Düsseldorfer Entscheidungen Nr. 3058
Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 3. September 2020, Az. 4b O 29/18
- I. Die Beklagte wird verurteilt,
- 1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlungen bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an den jeweiligen gesetzlichen Vertretern der Beklagten zu vollstrecken ist, zu unterlassen,
- a) eine Zusammensetzung auf Basis von Zirconiumoxid,
(1) die Ceroxid in einem Zr/Ce-Atomverhältnis > 1 umfasst,
(2) und außerdem Lanthanoxid,
(3) und ein Oxid eines Seltenerdmetalls, das von Cer und Lanthan verschieden ist, umfasst,
(4) einen Schwefelgehalt von weniger als 200 ppm, angegeben in Gewicht Sulfat (SO4), bezogen auf die gesamte Zusammensetzung, aufweist,
(5) nach 6 Stunden Calcinierung bei 1150°C eine spezifische Oberfläche von zwischen 10 m²/g und 15 m²/g aufweist,
(6) und nach 6 Stunden Calcinierung bei 1000°C eine spezifische Oberfläche von mindestens 40 m²/g aufweist,
im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen; - und/oder
b) Zusammensetzungen gemäß Ziffer I. 1. a), welche geeignet sind für katalytische Systeme, die Zusammensetzungen gemäß Ziffer I. 1. a) umfassen,
Dritten zur Benutzung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland anzubieten und/oder an solche zu liefern; - 2. der Klägerin unter Vorlage einer einheitlichen, chronologisch geordneten Aufstellung Auskunft zu erteilen und darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagte die zu I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 18. November 2015 – mit Ausnahme von Handlungen, die sich auf Zusammensetzungen gemäß Ziffer I. 1. a) beziehen, die im Zeitraum bis zum 31. Dezember 2019 an Unternehmen der A geliefert worden sind – begangen hat, und zwar unter Angabe:
a) der Menge der ausgelieferten (und gegebenenfalls erhaltenen oder bestellten) Erzeugnisse und Herstellungszeiten, der Namen und Anschriften der Hersteller (und gegebenenfalls Lieferanten und anderer Vorbesitzer, insbesondere Transport- und Lagerunternehmen), sowie der bezahlten Preise;
b) der einzelnen Lieferungen und Bestellungen, aufgeschlüsselt nach Liefer- und Bestellmengen, -zeiten und -preisen und der jeweiligen Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer einschließlich der Verkaufsstellen, für welche die Erzeugnisse bestimmt waren,
c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen und der jeweiligen Typenbezeichnungen, sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, im Falle von Werbung im Internet der Internetadresse, der Zugriffszahlen/Klickraten und der Dauer der jeweiligen Werbekampagne/Schaltungszeiträume,
e) bezüglich seit dem 18. Dezember 2015 begangener Handlungen ferner der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Kosten und des erzielten Gewinns,
wobei
– die Angaben zu c) und e) erst für die Zeit seit dem 18. Dezember 2015 zu machen sind,
– es der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer Angebotsempfänger und ihrer nicht gewerblichen Abnehmer statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern sie dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage darüber Auskunft zu erteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder ein bestimmter Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist,
– die Beklagte hinsichtlich der Angaben zu I. 2. a) und I. 2. b) Belege (Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine, gegebenenfalls in Kopie) vorzulegen hat, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen; - 3. die unter I. 1. a) bezeichneten, seit dem 18. November 2015 in Verkehr gebrachten Erzeugnisse – mit Ausnahme von Erzeugnissen, die im Zeitraum bis zum 31. Dezember 2019 an Unternehmen der A geliefert worden sind – gegenüber den gewerblichen Abnehmern unter Hinweis auf den gerichtlich [„Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 3. September 2020“] festgestellten, patentverletzenden Zustand der Sache und mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen und die erfolgreich zurückgerufenen Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen.
- II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte dazu verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der der Klägerin durch die zu I. 1. bezeichneten, seit dem 18. Dezember 2015 begangenen Handlungen – mit Ausnahme von Handlungen, die sich auf Zusammensetzungen gemäß Ziffer I. 1. a) beziehen, die im Zeitraum bis zum 31. Dezember 2019 an Unternehmen der A geliefert worden sind – entstanden ist und noch entstehen wird.
- III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
- IV. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 1/3 und die Beklagte zu 2/3.
- V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 500.000 EUR und für die Beklagte in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages, wobei für die teilweise Vollstreckung des Urteils folgende Teilsicherheiten festgesetzt werden:
Ziffer I. 1. und 3. des Tenors: 350.000,00 EUR
Ziffer I. 2. des Tenors: 100.000,00 EUR
Ziffer IV. des Tenors: 110 % des jeweils zu voll-
streckenden Betrages - Tatbestand
- Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents EP 1 527 XXX B1 (Klagepatent, vorgelegt als Anlage HL (E) 1, in deutscher Übersetzung als Anlage HL (E) 1a)) auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Vernichtung und Rückruf sowie Feststellung der Schadensersatzpflicht in Anspruch.
- Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des Klagepatents, das am 26. Juni 2003 unter Inanspruchnahme einer französischen Priorität vom 26. Juni 2002 angemeldet wurde. Der Hinweis auf die Erteilung des Klagepatents wurde am 18. November 2015 veröffentlicht. Gegen die Erteilung des Klagepatents wurde von der Beklagten Einspruch erhoben. Mit Entscheidung der Technischen Beschwerdekammer beim EPA vom 17. Januar 2020 (vorgelegt als Anlage HL (E) 37) wurde das Klagepatent eingeschränkt aufrechterhalten. Das Klagepatent steht in Kraft.
- Das in französischer Verfahrenssprache erteilte Klagepatent betrifft eine Zusammensetzung auf der Grundlage von Zirconiumoxid und Oxiden von Cer, Lanthan sowie einer anderen seltenen Erde, ein Verfahren zur Herstellung derselben und Verwendung derselben als Katalysator. Die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche 1 und 16 lauten in der vom EPA aufrechterhaltenen Fassung wie folgt:
- 1. Zusammensetzung auf Basis von Zirconiumoxid, die Ceroxid in einem Zr/Ce-Atomverhältnis > 1 umfasst und außerdem Lanthanoxid und ein Oxid eines Seltenerdmetalls, das von Cer und Lanthan verschieden ist, umfasst, dadurch gekennzeichnet, dass sie einen Schwefelgehalt von weniger als 200 ppm, angegeben in Gewicht Sulfat (SO4), bezogen auf die gesamte Zusammensetzung, aufweist und nach 6 Stunden Calcinierung bei 1150°C eine spezifische Oberfläche von zwischen 10 m²/g und 15 m²/g aufweist und nach 6 Stunden Calcinierung bei 1000°C eine spezifische Oberfläche von mindestens 40 m²/g aufweist.
- 16. Katalytisches System, dadurch gekennzeichnet, dass es eine Zusammensetzung nach einem der Ansprüche 1 bis 10 umfasst.
- Die Beklagte gehört zur B, deren Geschäftsfeld unter anderem Produkte aus seltenen Erden und Metallen betrifft. Die Beklagte bietet an und vertreibt in der Bundesrepublik Deutschland Mischoxidprodukte. Die Herstellung dieser Produkte erfolgt durch die ebenfalls zu der Unternehmensgruppe gehörende chinesische Gesellschaft C (nachfolgend: C). Die Lieferung der von der C hergestellten Produkte erfolgt teilweise auch über die D (nachfolgend: D) mit Sitz in Singapur. Die Produkte werden von China aus zum weiteren Vertrieb zunächst über die Niederlande und das Vereinigte Königreich und von dort aus an die Chemie- und Automobilunternehmen – unter anderem in der Bundesrepublik Deutschland – ausgeliefert, wo sie zur Herstellung von Katalysatoren verwendet werden.
- Zu den von der Beklagten angebotenen Mischoxidprodukten gehört auch ein Produkt mit der Bezeichnung E. Mit der Klage werden dieses Produkt und Produkte mit anderen Bezeichnungen, aber gleichen Eigenschaften angegriffen (angegriffene Ausführungsform). In dem Zeitraum vom 15. November 2015 bis Mitte 2016 lieferte die Beklagte mehr als 8.000 kg der angegriffenen Ausführungsform in die Bundesrepublik Deutschland. Im Januar 2018 ließ die Beklagte über C und D mindestens weitere 1.000 kg der angegriffenen Ausführungsform per Luftfracht direkt in die Bundesrepublik Deutschland liefern. Wegen der Einzelheiten der Lieferungen wird auf den Auszug der Auskunftserteilung der Beklagten in einem anderen Verfahren (vorgelegt als Anlage HL (E) 5) und eine Rechnung der D vom 10. Januar 2018 (Anlage HL (E) 6) Bezug genommen.
- Zu der Lieferung vom Januar 2018 gehörte ein Analysezertifikat („Certificate of Analysis“ – CoA) der C (vorgelegt als Anlage HL (E) 7), das nachstehend auszugsweise wiedergegeben ist. Demnach weist die angegriffene Ausführungsform unter anderem folgende Bestandteile und Eigenschaften auf:
- Weitere CoA der angegriffenen Ausführungsform erhielt die Klägerin im Rahmen einer in den Niederlanden durchgeführten Beschlagnahme. Wegen der Einzelheiten der CoA wird auf die Anlage HL (E) 8 Bezug genommen.
- Aufgrund einer in den Niederlanden ergangenen Beschlagnahmeanordnung wurden am 19. und 31. Januar 2017 sowie 10. März 2017 Proben verschiedener Mischoxide, darunter auch solche der angegriffenen Ausführungsform (E), und zugehörige Lieferunterlagen, unter anderem die bereits erwähnten CoA, beschlagnahmt. Die Parteien dieses Verfahrens und andere betroffene Unternehmen einigten sich darauf, die sichergestellten Proben durch niederländische Patentanwälte und das F im Hinblick auf verschiedene Schutzrechte, darunter das Klagepatent, untersuchen zu lassen. Sollte eine der Proben in den Schutzbereich eines der Schutzrechte fallen, sollte der entsprechende Untersuchungsbericht offengelegt werden. Die sichergestellten Proben wurden zunächst aufgeteilt, wobei das F einen Teil – markiert mit „G“ – erhielt, der andere Teil ging an die Klägerin. Die Probe 12-G stammt von der angegriffenen Ausführungsform. Für diese Probe wurde von den beauftragten Gutachtern kein Untersuchungsbericht hinsichtlich einer Verletzung des Klagepatents offengelegt.
- Die Beklagte lieferte die angegriffene Ausführungsform auch an im Ausland gelegene Standorte von Abnehmern.
- Die Klägerin ist der Ansicht, Angebot und Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform stellten eine mittelbare und eine unmittelbare Verletzung des Klagepatents dar. Die angegriffene Ausführungsform verwirkliche die Lehre des Klagepatentanspruchs 1. Was die Oxid-Bestandteile der Zusammensetzung angehe, ergebe sich dies aus den CoA.
Die Klägerin behauptet, der Schwefelgehalt der angegriffenen Ausführungsform liege erfindungsgemäß unter 200 ppm. Dies hätten Untersuchungen der Klägerin an den ihr im Rahmen des niederländischen Beschlagnahmeverfahrens zur Verfügung gestellten Proben gezeigt. Nach dem als Anlage HL (E) 10 vorgelegten Untersuchungsbericht liege der Schwefelgehalt bei 160 ppm.
Die angegriffene Ausführungsform weise zudem nach sechs Stunden Kalzinierung bei 1.500°C eine spezifische Oberfläche zwischen 10 m²/g und 15 m²/g auf. Dies sei nach den weiteren Angaben in den CoA wahrscheinlich und ergebe sich aus den von ihr – der Klägerin – anhand der ihr zur Verfügung gestellten Proben durchgeführten Untersuchungen. Demnach betrage die spezifische Oberfläche gemäß Untersuchungsbericht des Standorts H 10,7 m²/g (Anlage HL (E) 11) und gemäß Untersuchungsbericht des Standorts I 10,5 m²/g (Anlage HL (E) 12).
Da laut CoA die Oberfläche der angegriffenen Ausführungsform nach einer Kalzinierung von zehn Stunden bei 1000°C noch eine spezifische Oberfläche von über 50 m²/g aufweise, weise sie nach einer Kalzinierung von nur sechs Stunden bei gleicher Temperatur zwangsläufig eine spezifische Oberfläche von mindestens 40 m²/g auf.
Soweit die Beklagte selbst die spezifische Oberfläche gemessen habe, bestreitet die Klägerin mit Nichtwissen, dass die von der Beklagten untersuchte Probe der Charge XXX in ihren Eigenschaften der für den europäischen Markt bestimmten angegriffenen Ausführungsform entspreche.
Lieferungen der angegriffenen Ausführungsform in die Bundesrepublik Deutschland begründeten eine unmittelbare und eine mittelbare Verletzung des Klagepatents. Es sei nicht erforderlich, dass das katalytische System die Eigenschaften der Zusammensetzung nach Anspruch 1 aufweise. Darüber hinaus stellten Lieferungen der angegriffenen Ausführungsform durch die Beklagte an Abnehmer im Ausland eine mittelbare Verletzung des Klagepatents dar. Bei den Abnehmern handele es sich um so genannte Wash Coater, die die angegriffene Ausführungsform im Ausland zu einer patentgemäßen Vorrichtung, nämlich einem katalytischen System vervollständigten, das dann in die Bundesrepublik Deutschland gelange. Die Beklagte arbeite mit ihren Abnehmern, den so genannten „J“ eng zusammen. Ihr sei daher bekannt, dass die angegriffene Ausführungsform für die Herstellung von katalytischen Systemen verwendet werde, die für die Bundesrepublik Deutschland bestimmt seien. - Die Klägerin beantragt,
- I.
die Beklagte zu verurteilen, - 1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlungen bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an den jeweiligen gesetzlichen Vertretern der Beklagten zu vollstrecken ist, zu unterlassen,
- a) eine Zusammensetzung auf Basis von Zirconiumoxid,
(1) die Ceroxid in einem Zr/Ce-Atomverhältnis > 1 umfasst,
(2) und außerdem Lanthanoxid,
(3) und ein Oxid eines Seltenerdmetalls, das von Cer und Lanthan verschieden ist, umfasst,
(4) einen Schwefelgehalt von weniger als 200 ppm, angegeben in Gewicht Sulfat (SO4), bezogen auf die gesamte Zusammensetzung, aufweist,
(5) nach 6 Stunden Calcinierung bei 1150°C eine spezifische Oberfläche von zwischen 10 m²/g und 15 m²/g aufweist,
(6) und nach 6 Stunden Calcinierung bei 1000°C eine spezifische Oberfläche von mindestens 40 m²/g aufweist,
im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen; - und/oder
b) Zusammensetzungen gemäß Ziffer I. 1. a), welche geeignet sind für katalytische Systeme, die Zusammensetzungen gemäß Ziffer I. 1. a) umfassen,
Dritten zur Benutzung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland anzubieten und/oder an solche zu liefern; - c) Zusammensetzungen gemäß Ziffer I. 1. a), welche geeignet sind für katalytische Systeme, die Zusammensetzungen gemäß Ziffer I. 1. a) umfassen,
Dritten außerhalb der Bundesrepublik Deutschland anzubieten und/oder an solche zu liefern;
ohne dabei schriftlich, ausdrücklich und unübersehbar, insbesondere blickfangmäßig hervorgehoben, darauf hinzuweisen, dass die Zusammensetzungen gemäß Ziffer I. 1. a) nicht ohne Zustimmung der Inhaberin des deutschen Teils des europäischen Patents 1 527 XXX für katalytische Systeme verwendet werden dürfen, die für eine Benutzung in der Bundesrepublik Deutschland bestimmt sind; - 2. der Klägerin unter Vorlage einer einheitlichen, chronologisch geordneten Aufstellung Auskunft zu erteilen und darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagte die zu I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 18. November 2015 – mit Ausnahme von Handlungen, die sich auf Zusammensetzungen gemäß Ziffer I. 1. a) beziehen, die im Zeitraum bis zum 31. Dezember 2019 an Unternehmen der A geliefert worden sind – begangen hat, und zwar unter Angabe:
a) der Menge der ausgelieferten (und gegebenenfalls erhaltenen oder bestellten) Erzeugnisse und Herstellungszeiten, der Namen und Anschriften der Hersteller (und gegebenenfalls Lieferanten und anderer Vorbesitzer, insbesondere Transport- und Lagerunternehmen), sowie der bezahlten Preise;
b) der einzelnen Lieferungen und Bestellungen, aufgeschlüsselt nach Liefer- und Bestellmengen, -zeiten und -preisen und der jeweiligen Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer einschließlich der Verkaufsstellen, für welche die Erzeugnisse bestimmt waren,
c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen und der jeweiligen Typenbezeichnungen, sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, im Falle von Werbung im Internet der Internetadresse, der Zugriffszahlen/Klickraten und der Dauer der jeweiligen Werbekampagne/Schaltungszeiträume,
e) bezüglich seit dem 18. Dezember 2015 begangener Handlungen ferner der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Kosten und des erzielten Gewinns,
wobei
– die Angaben zu c) und e) erst für die Zeit seit dem 18. Dezember 2015 zu machen sind,
– es der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer Angebotsempfänger und ihrer nicht gewerblichen Abnehmer statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern sie dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage darüber Auskunft zu erteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder ein bestimmter Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist,
– die Beklagte hinsichtlich der Angaben zu I. 2. a) und I. 2. b) Belege (Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine, gegebenenfalls in Kopie) vorzulegen hat, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen; - 3. die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder in ihrem Eigentum in der Bundesrepublik Deutschland befindlichen, unter I. 1. a) bezeichneten Erzeugnisse auf eigene Kosten zu vernichten oder nach ihrer Wahl an einen von der Klägerin zu benennenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten herauszugeben;
- 4. die unter I. 1. a) bezeichneten, seit dem 18. November 2015 in Verkehr gebrachten Erzeugnisse – mit Ausnahme von Erzeugnissen, die im Zeitraum bis zum 31. Dezember 2019 an Unternehmen der A geliefert worden sind – gegenüber den gewerblichen Abnehmern unter Hinweis auf den gerichtlich [„Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 3. September 2020“] festgestellten, patentverletzenden Zustand der Sache und mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen und die erfolgreich zurückgerufenen Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen;
- II.
festzustellen, dass die Beklagte dazu verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der der Klägerin durch die zu I. 1. bezeichneten, seit dem 18. Dezember 2015 begangenen Handlungen – mit Ausnahme von Handlungen, die sich auf Zusammensetzungen gemäß Ziffer I. 1. a) beziehen, die im Zeitraum bis zum 31. Dezember 2019 an Unternehmen der A geliefert worden sind – entstanden ist und noch entstehen wird. - Die Beklagte beantragt,
- die Klage abzuweisen,
-
Die Beklagte ist der Ansicht, das Klagepatent werde durch den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform nicht verletzt.
Nach der Beschlagnahme des angegriffenen Produkts Anfang 2017 in den Niederlanden hätten niederländische Gutachter die angegriffene Ausführungsform im Hinblick auf das Klagepatent untersucht. Eine Verletzung des Klagepatents sei nicht festgestellt worden, andernfalls hätten die Gutachter ihren Analysebericht offengelegt.
Die Klägerin genüge mit ihrem Vortrag, es sei davon auszugehen, dass der Schwefelgehalt unter 200 ppm liege, nicht ihrer Darlegungslast. Es bleibe offen, von welchen vergleichbaren Produkten der Beklagten die Klägerin ausgehe. Der Vortrag der Klägerin sei spekulativ.
Gleiches gelte für die Kalzinierungskriterien: Die Klägerin trage selbst vor, es sei grundsätzlich nicht möglich, aus anderen Kalzinierungsbedingungen eine Aussage darüber zu treffen, welche spezifische Oberfläche ein Produkt hypothetisch habe. Soweit die Klägerin Messungen an einer Probe der angegriffenen Ausführungsform durchgeführt habe, seien diese nicht überzeugend. Die Patentbeschreibung verweise für den Begriff der „spezifischen Oberfläche“ auf die Bestimmung nach der BET-Methode gemäß Standard XXX. Dessen Vorgaben habe die Klägerin bei ihren Messungen nicht eingehalten. Abgesehen davon sei das BET-Verfahren nicht generell anwendbar, sondern ausweislich des Standards XXX nur für Mischoxide, die eine bestimmte Isotherme aufwiesen, nämlich die Isothermen des Typs II und IV. Daher sei der Klagepatentanspruch 1 bereits auf Zusammensetzungen mit einer solchen Isotherme beschränkt, jedenfalls sei die BET-Methode nicht generell geeignet, die spezifische Oberfläche von Mischoxidzusammensetzungen zu bestimmen. So handele es sich bei der angegriffenen Ausführungsform um mikroporöse Partikel, für die das BET-Verfahren nicht geeignet sei. Ungeachtet dessen hätten eigene Messungen der Beklagten nach der BET-Methode an Proben des XXX der Charge XXX für die spezifische Oberfläche Werte von 7,1 m²/g bzw. 8,38 m²/g ergeben (Anlage (E) B 10 und (E) B 12).
Hinsichtlich der mittelbaren Patentverletzung ist die Beklagte der Ansicht, dass im fertigen katalytischen System die Eigenschaften der Zusammensetzung nach Patentanspruch 1 weiterhin vorhanden sein müssten. Daher stelle die angegriffene Ausführungsform schon kein Mittel dar, das für die Benutzung der Erfindung geeignet sei. Eine mittelbare Patentverletzung durch die Lieferung der angegriffenen Ausführungsform durch die Beklagte an Abnehmer im Ausland scheide aber auch deshalb aus, weil es am doppelten Inlandsbezug fehle. Zudem habe die Klägerin konkrete Lieferungen von katalytischen Systemen von im Ausland ansässigen Abnehmern in die Bundesrepublik Deutschland nicht vorgetragen. Mangels Verwendungsbestimmung fehle es schon aus diesem Grund an den subjektiven Voraussetzungen. Zudem sei ihr – der Beklagten – nicht bekannt, dass die angegriffene Ausführungsform von ihren Abnehmern für die Herstellung katalytischer Systeme verwendet werde, die für den deutschen Markt vorgesehen seien. Soweit die Klägerin die Zusammenarbeit der Beklagten mit den J anspreche, betreffe dies nur die technischen Anforderungen an das von der Beklagten zu liefernde Produkt, nicht Ort und Gegenstand des Einsatzes. Sie, die Beklagte, habe keinerlei Einsicht in die Geschäftstätigkeit ihrer Kunden. Daher habe sie auch keine Kenntnis von der weiteren Verwendung. Da es sich um Geschäftsgeheimnisse handele, fehle es zudem an der Offensichtlichkeit. - Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.
- Die Kammer hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens durch die gerichtliche Sachverständige K. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten vom 30. August 2019 (Blatt 616 ff. der Akte) und das Ergänzungsgutachten vom 12. März 2020 (Blatt 709 ff. der Akte) der Sachverständigen K Bezug genommen (nachfolgend Gutachten bzw. Ergänzungsgutachten).
- Entscheidungsgründe
- Die zulässige Klage ist teilweise begründet.
- Die Klägerin hat gegen die Beklagte im tenorierten Umfang Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Rückruf aus den Vertriebswegen sowie Feststellung der Schadensersatzpflicht aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ, §§ 139 Abs. 1 und 2, 140a Abs. 3, 140b Abs. 1 PatG, §§ 242, 259 BGB, soweit Lieferungen in die Bundesrepublik Deutschland in Streit stehen. Die Vernichtung der angegriffenen Erzeugnisse kann nicht mit Erfolg geltend gemacht werden. Ebenso wenig begründen die Lieferungen ins Ausland Ansprüche wegen einer mittelbaren Patentverletzung.
- I.
Das Klagepatent betrifft eine Zusammensetzung auf der Grundlage von Zirconiumoxid und Cer, Lanthan und anderen seltenen Erden, deren Herstellungsverfahren und deren Verwendung als Katalysator. - In der Beschreibung des Klagepatents wird zum Stand der Technik ausgeführt, dass gegenwärtig für die Behandlung von Abgasen von Verbrennungsmotoren sogenannte multifunktionelle Katalysatoren eingesetzt werden. Darunter verstehe man Katalysatoren, die in der Lage seien, nicht nur die Oxidation insbesondere von Kohlenmonoxid und Kohlenwasserstoffen, sondern auch die Reduktion insbesondere der Stickstoffoxide auszuführen („Dreiwege“-Katalysatoren). Zirconiumoxid und Ceroxid hätten sich als zwei besonders wichtige und interessante Materialien erwiesen, die in die Zusammensetzung dieser Art von Katalysatoren Eingang gefunden hätten. Für ihre wirksame Verwendung müssten diese Materialien eine spezifische Oberfläche aufweisen, die selbst bei hoher Temperatur ausreichend groß bleibe. Es gebe einen Bedarf an Katalysatoren, die bei immer höheren Temperaturen eingesetzt werden könnten und die zu diesem Zweck eine große Stabilität ihrer spezifischen Oberfläche aufwiesen.
- Dem Klagepatent liegt vor diesem Hintergrund die Aufgabe (das technische Problem) zu Grunde, eine katalytische Zusammensetzung zu entwickeln, die diesem Bedarf entspricht.
- Zur Lösung dieses Problems schlägt das Klagepatent mit dem Anspruch 1 eine Zusammensetzung auf Basis von Zirconiumoxid, Ceroxid und Oxiden anderer seltener Erden sowie mit dem Anspruch 16 ein katalytisches System mit dieser Zusammensetzung vor, deren Merkmale jeweils wie folgt gegliedert werden können:
- 1. Zusammensetzung auf Basis von Zirconiumoxid,
1.1 die Ceroxid in einem Zr/Ce-Atomverhältnis > 1 umfasst
1.2 die außerdem Lanthanoxid umfasst und
1.3 die ein Oxid eines Seltenerdmetalls, das von Cer und Lanthan verschieden ist, umfasst,
1.4 die einen Schwefelgehalt von weniger als 200 ppm, angegeben in Gewicht Sulfat (SO4), bezogen auf die gesamte Zusammensetzung, aufweist und
1.5 die nach 6 Stunden Calcinierung bei 1150°C eine spezifische Oberfläche von zwischen 10 m²/g und 15 m²/g aufweist und
1.6 die nach 6 Stunden Calcinierung bei 1000°C eine spezifische Oberfläche von mindestens 40 m²/g aufweist. - und
- 16. Katalytisches System, das eine Zusammensetzung nach einem der Ansprüche 1 bis 10 umfasst.
-
II.
Der Streit der Parteien gibt hinsichtlich der Auslegung der beiden Patentansprüche lediglich zu folgenden Ausführungen Anlass. - 1.
Anspruch 1 des Klagepatents betrifft eine Zusammensetzung auf der Basis von Zirconiumoxid, die verschiedene Oxide von Seltenerdmetallen – darunter Cer und Lanthan – umfasst, wobei das Atomverhältnis von Zirconium und Cer größer als 1 und die Zusammensetzung (nahezu) frei von Schwefel sein soll (Merkmale 1.1 bis 1.4). - Die erfindungsgemäße Zusammensetzung zeichnet sich weiterhin dadurch aus, dass sie nach sechs Stunden Kalzinierung bei 1.150°C eine spezifische Oberfläche von zwischen 10 m²/g und 15 m²/g und bei 1.000°C eine spezifische Oberfläche von mindestens 40 m²/g aufweist (Merkmal 1.5 und 1.6).
- a)
Eine hohe spezifische Oberfläche der Zusammensetzung ist Voraussetzung für die Wirksamkeit von Katalysatoren, in denen Mischoxidzusammensetzungen, wie sie in Anspruch 1 des Klagepatents beschrieben sind, zum Einsatz kommen. Da Katalysatoren auch bei höheren Temperaturen über längere Dauer funktionstüchtig sein müssen, muss auch die spezifische Oberfläche bei solchen Temperaturen über eine gewisse Dauer erhalten bleiben (Abs. [0002] und [0003]; Absatzangaben stammen, soweit nicht anders angegeben, aus der Klagepatentschrift, Anlage HL (E) 1, in deutscher Übersetzung HL (E) 1a). Dies findet in den Merkmalen 1.5 und 1.6 seinen Ausdruck. Eine Mischoxidzusammensetzung mit einer spezifischen Oberfläche, die die in den Merkmalen 1.5 und 1.6 aufgestellten Bedingungen erfüllt, entspricht – so der Gedanke des Klagepatents – den an die Funktionstüchtigkeit von Katalysatoren gestellten Anforderungen. - b)
Der Klagepatentanspruch selbst enthält keine Vorgabe, wie die spezifische Oberfläche zu ermitteln ist. Allerdings konkretisiert die Beschreibung des Klagepatents den Begriff der spezifischen Oberfläche dahingehend, dass darunter die spezifische B.E.T.-Oberfläche zu verstehen ist, die durch Adsorption von Stickstoff gemäß der Norm XXX (nachfolgend: der Standard), die ausgehend von der in der Zeitschrift „The Journal of the American Chemical Society, 60, 309 (1938)“ beschriebenen Brunauer-Emmet-Teller Methode (nachfolgend: BET-Methode) aufgestellt worden ist, bestimmt wird (Abs. [0009]). - In Ziffer 3.1 des Standards wird das Messverfahren dahingehend zusammengefasst, dass der Oberflächenbereich einer Probe durch Messung des Volumens des auf verschiedenen Niedrigstufen adsorbierten Stickstoffgases durch die Probe bestimmt wird. Die Druckunterschiede, welche durch das Einführen der Probenoberfläche in ein bestimmtes Stickstoffvolumen in der Testvorrichtung erzeugt werden, werden gemessen und zur Berechnung der BET-Oberfläche genutzt (vgl. Anlage B (E) 8, in deutscher Übersetzung vorgelegt als Anlage B (E) 8a). Nach den Ausführungen der Sachverständigen K beruht die Berechnung der spezifischen Oberfläche nach der BET-Methode auf der Ermittlung der Molekülanzahl des physisorbierten Stickstoffgases, das notwendig ist, um die zu bestimmende Oberfläche lückenlos mit einer Monoschicht zu bedecken (sog. Monoschichtkapazität). Mit Kenntnis des Platzbedarfs des adsorbierten Stickstoffs wird die Größe der Oberfläche durch Multiplikation mit der ermittelten Monoschichtkapazität berechnet (S. 4 f. des Gutachtens sowie S. 10 des Ergänzungsgutachtens; vgl. auch Ziff. 10 des Standards).
- c)
Da die Patentschrift ihr eigenes Lexikon ist (BGH GRUR 1999, 909 – Spannschraube) und die Klagepatentschrift ausdrücklich auf die gemäß dem Standard normierte BET-Methode verweist, besteht schon nach diesem Auslegungsgrundsatz grundsätzlich kein Anlass, eine andere Methode als die BET-Methode zur Bestimmung der spezifischen Oberfläche einer Mischoxidzusammensetzung heranzuziehen. Etwas anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn eine abweichende Methode zur Bestimmung der spezifischen Oberfläche im Wesentlichen die gleichen Ergebnisse erwarten lässt wie die in der Patentschrift genannte BET-Methode (vgl. BGH Urt. v. 12.03.2019, Az. X ZR 32/17 – Cer-Zirkonium-Mischoxid I). Solche abweichenden Methoden werden aber weder in der Klagepatentschrift noch von der Beklagten genannt. - d)
Das Klagepatent sieht die im Standard normierte BET-Methode als grundsätzlich geeignet für die Bestimmung der spezifischen Oberfläche von Zusammensetzungen nach der Art der Erfindung an. Sie ist weder auf bestimmte Zusammensetzungen beschränkt, noch ist Anspruch 1 des Klagepatents auf solche Zusammensetzungen beschränkt, für die der Standard die BET-Methode für anwendbar erklärt. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus Ziffer 1.1 des Standards, wonach das Verfahren nach dem Standard nur die Bestimmung der Oberfläche von Katalysatoren abdecke, die über Stickstoffisothermen der Typen II oder IV verfügen und mindestens 1 m²/g an Fläche aufweisen (vgl. Anlage B (E) 8/8a). - aa)
Mit einer Isotherme werden – so die Sachverständige K – das adsorbierte und das desorbierte Volumen des Stickstoffs in Abhängigkeit von einem bestimmten relativen Druck grafisch dargestellt. Aus der hierbei dargestellten Form der Isotherme wird mit Hilfe der IUPAC Klassifizierung der Typ der Isotherme festgelegt (S. 5 des Ergänzungsgutachtens). Nachstehend sind die nach der IUPAC Klassifizierung idealiter möglichen sechs Formen von Isothermen wiedergegeben - Die Isotherme vom Typ II ist beispielsweise die Form für unporöse Feststoffe oder Pulver der Gassorption, die keine Mesoporen (Porenweite zwischen 2 nm und 50 nm) und keine Mikroporen (< 2 nm) enthalten. Sie repräsentiert eine uneingeschränkte Monolayer- und Multilayer-Adsorption (S. 6 des Ergänzungsgutachtens, vgl. auch S. 4 des Gutachtens) und ist – wie die Isotherme des Typs IV – durch das Knie am Punkt B gekennzeichnet.
- bb)
Das Klagepatent sieht die BET-Methode, wie sie im Standard zur Berechnung der spezifischen Oberfläche normiert wurde, als grundsätzlich geeignet für die Bestimmung der spezifischen Oberfläche an. Es trifft zwar zu, dass der Standard feststellt, dass das von ihm normierte Messverfahren lediglich die Bestimmung der Oberflächen von Katalysatoren abdeckt, die über Adsorptionsisothermen des Typs II und IV verfügen. Daraus folgt aber nicht, dass die BET-Methode im Falle anderer Isothermen generell ungeeignet sei, die spezifische Oberfläche zu bestimmen. Dies lässt sich auch nicht der Beschreibung des Klagepatents entnehmen. - Für die Frage, wie der Verweis in dem Klagepatent auf den Standard und die BET-Methode zu verstehen ist, ist auf das Verständnis des Durchschnittsfachmanns im Prioritätszeitpunkt abzustellen. Dieser vermag dem Klagepatent keine Anhaltspunkte für eine Differenzierung zwischen einzelnen Isothermen zu entnehmen. Vielmehr ist der Verweis auf den Standard dahingehend zu verstehen, dass die im Standard normierte BET-Methode unabhängig von dem tatsächlichen Typ der Isotherme grundsätzlich geeignet und daher anzuwenden ist, um die spezifische Oberfläche von Zusammensetzungen nach der Art, wie sie Gegenstand der Erfindung sind, zu bestimmen.
- Dabei wird der Fachmann berücksichtigen, dass die BET-Methode in der Praxis selbst dann eingesetzt wird, wenn die Adsorptionsisotherme nicht den Typen II und IV zugeordnet werden kann. Dies ergibt sich aus dem Handbuch „Adsorption, Surface Area and Porosity“ von S. J. Gregg und K. S. W. Sing (Academic Press 1982 2nd Ed.). Demnach sei es schwierig, den Anteil der BET-Methode an der Entwicklung solcher Zweige der physikalischen Chemie wie Heterogene Katalyse, Adsorption oder Abschätzung von Partikelgrößen, die auch feinkörnige oder poröse Feststoffe umfassten, zu überschätzen. Daran kritisieren die Autoren, dass es gerade die Breite ihres Anwendungsbereichs sei, die zu einer etwas unkritischen Anwendung der BET-Methode als eine Art unfehlbaren Maßstab und zu einem Mangel an Verständnis für die Art ihrer Grundannahmen oder die Umstände geführt habe, unter denen erwartet werden könne, dass sie ein zuverlässiges Ergebnis liefere. Das gelte insbesondere für Feststoffe, die sehr feine Poren haben und zu einer Isotherme des Langmuir-Typs – das ist der Typ I – führen, weil die BET-Methode dann zu völlig falschen Werten für die Oberfläche führen könne (S. vii der Anlage B (E) 3 – D2). Diesen Ausführungen lässt sich zunächst entnehmen, dass die BET-Methode in der Praxis durchaus für die Bestimmung der spezifischen Oberfläche von Stoffen und Zusammensetzungen verwendet wird, deren Isotherme nicht dem Typ II oder IV zugeordnet werden können, sondern dem Typ I. Aus der Tatsache, dass die BET-Methode in der Praxis auch bei Zusammensetzungen mit Isothermen etwa des Typs I angewendet wird, wird ferner deutlich, dass die aus solchen Messungen gewonnenen Ergebnisse nicht generell unbrauchbar sind, selbst wenn sie die tatsächlich vorhandene spezifische Oberfläche nicht ganz korrekt angeben, weil die Oberfläche der feineren Poren nicht ermittelt wird.
- Für das Verständnis des Klagepatentanspruchs lässt sich daraus ableiten, dass das Klagepatent solche Ungenauigkeiten hinnimmt. Es geht nicht um die wissenschaftlich exakte Bestimmung der spezifischen Oberfläche einer Zusammensetzung, sondern rechtlich um die Abgrenzung des mit dem Anspruch geschützten Gegenstands und technisch um die Eignung von Mischoxidzusammensetzungen für katalytische Systeme. Insofern ist es unbeachtlich, wenn etwa Mikroporen bei der Bestimmung der spezifischen Oberfläche unberücksichtigt bleiben (vgl. auch BGH, Urt. v. 12.03.2019, Az. X ZR 32/17, Rn 61 – Cer-Zirkonium-Mischoxid I). Für den Gegenstand des Klagepatents und die Brauchbarkeit für die Katalyse stellt das Klagepatent allein auf die durch die BET-Methode ermittelte spezifische Oberfläche ab.
- cc)
Dieses Verständnis ergibt sich auch aus den Ausführungen der Technischen Beschwerdekammer (TBK) in dem mittlerweile rechtskräftig abgeschlossenen Einspruchsverfahren zum Klagepatent und des Bundespatentgerichts in einem Verfahren mit gleicher Fragestellung. In beiden Fällen handelt es sich um sachverständig besetzte Spruchkörper, von denen zumindest die Auffassung der TBK vom Verletzungsgericht zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Auslegung zu würdigen ist (BGH GRUR 1998, 895 – Regenbecken), da sie dasselbe Patent betrifft. - Die TBK kommt zu der Einschätzung, dass die BET-Methode für die Bestimmung der spezifischen Oberfläche der Zusammensetzungen nach dem Anspruch 1 des Klagepatents geeignet ist, selbst wenn eine solche Zusammensetzung feine Mikroporen und daher keine Isotherme des Typs II oder IV aufweisen sollte und an anderer Stelle vertreten wird, dass die BET-Methode für Zusammensetzungen mit feinen Poren ungeeignet sei. Zur Begründung führt die TBK an, dass die spezifische Oberfläche der entsprechenden Zusammensetzung trotz der feinen Poren im Stand der Technik mit der BET-Methode bestimmt worden sei (Ziff. 2.2 der Anlage HL (E) 37 unter Verweis auf die bereits zitierte Anlage B (E) 3 – D2).
- Dem entsprechen die Ausführungen des Bundespatentgerichts in einem Urteil zu dem europäischen Patent 0 863 XXX betreffend eine Zusammensetzung auf der Basis von Zirconiumoxid und Ceroxid, dessen Verletzung vor der Kammer in dem Verfahren 4b O 8/16 zwischen denselben Parteien verhandelt wurde. Das Bundespatentgericht hatte sich mit derselben Fragestellung wie im Streitfall zu befassen und führte aus, mit der BET-Methode könnten auch die spezifischen Oberflächen von Katalysatoren bestimmt werden, die einem anderen der sechs möglichen Isothermentypen zuzuordnen sind. Die BET-Methode sei als eine nahezu universell einsetzbare Methode bekannt – nicht zuletzt deshalb, weil in der Fachwelt ohne Kenntnis des Isothermentyps zur Bestimmung der spezifischen Oberflächen stets die BET-Methode angewendet werde (BPatG, Urt. v. 25.10.2016, Az. 3 Ni 6/15 (EP)).
- Mit der BET-Methode beschreibt das Klagepatent hier wie auch in dem genannten Urteil des Bundespatentgerichts also ein in praktisch ausreichendem Maße zuverlässiges Verfahren zur Bestimmung der spezifischen Oberfläche, mit dem der Fachmann allein unter Einsatz seines Fachwissens selbst dann in der Lage ist, die spezifischen Oberflächen der patentgemäßen Zusammensetzungen zu ermitteln, wenn nicht alle Zusammensetzungen eine Adsorptionsisotherme vom Typ II oder IV aufweisen.
- 2.
Anspruch 16 des Klagepatents betrifft ein Katalytisches System, das eine Zusammensetzung nach Anspruch 1 umfasst. - Der Verweis auf Anspruch 1 des Klagepatents ist dahingehend zu verstehen, dass eine Zusammensetzung nach Anspruch 1 in einem katalytischen System Verwendung findet. In diesem Sinne muss ein katalytisches System im Sinne des Klagepatents eine Zusammensetzung nach Anspruch 1 enthalten. Sie muss aber nicht alleiniger Bestandteil des katalytischen Systems sein. Ebenso wenig muss das (fertige) katalytische System (noch) die Eigenschaften der Zusammensetzung nach Anspruch 1 aufweisen.
- Der Wortlaut von Anspruch 16, wonach das katalytische System eine Zusammensetzung nach Anspruch 1 lediglich umfasst, lässt ohne weiteres eine Auslegung zu, nach der es genügt, wenn eine Zusammensetzung nach Anspruch 1 in katalytischen Systemen in irgendeiner Weise zum Einsatz kommt. Dies kann auch in einer Weise erfolgen, bei der die Zusammensetzung mit weiteren Komponenten verarbeitet wird und zusammen mit den anderen Bestandteilen das katalytische System bildet.
- Ein solches Verständnis ergibt sich zudem aus der Klagepatentschrift, in der die weitere Verwendung der Zusammensetzung in einem katalytischen System beschrieben wird. Demnach können die Zusammensetzungen nach Anspruch 1 auf einen Träger aufgebracht werden, für den das Klagepatent verschiedene Materialbeispiele benennt (Abs. [0042]). Vor allem können die Zusammensetzungen nach Anspruch 1 aber in katalytischen Systemen eingesetzt werden, die einen Überzug („wash coat“) mit katalytischen Eigenschaften auf der Grundlage dieser Zusammensetzungen, abgeschieden auf einem Substrat, umfassen (Abs. [0043]). Der Überzug selbst kann ebenfalls einen Träger umfassen. Er wird durch Mischen der Zusammensetzung mit dem Träger derart erhalten, dass eine Suspension gebildet wird, die dann auf das Substrat aufgetragen werden kann (Abs. [0043]). Das Klagepatent spricht damit das im Stand der Technik bei der Herstellung von Katalysatoren übliche J an, bei dem eine Mischoxidzusammensetzung dergestalt verarbeitet wird, dass sie mit einem Überzug versehen und auf einem Substrat aufgebracht wird. Es versteht sich von selbst, dass ein solches katalytisches System aufgrund der Weiterverarbeitung der Zusammensetzung nicht mehr zwingend die spezifische Oberfläche aufweist, wie sie im Anspruch 1 verlangt ist. Der Begriff des katalytischen Systems nach Anspruch 16 umfasst aber auch solche Systeme, bei denen mit einem Wash Coat versehene Zusammensetzungen zum Einsatz kommen.
- Bei der gebotenen funktionalen Betrachtung hätte ein katalytisches System, das zwingend die Eigenschaften der verwendeten Mischoxidzusammensetzung nach Anspruch 1, insbesondere die spezifische Oberfläche aufweisen muss, in der Praxis wenig Sinn. Gerade weil dem Fachmann im Prioritätszeitpunkt bekannt war, dass in einem katalytischen System typischerweise Zusammensetzungen zum Einsatz kommen, die einem Verarbeitungsschritt wie dem J unterliegen, das in der Beschreibung des Klagepatents obendrein ausdrücklich erwähnt wird, umfasst der Anspruch 16 auch solche katalytischen Systeme. Dagegen kann auch nicht eingewandt werden, dass dem katalytischen System durch die Weiterverarbeitung der Zusammensetzung die katalytischen Eigenschaften verloren gehen. Dem Klagepatent liegt vielmehr der Gedanke zugrunde, dass der Funktionstüchtigkeit eines Katalysators bei hohen Temperaturen über längere Dauer selbst dann Genüge getan ist, wenn eine Zusammensetzung nach Anspruch 1 in einem verarbeiteten Zustand in einem katalytischen System zum Einsatz kommt.
- III.
Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht sämtliche Merkmale des Klagepatentanspruchs 1. - 1.
Bei der angegriffenen Ausführungsform handelt es sich unstreitig um eine Zusammensetzung auf Basis von Zirconiumoxid (Merkmal 1). - 2.
Die Klägerin hat anhand der CoA dargelegt, dass unabhängig davon, ob die CoA die Atom- oder Gewichtsanteile der einzelnen Bestandteile der angegriffenen Ausführungsform angeben, Ceroxid in einem Zr/Ce-Atomverhältnis > 1 umfasst ist (Merkmal 1.1). Dem ist auch die Beklagte nicht entgegengetreten. - 3.
Weiterhin umfasst die angegriffene Ausführungsform unstreitig Lanthanoxid und Yttriumoxid als weiteres Oxid eines Seltenerdmetalls, das von Cer und Lanthan verschieden ist (Merkmale 1.2 und 1.3). - 4.
Der Schwefelgehalt der angegriffenen Ausführungsform, angegeben in Gewicht Sulfat (SO4), bezogen auf die gesamte Zusammensetzung, liegt mit 160 ppm unterhalb von 200 ppm (Merkmal 1.4). Die Beklagte ist bereits der ursprünglichen Behauptung der Klägerin, der Schwefelgehalt liege unter 200 ppm, nicht erheblich entgegengetreten, weil sie lediglich die Schlüssigkeit des klägerischen Vortrags bemängelt hat, was für ein erhebliches Bestreiten grundsätzlich nicht ausreicht. Darüber hinaus hat die Klägerin aber auch durch Untersuchungen einer Probe der angegriffenen Ausführungsform zuletzt nachgewiesen, dass der Schwefelgehalt mit 160 ppm unterhalb von 200 ppm liegt. Diesen Vortrag hat die Beklagte nicht mehr in Abrede gestellt. - 5.
Die angegriffene Ausführungsform weist nach sechs Stunden Kalzinierung bei 1.150°C eine spezifische Oberfläche von zwischen 10 m²/g und 15 m²/g auf (Merkmal 1.5). Dies steht aufgrund der durch die gerichtliche Sachverständige K durchgeführten Messungen an der angegriffenen Ausführungsform fest. - a)
Der Sachverständigen K wurden Teile der Proben, die Anfang des Jahres 2017 in den Niederlanden beschlagnahmt wurden, zur Verfügung gestellt. Es handelte sich um einen Teil der Probe 12-G, die noch in den Niederlanden hinterlegt war, und zwei Teile der Probe 12-Rest, die der Klägerin zur Verfügung gestellt worden war und von der bereits Teile von der Klägerin zum Nachweis der Patentverletzung in H und I untersucht worden waren. - Die Sachverständige hat die ihr zur Verfügung gestellten Proben – soweit es möglich war – weiter aufgeteilt und ihre spezifische Oberfläche nach der BET-Methode gemäß dem Standard ermittelt. Bei zutreffender Auslegung ist die nach dem Standard normierte BET-Methode grundsätzlich zur Bestimmung der spezifischen Oberfläche von Mischoxidzusammensetzungen, wie sie der Sachverständigen K zur Untersuchung vorlagen, geeignet. An der Eignung der BET-Methode bestehen im Streitfall aber auch unabhängig von der Auslegung von Anspruch 1 bereits deshalb keine Zweifel, weil die Sachverständige K in ihrem Ergänzungsgutachten gezeigt hat, dass die Proben sogar eine Isotherme des Typs II aufweisen (S. 6 ff., insbesondere S. 10 des Ergänzungsgutachtens), für die der Standard uneingeschränkt Anwendung findet. Selbst wenn – so die Sachverständige K – die Kriterien für die Isotherme des Typs II im Anfangsbereich der Isotherm nicht optimal dargestellt sind, hat dies keinen Einfluss auf die Berechnung der spezifischen Oberfläche mit der BET-Methode.
- Nach den Messungen der Sachverständigen K weisen sämtliche untersuchten Proben nach sechs Stunden Kalzinierung bei 1.150°C eine spezifische Oberfläche von zwischen 10 m²/g und 15 m²/g – wie nachstehend dargestellt – auf, wobei die Ergebnisse für die L nach der Einschätzung der Sachverständigen K ohne Kritik zu sehen und für das Gutachten maßgebend sind (S. 17 des Ergänzungsgutachtens).
- Nachfolgend werden die drei Proben als L, M und N bezeichnet.
- b)
Die seitens der Beklagten gegen das Gutachten und das Ergänzungsgutachten der Sachverständigen K vorgebrachten Einwendungen greifen nicht durch und geben zu Zweifeln an der festgestellten Größe der spezifischen Oberfläche der angegriffenen Ausführungsform keinen Anlass. - aa)
Die Beklagten haben bis zuletzt bemängelt, dass die Unterschiede zwischen den Ergebnissen der sechs Messungen von 10,08 m²/g bis 12,33 m²/g nicht nachvollziehbar seien und die Messergebnisse daher für die Annahme einer Patentverletzung nicht überzeugend seien. Dem vermag die Kammer nicht zu folgen. - Soweit die Beklagte vermutet, die Proben müssten vor den Untersuchungen vorbehandelt gewesen seien, weil sich andernfalls in allen Untersuchungen identische Messergebnisse ergeben hätten, bleibt dieser Vortrag ohne Substanz. Es ist nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich, wie die Proben vorab überhaupt hätten behandelt werden können, damit sie die von der Sachverständigen K gemessene spezifische Oberfläche aufweisen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die ursprünglichen Proben bereits kurz nach der Beschlagnahme getrennt und den niederländischen Patentanwälten einerseits (12-G) und der Klägerin andererseits (12-Rest) ausgehändigt wurden. Wie durch verschiedene Verwahrer unterschiedliche Proben unabhängig voneinander so bearbeitet werden können, dass sie nahezu dieselbe spezifische Oberfläche aufweisen, erschließt sich nicht. Dementsprechend hat auch die Sachverständige K eine unangemessene Vorbehandlung oder Handhabung vor der Untersuchung als Ursache für die unterschiedlichen Messergebnisse ausgeschlossen.
- Es ist zwar richtig, dass die Sachverständige K von der Lagerung der Proben durch die niederländischen Patentanwälte bzw. die Klägerin keine Kenntnisse hat und eine sachgemäße, die Untersuchungen nicht verfälschende Handhabung nur vermuten konnte. Sie hat aber andere Erklärungsansätze – etwa die geringe Menge der Probe N und die aufgrund der geringen Vorwärmzeit gegebenenfalls unzureichende Temperaturstabilität des Muffelofens bei der Kalzinierung der Probe M – geliefert, die die unterschiedlichen Messergebnisse begründen könnten und eine unsachgemäße Vorbehandlung als fernliegend erscheinen lassen.
- Ob geringe Temperaturschwankungen wie bei einer unzureichenden Temperaturstabilität des Muffelofens den Unterschied in der spezifischen Oberfläche der Probe M von ca. 20 % im Vergleich zu den anderen Proben erklären können – was die Beklagte in Abrede stellt –, kann letztlich offen bleiben. Die Darstellung der Untersuchungen durch die Sachverständige K hat deutlich gemacht, dass es zahlreiche Faktoren gibt, die das Messergebnis in der Probenvorbereitung und während des Messverfahrens beeinflussen können, so dass identische Messergebnisse für die Untersuchung der Proben ohnehin nicht zu erwarten waren. Dem Gutachten und dem Ergänzungsgutachten ist zu entnehmen, dass die Sachverständige K sich der möglichen Einflüsse auf das Messergebnis der spezifischen Oberfläche bewusst ist, die Faktoren gewichtet und jedenfalls für das Ergebnis der L zu dem Ergebnis kommt, dass sie ohne Kritik zu sehen und für das Gutachten maßgebend ist (S. 17 des Ergänzungsgutachtens), selbst wenn im Einzelnen die Ursache für ein deutlich abweichendes Messergebnis der Probe M letztlich nicht aufzuklären ist.
- Aufgrund dessen hat auch die Kammer keine Zweifel, dass jedenfalls das Ergebnis der Untersuchung der L die spezifische Oberfläche im Rahmen der Messgenauigkeit zutreffend angibt und eine irgendwie geartete Vorbehandlung aus den vorgenannten Gründen ausgeschlossen werden kann.
- Dieses Ergebnis wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass Ziffer 12.1 und 12.2 des Standards für Doppelmessungen derselben Probe im selben Labor und für Messungen derselben Probe in verschiedenen Laboren lediglich Standardabweichungen zwischen den Messergebnissen von 1% bzw. 3% zulässt. Zunächst handelt es sich bei der Regelung in dem Standard um eine Soll-Vorschrift. Weiterhin hat die Sachverständige K – wie bereits erläutert – Gründe für die möglichen Abweichungen genannt und daher ohnehin nur das Ergebnis der L für vollends belastbar angesehen. Letztlich stellen die Abweichungen in den von der Sachverständigen K und den von der Klägerin ermittelten Messergebnissen, auch wenn sie über 1% bzw. 3% liegen, aber auch die Verwirklichung des Merkmals 1.5 nicht in Frage. Denn sämtliche Messergebnisse – und darauf kommt es entscheidend an – liegen im beanspruchten Bereich. Die Abweichungen stellen die Messungen und die ermittelten Ergebnisse nicht dergestalt in Frage, dass sie völlig unbrauchbar sind und eine Aussage über die spezifische Oberfläche nicht zulassen, zumal das Ergebnis der L maßgebend ist. Dass die niederländischen Patentanwälte für diese Probe eine Patentverletzung verneinten, ist unerheblich, weil nicht bekannt ist, aus welchen Gründen sie zu diesem Ergebnis kamen. Dies muss seine Ursache also nicht einmal in der Messung der spezifischen Oberfläche gehabt haben.
- bb)
Die Beklagte hat hinsichtlich der Vorbereitung und Durchführung der Messungen seitens der Sachverständigen K weiterhin eingewandt, das wesentliche Angaben zur Kalzinierung und zu den im Standard geforderten Vorgaben zur Vorbereitung der Proben fehlten und wahrscheinlich nicht eingehalten worden seien. Diese Angaben hat die Sachverständige K im Ergänzungsgutachten weitgehend nachgeholt (S. 12 ff. des Ergänzungsgutachtens). Tatsächlich wurden die vom Standard vorgegebenen Schritte auch eingehalten. Soweit die Sachverständige K erklärt, dass für Öfen, Thermoelement, Regler und Temperaturanzeigen keine Kalibrierdaten vorliegen, begründet dies keine durchgreifenden Zweifel an der Zuverlässigkeit der Messergebnisse. Zunächst kann aus dieser Aussage nicht abgeleitet werden, dass die Geräte nicht kalibriert wurden. Ebenso wenig kann aus dem Mangel an Kalibrierdaten hergeleitet werden, dass die gemessenen Werte für die spezifische Oberfläche so weit von der tatsächlichen Größe abweichen, dass sie außerhalb des beanspruchten Bereichs lägen. Dafür hätte die Temperatur des Muffelofens merklich von der geforderten Temperatur abweichen müssen. Insoweit ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Kalzinierungstemperatur von 1.150°C nicht nur durch die Temperatureinstellung des Muffelofens, sondern auch durch ein dicht an der Probe platziertes Thermoelement überwacht wurde (S. 3 des Ergänzungsgutachtens). - Die Klägerin bemängelte zuletzt noch, dass die Vortrocknung der einzelnen Proben nicht einheitlich erfolgte, sondern zwischen 30 und 90 Minuten dauerte. Auch dieser Einwand greift nicht durch. Die Vortrocknung vor der Kalzinierung ist kein durch den Standard vorgegebener Schritt. Der Standard betrifft nur die nachfolgende Messung der spezifischen Oberfläche mittels der BET-Methode. Die Beklagte zeigt insofern auch nicht auf, dass die unterschiedlichen Vortrocknungszeiten trotz der sechsstündigen Kalzinierung bei überaus hohen Temperaturen überhaupt Auswirkungen auf die spezifische Oberfläche haben können. Insofern kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Trocknung bei 120°C über 30 Minuten zu einem substantiell anderen Kalzinierungsverhalten der Probe führte als eine Trocknung bei derselben Temperatur über 90 Minuten. Anders verhält es sich mit der Probenvorbereitung nach der Kalzinierung für die Messung der spezifischen Oberfläche. Hier erfolgt die Trocknung zugleich mit der Entgasung gemäß Ziffer 7.8 und 7.9 des Standards. Diese Anforderungen wurden bei der Probenvorbereitung eingehalten.
- cc)
Soweit die Beklagte ursprünglich eingewandt hat, dass die Isotherme der Proben nicht bzw. nicht richtig bestimmt worden sei, greift auch dieser Einwand nach den überzeugenden Erklärungen der Sachverständige K im Ergänzungsgutachten nicht durch. - Soweit die Beklagte die Messungen als solche angreift, hat die Kammer keine Zweifel, dass diese ordnungsgemäß durchgeführt wurden. Eine Funktionsüberprüfung des Messgeräts mit einem Referenzmaterial fand nach den Ausführungen der Sachverständigen K im Ergänzungsgutachten statt (S. 15 des Ergänzungsgutachtens). Es ist auch nicht so, dass das Messgerät auf eine konstante Zeit zur Gleichgewichtseinstellung von 20 Sekunden eingestellt wurde. Vielmehr erfolgte bei jedem Messpunkt alle 20 Sekunden eine Prüfung, ob sich ein stabiles Gleichgewicht des zu erzielenden relativen Drucks im Probengefäß eingestellt hatte. Tatsächlich betrug die Messzeit für jeden Analysenpunkt und damit die Zeit zur Einstellung des Druckgleichgewichts zwischen 4 und 46 Minuten (S. 15 des Ergänzungsgutachtens). Soweit die Messpunkte mehr als die in Ziffer 10.7.1 des Standards angegebenen 0,6% oder gar mehr als 1% von der ermittelten Geraden abweichen, hat die Sachverständige K erläutert, dass diese Vorgaben ein Maß für die Qualität des BET-Plots angeben, aber keine Entscheidung über die Gültigkeit der Messung. Letztlich spiegeln die Abweichungen die Messunsicherheit wieder, die die Auswertesoftware des Geräts mit +/-0,1497 m²/g bis +/-0,1935 m²/g berechnet hat und die mit den Messergebnissen angegeben sind. Die Sachverständige K hat insofern erklärt, dass sich selbst bei einer theoretischen Abweichung von 1%, wie im Standard angegeben, die Unsicherheiten nur geringfügig um 0,07 m²/g gegenüber den vorliegenden Werten verbessern würden (S. 18 des Ergänzungsgutachtens). Letztlich ändert sich an dem Ergebnis, dass die spezifische Oberfläche im beanspruchten Bereich liegt, nichts.
- Daher ist auch der Einwand unbehelflich, bei Anwendung der Messunsicherheit würde die spezifische Oberfläche der Probe N unterhalb von 10 m²/g liegen, eine Verletzung sei nicht sicher belegt. Abgesehen davon, dass es sich um eine Messunsicherheit handelt, die die Messung als solche nicht in Frage stellt, hat die Sachverständige K überzeugend dargestellt, dass nicht die genannte Probe, sondern die L für die Beurteilung der Patentverletzung maßgebend sein sollte.
- Weiterhin hat die Sachverständige K die Isotherme der untersuchten Probe überzeugend als Isotherme des Typs II klassifiziert. Insbesondere hat sie begründet, warum der Volumenanstieg der Adsorption im relativen Druckbereich unter 0,05 [p/p0] nicht als mikroporöser Volumenanstieg zu qualifizieren ist, sondern es sich um eine unporöse Zusammensetzung handelt (S. 6-10 des Ergänzungsgutachtens). Dagegen hat auch die Beklagte keine Einwände mehr erhoben.
- dd)
Schließlich führt auch der Umstand, dass sich das Gutachten nicht im Einzelnen zu den von der Beklagten durchgeführten Messungen verhält, nicht zu Zweifeln an den von der Sachverständigen K ermittelten Messergebnissen. Im Ergänzungsgutachten ist ausgeführt, dass zahlreiche Informationen zur Vorbereitung und Durchführung der Messungen fehlen. Ungeachtet dessen seien die Ergebnisse auch deshalb nicht unmittelbar vergleichbar, weil die von der Beklagten untersuchte Probe aus einer anderen Charge stamme (S. 20 des Ergänzungsgutachtens). - 6.
Schließlich weist die angegriffene Ausführungsform nach sechs Stunden Kalzinierung bei nur 1.000°C sogar eine spezifische Oberfläche von mindestens 40 m²/g auf (Merkmal 1.6). - Die Klägerin hat unter Berufung auf die CoA unwidersprochen vorgetragen, dass die angegriffene Ausführungsform, wenn sie nach einer Kalzinierung von zehn Stunden bei 1.000°C noch eine spezifische Oberfläche von über 50 m²/g aufweise, nach einer Kalzinierung von nur sechs Stunden bei gleicher Temperatur zwangsläufig eine spezifische Oberfläche von mindestens 40 m²/g aufweisen müsse. Dem hat die Beklagte zu Recht nicht widersprochen, da die spezifische Oberfläche bei längerer Kalzinierungsdauer allenfalls kleiner wird.
- IV.
Angebot und Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform durch die Beklagte in der Bundesrepublik Deutschland stellen eine unmittelbare und eine mittelbare Verletzung des Klagepatents im Sinne von § 9 S. 2 Nr. 1 PatG und § 10 Abs. 1 PatG dar. Die Lieferungen im Ausland begründen hingegen keine mittelbare Verletzung. - 1.
Die Beklagte bietet die angegriffene Ausführungsform in der Bundesrepublik Deutschland an und bringt sie hier in den Verkehr im Sinne von § 9 S. 2 Nr. 1 PatG. Denn sie lieferte die angegriffene Ausführungsform an die M in Hanau und Rheinfelden. Solchen Lieferungen geht unzweifelhaft ein Angebot voraus, zumal die Lieferanten regelmäßig eng mit ihren Abnehmern zusammenarbeiten und nach deren Vorgaben die Mischoxidzusammensetzungen zusammenstellen. Dies geht etwa aus den Angaben „Customer’s Specification“ in den CoA hervor. - 2.
Angebot und Lieferung der angegriffenen Ausführungsform durch die Beklagte an die M in der Bundesrepublik Deutschland stellen auch eine mittelbare Patentverletzung im Sinne von § 10 Abs. 1 PatG dar. - a)
Bei der angegriffenen Ausführungsform handelt es sich um ein Mittel, das objektiv geeignet ist, für die Benutzung der Erfindung verwendet zu werden. Die angegriffene Ausführungsform stellt eine Zusammensetzung im Sinne von Anspruch 1 des Klagepatents dar und ist daher ohne weiteres geeignet, in einem katalytischen System im Sinne von Anspruch 16 eingesetzt zu werden. Dass das (fertige) katalytische System unter Umständen die der angegriffenen Ausführungsform ursprünglich innenwohnenden erfindungsgemäßen Eigenschaften aufgrund der Weiterverarbeitung nicht mehr aufweist, ist bei zutreffender Auslegung des Klagepatentanspruchs 16 unbeachtlich. - b)
Bei der angegriffenen Ausführungsform handelt es sich um ein Mittel, das sich auf ein wesentliches Element der Erfindung bezieht. Das ist der Fall, wenn das Mittel geeignet ist, mit einem wesentlichen, nämlich im Patentanspruch genannten Erfindungselement funktional so zusammenzuwirken, dass es zu einer Verwirklichung des Erfindungsgedankens kommt (BGH GRUR 2004, 758, 760 – Flügelradzähler; GRUR 2005, 848 – Antriebsscheibenaufzug; GRUR 2006, 570 – extracoronales Geschiebe). Im Streitfall stellt die angegriffene Ausführungsform sogar die im Anspruch 16 genannte Zusammensetzung nach Anspruch 1 des Klagepatents dar. - c)
Der „doppelte Inlandsbezug“ ist gegeben. - Die Beklagte bot die angegriffene Ausführungsform an und lieferte sie auch im Geltungsbereich des Patentgesetzes, indem Angebot und Lieferung an die in der Bundesrepublik Deutschland ansässige M erfolgten. Dies geschah auch „zur Benutzung der Erfindung“, weil der Abnehmer in die Lage versetzt wird, die angegriffene Ausführungsform für ein katalytisches System im Sinne von Anspruch 16 des Klagepatents zu verwenden. Dies geschieht auch in der Bundesrepublik Deutschland, weil die M an ihren in der Bundesrepublik Deutschland gelegenen Standorten katalytische Systeme herstellt.
- d)
Nach den vorstehenden Ausführungen war es für die Beklagte jedenfalls auch offensichtlich, dass die angegriffene Ausführungsform dazu geeignet und bestimmt ist, für die Benutzung der Erfindung verwendet zu werden. - Für die Offensichtlichkeit ist maßgeblich, ob im Zeitpunkt des Angebots oder der Lieferung nach den gesamten Umständen des Falls die drohende Patentverletzung aus der Sicht des Anbieters oder Lieferanten so deutlich erkennbar war, dass ein Angebot oder eine Lieferung der wissentlichen Patentgefährdung gleichzustellen ist (BGH GRUR 2007, 679 – Haubenstretchautomat). Es genügt, wenn aus der Sicht des Dritten bei objektiver Betrachtung nach den Umständen die hinreichend sichere Erwartung besteht, dass der Abnehmer die angebotenen oder gelieferten Mittel zur patentverletzenden Verwendung bestimmen wird (BGH GRUR 2006, 839 – Deckenheizung). Zur Feststellung dieses Tatbestandsmerkmals kann auf Erfahrungen des täglichen Lebens zurückgegriffen werden (BGH GRUR 2005, 848, 851 – Antriebsscheibenaufzug). Regelmäßig liegt der notwendig hohe Grad der Erwartung einer Patentverletzung dann vor, wenn der Anbieter oder Lieferant selbst eine solche Benutzung vorgeschlagen hat (BGH GRUR 2007, 679 – Haubenstretchautomat). Dies kann der Fall sein, wenn in Bedienungsanleitungen oder dergleichen der Angebotsempfänger oder Belieferte darauf hingewiesen wird, das Mittel in einer klagepatentgemäßen Weise zu verwenden, weil die Erfahrung dafür spricht, dass sich der Angebotsempfänger oder Abnehmer nach derartigen Anleitungen oder Empfehlungen richten wird (BGH GRUR 2005, 848, 853 – Antriebsscheibenaufzug).
- Nach diesen Grundsätzen ist die Offensichtlichkeit der Verwendungsbestimmung zu bejahen. Bei der M handelt es sich um einen so genannten Wash Coater, der Mischoxidzusammensetzungen wie die angegriffene Ausführungsform mit einem Überzug („Wash Coat“) versieht und ggf. auf einem Substrat aufbringt und so katalytische Systeme im Sinne von Klagepatentanspruch 16 herstellt. Dies ist auch der Beklagten bekannt. Zudem befindet sich auf den CoA die Produktbeschreibung „N“ (Anlage HL (E) 7). Auch die Rechnung für die Lieferung der angegriffenen Ausführungsform per Luftfracht nach Frankfurt enthält diese Bezeichnung (Anlage HL (E) 6). Welche andere Verwendungsmöglichkeit für die angegriffene Ausführungsform besteht, ist weder vorgetragen, noch ersichtlich. Nach alledem bestand auch für die Beklagte die hinreichend sichere Erwartung, dass die angegriffene Ausführungsform von ihren Abnehmern zur Herstellung katalytischer Systeme verwendet wird
- 3.
Lieferungen der angegriffenen Ausführungsform durch die Beklagte an Abnehmer im Ausland begründen hingegen keine mittelbare Verletzung des Klagepatents. Es fehlt am doppelten Inlandsbezug. - Nach dem Gesetzeswortlaut von § 10 Abs. 1 PatG muss das Mittel in der Bundesrepublik Deutschland angeboten oder geliefert werden. Daran fehlt es im Streitfall, wenn die Lieferungen vom Ausland ins Ausland erfolgen. Etwas anderes hat die Klägerin jedoch nicht geltend gemacht. Eine Lieferung vom Inland ins Ausland, die als inländische Lieferung zu qualifizieren wäre (vgl. BGH GRUR 2007, 313 – Funkuhr II), ist nicht vorgetragen.
- Etwaige Lieferungen katalytischer Systeme durch im Ausland ansässige Abnehmer der Beklagten in die Bundesrepublik Deutschland stellen keine Lieferung eines Mittels im Sinne von § 10 Abs. 1 PatG dar. Sie sind allenfalls ein Indiz für die Verwendungsbestimmung und eine (nach der Lieferung des Mittels erfolgte) Benutzung der Erfindung in der Bundesrepublik Deutschland. So möchte es auch die Klägerin sehen. Eine Lieferung des Mittels durch die Beklagte in der Bundesrepublik Deutschland ist damit jedoch nicht verbunden.
- Es gibt keinen Grund, von dem eindeutigen Gesetzeswortlaut abzuweichen. Dies hat auch die Rechtsprechung – soweit ersichtlich – bislang nicht getan. Soweit sich die Klägerin für ihre Auffassung auf Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes und der Obergerichte beruft, lag sämtlichen Entscheidungen eine andere Sachverhaltskonstellation zugrunde. In keinem Fall wurde eine mittelbare Patentverletzung durch Lieferungen von Mitteln zur Benutzung der Erfindung vom Ausland ins Ausland begründet. Lieferungen im Ausland begründen allenfalls dann eine Patentverletzung, wenn sie sich als Mitwirkung an einer von dem Abnehmer verübten Patentverletzung im Inland darstellen (vgl. BGH, GRUR 2015, 467 – Audiosignalcodierung; GRUR 2017, 785 – Abdichtsystem; OLG Hamburg, GRUR-RR 2020, 234 – Ultraschallwandler). Konkrete Verletzungshandlungen von im Ausland ansässigen Abnehmern der Beklagten im Inland sind von der Klägerin jedoch nicht vorgetragen. Sie werden von ihr auch nicht geltend gemacht. Sie sieht vielmehr etwaige Lieferungen der Beklagten im Ausland als eigenständige mittelbare Verletzung des Klagepatents durch die Beklagte an. Dieser Auffassung kann aufgrund des fehlenden Inlandsbezugs der Lieferungen jedoch nicht gefolgt werden.
- V.
Soweit eine Benutzung des Klagepatents durch die Beklagte erfolgte, rechtfertigt dies die nachstehenden Rechtsfolgen. - 1.
Die Beklagte ist der Klägerin gemäß Art. 64 Abs. 1 EPÜ, § 139 Abs. 1 PatG zur Unterlassung verpflichtet, da die Benutzung des Erfindungsgegenstands – soweit nicht Lieferungen an die A bis Ende 2019 betroffen sind – ohne Berechtigung erfolgte. - 2.
Weiterhin hat die Klägerin gegen die Beklagte dem Grunde nach einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ, § 139 Abs. 1 und 2 PatG, weil die Beklagte die Patentverletzung schuldhaft beging. Als Fachunternehmen hätte sie die Patentverletzung bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt zumindest erkennen können, § 276 BGB. Es ist auch nicht unwahrscheinlich, dass der Klägerin als Inhaberin des Klagepatents durch die Patentverletzung ein Schaden entstanden ist. Das für die Zulässigkeit des Feststellungsantrags gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich daraus, dass die Klägerin derzeit nicht in der Lage ist, den konkreten Schaden zu beziffern und ohne eine rechtskräftige Feststellung der Schadensersatzpflicht die Verjährung von Schadensersatzansprüchen droht. - 3.
Der Klägerin steht gegen die Beklagte auch im tenorierten Umfang ein Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ, § 140b Abs. 1 PatG, §§ 242, 259 BGB zu. Der Anspruch auf Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der angegriffenen Ausführungsform ergibt sich aufgrund der unberechtigten Benutzung des Erfindungsgegenstands unmittelbar aus § 140b Abs. 1 PatG, der Umfang der Auskunftspflicht aus § 140b Abs. 3 PatG. Die weitergehende Auskunftspflicht und die Verpflichtung zur Rechnungslegung folgen aus §§ 242, 259 BGB, damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadensersatzanspruch zu beziffern. Die Klägerin ist auf die tenorierten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt, und die Beklagte wird durch die von ihr verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet. - 4.
Weiterhin hat die Klägerin gegen die Beklagte aufgrund der unberechtigten Benutzung des Klagepatents im tenorierten Umfang einen Anspruch auf Rückruf der angegriffenen Ausführungsformen aus den Vertriebswegen gemäß Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 140a Abs. 3 PatG. - 5.
Allerding hat die Klägerin gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Vernichtung der patentverletzenden Erzeugnisse aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 140a Abs. 1 PatG. Der Anspruch setzt voraus, dass der Verletzer am Schluss der mündlichen Verhandlung Eigentum oder Besitz an den angegriffenen Erzeugnissen im Inland hat. Dazu ist seitens der Klägerin nichts vorgetragen. Da die Beklagte im Ausland ansässig ist, kann Eigentum oder Besitz im Inland auch nicht vermutet werden. - VI.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO. - Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 und 2 ZPO.