4b O 30/18 – Langsamer MAC-E

Düsseldorfer Entscheidungen Nr. 3055

Landgericht Düsseldorf

Urteil vom 27. August 2020, Az. 4b O 30/18

  1. I. Die Beklagten werden verurteilt,
  2. es bei Meldung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft hinsichtlich der Beklagten zu 1) an ihrem CEO und hinsichtlich der Beklagten zu 2) und zu 3) an ihrem jeweiligen Geschäftsführer zu vollziehen ist, zu unterlassen,
  3. 1. Mobilstationen
  4. in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen
  5. mit einem Speicher, der dazu eingerichtet ist, um Computerprogrammanweisungen und ein virtuelles Übertragungszeitintervall zu speichern, das unabhängig von einem Luftschnittstellenübertragungszeitintervall ist und ein Minimalzeitintervall festlegt, das zwischen erweiterten Aufwärtsstreckenübertragungen erlaubt ist, einem Drahtlosempfänger, einem Prozessor, der mit dem Speicher und dem Drahtlossendeempfänger gekoppelt ist, und dazu eingerichtet ist, um zu überprüfen, um zu bestimmen, ob die Mobilstation Datenpakete in einem gegenwärtigen Luftschnittstellenübertragungszeitintervall überträgt und für den Fall, in dem bestimmt ist, dass die Mobilstation nicht in dem gegenwärtigen Luftschnittstellenübertragungszeitintervall überträgt, um den Sender dazu zu bringen, ein nächstes Datenpaket erst nachdem eine durch das virtuelle Übertragungszeitintervall bestimmte Periode als verstrichen bestimmt ist, zu übertragen, wobei das virtuelle Übertragungszeitintervall für eine autonome erweiterte Aufwärtsstreckenübertragung, bei der eine Ablaufplanungsgewährung von einem Netzwerk nicht benötigt wird, verwendet ist,
  6. wobei die Mobilstation einen mit dem Drahtlossendeempfänger gekoppelten Funkverbindungssteuerpuffer aufweist und wobei die Überprüfung, um zu bestimmen, ob die Mobilstation Datenpakete in einem gegenwärtigen Luftschnittstellenübertragungszeitintervall überträgt, eine Überprüfung umfasst, um zu bestimmen, ob der Funkverbindungssteuerpuffer leer ist;
  7. 2. UMTS-fähige Mobiltelefone und Tablets
  8. Abnehmern im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland anzubieten und/oder an solche zu liefern
  9. die geeignet sind zur Durchführung eines Verfahrens, das durch eine Mobilstation für eine autonome erweiterte Aufwärtsstreckenübertragung, bei der eine Ablaufplanungsgewährung von einem Netzwerk nicht benötigt wird, durchgeführt wird, mit einem Bestimmen eines virtuellen Übertragungszeitintervalls für eine Medienzugriffssteuereinheit, wobei das virtuelle Übertragungszeitintervall ein Minimalzeitintervall festlegt, das zwischen erweiterten Aufwärtsstreckenübertragungen erlaubt ist, einem Überprüfen, um zu bestimmen, ob die Medienzugriffssteuereinheit Datenpakete in einem gegenwärtigen Luftschnittstellenübertragungszeitintervall überträgt, und für den Fall, in dem bestimmt ist, dass die Medienzugriffssteuereinheit nicht in dem gegenwärtigen Luftschnittstellenübertragungszeitintervall überträgt, mit einem Übertragen eines nächsten Datenpakets erst nachdem eine durch das virtuelle Übertragungszeitintervall bestimmte Periode als verstrichen bestimmt ist,
  10. wobei das Überprüfen um zu bestimmen, ob die Medienzugriffssteuereinheit Datenpakete in einem gegenwärtigen Luftschnittstellenübertragungszeitintervall überträgt, ein Überprüfen umfasst, um zu bestimmen, ob die Medienzugriffssteuereinheit deren Funkverbindungssteuerpuffer geleert hat.
  11. II. Die Beklagten werden verurteilt, der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang die Beklagten zu 1) und zu 2) die zu Ziffern I.1 und I.2 bezeichneten Handlungen hinsichtlich angegriffener Ausführungsformen der Marke „A“ und die Beklagten zu 1) und zu 3) die zu Ziffern I.1 und I.2 bezeichneten Handlungen hinsichtlich angegriffener Ausführungsformen der Marke „B“ seit dem 18. Februar 2015 begangen haben, und zwar unter Angabe
  12. 1. der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderen Vorbesitzer,
    2. der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
    3. der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden;
  13. wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind und geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen.
  14. III. Die Beklagten werden verurteilt, der Klägerin im Wege eines chronologisch geordneten Verzeichnisses darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagten zu 1) und zu 2) die zu Ziffern I.1 und I.2 bezeichneten Handlungen hinsichtlich angegriffener Ausführungsformen der Marke „A“, und die Beklagten zu 1) und zu 3) die zu Ziffern I.1 und I.2 bezeichneten Handlungen hinsichtlich angegriffener Ausführungsformen der Marke „B“ seit dem 18. März 2015 begangenen haben, und zwar unter Angabe
  15. 1. der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen,
    -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,
    2. der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen,
    – zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
    3. der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, im Falle von Internet-Werbung der Domain, der Suchmaschinen und anderer Marketingwerkzeuge, mit Hilfe derer die betroffenen Webseiten einzeln oder gemeinsam registriert wurden, der Zugriffszahlen und der Schaltungszeiträume jeder Kampagne;
    4. der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns;
  16. wobei den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist.
  17. IV. Es wird festgestellt, dass die Beklagten zu 1) und zu 2) als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die Handlungen zu I.1 und I.2 hinsichtlich angegriffener Ausführungsformen der Marke „A“ seit dem 18. März 2015 entstanden ist und noch entstehen wird und dass die Beklagten zu 1) und zu 3) als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die Handlungen zu I.1. und I.2. hinsichtlich angegriffener Ausführungsformen der Marke „B“ seit dem 18. März 2015 entstanden ist und noch entstehen wird.
  18. V. Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, hinsichtlich angegriffener Ausführungsformen der Marke „A“ die in ihrem unmittelbaren Besitz oder Eigentum befindlichen, unter I.1 bezeichneten Erzeugnisse, zu vernichten oder nach ihrer Wahl an einen von ihr zu benennenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf ihre – der Beklagten zu 2) – Kosten herauszugeben.
  19. VI. Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, hinsichtlich angegriffener Ausführungsformen der Marke „A“ die unter I.1 bezeichneten, seit dem 18. Februar 2015 in Verkehr gebrachten Erzeugnisse gegenüber gewerblichen Abnehmern unter Hinweis auf den gerichtlich festgestellten (Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 27. August 2020) patentverletzenden Zustand der Sache und mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen und die Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen.
  20. VII. Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
  21. VIII. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 2.400.000,00 Euro, wobei für die Vollstreckung der einzelnen titulierten Ansprüche folgende Teilsicherheiten festgesetzt werden:
  22. Ziff. I., V., VI.: 1.900.000,00 Euro
    Ziff. II, III.: 480.000,00 EUR
    Ziff. VII.: 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages
  23. Tatbestand
  24. Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents 1 797 XXX B 1 (nachfolgend: Klagepatent) in Anspruch.
  25. Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des Klagepatents, das am 30. September 2005 unter Inanspruchnahme zweier Prioritäten vom 1. Oktober 2004 und 8. August 2005 angemeldet wurde. Der Hinweis auf die Erteilung des Klagepatents wurde am 18. Februar 2015 veröffentlicht. Das Klagepatent steht in Kraft. Gegen das Klagepatent ist Nichtigkeitsklage erhoben worden, über die noch nicht entschieden wurde.
  26. Das Klagepatent wurde ursprünglich von einer Gesellschaft des F-Konzerns angemeldet und die Anmeldung im Jahr 2011 über mehrere Zwischenerwerber auf die Klägerin, die zunächst unter C firmierte, übertragen. Das Klagepatent wurde sodann mit Entscheidung des Europäischen Patentamts vom 22. Januar 2015 gegenüber der C erteilt (Anlage EIP A 9) und die Änderung der Firmierung der Klägerin am 24. Februar 2015 in das Register eingetragen.
  27. Das in englischer Verfahrenssprache verfasste Klagepatent betrifft einen langsamen MAC-E für autonomes Senden über einen Hochgeschwindigkeits-Uplink-Paketzugang sowie dienstespezifische Sendezeitsteuerung. Die Klägerin macht die Kombination der Patentansprüche 1 und 4 einerseits sowie 23 und 26 andererseits geltend. Sie lauten in deutscher Übersetzung:
  28. 1. Verfahren, das durch eine Mobilstation für eine autonome erweitere Aufwärtsstreckenübertragung, bei der eine Ablaufplanungsgewährung von einem Netzwerk nicht benötigt wird, durchgeführt wird, mit einem Bestimmen eines virtuellen Übertragungszeitintervalls für eine Medienzugriffssteuereinheit,
  29. wobei das virtuelle Übertragungszeitintervall ein Minimalzeitintervall festlegt, das zwischen erweiterten Aufwärtsstreckenübertragungen erlaubt ist, einem Überprüfen, um zu bestimmen, ob die Medienzugriffssteuereinheit Datenpakete in einem gegenwärtigen Luftschnittstellenübertragungszeitintervall überträgt, und für den Fall, in dem bestimmt ist, dass die Medienzugriffssteuereinheit nicht in dem gegenwärtigen Luftschnittstellenübertragungszeitintervall überträgt, mit einem Übertragen eines nächsten Datenpakets erst nachdem eine durch das virtuelle Übertragungszeitintervall bestimmte Periode als verstrichen bestimmt ist.
  30. 4. Verfahren nach Anspruch 1, wobei das Überprüfen, um zu bestimmen, ob die Medienzugriffssteuereinheit Datenpakete in einem gegenwärtigen Luftschnittstellenübertragungszeitintervall überträgt, ein Überprüfen umfasst, um zu bestimmen, ob die Medienzugriffssteuereinheit deren Funkverbindungssteuerpuffer geleert hat.
  31. und
  32. 23. Mobilstation, mit einem Speicher, der dazu eingerichtet ist, um Computerprogrammanweisungen und ein virtuelles Übertragungszeitintervall zu speichern, das unabhängig von einem Luftschnittstellenübertragungszeitintervall ist und ein Minimalzeitintervall festlegt, das zwischen erweiterten Aufwärtsstreckenübertragungen erlaubt ist, einem Drahtlosempfänger, einem Prozessor, der mit dem Speicher und dem Drahtlossendeempfänger gekoppelt ist, und dazu eingerichtet ist, um zu überprüfen, um zu bestimmen ob die Mobilstation Datenpakete in einem gegenwärtigen Luftschnittstellenübertragungszeitintervall überträgt,
  33. und für den Fall, in dem bestimmt ist, dass die Mobilstation nicht in dem gegenwärtigen Luftschnittstellenübertragungszeitintervall überträgt, um den Sender dazu zu bringen, ein nächstes Datenpaket erst nachdem eine durch das virtuelle Übertragungszeitintervall bestimmte Periode als verstrichen bestimmt ist, zu übertragen, wobei das virtuelle Übertragungszeitintervall für eine autonome erweiterte Aufwärtsstreckenübertragung, bei der eine Ablaufplanungsgewährung von einem Netzwerk nicht benötigt wird, verwendet ist.
  34. 26. Mobilstation nach Anspruch 23, ferner mit einem mit dem Drahtlossendeempfänger gekoppelten Funkverbindungssteuerpuffer, und wobei die Überprüfung, um zu bestimmen, ob die Mobilstation Datenpakete in einem gegenwärtigen Luftschnittstellenübertragungszeitintervall überträgt, eine Überprüfung umfasst, um zu bestimmen, ob der Funkverbindungssteuerpuffer leer ist.
  35. Hinsichtlich der „insbesondere“ geltend gemachten Unteransprüche wird auf die Klagepatentschrift verwiesen.
  36. Die nachfolgende Abbildung (Figur 2 des Klagepatents) zeigt beispielhaft anhand eines Flussdiagramms den Gegenstand der Erfindung:
  37. Die weiteren Abbildungen (Figuren 3 und 4 des Klagepatents) zeigen beispielhaft Zeitdiagramme unter Anwendung des Erfindungsgegenstandes.
  38. Die Beklagte zu 1) ist ein in China ansässiges, international tätiges Elektronikunternehmen. Die Firma der Beklagten zu 1) findet sich auf Mobiltelefonen und Tablets der Marken „A“ und auf Mobiltelefonen der Marke „B“. Sie betreibt die Webseite www.A.com.
    Die Beklagte zu 2) ist ein deutsches Tochterunternehmen der Beklagten zu 1) und bietet über die Webseite consumer.A.com/de Mobiltelefone und Tablets der Marken „A“ in der Bundesrepublik Deutschland zum Kauf an.
  39. Die Beklagte zu 3) ist ebenfalls ein deutsches Tochterunternehmen der Beklagten zu 1) und bietet über die Webseite store.hiB.com/de/ ebenfalls Mobiltelefone der Marke „B“ in der Bundesrepublik Deutschland zum Kauf an.
  40. Die Klägerin wendet sich mit ihrer Klage gegen das Anbieten und Vertreiben von Mobiltelefonen und Tablets durch die Beklagten, die unter den Marken „A“ bzw. „B“ in der Bundesrepublik vertrieben werden und mit dem UMTS-Standard kompatibel sind (angegriffene Ausführungsform).
  41. Bei UMTS handelt es sich um einen Mobilfunkstandard. Dieser stellt für die Datenübertragung im Uplink neben dezidierten Kanälen („Dedicated Channels“), die eine konstante Bandbreite und Datenrate zur Übertragung von Nutzdaten von der Mobilstation zum Netzwerk bieten, einen Hochgeschwindigkeitskanal („Enhanced Dedicated Channel“ oder „E-DCH“) bereit, der in den technischen Spezifikationen 3GPP TS 25.308 (Anlage EIP A 4), 3GPP TS 25.XXX (Anlage EIP A 5), 3GPP TS 25.331 (Anlage EIP A 6) und 3GPP TS 25.319 (Anlage EIP A 7) näher beschrieben wird.
  42. Im Netzwerk nach dem UMTS-Standard stehen nur begrenzte Aufwärtsstreckenressourcen für die Datenübermittlung zur Verfügung. Es bedarf daher einer zeitlichen Ablaufplanung durch die Basisstation (NodeB) dahingehend, wann welche Mobilstation in der Aufwärtsstrecke über den E-DCH Daten übertragen darf. Hierzu dienen vordefinierte Luftschnittstellenübertragungszeitintervalle, in denen die betreffende Mobilstation Daten übermitteln kann. Diese Luftschnittstellenübertragungszeitintervalle definieren einen Zeitrahmen, der der jeweiligen Mobilstation zur Verfügung steht. Hat die Mobilstation in diesem Zeitrahmen keine Daten zu übermitteln (weil keine Daten vorliegen), wechselt sie unter bestimmten Bedingungen in einen Inaktivitätsmodus, einen „Schlafmodus“. Erst mit Beginn des nächsten vordefinierten Luftschnittstellenübertragungszeitintervalls kann die Mobilstation dann Daten übermitteln.
  43. Das System zur schnellen Datenübertragung im Uplink ist in Schichten aufgebaut und umfasst auf der Seite der Mobilstation (UE) die MAC-d-Schicht, die MAC-es/e-Schicht und die physikalische Schicht. Es ergibt sich folgende Protokollarchitektur eines E-DCH (vgl. Ziffer 6.1 der 3GPP TS 25.319, Anlage EIP A 7).
  44. Die MAC-Schicht formatiert und bündelt die erhaltenen Daten und leitet diese an die physikalische Schicht zur Übertragung an die Basisstation weiter. Die MAC-Schicht erhält diese Daten von der im Schichtenmodell über ihr befindlichen Radio Link Control Schicht („RLC-Schicht“). Der Aufbau dieser Schichten wird nachfolgend noch einmal verdeutlicht (vgl. Ziffer 7.25 der 3GPP TS 25.319, Anlage EIP A 7):
  45. Eine Datenübertragung kann in dem jeweils zur Verfügung stehenden (Luftschnittstellen)Übertragungszeitintervall (TTI) erfolgen oder aber nach Ablauf einer im UMTS-Standard festgelegten Periode, dem sogenannten MAC-DTX-Zyklus. Dieser ist unabhängig von einem TTI, das regelmäßig auf 2 oder 10 ms eingestellt ist, und kann eine abweichende Dauer haben. Der MAC-DTX-Zyklus wird dabei als eine Anzahl von Subframes spezifiziert (vgl. Ziffer 10.3.6.34 der 3GPP TS 25.331, Anlage EIP A 6):
  46. Jeder dieser Subframes ist Teil eines Frames. Aufwärtsstreckenübertragungen werden in diese Frames unterteilt. Jeder Frame besteht aus fünf Subframes, ist nummeriert und wird durch seine „Connection Frame Number“ (CFN) identifiziert. Die Subframes sind ebenfalls durchnummeriert, beginnend mit #0 bis #4. Jeder Subframe korrespondiert mit einem TTI.
  47. Dem oberen Abschnitt der Tabelle (grau hinterlegt) ist zu entnehmen, dass der MAC-DTX-Zyklus auf verschiedene Subframes und damit auf unterschiedliche Längen eingestellt werden kann. Innerhalb dieser vordefinierten, zyklisch wiederkehrenden Zeitinstanzen kann eine Mobilstation im UMTS-Standard ebenfalls Datenübertragungen vornehmen. Der MAC-DTX-Zyklus verzögert dabei unter bestimmten Voraussetzungen die Übertragung der Daten, da er die Übertragungskontrolle übernimmt. Neue Datenpakete werden nur dann zum Zwecke der Übertragung zusammengestellt, wenn ein MAC-DTX-Zyklus abgelaufen ist (sog. „Enhanced Traffic Format Combination, „E-TFC“).
  48. Wegen der Einzelheiten der technischen Spezifikationen 3GPP TS 25.308, 3GPP TS 25.XXX, 3GPP TS 25.331 und 3GPP TS 25.319 wird auf die Anlagen EIP A 4, EIP A 5, EIP A 6 und EIP A 7 verwiesen.
  49. Die Klägerin hat gegenüber dem European Telecommunication Standard Institute (im Folgenden: ETSI) das Klagepatent betreffende Erklärungen abgegeben, wonach sie bereit ist, Lizenzen an dem Klagepatent zu fairen, angemessenen und nicht-diskriminierenden Bedingungen (im Folgenden: FRAND bzw. FRAND-Bedingungen) zu vergeben.
  50. Das Klagepatent ist Teil eines Portfolios der Klägerin, welches sie potenziellen Lizenznehmern für die Benutzung ihrer, der Klägerin, für den „2G-, 3G- und/oder 4G-Standard“ wesentlichen Patente anbietet („HH“).
  51. Die Klägerin ist für die 3G-Technologie zwischenzeitlich dem von Via Licensing verwalteten sog. „Multi-Generation-Pool“ beigetreten. Auch über diesen kann nunmehr eine Lizenznahme an den für den 3G-Standard relevanten Patenten, unter anderem dem Klagepatent, erfolgen.

    Mit E-Mail vom 29.04.2014 wies die Klägerin die Beklagte auf die Verletzung des hier streitgegenständlichen Portfolios hin, indem sie beispielhaft Produkte der Beklagten nannte und diesen Portfoliopatente zuwies, die ihrer Meinung nach durch die Produkte verletzt werden. Wegen des genauen Inhalts der E-Mail wird auf diese Bezug genommen (Anlagenkonvolut EIP A37; deutsche Übersetzung: Anlagenkonvolut EIP A37a).

  52. An die Verletzungsanzeige der Klägerin schlossen sich persönliche Treffen zwischen den Parteien an, und es erfolgte in den Jahren 2015 – 2017 umfangreiche E-Mailkorrespondenz, wegen deren genauen Inhalt auf die Anlagenkonvolute EIP A37 – EIP A43 (deutsche Übersetzungen: Anlagenkonvolute EIP A37a – EIP A43a) sowie die Anlagenkonvolute EIP A45 und EIP A46 (deutsche Übersetzungen: Anlagenkonvolute EIP A45a und EIP A46a) verwiesen wird.
  53. Ausführungen zu Lizenzverträgen mit Dritten machte die Klägerin im Rahmen der außergerichtlichen Lizenzverhandlungen nicht.
  54. Ende Juli 2017 erhob die Klägerin vor dem High Court of England and Wales in London Klage (Az.: HP-2017-000048), mit der sie unter anderem die Feststellung einer angemessenen weltweiten Lizenz anstrebt. Für den Fall, dass die Beklagten die Zustimmung zu den gerichtlich festgestellten Vertragsbedingungen nicht erteilen, begehrt die Klägerin in dem englischen Verfahren außerdem den Ausspruch eines Unterlassungstitels (sog. „FRAND-Unterlassungsverpflichtung“). Wegen des konkreten Inhalts der Klage wird auf das sog. „FRAND Statement of Case“ (im Folgenden: FSoC), hier Anlagenkonvolut EIP A44 (deutsche Übersetzung: Anlage EIP A44ab), verwiesen. Eine Entscheidung in dem englischen Verfahren, in dem auch Gesellschaften des D-Konzerns Beklagte sind, steht noch aus.
  55. Gleichzeitig übersandte die Klägerin der Beklagten zu 2) ein Angebot, welches hier als Anlagenkonvolut EIP A44 (deutsche Übersetzung: Anlage EIP A44ab) vorliegt. Dieses Angebot sieht unter Ziffer 4.2 eine im Verhältnis zum Nettoverkaufspreis prozentual zu bemessende Lizenzgebühr wie folgt vor:
  56. Die deutsche Übersetzung der Regelung (orientiert an Anlage EIP B44ab) lautet wie folgt:
  57. „4.2 Für die Endbenutzergeräte:
  58. 4.2.1 0,160 % des Nettoverkaufspreises für jedes Endbenutzergerät, das nur 2G-konform ist und in wichtigen 2G-Märkten verkauft wird, und 0,0 % des Nettoverkaufspreises für jedes Endbenutzergerät, das nur 2G-konform ist und in sonstigen Märkten oder China verkauft wird;
  59. 4.2.2 0,170 % des Nettoverkaufspreises für jedes Endbenutzergerät, das mindestens 3G-konform, jedoch nicht 4G-konform ist, das in den wichtigen 3G-Märkten verkauft wird; 0,160 % des Nettoverkaufspreises für jedes Endbenutzergerät, das mindestens 3G- und 2G-konform, jedoch nicht 4G-konform ist, das in sonstigen 3G-Märkten, die ebenfalls wichtige 2G-Märkte sind, verkauft wird; und 0,043 % des Nettoverkaufspreises für jedes Endbenutzergerät, das mindestens 3G-konform, jedoch nicht 4G-konform ist, das in sonstigen 3G- und 2G-Märkten oder in China verkauft wird;
  60. 4.2.3 0,149 % des Nettoverkaufspreises für jedes Endbenutzergerät, das mindestens 4G-konform ist, das in wichtigen 4G-Märkten verkauft wird; 0,170 % des Nettoverkaufspreises für jedes Endbenutzergerät, das mindestens 4G- und 3G-konform ist und in sonstigen 4G-Märkten verkauft wird, die ebenfalls wichtigen 3G-Märkten entsprechen; 0,160 % des Nettoverkaufspreises für jedes Endbenutzergerät, das mindestens 4G, 3G- und 2G-konform ist und in Märkten verkauft wird, die sonstige 4G- und 3G-Märkte sind und auch den wichtigen 2G-Märkten entsprechen; und 0,033 % des Nettoverkaufspreises für jedes Endbenutzergerät, das mindestens 4G-konform ist und in sonstigen 4G-, 3G- und 2G-Märkten oder in China verkauft wird.“
  61. Ausweislich der zitierten Regelungen differenziert der Vertragsentwurf die Lizenzgebühren in Abhängigkeit zu dem implementierten Standard und dem jeweiligen Markt, auf dem das Endbenutzergerät vertrieben wird. Dabei teilt der Vertragsentwurf das Lizenzgebiet nach Ziffer 1.25 und Ziffer 1.26 in „Major Markets“ und in „Other Markets“ in Abhängigkeit zu der Anzahl der für den jeweiligen Markt bestehenden Schutzrechte auf. Der chinesische Markt ist von dieser Einteilung ausgenommen, er stellt ein eigenständiges Lizenzgebiet dar, dessen Gebühren sich an denjenigen für einen „Other Market“ orientieren.
  62. Zur Begründung der vorgeschlagenen Lizenzgebühren führte die Klägerin – in Übereinstimmung mit dem von ihr angestrengten britischen Verfahren und unter Verweis auf die zugestellte Klageschrift (vgl. Begleitschreiben zu dem Vertragsentwurf vom 25.07.2017, Anlagenkonvolut EIP A44; deutsche Übersetzung: Anlage EIP A44ab) – aus, der Vertragsentwurf sei im Wesentlichen mit dem Vertragsentwurf identisch, welcher der Vorsitzende Richter EE (High Court of Justice) seiner Entscheidung vom 07. Juni 2017 im Fall N v. A [2017] EWHC 1304 (Pat.) (vorgelegt mit Anlagenkonvolut EIP A47; deutsche Übersetzung: Anlage EIP A47ab; nachfolgend auch: C-Urteil 2; Der Vertragsentwurf des englischen Verfahrens ist Teil des C-Urteils 2 und diesem als Anhang beigefügt) zugrunde gelegt habe. Die Lizenzgebühr in dem Vertragsentwurf des britischen Verfahrens ist von EE in derselben Sache in der Entscheidung mit dem Aktenzeichen [2017] EWHC 711 (Pat) ermittelt worden. Die Klägerin führte zur Begründung weiter an, die von ihr vorgeschlagene Lizenzgebühr sei dem von EE bestimmten Ansatz nachempfunden, und stelle sich deshalb als FRAND-gemäß dar. Die Klägerin nimmt im Rahmen des hiesigen Verfahrens dann stets auf eine Entscheidung vom 30.11.2017 mit dem Aktenzeichen [2017] EWHC 2988 (Pat) (vorgelegt in der Originalfassung mit Anlagenkonvolut EIP A47; auszugsweise deutsche Übersetzung: Anlagenkonvolut A47ab; nachfolgend auch: C-Urteil 1) Bezug. Dabei handelt es sich um die rechtskräftige, öffentliche Form des Urteils mit dem Aktenzeichen [2017] EWHC 711 (Pat). Beide Fassungen gehen auf die am 05.04.2017 verkündete vertrauliche Urteilsfassung mit dem Aktenzeichen [2017] EWHC 705 (Pat) zurück. Das C-Urteil 1 und das C-Urteil 2 werden im Folgenden zusammen als „C-Urteile“ bezeichnet.
  63. Auch hinsichtlich seines übrigen Inhalts lehnt sich der Vertragsentwurf der Klägerin an die britischen Entscheidungen in Sachen N v. A an.
  64. Die Klägerin richtete ihr Angebot auch an andere Unternehmen wie beispielsweise an den D-Konzern (Beklagte in dem vor der hiesigen Kammer mit dem Aktenzeichen 4b O 31/18 laufenden Parallelverfahren).
  65. Im April 2019 unterbreitete die Klägerin den Beklagten im Rahmen des in England anhängigen Rechtsstreits ein neues Angebot, welches eine höhere prozentuale Gebühr vorsieht. Beide Angebote stehen den Beklagten einer Erklärung der Klägerin zufolge zur Annahme zur Verfügung.
  66. Neben der hiesigen Beklagten und dem D-Konzern geht die Klägerin auch gegen den
    E (vor dem LG München I) [in 4b O 48/18]: aus dem Klagepatent auf Unterlassung vor.
  67. Am 12. März 2020 unterbreiteten die Beklagten der Klägerin sog. „Key Offer Terms“ (Anlage EIP B63; deutsche Übersetzung: Anlage EIP B63a). Sie erklärten in diesem Zusammenhang, die darin vorgesehene Lizenzgebühr leite sich aus ihrem, der Beklagten, Lizenzvertrag mit F ab. Weitere Erklärungen zur Berechnung der Lizenzgebührenhöhe lehnten die Beklagten unter Verweis auf eine Geheimhaltungsvereinbarung mit F ab.
  68. Die „Key Offer Terms“ sehen ein Gebührensystem wie folgt vor:
    In Ländern, in denen der Klägerin standardessentielle Patente gewährt wurden (mit Ausnahme von China und den USA), soll eine prozentuale Lizenzgebühr von 0,0154% anfallen. Für China und für Länder, in denen der Klägerin keine als wesentlich erklärten Standards erteilt wurden, soll eine prozentuale Gebühr in Höhe von 0,0018% anfallen. Für die USA wird eine prozentuale Gebühr von 0,075% angeboten.
  69. Die Klägerin ist der Ansicht, Angebot und Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform durch die Beklagten stellten eine unmittelbare Verletzung von Anspruch 23 und 26 sowie eine mittelbare Verletzung von Anspruch 1 und 4 des Klagepatents dar. Die angegriffene Ausführungsform verwende den im UMTS-Standard vorgesehenen MAC-DTX-Zyklus im Uplink. Dieser MAC-DTX-Zyklus lege Zeitintervalle zur Aufwärtsstrecken-(Uplink)-Übertragung über den E-DCH-Kanal fest und sei unabhängig von einem Luftschnittstellenübertragungszeitintervall, da er unterschiedliche Längen haben kann, unabhängig davon, ob die Dauer des Luftschnittstellenübertragungszeitintervalls 2 oder 10 ms beträgt. Der MAC-DTX-Zyklus bestimme damit ein Minimalzeitintervall, das zwischen zwei neuen autonomen erweiterten Aufwärtsstreckenübertragungen erlaubt sei. Er komme bei der sog. Enhanced Traffic Format Combination zur Anwendung, bei der neue Datenpakete nur dann zusammengestellt werden, wenn eine, durch den MAC-DTX-Zyklus bestimmte Periode abgelaufen sei.
  70. Die Klägerin ist weiter der Ansicht, ihr stünden die geltend gemachten Ansprüche auch im Hinblick auf die Standardessentialität des Klagepatents zu.
  71. Unbeschadet dessen, dass sie schon eine marktbeherrschende Stellung nicht innehabe, habe sie eine solche auch durch Geltendmachung der auf Unterlassung, Rückruf und Vernichtung gerichteten Ansprüche missbräuchlich ausgenutzt. Sie habe sich insbesondere FRAND-konform im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH verhalten.
  72. Eine marktbeherrschende Stellung könne nicht schon aufgrund der Standardessentialität des Klagepatents vermutet werden. Das Vorliegen einer ETSI-FRAND Erklärung widerspreche der Annahme einer marktbeherrschenden Stellung vielmehr, weil sie den Inhaber des standardessentiellen Patents (im Folgenden auch: SEP) zur Lizenzierung unter FRAND-Bedingungen verpflichte.
  73. Des Weiteren bestehe mit der Möglichkeit zur Lizenznahme über den von Via Licensing verwalteten Multi-Generation-Pool eine alternative Möglichkeit zur Lizenznahme, die einer marktbeherrschenden Stellung entgegenstehe. Sie, die Klägerin, habe diesbezüglich auch keine Möglichkeit zur unmittelbaren Einflussnahme auf Vertragskonditionen oder die Auswahl des Vertragspartners, was die Beklagten mit Nichtwissen bestreiten.
  74. Aufgrund des gesamten Verhaltens der Beklagten könne bereits nicht mehr von deren Lizenzwilligkeit ausgegangen werden. Insbesondere zeige die Verhandlungshistorie, dass es den Beklagten darauf ankomme, die Lizenzvertragsverhandlungen zu verzögern.
  75. Sie, die Klägerin, sei auch ihren Erläuterungspflichten im Zusammenhang mit dem streitgegenständlichen Angebot aus Juli 2017 nachgekommen.
  76. In diesem Zusammenhang behauptet die Klägerin, die von ihr mit G und der H abgeschlossenen Verträge hätten einen Marktaustritt zum Gegenstand gehabt. Soweit sich auf dem Markt noch „H“-Mobiltelefone befinden würden, betreffe dies ausschließlich den indischen Markt, der von einer anderen H Gesellschaft bedient werde und der von der damaligen Vereinbarung nicht abgedeckt gewesen sei. Verträge, die sich bereits für einen Vergleich von vornherein nicht eignen würden, seien auch nicht vorzulegen.
  77. Der Vertrag mit J betreffe ein völlig anderes Patentportfolio, nämlich ein solches für Implementierungspatente.
  78. Weitere Lizenzverträge, die mit dem hier streitgegenständlichen Vertragsangebot vergleichbar sind, und die sie, die Klägerin, abgeschlossen habe, würden nicht existieren. Die von den Beklagten in Bezug genommenen Lizenzverträge mit K, L und M seien durch F abgeschlossen worden. Diese seien zudem nicht vergleichbar, weil sie Kreuzlizenzelemente aufweisen würden.
  79. Sie, die Klägerin, müsse auch zu etwaigen Verträgen von F nicht vortragen.
  80. Über die von ihrer Rechtsvorgängerin mit Dritten abgeschlossenen Lizenzverträge seien die Beklagten offensichtlich besser im Bilde, weshalb es einer Erläuterung dazu durch sie, die Klägerin, auch insoweit nicht bedürfe. Zudem enthielten diese Kreuzvertragslizenzelemente und seien bereits beendet.
  81. Im Übrigen habe sie, die Klägerin, sich auch vollumfänglich im Einklang mit den Anforderungen der EuGH-Rechtsprechung verhalten, insbesondere erweise sich das Angebot aus Juli 2017 als FRAND-gemäß.
  82. Sie habe den Beklagten das streitgegenständliche Portfolio betreffende Claim-Charts bereits im September 2014 und auch im Januar 2018 zur Verfügung gestellt.
  83. Die in dem Vertragsentwurf vorgeschlagenen Lizenzgebühren seien fair und angemessen festgesetzt. Die C-Urteile, an denen sich der Vorschlag der Lizenzgebühren orientiere, seien Ausdruck dessen, was am Markt üblich gewesen sei. Eine Orientierung an den Urteilen sei sachgerecht, weil es sich bei dem Portfolio der Klägerin und dem – in der britischen Entscheidung streitgegenständlichen – Portfolio von N um hinsichtlich der Größe vergleichbare Portfolios von 2G-, 3G- und 4G Patenten handele. Die Berechnungsmethode aus den C-Urteilen sei verallgemeinerungsfähig, da sie sich von vergleichbaren Lizenzen, die zwischen Wettbewerbern auf dem freien Markt geschlossen worden seien, ableite und die Ergebnisse mittels des „Top-Down-Approach“ auf ihre Nachvollziehbarkeit überprüft worden seien. Es sei allgemein anerkannt, dass die Urteile den SEP-Inhabern gleichermaßen eine praktische Anleitung geben, wie FRAND-Lizenzgebühren unter Berücksichtigung von realistischen wirtschaftlichen Annahmen bestimmt werden.
  84. Zur Ermittlung, welche ihrer Patentfamilien standardessentiell sind, habe sie, die Klägerin, eine detaillierte Analyse ihres eigenen Portfolios durchgeführt. Danach ergebe sich die folgende Anzahl relevanter Patentfamilien: für GSM 5, für UMTS 14 und für II 9 Schutzrechte.
  85. Die übrigen von den Beklagten angegriffenen Klauseln seien – wie der dem C-2 Urteil beigefügte Vertragsentwurf zeige – branchenüblich.
  86. Die in Ziffer 4.3 vorgesehene jährliche Anpassungsmöglichkeit stelle einen hinreichenden Anpassungsmechanismus für einen variierenden Schutzrechtsbestand dar. In diesem Zusammenhang sei auch zu berücksichtigen, dass die Klägerin die Lizenzgebühren allein anhand der „wirklich essentiellen Patente“ berechnet habe.
  87. An eine fehlende Anpassungsklausel könne der Vorwurf der Unangemessenheit bereits deshalb nicht geknüpft werden, weil der Vorschlag der Beklagten aus März 2020 gar keine Anpassungsklausel vorsehe, es den Beklagten mithin auf eine solche nicht ankomme. Komplizierte Anpassungsklauseln seien zudem branchenunüblich, weil Parteien eines einmal abgeschlossenen Vertrages nicht ständig eine Neubewertung des Portfolios vornehmen wollen würden. Soweit ihr Vertragsentwurf sich nicht zu einer Abschaltung des UMTS-Netzes durch die deutschen Netzbetreiber O und P verhalte, sei dies zum einen deshalb nicht erforderlich, weil sich dieser Einwand allein auf Deutschland beziehe, und zum anderen deshalb, weil der größte Mobilfunkanbieter (Q) dies gerade nicht plane.
  88. Lizenzverträge mit Dritten, an denen sie, die Klägerin, sich im Hinblick auf ihre Lizenzierungspraxis orientieren müsse, würden nicht existieren.
  89. Sie, die Klägerin, betreibe auch keine selektive Rechtsdurchsetzung, weshalb ihr dies auch nicht als diskriminierendes Verhalten vorgeworfen werden könne. Sie stehe – was die Beklagten mit Nichtwissen bestreiten – mit anderen Herstellern von Smartphones in außergerichtlichen Lizenzverhandlungen. Darüber hinaus könne für einen derart zersplitterten Markt wie dem für Mobiltelefone keine kartellrechtliche Pflicht bestehen, gegen alle Anbieter zeitgleich vorzugehen.
  90. Bei den von den Beklagten im März 2020 offerierten „Key Offer Terms“ handele es sich schon nicht um ein vollständig ausformuliertes, annahmefähiges Angebot. Auch fehle es in dem Zusammenhang an hinreichenden Erläuterungen zur Berechnung der darin angesetzten Lizenzgebühren. Sofern sich die in den „Key Offer Terms“ vorgeschlagenen Lizenzen an einer Vereinbarung der Beklagten mit F orientiere, sei zudem anzunehmen, dass diese Kreuzvertragslizenzelemente beinhalte.
  91. Die Klägerin beantragt,
  92. – wie erkannt –
  93. Die Beklagten beantragen,
  94. die Klage abzuweisen,
  95. hilfsweise, den Rechtsstreit bis zur Entscheidung des Bundespatentgerichts über die Nichtigkeitsklage der Beklagten zu 2) auszusetzen.
  96. Die Beklagten sind der Meinung, die Klage sei unzulässig. Die Ansprüche auf Auskunft und Schadensersatz seien bereits im Vereinigten Königreich anhängig und aus diesem Grunde durch die vorgängige Rechtshängigkeit gesperrt.
  97. Die Beklagten stellen weiterhin in Abrede, dass die von ihnen angebotenen und vertriebenen Mobiltelefone und Tablets – insbesondere das von den Beklagten verwendete Uplink DTX-Verfahren im UMTS – von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch machen. DRX/DTX sei ein Schlafmodus für das Mobilgerät, in dem aus Gründen der Energieeinsparung das Dekodieren von empfangenen Signalen sowie das Kodieren von zu sendenden Signalen für einen gewissen Zeitraum, in dem Inaktivität seitens des Netzes und des Mobiltelefons besteht, abgeschaltet werde. Dies habe mit einer Verzögerung und damit einer Drosselung einer autonomen Datenübertragung nichts zu tun. Zudem bestimme die MAC-Schicht anhand der Nachricht von der RLC-Schicht bezüglich des RLC-Pufferfüllstandes nicht, ob dieser Puffer im laufenden Luftschnittstellenübertragungszeitintervall geleert werden könne, sondern ob der Puffer im vorangegangenen Luftschnittstellenübertragungszeitintervall geleert werden konnte. Schließlich verwendeten die Geräte der Beklagten das sogenannte „Minimum Set“ nicht.
  98. Zudem sei das Auskunftsverlangen der Klägerin zu weit gehend. Es stehe nur die Berechnungsmethode der Lizenzanalogie zur Verfügung, so dass schon grundsätzlich keine Angaben zu Angeboten bzw. Werbemitteln verlangt werden könnten. Jedenfalls sei der Antrag auf Auskunft über Namen und Anschriften der Empfänger von direkter Werbung als zu weitgehend zurückzuweisen.
  99. Die Beklagten erheben zudem den kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwand.
    In diesem Zusammenhang behaupten sie, das Klagepatent vermittle der Klägerin eine marktbeherrschende Stellung.
  100. Es fehle bereits an einem hinreichenden Verletzungshinweis. Denn die Klägerin habe im Zusammenhang mit ihrem Verletzungshinweis vom 29.04.2014 (Anlage EIP A37; deutsche Übersetzung: Anlage EIP A37a) und auch in der Folgezeit schon keine relevanten Claim Charts vorgelegt.
  101. Der Verletzungshinweis erweise sich weiter auch deshalb als ungenügend, weil er – insoweit unstreitig – das hiesige Klagepatent nicht erfasse
  102. Sie, die Beklagten, seien auch nach wie vor lizenzwillig. Ihnen könne keine Verzögerungstaktik vorgeworfen werden. Die Verzögerungen in den Vertragsverhandlungen seien dem Umstand geschuldet, dass die Klägerin ihnen aus strategischen Gründen Informationen vorenthalten und völlig überzogene Forderungen gestellt habe.
  103. Bisher fehle es aber auch an einem FRAND-gemäßen Angebot der Klägerin, weshalb diese ihre marktbeherrschende Stellung durch die Geltendmachung der Unterlassungs-, Vernichtungs- und Rückrufansprüche in dem hiesigen Verfahren missbrauche.
  104. Die Klägerin könne sich ihrer Transparenzpflicht im Hinblick auf die Art und Weise der Berechnung ihrer Lizenzen nicht mit dem Verweis auf ein ausländisches Urteil entledigen.
  105. Sie sei der sie treffenden Transparenzpflicht auch insoweit nicht nachgekommen, als sie die mit J, R und der H abgeschlossenen Lizenzverträge nicht vorgelegt und näher zu deren Inhalt vorgetragen habe. Diese Verträge seien auch dann vorzulegen, wenn sie tatsächlich einen Marktaustritt zum Gegenstand gehabt hätten. Ein solcher schließe auch eine Vergleichbarkeit nicht aus. Die H trete auch nach wie vor noch mit Mobiltelefonen am Markt auf.
  106. In diesem Zusammenhang würden weiter relevante Verträge mit K, L und M sowie mit S existieren.
  107. Die Klägerin sei auch an die Vertragspraxis ihrer Rechtsvorgängerin F gebunden, und müsse insoweit zu bestehenden Lizenzverträgen vortragen. Sie, die Beklagten, hätten eine ganze Kette von Lizenzverträgen mit F, die bis heute reichen und früher als 2011 beginnen würden.
  108. Dem Vertragsangebot würden für die Erläuterung maßgebliche Inhalte auch deshalb fehlen, weil die Klägerin keine Gerichtsentscheidungen vorlegt, die sich mit Lizenzverträgen bzw. mit Entscheidungen zur Verletzung und zum Rechtsbestand befassen.
  109. Bei den von der Klägerin zur Begründung der Angemessenheit der Lizenzgebühren in Bezug genommenen C-Urteilen handele es sich nicht um einen allgemeingültigen Vergleichsmaßstab für Mobilfunkportfolios. Der Inhalt der C-Urteile könne gerade nicht als Ausdruck freier Vertragsverhandlungen verstanden werden, weil die Verhaltensregeln der Parteien von der prozessualen Situation geprägt seien.
  110. Die in dem Vertragsentwurf vorgeschlagene Lizenzgebühr sei auch deshalb überhöht, weil sie sich auf ein Mehrfaches von dem belaufe, was F tatsächlich für sein gesamtes SEP-Portfolio erhalte.
  111. Selbst dann, wenn man eine Orientierung an der Berechnung in den C-Urteilen zulassen würde, sei diese für das hier streitgegenständliche Portfolio unrichtig, weil die Klägerin eine zu große Menge standardessentieller Patentfamilien (GSM: 5; UMTS:14 und LT: 9) annehme. Denn wie ausländische Gerichtsverfahren zeigten, sei davon auszugehen, dass ein Großteil der von der Klägerin in ihrem Portfolio eingelagerten Patente nicht rechtsbeständig bzw. nicht standardessentiell seien.
  112. Schließlich habe der chinesische Markt auch aus dem Vertragsangebot ausgeklammert werden müssen, weil für diesen – insoweit unstreitig – eine Lizenz durch ein chinesisches Gericht ausgeurteilt werde.
  113. Dem Vertragsangebot der Klägerin fehle auch eine Anpassungsklausel, die die Veränderungen des Rechtsbestands im Hinblick auf die zu zahlenden Lizenzgebühren hinreichend kompensiere. Das gelte weiter auch deshalb, weil in der vorgesehenen Regelung (Ziffer 4.3 des Vertragsentwurfs) die – von der Klägerin mit Nichtwissen bestrittene – Tatsache, dass das UMTS-Netz von der Deutschen Telekom und P Ende 2020 abgeschaltet werde, nicht berücksichtigt wird.
  114. Das Vertragsangebot der Klägerin stelle sich auch als diskriminierend dar, weil sie die Vorlage von von ihr mit Dritten abgeschlossenen Verträgen mit dem Verweis darauf, dass diese nicht vergleichbar seien, verweigert.
  115. Schließlich liege eine Diskriminierung der Beklagten durch die Klägerin auch darin, dass sie von den acht größten Mobiltelefonherstellern (T, U, V, W, X, Y, Z und AA) nur die Beklagten angreife, obwohl kein anderer der genannten Hersteller eine Lizenz genommen habe.
  116. Unbeschadet der FRAND-Widrigkeit des Angebots aus Juli 2017 habe die Klägerin dieses aber auch durch den Antrag des neuen Angebots aus April 2019 widerrufen.
  117. Schließlich meinen die Beklagten, das das Klagepatent werde sich im Nichtigkeitsverfahren als nicht rechtsbeständig erweisen, so dass die Verhandlung auszusetzen sei.
  118. Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
  119. Entscheidungsgründe
  120. Die Klage ist zulässig und begründet.
  121. A.
    Die Klage ist zulässig.
  122. Die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche auf Schadensersatz und Rechnungslegung sind nicht auf Grund anderweitiger Rechtshängigkeit wegen der im Vereinigten Königreich erhobenen Klage unzulässig. Gegenstand des englischen Verfahrens ist die Bestimmung einer angemessenen Lizenz für das Klagepatent, nicht aber die Verpflichtung zur Leistung von Schadensersatz für den geltend gemachten deutschen Teil des Klagepatents. Im Übrigen folgt die mangelnde anderweitige Rechtshängigkeit für die Beklagten zu 2) und zu 3) bereits aus dem Umstand, dass diese nicht Partei des englischen Verfahrens sind.
  123. B.
    Die Klage ist begründet.
  124. Die Klägerin hat gegen die Beklagten in tenoriertem Umfang Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung sowie Schadenersatz dem Grunde nach aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. §§ 139 Abs. 1, Abs. 2, 140b Abs. 1 PatG, §§ 242, 259 BGB sowie gegen die Beklagte zu 2) weitere Ansprüche auf Rückruf und Vernichtung aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 140a Abs. 1 und 3 PatG. Die angegriffene Ausführungsform macht von der Lehre des Klagepatents wortsinngemäß Gebrauch. Angebot und Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform durch die Beklagten erfolgten unberechtigt und begründen die genannten Ansprüche. Der von den Beklagten erhobene kartellrechtliche Zwangslizenzeinwand greift nicht durch.
  125. I.
    Die Klägerin ist anspruchsberechtigt.
  126. Für die Sachlegitimation im Verletzungsrechtsstreit maßgeblich ist grundsätzlich nicht der Eintrag im Patentregister, sondern die materielle Rechtslage (vgl. BGH GRUR 2013, 713, 716f. – Fräsverfahren; OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.09.2013, I-2 U 19/09, BeckRS 2013, 17381; OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.09.2013, I-2 U 100/07, BeckRS 2013, 18737). Soweit in die Zukunft gerichtete Unterlassungsansprüche geltend gemacht werden, ist die vorgenannte Differenzierung ohne Belang, weil die Beklagte nicht zur Unterlassung gegenüber einem bestimmten Berechtigten, sondern zur Unterlassung schlechthin verurteilt wird (BGH GRUR 2013, 713, 716f. – Fräsverfahren; vgl. auch Ohly GRUR 2016, 1120ff.; Pitz GRUR 2010, 688, 689; Kühnen, a.a.O., Kapitel D., Rn. 105). Soweit allerdings – wie im Streitfall – auch Auskunfts-, Rechnungslegungs- und Schadensersatzansprüche für die Vergangenheit geltend gemacht werden, stehen diese nur dem oder den zu dem jeweiligen Zeitpunkt materiell berechtigten Patentrechtsinhaber(n) zu (vgl. Ohly, a.a.O.). Für die Beurteilung der Frage, wer materiell-rechtlich Inhaber des Patents ist, kommt dem Patentregister in aller Regel eine erhebliche Indizwirkung zu (vgl. BGH GRUR 2013, 713, 716f. – Fräsverfahren).
  127. Entsprechende Darlegungs- und Beweisprobleme stellen sich demgegenüber nicht, wenn nicht das Patent, sondern die Patentanmeldung übertragen und das Patent zugunsten des Erwerbes und späteren Klägers erteilt wurde. Denn der Erteilungsbeschluss legt als rechtsgestaltender Verwaltungsakt nicht nur gegenständlich den Inhalt des Patents fest, sondern ordnet das erteilte Schutzrecht konstitutiv einem bestimmten Rechtsträger, dem aktuellen Anmelder, zu (vgl. Kühnen, a.a.O., Kapitel D. Rn. 129). Denn nach dem deutschen Recht wird mit Erteilung des Klagepatents gemäß § 7 Abs. 1 PatG (i. V. m. Art. 60 Abs. 3 EPÜ) derjenige, der zu diesem Zeitpunkt die Anmelderstellung innehat, nicht nur formell, sondern auch materiell-rechtlich Inhaber des erteilten Patents. § 7 Abs. 1 PatG statuiert demnach eine unwiderlegliche gesetzliche Vermutung. Der zu diesem Zeitpunkt als Anmelder Eingetragene wird daher – unabhängig von der materiellen Rechtslage – formell und materiell berechtigter Patentinhaber. Etwaige Mängel können lediglich mit Hilfe einer Vindikationsklage geltend gemacht werden (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil v. 6. April 2017, Az. I-15 UH 1/16, Rz. 81).
  128. Vorliegend war die Klägerin zum Zeitpunkt der Erteilung eingetragene Anmelderin, so dass es – insbesondere da auch keine Entschädigungsansprüche für den Zeitraum des Anmeldeprüfverfahrens geltend gemacht werden – nicht darauf ankommt, ob die Übertragung der Anmeldung von der F Corporation auf den 211 Intellectual Property Asset Trust und sodann auf die Klägerin wirksam war.
  129. II.
    Das Klagepatent betrifft ein System und Verfahren für eine langsame Medienzugriffssteuereinheit (Slow Medium Access Control Entity, „MAC-e“) für die autonome Übertragung von Daten in einem UMTS-Mobilfunknetz.
  130. Die Priorität des Klagepatents stammt aus einer Zeit, als der UMTS-Mobilfunkstandard („Universal Mobile Telecommunication System“) entwickelt wurde. Dazu führt die Klagepatentschrift aus, dass bei einem Senden von Daten von einer Mobilstation zur Basisstation des Netzwerkes (sog. Aufwärtsstrecke oder Uplink), die im Netzwerk vorhandene Übertragungsleistung bei Nutzung des Hochgeschwindigkeitskanals (E-DCH) dynamisch den Mobilstationen zugeordnet werde, die gerade Daten in der Aufwärtsstrecke zu übertragen hätten. Die dabei zur Verfügung stehende Datenübertragungsleistung werde der Mobilstation durch das Netzwerk zugewiesen, sobald die Mobilstation beim Netzwerk die Bereitstellung von Uplink-Übertragungsleistung anfordere.
  131. Daneben – so die Klagepatentschrift weiter – sei vorgesehen, dass die Mobilstation Daten auch ohne vorherige Zuweisung von zur Verfügung stehender Übertragungsleistung kontinuierlich an das Netzwerk übertragen könne. Bei diesen Daten handele es sich typischerweise um solche, die keine Verzögerung dulden würden, wie dies beispielsweise bei der Internettelefonie (Voice-Over-IP) gegeben sei. Für den Fall, dass zahlreiche, einer Basisstation zugewiesene Mobilstationen gleichzeitig Daten autonom zu übertragen hätten, könne dies zu einer Überlastung der Luftschnittstelle des Netzwerks mit entsprechender Beeinträchtigung der Datenübertragung führen. Das Netzwerk begegne diesem Problem dadurch, dass es eine Sicherheitsmarge bei der Datenübertragung (sog. Rise over Thermal Marge oder „RoT-Margin“) vorsehe, die die Anzahl der zugeordneten Mobilstationen berücksichtige. Die zur Verfügung zu haltende Übertragungsleistung werde dabei anhand der Anzahl der der Basisstation zugeteilten Mobilstationen ermittelt, wobei für jede Mobilstation ein Mindestsatz an Datenpaketen mit einer Mindestbitrate definiert werde (sog. „Minimum Set“), die typischerweise für Signalzwecke verwandt werde (Abs. [0002], Textstellen ohne Bezugsangabe stammen aus der Klagepatentschrift). Die Basisstation müsse für diese nicht zeitgeplanten Datenübertragungen der Mobilstationen dauerhaft bereit sein, unabhängig davon, ob eine solche Datenübertragung stattfinde oder nicht. Dies habe nachteilige Auswirkungen auf die zur Verfügung stehenden Verarbeitungskapazitäten der Basisstation, da dies zu einer Leistungsverringerung bei den zeitgeplanten Übertragungen führe (Abs. [0003], [0004]).
  132. Diesem bekannten Problem der Begrenzung der verfügbaren Übertragungsleistung durch eine vorzuhaltende Sicherheitsmarge widme sich der Stand der Technik dem Klagepatent zufolge mit verschiedenen Spezifikationen. Nach Spezifikation R1-041069 bestehe die Möglichkeit, bestimmte Datenübertragungen – in diesem Fall über einen dezidierten physischen Datenkanal – zu priorisieren. Die Spezifikation R1-041087 sehe die Datenübertragung durch die Mobilstation in einem jeweils vorab zugewiesenen Zeitfenster vor. Nach der Spezifikation R1-041211 werde die simultan mögliche autonome Datenübertragung mithilfe einer speziellen Datenkodierungstechnik so gesteuert, dass die Zahl der Mobilstationen, die Daten an das Netzwerk autonom übertragen können, erhöht oder begrenzt werde. Das Klagepatent kritisiert, dass diese Spezifikationen eine hohe Komplexität aufwiesen.
  133. Davon ausgehend liegt der Erfindung die Aufgabe (das technische Problem) zugrunde, den Uplink-Kanal für den Paketdatenverkehr dadurch zu verbessern, dass die autonome Datenübertragung mittels eines Steuerparameters verlangsamt wird und sich dadurch die verfügbar zu haltende Sicherheitsmarge, die die verfügbare Übertragungsleistung begrenzt, reduzieren lässt (Abs. [0013], [0014] der Klagepatentschrift).
  134. Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Klagepatent ein Verfahren und eine Mobilstation mit den Merkmalen den Ansprüchen 1 und 4 bzw. 23 und 26 vor, die nachstehend in gegliederter Form wiedergegeben sind:
  135. 1.1 Verfahren, das durch eine Mobilstation für eine autonome erweiterte Aufwärtsstreckenübertragung durchgeführt wird, bei der eine Ablaufplanungsgewährung von einem Netzwerk nicht benötigt wird, mit
    1.2 einem Bestimmen eines virtuellen Übertragungszeitintervalls für eine Medienzugriffssteuereinheit, wobei das virtuelle Übertragungszeitintervall ein Minimalzeitintervall festlegt, das zwischen erweiterten Aufwärtsstreckenübertragungen erlaubt ist,
    1.3 einem Überprüfen, um zu bestimmen, ob die Medienzugriffssteuereinheit Datenpakete in einem gegenwärtigen Luftschnittstellenübertragungszeitintervall überträgt, und
    1.4 für den Fall, in dem bestimmt ist, dass die Medienzugriffssteuereinheit nicht in dem gegenwärtigen Luftschnittstellenübertragungszeitintervall überträgt, mit einem Übertragen eines nächsten Datenpakets erst, nachdem eine durch das virtuelle Übertragungszeitintervall bestimmte Periode als verstrichen bestimmt ist
    1.5 wobei das Überprüfen, um zu bestimmen, ob die Medienzugriffssteuereinheit Datenpakete in einem gegenwärtigen Luftschnittstellenübertragungszeitintervall überträgt, ein Überprüfen umfasst, um zu bestimmen, ob die Medienzugriffssteuereinheit deren Funkverbindungssteuerpuffer geleert hat.
  136. 23.1 Mobilstation mit
    23.2. einem Speicher, der dazu eingerichtet ist, um Computerprogramm-anweisungen und ein virtuelles Übertragungszeitintervall zu speichern,
    23.2.1 das unabhängig von einem Luftschnittstellenübertragungszeit-intervall ist und ein Minimalzeitintervall festlegt, das zwischen erweiterten Aufwärtsstreckenübertragungen erlaubt ist,
    23.3 einem Drahtlosempfänger,
    23.4. einem Prozessor, der mit dem Speicher und dem Drahtlossende-
    empfänger gekoppelt ist,
    23.4.1 und dazu eingerichtet ist, um zu überprüfen, um zu bestimmen, ob die Mobilstation Datenpakete in einem gegenwärtigen Luftschnittstellenübertragungszeitintervall überträgt, und
    23.4.2 für den Fall, in dem bestimmt ist, dass die Mobilstation nicht in dem gegenwärtigen Luftschnittstellenübertragungszeitintervall überträgt, um den Sender dazu zu bringen, ein nächstes Datenpaket erst nachdem eine durch das virtuelle Übertragungszeitintervall bestimmte Periode als verstrichen bestimmt ist, zu übertragen,
    23.4.3 wobei das virtuelle Übertragungszeitintervall für eine autonome erweiterte Aufwärtsstreckenübertragung, bei der eine Ablaufplanungsgewährung von einem Netzwerk nicht benötigt wird, verwendet ist.
    23.5. wobei die Mobilstation einen mit dem Drahtlossendeempfänger gekoppelten Funkverbindungssteuerpuffer aufweist, und wobei die Überprüfung, um zu bestimmen, ob die Mobilstation Datenpakete in einem gegenwärtigen Luftschnittstellenübertragungszeitintervall überträgt, eine Prüfung umfasst, um zu bestimmen, ob der Funkverbindungssteuerpuffer leer ist.
  137. III.
    Hinsichtlich der Auslegung der Klagepatentansprüche 1 und 4 gilt Folgendes:
  138. 1.
    Das erfindungsgemäße Verfahren soll nach der Lehre des Klagepatents auf die von einer Mobilstation durchgeführte autonome erweiterte Aufwärtsstreckenübertragung anwendbar sein, bei der eine Ablaufplanungsgewährung von einem Netzwerk nicht benötigt wird (Merkmal 1.1). Die autonome Übertragung meint dabei eine Übertragung, bei der die Mobilstation die Daten verwaltungsmäßig selbstständig an das Netzwerk sendet, ohne vorherige Rückkopplung mit der Basisstation des Netzwerkes. Dass die Aufwärtsstreckenübertragung von der Mobilstation autonom durchgeführt wird, folgt dabei aus dem Umstand, dass vom Netzwerk gerade keine Ablaufplanungsgewährung bereitgestellt wird; eine Beschränkung der Übertragung auf die Verwendung eines definierten Mindestsatzes („Minimum Set“) oder dergleichen ist damit hingegen nicht verbunden.
  139. Nach der Beschreibung des Klagepatents in Absatz [0002] teilt die Basisstation der Mobilstation unter normalen Bedingungen einen Anteil einer Aufwärtsstreckenressource über die Ablaufplanungsgewährung (Scheduling Grant) zu und erst nachdem diese Ressourcenzuweisung erfolgt ist, kann die Mobilstation Daten im Aufwärtsstreckensignal übertragen. Anders ist dies bei der autonomen Datenübertragung, die nach dem Wortlaut und der Beschreibung des Klagepatents in Absatz [0001] ohne vorherige Zuteilung von Ressourcen durch einen Zeitplaner einer Basisstation stattfindet.
  140. Dem Anspruchswortlaut ist eine Einschränkung dahingehend, dass erfindungsgemäß die Aufwärtsstreckenübertragung nur dann autonom sein soll, wenn für die jeweilige Basisstation ein „Minimum Set“ vorliegt, für das keine gültige Ablaufplanungsgewährung erforderlich ist, nicht zu entnehmen.
  141. Der Wortsinn des Anspruchs gibt eine solche Begrenzung nicht vor; vielmehrt wird der Anwendungsbereich für das erfindungsgemäße Verfahren allgemein für den Fall der erweiterten Aufwärtsstreckenübertragung bestimmt.
  142. Die Angabe „autonom“ ist nach dieser Auslegung auch nicht redundant. Denn beschrieben wird die Art und Weise der Datenübertragung aus Sicht der Mobilstation in Abgrenzung zum Netzwerk, das die Ablaufplanung gewährt oder eben nicht gewährt. Aus Sicht der Basisstation sind diese Datenübertragungen nicht in ihrer Kontrolle, da nicht zeitgeplant. Dies schließt eine Ressourcenzuweisung durch die Basisstation im Rahmen des konkreten Datenübertragungsprozesses auch nicht aus; aus der Beschreibung in Absatz [0006] des Klagepatents ist zu entnehmen, dass für – aus Sicht der Basisstation – nicht zeitgeplante Datenübertragungen eine maximale Anzahl von Bits definiert wird, die für eine konkrete Datenübertragung erforderlich sind. Gegen die Redundanz des Begriffs „autonom“ streitet nicht zuletzt auch der Wortlaut des Anspruchs selbst, der von einem Verfahren spricht, das durch eine Mobilstation für eine autonome erweiterte Aufwärtsstreckenübertragung durchgeführt wird.
  143. Weitere technische Anforderungen an die autonome Aufwärtsstreckenübertragung – beispielsweise unter Verwendung eines für die jeweilige Mobilstation definierten Minimalsatzes – fordern die Klagepatentansprüche nicht. Der Fachmann – ein Ingenieur mit Hochschulabschluss in den Fachgebieten Elektrotechnik, Informatik oder Physik mit Schwerpunkt Mobilfunkkommunikation und mehrjähriger praktischer Erfahrung auf dem Gebiet der Entwicklung von Mobilstationen und der Verwendung von Mobilfunkkommunikationsstandards – wird auch nicht unter Rekurs auf Beschreibung und Zeichnungen des Klagepatents zu diesem Verständnis gelangen. Er wird zur Kenntnis nehmen, dass das Klagepatent in Absatz [0002] beschreibt, dass mit einem Mindestsatz die autonome Übertragung von Datenpaketen in einem Aufwärtsstreckensignal ohne vorherige Zuteilung von Ressourcen durch einen Scheduler einer Basisstation stattfinden kann, dies aber nicht zwingend so sein muss.
  144. 2.
    Das Klagepatent sieht einen separaten Prüfungsschritt, wonach für jedes zu übertragende Datenpaket zu prüfen ist, ob es im Rahmen einer autonomen oder einer ablaufgeplanten Übertragung übertragen wird, nicht vor. Zwar beschreibt Absatz [0015], dass in einer Dauerschleife für jede MAC-e Protokolldateneinheit eine Prüfung durchgeführt wird, um zu bestimmen, ob die Übertragung autonom ist. Ein solcher Prüfschritt hat jedoch keinen Eingang in die Patentansprüche gefunden.
  145. Die klagepatentgemäße Lehre zielt vielmehr allgemein darauf ab, eine Verzögerung der Paketübertragung bei der Aufwärtsstreckenübertragung über die MAC-Schicht zu erreichen. Ob dazu für jedes Datenpaket geprüft werden soll, ob es im Rahmen einer autonomen oder einer ablaufgeplanten Übertragung übertragen werden soll, oder ob die Mobilstation etwa zeitweise in einen Zustand versetzt wird, in dem alle Datenpakete ohne separate Prüfung autonom übertragen werden, lässt der Anspruch offen.
  146. 3.
    Um die Verlangsamung einer Datenübertragung in der Aufwärtsstrecke zu erreichen, sieht das Klagepatent ein virtuelles Übertragungszeitintervall vor, das unabhängig von einem Luftschnittstellenübertragungszeitintervall ist und ein Minimalzeitintervall festlegt, das zwischen erweiterten Aufwärtsstreckenübertragungen erlaubt sein soll (Merkmal 1.2). Nach dem Wortlaut von Anspruch 1 muss dieses virtuelle Übertragungszeitintervall für eine Medienzugriffssteuerungseinheit („medium access control entity“) bestimmt werden. Auch wenn in Absatz [0001] diese Medienzugriffssteuerungseinheit (vermeintlich) als „MAC-e“ definiert wird, muss das virtuelle Übertragungszeitintervall nicht zwingend ein Parameter einer bestimmten Subschicht der MAC Schicht – weder der MAC-d Schicht noch der MAC-e Schicht – sein. Die Frage, wo das Übertragungszeitintervall implementiert werden muss, betrifft die Implementierung des Verfahrens an sich. Insoweit heißt es im Patentanspruch aber nur, dass ein entsprechendes virtuelles Übertragungszeitintervall für eine Medienzugriffssteuereinheit bestimmt werden muss. Wie dies tatsächlich bei der Implementierung umgesetzt wird, bleibt dem Fachmann vorbehalten, solange das virtuelle Übertragungszeitintervall der MAC-Schicht überhaupt zur Verfügung steht.
  147. Eine dahingehende Einschränkung der Auslegung der Klagepatentansprüche, dass das virtuelle Übertragungszeitintervall durch die MAC-Schicht oder in einer bestimmten Subschicht der MAC-Schicht implementiert wird, lässt sich nicht durch die Beschreibung des Klagepatents stützen. In Absatz [0015] wird zwar beschrieben, dass bei Detektierung einer autonomen Übertragung eine Entschleunigung der Austauschrate zwischen der MAC-e Schicht (der Unterschicht der Schicht 2) und der physikalischen Schicht (der Schicht 1) vorgesehen ist. Dabei soll die Protokolldateneinheit von der MAC-e-Schicht nur in bestimmten und nicht in jedem verfügbaren Zeitintervall gesendet werden. Alternativ kann nach Absatz [0016] die Rate, mit der die MAC-e Protokolldateneinheiten an die physikalische Schicht gesendet werden, die zu einem Mindestsatz gehören, entschleunigt werden. Dafür wird gemäß Absatz [0019] ein neuer MAC Parameter – ein virtuelles Übertragungszeitintervall (vTTI) – in der MAC-d Schicht eingeführt. Dieses vTTI kann dem Mobilgerät über den Radio Network Controller (RNC) signalisiert werden und das Mobilgerät kann das vTTI dann in der MAC-d Schicht implementieren. Patentanspruch 1 enthält aber eine solche Beschränkung auf die MAC-d Schicht nicht. Ebenso wenig kann aufgrund der vorstehenden Ausführungen die Medienzugriffssteuereinheit mit der MAC-e Subschicht gleichgesetzt werden. Vielmehr ist damit die MAC-Schicht als solche gemeint. Entscheidend ist für den Fachmann, dass es im Ergebnis zu einer Verringerung der Austauschrate kommt. Ob dies dadurch erreicht wird, dass die Datenflüsse in der MAC-d-Schicht gesteuert werden, ist im Rahmen der patentgemäßen Lehre nicht relevant. Es genügt beispielsweise, wenn das vTTI durch das Netzwerk signalisiert und auf der MAC-Ebene verwendet wird (Abs. [0048]). Entscheidend ist allein, dass die Implemetierung in der MAC-Schicht erfolgt (vgl. Abs. [0043], [0052]). Das virtuelle Übertragungszeitintervall muss nicht durch die MAC-Einheit definiert werden; es muss nur für die MAC-Einheit bestimmt sein und ihr somit zur Verfügung stehen.
  148. Etwas anderes folgt schließlich auch nicht daraus, dass nach Absatz [0038] und Figur 3 das bevorzugte Übertragungszeitintervall eine Optimierung für Funkzugriffsnetzwerke ist und alternativ als neuer MAC-Parameter in der MAC-d-Schicht eingeführt werden kann. Ein Ausführungsbeispiel erlaubt regelmäßig keine einschränkende Auslegung eines die Erfindung allgemein kennzeichnenden Patentanspruchs (BGH; GRUR 2004, 1023 – Bodenseitige Vereinzelungseinrichtung).
  149. 4.
    Das erfindungsgemäße Verfahren umfasst weiter ein Überprüfen, um zu bestimmen, ob die Medienzugriffssteuereinheit (MAC-Einheit) Datenpakete in einem gegenwärtigen Luftschnittstellenübertragungszeitintervall (TTI) überträgt, wobei dies ein Überprüfen umfasst, um zu bestimmen, ob die MAC-Einheit deren Funkverbindungssteuerpuffer geleert hat (Merkmale 1.3 und 1.5).
  150. Das Merkmal 1.5 stellt lediglich eine Konkretisierung des Merkmals 1.3 dar. Letzteres lässt noch offen, wie überprüft werden soll, um zu bestimmen, ob die MAC-Einheit Datenpakete in einem gegenwärtigen TTI überträgt. Merkmal 1.5 spezifiziert den Schritt dann dahingehend, dass überprüft werden soll, um zu bestimmen, ob die MAC-Einheit den Funkverbindungspuffer (RLC-Puffer) geleert hat. Dies kann dadurch erfolgen, dass während eines laufenden Übertragungszeitintervalls geprüft wird, ob der RLC-Puffer bereits geleert ist oder im laufenden Intervall geleert werden kann. Davon ist denklogisch der Fall erfasst, dass auf der Grenze zwischen zwei TTI festgestellt wird, ob der RLC-Puffer leer ist. Der verunglückte Wortlaut der beiden Merkmale verdeckt diese Zusammenhänge. Der sich bei der gebotenen funktionsorientierten Auslegung ergebende technische Sinngehalt des Anspruchs lässt jedoch kein anderes Verständnis zu.
  151. a)
    Den Begriffen „überprüfen“ und „bestimmen“ kommt kein für die technischen Abläufe relevanter Bedeutungsunterschied zu. Der nach der Lehre des Klagepatents maßgebende Verfahrensschritt ist das Überprüfen. Zweck der Überprüfung ist es zu bestimmen, ob im gegenwärtigen TTI Datenpakete übertragen werden. Da mit dem Ergebnis der Überprüfung bereits die Feststellung einhergeht, ob in einem TTI Datenpakete übertragen werden, fallen das Überprüfen und das Bestimmen im Grunde zusammen. Selbiges gilt für das Merkmal 1.5. Die Bestimmung, ob die MAC-Einheit den RLC-Puffer geleert hat, läuft letztlich auf die Überprüfung des Puffers hinaus, ob sich in dem Puffer noch Daten befinden.
  152. b)
    Soweit in den Merkmalen 1.3 bis 1.5 von dem „Luftschnittstellenübertragungszeitintervall“ die Rede ist, kann daraus nicht hergeleitet werden, dass es für die Feststellung, ob in einem TTI Datenpakete übertragen werden, auf die Übertragung von der physikalischen Schicht bzw. auf der Luftschnittstelle ankommt. Das erfindungsgemäße Verfahren bezieht sich auf die Steuerung der Datenströme der MAC-Einheit. Dies ergibt sich aus den Merkmalen 1.2 bis 1.5 sowie der Beschreibung des Klagepatents (vgl. bspw. Abs. [0001], [0015], [0019]). Die Funktion der MAC-Einheit besteht darin, Daten, die im RLC-Puffer liegen, weiter zu verarbeiten – insbesondere zu MAC-e PDUs zusammenzustellen (vgl. Abs. [0015]) – und die so verarbeiteten Daten an die physikalische Schicht weiterzuleiten. Das erfindungsgemäße Verfahren umfasst damit die Prozesse, die auf Ebene der MAC-Schicht durchgeführt werden: den Empfang der Daten aus der übergeordneten RLC-Schicht in der MAC-Schicht sowie deren Weiterverarbeitung und Übertragung von der MAC-Schicht an die darunterliegende physikalische Schicht. Dabei macht aber bereits das Merkmal 1.5 deutlich, dass für die Überprüfung, um zu bestimmen, ob die MAC-Einheit Datenpakete überträgt, nicht allein auf die Weitergabe von Datenpaketen an die physikalische Schicht abzustellen ist. Vielmehr genügt nach der Lehre des Klagepatents bereits die Prüfung des RLC-Puffers für die Bestimmung, ob in einem gegenwärtigen TTI eine Übertragung von Datenpaketen stattfindet, auch wenn der Pufferfüllstand streng genommen nicht zwingend einen Rückschluss auf laufende Übertragungen an die physikalische Schicht zulässt.
  153. Im Ergebnis können von dem im Anspruch 1 des Klagepatents beschriebenen Verfahren auch Fälle umfasst sein, in denen im laufenden Übertragungszeitintervall zwar Datenpakete über die Luftschnittstelle übertragen werden, aber – da der RLC-Puffer (zwischenzeitlich) geleert ist – aus Sicht der MAC-Einheit im nächsten Übertragungszeitintervall keine Daten mehr zu übertragen sind. Denn abzustellen ist auf die Prozesse, die in einem gegenwärtigen Übertragungszeitintervall innerhalb der MAC-Schicht ablaufen.
  154. c)
    Die Feststellung, ob im gegenwärtigen Übertragungszeitintervall Datenpakete über-tragen werden, dient dazu festzulegen, wann das nächste Datenpaket gesendet wird. Das ergibt sich aus dem Merkmal 1.4. Wird festgestellt, dass im gegenwärtigen Übertragungszeitintervall keine Übertragungen stattfinden, soll mit der Übertragung eines nächsten Datenpakets gewartet werden, bis eine durch das virtuelle Übertragungszeitintervall bestimmte Periode verstrichen ist. Andernfalls – so der Umkehrschluss – können die noch vorhandenen Datenpakete bereits in den unmittelbar nachfolgenden Übertragungszeitintervallen übertragen werden.
  155. Damit grenzt sich das Klagepatent von dem Stand der Technik R1-041087 (U) ab, wonach autonome Übertragungen nur in einer Untermenge von TTIs zu-lässig sein sollten (Abs. [0005]); Datenpakte wurden demnach also in jedem n-ten TTI übertragen. Der Lehre des Klagepatents liegt hingegen der Gedanke zugrunde, zunächst alle noch zur Übertragung anstehenden Datenpakte zu übertragen, auch wenn dies mehrere TTIs benötigt. Erst wenn in einem TTI keine Übertragung mehr stattfindet, also keine Datenpakete zur Übertragung mehr vorhanden sind, soll ein Zeitraum, der durch das virtuelle Übertragungszeitintervall bestimmt ist, zugewartet werden, bis wieder Übertragungen (neuer) Datenpakete stattfinden können. Das Klagepatent beschreibt diesen Zusammenhang in Absatz [0052], wonach die Lehre des Klagepatents die rasche Leerung des RLC-Puffers erlaubt, wenn dies – etwa bei großen SDU – benötigt wird. Im Übrigen ist die Übertragungsfrequenz aber beschränkt.
  156. Ausgehend von dieser Funktion kommt es also darauf an, ob am Ende des TTI noch Datenpakete vorhanden sind, die zur Übertragung – dann in den unmittelbar folgenden TTI – anstehen, oder nicht. Ist letzteres der Fall, wird das virtuelle Übertragungszeitintervall zugewartet, bis weitere Übertragungen möglich sind. Ob am Ende eines TTI noch Übertragungen ausstehen, lässt sich anhand des Pufferfüllstands feststellen. Dem dient der Überprüfungsschritt gemäß Merkmal 1.5. Diese Überprüfung ist damit lediglich eine Konkretisierung des in Merkmal 1.3 genannten Überprüfungsschritts. Aus Sicht des Fachmanns wäre es technisch unsinnig, neben einem wie auch immer gearteten Überprüfungsschritt gemäß Merkmal 1.3 eine weitere Überprüfung des Pufferfüllstandes zu verlangen. Trotz des insofern widersprüchlichen Begriffs „umfassen“ („comprise“) macht der Rückbezug in Merkmal 1.5 auf das Merkmal 1.3 unter Wiederholung von dessen Wortlaut deutlich, dass die Überprüfung des Pufferfüllstandes nichts anderes ist als die Überprüfung, um zu bestimmen, ob die MAC-Einheit im gegenwärtigen TTI Datenpakete überträgt oder nicht.
  157. Kommt es entscheidend darauf an, ob am Ende des TTI noch Datenpakete vorhanden sind, die zur Übertragung – dann in den unmittelbar folgenden TTI – anstehen oder nicht, wird sinnvollerweise zwischen zwei TTI zu prüfen sein, ob die MAC-Einheit den RLC-Puffer geleert hat. Mit dem in den Merkmalen 1.3 und 1.4 genannten „gegenwärtigen Luftschnittstellenübertragungszeitintervall“ ist dabei das anstehende TTI gemeint. Ob im zurückliegenden TTI eine Übertragung stattfand, ist für die Verlangsamung der autonomen Aufwärtsstreckenübertragung irrelevant. Es kommt vielmehr darauf an, ob im unmittelbar anstehenden TTI – das ist somit das gegenwärtige TTI – eine Übertragung stattfinden wird. Dies beurteilt sich nach dem Pufferfüllstand, der allerdings davon abhängt, ob der RLC-Puffer im vergangenen TTI geleert werden konnte oder nicht.
  158. Zu diesem Ergebnis gelangt man auch, wenn der Überprüfungsschritt während eines laufenden TTI – das ist dann das gegenwärtige TTI – stattfindet und festgestellt wird, dass der RLC-Puffer bereits geleert ist. Denn dann lässt sich bestimmen, dass im gegenwärtigen TTI keine Übertragungen (mehr) stattfinden, so dass anschließend das virtuelle TTI aktiviert werden kann. Gleiches muss bei funktionsorientierter Auslegung und unter Berücksichtigung der Beschreibung des Klagepatents aber auch dann gelten, wenn der Überprüfungsschritt während des laufenden TTI stattfindet und der RLC-Puffer zwar noch nicht geleert ist, aber absehbar ist, dass er bis zum Ende des laufenden TTI geleert sein wird. Denn es hinge vom Zufall ab, ob bei einer Überprüfung des RLC-Puffers während eines TTI dieser bereits geleert ist oder zwar noch nicht geleert ist, aber bis zum Ende des TTI geleert werden kann. Daher besteht ausgehend von der Funktion der Merkmale 1.3 bis 1.5 kein Grund, für den Fall, dass der RLC-Puffer bis zum Ende des TTI geleert werden kann, im nachfolgenden TTI eine weitere Prüfung des RLC-Puffers und die Übertragung eines ggf. zwischen-zeitlich neu eingegangenen Datenpakets zuzulassen. Genau diesen Fall hat auch die Beschreibung des Klagepatents in Absatz [0052] vor Augen. Demnach geht es allein darum, ob am Ende des TTI der RLC-Puffer geleert ist. Dies kann auch dadurch geschehen, das geprüft wird, ob die MAC-Einheit in der Lage ist, den RLC-Puffer während des TTI zu leeren. Das Merkmal 1.5 ist insofern dahingehend zu verstehen, dass festzustellen ist, ob die MAC-Einheit den RLC-Puffer bis zum Ende des gegenwärtigen TTI geleert hat.
  159. IV.
    Die vorstehenden Ausführungen zur Auslegung des Verfahrensanspruchs (Anspruch 1 und 4 des Klagepatents) gelten für den Vorrichtungsanspruch (Anspruch 23 und 26) in gleicher Weise. Diese Ansprüche sehen einzelne Vorrichtungsbestandteile wie einen Speicher, einen Drahtlossendeempfänger, einen Prozessor und einen Funkverbindungssteuerpuffer vor, die zum Teil untereinander gekoppelt sein müssen. Im Übrigen müssen sie nur dazu eingerichtet sein, bestimmte Verfahrensschritte auszuführen. Im Ergebnis müssen sie lediglich geeignet sein, das Verfahren nach den Ansprüchen 1 und 4 anzuwenden.
  160. V.
    Durch Angebot und Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform verletzen die Beklagten das Klagepatent hinsichtlich der Ansprüche 1 und 4 mittelbar. Sie bieten an und liefern ein Mittel (siehe unten, Ziff. 1), das objektiv geeignet ist, von der technischen Lehre des Klagepatents dem Wortsinn nach Gebrauch zu machen (siehe unten, Ziff. 2) und sich auf ein wesentliches Element der Erfindung bezieht, wobei die Beklagten wissen oder es aufgrund der Umstände offensichtlich ist, dass diese Mittel dazu geeignet und bestimmt sind, für die Benutzung der Erfindung verwendet zu werden (siehe unten, Ziff. 3), § 10 Abs. 1 PatG.
  161. 1.
    Die Beklagten sind passivlegitimiert.
  162. a)
    Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass die Beklagte zu 2) die angegriffene Ausführungsform in Deutschland anbietet und liefert im Sinne von § 10 Abs. 1 PatG.
  163. b)
    Die Klägerin hat daneben auch hinreichend dargelegt, dass die Beklagte zu 1) und die Beklagte zu 3) die angegriffene Ausführungsform im Inland anbieten.
  164. Anbieten ist jede im Inland begangene Handlung, die nach ihrem objektiven Erklärungswert darauf gerichtet ist, das Erzeugnis der Nachfrage wahrnehmbar zum Erwerb der Verfügungsgewalt bereitzustellen (BGH, GRUR 2006, 927 – Kunststoffbügel). Der Begriff ist rein wirtschaftlich zu verstehen (OLG Düsseldorf, Urteil vom 13.02.2014, Az.: I-2 U 42/13; OLG Düsseldorf, Urteil vom 27.03.2014, Az. I-15 U 19/14; OLG Karlsruhe, InstGE 11, 15 – SMD-Widerstand). Neben dem Angebot nach § 145 BGB sind insofern auch vorbereitende Handlungen umfasst, die das Zustandekommen eines späteren Geschäfts über einen unter dem Schutz des Patents stehenden Gegenstand ermöglichen oder befördern sollen. Dies kann in dessen Anbieten geschehen, dass Interessenten Gebote auf Überlassung abgeben können. Ein Mittel hierzu ist auch die bloße Bewerbung eines Produkts im Internet. Bereits diese Maßnahme ist bestimmt und geeignet, Interesse an dem beworbenen Gegenstand zu wecken und diesen betreffende Geschäftsabschlüsse zu ermöglichen (vgl. BGH, GRUR 2003, 1031 – Kupplung für optische Geräte; OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2007, 259 – Thermocycler; OLG Düsseldorf, Urteil vom 27.03.2014, Az. I-15 U 19/14). Das Unterhalten einer solchen Internetseite mit der Ausstattung von Links, die im Hinblick auf die Produkte des Konzerns auf Seiten von Tochtergesellschaften verweisen, stellt eine unternehmensbezogene Information und zugleich Werbung dar (vgl. OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2007, 259 – Thermocycler). Es kommt nicht darauf an, ob der Anbietende mit seiner Offerte eigene Geschäftsabschlüsse forcieren will, oder ob das Angebot einem Dritten zugutekommen soll, für dessen Produkt mit dem Angebot eine zu befriedigende Nachfrage geschaffen wird (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 13.02.2014, Az. I-2 U 42/13). In dem einen wie in dem anderen Fall ist die Rechtsposition des Schutzrechtsinhabers in gleichem Maße beeinträchtigt, weil eine Nachfrage nach schutzrechtsverletzenden Gegenständen geweckt wird, die das Ausschließlichkeitsrecht aus dem Patent schmälert. Insofern entspricht es höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass zur Gewährleistung eines wirksamen Patentschutzes nur von Belang ist, ob mit der fraglichen Handlung für einen schutzrechtsverletzenden Gegenstand tatsächlich eine Nachfrage geschaffen wird, die zu befriedigen mit dem Angebot in Aussicht gestellt wird (BGH, GRUR 2006, 927 – Kunststoffbügel; OLG Düsseldorf, Urteil vom 13.02.2014, Az. I-2 U 42/13; Urteil vom 11.06.2015, Az. I-2 U 64/14).
  165. Ausgehend von diesen Grundsätzen liegt in dem Betreiben der Internetseite www.A.com und www.X.com ein Angebot der Beklagten zu 1) im Sinne des § 10 PatG. Denn die Webseite verlinkt über die deutsche Version www.A.com/de die Seite consumer.A.com/de/phones, auf der die angegriffene Ausführungsform beworben wird. Für die deutsche Version der Webseite ist die Beklagte zu 2) laut Impressum verantwortlich.
  166. Ebenso verhält es sich mit der von der Beklagten zu 1) betriebenen Webseite www.hiB.com/global. Diese ist mit der deutschen Webseite www.hiB.com/de verlinkt, auf der die angegriffene Ausführungsform angeboten wird. Für die deutsche Version der Webseite wiederum ist die Beklagte zu 3) laut Impressum verantwortlich. Daneben verschickt sie E-Mails, in denen die angegriffene Ausführungsform unmittelbar zum Kauf angeboten wird.
  167. Die Beklagte zu 1) stellt durch das Verlinken der deutschsprachigen Webseiten dem Nachfrager die Endgeräte wahrnehmbar zum Erwerb zur Verfügung und spricht den deutschen Markt an. Über die Verlinkung gelangt der Nutzer zu den angegriffenen Mobiltelefonen, so dass die Beklagte zu 1) im Ergebnis ein inländisches Angebot zum Kauf der dargebotenen Produkte abgibt.
  168. 2.
    Bei der angegriffenen Ausführungsform handelt es sich um ein Mittel, das zur Anwendung des durch die Ansprüche 1 und 4 des Klagepatents geschützten Verfahrens objektiv geeignet ist. Insofern ist die angegriffene Ausführungsform auch geeignet, das geschützte Verfahren nicht nur hinsichtlich der unstreitigen Merkmale durchzuführen, sondern auch hinsichtlich der streitigen Merkmale 1.3 bis 1.5. Dies ergibt sich aus dem Umstand, dass die angegriffene Ausführungsform kompatibel mit dem UMTS-Standard ist, der die Lehre der Klagepatentansprüche 1 und 4 implementiert.
  169. a)
    Die angegriffene Ausführungsform ist geeignet, für eine autonome erweiterte Aufwärtsstreckenübertragung, bei der eine Ablaufplanungsgewährung von einem Netzwerk nicht benötigt wird, verwendet zu werden (Merkmal 1.1).
  170. Nach dem Standard 3GPP TS 25.XXX v. 9.5.0 (Anlage EIP A 5) umfasst die MAC-es/e-Schicht unter anderem eine E-TFC-Auswahleinheit, mit welcher das Transportformat für die Übertragung über die Luftschnittstelle festgelegt wird. Die Auswahleinheit unterscheidet für die jeweilige Datenzuweisung danach, ob die Daten einer zeitgeplanten oder einer autonomen (nicht-zeitgeplanten) Übertragung gehören:
  171. „11.8.1.4 E-TFC-Auswahl
  172. […]
    The transmission format and data allocation shall follow the requirements below:
     Only E-TFCs from the configured E-TFCS shall be considered for the transmission;
     For all logical channels, if the logical channel belongs to a non-scheduled MAC-d-flow, its data shall be considered as available up to the corresponding non-scheduled grant, if the logical channel does not belong to a non-scheduled MAC-d-flow, its data shall be considered as available up to the Serving Grant.”
  173. Die E-TFC-Auswahleinheit stellt fest, ob die Daten über einen logischen Kanal übertragen werden, der zu einem nicht zeitgeplanten MAC-d-Strom gehört. Eine Beschränkung auf die Uplink-Ressource des sog. „Minimum Set“ erfolgt nicht. Abgesehen davon setzen die Ansprüche 1 und 4 des Klagepatents bei zutreffender Auslegung ein Minimum Set nicht voraus.
  174. Mit der E-TFC-Auswahlfunktion sieht der Standard des Weiteren eine Fallunterscheidung danach vor, ob nicht zeitgeplante und damit im Sinne des Klagepatents autonom zu übertragende Daten oder zeitgeplante Daten vorliegen; die zeitgeplanten Daten gelten als zum Serving Grant verfügbar.
  175. b)
    Die angegriffene Ausführungsform ist weiterhin dazu eingerichtet, um ein virtuelles Übertragungszeitintervall für eine Medienzugriffssteuereinheit zu bestimmen, wobei das virtuelle Übertragungszeitintervall ein Minimalzeitintervall festlegt, das zwischen erweiterten Aufwärtsstreckenübertragungen erlaubt ist (Merkmal 1.2).
  176. Der Standard sieht in Ziffer 10.3.6.34 der 3GPP TS 25.331 das Informationselement MAC_DTX_cycle vor, dessen Wert einer Anzahl von Subframes bzw. TTIs entspricht. Dieses Informationselement stellt ein vom Luftschnittstellenübertragungszeitintervall unabhängiges virtuelles Übertragungszeitintervall dar. Es gibt durch seinen Wert ein Minimalzeitintervall vor, das zwischen zwei Aufwärtsstreckenübertragungen erlaubt ist. Dies ergibt sich aus Ziffer 3.1.3 der 3GPP TS 25.XXX v. 9.5.0 (Anlage EIP A5).
  177. „ 3.1.3 DTX-DRS and HS-SCCH less Specific defintions (FDD only)
    MAC DTX cycle: Defines the pattern of time instances where the start the uplink E-DCH transmission after inactivity is allowed.
  178. und Ziffer 11.1.1 der 3GPP TS 25.308 v. 10.4.0 (Anlage EIP A 4) , wonach der Beginn der E-DCH Übertragung auf das MAC_DTX_cycle Muster beschränkt ist:
  179. „11.1.1 Uplink-DRX
  180. The RNC can configure the UE to restrict the start of E-DCH transmission to the MAX_DTX_cycle pattern, if there has been no E-DCH transmission for a configurable number of TTIs (UE_Inactivity_Threshold). The allowed E-DCH start times can be offset using UE_DTX_DRX_Offset so that different UEs have the allowed E-DCH start time at different time instants. The network should configure MAC-DTX_cycle in such manner that it does not collide with an inactivated HARQ process. The uplink DRX cannot be configured without an Uplink DTX configuration as specified in subclause 11.1.
    Whenever the UE transmits one E-DCH TTI the UE can use subsequent TTIs for E-DCH transmission as long as its transmission is continued (re-started) within UE_Inactivity_Threshold TTIs, and in addition the pending transmissions can be done in the corresponding HARQ processes (transmission times are not impacted by the inactivity threshold).”
  181. Auf die Bedeutung des Inactivity Threshold wird nachfolgend noch eingegangen.
  182. Aus der vorstehenden Textstelle ergibt sich auch, dass der MAC-DTX-Zyklus implementiert wird, indem der RNC das Mobilgerät konfiguriert. Er ist in der MAC-Schicht implementiert und führt zu einer Verzögerung der Übertragung durch die MAC-Schicht, da er die Übertragungskontrolle übernimmt. Nach Ziffer 11.8.1.4 der 3GPP TS 25.XXX v. 9.5.0 (Anlage EIP A 5) erfolgt eine Zusammensetzung neuer Datenpakete durch die E-TFC-Auswahleinheit nur, wenn der in zeitlicher Hinsicht vordefinierte MAC-DTX-Zyklus abgelaufen ist:
  183. “The E-TFC selection function shall provide this MAC-e or MAC-i PDU and transmission HARQ profile to the HARQ entity. The maximum number of HARQ transmissions and the power offset in this profile, shall be set respectively to the maximum of the Max Number of HARQ Transmissions of the HARQ profiles form all the MAC-d flows from which data is multiplexed into the transmission and to the Nominal Power Offset. The HARQ entity shall also be informed of whether the transmission includes Scheduling Information and whether this information is sent by itself or with higher-layer data. The E-TFC selection function shall provide the E-TFCI for the selected E-TFC to the HARQ entity.
  184. In FDD, for each Activated Uplink Frequency, in case the DTX feature us configured by higher layers and no E-DCH transmission is performed in this TTI on that Activated Uplink Frequency:
  185.  if MAC Inactivity Threshold > 1 and no E-DCH transmission has been performed for MAC Inactivity Threshold -1 previous TTIs or,
     if MAC Inactivity Threshold = 1:
     E-TFC selection shall only be performed for the TTIs where the following conditions are fulfilled:
     For 2 ms TTI: [5*CFN + subframe number – UE DTX DRX Offset] mod MAC DTX Cycle = 0.
     For 10 ms TTI: [5*CFN – UE DTX DRX Offset] mod MAC DTX Cycle = 0.
    In 2ms TTI case, if the TTI that fulfilled [5*CFN + subframe number – UE DTX DRX Offset] mod MAC DTX Cycle = 0 overlapped with an uplink compressed mode transmission gap, the E-TFC selection shall be performed for the first TTI not overlapping with an uplink compressed mode transmission gap.
  186. Auch hieraus ergibt sich, dass der MAC-DTX-Zyklus ein Minimalzeitintervall festlegt, das zwischen erweiterten Aufwärtsstreckenübertragungen erlaubt ist. Zu den Einzelheiten wird in den Ausführungen zu den nachfolgenden Merkmalen eingegangen.
  187. c)
    Die angegriffene Ausführungsform ist dazu eingerichtet, zu überprüfen, um zu bestimmen, ob die Medienzugriffssteuereinheit Datenpakete in einem gegenwärtigen Luftschnittstellenübertragungszeitintervall überträgt, wobei dies ein Überprüfen umfasst, ob die Medienzugriffssteuereinheit deren Funkverbindungssteuerpuffer geleert hat (Merkmale 1.3 und 1.5).
  188. Nach dem Standard 3GPP TS 25.XXX v. 9.5.0 (Anlage EIP A 5) erhält die MAC-Schicht in jedem Übertragungszeitintervall eine Nachricht („Primitive“) von der Radio-Link-Schicht (RLC-Schicht) mit Informationen unter anderem hinsichtlich des Pufferfüllstandes wie folgt:
  189. Sofern Daten aus dem RLC-Puffer zu übertragen sind, wird ein MAC-Data-Request-Primitive erhalten, der neben den zu übertragenden Daten den Parameter „BO“ enthält (siehe o.a. Tabelle, Zeile „MAC-DATA“). Dieser Parameter gibt Auskunft über den Pufferfüllstand (Buffer Occupancy). Befinden sich keine zu übertragenden Daten im RLC-Puffer wird ein MAC-Status-Response-Primitive erhalten, der ebenfalls den Parameter BO enthält (siehe o.a. Tabelle, Zeile „MAC-STATUS“).
  190. Die MAC-Einheit bestimmt anhand dieses Parameters ob der RLC-Puffer leer ist. In diesem Fall erfolgt im gegenwärtigen Luftschnittstellenübertragungszeitintervall keine Datenübertragung; der MAC-Einheit stehen keine Daten zur Weiterverarbeitung mittels HARQ-Prozess oder zur Weiterleitung zur Verfügung.
  191. Diese Prüfung, um zu bestimmen, ob die Medienzugriffssteuereinheit Datenpakete überträgt, findet gemäß Ziffer 11.8.1.4 der 3GPP TS 25.XXX v. 9.5.0 (Anlage EIP A 5) an der Grenze zu einem neuen – das ist das gegenwärtige – Luftschnittstellenübertragungszeitintervall („TTI-Grenze“) statt:
  192. „At every TTI boundary for which a new transmission is requested by HARQ entity (see subclause 11.8.1.1.1), the UE shall perform the operations described below. UEs configured both with DCH and E-DCH transport channels shall perform TFC selection before performing E-TFC selection.”
  193. Ist der RLC-Puffer vor der TTI-Grenze bereits leer, führt die Prüfung, um zu bestimmen, ob die Medienzugriffssteuereinheit im gegenwärtigen Luftschnittstellenübertragungszeitintervall überträgt, dazu, dass eine Datenübertragung nicht vorliegt. Es wird eine MAC-Status-Response-Primitive erhalten, die der MAC-Einheit über den Parameter BO signalisiert, dass der Funkverbindungssteuerpuffer leer ist. Die MAC-Einheit bestimmt anhand dieses Parameters auch, dass nach der TTI-Grenze Daten nicht zu übertragen sind. Daher greift auch der Einwand nicht durch, die Auswertung des BO-Parameters könne letztlich nur Auskunft darüber geben, ob die MAC-Schicht den RLC-Puffer im vorangegangenen TTI leeren konnte. Denn das dann anstehende TTI ist das gegenwärtige TTI, in dem ausweislich des erhaltenen BO gerade keine Übertragung stattfinden wird. Dass unmittelbar nach Erhalt des BO-Parameters auch wieder neue PDU in den RLC-Puffer einlaufen können, ist möglich. Diese Unschärfe – auch was das Verhältnis von Angaben des Pufferfüllstandes und den Rückschluss auf gegenwärtige Übertragungen einerseits und der Übertragung von Datenpaketen an die physikalische Schicht andererseits angeht – nehmen die Klagepatentansprüche mit dem Merkmal 1.5 hin, da sie sich zwangsläufig aus dem Zusammenwirken der verschiedenen beteiligten Schichten im Rahmen eines getakteten Verfahrens ergibt.
  194. d)
    Die angegriffene Ausführungsform ist schließlich dazu eingerichtet, für den Fall, in dem bestimmt ist, dass die Medienzugriffssteuereinheit nicht in dem gegenwärtigen Luftschnittstellenübertragungszeitintervall überträgt, mit einem Übertragen eines nächsten Datenpakets erst zu beginnen, nachdem eine durch das virtuelle Übertragungszeitintervall bestimmte Periode als verstrichen bestimmt ist. Dies ergibt sich wiederum aus der bereits zitierten Ziffer 11.8.1.4 der 3GPP TS 25.XXX v. 9.5.0, die hier noch einmal ausschnittweise wiedergegeben ist.
  195. In FDD, for each Activated Uplink Frequency, in case the DTX feature is configured by higher layers and no E-DCH transmission is performed in this TTI on that Activated Uplink Frequency:
  196.  if MAC Inactivity Threshold > 1 and no E-DCH transmission has been performed for MAC Inactivity Threshold -1 previous TTIs or,
     if MAC Inactivity Threshold = 1:
     E-TFC selection shall only be performed for the TTIs where the following conditions are fulfilled:
     For 2 ms TTI: [5*CFN + subframe number – UE DTX DRX Offset] mod MAC DTX Cycle = 0.
     For 10 ms TTI: [5*CFN – UE DTX DRX Offset] mod MAC DTX Cycle = 0.
    In 2ms TTI case, if the TTI that fulfilled [5*CFN + subframe number – UE DTX DRX Offset] mod MAC DTX Cycle = 0 overlapped with an uplink compressed mode transmission gap, the E-TFC selection shall be performed for the first TTI not overlapping with an uplink compressed mode transmission gap.
  197. Danach ist – wenn in dem gegenwärtigen TTI keine E-DCH-Übertragung stattfindet – eine E-TFC-Auswahl erst wieder nach Ablauf einer Anzahl von TTIs bzw. Subframes möglich, die der durch den Wert MAC_DTX_cycle vorgegebenen Anzahl entspricht. Dies ergibt sich aus den nachstehenden Gleichungen:
  198.  For 2 ms TTI: [5*CFN + subframe number – UE DTX DRX Offset] mod MAC DTX Cycle = 0.
     For 10 ms TTI: [5*CFN – UE DTX DRX Offset] mod MAC DTX Cycle = 0.
  199. Durch die modulo-Funktion wird erreicht, dass nur in TTIs, die ein Vielfaches des Wertes des MAC_DTX_cycle sind, eine Übertragung stattfindet.
  200. Auch der bereits erwähnte MAC Inactivity Threshold führt nicht aus der Lehre des Klagepatents heraus. Dieser wird seitens des Netzwerks mit der Radio Bearer Setup-Nachricht mitgeteilt und kann verschiedene Werte annehmen (vgl. TS 25.331 V9.5.0 – Anlage EIP A6).
  201. Dieser Schwellwert hat zwar grundsätzlich zur Folge, dass das virtuelle Übertragungszeitintervall vTTI auch dann, wenn in einem gegenwärtigen TTI keine Übertragung stattfindet, erst zur Anwendung gelangt, wenn eine weitere Anzahl an TTIs abgelaufen ist. Diese Anzahl der TTIs richtet sich nach dem MAC Inactivity Threshold nämlich: MAC Inactivity Threshold – 1 (vgl. die zitierte Textstelle aus Ziffer 11.8.1.4 der 3GPP TS 25.XXX v. 9.5.0). Daraus ergibt sich aber zugleich, dass jedenfalls dann, wenn der MAC Inactivity Threshold genau 1 beträgt, das virtuelle Übertragungszeitintervall unmittelbar aktiviert wird und die Übertragung weiterer Datenpakete erst nach Ablauf dieses vTTI erfolgen kann. Hat der MAC Inactivity Threshold den Wert 1, hat er also keine Auswirkungen auf die Anwendung des vTTI, wie sich aus dem nachstehend noch einmal eingeblendeten und durch Unterstreichung hervorgehobenen Ausschnitt der bereits zitierten Textstelle ergibt:
  202. In FDD, for each Activated Uplink Frequency, in case the DTX feature us configured by higher layers and no E-DCH transmission is performed in this TTI on that Activated Uplink Frequency:
  203.  if MAC Inactivity Threshold > 1 and no E-DCH transmission has been performed for MAC Inactivity Threshold -1 previous TTIs or,
     if MAC Inactivity Threshold = 1:
     E-TFC selection shall only be performed for the TTIs where the following conditions are fulfilled:
     For 2 ms TTI: [5*CFN + subframe number – UE DTX DRX Offset] mod MAC DTX Cycle = 0.
     For 10 ms TTI: [5*CFN – UE DTX DRX Offset] mod MAC DTX Cycle = 0.
  204. Unbeachtlich ist auch, dass so genannte “retransmissions” – also erneute Übertragungen von Datenpaketen, deren erste Übertragung aus welchen Gründen auch immer fehlgeschlagen ist – während des “Schlafmodus” – also vor Ablauf des virtuellen Übertragungszeitintervalls – vorgenommen werden dürfen. Die Klagepatentansprüche schließen nicht aus, dass das erfindungsgemäße Verfahren nur auf bestimmte Datenpakete angewandt wird. Dies ergibt sich schon daraus, dass nach der Beschreibung des Klagepatents gegebenenfalls für jede einzelne PDU geprüft wird, ob sie Gegenstand einer autonomen Übertragung ist oder nicht (Abs. [0015]). Es ist dem Fachmann also unbenommen, Ausnahmen von dem Erfordernis zuzulassen, ein nächstes Datenpaket erst nach Ablauf des virtuellen Übertragungszeit-intervalls zu übertragen. Dass “retransmissions” gleichwohl als Aktivität bei der Prüfung des “Inactivity Threshold” angenommen werden, spielt keine Rolle. Denn die Handhabung des “Inactivity Threshold” sagt nichts über das durch Auslegung zu ermittelnde Verständnis des patentgemäßen Verfahrens aus, das “retransmissions” durchaus zulassen kann. Ungeachtet dessen wird das Verfahren ohnehin jedenfalls immer dann verwirklicht, wenn gar keine retransmissions anfallen.
  205. 3.
    Die angegriffene Ausführungsform stellt außerdem ein wesentliches Element der Erfindung nach § 10 Abs. 1 PatG dar und es war zumindest aufgrund der Umstände offensichtlich, dass diese Mittel dazu geeignet und bestimmt sind, für die Benutzung mit der Erfindung verwendet zu werden.
  206. Nach der Rechtsprechung des BGH in seiner Entscheidung „Flügelradzähler“ (BGH, GRUR 2004, 758, 761) bezieht sich ein Mittel auf ein Element der Erfindung, wenn es geeignet ist, mit einem solchen bei der Verwirklichung des geschützten Erfindungsgedankens funktional zusammenzuwirken. Wesentlich ist ein Element der Erfindung regelmäßig bereits dann, wenn es Bestandteil des Patentanspruchs ist.
  207. Im vorliegenden Fall bieten die Beklagten mit der angegriffenen Ausführungsform eine Mobilstation an, die ein wesentliches Erfindungselement des Verfahrensanspruchs 1 darstellt und für die Durchführung der erfindungsgemäßen Lehre offensichtlich geeignet und bestimmt ist.
  208. VI.
    Die Beklagten verletzen das Klagepatent hinsichtlich der Klagepatentansprüche 23 und 26 auch unmittelbar, § 9 S. 2 Nr. 1 PatG.
  209. Die Beklagten bieten die angegriffene Ausführungsform an und bringen sie in den Verkehr. Dies ergibt sich aus den Ausführungen zum Anbieten und Liefern der angegriffenen Ausführungsform im Zusammenhang mit der mittelbaren Verletzung von Anspruch 1 und 4. Das Anbieten und Liefern Sinne von § 10 Abs. 1 PatG ist mit dem Anbieten und Inverkehrbringen im Sinne von § 9 S. 2 Nr. 1 PatG gleichbedeutend.
  210. Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht zudem sämtliche Merkmale der Klagepatentansprüche 23 und 26. Dies ist für die Merkmale 23.1 bis 23.4 unstreitig, gilt aber auch für die Merkmale 23.4.1 bis 23.5. Insofern kann ohne Einschränkung auf die Ausführungen zu den Ansprüchen 1 und 4 Bezug genommen werden. Die Beklagten haben nicht in Abrede gestellt, dass die angegriffene Ausführungsform einen Speicher, einen Drahtlosempfänger, einen mit dem Speicher und dem Drahtlosempfänger gekoppelten Prozessor und einen mit dem Drahtlossendeempfänger gekoppelten Funkverbindungssteuerpuffer im Sinne des Klagepatents aufweist. Dass diese Vorrichtungsbestandteile dazu eingerichtet sind, das Verfahren nach den Ansprüche 1 und 4 durchzuführen, ergibt sich aus den Ausführungen zu diesen Ansprüchen.
  211. VII.
    Die Beklagten erheben den kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwand ohne Erfolg
  212. Die Kammer kann nicht feststellen, dass die Klägerin ihre marktbeherrschende Stellung (dazu unter Ziff. 1.) missbräuchlich ausnutzt (dazu unter Ziff. 2.).
  213. 1.
    Die Klägerin hat eine marktbeherrschende Stellung auf dem hier relevanten Markt UMTS-fähiger Mobiltelefone inne, der sich geografisch über das Gebiet des Europäischen Wirtschaftsraums erstreckt.
  214. a)
    „Marktbeherrschung“ meint in dem streitgegenständlichen Kontext die wirtschaftliche Macht, die es einem Unternehmen erlaubt, einen wirksamen Wettbewerb auf dem (zeitlich, räumlich und sachlich relevanten) Markt zu verhindern und sich seinen Wettbewerbern, Abnehmern und den Verbrauchern gegenüber in nennenswertem Umfang unabhängig zu verhalten (EuGH SIg. 78, 207 Rn. 65 f. – United Brands; EuGH Slg. 79, 461 Rn. 38 f. – Hoffmann-La Roche). Die notwendige exakte Abgrenzung des Marktes in sachlicher und räumlicher Hinsicht erfolgt mittels des sog. Bedarfsmarktkonzepts (OLG Düsseldorf, GRUR 2017, 1219, Rn. 127). Es sind diejenigen Wettbewerbskräfte zu eruieren, denen die betreffenden Unternehmen unterliegen (a.a.O.). Ferner werden diejenigen Unternehmen bestimmt, welche tatsächlich in der Lage sind, dem Verhalten der beteiligten Unternehmen Schranken zu setzen und einen Entzug von Wettbewerbsdruck verhindern. Es ist zu klären, welche Produkte bzw. Dienstleistungen aus der Sicht der Nachfrager funktionell gegeneinander austauschbar sind. Demselben sachlichen Markt wird zugeordnet, was aufgrund der jeweiligen Eigenschaften, Preise und Verwendungszwecke aus Sicht der Nachfrager nicht durch andere Produkte bzw. Dienstleistungen substituierbar ist. Zu berücksichtigen ist dabei ein Zusammentreffen mehrerer Faktoren (bspw. Marktanteil, Unternehmensstruktur, Wettbewerbssituation, Verhalten auf dem Markt; grds. jedoch nicht der Preis) (OLG Düsseldorf, a.a.O.).
  215. Im Zusammenhang mit den hier geltend gemachten Verbietungsrechten aus einem Patent ist die geschilderte Abgrenzung in Bezug auf den Lizenzvergabemarkt vorzunehmen (OLG Düsseldorf, ebd., Rn. 128; Kühnen, Hdb. d. Patentverletzung, 12. Auflage, 2020, Kap. E., Rn. 228): Anbieter ist der Patentinhaber, dem allein eine Lizenzvergabe an dem jeweiligen Patent möglich ist; Nachfrager ist der an der patentgeschützten Technik interessierte Anwender (OLG Düsseldorf a.a.O.; Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 229). Auf diesem Lizenzvergabemarkt muss der Patentinhaber eine beherrschende Stellung inne haben (Kühnen, a.a.O.).
  216. Mit der bloßen Inhaberschaft von Patenten alleine ist noch keine marktbeherrschende Stellung verbunden. Erhält der Patentinhaber allerdings aufgrund hinzutretender Umstände die Möglichkeit, mittels seiner Monopolstellung wirksamen Wettbewerb auf einem nachgelagerten Markt zu verhindern, so vermittelt ihm diese Wettbewerbsposition auf dem Markt für erfindungsgemäße Produkte eine marktbeherrschende Stellung auf dem vorgelagerten Lizenzvergabemarkt (EuGH, GRUR Int 1995, 490 – Magill TVG Guide; EuGH, WuW 2013, 427 – Astra Zeneca; BGH, NJW-RR 2010, 392 ff. – Reisestellenkarte; Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 229 a.E.). Ein solcher nachgeordneter Produktmarkt besteht für aufgrund des Patents lizenzpflichtige Waren/Dienstleistungen.
  217. Nicht jedes standardessentielle Patent begründet als solches eine Marktbeherrschung (OLG Düsseldorf, ebd., Rn. 129; Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 229). Eine solche ist jedoch ohne weiteres anzunehmen, wenn sich der Zugang zur Nutzung des fraglichen standardessentiellen Patents als regelrechte Marktzutrittsvoraussetzung darstellt (OLG Düsseldorf, a.a.O.; Kühnen, ebd., Kap. E, Rn. 232), was der Fall ist, wenn auf dem relevanten Markt überhaupt nur Produkte angeboten und nachgefragt werden, die den Standard durch Benutzung des SEP ausführen (OLG Düsseldorf, a.a.O.; Kühnen, a.a.O.). Entsprechendes gilt, wenn auf dem relevanten Markt zwar auch Produkte angeboten werden, die die Produktkonfiguration des SEP nicht aufweisen, jedoch ein wettbewerbsfähiges Angebot ohne Zugang zur Nutzung des streitigen SEP nicht möglich ist (Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 233).
  218. Aus dem zuvor Gesagten folgt umgekehrt, dass mangelnde Standardessentialität eines Patents der Annahme einer Marktbeherrschung nicht zwangsläufig entgegensteht. Eine Marktbeherrschung kann sich auch ohne Standardessentialität aus einer technischen oder wirtschaftlichen Überlegenheit der patentierten Erfindung ergeben (OLG Düsseldorf, a.a.O.).
  219. Der Beklagte trägt für die Marktbeherrschung nach den allgemeinen Grundsätzen die Darlegungs- und Beweislast (OLG Düsseldorf, ebd., Rn. 130; Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 236). Er ist insoweit gehalten, ganz konkrete Tatsachen vorzutragen, die eine gerichtliche Überprüfung, ob eine beherrschende Stellung auf dem räumlich und sachlich relevanten Markt gegeben ist oder nicht, erlauben (Kühnen, a.a.O.). Für das Bestreiten des Patentinhabers gilt im Anschluss dasselbe Maß an Substantiierung (Kühnen, a.a.O.).
  220. b)
    Bei Berücksichtigung des unter lit. a) dargelegten Maßstabs haben die Beklagten eine marktbeherrschende Stellung der Klägerin dargetan.
  221. aa)
    Das Klagepatent stellt sich als Marktzutrittsvoraussetzung für den hier relevanten nachgelagerten Produktmarkt für UMTS-fähige Mobiltelefone im Gebiet des Europäischen Wirtschaftsraums dar, weil dieses für die Umsetzung des UMTS-Standards essentiell ist (vgl. dazu unter Ziff. V., 2.).

    Vor dem Hintergrund, dass auch Mobiltelefone des nachfolgenden 4G Standards, insbesondere II-fähige Mobiltelefone, entsprechend der Erwartungshaltung des Endkunden mit dem UMTS-Standard ausgestattet sind, ist es ohne das Klagepatent zudem auch nicht möglich, konkurrenzfähige II-fähige Mobiltelefone anzubieten. Denn die flächendeckende Nutzung mobiler Sprachtelefonie in Europa kann bisher nicht allein über die von dem II-Datennetzwerk zur Verfügung gestellte Voice-over-IP Funktion gewährleistet werden, es bedarf dazu vielmehr auch des UMTS-Netzes.

  222. Die so beschriebene Wettbewerbsposition vermittelt der Klägerin auch eine marktbeherrschende Stellung auf dem Lizenzvergabemarkt für die von dem Klagepatent bereitgestellte Technologie.
  223. Soweit die Klägerin bereits aus dem Vorliegen einer ETSI-FRAND Erklärung auf Umstände schließt, die einer marktbeherrschenden Stellung entgegenstehen, vermag die Kammer dem nicht zu folgen. Der Klägerin ist darin zuzustimmen, dass die Erklärung den SEP-Inhaber zur Lizenzierung unter FRAND-Bedingungen verpflichtet – was im Ergebnis auch zu einer Beschränkung seiner Marktmacht führen soll. Jedoch geht mit der Existenz der Erklärung als solcher noch keine Beschränkung der Marktmacht einher, diese ist vielmehr davon abhängig, dass der SEP-Inhaber tatsächlich auch Lizenzen zu FRAND-Bedingungen gewährt, was in Verletzungsverfahren – wie diesem, in denen der kartellrechtliche Zwangslizenzeinwand erhoben wird – gerade zur Überprüfung steht.
  224. bb)
    Die nach Maßgabe der Ausführungen unter lit. aa) bestehende Marktbeherrschung hat die Klägerin auch nicht deshalb verloren, weil mittlerweile über den von Via Licensing verwalteten „Multi-Generation-Pool“ eine alternative Lizenzierungsmöglichkeit besteht. Die Klägerin ist weiterhin Inhaberin des Klagepatents, das ihr eine marktbeherrschende Stellung vermittelt. Eine alternative Lizenzierungsmöglichkeit kann der Annahme einer missbräuchlichen Ausnutzung der marktbeherrschenden Stellung entgegenstehen – dann nämlich, wenn von dem Lizenzpool ein FRAND-gemäßes Angebot ausgeht. Die alternative Lizenzierungsmöglichkeit beseitigt aber nicht die marktbeherrschende Stellung des Patentinhabers als solche.
  225. 2.
    Die Klägerin nutzt ihre nach Maßgabe der Ausführungen unter Ziff. 1. bestehende Marktmacht durch die auf Unterlassen, Vernichtung und Rückruf gerichtete Klageerhebung nicht missbräuchlich im Sinne von Art. 102 AEUV aus. Sie ist den sie nach Maßgabe der EuGH-Rechtsprechung treffenden FRAND-Obliegenheiten (dazu allgemein unter lit. a)) hinreichend nachgekommen (dazu unter lit. b), aa) und lit. cc)), während die Beklagten schon nicht lizenzwillig sind (dazu unter lit. b), bb), und auch kein FRAND-gemäßes Gegenangebot unterbreitet haben (dazu unter lit. b), dd).
  226. a)
    Der EuGH hat dem Inhaber eines standardessentiellen Patents, der sich gegenüber einer Standardisierungsorganisation dazu verpflichtet hat, jedem Dritten eine Lizenz zu fairen, angemessenen und nicht diskriminierenden Bedingungen zu gewähren, in der Rechtssache A Technologies/ D, Az.: C-170/13 mit Urteil vom 16.07.2015 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 15.12.2015 (im Folgenden auch: das EuGH-Urteil oder die EuGH-Rechtsprechung) in Auslegung des Art. 102 AEUV Verpflichtungen auferlegt, die – sofern sie von diesem eingehalten werden – dazu führen, dass eine von diesem erhobene Klage auf Unterlassen oder Rückruf nicht als Missbrauch seiner marktbeherrschenden Stellung anzusehen ist (EuGH, GRUR 2015, 764, Rn. 55).
  227. Aus dem in Bezug genommenen EuGH-Urteil ergibt sich ein von Patentinhaber und Patentbenutzer zu befolgendes Regime von Pflichten/ Obliegenheiten, dessen einzelne Verfahrensschritte aufeinander aufbauen, so dass der Patentverletzer nur dann in der ihm obliegenden Art und Weise zu reagieren hat, wenn der Patentinhaber seinerseits zuvor die ihm oliegenden Pflichten erfüllt hat (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.01.2016, Az.: I-15 U 65/15, Rn. 23, zitiert nach juris; Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 364, 377).
  228. Dieses Regime sieht vor, dass der Patentinhaber den angeblichen Verletzer „vor Erhebung der Klage“ (bzw. „vor der gerichtlichen Geltendmachung“) unter Angabe des fraglichen SEP sowie der Art und Weise der Verletzung hinzuweisen hat (EuGH, GRUR 2015, 764, Rn. 62, 71). Hat der angebliche Patentverletzer daraufhin seine Lizenzbereitschaft zum Abschluss eines Lizenzvertrags unter FRAND-Bedingungen zum Ausdruck gebracht, hat der Patentinhaber – um sich nicht dem Vorwurf des Missbrauchs seiner marktbeherrschenden Stellung auszusetzen – ein konkretes schriftliches Lizenzangebot zu FRAND-Bedingungen zu unterbreiten (EuGH, ebd., Rn. 71). Aus diesem müssen insbesondere die Lizenzgebühr sowie die Art und Weise ihrer Berechnung hervorgehen (a.a.O.). Dem vermeintlichen Patentverletzer obliegt es sodann, auf dieses Angebot mit Sorgfalt, gemäß den in dem Bereich anerkannten geschäftlichen Gepflogenheiten und nach Treu und Glauben, zu reagieren (EuGH, ebd., Rn. 65, 71). Nimmt der vermeintliche Verletzer das Angebot nicht an, kann er sich auf die rechtsmissbräuchliche Geltendmachung einer Unterlassungs- oder Rückrufklage nur berufen, wenn er dem Inhaber des betreffenden SEP innerhalb einer kurzen Frist schriftlich ein konkretes Gegenangebot macht, das den FRAND-Bedingungen entspricht (EUGH, ebd., Rn. 66). Weiter hat der Patentbenutzer ab dem Zeitpunkt, zu dem sein Gegenangebot abgelehnt wurde, eine angemessene Sicherheit gemäß den in dem betreffenden Bereich anerkannten geschäftlichen Gepflogenheiten zu leisten (EuGH, ebd., Rn. 67).
  229. Die vom EuGH für die Geltendmachung des Unterlassungs- und Rückrufanspruchs aufgestellten kartellrechtlichen Einschränkungen gelten auch für den Vernichtungsanspruch (OLG Düsseldorf, ebd., Rn. 16, zitiert nach juris; Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 345). Da eine FRAND-Zusage des Rechtsvorgängers auch den Erwerber eines SEP – vorliegend mithin die Klägerin – bindet (OLG Düsseldorf, GRUR-RS 2019, 6087, Rn.117 – Improving Handovers; LG Mannheim, GRUR-RS 2018, Rn. 62; 31743; Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 308), gilt das von dem EuGH vorgesehene Prozedere zudem auch im Verhältnis des SEP-Erwerbers und des Verletzers.
  230. b)
    Auf die hinreichende Verletzungsanzeige der Klägerin (dazu unter lit. aa)), haben die Beklagten ihre grundsätzliche Lizenzbereitschaft zwar zunächst erklärt, jedoch kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Beklagten auch gegenwärtig noch lizenzbereit sind (dazu unter lit. bb)). Unbeschadet dessen steht das Angebot der Klägerin auch mit den FRAND-Vorgaben des EuGH im Einklang (dazu unter lit. cc)).
  231. aa)
    Eine hinreichende Verletzungsanzeige der Klägerin an die Beklagten liegt mit der E-Mail vom 29.04.2014 (Anlagenkonvolut EIP A37; deutsche Übersetzung: Anlagenkonvolut EIP A37a) vor.
  232. Da bei der Verletzungsanzeige „das fragliche SEP zu bezeichnen und anzugeben ist, auf welche Weise es verletzt worden sein soll“ (EuGH, ebd., Rn. 61), sind zumindest die Angabe der Veröffentlichungsnummer des Klagepatents, die angegriffene Ausführungsform und die vorgeworfene Benutzungshandlung (im Sinne von §§ 9 f. PatG) gegenüber dem Verletzer erforderlich (OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.03.2017, Az.: I-15 U 66/15, Rn. 172 – Mobiles Kommunikationssystem, zitiert nach juris). Die Verletzungsanzeige verlangt aber keine detaillierten (technischen und/oder rechtlichen) Erläuterungen, der andere Teil muss nur in die Lage versetzt werden, den Verletzungsvorwurf zu prüfen (OLG Düsseldorf, a.a.O.; Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 365; weitergehend LG Mannheim, Urteil vom 29.01.2016 – 7 O 66/15 – Rn. 57). Die Verletzungsanzeige dient dazu, dem hinsichtlich des Schutzbereichseingriffs ggf. noch gutgläubigen Benutzer die Gelegenheit zu geben, um die Erteilung einer aufgrund der FRAND-Erklärung jedem Interessenten zugesagten Benutzungserlaubnis nachzufragen (Kühnen, a.a.O.). Die Pflicht zur Selbstanzeige ist jedoch kein Selbstzweck. Sie ist deshalb dort entbehrlich, wo sie sich als nutzlose Förmelei darstellt, weil aufgrund der Gesamtumstände mit Sicherheit davon ausgegangen werden kann, dass der Verletzungsbeklagte Kenntnis von der Benutzung des Klagepatents durch die angegriffene Ausführungsform hat und sein Berufen darauf, der Kläger habe ihm dies nicht angezeigt, als Rechtsmissbrauch erscheint (Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 367). An das Vorliegen eines solchen Tatbestandes sind jedoch hohe Anforderungen zu stellen (a.a.O.).
  233. Die E-Mail der Klägerin vom 29.04.2014 (Anlagenkonvolut EIP A37; Anlagenkonvolut EIP B37a) enthält einen grundsätzlich erforderlichen Hinweis auf das Klagepatent zwar nicht, sondern offenbart eine Vielzahl anderer Portfoliopatente als verletzt. Gleichwohl stellt sie sich jedoch als hinreichend dar.
  234. Die Klägerin hat in der E-Mail vom 29.04.2014 die Verletzung ihres Portfolios geltend gemacht, und konkret verletzte Patente hieraus beispielhaft benannt. Daraus wurde für die Beklagten deutlich, dass die Klägerin eine Verletzung auch anderer Portfoliopatente anmahnte, so dass der Hinweis auf das konkrete Klagepatent vorliegend entbehrlich war. Dabei ist in die Bewertung auch einzustellen, dass die Beklagten das streitgegenständliche Portfolio im Hinblick auf eine Benutzung durch sie jedenfalls in groben Zügen insoweit einordnen konnten, als sie bereits mit F vertraglich durch Lizenznahmen verbunden waren. Dass die Beklagten nicht ohne Vorstellung über das streitgegenständliche Portfolio waren, jedenfalls aber unter den Vertragsverhandlungen eine genauere Vorstellung über dieses entwickelten, findet schließlich auch einen Ausdruck in der Tatsache, dass sie mit E-Mail vom 14.06.2015 (Anlagenkonvolut EIP A39; deutsche Übersetzung: Anlagenkonvolut EIP A39a) ein grundsätzliches Kaufinteresse an diesem bekundeten.
  235. Sofern die Beklagten der Auffassung sind, im Rahmen der Verletzungsanzeige hätte es weiter auch der Vorlage von „Claim Charts“ bedurft, besteht eine solche Pflicht im Zeitpunkt des Verletzungshinweises noch nicht (BGH, Urt. v. 05.05.2020, Az.: KZR 36/17, Rn. 85 – FRAND-Einwand, zitiert nach juris; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 17.11.2016, Az.: I-15 U 66/15, Rn. 5, zitiert nach juris; Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 365).
  236. bb)
    Aufgrund des Gesamtverhaltens der Beklagten steht fest, dass diese jedenfalls mittlerweile nicht mehr lizenzwillig sind.
  237. An die auf den Verletzungshinweis erforderliche Bitte zur Lizenzierung sind inhaltlich keine hohen Anforderungen zu stellen. Sie kann pauschal sowie formlos geschehen, das Verhalten des Patentbenutzers muss jedoch den eindeutigen Willen zur Lizenznahme erkennen lassen und die sich anschließenden Vertragsverhandlungen stetig begleiten (BGH, Urt. v. 05.05.2020, Az.: KZR 36/17, Rn. 83 – FRAND-Einwand, zitiert nach juris; OLG Düsseldorf, GRUR 2017, 1219, Rn. 161 – Mobiles Kommunikationssystem; Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 371). Von der Lizenzbereitschaftserklärung darf in der Folge nicht abgewichen werden, sie muss auch dann noch Bestand haben, wenn der Patentinhaber sein FRAND-Angebot abzugeben hat (OLG Düsseldorf, ebd., Rn. 195). Inhaltliche Ausführungen, derer es nicht bedarf, können sich dann als schädlich erweisen, wenn der Patentinhaber auf ihrer Grundlage annehmen muss, dass eine Bereitschaft zur Lizenznahme nur unter ganz bestimmten, nicht verhandelbaren Bedingungen besteht, die nicht FRAND sind und auf die sich der Schutzrechtsinhaber deshalb nicht einlassen muss (OLG Düsseldorf, ebd., Rn. 197 a. E). Jedoch sind an die Feststellung eines solchen Tatbestandes hohe Anforderungen zu stellen. Die Angabe zu begehrten Lizenzbedingungen entkräftet die Annahme der Lizenzbereitschaft nur dann, wenn sie nach dem objektiven Empfängerhorizont den sicheren Schluss zulässt, dass der Patentbenutzer in Wahrheit keine Lizenz nehmen möchte (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 17.11.2016, Az.: I-15 U 66/15, Rn. 9).
  238. Orientiert an diesem Maßstab kann zugunsten der Beklagten angenommen werden, dass sie zunächst lizenzbereit waren. Denn auf die Verletzungsanzeige der Klägerin kam es im September 2014 zum Austausch von Claim Charts (dazu unter lit. cc), (3), (d), (bb), (ccc), (iii), ((α), (αα)) und es fanden Treffen zur technischen Diskussion des Portfolios bis ins Frühjahr 2015 statt. Aufgrund des dann folgenden Verhaltens der Beklagten, wie es sich in seiner Gesamtheit nach dem objektiven Empfängerhorizont darstellt, ist jedoch davon auszugehen, dass diese nicht mehr lizenzwillig sind.
  239. (aaa)
    Erste Zweifel an der Lizenzwilligkeit der Beklagten ergeben sich im Zusammenhang mit einem den Beklagten von der Klägerin im Juni 2015 unterbreiteten „Lizenzvorschlag“ (Anlagekonvolut EIP A39; deutsche Übersetzung: Anlagenkonvolut B39a) sowie der Übersendung einer Gesamtpatentliste im September 2015 (Anlagenkonvolut A40; deutsche Übersetzung: Anlagenkonvolut A40a). Auf diese Inhalte teilten die Beklagten im Februar 2016 mit, dass eine Lizenz nicht genommen werden solle, solange Patentverletzungsverfahren in den USA gegen T und BB noch laufen,
  240. „Mit diesen unsicheren Faktoren [gemeint ist der zuvor in Bezug genommene Verfahrensstand in dem Rechtsstreit gegen T] im Hinterkopf, wäre es für A sehr ungerecht und diskriminierend, wenn A die Lizenzvereinbarungen zu diesem Zeitpunkt abschließt, während andere Handyhersteller wie T und LGE mit keiner Vereinbarung und keiner Lizenzgebührenzahlung enden.“ (E-Mail v. 06.02.2016, Anlage EIP A40; deutsche Übersetzung: Anlage EIP A40a).
  241. Auch, wenn ein grundsätzliches Interesse des Lizenzsuchers an einer Überprüfung des Rechtsbestands und der Standardessentialität der Portfoliopatente anzuerkennen ist, besteht kein schützenswertes Interesse daran, diese zur Bedingung für einen Vertragsschluss zu machen (BGH, Urt. v. 05.05.2020, Az.: KZR 36/17, Rn. 96 – FRAND-Einwand, zitiert nach juris; Kühnen, ebd. Kap. E., Rn. 380). Dies gilt vor allem auch deshalb, weil die Möglichkeit besteht, dass ein Lizenzvertrag ein etwaiges Ergebnis dieser Rechtsstreitigkeiten in Form eines Anpassungsmechanismus berücksichtigt. Eine Verschiebung der Lizenznahme als solcher auf einen Zeitpunkt nach (rechtskräftiger) Beendigung dieser Verfahren ist hingegen nicht gerechtfertigt.
  242. In letztgenanntem Sinne ist die Erklärung der Beklagten jedoch zu verstehen, daran ändern weder ihre ausdrückliche Erklärung, weiterhin lizenzbereit zu sein, noch die Tatsache, dass es auch im Anschluss an diese Erklärung zu einem weiteren Informationsaustausch zwischen Klägerin und Beklagten kam, etwas. Denn die Beklagten ließen – wozu sogleich (unter lit. (bbb) – (ddd)) ausgeführt wird – auch in der Folgezeit keine ernsthaften Bemühungen zum Abschluss eines Lizenzvertrags erkennen.
  243. (bbb)
    Auf Aufforderung der Klägerin,
  244. „[…], aber wenn A weiterhin bereit ist, eine Lizenz für das Core-Patentportfolio in Betracht zu ziehen, bitte ich Sie, uns ein Angebot zu unterbreiten, das Sie für gerecht und angemessen halten.“ (E-Mail der Klägerin vom 09.02.2016, Anlage EIP A41; deutsche Übersetzung: Anlage EIP A41a),
  245. nannten die Beklagten zwar einen Wert in Höhe von 0,0003%, der ihrer Meinung nach eine FRAND-gemäße Lizenzgebühr repräsentiert (E-Mail der Beklagten vom 16.02.2016, Anlagenkonvolut EIP A41; deutsche Übersetzung: Anlagenkonvolut A41a). Zur Erläuterung des vorgeschlagenen Lizenzsatzes verwiesen sie dabei auf ihren mit F bestehenden Lizenzvertrag, der für das F-Portfolio eine Lizenzgebühr von 0,034% vorsehe. Im Verhältnis zu dem F-Portfolio sei dasjenige der Klägerin mit einem weitaus geringeren Anteil von 0,2 (wenn für das F-Portfolio der Wert 1 angesetzt werde) zu bemessen. Bei der Anmeldung von 1869 Patentfamilien durch F und der Anmeldung von 84 Patentfamilien durch die Klägerin ergebe sich ein Lizenzgebührensatz von 0,0003% nach folgender Berechnung: 84/1869*0,034%*0,2 (vgl. das der E-Mail vom 16.02.2016 beigefügte Dokument, Anlagenkonvolut EIP A41; deutsche Übersetzung: Anlagenkonvolut EIP A41a, letzte Seite). Eine weitergehende Erläuterung dieses extrem niedrigen Wertes für eine Lizenzgebühr erfolgte auch auf Nachfrage der Klägerin nicht, insbesondere verhielten sich die Beklagten zu der Frage der Klägerin, inwiefern der F-Lizenzvertrag Kreuzvertragslizenzelemente vorsehe (vgl. E-Mail der Klägerin vom 14.03.2016, Anlagenkonvolut EIP A41; deutsche Übersetzung: Anlagenkonvolut EIP A41a) – was für die Einordnung der vorgeschlagenen Lizenzgebühr wichtig ist – nicht.
  246. Soweit sich die Beklagten in diesem Zusammenhang auf eine zwischen ihnen und F bestehende Geheimhaltungsvereinbarung beriefen (vgl. E-Mail der Beklagten vom 16.03.2016, Anlagenkonvolut EIP A41; deutsche Übersetzung: Anlagenkonvolut EIP A41a), ist dies für die Kammer aus den folgenden Gründen nicht nachvollziehbar. Legt man den Vortrag der Beklagten eines mit F bestehenden Geheimhaltungsabkommens zugrunde, stellt sich die Frage, weshalb den Beklagten die Mitteilung über den nach dem Vertrag gezahlten Lizenzbetrag ohne weiteres möglich war. Das legt nahe, dass zumindest Teile des Lizenzvertrags – noch dazu besonders sensible – nicht von der Vertraulichkeitszusage der Beklagten erfasst waren. Warum hingegen für die Frage, ob Kreuzvertragslizenzelemente erfasst sind, etwas anderes gelten soll, ist nicht erkennbar. Die Beklagten haben sich auch dazu nicht verhalten, obwohl die Klägerin auf ihre Verwunderung im Hinblick darauf, dass der Lizenzgebührensatz mitgeteilt worden ist, die Beklagten sich aber im Übrigen auf eine Geheimhaltungsvereinbarung berufen, hingewiesen hat (vgl. E-Mail der Klägerin vom 16.03.2016, Anlagenkonvolut EIP A41; deutsche Übersetzung: Anlagenkonvolut EIP A41a). Aber selbst dann, wenn die Regelung über Kreuzvertragslizenzelemente einer etwaigen Geheimhaltungsvereinbarung der Beklagten mit F unterfiele, besteht in einem solchen Fall grundsätzlich die Möglichkeit, dem Lizenzgeber seinerseits den Abschluss eines Geheimhaltungsabkommens anzutragen, und diesen – bei entsprechender Vertraulichkeitszusage – auch ohne Verstoß gegen eine anderweitig abgegebene Geheimhaltungsverpflichtung in Kenntnis zu setzen. Zur Unterzeichnung eines solchen erklärte sich die Klägerin auch zu einem späteren Zeitpunkt der Kommunikation (dazu ausführlich unter lit. (ccc)) grundsätzlich bereit,
  247. „Wenn A sich dadurch wohler fühlt, würden wir gerne ein NDA eingehen, um As revidiertes Gegenangebot vor den Augen Dritter zu schützen, […].“(vgl. E-Mail der Klägerin vom 06.03.2017, Anlagenkonvolut EIP A43; deutsche Übersetzung: Anlagenkonvolut A43a).
  248. Unbeschadet dessen geht aus der soeben in Bezug genommenen Kommunikation aus dem Frühjahr 2017 aber auch hervor, dass die Beklagten ohnehin annahmen, dass die Korrespondenz über die Vertragsmodalitäten geheim verlaufen würde,
  249. „Dennoch hat A bei den bilateralen Verhandlungen stets die Vertraulichkeit beabsichtigt, insbesondere die vertraulichen Informationen von A.“ (vgl. E-Mail der Beklagten vom 02.03.2017, Anlagenkonvolut EIP A43; deutsche Übersetzung: Anlagenkonvolut EIP A43a),
  250. das heißt, auch die Information über den nach dem F-Vertrag gezahlten Lizenzgebührensatz und auch eine etwaige Mitteilung über Kreuzvertragslizenzelemente waren nach der Auffassung, der die Beklagten in dem Zeitpunkt, in dem sie einen Lizenzsatz von 0,0003% vorschlugen, unterlagen, geheim zu halten. Die Tatsache, dass die Beklagten weitere Angaben zu dem von ihnen in Ansatz gebrachten Lizenzgebührensatz dennoch nicht machten, wertet die Kammer als Ausdruck ihrer Lizenzunwilligkeit.
  251. (ccc)
    Für eine Lizenzunwilligkeit der Beklagten spricht – in einer Gesamtschau mit den bereits dargelegten Gesichtspunkten – weiter, dass diese rund drei Jahre nach Beginn der Vertragsverhandlungen die Fortsetzung der Lizenzverhandlungen von dem Abschluss eines Geheimhaltungsabkommens abhängig machten,
  252. „Um die Lizenzverhandlungen voranzutreiben, sollte GG meiner Meinung nach zustimmen, die Vertraulichkeit unserer Verhandlungen zu wahren, da sonst A daran hindert, sich vorwärts zu bewegen, einschließlich des Vorschlags eines aktualisierten Gegenangebots.“ (vgl. E-Mail der Beklagten vom 02.03.2017, Anlagenkonvolut EIP A43; deutsche Übersetzung: Anlagenkonvolut EIP A43a),
  253. „Sie [die Klägerin] sollten sich darüber im Klaren sein, dass Ihre Weigerung eine NDA abzuschließen, nicht nur ein Hindernis für unsere weiteren Verhandlungen darstellen würde, sondern auch der Frand-Verpflichtung zuwiderläuft, die Sie erfüllen müssen. […] A würde sicherlich im Einklang mit den Urteilen des EuGH zur FRAND-Frage handeln und wäre bereit ein weiteres Gegenangebot zu unterbreiten, aber A muss sich bis zur Ausführung eines NDAs zurückhalten.“ (vgl. E-Mail der Beklagten vom 05.03.2017; Anlagenkonvolut EIP A43; deutsche Übersetzung: Anlagenkonvolut EIP A43a; Fehler in Rechtschreibung und Grammatik wurden übernommen).
  254. Dabei geht aus dem in diesem Zusammenhang weiter vorgelegten E-Mail-Verkehr hervor, dass der Abschluss eines NDA bereits im Sommer 2013 von Seiten der Beklagten angestrengt und von der Klägerin unterstützt wurde. Weiter ergibt sich dann, dass die Beklagten – obwohl sie dies im Frühjahr 2017 zur Bedingung des Fortgangs der Lizenzierungsgespräche machten – im Jahre 2013 den Abschluss eines NDA nicht weiter verfolgten,
  255. „Einen überarbeiteten Entwurf der NDA haben wir am 19.August 2013 an A zurückgeschickt. Sie haben bemerkt, dass Sie die NDA überprüfen, aber wir haben nach diesem Datum nie wieder von Ihnen gehört.“ (vgl. E-Mail der Klägerin vom 02.03.2017, Anlagenkonvolut EIP A43; deutsche Übersetzung: Anlagenkonvolut EIP A43a),
  256. „Ich weiß nicht, warum die NDA jemals diskutiert, aber nicht endgültig abgeschlossen wurden.“ (E-Mail der Klägerin vom 02.03.2016, Anlagenkonvolut EIP A43; deutsche Übersetzung: Anlagenkonvolut EIP A43a; Fehler in Rechtschreibung und Grammatik wurden übernommen).
  257. Diese Umstände sprechen dafür, dass es den Beklagten nicht zuvorderst um den Abschluss eines Geheimhaltungsabkommens ging, sondern sie vor allem die Lizenzvertragsverhandlungen mit der Klägerin hinauszögern wollten.
  258. (ddd)
    Auch in der Folgezeit knüpften die Beklagten den Abschluss eines Lizenzvertrags in unzulässiger Weise an Bedingungen.
  259. Auf das hier streitgegenständliche Angebot der Klägerin aus Juli 2017 und im Zusammenhang mit einem Treffen der Parteien am 15.12.2017 unterbreiteten die Beklagten per E-Mail vom 21.12.2017 ein weiteres „Gegenangebot“, in welchem sie sich zur Zahlung einer Lizenzgebühr von 3 Millionen US $ für das US-amerikanische und das europäische Patentportfolio bereit erklärten (Anlage EIP A46; deutsche Übersetzung: Anlage A46a), und eine Bankgarantie in Höhe von EUR 1.340.000 leisteten. Das „Angebot“ sparte hingegen ein wesentliches Absatzgebiet der Beklagten, die Volksrepublik China, aus. Stattdessen machten sie eine Lizenznahme insoweit davon abhängig, dass zunächst zehn andere große chinesische Endgerätehersteller eine Lizenz bei der Klägerin nehmen,
  260. „Um Rechtsstreitigkeiten in China zu vermeiden und damit A seine wettbewerbsfähigen Preise in diesem sehr großen Markt aufrechterhalten kann, wird A alternativ eine Lizenz für das chinesische Patentportfolio von Conversant nehmen, sobald Conversant sein chinesisches Patentportfolio an mindestens zehn große chinesische Endgerätehersteller lizenziert hat.“ (vgl. E-Mail der Beklagten vom 21.12.2017; Anlagenkonvolut EIP A46; deutsche Übersetzung: Anlagenkonvolut EIP A46a; Hervorhebung diesseits).
  261. Vor dem Hintergrund dieses Verhaltens der Beklagten können auch die folgenden, im Rahmen des hiesigen Prozesses abgegebenen Erklärungen:
  262. „Die Beklagten haben mitgeteilt, eine Lizenz nehmen zu wollen, wenn es sich um wirksame SEPs handele. An dieser Lizenzwilligkeit der Beklagten hat sich indes nichts geändert, sie wird vorsorglich hier noch einmal bekräftigt.“ (Klageerwiderung vom 05.11.2018 , S. 72, Bl. 244 GA),
  263. und:
  264. „Zusammenfassend: Die Beklagte ist natürlich lizenzwillig, wenn es sich um wirksame SEP handelt und die Lizenz FRAND ist. Dies hat sie immer betont und betont es hier erneut.“ (Quadruplik vom 04.03.2020, S. 55, Pkt. III., 2. Abs., Bl. 675 GA).
  265. nicht so verstanden werden, dass die Beklagten damit eine grundsätzliche Lizenzbereitschaft zum Ausdruck bringen wollen. Zwar ist auch dem lizenzwilligen Lizenzsucher zuzugestehen, dass er sich einen Angriff auf den Rechtsbestand/ die Standardessentialität vorbehält. Derart können die Erklärungen der Beklagten aber vor dem Hintergrund ihres hier dargestellten Verhaltens im Übrigen nicht verstanden werden. (vgl. zu einer nur bedingten Bereitschaft zur Lizenznahme bereits unter lit. (aaa)).
  266. (eee)
    Nachdem die Lizenzwilligkeit der Beklagten nach Maßgabe der Ausführungen unter lit. (aaa) – lit. (ddd) entfallen ist, ist auch aufgrund des Gegenangebots vom 12.03.2020 nicht anzunehmen, dass eine Lizenzbereitschaft (nunmehr wieder) besteht. Das Gegenangebot weist weder eine hinreichende Regelungsdichte auf, noch begründen die Beklagten die von ihnen darin angesetzten – deutlich niedrigeren Lizenzgebühren – hinreichend. Auf die Ausführungen zum Gegenangebot unter lit. dd) wird insoweit Bezug genommen. Nach alledem fügt sich auch das Gegenangebot der Beklagten in ihr für eine fehlende Lizenzbereitschaft sprechendes Verhalten ein.
  267. cc)
    Unbeschadet dessen, dass die Klägerin aufgrund der Ausführungen unter lit. bb) schon zur Abgabe eines FRAND-gemäßen Angebotes gegenüber den lizenzunwilligen Beklagten nicht verpflichtet ist, stellt sich das von ihr im Juli 2017 unterbreitete, hier maßgebliche Angebot (zur Maßgeblichkeit unter Ziff. (1)), sowohl im Hinblick auf die eher „formellen“ Anforderungen (dazu unter Ziff. (2)), als auch hinsichtlich der inhaltlichen Vorgaben der EuGH-Rechtsprechung (dazu unter Ziff. (3)) als hinreichend dar.
  268. (1)
    Das vorliegend für die Beurteilung der FRAND-Gemäßheit maßgebliche Angebot ist dasjenige aus Juli 2017 (Anlage A44; deutsche Übersetzung: Anlage A44ab). Soweit die Klägerin in dem laufenden englischen Verfahren zur Feststellung einer FRAND-gemäßen Lizenzgebühr im April 2019 ein weiteres, im Hinblick auf die Lizenzgebührenhöhe abweichendes Angebot abgegeben hat, hat sie auf Vorhalt der Beklagten klargestellt, dass sie sich an das hier eingeführte Angebot aus Juli 2017 gebunden sieht.
  269. Soweit die Beklagten davon ausgehen, dass die Klägerin ihr Angebot aus Juli 2017 durch Unterbreiten eines neuen Angebots im März 2019 widerrufen hätten, weil das neue Angebot einen höheren Lizenzsatz vorsehe, kann dem neuen Angebot der Klägerin ein solcher Erklärungswert nicht, auch nicht konkludent, beigemessen werden.
  270. Den Beklagten ist zwar darin zuzustimmen, dass der Antrag eines neuen Angebots mit abweichendem Inhalt bei Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont grundsätzlich so zu verstehen ist, dass damit der Bindungswille an das ältere Angebot gelöst wird. Ein solches Verständnis lässt jedoch die besonderen Umstände des hiesigen Falles außer Betracht. Diese sind dadurch gekennzeichnet, dass sich die Klägerin im Rahmen des von ihr gegen die Beklagten und gegen Unternehmen des D-Konzerns eingeleiteten englischen Verfahrens zu einer Neubewertung ihres Portfolios veranlasst sah, weil D darin eine fehlerhafte Skalierung hinsichtlich der Multimode-Rate rügte (zur Multimode-Rate unter Ziff. (3), (c), (aa)). Um diesem Einwand Rechnung zu tragen, passte die Klägerin ihr Angebot auf das Argument von D an, sie selbst hält jedoch an der Richtigkeit der von ihr vorgenommenen Berechnungen, die Gegenstand des Angebots aus Juli 2017 sind, fest.
  271. (2)
    Das Vertragsangebot der Klägerin erfüllt die eher „formellen“ Anforderungen der EuGH-Rechtsprechung.
  272. (a)
    Das Vertragsangebot muss nach den von dem EuGH aufgestellten Kriterien schriftlich verfasst sein und muss darüber hinaus insoweit konkret in dem Sinne sein, dass daraus die Lizenzgebühr und die einschlägigen Berechnungsparameter (maßgebliche Bezugsgröße, anzuwendender Lizenzsatz, ggf. Abstaffelung) sowie die Art und Weise der Berechnung hervorgehen (OLG Düsseldorf, GRUR 2017,1219, Rn. 169 – Mobiles Kommunikationssystem; Kühnen, ebd., Kap. E. Rn. 354). Die Punkte, die üblicherweise Regelungsgegenstand von Lizenzverträgen sind, müssen in das Angebot in Form von aussagekräftigen Bestimmungen aufgenommen sein (OLG Düsseldorf, a.a.O.; Kühnen, a.a.O.). Das Angebot hat weiter zu erläutern, aufgrund welcher Umstände die darin vorgeschlagenen Vergütungsparameter FRAND sind (OLG Düsseldorf, a.a.O.). Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass eine mathematisch genaue Herleitung einer FRAND-gemäßen Lizenzgebühr nicht zu erfolgen hat, vielmehr ist eine annäherungsweise Entscheidung, die auf Wertungen und Schätzungen beruht, vorzunehmen (Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 484). Vergleichbare Lizenzverträge können dabei ein gewichtiges Indiz für die Angemessenheit der angebotenen Lizenzbedingungen sein (LG Düsseldorf, a.a.O.; Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 258 a. E.).
  273. Mit der Angabe über die Art und Weise der Berechnung der Gebühren ist eine Erläuterung derjenigen Umstände gemeint, die die vertraglich nach Bezugsgröße und Lizenzsatz zu bezeichnenden Vergütungsfaktoren als diskriminierungs- und ausbeutungsfrei ausweisen (Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 358). Dazu gehört auch, dass der Patentinhaber, soweit er bereits Lizenzen vergeben hat, nachvollziehbar macht, dass er den Lizenzsuchenden entweder gleich oder weshalb er ihn in welcher Hinsicht ungleich behandelt (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 17.11.2016, Az.: I-15 U 66/15, Rn. 22, zitiert nach juris; OLG Karlsruhe, GRUR 2020, 166, Rn. 123 – Datenpaketverarbeitung; LG Düsseldorf, Urt. v. 13.07.2017, Az.: 4a O 154/15, Rn. 311 ff., zitiert nach juris; Teilurt. v. 31.03.2016, Az.: 4a O 73/14, Rn. 199, zitiert nach juris; Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 360).
  274. (b)
    Unter Berücksichtigung des unter lit. (a) Ausgeführten erweist sich das FRAND-Angebot der Klägerin weder deshalb als unter FRAND-Gesichtspunkten unzureichend, weil erforderlicher Vortrag zu Lizenzverträgen mit Dritten (dazu unter lit. (aa)), oder zur Angemessenheit der in Ansatz gebrachten Lizenzgebühren fehlt (dazu unter lit. (bb)) noch weil Angaben zu Gerichtsentscheidungen ausgeblieben sind (dazu unter lit. (cc)).
  275. (aa)
    Die Klägerin verhält sich im Rahmen ihres Vertragsangebots hinreichend zu zwischen ihr und Dritten bestehenden Lizenzverträgen (dazu unter lit. (aaa)), sowie zu solchen Vertragsbedingungen, die ihre Rechtsvorgängerin mit Dritten vereinbart hat (dazu unter lit. (bbb)).
  276. (aaa)
    Soweit Lizenzverträge zwischen der Klägerin und Dritten betroffen sind, handelt es sich bei diesen nicht um mit den Beklagten vergleichbare Lizenznehmer (dazu unter -Ziff. (i)). Jedenfalls hat aber die Klägerin auch dargetan, dass eine etwaige Ungleichbehandlung zu keiner Beeinträchtigung des Wettbewerbs führt (dazu unter Ziff. (ii)). Auch soweit die Beklagten geltend machen, es bestünden weitere Verträge der Klägerin mit K, L und M sowie S, ist die Klägerin ihren Erläuterungspflichten nachgekommen (dazu unter Ziff. (iii)). Die Erläuterungen erfolgen auch nicht verspätet (dazu unter Ziff. (v)). Eine über die Erklärungen der Klägerin hinausgehende Pflicht zur Vorlage von Lizenzverträgen besteht nicht (dazu unter Ziff. (iv)).
  277. (i)
    Den von der Klägerin mit J, G und der H abgeschlossenen Lizenzverträgen fehlt es bereits an einer Vergleichbarkeit mit dem den Beklagten unterbreiteten Angebot.
  278. Sortiert der Lizenzgeber Vertragsverhältnisse aus der Menge der Vergleichsverträge aus, so ist das Kriterium, mit welchem er die Nichtvorlage begründet, sorgfältig daraufhin zu überprüfen, ob damit tatsächlich einem Vergleich nicht zugängliche Verträge aus der Referenzmenge herausgenommen werden, oder ob damit der Vergleichsmaßstab unsachgerecht eingeengt wird und sich der Lizenzgeber auf diese Weise einer grundsätzlich notwendigen Rechtfertigung für eine Ungleichbehandlung entzieht. Von der grundsätzlich bestehenden Vorlagepflicht können deshalb nur solche Verträge ausgenommen werden, bei denen die Unterschiede derart groß sind, dass sich von vornherein keine Argumente für eine Gleichbehandlung finden lassen (so wohl für Kreuzlizenzverträge OLG Düsseldorf, GRUR-RS 2019, XXX8, Rn. 135 a. E. und Kühnen, edb., Kap. E., Rn. 314, Fn. 493). Das trifft auf solche Lizenzverhältnisse zu, deren Inhalt unter keinem Gesichtspunkt mit demjenigen des Vertragsangebots so auf einen Nenner gebracht werden kann, dass ein Vergleich möglich wird.
  279. So ist es vorliegend im Hinblick auf die Lizenzvertragsverhältnisse, die die Klägerin mit J, G und der H abgeschlossen hat.
  280. Für den Vertrag der Klägerin mit J, der ein von dem hier streitgegenständlichen Portfolio abweichendes Schutzrechtsbündel von Implementierungspatenten betrifft, ist von einer fehlenden Vergleichbarkeit in diesem Sinne auszugehen. Auch die Beklagten bringen gegen eine fehlende Vergleichbarkeit insoweit nichts vor, sondern stellen den Vortrag der Klägerin zur fehlenden Vergleichbarkeit pauschal in Abrede.
  281. Die Klägerin hat als bisherige Lizenznehmer an dem streitgegenständlichen Portfolio G und die H (letztere aus dem Jahre 2016), genannt, und vorgebracht, darin werde der Marktaustritt der näher bezeichneten Lizenznehmer berücksichtigt und lediglich noch ein limitierter Abverkauf geregelt.
  282. Insoweit vollzieht die Kammer nach, dass eine Vergleichbarkeit ausgeschlossen ist, weil die Klägerin in dem Bestreben, überhaupt eine Vergütung für die Benutzung ihrer geschützten Technik zu erhalten – im Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit G befanden sich einige Geschäftsteile der Gesellschaft bereits in Auflösung –, und zur Vermeidung langwieriger Gerichtsverfahren, eine Lizenzgebühr akzeptiert hat, die den Wert ihres Portfolios nicht repräsentativ widerspiegelt. Die Klägerin hat auch klargestellt, dass ein Wiedereintritt von CC und der H von der vertraglichen Vereinbarung nicht umfasst ist.
  283. Soweit die Beklagten in Abrede stellen, dass in den hier in Bezug genommenen Verträgen ein Marktaustritt geregelt worden ist, spricht dafür schon die Tatsache, dass die näher bezeichneten Unternehmen tatsächlich auf dem Mobilfunkmarkt nicht mehr in Erscheinung treten (dazu weiter auch unter Ziff. (ii)).
  284. (ii)
    Jedenfalls soweit die Vorlage der Verträge unter dem Gesichtspunkt der Ungleichbehandlung für erforderlich erachtet wird, kommt es auf die hier erörterte Frage der Vergleichbarkeit im Ergebnis auch nicht an. Denn selbst dann, wenn – bei Annahme der Vergleichbarkeit der Verträge – eine sachwidrige Ungleichbehandlung vorliegen sollte, fehlt es an einer Eignung zur Wettbewerbsbeeinträchtigung.
  285. Der Patentinhaber kann gegen den Vorwurf eines nicht FRAND-gemäßen Lizenzangebots dartun, dass die Diskriminierung nicht geeignet ist, den Lizenzsucher in seiner Wettbewerbsstellung auf dem Produktmarkt zu beeinträchtigen (EuGH, NZKart 2018, 225, Rn. 27 – MEO; Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 361). Insoweit genügt zunächst die Behauptung von Indizien, die die mangelnde wettbewerbliche Relevanz der Diskriminierung plausibel machen (Kühnen, a.a.O.). Es ist sodann an dem Lizenzsucher – im Rahmen einer ihn treffenden sekundären Darlegungslast – konkrete Umstände aufzuzeigen, die dennoch eine Eignung zur Wettbewerbsverzerrung belegen (Kühnen, a.a.O.).
  286. Vorliegend hat die Klägerin aufgezeigt, dass eine etwaige Diskriminierung die Beklagten in ihrer Wettbewerbsstellung auf dem Produktmarkt nicht beeinträchtigt.
  287. G und die H stehen den Beklagten auf dem hier relevanten Mobilfunkmarkt nicht mehr als Wettbewerber gegenüber. Insbesondere ist – anders als die Beklagten vorgetragen haben – nicht ersichtlich, dass die H noch umfangreich auf dem Mobilfunkmarkt tätig ist. Auf das Vorbringen der Klägerin, dass lediglich für den indischen Markt noch Geräte mit der Bezeichnung „H“ vertrieben werden, und der Vertrieb durch eine an der Lizenzvereinbarung unbeteiligte Tochtergesellschaft organisiert werde, haben die Beklagten, die sich als Marktteilnehmer ihrerseits zu dem Wettbewerberumfeld verhalten können, bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nichts mehr vorgebracht. In diesem Zusammenhang ergibt sich auch nichts anderes aus dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom Der darin wiedergegebene screenshot vom 23.06.2020, lässt einen Bezug zur H nicht erkennen. Ein solcher ergibt sich nicht allein daraus, dass sich das Angebot auf ein „H“-Smartphone bezieht. Zu der Zustandsbeschreibung befindet sich dort zudem die Angabe „B-Ware & 2. Wahl, Artikel wie Neu, Rückläufer. […].“, Unter dem Punkt „Verkäuferinformation“ ist die Bezeichnung „WestCom“ genannt. Diese Angabe sprechen dagegen, dass die H als Anbieter des Smartphones zu erachten ist.
  288. (iii)
    Soweit die Beklagten vortragen, es bestünden weitere relevante Verträge zwischen der Klägerin und K sowie mit L und M und S, ist die Klägerin ihrer Erläuterungspflicht auch insoweit nachgekommen.
  289. Die Klägerin hat ausgeführt, dass es sich dabei um Verträge handele, die zwischen F und den näher bezeichneten Unternehmen bestehen. Eine Erläuterungspflicht zu dem Inhalt dieser Verträge bestimmt sich deshalb danach, ob die Klägerin zu Lizenzverträgen ihrer Rechtsvorgängerin vortragen muss (dazu unter lit. (bbb)).
  290. Soweit die Beklagten dennoch davon ausgehen, dass die Lizenzverträge mit den näher bezeichneten Lizenznehmern mit der Klägerin – und nicht mit F – abgeschlossen wurden, kann nicht festgestellt werden, dass die Klägerin ihrer Erläuterungspflicht nicht nachgekommen ist, weil sie falsche Angaben gemacht hat. Die Erläuterungspflicht legt dem Lizenzgeber auf, zu bestehenden Lizenzverträgen schlüssig vorzutragen. Berufen sich die Beklagten darauf, dass der Vortrag falsch ist, ist es an ihnen, dies darzutun und zu beweisen.
  291. Den Beklagten ist in diesem Zusammenhang zuzugestehen, dass der von ihnen in Bezug genommene Auszug aus dem Urteil des United States District Court for the Nothern District of California vom 10.05.2019,
  292. „At trial, John DD, Conversant’s CEO, testified that Conversant licensed the US´151 as part of its patent portfolio to numerous third parties, including K, L, and M“ (Anlage B05, S. 8, Z. 14 ff.),
  293. sich liest, als sei der Vertragsschluss zwischen der Klägerin und den näher bezeichneten Lizenznehmern erfolgt. Nach dem von der Klägerin vorgelegten Transkript zur Vernehmung des Herrn DD in dem US-amerikanischen Verfahren (Anlage EIP A60, S. 606 f.; deutsche Übersetzung: Anlage EIP A60a) stellt sich die Aussage des Herrn DD jedoch – im Einklang mit der Behauptung der Klägerin in dem hiesigen Verfahren – derart dar, dass er sich bei der Äußerung über K, L und M zu den durch F abgeschlossenen Lizenzverträgen verhalten hat. Vor diesem Hintergrund stellt sich die von den Beklagten in Bezug genommene Aussage aus dem amerikanischen Urteil als verkürzt dar, und lässt die Annahme, dass die Klägerin weitergehende Lizenzverträge als die von ihr angegebenen abgeschlossen hat, nicht zu.
  294. Auch soweit die Beklagten vorbringen, es bestehe eine Lizenzvereinbarung zwischen der Klägerin und S, haben die Beklagten nicht dargetan, dass die Klägerin insoweit falsche Angaben gemacht hat
  295. (iv)
    Die vorherigen Ausführungen berücksichtigend bedarf es der Vorlage der in Rede stehenden Lizenzverträge weder unter dem Aspekt der Angemessenheit (zur Vorlagepflicht insoweit vgl. Landgericht Düsseldorf, 4a O 154/15, Urt. v. 13.07.2017, Rn. 312, zitiert nach juris; ebd., 4c O 72/17, Urt. v. 11.07.2018, Rn. 144, zitiert nach BeckRS 2018, 20333) noch, um den Beklagten eine Überprüfung der Diskriminierungsfreiheit zu ermöglichen.
  296. Hat der Patentinhaber substantiiert begründet, dass Verträge aus der Vergleichsmenge auszunehmen sind bzw. deren Inhalt aus anderen Gründen nicht entscheidungserheblich ist, ist er zur Vorlage der in Rede stehenden Verträge nicht verpflichtet. Die Vorlagepflicht dient dazu, dem Lizenzsucher, der im Hinblick auf den Inhalt entscheidungserheblicher Lizenzverträge typischerweise einem Informationsdefizit unterliegt, eine nähere Prüfung des Vertragsinhalts zu ermöglichen, um auf dieser Grundlage den Vorwurf einer sachwidrigen Ungleichbehandlung bzw. ausbeuterischer Vertragsbedingungen zu konkretisieren. Der Patentinhaber ist hingegen nicht zur Vorlage der Verträge verpflichtet, um den Lizenzsucher in die Lage zu versetzen, schlechthin alle Lizenzverträge auf ihren Inhalt zu überprüfen. Eine solche Betrachtungsweise führt im Ergebnis dazu, dass der Patentinhaber sämtliche, auch die für die kartellrechtliche Betrachtung unerheblichen, Lizenzverträge vorzulegen hat, und läuft darauf hinaus, dass der Patentinhaber den Beweis für den von ihm behaupteten Vertragsinhalt erbringen muss. Dies aber läuft der hier angenommenen Verteilung der Darlegungs- und Beweislast zuwider (dazu unter Ziff. (3), (a)). Auch ist nicht ersichtlich, dass eine solch umfassende Vorlagepflicht zur Kontrolle der Angaben des Vertragspartners praxisüblich ist.
  297. (v)
    Unschädlich ist schließlich auch, dass die Klägerin sich erst im Rahmen des laufenden Prozesses – und nicht bereits mit Abgabe des Angebots im Juli 2017 – zu mit Dritten bestehenden Lizenzverträgen verhalten hat. Das Vorbringen der Klägerin bewegt sich innerhalb der Grenzen des prozessualen Verspätungsrechts (LG Düsseldorf, Urt. v. 11.07.2018, Az.: 4c O 77/17, Rn. 123, zitiert nach BeckRS 2018, 25099; Kühnen, ebd, Kap. E., Rn. 407 ff.). Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Beklagten auf diesen Vortrag nicht mehr rechtzeitig, mithin bis zur mündlichen Verhandlung, reagieren konnten (vgl. dazu LG Düsseldorf, Urt. v. 13.07.2017, Az.: 4a O 154/15, Rn. 300, zitiert nach juris; zur grundsätzlichen Nachholbarkeit auch: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 17.11.2016, Az.: I-15 U 66/15, R. 13, zitiert nach juris; GRUR-RS 2016, 2016, 9322, Rn. 22 ff.; OLG Karlsruhe, NZKArt 2016, 334 (336); a. A. LG Mannheim, GRUR-RS 2018, 31743, Rn. 70).
  298. (bbb)
    Die Klägerin verhält sich im Rahmen des laufenden Prozesses auch zu Lizenzverträgen, die ihre Rechtsvorgängerin mit Dritten abgeschlossen hat, hinreichend.
  299. Nach der oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung besteht die Bindung des Patenterwerbers an die FRAND-Zusage seines Rechtsvorgängers nicht nur „dem Grunde nach“, sondern darüber hinaus auch im Hinblick auf die Höhe und den Inhalt der Lizenzverträge (OLG Düsseldorf, GRUR-RS 2019, 6087, Rn.122 – Improving Handovers; ebd., Beschl. v. 17.11.2016, Az.: I-15 U 66/15, Rn. 24). Auch die durch den Rechtsvorgänger abgeschlossenen Lizenzverträge bestimmen vor diesem Hintergrund den für die Beurteilung der Diskriminierungsfreiheit maßgeblichen Vergleichsrahmen (a.a.O.). Daraus folgt, dass sich der Lizenzgeber bei seiner Offerte auch zu diesen Lizenzverträgen verhalten muss (OLG Düsseldorf, ebd., Rn. 125).
  300. Es kann dahinstehen, ob die Rechtsprechung auf Konstellationen wie die vorliegende anwendbar ist. Zum einen ist bereits zu berücksichtigen, dass die Beklagten einem umfassenden Informationsdefizit nicht unterliegen. Denn sie selbst waren in der Vergangenheit Lizenznehmer von F und haben der Klägerin auf dieser Grundlage im Rahmen der außergerichtlichen Lizenzverhandlungen einen Vorschlag für die Lizenzgebührenhöhe unterbreitet (dazu bereits unter lit. bb), (bbb)). Zum anderen hat sich die Klägerin zu den von F abgeschlossenen Lizenzen verhalten und ausgeführt, diese enthielten Kreuzlizenzelemente – was einer Vergleichbarkeit entgegensteht. Denn bei der Kreuzlizenzierung wird mindestens ein Teil der für die Lizenznahme zu erbringenden Gegenleistung statt durch eine in Geld bestimmte Lizenzvergütung durch die Einräumung einer Benutzungsgestattung für Lizenzrechte des Lizenznehmers erbracht. Da es sich bei der Rechteeinräumung und der Geldleistung um im Kern völlig andersartige Leistungen handelt, die auch zu Vergleichszwecken nicht überein gebracht werden können, taugen Lizenzverträge mit Kreuzvertragselement für Vertragsangebote an Lizenznehmer ohne Rücklizenzwert regelmäßig nicht (so auch OLG Düsseldorf, GRUR-RS 2019, 6087, Rn. 136 – Improving Handovers). Schließlich ist auch nicht ersichtlich, dass die von F abgeschlossenen Lizenzverträge, die allesamt vor dem Jahr 2011 abgeschlossen wurden, noch laufen. Vielmehr hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass die Verträge beendet sind. Diese entfalten mithin keine Auswirkungen mehr auf die Wettbewerbslage der Konkurrenten (OLG Düsseldorf, ebd., Rn. 123).
  301. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Beklagten behaupten, sie hätten „eine ganze Kette von Lizenzverträgen mit F, die bis heute reichen und früher beginnen als 2011“ abgeschlossen. Denn jedenfalls soweit das für die 2G-, 3G- und 4G-Technologie relevante F-Portfolio betroffen ist, tragen die Beklagten selbst vor, dass sie im Jahre 2017 einen neuen Vertrag mit F abgeschlossen haben. Danach ist nicht davon auszugehen, dass im Verhältnis zu den Beklagten noch relevante Verträge mit F aus einer Zeit vor dem Erwerb des streitgegenständlichen Portfolios durch die Klägerin laufen.
  302. (bb)
    Die Klägerin hat die Angemessenheit der von ihr unter Ziffer 4.2 des Vertragsentwurfs in Ansatz gebrachten Lizenzgebühren im Zusammenhang mit ihrem Angebot aus Juli 2017 (Anlage EIP A44; deutsche Übersetzung: Anlage EIP A44ab) hinreichend dargetan, indem sie aufgezeigt hat, dass und inwiefern sie ihre Berechnungen an diejenigen aus den C-Urteilen angelehnt hat (zu den Darlegungen der Klägerin im Einzelnen unter Ziff. (3), (c), (aa), (bbb)). Unschädlich ist in diesem Zusammenhang, dass das Angebotsschreiben der Klägerin vom 25.07.2017 (Anlage EIP A44; deutsche Übersetzung: Anlage EIP A44ab) selbst die Berechnungen nach dem C-Urteil 1 nicht aufzeigte, sondern insoweit auf das FSoC Bezug nahm, welches der Beklagten am selben Tag zugestellt wurde.
  303. Von der hinreichenden Erläuterung des Vertragsangebots ist die Frage zu trennen, ob die Begründung, die die Klägerin für die Angemessenheit der Lizenzgebühren anführt, diese im Ergebnis trägt (dazu unter Ziff. (3), lit. (d), (bb)).
  304. (cc)
    Die Klägerin ist ihrer Erläuterungspflicht zu maßgeblichen Gerichtsentscheidungen nachgekommen, indem sie zu Gerichtsentscheidungen, die sich mit abgeschlossenen Lizenzverträgen bzw. mit der Standardessentialität/ mit dem Rechtsbestand der Portfoliopatente befassen, vorgetragen hat. Es ist hingegen unschädlich, dass sie diese nicht vorgelegt hat.
  305. Neben den bereits geschlossenen Lizenzverträgen muss der SEP-Inhaber zum Nachweis der Art und Weise der Berechnung der geforderten Lizenzgebühren grundsätzlich etwaige Gerichtsentscheidungen vorlegen, die sich mit den abgeschlossenen Lizenzverträgen befassen (LG Düsseldorf, Urt. v. 11.07.2018, Az.: 4c O 72/17, Rn. 147, zitiert nach BeckRS 2018, 20333). Denn gerichtliche Entscheidungen oder Hinweise zur Angemessenheit der vorgeschlagenen Lizenzbedingungen sind jedenfalls als neutrale und sachverständige Stellungnahmen zu berücksichtigen (a.a.O.). Zumindest wenn keine oder eine nicht ausreichende Anzahl von Lizenzverträgen abgeschlossen worden ist, muss der SEP-Inhaber auch sonstige Entscheidungen zur Verletzung und zum Rechtsbestand des oder der zu lizenzierenden Schutzrechte vorlegen (a.a.O.).
  306. Die Klägerin hat mit E-Mail vom 12.12.2017 (Anlage EIP A45; deutsche Übersetzung: Anlage EIP A45a) Verfahren mitgeteilt, in denen Portfoliopatente als nicht standardessentiell/ nicht verletzend befunden wurden. Bestandteil der Mitteilung war auch das Ergebnis, welches die jeweiligen Gerichtsverfahren hatten. Die Beklagten zeigen mit ihrem Prozessvorbringen in dem Duplikschriftsatz vom 28.06.2019 (vgl. dort S. 84, Bl. 515, Tabelle GA) schließlich auch, dass sie in Kenntnis des Ausgangs der Gerichtsverfahren sind.
  307. Der Vorlage dieser Entscheidungen durch die Klägerin bedurfte es darüber hinaus nicht. Der Lizenzsucher, der in Kenntnis über im Zusammenhang mit dem Vertragsangebot interessierende Gerichtsentscheidungen ist, verfügt regelmäßig über hinreichende Informationen, um auf dieser Grundlage zu entscheiden, ob er eine inhaltliche Auseinandersetzung mit diesen für geboten hält oder nicht. Strebt er eine solche an, steht er zunächst selbst in der Pflicht, sich diese zu verschaffen. Etwas anderes mag – wofür hier keine Anhaltspunkte bestehen – dann gelten, wenn diese nicht veröffentlicht oder durch die jeweiligen Gerichte nicht ausgegeben werden.
  308. (3)
    Es kann nicht festgestellt werden, dass das streitgegenständliche Angebot aus Juli 2017 den inhaltlichen Anforderungen an die FRAND-Gemäßheit zuwiderläuft.
  309. (a)
    Das Diskriminierungsverbot normiert für das marktbeherrschende Unternehmen eine Verpflichtung zur Gleichbehandlung, indem es Handelspartnern, die sich in gleicher Lage befinden, dieselben Preise und Geschäftsbedingungen einräumen muss (OLG Düsseldorf, GRUR 2017, 1219, Rn. 173 – Mobiles Kommunikationssystem). In das Gleichbehandlungsgebot sind dabei nur Sachverhalte, die auch vergleichbar sind, einzubeziehen, während auch marktbeherrschende Unternehmen auf unterschiedliche Marktbedingungen differenziert reagieren können (a.a.O.). Eine Ungleichbehandlung ist daher zulässig, wenn sie sachlich gerechtfertigt ist (a.a.O.). Der dem Inhaber eines gewerblichen Schutzrechts grundsätzlich zustehende weite Spielraum für eine sachliche Rechtfertigung ist eingeschränkt, wenn neben die marktbeherrschende Stellung weitere Umstände treten, aus denen sich ergibt, dass die Ungleichbehandlung die Freiheit des Wettbewerbs gefährdet (OLG Düsseldorf, ebd., Rn. 174). Diese können insbesondere darin bestehen, dass der Zugang zu einem nachgeordneten Produktmarkt von der Befolgung der patentgemäßen Lehre abhängig ist (BGH, GRUR 2004, 966 (968) – Standard-Spundfass) oder das Produkt erst bei Benutzung des Patents wettbewerbsfähig ist (OLG Düsseldorf, a.a.O.).
  310. Die Darlegungs- und Beweislast für eine Ungleichbehandlung (BGH, Urt. v. 05.05.2020, Az.: KZR 36/17, Rn. 76; OLG Düsseldorf, ebd., Rn. 177, Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 257, 335; kritisch, aber offen gelassen OLG Karlsruhe, GRUR 2020, 166, Rn. 124 – Datenpaketverarbeitung) liegt grundsätzlich bei dem Lizenzsucher. Jedoch ist dem Umstand Rechnung zu tragen, dass dieser regelmäßig keine nähere Kenntnis über die Lizenzierungspraxis des SEP-Inhabers, insbesondere über mit Dritten bestehende Lizenzverträge und deren Regelungsgehalt, besitzt. Dies rechtfertigt es, dem SEP-Inhaber, der naturgemäß in Kenntnis der Vertragsverhältnisse mit anderen Lizenznehmern ist, und dem nähere Angaben hierzu auch zumutbar sind, insoweit eine sekundäre Darlegungslast aufzuerlegen (OLG Düsseldorf, a.a.O.; Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 335). Die Angabe zu den Lizenznehmern hat in diesem Zusammenhang vollständig zu erfolgen, und darf nicht auf einige namhafte Unternehmen der Branche reduziert werden (Kühnen, a.a.O.). Der Vortrag hat auch Angaben dazu zu enthalten, welche – konkret zu benennenden – Unternehmen mit welcher Bedeutung auf dem relevanten Markt zu welchen konkreten Konditionen eine Lizenz genommen haben (OLG Düsseldorf, a.a.O.). Regelmäßig dürfte die Vorlage der Lizenzverträge erforderlich sein (Kühnen, a.a.O.). Relevant sind dabei jedoch nur solche Lizenzverhältnisse, die im Zeitpunkt der rechtlich gebotenen Lizenzofferte (schon und noch) in Kraft stehen (OLG Düsseldorf, GRUR-RS 2019, 6087, Rn. 123 – Improving Handovers; Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 494). Steht eine Ungleichbehandlung fest, so obliegt es dem Patentinhaber, etwaige die unterschiedliche Behandlung rechtfertigende Umstände darzulegen und ggf. zu beweisen (OLG Düsseldorf, a.a.O.; Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 335).
  311. Als „faire und angemessene“ Vertragsbedingungen sind solche zu verstehen, die dem Lizenzwilligen nicht unter Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung angeboten werden. Die Vertragsbedingungen müssen zumutbar und dürfen nicht ausbeuterisch sein (OLG Düsseldorf, Beschl. vom 17.11.2016, Az.: I-15 U 66/15, Rn. 15, zitiert nach juris; allgemein zur Gleichsetzung mit dem gesetzlichen Ausbeutungstatbestand nach Art. 102 AEUV auch: Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 329, 337). Ein Angebot des Lizenzgebers kann sich danach insbesondere dann als unfair/ unangemessen (im Sinne einer Ausbeutung nach Art. 102 AEUV) erweisen, wenn eine Lizenzgebühr verlangt wird, die den hypothetischen Preis, der sich bei wirksamem Wettbewerb auf dem beherrschten Markt gebildet hätte, erheblich überschreitet, es sei denn, es gibt eine wirtschaftliche Rechtfertigung für die Preisbildung (LG Düsseldorf, Teilurt. v. 31.03.2016, Az.: 4a O 73/14, Rn. 225, zitiert nach juris; Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 258). Es geht hingegen nicht um eine nach allen Seiten gerechte Vergütung für die Patentbenutzung (Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 486). Der Ausbeutungsvorwurf des Art. 102 AEUV sanktioniert nicht jede Überschreitung der objektiv interessengerechten Vergütung, sondern nur einen deutlichen Abstand, der es dem Lizenzsucher verwehrt, im nachgelagerten Produktmarkt wettbewerbsfähig zu bleiben (Kühnen, a.a.O.). Das Vertragsangebot hat sich des Weiteren auch im Hinblick auf die übrigen Vertragsbedingungen (lizenzpflichtige Schutzrechte, Lizenzgebiet usw.) als angemessen zu erweisen. Auch dabei kann eine beachtliche Zahl inhaltlich gleichlautender, bereits abgeschlossener Verträge – sofern diese nicht unter Missbrauch von Marktmacht zustande gekommen sind – ein Indiz für die Angemessenheit der Vertragsbedingungen sein (LG Düsseldorf, Urt. v. 09.11.2018, Az.: 4a O 17/17, Rn. 389, zitiert nach juris).
  312. Auch die (primäre) Darlegungslast sowie die Beweislast dafür, dass unter dem Gesichtspunkt „fair und angemessen“ eine Ausbeutung vorliegt, ist bei dem Lizenzsucher zu verorten.
  313. Grundsätzlich, das heißt jenseits von Sachverhalten, bei denen ein SEP mit FRAND-Erklärung vorliegt, besteht Einigkeit darüber, dass nach den allgemeinen Grundsätzen derjenige, der sich auf die Unangemessenheit beruft, diese darlegen und ggf. beweisen muss (LG Düsseldorf, Urt. v. 30.11.2006, Az.: 4b O 58/05, Rn. 140 – Videosignal-Codierung I, zitiert nach juris; Kühnen, ebd. Kap. H., Rn. 260). Für Fälle wie den vorliegenden (SEP mit FRAND-Erklärung) ergibt sich aus der Tatsache, dass sich der Patentinhaber dazu verpflichtet hat, ein Angebot abzugeben, dass inhaltlich „FRAND“ ist, nichts anderes.
  314. In der Entscheidung Mobiles Kommunikationssystem begründet das OLG Düsseldorf die von ihm angenommene Verteilung der Darlegungs- und Beweislast im Zusammenhang mit dem Tatbestand der Diskriminierung unter Bezugnahme auf Art. 2 Kartellverfahrensordnung (VO [EG] Nr. 1/2003 des Rates v. 16.12.2002 zur Durchführung der in den Art. 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln). Danach obliegt die Beweislast für eine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 Abs. 1 oder Art. 82 des EWG-Vertrags (entspricht Art. AEUV Artikel 101, AEUV Artikel 102 AEUV) in allen einzelstaatlichen und gemeinschaftlichen Verfahren der Partei, die diesen Vorwurf erhebt. Da der Patentinhaber mit der Abgabe der FRAND-Erklärung lediglich den gesetzlichen Anforderungen des Art. 102c AEUV (Diskriminierungsfreiheit) nachkomme, dem Lizenzsucher aber keine im Vergleich dazu bessere Position einräumen wolle, ändere sich an der grundsätzlichen Verteilung der Darlegungs- und Beweislast nichts (OLG Düsseldorf, GRUR 2017, 1219, Rn. 177 – Mobiles Kommunikationssystem). In den dortigen Entscheidungsgründen folgen sodann Ausführungen zur sekundären Darlegungslast, wie hier bereits dargestellt. Dieser Begründungsansatz lässt sich auf einen Ausbeutungsmissbrauch im Sinne von Art. 102a AEUV übertragen (für die Übertragbarkeit insoweit als jedenfalls der Patentinhaber mit der FRAND-Erklärung, auch im Hinblick auf die Pflicht „fair & reasonable“ zu lizenzieren, keine über Art. 102 AEUV hinausgehenden Pflichten eingehen wollte: Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 319, 337, allerdings ohne Ausführungen zur Auswirkung auf die Frage der Darlegungs- und Beweislast; anders und mit Bezugnahme auf eine möglicherweise angezeigte Umkehr der primären Darlegungslast und der Beweislast allerdings für die Beurteilung einer Diskriminierung und einer Ausbeutung: OLG Karlsruhe, GRUR 2020, 166, Rn.124 – Datenpaketverarbeitung). Gründe, weshalb im Hinblick auf die Darlegungs- und Beweislast eine Differenzierung zwischen dem Gebot diskriminierungsfrei zu lizenzieren und dem Gebot eines „fairen und angemessenen“ (= ausbeutungsfreie) Angebots vorzunehmen ist, sind nicht ersichtlich. Ein Anknüpfungspunkt für eine differenzierende Betrachtung könnte sich grundsätzlich aus dem Wortlaut „fair and reasonable“ ergeben, der anders als der Wortlaut „nicht diskriminierend“ gerade nicht den Wortlaut des Art. 102 AEUV wiedergibt, so dass nicht nur eine ausbeutungsfreie, sondern darüber hinaus auch eine gerechte Lizenzierung versprochen wird (m. w. Nachw. Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 319). Dieses Wortlautargument erweist sich jedoch vor dem Hintergrund als nicht ausschlaggebend, als dass es keine Entsprechung im objektiven Erklärungsgehalt des Zusagenden findet (ausführlicher Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 320 f.). Ausgehend von dem soeben Ausgeführten verbleibt es auch im Hinblick auf den Ausbeutungstatbestand grundsätzlich bei der Darlegungs- und Beweislast auf Seiten des Lizenzsuchers (LG Düsseldorf, Urt. v. 09.11.2018, Az.: 4a O 16/17, zitiert nach BeckRS 2018, 2019, Rn. 219; ebd., Urt. v. 21.12.2018, Az.: 4c O 3/17, zitiert nach BeckRS 2018, 42127, Rn. 216).
  315. Jedoch sprechen auch in diesem Zusammenhang Gründe dafür, dem Patentinhaber eine sekundäre Darlegungslast aufzuerlegen, soweit bei diesem nähere Erkenntnisse über den jeweiligen streitgegenständlichen Sachverhalt zu erwarten sind. Den Prozessgegner der primär darlegungsbelasteten Partei trifft in der Regel eine sekundäre Darlegungslast, wenn die primär darlegungsbelastete Partei keine nähere Kenntnis der maßgeblichen Umstände und auch keine Möglichkeit zur weiteren Sachverhaltsaufklärung hat, während dem Prozessgegner nähere Angaben dazu ohne weiteres möglich und zumutbar sind (BGH, GRUR 2012, Rn. 23 – Vorschaubilder II).
  316. Das trifft auf Sachverhaltskonstellationen wie die vorliegende, bei denen der kartellrechtliche Zwangslizenzeinwand im Zusammenhang mit einem SEP, für das eine FRAND-Erklärung vorliegt, erhoben wird, zu.
  317. Die Klägerin ist zur Abgabe eines Angebots verpflichtet, welches inhaltlich FRAND-Bedingungen entspricht. Als „Urheber“ des Angebots kann sie Ausführungen dazu machen, welche wirtschaftlichen und rechtlichen Erwägungen sie zur Aufnahme der jeweiligen Regelungen und insbesondere der Festsetzung der Lizenzgebühren in Art und Höhe bewogen haben, und mit welchen Erwägungen diese im Sinne des Missbrauchstatbestandes des Art. 102 AEUV angemessen sind (Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 519). Der Vortrag muss für den Gegner nachvollziehbar und einlassungsfähig sein (a.a.O.). Auf dieser Grundlage ist es dem Lizenzsucher sodann möglich, seinerseits gegen die Angemessenheit sprechende Gesichtspunkte – gleichermaßen substantiiert – vorzutragen, und diese ggf. zu beweisen. Dabei ist in die Bewertung darüber, wie die Darlegungslast konkret zu verteilen ist, insbesondere einzustellen, wenn der Lizenzsucher aufgrund eigener langjähriger Marktpräsenz, ggf. sogar als Lizenzgeber, einen Überblick über die wettbewerblichen Verhältnisse hat. Das gilt im Zusammenhang mit der Angemessenheitsprüfung mehr noch als bei Diskriminierungssachverhalten. Denn während der Maßstab für eine Ungleichbehandlung sich aus der Lizenzierungspraxis des Lizenzgebers entwickelt, sind die in die Angemessenheitsprüfung einfließenden Erwägungen in höherem Maße objektivierbar und somit für den Lizenzsucher ermittelbar.
  318. (b)
    Eine Lizenzvertragspraxis, an welche der Lizenzgeber im Sinne des Diskriminierungsverbots gebunden ist, besteht nicht (dazu ausführlich unter Ziff. (2), (b), (aa)). Die Klägerin trägt weiter vor, dass sie die hier streitgegenständlichen Lizenzbedingungen auch anderen potenziellen Lizenznehmern anbiete.
  319. Soweit die Beklagten eine Diskriminierung auch darin erblicken, dass die KlägerinBB– anders als den Beklagten – im März 2020 kein neues Angebot mit einer verdoppelten Lizenzgebühr gemacht hat, folgt daraus keine nachteilige Ungleichbehandlung der Beklagten. Denn die Klägerin hat deutlich gemacht, dass auch den Beklagten weiter das im Juli 2017 unterbreitete Angebot zur Annahme zur Verfügung steht (dazu unter Ziff. (1)).
  320. (c)
    Auch eine Diskriminierung durch selektive Rechtsdurchsetzung liegt nicht vor.
  321. Eine Ungleichbehandlung liegt tatbestandlich nicht nur dann vor, wenn der marktbeherrschende Patentinhaber einzelnen Lizenzsuchern vertragliche Vorzugskonditionen einräumt, die er anderen verweigert, sondern gleichermaßen dann, wenn er seine Verbietungsrechte aus dem Patent selektiv durchsetzt, indem er gegen einzelne Wettbewerber vorgeht, um sie in den Lizenzvertrag zu zwingen, andere Wettbewerber hingegen bei der Benutzung des Schutzrechts gewähren lässt (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 17.11.2016, Az.: I-15 U 66/15, Rn. 41, zitiert nach juris; LG Düsseldorf, Urt. v. 30.11.2006, Az.: 4b O 508/05, Rn. 170 – Videosignal-Codierung I, zitiert nach juris). In ihrer faktischen Auswirkung bedeutet eine solche Strategie nichts anderes, als dass einem Teil der Wettbewerber unentgeltlich, einem anderen Teil der Wettbewerber hingegen nur entgeltliche Lizenzen eingeräumt werden (LG Düsseldorf, a.a.O.).
  322. Bei der Entscheidung, ob ein Lizenzsucher gerichtlich in Anspruch zu nehmen ist, ist der Klägerin jedoch ein gewisser Entscheidungsspielraum zuzubilligen, und ihr eine differenzierte gerichtliche Geltendmachung schon wegen des damit verbundenen Kostenrisikos zuzugestehen (LG Düsseldorf, Urt. v. 11.07.2018, Az.: 4c O 72/17, Rn. 155, zitiert nach BeckRS 2018, 20333; ebd., Urt. v. 9.11.2018, Az.: 4a O 17/17, Rn. 385, zitiert nach juris; Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 256). Das gilt jedenfalls dann, wenn sich auf einem Markt – wie dem vorliegenden – eine große Anzahl von Marktteilnehmern bewegt. Allein die Beklagten nennen insoweit eine Anzahl von acht Herstellern, bei denen es sich lediglich um die bedeutendsten Marktteilnehmer handelt. Insoweit ist weiter zu berücksichtigen, dass die Beklagten nicht die einzigen von der Klägerin in Anspruch genommenen Unternehmen sind. Vielmehr geht sie aus dem streitgegenständlichen Portfolio jedenfalls auch gegen den D-Konzern (Verfahren laufen vor der hiesigen Kammer mit den folgenden Aktenzeichen: 4b O 31/18, 4b O 6/19 und 4b O 7/19) sowieBB(vor dem Landgericht München I) vor. Dass die Beklagten die Existenz dieser Verfahren erheblich bestreiten, ist nicht erkennbar. Sie bestreiten zwar „den Vortrag der Klägerin zur angeblichen umfassenden Rechtsdurchsetzung mit Nichtwissen“, dies ist jedoch prozessual unbehelflich. Die Beklagten, die für eine Ungleichbehandlung die primäre Darlegungslast tragen, können dem – insoweit substantiierten Vortrag der Klägerin – nicht schlicht mit Nichtwissen entgegentreten. Die Klägerin trägt weiter vor, in den USA und Großbritannien seien Verfahren gegen T anhängig. Soweit die Beklagten dagegen pauschal vorbringen, Verfahren gegen T seien nicht anhängig, kann dies nicht nachvollzogen werden, weil sie an anderer Stelle selbst angeben, in den USA seien Gerichtsverfahren gegen T durch die Klägerin angestrengt worden (vgl. Klageerwiderung v. 05.11.2018, S. 77, unter lit. c), 1. Spiegelstrich, Bl. 249 GA und Duplikschriftsatz v. 28.06.2019, S. 84, Tabelle, Bl. 515 GA).
  323. Unschädlich ist weiter, wenn die Klägerin gegenüber solchen Marktteilnehmern, die sie gerichtlich noch nicht in Anspruch genommen hat, das FRAND-Procedere noch nicht eingeleitet hat. Dem Patentinhaber ist zuzugestehen, mit einer außergerichtlichen Aufforderung zur Lizenznahme von Wettbewerbern des gerichtlich in Anspruch genommenen Lizenzsuchers zuzuwarten, bis das Verletzungsurteil erstritten ist (Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 256; a. A. LG Düsseldorf, Urt. v. 11.07.2018, Az.: 4c O 72/17, Rn. 157, zitiert nach BeckRS 2018, 20333). Da anzunehmen ist, dass der jeweilige Marktteilnehmer – wie vorliegend auch die hiesige Beklagte – der Klägerin im Rahmen von Vertragsverhandlungen die laufenden Gerichtsverfahren entgegenhält, steht zu befürchten, dass die gegen diese Marktteilnehmer angestrengten Verhandlungen gerade auch drohen, in ein gerichtliches Verfahren überführt werden zu müssen. Dies kann der Klägerin aber gerade – wie ausgeführt – nicht abverlangt werden.
  324. (d)
    Der an den Inhalt des C-Urteils 1 angelehnte Vortrag der Klägerin zur Angemessenheit der von ihr in Ansatz gebrachten Lizenzgebühren (dazu unter lit. (aa)) ist – gemessen an der unter lit. (a) beschriebenen Verteilung der Darlegungslast – hinreichend, ohne dass die Beklagten dem ihrerseits hinreichend entgegentreten sind (dazu insgesamt unter lit. (bb)).
  325. (aa)
    Der von der Klägerin zur Begründung der Angemessenheit ihrer vorgeschlagenen Lizenzgebühren herangezogene Inhalt der C-Urteile (dazu unter lit. (aaa)) und die Übertragung der darin verwendeten Methodik (dazu unter lit. (bbb)) stellen sich wie folgt dar:
  326. (aaa)
    Zum Vorgehen des britischen Gerichts in dem C-Urteil 1:
  327. (i)
    Methodischer Ausgangspunkt für die Ermittlung der Lizenzgebühr durch das britische Gericht ist das Vergleichsmarktkonzept (Rn. 170 f. und Rn. 179 C-Urteil 1; Randnummern ohne Bezeichnung sind im Folgenden solche des C-Urteils 1), das grundsätzlich auch die Zustimmung deutscher Gerichte findet (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 17.11.2016, Az.: I-15 U 65/15, Rn.40, zitiert nach juris). Die Ermittlung der Lizenzgebühren orientiert sich danach – wenn vergleichsfähige Lizenzverträge des Lizenzgebers über das in Streit befangene Portfolio noch nicht bestehen – an Verträgen, die im Hinblick auf andere Schutzrechtsbestände abgeschlossene worden und die mit dem in Rede stehenden Portfolio in Qualität und Umfang (OLG Düsseldorf, a.a.O.) sowie in seiner technischen Funktion und Wichtigkeit für das Produkt (Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 492) vergleichbar sind. Die in diesen Verträgen fixierten Bedingungen geben einen Anhaltspunkt dafür, was in der jeweiligen Branche üblich ist, und können einen Rückschluss auch auf die Angemessenheit zulassen (LG Düsseldorf, Urt. v. 09.11.2018, Az.: 4a O 63/17, Rn. 296, zitiert nach juris; Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 491). Dabei ist offensichtlich, dass bereits die Entscheidung darüber, welche Verträge als Referenz dienen können, ein wertendes Element enthält. Weiter ist eine gewisse Zurückhaltung bei Anwendung des Vergleichsmarktkonzepts dann geboten, wenn auch die zum Vergleich herangezogenen Lizenzverträge für den Standard wesentliche Schutzrechte lizenzieren. Denn naturgemäß kann der Lizenzgeber in diesen Fällen in größerem Umfang als der Lizenzsucher auf die Vertragskonditionen Einfluss nehmen, was eine so verhandelte Lizenz als direkten Orientierungsfaktor disqualifizieren kann (Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 493; Kurtz/ Staub, GRUR 2018, 136).

    (ii)
    Die Rechenschritte und die Ermittlung der Berechnungsparameter nach dem C-Urteil 1 stellen sich wie folgt dar:

  328. Ermittlung „Benchmark rate“
    Die von dem britischen Gericht zur Berechnung der für das AA Portfolio FRAND-gemäßen Lizenzgebühr herangezogene Formel lautet (Rn. 180):
  329. E x R = [BR] (C),
  330. wobei „E“ die Lizenzrate für das Vergleichsportfolio (in dem C-Verfahren: „M“) darstellt und sich „R“ als die verhältnismäßige Größe des streitgegenständlichen Portfolios (in dem C-Verfahren: „N“) in Bezug auf das Portfolio des Referenzlizenzgebers (in dem C-Verfahren: „M“) wie folgt darstellt (Rn. 181):
  331. SEP (C)/SEP (M) = R.
  332. Die ermittelten „Benchmark Royalty Rates“ ([BR]) lassen sich der Tabelle in Randnummer 478 entnehmen.
  333. Ermittlung der Lizenzrate „E“
    Auf der Grundlage von Vergleichslizenzverträgen ermittelt EE den Wert „E“ („Benchmarkrate“; deutsche Übersetzung: „Vergleichs-/Maßstabsrate“), der einen Durchschnittswert der in den Vergleichslizenzverträgen gewährten Lizenzen ziffernmäßig erfasst (Rn. 382, Rn. 464 ff.). Das britische Gericht schließt bei der Ermittlung der Vergleichsrate zunächst die zwischen N und Dritten (AA und U) bestehenden Lizenzvereinbarungen als taugliche Referenzverträge vor dem Hintergrund aus, dass AA lediglich zwei Lizenzverträge abgeschlossen hatte, deren Lizenzraten weit auseinanderlagen (Rn. 179, 383 ff., die konkreten Lizenzgebühren sind den zitierten Urteilspassagen nicht zu entnehmen). Es befindet stattdessen eine Auswahl der zwischen dem Rechtsvorgänger von N, M, und Dritten abgeschlossenen Verträgen als tauglichen Referenzmaßstab (Rn. 180, Rn. 410 ff., auch hier sind die meisten konkreten Lizenzbedingungen neutralisiert), wobei es aus den insgesamt neun bestehenden Vereinbarungen sechs als Vergleichsgrundlage selektiert (Rn. 461 ff.).
  334. Auf welche konkrete Art und Weise die Bestimmung von „E“ sich dann vollzieht, bleibt weitgehend unklar, wobei davon auszugehen ist, dass dies jedenfalls teilweise mit Hilfe des sog. Auspackens („unpacking“) vonstattengeht (Rn. 185, 197, 464 ff., relevante Passagen sind neutralisiert; zu diesem Verständnis auch: Haedicke, GRUR Int. 2017, 661 (666)). Es hat zum Ziel, die Lizenzgebühr für das gesamte Portfolio im Hinblick auf Umstände wie Kreuzlizenzen etc. anzupassen (Rn. 190; auch: Haedicke, a.a.O.) und versucht die technischen Beiträge einer Partei zum Standardisierungsprozess zu berücksichtigen (Rn.185). Die Ergebnisse für „E“ sind den Randnummern 464 ff. zu entnehmen.
  335. Ermittlung von „R“ als verhältnismäßige Größe des „AA“-Portfolios
    EE geht bei der Ermittlung von „R“ davon aus, dass sich der Wert von eine bestimmte Technologie betreffende SEPs zweier Patentinhaber im Verhältnis zueinander in irgendeiner Form durch eine Patentzählmethode („patent counting approach“) bestimmen lässt, und grenzte sich damit insbesondere von Ansätzen ab, die versuchen, die technische Bedeutung einzelner Patente für den Standard zu bemessen (Rn. 182 ff.).
  336. Die Anzahl der für den jeweiligen Standard maßgeblichen Patente von N (SEP (C)) war zwischen den Parteien im Wesentlichen unstreitig (Rn. 204 ff.), wobei als die maßgeblichen Patente diejenigen definiert wurden, die für die Umsetzung des Standards zwingend sind (Rn.186: „Relevant SEPs“). Der Ermittlung der in diesem Sinne maßgeblichen Patente von M (SEP (M)) lagen hingegen aufwändige und komplexe Bewertungen zu Grunde, die insbesondere auch dem Umstand geschuldet waren, dass die Parteien des britischen Verfahrens unterschiedliche Methoden zur Patentzählung anwandten (N nutzte den sog. „Modified Numeric Proportionality Approach“ [MNPA], Rn. 199, 211 und 274 ff.; A die sog. „A Patent Analysis“ [HPA], Rn. 199, 211 und 286 ff.), die zu stark divergierenden Ergebnissen führten (Rn. 214 ff.). In diesem Zusammenhang legt das Gericht offen, dass es die sich abweichenden Ergebnisse im Rahmen einer Ermessensbetätigung einander annähert (Rn. 374, 379). Die so ermittelten Ergebnisse für SEP (M) sind der Tabelle unter Randnummer 379 (in der Spalte „Adjusted M patents“) zu entnehmen.
  337. Eine weitere Wertung des Gerichts im Zusammenhang mit der Feststellung eines Wertes für „R“ wird in der sog. Multimodus-Anpassung offenbar. Sie trägt dem Umstand Rechnung, dass in Geräten oftmals mehrere der Standards (2G-, 3G-, 4G-Standard) zur Umsetzung gelangen (Rn. 220).
  338. Überprüfung des Ergebnisses nach dem Top-Down-Approach
    EE überprüft das von ihm errechnete Ergebnis [BR] anhand des sog. „Top-Down-Approach“, bei welchem die angemessene gesamte Lizenzlast für einen bestimmten Mobilfunkstandard – von EE mit „T“ bezeichnet (Rn. 178) – bestimmt und sodann auf den einzelnen Anbieter und das einzelne Endgerät heruntergebrochen wird (vgl. zu dieser Erklärung auch Haedicke, GRUR Int. 2017, 661 (667)). Die FRAND-Rate [BR] stellt einen Anteil an der Gesamtgebührenbelastung dar, der demjenigen Anteil entspricht, den der Patentinhaber an dem Gesamtpatentbestand des jeweiligen Portfolios hat (Rn. 178). Dabei errechnet EE die Gesamtbelastung „T“ anhand der von ihm ermittelten Benchmarkrate für N sowie Ns Anteil „S“ (in Prozent) an dem gesamten Portfolio des jeweiligen Standards (Rn. 478 ff.),
  339. SEP (C)/SEP (Gesamtportfolio) = S (C)
    und
    [BR]/S x 100 = T,
  340. und gleicht den sich so für „T“ ergebenden Wert mit den von den Parteien vorgetragenen Gesamtlizenzbelastungen ab (Rn. 476 ff.).
  341. Bei der Ermittlung von „S“ stellen sich die bereits im Zusammenhang mit der Bestimmung von „R“ aufgezeigten Probleme, weil auch bei der Gesamtmenge der für den jeweiligen Standard relevanten Patente die unterschiedlichen Patentzählmethoden der Parteien relevant werden (Rn. 209 f.) und zu stark divergierenden Ergebnissen führen (Rn. 204 a. E.). Die Ergebnisse für „S“ auf der Grundlage der von EE angenommenen SEPs (gesamt) sind der Tabelle unter Randnummer 378 (insbesondere der Spalte „Adjusted denominator“ für die Gesamtmenge relevanter Patente und der Spalte „S“ für den Wert S) zu entnehmen.
  342. (bbb)
    Die Klägerin überträgt die (unter lit. (aaa)) dargestellten Inhalte des C-Urteils 1 auf die Ermittlung der Lizenzgebühren für ihr Portfolio wie folgt:
  343. (i)
    Die Klägerin ermittelt zunächst die aus ihrer Sicht tatsächlich standardessentiellen Patentfamilien ihres Portfolios (im Ergebnis: 5 (GSM), 14 (UMTS) und 9 (II) Patentfamilien).
  344. Ausgehend von der in dem C-Urteil 1 angenommenen Gesamtpatentzahl, derer es zur Umsetzung der jeweiligen Standards bedarf (Rn. 377: 2G: 154; 3G: 479 und 4G: 800) und bei Anwendung der in dem C-Urteil 1 angewandten Gewichtung der unterschiedlichen Standards (Rn. 220: 2G/3G: 33/67 und 2G/3G/4G: 10:20:70) gelangt die Klägerin zu den folgenden Werten für „S“ im Hinblick auf ihr Portfolio:
  345. .
  346. Die Klägerin setzt sodann die für ihren Anteil ermittelten Werte in ein Verhältnis mit den für N in dem C-Urteil 1 für „S“ (für Multimode-Geräte) angenommenen Werte (Rn. 378), und erhält so einen Skalierungsfaktor („Scaling Factor“),
  347. .
  348. Diesen Skalierungsfaktor wendet die Klägerin dann auf die in dem C-Urteil 1 für N ermittelte Benchmarkrate [BR] (Rn. 478) an,
  349. .
  350. Die so erhaltenen Werte stellen in dem Vertragsangebot der Klägerin die Lizenzgebühren für sog. „Major Markets“ („Conversant MM Offer Rate“) dar.
  351. (ii)
    Entsprechend dem Vorgehen in dem C-Urteil 1 wählt die Klägerin als Ausgangspunkt für eine Lizenzgebühr für den chinesischen Markt eine Rate, die 50 % unterhalb der für „Major Markets“ angesetzten Rate liegt (Rn. 583). Dabei floss in die Bemessung der für den chinesischen Markt maßgeblichen Gebühr durch das britische Gericht weiter ein, dass das Portfolio von N in China im Vergleich zu anderen Staaten, die für die Bemessung der Gebühr für „Major Markets“ eine Rolle spielten, deutlich geringer war (Rn. 584 ff.). Ausgehend von diesen Erwägungen reduzierte die Klägerin – entsprechend dem für ihr Portfolio angenommenen Bestand an relevanten Patentfamilien in China – die für China geltenden Lizenzgebühren wie folgt:
  352. .
  353. Ebenfalls in Entsprechung zu dem Vorgehen des britischen Gerichts (Rn. 589) legt die Klägerin die für China ermittelten Raten auch als Lizenzgebühr für die anderen Märkte, bei denen es sich nicht um „Major Markets“ handelt (= „Other Markets“), zugrunde.
  354. (iii)
    Nach alledem ist im Ergebnis festzuhalten, dass die Klägerin nicht schlicht die von einem Gericht festgesetzten Gebühren ansetzt. Vielmehr übernimmt sie die zur Ermittlung einer Lizenzgebühr von einem Gericht angewandte Methodik (Vergleichsmarktkonzept und Rechenformel) und – mehr noch – die Tatsachengrundlage (Berechnungsparameter), die zur Berechnung der Lizenzgebühren herangezogen worden ist. Als solche Berechnungsparameter stellen sich insbesondere die anhand der Vergleichslizenzverträge („M“) ermittelte Vergleichslizenzrate „E“ dar, die Gesamtanzahl der für die Umsetzung der 2G-, 3G- bzw. 4G-Standards wesentlichen Patente sowie die Gewichtung der Technologien bei sog. „Multimode“-Geräten und die Größe der Portfolios von N sowie von M dar. Schließlich hat die Klägerin darüber hinaus auch von dem britischen Verfahren losgelöste Tatsachen eingebracht, nämlich die Anzahl ihrer (nach ihrer Auffassung nach) standardwesentlichen Patentfamilien.
  355. (bb)
    Aus der Tatsache, dass die Klägerin sich bei der Festsetzung ihrer Gebühren an dem britischen Urteil orientiert, erwächst keine Indizwirkung für deren Angemessenheit (dazu unter lit. (aaa)). Gleichwohl sind ihre Ausführungen für die Bestimmung der Angemessenheit der Lizenzgebührenhöhe grundsätzlich beachtlich (dazu unter lit. (bbb)), und – in Ermangelung substantiierten Gegenvortrags – vorliegend auch hinreichend (dazu unter lit. (ccc)).
  356. (aaa)
    Die Anwendung der Berechnungsmethode und -parameter nach dem C-Urteil 1 für die Ermittlung von Lizenzgebühren ist – anders als die Klägerin meint – nicht mit einer Indizwirkung für die FRAND-Gemäßheit dieser Gebühren verbunden, wie sie etwa vertraglich ausgehandelten bzw. branchenüblichen Regelungen zukommt.
  357. Gerichtlich festgesetzte Lizenzgebühren können grundsätzlich nicht als Ausdruck des freien Kräftespiels des Wettbewerbs gewertet werden. Auch wenn die Überlegungen des jeweiligen Gerichts davon geleitet sind, was vernünftige, auf dem Markt tätige Unternehmen vereinbart hätten, können die von ihm ermittelten Lizenzgebühren nicht mit den sich auf einem Markt mit funktionierendem Wettbewerb ergebenden Lizenzbedingungen gleichgesetzt werden. In der kartellrechtlichen Rechtsprechung ist deshalb auch anerkannt, dass Lizenzkonditionen, zu denen sich der Lizenzgeber aufgrund Gesetzes oder eines Urteils verpflichtet gesehen hat, diesen nicht im Hinblick auf eine für die Ungleichbehandlung maßgebliche Lizenzierungspraxis binden (BGH, GRUR 2004, 351 (352) – Depotkosmetik im Internet; OLG Düsseldorf, NZKart 2014, 35 (36) – Frankiermaschine; OLG Düsseldorf, GRUR-RS 2019, 6087, Rn. 245 – Improving Handovers).
  358. Auch für den vorliegenden Fall ergibt sich aus den C-Urteilen im Hinblick auf eine Indizwirkung nichts anderes.
  359. So geht die Methodik des britischen Gerichts (in Person des Richters EE) zwar auf die Annahme einer bestehenden vergleichsfähigen Vertragspraxis zurück (dazu unter lit. (aa), (aaa)), die von diesem Ausgangspunkt aus ermittelten Ergebnisse sind aber – wie aufgezeigt – von Wertungsgesichtspunkten durchzogen. Soweit die Klägerin vorträgt, „das Gericht habe in dem Verfahren dazu aufgefordert, einen Lizenzvertrag gemeinsam zu entwerfen“, „in der Formulierung habe bereits große Übereinstimmung“ bestanden, und man könne im Zusammenhang mit dem britischen Verfahren „eher von Verhandlungen sprechen, bei denen der High Court zwei gegenseitige Positionen auf einen gemeinsamen Nenner gebracht habe, als von einer einseitigen abstrakten Festsetzung“, rechtfertigt auch dies die Annahme einer Indizwirkung nicht. Denn weder den in den C-Urteilen schriftlich niedergelegten Entscheidungsgründen, noch dem Tatsachenvortrag der Klägerin im Übrigen kann entnommen werden, dass sich die Parteien des britischen Verfahrens auf die Klauseln des dem C-Urteil 2 beigefügten Mustervertrags (Rn. 2 C-Urteil 2, dort als „Settled Licence“ bezeichnet und Rn. 806, Pkt. (20) C-Urteil 1) vergleichbar freier Lizenzverhandlungen geeinigt haben. Jedenfalls bei den in dem Mustervertrag aufgeführten Lizenzgebühren handelt es sich zudem um solche, die das Gericht ermittelt hat (Rn. 2 C-Urteil 2).
  360. Unbeschadet dessen, könnte auch eine etwaige Einigkeit der Prozessparteien im Hinblick auf einzelne Klauseln des Mustervertrags – selbst dann, wenn sie anzunehmen sein sollte – nicht völlig losgelöst davon betrachtet werden, dass diese vor dem Hintergrund eines laufenden Prozesses erzielt wurde.
  361. Es ist schließlich auch weder vorgetragen noch erkennbar, dass – was für die Branchenüblichkeit der angewandten Methode sprechen würde – andere Lizenzvertragsparteien im Nachgang der C-Urteile auf eben den darin offenbarten Berechnungsweg zurückgegriffen, und dabei insbesondere auch die vom Gericht ermittelten Berechnungsparameter zugrunde gelegt haben. Insoweit ist auch beachtlich, dass die Klägerin selbst noch in dem Schreiben vom 25.07.2017 (Anlagenkonvolut EIP A44; Anlage EIP A44ab), welches dem hier streitgegenständlichen Angebot beigefügt war, ausführt:
  362. „Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass unsere Mandantin diese Verfahrensweise [gemeint ist diejenige zur Bestimmung der FRAND-Gebühr aus dem C-Urteil 1] im Hinblick auf die Bestimmung des Lizenzsatzes für China nicht als notwendigerweise korrekt erachtet und sich, wie in der Klageschrift zu FRAND dargestellt, ihren eigenen Standpunkt hierzu vorbehält.“ (Anlage EIP A44ab, 1. Seite, letzter Abs.)
  363. (bbb)
    Auch wenn eine Indizwirkung für die Angemessenheit gerichtlich festgesetzter Lizenzgebühren nicht angenommen werden kann, stellen diese dennoch einen bei der Frage der Angemessenheit der von dem SEP-Inhaber vorgeschlagenen Lizenzgebühren zu beachtenden Aspekt dar (dazu unter Ziff. (i)). Dieser ist in ein ausgewogenes Verhältnis zu den Anforderungen an die Vortragslast der Parteien zu bringen (dazu unter Ziff. (ii)).
  364. (i)
    Es ist anerkannt, dass gerichtlich festgesetzte Lizenzgebühren einen tauglichen Anhaltspunkt für eine FRAND-Lizenz bieten, wenn bei ihrem Zustandekommen in angemessener Weise der gesamte für die Einhaltung des Ausbeutungs- und Diskriminierungsverbots relevante Streitstoff berücksichtigt worden ist (Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 342, wobei sich die dortigen Ausführungen wohl vor allem auf gerichtlich herbeigeführte Konditionen beziehen, die bereits das streitgegenständliche Portfolio des klagenden Lizenzgebers betreffen).
  365. Des Weiteren sind Entscheidungen anderer europäischer Jurisdiktionen auch stets als sachverständige Stellungnahmen relevant (BGH, GRUR 2010, 950, Rn. 12 ff. – Walzenformgebungsmaschine, hier außerhalb eines FRAND-Sachverhalts im Zusammenhang mit der Entscheidung des EPA zur Frage des erfinderischen Schritts). Die hier bereits in Bezug genommene Rechtsprechung, wonach den FRAND-Lizenzgeber in gewissem Umfang eine Mitteilungspflicht über gerichtliche Entscheidungen obliegt (dazu unter Ziff. (2), (b), (cc)), findet ihre Rechtfertigung gerade in dieser Grundannahme. Auch die Beklagten des hiesigen Verfahrens berufen sich im Übrigen auf diese Rechtsprechung, woraus die Kammer nur den Schluss ziehen kann, dass sie eine grundsätzliche Bedeutung von Gerichtsentscheidungen über die beteiligten Parteien hinaus jedenfalls für FRAND-Sachverhalte nicht grundsätzlich in Frage stellen.
  366. Zudem kann der Rückgriff auf bereits getroffene gerichtliche Entscheidungen, auch dann wenn sie „lediglich“ zu einem vergleichbaren Portfolio des streitgegenständlichen Standards ergangen sind, einen im Interesse der Justitiabilität (zur Berücksichtigungsfähigkeit dieses Kriteriums vgl. auch Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 459) brauchbaren Ansatz bieten. Denn die im Hinblick auf die Angemessenheit von Lizenzgebühren auftretenden Fragestellungen können in vielerlei Hinsicht Überschneidungen ergeben, in deren Zusammenhang zudem aufwendiger Tatsachenvortrag ggf. sogar das Einholen ökonomischen und/ oder technischen Sachverstands erforderlich werden kann (z. B. Gesamtanzahl der für den Standard tatsächlich essentiellen Patente, eine sich für den jeweiligen Standard ergebende Gesamtgebührenbelastung usw.). Darüber hinaus ist ein Interesse des Lizenzgebers an einer durch eine gerichtliche Entscheidung rechtlich „abgesicherten“ (FRAND-) Lizenzhöhe grundsätzlich anerkennenswert. Insoweit ist im Hinblick auf die Klägerin des hiesigen Verfahrens insbesondere zu beachten, dass sie eine Bestimmung FRAND-gemäßer Lizenzgebühren vor einem britischen Gericht anstrebt, mithin ein gesteigertes Bedürfnis hat, ihre Lizenzhöhe an der UK-Rechtsprechung auszurichten.
  367. (ii)
    Trotz der grundsätzlichen Berücksichtigungsfähigkeit gerichtlicher Entscheidungen, wie unter Ziff. (i) beschrieben, ist dem Umstand Rechnung zu tragen, dass – im Interesse materieller Gerechtigkeit (auch zu diesem Kriterium vgl. Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 459) – die von dem Lizenzgeber übernommenen Kriterien auf wirtschaftliche, auf den streitgegenständlichen Sachverhalt passende Faktoren (Tatsachen) rückführbar sein müssen, denn diese beschreiben den Wert des Portfolios, für das Lizenzgebühren zu entrichten sind. Eben diese müssen deshalb auch Gegenstand der Vertragsverhandlungen bzw. etwaiger rechtlicher Auseinandersetzungen sein. Diese Anforderung besteht weiter auch deshalb, weil das Gericht die für die Bestimmung der FRAND-Gemäßheit einer festgesetzten Lizenzgebühr erforderlichen Schätzungen und Wertungen (für eine Schätzung auf Grundlage von § 287 Abs. 2 ZPO: OLG Düsseldorf, GRUR-RS 2016, 21067, Rn. 16; mit Verweis auf § 315 BGB (allerdings im Ergebnis offengelassen): OLG Karlsruhe, GRUR-RS 2016, 10660, Rn. 28; ohne gesetzliche Anbindung: OLG Karlsruhe, GRUR-RS 2016, 17467, Rn. 34 und Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 484; mit Verweis auf Rechtsgedanken des § 315 BGB jedenfalls bei vorlagenfreier Ermittlung der FRAND-Gebühr: Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 518) selbst vornehmen können muss (so auch OLG Düsseldorf, GRUR-RS 2019, 6087, Rn. 245 a. E. – Improving Handovers).
  368. (ccc)
    Ausgehend von dem unter lit. (bbb) entwickelten Maßstab bietet das Klägervorbringen hinreichende Anhaltspunkte für die Angemessenheit der vorgeschlagenen Lizenzgebühren. Weitergehenden Vortrags bedurfte es nicht, nachdem die Beklagten dem Vorbringen der Klägerin in wesentlichen Aspekten nicht in erforderlichem Maße entgegengetreten sind.
  369. (i)
    Da der Patentinhaber zunächst in der Pflicht steht, ein Angebot zu FRAND-Bedingungen zu unterbreiten, obliegt es zunächst auch ihm, den Wert seines Portfolios zu bestimmen (vgl. zu möglichen Kriterien in diesem Zusammenhang beispielhaft Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 519). Darin liegt der Ansatzpunkt, um dem Patentinhaber auch für den Vorwurf des Ausbeutungsmissbrauchs eine sekundäre Darlegungslast (in gewissem Umfang) aufzuerlegen (dazu unter lit. (a)). Jedenfalls dann, wenn dem Lizenzgeber in diesem Zusammenhang eine Orientierung an von ihm bereits abgeschlossenen Lizenzverträgen nicht möglich ist, und auch im Übrigen keine von anderen Lizenzgebern ggf. auch über andere Portfolien abgeschlossene Lizenzverträge, die für einen Vergleich geeignet erscheinen, zur Verfügung stehen, ist dem Lizenzgeber der Rückgriff auf andere Bezugspunkte für die Bemessung der Lizenzgebührenhöhe zuzugestehen. Die sekundäre Darlegungslast verlangt dann lediglich von ihm, eben diese Bezugspunkte offenzulegen. Hat der klagende Patentinhaber dies getan, ist er seiner sekundären Darlegungslast nachgekommen. Meint der beklagte Lizenznehmer, die sich daraus ergebenden Lizenzgebühren seien unangemessen, so hat er dies seinerseits darzulegen. Es ist hingegen nicht ersichtlich, dass auf Seiten des Lizenzgebers nach umfassender Offenlegung seines Vorgehens noch ein Wissensvorsprung besteht, der es rechtfertigt, diesem eine weitergehende sekundäre Darlegungslast aufzuerlegen. Das gilt umso mehr, als der angemessene Preis für eine Lizenz regelmäßig nicht objektiv feststeht, sondern nur als Ergebnis ausgehandelter Marktprozesse erfassbar ist (BGH, Urt. v. 05.05.2020, Az.: KZR 36/17, Rn. 81 – FRAND-Einwand, zitiert nach juris).
  370. Diese Erwägungen treffen vorliegend auf die Klägerin zu.
  371. Es wurde bereits dazu ausgeführt, dass sich die von der Klägerin abgeschlossenen Lizenzverträge mit J, G und der H für einen Vergleich nicht eignen (dazu unter Ziff. (2), (b), (aa), (aaa)). Gleiches gilt im Hinblick auf die Verträge, die die Rechtsvorgängerin der Klägerin, F, mit anderen Lizenznehmern zu einem früheren Zeitpunkt und über ein größeres Portfolio, dessen Bestandteil die Patente des hier streitgegenständlichen Portfolios waren, abgeschlossen hat (dazu unter Ziff. (2), (b), (aa), (bbb)). Aus der in diesem Zusammenhang zitierten oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung (OLG Düsseldorf, GRUR-RS 2019, 6087 – Improving Handovers) kann auch nicht hergeleitet werden, dass der Lizenzgeber, der das Portfolio von seinem Rechtsvorgänger erworben hat, auch insoweit an dessen Lizenzierungspraxis gebunden ist, als er – jenseits eines für die Diskriminierung relevanten Sachverhalts – dessen Erwägungen zur Angemessenheit der Lizenzgebühr übernehmen muss. Die in Bezug genommene Rechtsprechung verhält sich vielmehr dazu, dass die Lizenzverträge des Rechtsvorgängers den Lizenzierungsrahmen abstecken, an welchem die Diskriminierung zu überprüfen ist (OLG Düsseldorf, ebd., Rn. 122).
  372. Soweit die Beklagten meinen, der zwischen ihnen und F im Jahre 2017 abgeschlossene Lizenzvertrag sei für einen Vergleich geeignet, wird dazu nachfolgend unter Ziff. (ii), (β) ausgeführt.
  373. Die Klägerin kann schließlich auch nicht darauf verwiesen werden, sie habe – außerhalb des von ihr in Bezug genommenen Urteils liegende – wirtschaftliche Erwägungen zur Bemessung ihres Portfolios selbst vornehmen und diese offenlegen können. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass zwischen den Parteien unstreitig ist, dass die Klägerin frühere Angebote machte, die auf Grundlage ihrer eigenen wirtschaftlichen Überlegungen zu ihrem Portfolio ergangen sind. Ein Lizenzvertrag mit den Beklagten kam jedoch nicht zustande.
  374. (ii)
    Das C-Urteil 1 bietet hinreichende Anknüpfungspunkte, die die daran orientierte Bemessung der Lizenzgebühren in dem hier vorliegenden Fall angemessen erscheinen lassen.
  375. Die Kammer verkennt in diesem Zusammenhang nicht, dass die Bezugnahme der Klägerin auf das C-Urteil 1 eine Übernahme gerichtlicher Wertungen mit sich bringt, die nicht in jeder Hinsicht auf eine wirtschaftliche Tatsachengrundlage in dem unter lit. (bbb), (ii)) beschriebenen Sinne rückführbar sind. Dies betrifft insbesondere die einleitend unter lit. (aa), (bbb), (iii)) zusammengefassten Berechnungsparameter (M-Lizenzverträge als Vergleichsmaßstab, die Ermittlung der Lizenzrate „E“ aus diesen Lizenzverträgen, die Anzahl der SEPs von AA und M sowie die Gesamtanzahl aller für die Umsetzung eines Standards erforderlichen Patente). Es greift jedoch aus Sicht der Kammer zu kurz, den Vortrag der Klägerin allein deshalb als unzureichend oder gar unangemessen (im Sinne einer Ausbeutung) zurückzuweisen. Denn dies würde unberücksichtigt lassen, dass sich ein europäisches Gericht, welches an Art. 102 AEUV ebenso gebunden ist wie die erkennende Kammer, bereits mit erheblichem Aufwand der Ermittlung einer Lizenzgebühr zugewendet hat, und das Urteil die dabei tragenden wirtschaftlichen Erwägungen jedenfalls in hinreichendem Umfang auch erkennen lässt. Auf dieser Grundlage ist das britische Gericht zu einer seiner Auffassung nach für die Berechnung FRAND-gemäßer Lizenzgebühren geeigneten Methode gelangt. Von Lizenzgebühren, die nach dieser Methode ermittelt worden sind, kann nicht ohne weiteres – mithin ohne entsprechende, von den Beklagten vorzubringende Argumente, die die so ermittelten Gebühren als unangemessen erscheinen lassen, – angenommen werden, dass diese – mögen sie auch eine gewisse Höhe haben – ausbeuterisch sind. Das gilt umso mehr, als das Vorgehen des britischen Gerichts letztlich auf einen Wertmaßstab zurückgeht, der an die tatsächlichen Marktverhältnisse angebunden ist. Die sich daraus für den vorliegenden Fall ergebende Verteilung prozessrechtlicher Vortragslasten läuft zur Überzeugung der Kammer auch gleich mit dem Verhalten, welches von vernünftigen, lizenzwilligen Vertragsparteien zu erwarten ist.
  376. Im Einzelnen:
  377. (α)
    Der Berücksichtigung des C-Urteils bei der Gebührenfestsetzung liegt die Annahme der Klägerin zugrunde, dass das N Portfolio ein tauglicher Vergleichsmaßstab für die Bemessung der Lizenzgebühren ist – was grundsätzlich voraussetzt, dass die Portfolien in Umfang und Qualität miteinander vergleichbar sind (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 17.11.2016, Az.: I-15 I 66/15, Rn. 40, zitiert nach juris; Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 492).
  378. Dies begegnet im Ausgangspunkt keinen Bedenken.
  379. Sowohl der Schutzrechtsbestand von N als auch der des hier streitgegenständlichen Wireless Handset Portfolios betreffen die 2G-, 3G- und 4G-Technologie. Weiter trägt die Klägerin vor, dass die Schutzrechtsbestände in ihrer Größe vergleichbar seien. Gegen diesen Vortrag wenden sich die Beklagten nicht substanziell. Dagegen steht auch nicht der von der Klägerin ermittelte Skalierungsfaktor, der zwar anzeigt, dass die Portfolien im Hinblick auf die (von der Klägerin für ihr Portfolio angenommenen) tatsächlich standardessentiellen Patente nicht identisch sind, was aber eine Vergleichbarkeit nicht ausschließt. Ausreichend ist auch eine – wie hier – im Wesentlichen bestehende Vergleichbarkeit. Zur Frage der Qualität des klägerischen Portfolios wird nachfolgend unter Ziffer (iii) näher ausgeführt.
  380. Soweit der Vortrag der Klägerin im Hinblick auf den Vergleichsmaßstab eine weitergehende Dimension hat, nämlich die Ermittlung der Lizenzrate „E“ anhand der M-Vergleichslizenzverträge, lässt sich der Urteilsbegründung entnehmen, dass in die Bemessung der Vergleichslizenzrate „E“ jedenfalls Lizenzverträge eingeflossen sind, die M mit dem Konzern der Beklagten abgeschlossen hat (Rn. 462), woraus zum einen ableitbar ist, dass die Beklagten als Vertragspartner von M selbst jedenfalls insoweit in Kenntnis über den Vertragsinhalt der von EE als Vergleich herangezogenen Verträge sind, weshalb sie sich schon deshalb zu deren Inhalt und der Frage, ob aus dem herangezogenen Vergleichsmaßstab eine ausbeuterische Unangemessenheit erwächst (etwa, weil diese Kreuzvertragslizenzelemente enthalten), sogar in größerem Umfang als die Klägerin äußern können. Mehr als das waren die Beklagten auch Partei des C-Verfahrens, so dass bei ihnen insgesamt weitergehende Kenntnisse als bei der Klägerin zu erwarten sind. Zum anderen entkräften die konkreten, zum Vergleich herangezogenen M-Verträge (soweit nach dem C-Urteil 1, Rn. 462 erkennbar: U, D, RIM und Yulong) den Einwand der Beklagten, dass bei dem Durchschnittswert „E“ niedrigere Lizenzgebühren, die sich aus Lizenzverträgen zwischen M und kleineren Unternehmen ergeben, unberücksichtigt geblieben seien. Denn die Unternehmensgröße, die für die Beklagten relevant ist, hat jedenfalls Berücksichtigung gefunden. Des Weiteren lässt sich der Urteilsbegründung entnehmen, dass beispielsweise ein Vergleichsvertrag mit „T“ als einem gewichtigen Marktteilnehmer aus der Menge der Vergleichsverträge ausgenommen worden ist (Rn. 456 und Rn. 462). Es ist beklagtenseits auch nicht dargetan, dass sie im Vergleich zu den übrigen Lizenznehmern von M eine so geringe Marktmacht haben, dass eine Orientierung an mit diesen Unternehmen ausgehandelten Lizenzgebühren, aus ihrer, der Beklagten, Sicht schon deshalb unangemessen ist.
  381. (β)
    Die Beklagten haben auch nicht aufgezeigt, dass mit ihrem Lizenzvertrag mit F aus dem Jahre 2017 ein geeigneter Vergleichsmaßstab vorliegt, der noch dazu die Unangemessenheit der von der Klägerin vorgeschlagenen Lizenzgebühren nach sich zieht.
  382. Die Kammer verkennt nicht, dass die Schutzrechte des streitgegenständlichen Portfolios Bestandteil des F-Portfolios waren, was für eine grundsätzliche Vergleichbarkeit der beiden Portfolien jedenfalls in gewissem Umfang sprechen kann. Jedoch datiert der von den Beklagten in Bezug genommene Lizenzvertrag aus dem Jahre 2017, waren mithin die streitgegenständlichen Patente jedenfalls in dem Zeitpunkt des Abschlusses des von den Beklagten angeführten Referenzvertrags nicht mehr Teil des F-Portfolios. Zudem hat die Klägerin Anhaltspunkte dafür aufgezeigt, dass die darin festgesetzte Lizenzgebühr auch Kreuzvertragslizenzelemente enthalten. Die Klägerin macht insoweit den Inhalt eines öffentlichen Berichts (abrufbar unter http:www.X.com) geltend, in dem es heißt:
  383. „Die Kreuzlizenzvereinbarung gewährt A Zugang zu Fs umfangreichem Patentportfolio für Standards wie GSM und WCDMA, die weltweit angenommen wurde, wobei F den Zugang zu As Patenten erhält, inklusive der, die für Chinas eigenes 3G standardessentiell sind.“
  384. Auch haben die Beklagten nicht substantiiert dazu ausgeführt, inwiefern sich nach dem von ihnen herangezogenen Vergleichslizenzvertrag – anders als nach dem Vorgehen der Klägerin – eine angemessene Lizenzgebühr ergibt. Die Kammer verkennt nicht, dass die Beklagten davon ausgehen, dass der für das F-Portfolio angemessene Betrag sich auf einen Wert von EUR 0,54 beläuft, und sie auf dieser Grundlage die für das Portfolio der Klägerin in den „Key Offer Terms“ vom 12.03.2020 vorgeschlagenen Gebühren „herunterrechnen“. Das von ihnen vorgelegte Gutachten des Privatgutachters Prof. Dr. Henkel lässt einen Wert von EUR 0,54 jedoch nicht als unmittelbares Ergebnis aus dem Lizenzvertrag von F erkennen. Vielmehr wird der Betrag darin als ein Angebot der Beklagten an F (das Gutachten steht in einem Zusammenhang mit einem vor dem Landgericht München I anhängigen Rechtsstreit F Technologies Oy gegen Daimler AG, Az.: 21 O 3891/19) ausgewiesen, ohne dass erkennbar ist, dass über einen solchen eine Einigung erzielt worden ist. Der Gutachter weist diesen Betrag als FRAND-gemäß für das F-Portfolio aus, wobei unklar bleibt, inwiefern dieser auf den bestehenden Vertrag zwischen F und den Beklagten rückführbar ist (Anlage PBP02, S. 6, unter Ziff. 2.3, Einleitung und letzter Stichpunkt sowie S. 13, oben). Auch die Art und Weise der Berechnung, mittels derer die Beklagten von einem Wert von EUR 0,54 zu den der Klägerin vorgeschlagenen Gebühren gelangen, wird nicht vollständig offengelegt.
  385. Die Beklagten haben sich im Hinblick auf den nach den vorherigen Ausführungen unzureichenden Vortrag auch nicht hinreichend auf schützenswerte Geheimhaltungsinteressen berufen.
  386. Zwar bedarf der Geheimnisschutz des Lizenzsuchers regelmäßig keiner besonderen Rechtfertigung, weil dieser sich – anders als der Patentinhaber – nicht durch eine Zusage dazu verpflichtet hat, Lizenzen zu fairen und diskriminierungsfreien Bedingungen anzubieten (zu den Geheimhaltungsinteressen des Patentinhabers in diesem Zusammenhang: OLG Düsseldorf, GRUR-RS 2018, 7036, Rn. 18; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.11.2016, Az.: I-15 I 66/15, Rn. 25, zitiert nach juris; Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 501). Dies entbindet den Lizenzsucher gleichwohl nicht davon, seine Geheimhaltungsinteressen substantiiert darzutun, indem er den Inhalt der angeblichen Vertraulichkeitsklausel im Einzelnen, das heißt mit dem genauen Wortlaut und unter Darlegung sämtlicher auslegungsrelevanter Umstände, vorträgt (mit Bezug zu dem Patentinhaber: OLG Düsseldorf, a.a.O.; so wohl auch LG Mannheim, Urt. v. 04.09.2019, Az.: 7 O 115/15, S. 40, unveröffentlicht, wonach jedenfalls ein pauschaler Verweis nicht ausreichend sein dürfte), und Angaben dazu macht, dass eine Offenlegung unter keinem Gesichtspunkt bzw. unter welchen bestimmten Voraussetzungen möglich ist.
  387. An einem solchen Vortrag der Beklagten fehlt es vorliegend. In diesem Zusammenhang fällt auf, dass sie noch im Hinblick auf den früheren Lizenzvertrag mit F im Rahmen außergerichtlicher Lizenzverhandlungen mit der Klägerin Angaben zu der mit F vereinbarten Lizenzhöhe machen konnten (dazu bereits unter lit. bb), (bbb)).
  388. Weiter ist auch nicht erkennbar, dass die Beklagten Bemühungen unternommen haben, um der Klägerin – trotz eines etwaigen schützenswerten Geheimhaltungsinteresses – den auf Grundlage des F-Vertrags angenommenen Lizenzgebührensatz zu erläutern.
  389. Sofern schützenswerte Geheimhaltungsinteressen bestehen, finden diese im Rahmen eines Verletzungsprozesses, der den kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwand zum Gegenstand hat, grundsätzlich in der Weise Berücksichtigung, dass demjenigen, demgegenüber ein Geschäftsgeheimnis im gerichtlichen Verfahren offenzulegen ist, abverlangt wird, sich im Rahmen einer strafbewehrten Vertraulichkeitsvereinbarung zur Verschwiegenheit zu verpflichten (OLG Düsseldorf, GRUR-RS 2019, 6087, Rn. 127 – Improving Handovers; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14.12.2016, Az.: I-2 U 31/16, Rn. 5, zitiert nach BeckRS 2016, 114380; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.11.2016, Az.: I-15 U 66/15, Rn. 25, zitiert nach juris; LG Düsseldrf, Urt. v. 13.072017, Az.: 4a O 154/15, Rn. 320, zitiert nach juris; Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 512).
  390. Die Beklagten haben vorliegend nicht versucht, ein Geheimhaltungsabkommen mit der Klägerin abzuschließen, die sich gegen ein solches – ausgehend von den außergerichtlichen Lizenzverhandlungen (dazu unter lit. bb), (bbb) und lit. (bb), (ccc)) – nicht grundsätzlich zu sperren scheint. Auch dem Gutachter konnte der mit F abgeschlossene Lizenzvertrag offensichtlich nach Unterzeichnung einer Geheimhaltungsverpflichtung vorgelegt werden (Anlage PBP02, S. 5, unter Ziff. 2.2, 2. Stichpunkt, Klammerzusatz und S. 6, unter Ziff. 2.3, 2. Stichpunkt).
  391. Nach alledem besteht kein Raum für die von den Beklagten angeregte Vorlageanordnung nach § 142 ZPO.
  392. Die hier vorgenommene Würdigung steht schließlich auch nicht in einem Widerspruch zu der oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung, wonach sich der Patentinhaber selbst Kenntnisse über die Lizenzierungspraxis seines Rechtsvorgängers beschaffen muss (dazu unter Ziff. (2), (b), (aa), (bbb)). Denn der hier diskutierte Lizenzvertrag stammt – wie bereits ausgeführt – aus dem Jahre 2017, mithin aus einer Zeit nach Übertragung des streitgegenständlichen Portfolios auf die Klägerin. Jedenfalls über solche Rechtsverhältnisse muss der Erwerber nicht in Kenntnis sein.
  393. (γ)
    Die Beklagten greifen die übrigen Berechnungsparameter, die die Klägerin aus dem C-Urteil 1 übernommen hat (dazu unter lit. (aa), (bbb), (iii)), im Übrigen nicht an. Soweit sich – was der pauschale Verweis schon nicht erkennen lässt – ein Angriff „mittelbar“ aus dem Verweis auf das Urteil des Nanjing Intermediate People’s Court in China vom 16.09.2019 (Anlage PBP01; deutsche Übersetzung: Anlage PBP01.de) ergeben sollte, vermag die Kammer dem bereits deshalb nicht zu folgen, weil dort in die Bemessung der Lizenzgebühr (allein für den chinesischen Markt) eine gerichtliche Wertung im Hinblick auf die Standardessentialität von Klagepatenten eingeflossen ist, ohne dass die Beklagten dazu in dem hier vorliegenden Fall hinreichend vortragen (dazu unter Ziff. (iii), (β)).
  394. δ)
    Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass das Vorgehen des englischen Gerichts mittels Anwendung des Vergleichsmarktkonzepts dadurch eine Kontrolle erfahren hat, dass es anhand des sog. „Top-Down-Approachs“ überprüft worden ist (dazu unter lit. (aa), (aaa), (ii)). Auch gegen die im Zusammenhang mit dem „Top-Down-Approach“ relevanten Parameter bringen die Beklagten keinen substantiierten Gegenvortrag vor.
  395. (iii)
    Soweit die Beklagten die Qualität des Portfolios der Klägerin mit dem Einwand angreifen, dass die Klägerin die Standardessentialität der von ihr in die Berechnung der Gebührenhöhe einbezogenen Patente bzw. Patentfamilien (diese liegen insbesondere der Ermittlung des Wertes „S“ für die Klägerin zugrunde, dazu unter lit. (aa), (aaa), (ii)), nicht aufgezeigt habe (dazu unter lit. (β)), und diese teilweise nicht rechtsbeständig seien (dazu unter lit. (α)), greifen diese Einwände nicht durch. Gleiches gilt im Hinblick auf den Einwand, eine Unangemessenheit würde sich daraus ergeben, dass mittlerweile abgelaufene Patente bei der Gebührenfestsetzung berücksichtigt worden sind (dazu unter lit. (γ)).
  396. (α)
    Der Rechtsbestand der Portfoliopatente, die in die Bemessung der Lizenzgebühr eingeflossen sind, ist grundsätzlich kein Prüfungsgegenstand, aufgrund des behördlichen Erteilungsaktes wird er vielmehr vermutet (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 17.11.2016, Az.: I-15 U 65/15, Rn. 31, zitiert nach juris; Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 477). Anders ist dies jedoch zu bewerten, wenn eine erstinstanzliche das Schutzrecht vernichtende Rechtsbestandsentscheidung vorliegt. Da eine streitige Einspruchs- oder Nichtigkeitsentscheidung kein geringeres Gewicht hat als der einseitige behördliche Erteilungsakt, kommt es auch nicht darauf an, ob die Entscheidung rechtskräftig ist (Kühnen, a.a.O.). Insoweit ist jedoch zu beachten, dass nicht schon die Vernichtung jedes, bei der Gebührenbemessung berücksichtigten Patents zur Unangemessenheit im Sinne des Ausbeutungstatbestandes führt (zu diesem Maßstab vgl. auch Kühnen, Kap. E., Rn. 477, der insoweit von „spürbaren Schwankungen“ spricht). Das gilt vorliegend umso mehr, als sich die Klägerin an den (von ihr als solche erachteten) standardessentiellen Patentfamilien orientiert und mit diesen gerechnet hat. Dass es zur vollständigen Vernichtung einer insoweit beachtlichen Patentfamilie gekommen ist, tragen auch die Beklagten nicht vor.
  397. Ungeachtet dessen ist aber auch nicht ersichtlich, dass es im Übrigen zu einer Vernichtung von Patenten in einem Umfang gekommen ist, der die von der Klägerin ermittelte Lizenzgebühr unangemessen erscheinen lässt. Insoweit ist vorliegend auch zu berücksichtigen, dass der Vertragsentwurf der Klägerin unter Ziffer 4.3 i. V. m. den Ziffern 1.25 und 1.26 einen Anpassungsmechanismus vorsieht, der einem sich minimierenden Schutzrechtsbestand durch eine Reduzierung der Gebühren Rechnung trägt (dazu unter lit. (e))).
  398. Die Unangemessenheit der Lizenzgebühr aufgrund darin berücksichtigter, nicht rechtsbeständiger Schutzrechte steht zur Darlegungslast der Beklagten, nachdem davon auszugehen ist, dass die Klägerin – wie in Lizenzverhandlungen üblich – mehr als 20 Claim Charts über solche Patente vorgelegt hat, die zu den ihrer Meinung nach standardwesentlichen Patentfamilien gehören (dazu unter lit. (αα)). Dies berücksichtigend haben die Beklagten nicht aufgezeigt, dass die von der Klägerin als standardwesentlich erachteten Patente nicht rechtsbeständig sind (dazu unter lit. (ββ)).
  399. (αα)
    Die Beklagten haben im Rahmen der Lizenzverhandlungen in ausreichendem Umfang Claim Charts im Hinblick auf diejenigen Patente erhalten, die die Klägerin zur Berechnung der Lizenzgebühren herangezogen hat. Soweit die Beklagten dies in Abrede stellen, tun sie dies in einer gem. § 138 Abs. 3 ZPO prozessrechtlich unerheblichen Art und Weise.
  400. Die Beklagten haben – wie sich aus ihrer E-Mail vom 18.09.2014 (Anlagenkonvolut EIP A38; deutsche Übersetzung: Anlagenkonvolut EIP A38a) ergibt – bereits zu Beginn der Lizenzverhandlungen zehn Claim Charts, die das streitgegenständliche Portfolio betreffen, erhalten.
  401. In der näher bezeichneten E-Mail heißt es:
  402. „Wir haben erfolgreich 10 Claim Charts erhalten. Danke.“
  403. In der Betreffzeile der E-Mail sind zwar die – hier nicht gegenständlichen – Portfolien der Klägerin mit den Bezeichnungen „EE“ und „FF“ genannt, im Hinblick auf welche die Parteien ebenfalls in Verhandlungen standen. Aus den vorherigen E-Mails ergibt sich jedoch, dass unter dem näher bezeichneten Betreff auch Inhalte des hier streitgegenständlichen Portfolios erörtert worden sind. So heißt es in einer E-Mail der Beklagten vom 17.09.2014 (Anlagenkonvolut EIP A38; deutsche Übersetzung: Anlagenkonvolut EIP A38a; Hervorhebung diesseits):
  404. „Wir haben diese FTP-Seite nach unserem Treffen mehrmals überprüft, aber wir haben keine GG-Claim-Charts gefunden, […]. Wenn es Ihnen nichts ausmacht, können Sie sie mir per E-Mail schicken.“
  405. Die Bezeichnung „GG“ lässt eine sprachliche Nähe zu den Portfolien „EE“ und „FF“ nicht erkennen, wohl aber zu dem hier streitgegenständlichen Portfolio, das als „HH“ bezeichnet wird. Ausgehend davon, dass die Beklagten am 17.09.2014 die Übersendung von Claim Charts für das hier streitgegenständliche Portfolio anmahnten, wenn auch unter der Betreffzeile „EE und FF“, und sie sodann am 18.09.2014 den Erhalt von Claim Charts bestätigten, ist die Kammer – nach Würdigung des Parteivortrags analog § 286 Abs. 1 ZPO – davon überzeugt, dass die Beklagten bereits im September 2014 Claim-Charts im Hinblick auf das streitgegenständliche Portfolio erhielten.
  406. Auf Anforderung der Beklagten (vgl. E-Mail der Beklagten vom 21.12.2017, Anlagenkonvolut EIP A46; deutsche Übersetzung: Anlagenkonvolut EIP A46a) übersandte die Klägerin am 31.01.2018 weitere 13 Claim Charts im Hinblick auf solche Patente, die die Klägerin bei der Berechnung ihrer Vergütung im Rahmen des hier streitgegenständlichen Vertragsangebots als standardessentiell in Ansatz brachte (dazu auch unter lit. (aa), (bbb), (i)). Soweit die Beklagten in diesem Zusammenhang pauschal ausführen:
  407. „Auch durch einen Onlinezugang wurden lediglich 10 Claim Charts von anderen Schutzrechten vorgelegt, jedoch keine aussagekräftigen Claim Charts über das zu lizenzierende Portfolio.“ (Duplikschriftsatz vom 28.06.2019, S. 72, Pkt. II., Ziff. 1., Bl. 503 GA),
  408. stellt sich dieses Bestreiten als zweifelhaft, mithin prozessual unbeachtlich, dar. Zum einen bleibt völlig offen, im Hinblick auf welche anderen Portfolien der Klägerin es im Jahre 2018 zum Austausch von Claim Charts gekommen sein soll. Zum anderen fügt sich dieses Vorbringen der Beklagten auch in die übrige vorgelegte E-Mail Korrespondenz nicht ein. Denn in einer E-Mail vom 21.12.2017 nehmen die Beklagten auf ein Treffen Bezug, welches – unstreitig – zum Zwecke der Vertragsverhandlungen über das streitgegenständliche Portfolio erfolgte. In der E-Mail heißt es:
  409. „Und wir würden es sehr schätzen, wenn Sie uns alle diese Claim-Charts Ihrer WAHREN SEPs schicken können, […].“ (Anlagenkonvolut EIP A46; deutsche Übersetzung: Anlagenkonvolut EIP A46a).
  410. In einer E-Mail vom 05.02.2018 schreiben die Beklagten:
  411. „Ich bestätige hiermit, dass ich Ihr untenstehendes Schreiben erhalten habe und dass ich 10 II-Claim-Charts und 3 2G/3G-Claim-Charts über einen Weblink zum Herunterladen erhalten habe.“ (Anlagenkonvolut EIP A46; deutsche Übersetzung: Anlagenkonvolut EIP A46a).
  412. Der dargestellte Kommunikationsverlauf steht auch dem Prozessvorbringen der Beklagten in ihrem Klageerwiderungsschriftsatz vom 05.11.2018 (S. 72, Bl. 244 GA), wonach eine Liste [gemeint sind Claim Charts] noch immer nicht vorgelegt worden sei, entgegen.
  413. Die Klägerin hat schließlich in der mündlichen Verhandlung klargestellt, dass es sich bei den Patenten, die Gegenstand der Claim Charts sind, auch um solche handelt, die Patentfamilien entstammen, die ihrer Lizenzgebührenberechnung zugrunde liegen. Dafür spricht zudem auch die hier in Bezug genommene E-Mail Korrespondenz aus Januar/ Februar 2018, in welcher die Rede von den „WAHREN SEPs“ ist (vgl. E-Mail der Beklagten vom 21.12.2017, Anlagenkonvolut EIP A46; deutsche Übersetzung: Anlagenkonvolut EIP A46a). Welche Patentfamilien dies konkret erfasst, konnten die Beklagten auch der ihnen mit E-Mail der Klägerin vom 12.12.2017 (Anlagenkonvolut EIP A45; deutsche Übersetzung: Anlagenkonvolut EIP A45a) zur Verfügung gestellten Liste „Relevanter Patentfamilien“ entnehmen.
  414. (ββ)
    Die darlegungsbelasteten Beklagten haben nicht aufgezeigt, dass es den von der Klägerin als standardwesentlich erachteten Patenten in einem Umfang an der Rechtsbeständigkeit fehlt, der die Annahme der Unangemessenheit der vorgeschlagenen Lizenzgebühren rechtfertigt.
  415. Soweit zwischen den Parteien unstreitig ist, dass acht chinesische Patente für nicht rechtsbeständig erklärt worden sind, ist zu berücksichtigen, dass nach der vorgeschlagenen Gebührenregelung nach Ziffer 4.2 für den chinesischen Markt ohnehin eine unterhalb der anhand der als standardwesentlich erachteten Patente errechnete Gebühr anfällt (dazu unter lit. (aa), (bbb), (ii)). Inwieweit aus der (erstinstanzlichen) Vernichtung der acht chinesischen Patente dennoch eine Unangemessenheit erwächst, ist nicht dargetan. Das gilt insbesondere auch deshalb, weil nach dem ebenfalls unstreitigen Vortrag selbst nach Abzug der vernichteten Patente noch sieben Patente für den chinesischen Markt rechtsbeständig bleiben (zu dem Einwand der Beklagten, dass sechs dieser Patente nicht standardwesentlich seien, nachfolgend unter lit. (β)).
  416. Im Hinblick auf weitere Rechtsbestandsverfahren fehlt es bereits an Vortrag der Beklagten hinsichtlich welcher, von der Klägerin bei der Berechnung berücksichtigter Patente eine erstinstanzliche Nichtigkeitsentscheidung überhaupt vorliegt.
  417. Die von den Beklagten zur Akte gereichte Auflistung (Duplikschriftsatz v. 28.06.2019, S. 84, Bl. 515 GA, Tabelle) gibt keine Information über die Entscheidungen, die eine Vernichtung der Portfoliopatente zur Folge hatten. Denn die Tabelle lässt eine Differenzierung zwischen solchen Entscheidungen, die zu einer Vernichtung von Portfoliopatenten geführt haben, und solchen, in denen die Patente für nicht standardessentiell erachtet worden sind, nicht erkennen.
  418. Selbst wenn sämtliche Entscheidungen den Rechtsbestand betreffen, bedürfte es zudem weiteren Vortrags dazu, dass daraus eine Unangemessenheit der berechneten Gebühren im Sinne einer Ausbeutung folgt. Der bloße Verweis auf Verfahren, die den Rechtsbestand betreffen, ersetzt diesen Vortrag nicht.
  419. (β)
    Im Hinblick auf die Standardessentialität der von der Klägerin bei der Gebührenfestsetzung berücksichtigten Patente ist zu beachten, dass gerichtliche Entscheidungen im Hinblick auf diese eine bindende Wirkung vergleichbar mit derjenigen von Rechtsbestandsentscheidungen nicht entfalten können, obgleich diese – sofern sie vorliegen – als sachverständige Stellungnahmen bei der Beurteilung der Standardessentialität durch das erkennende Gericht zu berücksichtigen sind. Ausgehend davon, dass die Klägerin im Rahmen der außergerichtlichen Lizenzverhandlungen umfangreich Claim Charts zu den in Streit stehenden Patenten vorgelegt hat (dazu bereits vorhergehend zum Rechtsbestand der Patente unter lit. (α)), erfordert der Einwand fehlender Standardessentialität der Patente vorliegend substantiiertes Vorbringen der Beklagten dazu, welche (bei der Gebührenfestsetzung berücksichtigte) Patente, aufgrund welcher Aspekte konkrete Stellen des Standards nicht umsetzen. Der danach erforderliche Vortrag kann durch den bloßen Verweis auf Entscheidungen anderer Gerichte nicht ersetzt werden.
  420. Schließlich gehört – worauf es jedoch vorliegend aufgrund des zuvor Ausgeführten nicht mehr ankommt – zu dem Einwand fehlender Standardessentialität der Portfoliopatente auch das Vorbringen, dass der Lizenzsucher von denjenigen Lizenzschutzrechten, die durch den Standard nicht gestützt werden, keinen Gebrauch macht (LG Düsseldorf, Urt. v. 30.11.2006, Az.: 4b O 508/05, Rn. 136 – Videosignal-Codierung I, zitiert nach juris). Auch daran fehlt es vorliegend.
  421. (γ)
    Die Beklagten haben weiter nicht aufgezeigt, welche Schutzrechte abgelaufen sind, und inwiefern daraus eine Unangemessenheit der Gebührenberechnung der Klägerin resultiert. Auch insoweit ist zu berücksichtigen, dass der Vertragsentwurf mit Ziffer 4.3 einen grundsätzlich hinreichenden Anpassungsmechanismus enthält (dazu unter lit. (e))d), (cc)).
  422. (e)
    Auch der in Ziffer 4.3 vorgesehene Anpassungsmechanismus erweist sich nicht als unangemessen.
  423. Ein Angebot zu fairen und angemessenen Konditionen setzt voraus, dass ein Anpassungsmechanismus für den Fall vorhanden ist, in dem sich der Schutzrechtsbestand verändert. Ein solcher besteht regelmäßig in einer eine Korrektur der zu zahlenden Lizenzgebühren ermöglichenden Anpassungsklausel (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.11.2016, Az.: I-15 U 66/15, Rn. 32, Rn. 43, zitiert nach juris). Zwingend ist eine solche Klausel indes nicht. Insoweit ist das vertragliche Konstrukt in seiner Gesamtheit, und nicht nur einzelne Klauseln gesondert zu betrachten (Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 384). Dem Umstand eines sich ändernden Schutzrechtsbestandes kann beispielsweise auch dadurch Rechnung getragen werden, dass der angebotene Lizenzvertrag auf einen kurzen Zeitraum befristet ist, und die Höhe der Lizenzgebühr auf die gesamte Vertragsdauer betrachtet deshalb FRAND-gemäß ist, weil sie den Ablauf von Patenten während der Vertragslaufzeit angemessen berücksichtigt (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.11.2016, Az.: I-15 U 66/15, Rn. 32, Rn. 43, zitiert nach juris; LG Düsseldorf, Urt. v. 09.11.2018, 4a O 17/17, Rn. 511 ff., zitiert nach juris).
  424. Ein in diesem Sinne hinreichender Anpassungsmechanismus liegt hier vor (dazu unter lit. (bb)). Da dieser eng mit der Vertragsgebietseinteilung nach den Ziffern 1.25 und 1.26, gegen die sich die Beklagten im Grundsatz nicht wenden, zusammenhängt, wird zunächst dazu ausgeführt (unter lit. (aa)).
  425. (aa)
    Die Aufteilung des Vertragsgebiets in „Major Markets“ (Ziff 1.25) und „Other Markets“ (Ziff. 1.26),
  426. „1.25 „Wichtiger Markt“ bezeichnet in Bezug auf 2G- oder 3G-Standards ein Land, in dem es zwei (2) oder mehr lizenzierte Patente gibt (ausgenommen China), und in Bezug auf 4G ein Land, in dem es drei (3) oder mehr lizenzierte Patente gibt (ausgenommen China). […].
  427. 1.26 „Sonstige Märkte“ sind alle Länder, die nicht als wichtiger Markt gelten, mit Ausnahme von China. […].“,
  428. in Abhängigkeit zur Anzahl der auf dem jeweiligen Markt bestehenden Schutzrechte steht in einem Zusammenhang mit der Lizenzgebührenhöhe (dazu bereits unter lit. (d), (aa), (bbb), (i)). Die Gebührenstruktur nach Ziffer 4.2 in Abhängigkeit von der Einordnung des Vertriebsgebiets als „Major-“ oder „Other Market“ stellt sich tabellarisch zusammengefasst wie folgt dar:
  429. Damit wird – was grundsätzlich als Differenzierungskriterium taugt – die Anzahl der in einem Land bestehenden Schutzrechte in einen Zusammenhang mit der Höhe der zu zahlenden Lizenzgebühren gebracht (vgl. zu diesem Zusammenhang auch: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 17.11.2016, Az.: I-15 U 66/15, Rn. 42, zitiert nach juris; Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 491). Der chinesische Markt wird dabei – unabhängig von der Anzahl der dort bestehenden Schutzrechte – im Hinblick auf die zu entrichtenden Gebühren wie ein „Other Market“ behandelt.
  430. Die Einteilung des Weltmarktes in „Major Markets“ und „Other Markets“ nach dem C-Urteil stellt sich für das Portfolio der Klägerin – orientiert an der von ihr vorgelegten Auflistung der geografischen Verteilung der tatsächlich standardessentiellen Patentfamilien aus dem Replikschriftsatz vom 18.03.2019 (dort S. 29 , Bl. 290 GA) – wie folgt dar:
  431. .
  432. Die Klägerin hat im Zusammenhang mit dieser Auflistung klargestellt, dass sie die Vertragsgebietseinteilung – entgegen der anderslautenden Regelung in Ziffer 1.25 und Ziffer 1.26 und entgegen EE (Rn. 587), die an den gesamten Portfoliobestand anknüpfen, – allein anhand der von ihr als tatsächlich essentiell eingestuften Patentfamilien vornimmt. Dieses Vorbringen steht auch im Einklang mit der Tabelle, die Ziffer 1.25 des Vertragsentwurfs zu entnehmen ist, und die die „Major Markets“ des Vertragsgebiets für die einzelnen Technologien festlegt. Die sich daraus für die einzelnen Technologien ergebende Anzahl von „Major Markets“ stimmt mit derjenigen überein, die sich der in dem hiesigen Verfahren schriftsätzlich vorgelegten, hier in Bezug genommenen Auflistung jeweils entnehmen lässt.
  433. Eine solche Unterteilung des Vertragsgebiets relativiert das Vorgehen, wonach die Berechnung der Gebührenhöhe zunächst unabhängig von dem Schutzrechtsbestand auf einem nationalen Markt, allein anhand der Existenz aller (als standardwesentlich) erachteter Patentfamilien erfolgt, was zu der ggf. unangemessenen Konsequenz führen kann, dass auch im Hinblick auf einen nationalen Markt, auf dem nur wenige Schutzrechte bestehen, eine relativ hohe Lizenzgebühr zu entrichten ist. Eine gewisse Pauschalisierung anhand von Schwellenwerten, bei dessen Erreichen stets eine höhere Lizenzgebühr zu entrichten ist, ist dabei im Rahmen einer Portfoliolizenz hinzunehmen (zu einer Pauschalisierung allgemein vgl. auch Kühnen, ebd., Kap. E, Rn. 491, der von „deutlich unterschiedlichen Schutzrechtsbeständen“ spricht). Denn darin findet der Gedanke einen Ausdruck, dass es dem Lizenznehmer an einem Portfolio mit für die Umsetzung eines Standards wesentlichen Patenten in erster Linie auf die Umsetzung der Technik ankommt, und weniger um die Anzahl der für diese Umsetzung erforderlichen Schutzrechte geht, obgleich die Anzahl der Schutzrechte – wie ausgeführt – nicht gänzlich außer Betracht bleiben kann.
  434. (bb)
    Der Vertragsvorschlag der Klägerin sieht nach Ziffer 4.3,
  435. „Die Anpassung der Liste wichtiger Märkte aus Ziffer 1.25 hat jährlich zu erfolgen. Jedes lizenzierte Patent in einem Land, das von einem zuständigen Gericht für ungültig oder nicht wesentlich befunden wird, würde in diesem Land nicht mehr als lizenziertes Patent gelten. Darüber hinaus sind, wenn in einem Land zusätzliche lizenzierte Patente hinzugefügt werden, entsprechende Anpassungen vorzunehmen.“,
  436. einen Anpassungsmechanismus derart vor, dass bei Unterschreitung der für die Einordnungen eines Marktes als „Major Market“ angesetzten Mindestanzahl von Schutzrechten der jeweilige Markt zum „Other Market“ umdefiniert wird, mit der Folge, dass die nach Ziffer 4.2 für „Other Markets“ vorgesehenen geringeren Lizenzgebühren zu zahlen sind.
  437. Gesichtspunkte, die die Unangemessenheit dieses Mechanismus begründen, haben die Beklagten nicht aufgezeigt.
  438. (aaa)
    Die zitierte Klausel ist grundsätzlich geeignet, eine im Sinne des Kartellrechts angemessene Anpassung zu bewirken. Zwar kann die Grenze für die Heraufstufung eines Marktes von einem „Other Market“ zu einem „Major Market“ – zugunsten des Lizenzgebers – im Vergleich zu derjenigen einer Herabstufung von einem „Major Market“ in einen „Other Market“ – zugunsten des Lizenznehmers – verhältnismäßig schneller erreicht sein. Denn während eine Heraufstufung in einen „Major Market“ bei 3G-Standard relevanten Patenten bereits dann erfolgt, wenn zwei Patente auf dem jeweiligen Markt Wirkung entfalten und für den 4G-Standard, wenn drei Patente existieren, kann eine Herabstufung aufgrund des angesetzten Schwellenwertes ggf. erst nach einer Vernichtung bzw. einem Auslaufen einer Vielzahl von Patenten erreicht werden. Dieser Mechanismus korrespondiert jedoch mit der Tatsache, dass der Lizenzgeber, nachdem er die Heraufsetzung eines Marktes als „Major Market“ erreicht hat, keine höheren Lizenzen bei Anwachsen seines Portfoliobestandes auf eben diesem „Major Market“ mehr beanspruchen kann. Im Verhältnis zum Lizenznehmer greift mithin eine höhere Wahrscheinlichkeit, in einen „Major Market“ hochgestuft zu werden, dafür hat er jedoch im Anschluss die Sicherheit, bei Hinzukommen weiterer Patente nicht noch höhere Lizenzgebühren entrichten zu müssen. Im Gegenzug hat der Lizenzgeber eine geringere Wahrscheinlichkeit, dass eine Herabstufung eines „Major-“ in einen „Other Market“ erfolgt, profitiert aber von einer Zunahme seiner Schutzrechte auf dem „Major Market“ auch nicht direkt (Er profitiert mittelbar dadurch, dass er die Anzahl der Schutzrechte, die vernichtet werden müssen, um eine Rückstufung in die Kategorie „Other Market“ zu erzielen, erhöht wird.). Diese Risikoverteilung rechtfertigt es, dass eine Anpassung innerhalb der Kategorien „Other Market“ und „Major Market“ nicht mehr erfolgt.
  439. Insoweit spricht auch eine Pauschalisierung dahingehend, dass nicht der Bestand jedes einzelnen Schutzrechts des Portfolios Auswirkungen auf die Lizenzhöhe hat, nicht per se gegen die Angemessenheit. Auch darin kommt vielmehr zum Tragen, dass sich der Wert des Lizenzsuchers an der Portfoliolizenz zuvorderst in der Nutzung des Standards widerspiegelt, und weniger in der Benutzungserlaubnis für jedes einzelne Portfoliopatent.
  440. Schließlich ist in die kartellrechtliche Beurteilung der Klausel auch einzustellen, dass der Lizenzvertrag gemäß der Ziffern 6.1 und 1.18 ab Vertragsunterzeichnung (vgl. zu dem in Ziffer 1.18 genannten „Stichtag“ die Präambel) noch eine Laufzeit von fünf Jahren hat, so dass umfangreichen Verschiebungen im Schutzrechtsbestand auch im Rahmen des Abschlusses einer Anschlussvereinbarung Rechnung getragen werden kann. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass die Gesamtlaufzeit des Vertrages nach den Ziffern 6.1, 1.18 und 1.4 einen längeren Zeitraum erfasst, weil er auch vergangene Benutzungshandlungen lizenziert und bereits am 1.09.2011 beginnt. Diese vergangenen Benutzungshandlungen unterstehen demselben Gebührenregime wie zukünftige Handlungen. Jedoch beziehen sich die Berechnungen der Lizenzgebühren der Klägerin auf das Jahr 2017, Schutzrechte, die in diesem Zeitpunkt – aus welchen Gründen auch immer – nicht mehr existent waren, sind mithin in die Gebührenberechnungen der Klägerin auch nicht mehr eingeflossen.
  441. Soweit eine Anpassung für den chinesischen Markt nach Ziffer 4.3 nicht vorgesehen ist, ist ein solcher unter Angemessenheitsgesichtspunkten auch nicht zwingend. Denn für den chinesischen Markt fallen ohnehin stets geringere Lizenzgebühren an. Inwieweit der chinesische Markt darüber hinaus eines eigenen Anpassungsmechanismus bedarf, führen die Beklagten nicht aus.
  442. (bbb)
    Ausgehend von der grundsätzlichen Eignung der Klausel zur Anpassung (wie unter lit. (aaa) dargestellt) kann nicht festgestellt werden, dass die Beklagten bei Berücksichtigung der konkreten geografischen Verteilung der für die Lizenzgebührenbemessung maßgeblichen Patentfamilien unangemessen benachteiligt werden.
  443. Den Beklagten ist darin zuzustimmen, dass es der Angemessenheit des beschriebenen Ausgleichssystems entgegenstehen kann, wenn eine Herabstufung faktisch von vornherein gar nicht oder selten in Betracht kommt, weil nämlich die Anzahl der auf dem überwiegenden Teil der „Major Markets“ gehaltenen Schutzrechte den Schwellenwert für die Einordnung als „Major Market“ erheblich übersteigt.
  444. Ausgehend von der bereits unter lit. (aa) betrachteten geografischen Verteilung der tatsächlich standardessentiellen Patentfamilien der Klägerin bewegt sich ein Großteil der für die 3G-Technologie als „Major Market“ eingestuften Patentfamilien in der Nähe des Schwellenwertes (32 Märkte liegen danach bei einem Schwellenwert von 2 – 4. Das entspricht einem Anteil von ca. 86%. Der chinesische Markt wird in die Betrachtung nicht einbezogen), auch von den „Major Markets“ der 4G-Technologie liegen 4 Märkte (Das entspricht einem Anteil von ca. 44 %, der chinesische Markt wird in die Betrachtung nicht einbezogen) bei einem Schwellenwert von 3 oder 4, d.h. für diese ist eine Herabstufung realistisch.
  445. Etwas anderes würde dann gelten, wenn die einzelnen, auf dem jeweiligen nationalen Markt bestehenden Patentfamilien in großem Umfang aus mehr als einem Patent bestehen würden. Denn dann würden die in der Auflistung der Klägerin genannten Zahlen eine Einschätzung darüber, wie viele Schutzrechte von einem Lizenzsucher für eine Herabstufung in einen „Other Market“ anzunehmen wäre, nicht ermöglichen. Das haben die Beklagten jedoch weder vorgetragen, noch ist dies auf Grundlage der Auflistung der standardwesentlichen Patentfamilien mit ihren einzelnen Schutzrechten anzunehmen.
  446. Die mit Anlagenkonvolut EIP A45 (deutsche Übersetzung: Anlagenkonvolut EIP A45a) vorgelegte Tabelle lässt für die 3G-Technologie lediglich vier Staaten erkennen, in denen eine Patentfamilie nicht durch ein Patent, sondern durch zwei Schutzrechte repräsentiert wird (Patentfamilie 3: zwei Schutzrechte für Frankreich; Patentfamilie 4: zwei Schutzrechte für Japan; Patentfamilie 6: zwei Schutzrechte für Frankreich und Patentfamilie 11: zwei Schutzrechte für die USA). Gleiches gilt für die Patentfamilien der 4G-Technologie (Patentfamilie 5: zwei für Japan; Patentfamilien 6: zwei Patente für die USA; Patentfamilie 8: zwei Patente für die USA und Patentfamilie 9: zwei Patente für Südkorea; China wird in die Betrachtung nicht einbezogen).
  447. Soweit nach der an Patentfamilien orientierten Auflistung eine Herabstufung für andere Märkte (insbesondere USA, Deutschland, Japan, Frankreich, Großbritannien; China wird in die Betrachtung nicht einbezogen.) nicht zu erwarten ist, ist dies hinzunehmen. Dies ist Ausdruck der Pauschalisierung, die sich aus der FRAND-gemäßen Einteilung des Vertragsgebiets in „Major-“ und „Other-Markets“ ergibt, und die im Rahmen einer Portfoliolizenz hinzunehmen ist (dazu unter lit. (aa)).
  448. (ccc)
    Soweit die Beklagten einwenden, der vorgesehene Anpassungsmechanismus greife faktisch nie zu ihren Gunsten, weil ein Zuwachs des Portfolios der Klägerin nicht zu erwarten sei, so mag dies im Hinblick auf das Hinzukommen neuer (im Sinne von neu entwickelter) Schutzrechte für die von dem Portfolio abgedeckten Technologien zutreffend sein. Das schließt aber nicht aus, dass sich die standardwesentlichen Patente der Klägerin dadurch erhöhen, dass sie zusätzliche Schutzrechte erwirbt. Die Beklagten selbst haben im Rahmen ihrer „Key Offer Terms“ vom 12.03.2020 (Anlage EIP A64; deutsche Übersetzung: Anlage EIP A64a, „Schlüsselangebotsbedingungen“, S. 2, Pkt. D., letzter Abs.) angeboten, der Klägerin Patente abzutreten, um „Wertlücken“ zwischen ihrem und dem Angebot der Klägerin zu schließen.
  449. Auch schließt die aus dem Vertragsangebot der Klägerin ersichtliche Bestimmung des Vertragsgegenstandes – anders als die Beklagten meinen – nicht aus, dass neu erworbene Schutzrechte von der Lizenzierung umfasst sind.
  450. „Lizenzierte Patente“ sind nach Ziffer 1.11 solche, die der Lizenzgeber oder eine seiner Tochtergesellschaften besitzt bzw. solche, an denen diese Lizenzen erteilen können, und im Hinblick auf die der Inhaber erklärt oder anderweitig annimmt, dass (näher bezeichnete) Benutzungshandlungen im Hinblick auf einen bestimmten „Standard“ implementierende Geräte oder Verfahren nicht vorgenommen werden können, ohne diese Patente zu verletzen. Es werden sodann die aus dem Anhang B ersichtlichen Patente, die an die K Corporation abgetreten wurden, ausgenommen. Als „Standard“ wiederum werden in Ziffer 1.17 die im Hinblick auf den 2G-, 3G- und/oder 4G-Telekommunikationsstandard (wie in Ziffer 1.22 – 1.24 definiert) vereinbarten Protokolle einbezogen.
  451. Der Vertragsgegenstand ist danach nicht bestimmt, das heißt im Hinblick auf konkrete Schutzrechte, beschrieben. Vielmehr ist er derart gefasst, dass die lizenzierten Rechte anhand der Vorgabe der Klausel bestimmbar sind. Gegenstand des Vertrags sind mithin auch etwaige, nach Vertragsschluss erworbene Schutzrechte.
  452. (ddd)
    Auch ist nicht ersichtlich, dass die Beklagten durch den vorgesehenen Anpassungsmechanismus Gefahr laufen, für einen nationalen Markt Lizenzen zu zahlen, auf dem gar kein für die Bemessung der Lizenzgebührenhöhe maßgebliches Schutzrecht mehr Bestand hat.
  453. Orientiert an der geografischen Verteilung der als standardessentiell zugrunde gelegten Patente ist – für den Fall, dass die Klägerin die von ihr aufgelisteten Märkte auch nach der vollständigen Vernichtung bzw. dem Ablauf ihrer Schutzrechte berücksichtigt – eine solche Befürchtung allenfalls für die folgenden Staaten gerechtfertigt: die Philippinen, Brasilien, Kanada und Malaysia. Denn auf diesen Märkten besteht die geringste Zahl von Schutzrechten. Die Beklagten tragen jedoch vorliegend weder vor, dass Schutzrechte in diesen Staaten angegriffen worden sind oder demnächst ablaufen, noch behaupten sie, dass es sich bei den genannten Staaten um wesentliche ihrer Vertriebsgebiete handelt. Weiter ist im Hinblick auf eine unangemessene Benachteiligung der Beklagten insoweit zu beachten, dass sie – unabhängig davon, wo sie ihre Produkte veräußern – jedenfalls insoweit lizenzierungspflichtige Handlungen vornehmen, als Herstellungsort ihrer Mobiltelefone die Volksrepublik China ist (zu dieser Wertung im Hinblick auf „FRAND“ vgl. auch LG Düsseldorf, Teilurt. v. 31.03.2016, Az.: 4a O 73/14, Rn. 254, zitiert nach juris; Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 268).
  454. (cc)
    Die vorgeschlagene Anpassungsklausel erweist sich auch nicht deshalb als unangemessen, weil der darin vorgesehene Mechanismus eine Abschaltung des UMTS-Netzes unberücksichtigt lässt.
  455. Zwar mag – sofern bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses absehbar ist, dass das Portfolio in erheblichem Umfang an Wert verlieren wird – eine Anpassungsklausel auch im Hinblick auf eben diesen Sachverhalt erforderlich sein. Jedoch haben die Beklagten das Vorliegen eines solchen nicht substantiiert dargetan.
  456. Auf das Bestreiten der Klägerin, dass der größte deutsche Telefonbetreiber, Q, eine Abschaltung gerade nicht plane, wiederholen die Beklagten lediglich ihr Vorbringen, dass entsprechende Pläne jedenfalls bei der Deutschen Telekom und P vorliegen würden. Im Übrigen bleibt ihr Vortrag zu Plänen in anderen Ländern äußerst vage, in dem sie vortragen „dies geschehe auch in China und in vielen anderen Ländern“. Dass auf dieser Grundlage ein erheblicher Wertverlust, insbesondere ein solcher, der die Beklagten betrifft, deren Hauptvertriebsgebiet China ist, resultiert, ist nicht erkennbar.
  457. (f)
    Im Hinblick auf eine Angemessenheit des Vertragsangebots ist schließlich auch unbedenklich, dass das Angebot der Klägerin den von ihr angestrengten Rechtsstreit vor einem chinesischen Gericht, mit welchem sie die Festsetzung von Lizenzgebühren als FRAND-gemäß begehrt, nicht berücksichtigt.
  458. Die Beklagten machen geltend, ein Lizenzangebot der Klägerin müsse berücksichtigen, dass vor einem chinesischen Gericht eine Klage auf Festsetzung einer üblichen und angemessenen Lizenzgebühr anhängig ist.
  459. Dem kann nicht gefolgt werden.
  460. Eine formelle Bindungswirkung an gerichtliche Entscheidungen aus anderen Jurisdiktionen, die der Höhe nach bestimmte Lizenzgebühren als FRAND-gemäß festlegen, besteht nicht ohne weiteres. Das gilt sowohl für den Fall, in dem das jeweilige nationale Gericht über die FRAND-Gemäßheit der Lizenzgebühren allein für das Hoheitsgebiet eben dieses nationalen Gerichts entscheidet, als auch (erst Recht) für den Fall, in dem sich das nationale Gericht dazu verhält, welche Lizenzgebühren in einer anderen Jurisdiktion als FRAND-gemäß zu erachten sind.
  461. Auch ist es dem erkennenden Gericht vorliegend nicht verwehrt, über die FRAND-Gemäßheit von für andere Jurisdiktionen festgelegte Gebühren im Rahmen einer weltweiten Portfoliolizenz zu entscheiden. Denn dies berührt die Entscheidungshoheit anderer nationaler Gerichte nicht, da der kartellrechtliche Zwangslizenzeinwand da der kartellrechtliche Zwangslizenzeinwand in Ansprüche eingebunden ist, die an eine Verletzung des deutschen Teils eines europäischen Schutzrechts anknüpfen.
  462. Darüber hinaus ist auch nicht ersichtlich, dass die Beklagten eines Schutzes durch den von ihnen eingeforderten Anpassungsmechanismus bedürfen. Denn sobald eine rechtskräftige Entscheidung eines nationalen Gerichts über die FRAND-Gemäßheit von Lizenzgebühren vorhanden ist, ist die Klägerin insoweit an diese gebunden. Folgt sie dieser nicht, läuft sie Gefahr, ihre aus dem Patent erwachsenden Rechte – für das Hoheitsgebiet dieser Jurisdiktion – nicht durchsetzen zu können. Denkbar ist – in Abhängigkeit zu den konkreten Rechtsordnungen und der dortigen Ausgestaltung der Verfahren – weiter auch, dass Vollstreckungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, die der Entscheidung Wirkung verleihen.
  463. Unter welchem kartellrechtlich relevanten Aspekt eine Anpassung für gerichtlich festgesetzte Lizenzgebühren ihrer, der Beklagten, Meinung nach im Übrigen erforderlich sein soll, führen sie auch nicht näher aus.
  464. dd)
    Ein FRAND-gemäßes Gegenangebot der Beklagten liegt mit den am 12.03.2020 übersandten „Key Offer Terms“ (Anlage EIP A64; deutsche Übersetzung: Anlage EIP A64a) nicht vor.
  465. Den „Key Offer Terms“ der Beklagten fehlt bereits eine hinreichende Regelungsdichte, um als FRAND-gemäßes Gegenangebot verstanden werden zu können, des Weiteren erläutern die Beklagten dieses auch nicht hinreichend.
  466. Die inhaltlichen Anforderungen an das Gegenangebot des Lizenzsuchers decken sich mit denjenigen an das Angebot des Patentinhabers, wonach die Vertragsofferte insbesondere eine ausreichende Regelungsdichte aufweisen muss (Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 356). Zu denjenigen Punkten, zu denen der Lizenzsucher – bzw. hier der Patentinhaber – nach den Gepflogenheiten der betroffenen Branche eine Regelung erwarten darf, hat sich das Vertragsangebot zu verhalten (OLG Düsseldorf, GRUR 2017, 1219, Rn. 169 – Mobiles Kommunikationssystem; Kühnen, a.a.O.). Auch die Erläuterungspflichten, die den Lizenzsucher im Zusammenhang mit seinem Gegenangebot treffen, verlaufen spiegelbildlich zu denjenigen, die für den Patentinhaber hinsichtlich seines Angebots bestehen (Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 377; vgl. zu den Erläuterungspflichten des Lizenzgebers unter lit. cc), (2), (a)).
  467. Diese eher „formellen“ Anforderungen erfüllen die „Key Offer Terms“ der Beklagten nicht.
  468. Im Hinblick auf die erforderliche Regelungsdichte fehlt es bereits an einer Anpassungsklausel, welche – was die Beklagten vorliegend im Zusammenhang mit dem Angebot der Klägerin auch geltend machen (dazu unter lit. cc(3), (e)) – üblicherweise ein wesentlicher Bestandteil eines FRAND-Angebots ist.
  469. Die Beklagten haben zudem das von ihnen abgegebene Gegenangebot ohne erkennbare schützenswerte Geheimhaltungsinteressen nicht hinreichend begründet. Insoweit gelten die Ausführungen dazu, inwiefern sich aus dem F-Lizenzvertrag der Beklagten ein angemessenerer Vergleichsmaßstab ergibt (dazu unter lit. cc), (3), (d), (bb), (ccc), (ii), (β)), entsprechend.
  470. Schließlich ist auch nicht vorgetragen, dass die Beklagten eine Sicherheit hinterlegt haben, die die nach ihrem Gegenangebot aus März 2020 zu entrichtenden Gebühren abdeckt.
  471. VIII.
    Die festgestellte Patentverletzung rechtfertigt die zuerkannten Rechtsfolgen wie folgt:
  472. 1.
    Die Beklagten sind der Klägerin zur Unterlassung verpflichtet, Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 1 PatG, da sie zur Benutzung der patentgemäßen Lehre nicht berechtigt sind.
  473. 2.
    Die Klägerin hat gegen die Beklagten dem Grunde nach einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ, § 139 Abs. 1 und 2 PatG.
  474. a)
    Das für die Zulässigkeit des Feststellungsantrags gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich daraus, dass die Klägerin derzeit nicht in der Lage ist, den konkreten Schaden zu beziffern und ohne eine rechtskräftige Feststellung der Schadensersatzpflicht die Verjährung von Schadensersatzansprüchen droht.
  475. b)
    Die Beklagten sind zum Schadensersatz verpflichtet, weil sie die Patentverletzung schuldhaft begingen. Als Fachunternehmen hätten sie die Patentverletzung bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt zumindest erkennen können, § 276 BGB. Es ist auch nicht unwahrscheinlich, dass der Klägerin durch die Patentverletzung ein Schaden entstanden ist, zumal bereits patentverletzende Erzeugnisse in den Verkehr gebracht wurden.
  476. 3.
    Der Klägerin steht gegen die Beklagten auch ein Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ, § 140b Abs. 1 PatG, §§ 242, 259 BGB zu.
  477. Der Anspruch auf Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der angegriffenen Ausführungsform ergibt sich aufgrund der unberechtigten Benutzung des Erfindungsgegenstands unmittelbar aus § 140b Abs. 1 PatG, der Umfang der Auskunftspflicht aus § 140b Abs. 3 PatG.
  478. Die weitergehende Auskunftspflicht und die Verpflichtung zur Rechnungslegung folgen aus §§ 242, 259 BGB, damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadensersatzanspruch zu beziffern. Dies betrifft auch den tenorierten Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung zu den Angeboten der Beklagten einschließlich Namen und Anschriften der jeweiligen Angebotsempfänger sowie den Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung zur betriebenen Werbung. Die Klägerin ist auf die tenorierten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt, und die Beklagte wird durch die von ihr verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet. Soweit die Beklagten zu 1) und 3) erklären, dass sie Angebots- und Werbehandlungen nicht vorgenommen haben, kann dahinstehen, ob diese zum Zwecke der Erfüllung des Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch der Klägerin erfolgt. Denn auf Teilleistungen braucht sich der Gläubiger grundsätzlich nicht einzulassen (vgl. Kühnen, Hdb. Patentverletzung, 12. Auflage 2020 Kap. H, Rn. 251).
  479. 4.
    Die Klägerin hat gegen die Beklagte zu 2) einen Anspruch auf Rückruf und Vernichtung der patentverletzenden Erzeugnisse aus den Vertriebswegen gemäß Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 140a Abs. 1 und 3 PatG. Anhaltspunkte dafür, dass dieser Anspruch vorliegend unverhältnismäßig ist, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
  480. C.
    Für eine Aussetzung der Verhandlung besteht keine Veranlassung.
  481. Nach ständiger Rechtsprechung der Kammer (Mitt. 1988, 91 – Nickel-Chrom-Legierung; BlPMZ 1995, 121 – Hepatitis-C-Virus), die auch vom Oberlandesgericht Düsseldorf (GRUR 1979, 188 – Flachdachabläufe; Mitt. 1997, 257, 258 – Steinknacker) und vom Bundesgerichtshof (GRUR 1987, 284 – Transportfahrzeug; GRUR 2014, 1237, 1238 – Zugriffsrechte) gebilligt wird, stellen ein Einspruch gegen das Klagepatent oder die Erhebung einer Nichtigkeitsklage als solche noch keinen Grund dar, den Verletzungsrechtsstreit auszusetzen, weil dies faktisch darauf hinauslaufen würde, dem Angriff auf das Klagepatent eine den Patentschutz hemmende Wirkung beizumessen, die dem Gesetz fremd ist. Die Interessen der Parteien sind vielmehr gegeneinander abzuwägen, wobei grundsätzlich dem Interesse des Patentinhabers an der Durchsetzung seines zeitlich beschränkten Patents Vorrang gebührt. Eine Aussetzung wegen eines gegen das Klagepatent anhängigen Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahrens kommt daher nur dann in Betracht, wenn ein Widerruf oder eine Vernichtung des Klageschutzrechtes nicht nur möglich, sondern mit (hinreichender) Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (vgl. BGH GRUR 2014, 1237, 1238 – Zugriffsrechte). Eine solche Wahrscheinlichkeit kann regelmäßig dann nicht angenommen werden, wenn der am nächsten kommende Stand der Technik bereits im Erteilungsverfahren berücksichtigt worden ist oder wenn neuer Stand der Technik lediglich belegen soll, dass das Klagepatent nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, sich jedoch auch für eine Bejahung der Erfindungshöhe, die von der wertenden Beurteilung der hierfür zuständigen Instanzen abhängt, zumindest noch vernünftige Argumente finden lassen. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze besteht keine Veranlassung zur Aussetzung des vorliegenden Verletzungsrechtsstreits.
  482. I.
    Es ist nicht davon auszugehen, dass das Klagepatent infolge einer unzulässigen Erweiterung des Gegenstands der geänderten Klagepatentansprüche 1 und 4 bzw. 23 und 26 vernichtet wird.
  483. Zur Feststellung einer unzulässigen Erweiterung ist der Gegenstand des erteilten Patents mit dem Inhalt der ursprünglichen Anmeldungsunterlagen zu vergleichen. Der Gegenstand des Patents wird durch die technische Lehre des jeweiligen Patentanspruchs bestimmt, wobei Beschreibung und Zeichnungen lediglich zur Auslegung heranzuziehen sind. Demgegenüber ist der Inhalt der ursprünglichen Anmeldung dem Gesamtinhalt der Anmeldungsunterlagen zu entnehmen, ohne ihn auf die angemeldeten Ansprüche zu beschränken. Demnach gehört zum Inhalt der ursprünglichen Anmeldung das, was der Fachmann als zur angemeldeten Erfindung gehörig entnehmen kann (vgl. zu Vorstehendem Benkard/Rogge, PatG 11. Aufl.: § 21 PatG Rn 30 m.w.N.).
  484. 1.
    Die Beklagten meinen, die erteilte Fassung des Patentanspruchs 1 zur Verringerung der Paketrate sei nicht mehr auf die MAC-e-Schicht beschränkt und damit unzulässig erweitert. Eine solche Beschränkung lässt sich jedoch der ursprünglichen Anmeldung WO 2006/038078 A 2 (Anlage N1c) nicht entnehmen. Der Fachmann entnimmt der Ursprungsoffenbarung bereits aus der Überschrift, dass eine Medienzugriffssteuereinheit – MAC-e – Gegenstand der Erfindung ist. Wie bereits ausgeführt, erkennt der Fachmann dabei auch, dass damit nicht die spezielle MAC-e Subschicht gemeint ist. Das „virtual TTI“ kann allgemein als neuer MAC-Parameter erfindungsgemäß auf der MAC-Schicht implementiert werden (Seite 6, Zeile 3 der Anlage N1c). Dies kann nach der Beschreibung der Ursprungsoffenbarung auch in der MAC-d-Schicht erfolgen. Die Implementierung des „virtual TTI“ in der MAC-Schicht wird nach der Beschreibung sogar als vorteilhaft beschrieben (Seite 14, Zeile 16 der Anlage N1c):
  485. „Defining the parameter in the MAC layer advantageously supports the elimination of the dependency on the radio access network, as compared to the case where the transmission interval is defined in the PDP context/RAB parameter.”
  486. Soweit Unteranspruch 12 der Anmeldeschrift eine Implementierung des Parameters in der MAC-d-Schicht vorsieht, schränkt dieser Unteranspruch den Offenbarungsgehalt der Anmeldung nicht ein.
  487. 2.
    In der ursprünglichen Anmeldung offenbart ist weiterhin ein virtuelles Übertragungszeitintervall, das ein Minimalzeitintervall definiert, das zwischen erweiterten Aufwärtsstreckenübertragungen erlaubt ist. Auf Seite 4, Zeile 27 ff. der Anlage N1c wird ein Kontrollparameter beschrieben, der unabhängig von einem Luftschnittstellenübertragungszeitintervall (TTI), einem HARQ-Prozess oder einer E-DCH Ablaufplanung sein soll und ein Minimalzeitintervall festlegen soll, das zwischen nachfolgenden neuen Übertragungen gilt:
  488. „In accordance with the invention, a control parameter that is independent form an air interface transmission time interval (TTI), hybrid automatic repeat request (HARQ) processes or enhance dedicated transport channel (E-DCH) scheduling is used. This control [parameter] defines the minimum time interval between subsequent new transmissions.”
  489. Dieses virtuelle TTI wird in einer Ausführungsform der Erfindung entweder als in einem „packet data protocol (PDP) context/radio bearer (RAB) layer“ oder in der MAC-Schicht zu implementieren (Seite 6, Zeile 1 – 3 der Anlage N1c) beschrieben.
  490. 3.
    Da die Anmeldeschrift – wie die Zitatstellen zeigen – die technische Lehre allgemein offenbart und dem Fachmann durch die Beschreibung von Ausführungsbeispielen Anhaltspunkte für die technische Umsetzung gibt, führt auch das Weglassen des im ursprünglich eingereichten Anspruch 1 offenbarten Merkmals
  491. „checking to determine whether all MAC-e power units (PDUs) are transmitting data packets autonomously“
  492. nicht zu einer unzulässigen Erweiterung des Klagepatents. Denn der Inhalt der ursprünglichen Unterlagen ist deren Gesamtinhalt zu entnehmen, ohne dass dabei bereits den Ansprüchen eine gleiche hervorragende Bedeutung wie den Patentansprüchen des erteilten Patents zukommt (BGH GRUR 1992, 158 f. – Frachtcontainer; GRUR 2010, 513 Rdn. 29 – Hubgliedertor II; GRUR 2013, 1272 Rdn. 14 – Tretkurbeleinheit). Im Rahmen der ursprünglichen Offenbarung können die Patentansprüche bis zur Erteilung weiter gefasst werden als in der Anmeldung, so dass eine dem Fachmann in der Gesamtheit der ursprünglichen Anmeldungsunterlagen offenbarte Verfahrensweise auch dann zum Gegenstand eines Anspruchs gemacht werden kann, wenn auf sie in den ursprünglichen Unterlagen noch kein Anspruch gerichtet war (BGH GRUR 1988, 197 – Runderneuern). Die Änderung darf nur nicht dazu führen, dass der Gegenstand des Patents über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen hinaus verallgemeinert oder zu einem Aliud abgewandelt wird. Das ist hier aber nicht der Fall. Zwar beschreibt auch die Anmeldeschrift den im eingereichten Anspruch 1 genannten Prüfschritt (vgl. Seite 5 Zeile 1 f. der Anlage N1c). Der Fachmann erkennt jedoch, dass die Erfindung in der Verlangsamung der Austauschrate im Rahmen der – im Ansatz im Stand der Technik bereits bekannten – autonomen Aufwärtsstreckenübertragung begründet liegt. Die Prüfung, ob die Übertragung für eine PDU autonom ist, trägt dazu nichts bei. Insofern ist es unschädlich, wenn das erfindungsgemäße Verfahren das Vorliegen einer autonomen erweiterten Aufwärtsstreckenübertragung als gegeben voraussetzt.
  493. 4.
    Ferner meinen die Beklagten, eine unzulässige Erweiterung läge darin, dass sowohl die Ansprüche als auch die Beschreibung hinsichtlich der Begrifflichkeiten „JJ“, „KK“, „LL“ und „MM“ im Erteilungsverfahren geändert wurden. Hierbei handelt es sich nach Auffassung der Kammer um offensichtliche Schreib- bzw. Übertragungsfehler.
  494. 5.
    Der Gegenstand des Klagepatents ist schließlich auch nicht hinsichtlich der geänderten Merkmale 1.3 bis 1.5 sowie 23.4.1 bis 23.5 unzulässig erweitert. Die Beklagten meinen, die beanspruchte Übertragungsprüfung sei in der ursprünglichen Anmeldung nicht offenbart. Nach dem dort beschriebenen Ausführungsbeispiel ist vorgesehen, dass die MAC-Einheit der Mobilstation wie folgt tätig wird:
  495. „(i) if the MAC is able to empty the RLC buffer during this air interface TTI, then the MAC will check the RLC buffer at the next predetermined subsequent time interval after the virtual TTI; (ii) if the MAC is not able to empty the buffer, then the MAC will also check the RLC buffer for the next air interface TTI. This permits rapid clearing of the RLC buffer when required, i.e. when large SDUs are utilized.”
  496. Festzuhalten ist zunächst, dass die zitierte Textstelle sich nicht dazu äußert, wann der Pufferfüllstand geprüft werden soll. Es wird nur allgemein ausgeführt, dass, wenn die MAC-Einheit in der Lage ist, den RLC-Puffer während des laufenden TTIs zu leeren, erst im nächsten vorherbestimmten darauffolgenden Zeitintervall nach dem virtuellen Übertragungszeitintervall eine weitere Prüfung des Pufferfüllstandes erfolgt. Lässt sich der RLC-Puffer während des laufenden TTI hingegen nicht leeren, erfolgt eine erneute Prüfung des Pufferfüllstandes im nächsten TTI. Demnach kann der RLC-Puffer sowohl während eines laufenden TTI als auch genau zwischen zwei TTI geprüft werden. Entscheidend ist nach den weiteren Ausführungen der zitierten Textstelle, ob bis zum Ende des TTI der gesamte Puffer geleert werden kann oder nicht.
  497. Nichts anderes beschreibt das Klagepatent bei zutreffender Auslegung (s.o.) in den Merkmalen 1.3 bis 1.5 sowie 23.4.1 bis 23.5. Danach ist eine erfindungsgemäße Vorrichtung dazu eingerichtet, um zu überprüfen, um zu bestimmen, ob die Mobilstation Datenpakete in einem gegenwärtigen Luftschnittstellenübertragungszeitintervall überträgt, wobei dies ein Überprüfen umfasst, um zu bestimmen, ob die MAC-Einheit den Funkverbindungssteuerpuffer (bis zum Ende des TTI) geleert hat. Eine unzulässige Erweiterung kann jedenfalls nach der Einschränkung der Patentansprüche 1 und 23 durch die Ansprüche 4 und 26 nicht angenommen werden.
  498. Nach dieser Auslegung ist auch die sprachliche Unterscheidung, auf die das UK IPO in seiner Stellungnahme vom 9. Mai 2019 abstellt, nicht erheblich. Denn wenn die MAC-Einheit in der Lage ist, den RLC-Puffer im gegenwärtigen TTI zu leeren, findet in gerade diesem TTI eine Datenübermittlung in dem Sinne statt, dass die MAC-Schicht Daten empfängt, die sie weiterverarbeitet.
  499. II.
    Die Lehre der Ansprüche 1 und 23 des Klagepatents wird weder durch die R1-041087 (Anlage NK 6) noch durch die EP 1 617 XXX A 1 (Anlage NK 7) oder die US 2004/0185XXX A 1) neuheitsschädlich vorweggenommen.
  500. Gemäß Art. 54 Abs. 1 EPÜ gilt eine Erfindung als neu, wenn sie nicht zum Stand der Technik gehört. Den Stand der Technik bildet gemäß Art. 54 Abs. 2 EPÜ alles, was vor dem Anmeldetag der europäischen Patentanmeldung der Öffentlichkeit durch schriftliche oder mündliche Beschreibung, durch Benutzung oder in sonstiger Weise zugänglich gemacht worden ist. Gemäß Art. 89 EPÜ gilt hingegen im Sinne von Art. 54 Abs. 2 EPÜ der Prioritätstag der Anmeldung als Anmeldetag. Allerdings umfasst das Prioritätsrecht nur die Merkmale der europäischen Patentanmeldung, die in der Anmeldung oder den Anmeldungen enthalten sind, deren Priorität in Anspruch genommen worden ist, Art. 88 Abs. 3 EPÜ.
  501. 1.
    Die Entgegenhaltung NK 6 ist bereits im Erteilungsverfahren berücksichtigt worden. Eine Aussetzung gestützt auf diese Entgegenhaltung kommt daher nicht in Betracht (vgl. Kühnen Hdb. Patentverletzung, a.a.O Kap. E Rn. 786).
  502. 2.
    Die Entgegenhaltung NK 7 ist geprüfter Stand der Technik und wird in der Klagepatentschrift selbst gewürdigt (vgl. Abs. [0005]). Zudem offenbart die Entgegenhaltung lediglich die Übertragung von Datenpaketen im jeweiligen TTI. Ein virtuelles, vom TTI unabhängiges Übertragungszeitintervall wird nicht offenbart. Ebenso fehlt es an einer unmittelbaren und eindeutigen Offenbarung des Prüfschritts um zu bestimmen, ob Daten in einem gegenwärtigen TTI übertragen werden.
  503. 3.
    Die Entgegenhaltung NK 10 offenbart kein Verfahren im Sinne des Klagepatents für eine autonome erweiterte Aufwärtsstreckenübertragung, bei der eine Ablaufplanungsgewährung von einem Netzwerk nicht benötigt wird. Zudem fehlt es auch hier an der unmittelbaren und eindeutigen Offenbarung des Prüfschritts um zu bestimmen, ob Daten in einem gegenwärtigen TTI übertragen werden.
  504. D.
    Die Schriftsätze der Beklagten vom 7. Juli 2020 und der Klägerin vom 13. Juli 2020 geben aus den vorstehenden Ausführungen keine Veranlassung zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.
  505. E.
    Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 und 2 ZPO.
  506. Die Sicherheitsleistung für die vorläufige Vollstreckung war nicht höher als 2.400.000 EUR festzusetzen. Grundsätzlich gilt, dass die Vollstreckungsschäden – und damit die Sicherheitsleistung – dem Streitwert entsprechen. Wird dem Klageantrag nur teilweise stattgegeben, wird die Sicherheitsleistung regelmäßig in einer Höhe festgesetzt, die dem Anteil des Obsiegens am Gesamtstreitwert entspricht. Eine höhere Sicherheitsleistung kann allenfalls dann seitens der Kammer angeordnet werden, wenn die Beklagten konkrete Anhaltspunkte dafür vortragen, dass eine in Höhe des Streitwerts festgesetzte Sicherheit den drohenden Vollstreckungsschaden nicht vollständig abdecken wird (vgl. OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2012, 304 ff – Höhe des Vollstreckungsschadens).
  507. Die Beklagten haben insoweit vorgetragen, dass sich der Umsatz mit A-Smartphones im Jahr 2015 in der Bundesrepublik Deutschland auf rund 287 Millionen Euro belief sowie im Jahr 2016 auf 634 Millionen Euro. Für die Jahre 2017 und 2018 seien weitere Steigerungen bis zu einer Größenordnung von 700 Millionen Euro zu erwarten. Allerdings ist selbst bei Zugrundelegung dieser Zahlen nicht erkennbar, dass der Beklagten bis zum Abschluss des Berufungsverfahrens Vollstreckungsschäden drohen, die über den Sicherheitsbetrag von 2,4 Millionen Euro hinausgehen. Maßgeblich sind insoweit nicht die mutmaßlichen Umsatzverluste der Beklagten, weil darin auch notwendige Kosten enthalten sind, die mit der Einstellung des Vertriebs notwendigerweise entfallen. Schadensrelevant wären vielmehr diejenigen Gewinne, die den Beklagten bei Einstellung der Vertriebshandlungen bis zum Ende der Berufungsinstanz entgehen werden. Diese machen regelmäßig nur einen Bruchteil des mutmaßlich erzielten Umsatzes aus (OLG Düsseldorf a.a.O.). Dazu verhalten sich die Beklagten indes nicht. Da die Beklagten auch den von der Klägerin für das Klagepatent angegebenen Streitwert nicht monieren, kann die Kammer nur davon ausgehen, dass der festgesetzte Sicherheitsbetrag von 2,4 Millionen die drohenden Vollstreckungsschäden hinreichend abdecken wird.
  508. Streitwert: 2.400.000 EUR, wovon 240.000 EUR auf den Antrag auf Feststellung der gesamtschuldnerischen Verpflichtung zum Schadensersatz entfallen.

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