Unternehmen, welches im Bereich der Reinigung von Industrieanlagen tätig ist.
- Die Beklagte ist ein deutsches Unternehmen und wurde am 21. August 2017 gegründet. Gegenstand des Unternehmens sind Industriereinigungsleistungen und Gerüstbau. Die Beklagte stellt her und benutzt Vorrichtungen zum Reinigen von Industrieanlagen. Auf der Internetseite der Beklagten – XXX – (Anlage VP 5) bietet sie Sprengreinigungen an. Auf ihrer Internetseite verweist die Beklagte auf ein Youtube-Video mit dem Titel „XXX“. In einer Sprenganzeige der Beklagten gegenüber dem Landkreis B vom 14. November 2018 (Anlage VP 7) heißt es in Ziffer 3.1:
- „XXX“
- Unter Ziffer 6 der Anlage zur Sprenganzeige heißt es weiter, dass Lademengen von bis zu zwei Metern Sprengschnur C verwendet würden.
- Die Beklagte verwendet – nach ihrem Vorbringen in der mündlichen Verhandlung vom 24. September XXXX – für Sprengreinigungen unter anderem Aluminiumrohre, in welchen sich eine Sprengschnur befindet und über welche in einem oberen Bereich ein Papprohr gestülpt ist.
- Die Klägerin ist der Ansicht, dass von der Lehre nach dem Klagegebrauchsmuster wortsinngemäß durch die Beklagte Gebrauch gemacht werde. Zunächst sei die Verletzung unstreitig gewesen. Nach dem zuletzt erfolgten Bestreiten der Beklagten hinsichtlich der Ausgestaltung der angegriffenen Ausführungsform könne allerdings auch eine Benutzung festgestellt werden. Soweit die Beklagte ein Papprohr verwende, welches das Aluminiumrohr teilweise umgebe, handele es sich hierbei nicht um einen Behälter, zu welchem das Klagegebrauchsmuster eine Abgrenzung vornehme, da ein Behälter dazu diene, seinen Inhalt von der Umgebung zu trennen, was bei dem Papprohr nicht der Fall sei. Das Kühlmedium fließe durch das Papprohr hindurch und gelange unkontrolliert in die thermische Anlage, was die EP 1 725 XXX A1 (nachfolgend D2), welche einen Behälter offenbare und von welcher sich das Klagegebrauchsmuster abgrenze, gerade verhindern wolle.
- Das Klagegebrauchsmuster sei auch schutzfähig.
- Die Klägerin beantragt,
- zu erkennen wie geschehen, allerdings ursprünglich ab dem Zeitpunkt einen Monat nach Eintragung des Klagegebrauchsmusters und zusätzlich im Hinblick auf eine Vernichtung.
- Die Beklagte beantragt,
- die Klage abzuweisen,
- hilfsweise im Falle der Verurteilung zur Rechnungslegung der Beklagten nach ihrer Wahl vorzubehalten, die Namen und Anschriften ihrer Abnehmer und Angebotsempfänger statt der Klägerin nur einem von dieser zu bezeichnenden, zur Verschwiegenheit gegenüber der Klägerin verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt, der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Rechnungslegung enthalten ist;
- sowie den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Erledigung des gegen das deutsche Gebrauchsmuster DE 20 2XXX XXX 755.0 erhobenen Löschungsantrags auszusetzen.
- Die Beklagte ist der Ansicht, dass eine Verletzung des Klagegebrauchsmusters nicht vorliege, da die angegriffene Ausführungsform als Doppelrohr ausgebildet sei und durch die Verwendung der Papprolle ein Kühlbehälter vorliege. Da die angegriffene Ausführungsform somit über einen Behälter verfüge, falle sie unter die Negativabgrenzung gemäß dem Disclaimer des Klagegebrauchsmusters.
Ferner sei ihr ursprünglich die Benutzung der Lehre nach dem Klagegebrauchsmuster durch den Mitinhaber A gestattet worden. Dieser habe eine entsprechende Gestattung am 17. Januar 2019 eingeräumt. Eine solche mag zwar mit Schreiben vom 19. August XXXX gekündigt worden sein. Insofern sei der Beklagten jedoch eine angemessene Umstellungsfrist einzuräumen.
Ferner sei der Rechtstreit auszusetzen, da Zweifel an der Schutzfähigkeit des Klagegebrauchsmusters bestünden. - Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie auf die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.
- Entscheidungsgründe
- Die Klage ist zulässig und überwiegend begründet. Da die Beklagte im Hinblick auf die streitbefangene Ausführungsform von der Lehre der Klageschutzrechte Gebrauch macht, stehen der Klägerin die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Rechnungslegung sowie auf Feststellung einer Schadensersatzpflicht dem Grunde nach gem. §§ 24, 24a, 24b GebrMG i. V. m. §§ 242, 259 BGB zu.
- Die Beklagte war deshalb im Wesentlichen antragsgemäß zu verurteilen, eine Aussetzung des Verfahrens wegen Vorgreiflichkeit des Nichtigkeitsverfahrens gem. § 148 ZPO bzw. wegen des laufenden Löschungsverfahrens gem. § 19 GebrMG kam nicht in Betracht.
-
I.
Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Zweifel an einer solchen vermochte die Beklagte nicht zu begründen. Insoweit ist nicht zu erkennen, dass die Klägerin nicht ermächtigt sein soll, Ansprüche des Mitinhabers des Klagegebrauchsmusters geltend zu machen. Hinsichtlich der Ansprüche auf Unterlassung und Rückruf folgt die Aktivlegitimation aus der Eintragung der Klägerin im Register (BGH, GRUR 2013, 713 – Fräsverfahren). Bei einer Inhabergemeinschaft in Form einer Bruchteilsgemeinschaft ist jeder Inhaber befugt, die Ansprüche geltend zu machen (BGH, GRUR 2000, 1028 – Ballermann). Soweit die Ansprüche auf Auskunft, Rechnungslegung und Schadensersatz betroffen sind, kann jedenfalls eine Leistung an alle Teilhaber verlangt werden. -
II.
1.
Das Klagegebrauchsmuster betrifft eine gekühlte Reinigungsvorrichtung. - Das Klagegebrauchsmuster führt zum Stand der Technik in Abs. [0001]f. aus, dass sich in thermischen Anlagen, insbesondere in Wärmetauschern, Abhitzekesseln, Brennkammern, Reaktorkammern oder Dampferzeugern Materialrückstände an Rohrleitungen und/oder Wänden der Anlagen ablagern können, was zu einer Verminderung des Wirkungsgrades der Anlage führen kann. Um derartige Ablagerungen möglichst vollständig zu entfernen, können verschiedene Reinigungstechniken eingesetzt werden. Beispielsweise können die Reinigungstechniken Explosionsreinigungen, insbesondere Sprengreinigungen, beinhalten. Wird die Reinigung zu einem Zeitpunkt durchgeführt, an dem die Anlage noch eine erhöhte Temperatur von beispielsweise über 100°C oder über 200°C aufweist, so sind die zur Sprengreinigung vorgesehenen Vorrichtungen zu kühlen, um eine vorzeitige Detonation des Sprengmittels zu verhindern.
- Zur weiteren Erläuterung des Standes der Technik nimmt das Klagegebrauchsmuster Bezug auf die EP 1 275 XXX A1, welches ein Verfahren und eine Vorrichtung zur lokalen Zerstörung kompakter Materialien in heißen thermischen Anlagen offenbart (Klagegebrauchsmuster, Abs. [0003]). Das Verfahren zur lokalen Zerstörung kompakter Materialien, beispielsweise Schlackenansätzen, Mauerwerkresten etc. in heißen thermischen Anlagen wie beispielsweise Wärmetauschern, Industrieöfen, Feuerungsanlagen, metallurgischen Schmelzgefäßen, erfolgt mit Hilfe eines Sprengmittels. Nachfolgend wiedergegeben wird die Figur 1 der EP 1 275 XXX A1.
- Das Sprengmittel ist am vorderen Ende einer Lanze in einem kühlmitteldurchflossenen Kühlbehälter angeordnet und ist durch Halten und Bewegen des hinteren Endes der Lanze durch eine Öffnung der heißen thermischen Anlage in unmittelbare Nähe des zu zerstörenden Materials gebracht und wird mittels einer Zündeinrichtung zu einem frei wählbaren Zeitpunkt gezündet. Das Kühlmittel strömt in den als Doppelrohr mit Kühlkopf und Versorgungskopf ausgebildeten Kühlbehälter über die Lanze in den Versorgungskopf ein, wird durch das Innenrohr bzw. den Innenkühlmantel bis zum vorderen Ende des Kühlkopfes geführt und strömt dabei an dem das Sprengmittel enthaltenden Sprengmittelbehälter vorbei. Dann wird das Kühlmittel zwischen dem Innenkühlmantel und dem das Außenrohr formenden Kühlkopfgehäuse wieder zurück zum Versorgungskopf und von diesem aus der heißen thermischen Anlage heraus gefördert.
- Das Klagegebrauchsmuster nimmt ferner Bezug auf die EP 1 544 XXX B1, welche eine Vorrichtung zur Reinigung von Verschmutzungen in Wärmetauschern, Abhitzekesseln und Brennkammern offenbart. Die Vorrichtung, welche nachfolgend wiedergegeben ist,
- umfasst ein erstes Rohr und ein daran angelenktes zweites Rohr, welche über eine große Länge bei gleichzeitig relativ geringem Durchmesser verfügen, wobei innerhalb des zweiten Rohrs ein entzündbares Gasgemisch und/oder ein Sprengkörper, insbesondere eine Sprengschnur und ein Zünder ausgebildet sind, welcher die Sprengung bei Auslösung initiiert und über eine Zündleitung mit einem Zündauslösemechanismus verbunden ist, und das zweite Rohr nach der Sprengung zerstört ist. Die Kühlung erfolgt dadurch, dass ein Wasser/Luft-Gemisch durch das die Sprengschnur beinhaltende Rohr geleitet wird und am Ende des Rohres austritt.
- Das Klagegebrauchsmuster schildert im Anschluss hieran, dass trotz der zahlreichen aus dem Stand der Technik bekannten Vorrichtungen zur Sprengreinigung von thermischen Anlagen diese Verbesserungspotential aufweisen. So sei ein steigendes Bedürfnis nach Vorrichtungen vorhanden, welche eine Reinigung auch bei einer erhöhten Temperatur innerhalb der Anlage ermöglichen.
- Vor diesem Hintergrund formuliert es das Klagegebrauchsmuster als technische Aufgabe (Abs. [0007]) eine Reinigungsvorrichtung zu entwickeln, welche die Probleme bekannter Anlagen weitgehend vermeidet. Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Klagegebrauchsmuster in der im vorliegenden Rechtsstreit geltend gemachten Fassung des Schutzanspruches 1 eine Vorrichtung mit folgenden Merkmalen vor:
- 1. Gekühlte Reinigungsvorrichtung (100) beinhaltend:
1.1 ein Rohr (108) und
1.2 ein Verteilungselement (106) für ein fluides Medium. - 2. Das Rohr (108)
2.1 weist einen Durchmesser in einem Bereich von 2 cm bis 5 cm auf,
2.2 weist eine einem Rohrinnenraum (109) zugewandte innere Oberfläche (113) und eine der äußeren Umgebung des Rohres (108) zugewandte äußere Oberfläche (112) auf,
2.3 ist in die Nähe von Ablagerungen und/oder Verschmutzungen auf Leitungsrohren von Wärmetauscheranlagen oder Brennkammern positionierbar,
2.4 ist durch eine Sprengung zerstörbar,
2.5 ist eingerichtet, dass durch die Sprengung die Bruchteile des Rohres gegen die Leitungsrohre schlagen und dadurch die Ablagerungen und/oder Verschmutzungen entfernt werden und
2.6 ist kein Innenohr eines als Doppelrohr mit Kühlkopf, Innenkühlmantel und Versorgungskopf ausgebildeten Kühlbehälters. - 3. Das Verteilungselement (106)
3.1 ist auf das Rohr (108) aufsteckbar, und
3.2 eingerichtet, um das fluide Medium entlang zumindest eines Teils der äußeren Oberfläche (112) des Rohrs (108) zu leiten. - 4. Im Rohrinnenraum (109) sind
4.1 ein entzündbares Material (110), bei welchem es sich um eine Sprengschnur handelt und
4.2 ein Sprengzünder (111) vorgesehen. - 5. Das fluide Medium ist eingerichtet das entzündbare Material (110) zu kühlen.
-
2.
Die angegriffene Ausführungsform macht auch nach der beschränkten Geltendmachung des Schutzanspruchs 1 des Klagegebrauchsmusters von dessen Lehre wortsinngemäßen Gebrauch. Entgegen der Ansicht der Beklagten wird auch das Merkmal 2.6 durch die angegriffene Ausführungsform verwirklicht. - Merkmal 2.6 sieht vor, dass das Rohr (108) kein Innenrohr eines als Doppelrohr mit Kühlkopf, Innenkühlmantel und Versorgungskopf ausgebildeten Kühlbehälters aufweist. Unter einem Kühlbehälter bzw. Behälter ist nach dem allgemeinen Sprachgebrauch eine Vorrichtung zu verstehen, die zum Aufbewahren beliebiger Gegenstände oder Flüssigkeiten dient. Dabei setzt der Begriff des Behälters nicht voraus, dass eine irreversible Aufbewahrung erfolgen muss, sondern vielmehr eine dem Zweck des Behälters entsprechende Aufbewahrung.
- Von einem entsprechenden Verständnis geht auch das Klagegebrauchsmuster aus, wie zunächst aus der Bezugnahme auf die EP 1 275 XXX A1 (D2) gefolgert werden kann. Hier wird beschrieben, dass das Kühlmittel in den als Doppelrohr mit Kühlkopf und Versorgungskopf ausgebildeten Kühlbehälter strömt. Entsprechend zeigt die D2 in Figur 1 einen Kühlbehälter mit der Bezugsziffer 1, der das Kühlmittel aufnimmt und einer gleichmäßigen Umströmung des im Innenrohr befindlichen Sprengmittels dient. Dabei setzt der Stand der Technik auch keine dauerhafte Aufnahme des Kühlmittels voraus, wie dem Abs. [0024] entnommen werden kann, der beschreibt, dass das als Verschlusskörper des Kühlbehälters 1 dienende Kühlkopfgehäuse 23 aus einem schlauchförmigen flexiblen Material bestehen kann, das an seinem vorderen Ende mit einem Verschlussmittel, beispielsweise einer Rödeldrahtzwirbel zugebunden und mit seinem hinteren Ende auf dem Versorgungsgehäuse 13 aufgeschoben und dort gleichfalls mit einer Rödeldrahtzwirbel 21 fixiert ist. Alternativ wird beschrieben, dass als Kühlkopfgehäuse auch ein Blechgefäß vorgesehen sein kann. Ein aus dem Stand der Technik bekanntes Kühlbehältnis, von welchem das Klagegebrauchsmuster ausgeht und sich von diesem im Merkmal 2.6 abgrenzt, kann daher an seinem verschlossenen Ende sowohl flexibel als auch starr ausgebildet sein. Jedenfalls soll mit dem Kühlbehältnis erzielt werden, dass das Sprengmittel insgesamt gekühlt werden kann und ein Austreten von Kühlmittel verhindert wird (vgl. Abs. [0006] und [0007] der D2). Gleiches will das Klagegebrauchsmuster indes nicht erzielen, wenn gerade ausgeschlossen sein soll, dass das Rohr als Doppelrohr mit Kühlbehälter ausgebildet ist. Nach dem Klagegebrauchsmuster genügt es vielmehr, wenn die Reinigungsvorrichtung ein Verteilungselement für ein fluides Medium aufweist, welches das entzündbare Material kühlen soll. Ein Austreten des Kühlmittels soll gerade nicht verhindert werden.
- Eine entsprechende Aufbewahrung stellt das bei der angegriffenen Ausführungsform nach dem Vortrag der Beklagten vorhandene Papprohr nicht dar. Denn dieses dient gerade nicht der Aufbewahrung des Kühlmittels, sondern bewirkt über seine Länge eine Strömungsführung des Kühlmittels und nicht eine Aufbewahrung. Insofern kann nicht festgestellt werden, dass die angegriffene Ausführungsform eine Ausgestaltung aufweist, die Merkmal 2.6 gerade ausschließt.
- 3.
Soweit die Beklagte ursprünglich geltend gemacht hat, dass ihr – mit Blick auf ihr Vorbringen im Parallelverfahren 4c O 7/18 – ein privates Vorbenutzungsrecht zustehe, kann entsprechendes nicht festgestellt werden. - Ob ein solches besteht, ist im Parallelverfahren derzeit Gegenstand einer Beweisaufnahme. Die Beklagte verkennt indes, dass sich die angegriffene Ausführungsform des vorliegenden Rechtsstreits von derjenigen des Verfahrens 4c O 7/18 unterscheidet. Insoweit hätte es der Beklagten oblegen darzutun, dass sie die angegriffene Ausführungsform, wie sie Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist, vor dem 30. Dezember 2015 in Benutzung hatte. Dies hat sie nicht getan. Zuletzt hat sie diesen Einwand auch nicht mehr vertieft.
- III.
Die Kammer ist vorliegend auch mit einer für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit von der Schutzfähigkeit des Klagegebrauchsmusters überzeugt. - Die Schutzfähigkeit eines Gebrauchsmusters setzt gem. § 1 Abs. 1 GebrMG voraus, dass die Erfindung neu ist und auf einem erfinderischen Schritt beruht.
- Vorliegend sind keine Tatsachen erkennbar, auf deren Grundlage eine unzulässige Erweiterung, die Neuheit des Erfindungsgegenstandes des Klagegebrauchsmusters unter den Gesichtspunkten einer neuheitsschädlichen Vorveröffentlichung oder einer offenkundigen Vorbenutzung zweifelhaft erscheint. Auch bestehen keine begründeten Zweifel daran, dass in der Lehre des Klagegebrauchsmusters ein erfinderischer Schritt zum Ausdruck kommt. Überdies kann eine unzulässige Erweiterung nicht festgestellt werden.
- 1.
Schutzanspruch 1, in der zuletzt von der Klägerin geltend gemachten Fassung, ist nicht unzulässig erweitert. - Eine unzulässige Erweiterung nach § 15 Abs. 1 Nr. 3 GebrMG liegt vor, wenn der Gegenstand des Anspruchs über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht. Zur Feststellung einer unzulässigen Erweiterung ist der zur Prüfung gestellte Anspruch mit dem Inhalt der ursprünglichen Unterlagen zu vergleichen. Maßgebend ist, ob die ursprüngliche Offenbarung für den Fachmann erkennen ließ, dass der geänderte Anspruch von vornherein von dem Schutzbegehren mitumfasst werden sollte.
- a)
Insoweit macht die Beklagte zunächst geltend, dass eine unzulässige Erweiterung im Hinblick auf das Merkmal 2.3, welches besagt, dass in die Nähe von Ablagerungen und/oder Verschmutzungen auf Leitungsrohren von Wärmetauscheranlagen oder Brennkammern das Rohr positionierbar ist, vorliege. Dabei meint die Beklagte, dass das Teilmerkmal „Nähe von Leitungsrohren“ nicht offenbart sei. - Dies kann nicht festgestellt werden. Denn die Beklagte übersieht, dass das von ihr als unzulässig erweitert gerügte Teilmerkmal nicht in der von ihr gewählten Formulierung Gegenstand des Schutzanspruches 1 ist. Vielmehr ist das Rohr in die Nähe von Ablagerungen von Leitungsrohren zu positionieren, was ausdrücklich in Abs. [0025] und [0009] offenbart ist. Abs. [0025] sieht vor, dass das Rohr in der Nähe von Ablagerungen positioniert wird und Abs. [0009], dass sich die Ablagerungen auf Rohren befinden können. Eine Kombination dieser beiden Absätze führt dann zu Merkmal 2.3.
- b)
Eine unzulässige Erweiterung kann auch nicht mit Blick auf den im Merkmal 2.6 vorgesehenen Disclaimer festgestellt werden. Denn nach der Rechtsprechung des BGH (GRUR 2017, 1105 – Phosphatidylcholin) darf der Anspruch nicht auf einen Gegenstand gerichtet sein, den die Anmeldeunterlagen in der ursprünglich eingereichten Fassung aus Sicht des Fachmanns als nicht zur Erfindung gehörend erkennen lassen. - Nach dieser Maßgabe hat die Einfügung des Merkmals 2.6 nicht zu einer unzulässigen Erweiterung geführt. Denn das Merkmal 2.6 ist in Abs. [0003] als Stand der Technik genannt und dieser bekannte Stand der Technik wird ferner in Abs. [0018] beschrieben und deutlich gemacht, dass sich die Lehre nach dem Klagegebrauchsmuster hiervon abgrenzen möchte. Dementsprechend ist das Merkmal 2.6 unmittelbar und eindeutig in den genannten Absätzen offenbart.
- 2.
Der Erfindungsgegenstand des Klagegebrauchsmusters ist überdies neu. - Gem. § 3 Abs. 1 Satz 1 GebrMG ist der Gegenstand eines Gebrauchsmusters neu, wenn er nicht zum Stand der Technik gehört, wobei gem. § 3 Abs. 1 Satz 2 GebrMG von dem Stand der Technik alle Kenntnisse erfasst sind, die vor dem für den Zeitrang maßgeblichen Tag durch schriftliche Beschreibung oder durch eine im Geltungsbereich dieses Gesetzes erfolgte Benutzung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sind.
- Die Beklagte macht im Zusammenhang mit der fehlenden Neuheit des Gegenstandes der Lehre nach dem Klagegebrauchsmuster geltend, dass die Erfindung durch die EP 1 275 XXX A1 (Anlage D6 zum Anlagenkonvolut VP 12, D2) neuheitsschädlich vorweggenommen werde.
- Dies vermag die Kammer indes nicht festzustellen. Denn die D2 offenbart gerade nicht das Merkmal 2.6, von welchem sich das Klagegebrauchsmuster abgrenzen möchte.
- Ob die als Anlage XXX vorgelegten Photographien den Gegenstand der Lehre nach dem Klagegebrauchsmuster unmittelbar und eindeutig offenbaren, ist nicht zu erkennen. So wird bereits kein Rohr offenbart und es kann den Photographien auch nicht entnommen werden, ob und gegebenenfalls auf welche Art und Weise eine Kühlung erfolgt.
- Auch eine offenkundige Vorbenutzung kann nicht festgestellt werden. Die Beklagte hat mit Blick auf den bei Klageerhebung ursprünglich geltend gemachten Schutzanspruch 1 Bezug genommen auf einen Artikel des Mitarbeitermagazins „Dialog“ aus dem Jahr 2000 (Anlage S&B 1, nachfolgend D5), in welchem unter dem Titel „Sprengung im Kessel“ ein Sprengreinigungsverfahren beschrieben wird. Dass das dort beschriebene Verfahren vom Gegenstand des nunmehr beanspruchten Schutzanspruchs 1 Gebrauch macht, hat die Beklagte nicht mehr vorgetragen. Im Übrigen offenbart die dort beschriebene Sprengreinigung keine Kühlung der äußeren Oberfläche des Rohres.
- Eine offenkundige Vorbenutzung lässt sich auch den Bildausschnitten eines Youtube-Videos aus dem Jahr 2014 mit dem Titel „XXX“ nicht entnehmen (Anlage S&B 4). In dem Video wird Sprengstoff gezeigt, der mit Klebeband umwickelt ist. Insofern werden kein Sprengrohr und ein Verteilungselement offenbart. Inwieweit eine Außenkühlung erfolgt, ist nicht unmittelbar und eindeutig offenbart.
- 3.
Auch begründete Zweifel an dem Vorliegen eines erfinderischen Schrittes bestehen vorliegend nicht. - Der erfinderische Schritt ist – ebenso wie die erfinderische Tätigkeit im Patentrecht – zu verneinen, wenn der Stand der Technik die erfindungsgemäße Lösung nahelegt (Goebel/ Engel, in: Benkard, PatG, Kommentar, § 1 GebrMG, Rn. 16b).
- Die Beklagte macht in ihrem Vorbringen zu dem Löschungsantrag geltend, dass das Klagegebrauchsmuster vor dem Hintergrund einer Kombination des EP 1 067 XXX A2 (D3) oder EP 1 544 XXX A2 (D4) mit dem Handbuch für Sprengtechnik (Seiten 344-351, D1) oder der EP 1 275 XXX A1 (D2) nicht erfinderisch sei.
- Gegen eine naheliegende Kombination hin zu der erfindungsgemäßen Lehre spricht, dass die Beklagte nicht vorgetragen hat, welchen Anlass der Fachmann zu einer etwaigen Kombination der genannten Dokumente gehabt haben soll. Um den Gegenstand einer Erfindung als nahegelegt anzusehen, ist jedoch zum einen erforderlich, dass der Fachmann mit seinen durch seine Ausbildung und berufliche Erfahrung erworbenen Kenntnissen und Fähigkeiten in der Lage gewesen ist, die erfindungsgemäße Lösung des technischen Problems aus dem Vorhandenen zu entwickeln. Zum anderen muss der Fachmann Grund gehabt haben, den Weg der Erfindung zu beschreiten. Dazu bedarf es in der Regel zusätzlicher, über die Erkennbarkeit des technischen Problems hinausreichender Anstöße, Anregungen, Hinweise oder sonstiger Anlässe (BGH, GRUR 2018, 716 – Kinderbett). Es muss im Stand der Technik mithin konkrete Anregungen gegeben haben, in Richtung des Klagegebrauchsmusters weiter zu denken.
- Weder die D3 noch die D4 geben dem Fachmann solche Anregungen. Vielmehr beschreiben beide Dokumente jeweils für sich betrachtet geschlossene Erfindungen. Insofern ist nicht zu erkennen, aus welchem Grund ein Fachmann ausgehend hiervon Lösungen suchen würde.
-
IV.
Da die angegriffene Ausführungsform das Klageschutzrecht verletzt, stehen der Klägerin die aus dem Tenor ersichtlichen Ansprüche gegen die Beklagte zu. - 1.
Die Beklagte ist gem. § 24 Abs. 1 Satz 1 GebrMG zur Unterlassung verpflichtet. - Eine Umstellungsfrist ist im Hinblick auf die erklärte Kündigung einer etwaigen Gestattung durch Herrn Steinberg vom 19. August XXXX nicht einzuräumen. Ungeachtet dessen, dass bereits nicht feststeht, ob der Beklagten die Benutzung des Klagegebrauchsmusters tatsächlich gestattet wurde, ist eine Beendigung mit sofortiger Wirkung zulässig und bedingt nicht die Einräumung einer Umstellungsfrist. Denn bei einer schlichten Benutzungserlaubnis ist die einmal erteilte Erlaubnis nachträglich mit Wirkung für die Zukunft frei widerruflich und für eine Umstellungsfrist ist insoweit keine rechtliche Grundlage zu erkennen.
Umstellungsfrist - 2.
Die Beklagte ist der Klägerin gem. §§ 24, 24b GebrMG, §§ 242, 259 BGB zur Auskunftserteilung und Rechnungslegung verpflichtet. - Die Klägerin ist auf die begehrten Angaben zur Bezifferung des ihr zustehenden Schadensersatzanspruchs angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt. Die Beklagte wird durch die verlangten Auskünfte auch nicht erkennbar unzumutbar belastet.
- Im Hinblick auf den Auskunftsanspruch nach § 24b GebrMG war der Beklagten kein Wirtschaftsprüfervorbehalt einzuräumen, da dieser nur für den Auskunftsanspruch als Hilfsanspruch in Betracht kommt und die dort beantragten Auskünfte der Klägerin nicht den von der Beklagten beantragten Wirtschaftsprüfervorbehalt betreffen.
- 3.
Ein Anspruch der Beklagten auf Schadensersatz ergibt sich aus § 24 Abs. 2 GebrMG. - Die Beklagte war als Fachunternehmen bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§ 276 BGB) gehalten, zu überprüfen, ob die angegriffene Ausführungsform Schutzrechte verletzt.
- Die genaue Schadenshöhe steht derzeit noch nicht fest. Da es jedoch ausreichend wahrscheinlich ist, dass der Klägerin durch die rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten ein Schaden entstanden ist und dieser von der Klägerin noch nicht beziffert werden kann, weil sie ohne eigenes Verschulden in Unkenntnis über den Umfang der Benutzungs- und Verletzungshandlungen ist, ist ein rechtliches Interesse der Klägerin an einer Feststellung der Schadenersatzverpflichtung dem Grunde nach anzuerkennen, § 256 ZPO.
- 4.
Unbegründet ist der geltend gemachte Vernichtungsanspruch aus § 24a Abs. 1 Satz 1 GebrMG. Denn dieser setzt voraus, dass der Beklagte schutzrechtsverletzende Gegenstände im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (noch) in seinem Besitz oder Eigentum hat. Entsprechendes kann nicht festgestellt werden, da die Beklagte nach ihrem unwidersprochenen Vorbringen die Sprengreinigungsvorrichtungen erst vor Ort herstellt und die Sprengung diese zerstört. - V.
Von einer Aussetzung des Verfahrens war abzusehen. - Das Gericht hat von einer Aussetzung wegen des laufenden gebrauchsmusterrechtlichen Löschungsverfahrens abgesehen, § 19 GebrMG.
- Gem. § 19 Satz 1 GebrMG kann das Gericht das ein Gebrauchsmuster betreffende Verletzungsverfahren bei Anhängigkeit eines Löschungsverfahrens bei Zweifeln hinsichtlich der Schutzfähigkeit aussetzen. Dabei muss der wahrscheinliche Erfolg des Löschungsantrags nicht dargetan sein, vielmehr genügt es, wenn Zweifel im Hinblick auf die Schutzfähigkeit bestehen (OLG München, GRUR 1957, 272 (273) – Kufenstühle). Dabei ist die Aussetzung geboten, wenn die Möglichkeit der Löschung oder Teillöschung nicht fernliegt, was insbesondere dann gilt, wenn andernfalls eine Beweisaufnahme zur Schutzfähigkeit durchzuführen wäre (Rogge/ Engel, in: Benkard, PatG, Kommentar, 11. Auflage, 2015, § 19 GebrMG, Rn. 6). Gem. § 19 Abs. 2 GebrMG hat die Aussetzung zu erfolgen, wenn das Gericht die Gebrauchsmustereintragung für unwirksam hält.
- Orientiert an diesem Maßstab war eine Aussetzung wegen des gebrauchsmusterrechtlichen Löschungsverfahrens vorliegend nicht veranlasst, insbesondere bestehen nach den Ausführungen unter Ziff. III., auf die verwiesen wird, gerade keine begründeten Zweifel an der Schutzfähigkeit des Gebrauchsmusters.
- Die nichtnachgelassenen Schriftsätze der Beklagten vom 2. Oktober XXXX und 9. November XXXX sind verspätet und bieten keinen Anlass für eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung. Der Schriftsatz der Klägerin vom 20. Oktober XXXX ist verspätet, soweit der Inhalt über den gewährten Schriftsatznachlass zum neuen Vortrag der Beklagten in der mündlichen Verhandlung zur Ausgestaltung der angegriffenen Ausführungsform hinausgeht.
- VI.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO. - Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 709, 108 ZPO.
- Der Streitwert wird auf 250.000,00 € festgesetzt.