4b O 98/18 – Zugriffermittlungsverfahren 2

Düsseldorfer Entscheidungsnummer: 3026

Landgericht Düsseldorf

Urteil vom 19. März 2020 2020, Az. 4b O 98/18

  1. I. Die Klage wird abgewiesen.
  2. II. Die Kosten des Rechtsstreits, einschließlich der Kosten der Nebenintervention, trägt die Klägerin.
  3. III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags.
  4. Tatbestand
  5. Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Verletzung des deutschen Teils DE 603 38 XXX.2 des europäischen Patents EP 1 973 XXX B1 (Anlage ES 3; im Folgenden: Klagepatent) auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Rückruf sowie Feststellung der Schadensersatzpflicht in Anspruch.
  6. Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des Klagepatents, das am 27.06.2003 unter Inanspruchnahme einer Priorität vom 26.07.2002 angemeldet wurde. Der Hinweis auf die Erteilung des Klagepatents wurde am 31.08.2011 veröffentlicht. Das Klagepatent steht in Kraft.
  7. Gegen das Klagepatent wurde mit Schriftsatz vom 12. Februar 2019 Nichtigkeitsklage bei dem Bundespatentgericht durch die A Limited erhoben. Es folgten weitere Nichtigkeitsklagen durch die B GmbH vom 16. Mai 2019 und die Streithelferin gemeinsam mit der Beklagten vom 6. Juni 2019. Eine Entscheidung ist bislang noch nicht ergangen.
  8. Das in englischer Sprache abgefasste Klagepatent betrifft eine Vorrichtung und ein Verfahren zur Durchführung einer authentifizierten Abstandsmessung zwischen zwei Kommunikationsvorrichtungen sowie ein Verfahren, um festzustellen, ob eine Kommunikationsvorrichtung auf die geschützten Inhalte einer anderen Kommunikationsvorrichtung zugreifen darf.
  9. Die Klägerin stützt ihre Klage auf den Verfahrensanspruch 1 und den
    Vorrichtungsanspruch 16 des Klagepatents.
  10. Anspruch 1 lautet in der deutschen Übersetzung wie folgt:
  11. Verfahren zum Ermitteln, ob auf geschützte Inhalte, die auf einer ersten Kommunikationsvorrichtung (201) gespeichert sind, durch eine zweite Kommunikationsvorrichtung (203) zuzugreifen ist, wobei das Verfahren den Schritt umfasst, eine Abstandsmessung zwischen der ersten (201) und der zweiten Kommunikationsvorrichtung (203) durchzuführen und zu prüfen, ob der genannte gemessene Abstand innerhalb eines vordefinierten Abstandintervalls liegt, dadurch gekennzeichnet, dass die Abstandsmessung eine authentifizierte Abstandsmessung ist und dass die erste und die zweite Kommunikationsvorrichtung ein gemeinsames Geheimnis miteinander teilen und das genannte gemeinsame Geheimnis verwendet wird, um die Abstandsmessung durchzuführen, und wobei
    – die erste Vorrichtung (201) die zweite Vorrichtung (203) authentifiziert, und
    – die erste Vorrichtung (201) das gemeinsame Geheimnis gemäß einem Schlüsselverwaltungsprotokoll sicher mit der zweiten Vorrichtung (203) teilt.
  12. Anspruch 16 lautet wie folgt:
  13. Erste Kommunikationsvorrichtung (201), konfiguriert zum Ermitteln, ob auf geschützte Inhalte, die auf der ersten Kommunikationsvorrichtung (201) gespeichert sind, durch eine zweite Kommunikationsvorrichtung (203) zuzugreifen ist, wobei die erste Vorrichtung Mittel zum Durchführen einer Abstandsmessung zwischen der ersten (201) und der zweiten Kommunikationsvorrichtung (203) und zum Prüfen, ob der genannte gemessene Abstand innerhalb eines vordefinierten Abstandsintervalls liegt, umfasst, dadurch gekennzeichnet, dass die Abstandsmessung eine authentifizierte Abstandsmessung ist und dass die erste Vorrichtung einen Speicher umfasst, in dem ein gemeinsames Geheimnis gespeichert ist, welches auch auf der zweiten Kommunikationsvorrichtung gespeichert ist, wobei das gemeinsame Geheimnis verwendet wird, um die Abstandsmessung durchzuführen, wobei die erste Vorrichtung konfiguriert ist (411, 413, 417), um die zweite Vorrichtung 203 zu authentifizieren und dann das Geheimnis mit der zweiten Vorrichtung sicher zu teilen.
  14. Wegen des Wortlauts der in Form von „insbesondere“-Anträgen geltend gemachten Unteransprüche 17 und 18 wird auf die Klagepatentschrift (Anlage ES 3; in deutscher Übersetzung ES 3a) verwiesen.
  15. Zur Veranschaulichung der erfindungsgemäßen Lehre wird nachfolgend die Figur 1 der Patentbeschreibung wiedergegeben:
  16. Figur 1 zeigt eine Ausführungsform, bei der eine authentifizierte Abstandsmessung verwendet wird. Im Zentrum des Kreises ist eine Vorrichtung mit geschützten Inhalten, wie beispielsweise ein Computer, angeordnet. Die geschützten Inhalte können nach der erfindungsgemäßen Lehre von Geräten innerhalb einer bestimmten Distanz, hier dargestellt durch den Kreis, wiedergegeben werden.
  17. Die Klägerin wendet sich mit ihrer Klage gegen das Anbieten und Vertreiben des Streaming-Adapters der Beklagten mit der Bezeichnung „C“ (angegriffene Ausführungsform). Die angegriffene Ausführungsform wird dazu verwendet, Videoinhalte über eine sogenannte „High Definition Multimedia Interface“ (HDMI) Schnittstelle in Ultra HD-Qualität an einen Fernseher zu übertragen. Der dabei zur Anwendung kommende HDMI-Standard erlaubt wiederum die Verwendung einer Kopierschutztechnologie, die unter der Bezeichnung „High Bandwidth Digital Content Protection“ (HDCP) bekannt ist. Die HDCP-Technologie wird von der angegriffenen Ausführungsform in der Version „D“ (im Folgenden: Spezifikation) benutzt. Wegen der Einzelheiten der Spezifikation wird auf die Anlage ES 5b Bezug genommen.
  18. Die Beklagte ist ein in den USA ansässiger Soft- und Hardwarehersteller. Neben der bekannten Suchmaschine bietet die Beklagte selbst auch Hardware, wie beispielsweise Mobiltelefone und die angegriffene Ausführungsform, an. Die Beklagte betreibt den Online-Shop, über den Produkte in Deutschland angeboten und verkauft werden.
  19. Die Streithelferin stellt das in der angegriffenen Ausführungsform verbaute Ein-Chip-System (System-on-a-chip) her.
  20. Die Klägerin ist der Auffassung, dass die von der angegriffenen Ausführungsform verwendete Spezifikation einen Kopierschutz vorschreibe, durch den die Ansprüche 1 und 16 des Klagepatents zwingend verletzt würden. Insbesondere sehe die Spezifikation eine Abstandsmessung in Form einer Zeitmessung vor, die den Zweck habe, den Austausch von geschützten Daten auf die nähere Umgebung zu begrenzen. Die Spezifikation beschreibe ferner eine Authentifizierung des empfangenden Geräts mittels Überprüfung der Identifikation. Das gemeinsame Geheimnis werde dann in verschlüsselter Form geteilt und zur Abstandsmessung genutzt.
  21. Die Klägerin wendet sich gegen den von der Beklagten und der Streithelferin vorgebrachten kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwand. Sie trägt vor, dass weder die vom EuGH in der Entscheidung Huawei ./. ZTE, noch die vom Bundesgerichtshof in der Entscheidung „Orange Book“ entwickelten Grundsätze im vorliegenden Fall Anwendung fänden. Sie bestreitet mit Nichtwissen, dass der relevante Markt sich auf Ultra-HD-Streaminggeräte beschränke. Zu einem Lizenzangebot entsprechend FRAND-Bedingungen sei sie nicht verpflichtet, weil sie keine entsprechende Erklärung gegenüber einer Standardisierungsorganisation abgegeben habe. Ferner genüge das von der Streithelferin abgegebene Lizenzangebot nicht dem Orange-Book-Standard. Denn es beziehe sich allein auf eine Lizenz innerhalb der Bundesrepublik Deutschland und enthalte ferner keine Regelungen zu Schadensersatz und Auskunft.
  22. Zudem sei die vom Klagepatent offenbarte Lehre neu und erfinderisch, insbesondere gegenüber der Entgegenhaltung „High-bandwidth Digital Content Protection System“ in der Revision 1.0, die schon keine Abstandsmessung vorsehe. Auch die Entgegenhaltung WO 97/39XXX nehme den Erfindungsgegenstand des Klagepatents nicht neuheitsschädlich vorweg, weil es bereits an den erfindungsgemäß vorgesehenen zwei Kommunikationsvorrichtungen fehle.
  23. Die Klägerin beantragt
  24. 1. die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000 – ersatzweise Ordnungshaft – oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlungen bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an dem Geschäftsführer zu vollstrecken ist, zu unterlassen,
  25. erste Kommunikationsvorrichtungen, konfiguriert zum Ermitteln, ob auf geschützte Inhalte, die auf der ersten Kommunikationsvorrichtung gespeichert sind, durch eine zweite Kommunikationsvorrichtung zuzugreifen ist, wobei die erste Vorrichtung Mittel zum Durchführen einer Abstandsmessung zwischen der ersten und der zweiten Kommunikationsvorrichtung und zum Prüfen, ob der genannte gemessene Abstand innerhalb eines vordefinierten Abstandsintervalls liegt, umfasst
  26. in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
  27. wenn die Abstandsmessung eine authentifizierte Abstandsmessung ist und wenn die erste Vorrichtung einen Speicher umfasst, in dem ein gemeinsames Geheimnis gespeichert ist, welches auch auf der zweiten Kommunikationsvorrichtung gespeichert ist, wobei das gemeinsame Geheimnis verwendet wird, um die Abstandsmessung durchzuführen, wobei die erste Vorrichtung konfiguriert ist, um die zweite Vorrichtung zu authentifizieren und das Geheimnis mit der zweiten Vorrichtung sicher zu teilen;
  28. (unabhängiger Patentanspruch 16)
    insbesondere,
  29. wenn die erste Kommunikationsvorrichtung weiterhin Folgendes umfasst:
  30.  Mittel, die vorgesehen sind, um das gemeinsame Geheimnis sicher mit der zweiten Vorrichtung zu teilen, indem sie das gemeinsame Geheimnis unter Verwendung eines öffentlichen Schlüssels eines privaten/öffentlichen Schlüsselpaares verschlüsseln;
  31. (abhängiger Patentanspruch 17)
    insbesondere,
  32. wenn die erste Kommunikationsvorrichtung weiterhin Folgendes umfasst:
  33.  Mittel zum Senden eines ersten Signals von der ersten Kommunikationsvorrichtung an die zweite Kommunikationsvorrichtung zu einem ersten Zeitpunkt t1, wobei die genannte zweite Kommunikationsvorrichtung vorgesehen ist, um das genannte erste Signal zu empfangen, ein zweites Signal durch Modifizieren des empfangenen ersten Signals entsprechend dem gemeinsamen Geheimnis zu erzeugen und das zweite Signal an die erste Vorrichtung zu senden,
  34.  Mittel zum Empfangen des zweiten Signals zu einem zweiten Zeitpunkt t2,
  35.  Mittel zum Prüfen, ob das zweite Signal entsprechend dem gemeinsamen Geheimnis modifiziert wurde,
  36.  Mittel zum Ermitteln einer Zeitdifferenz zwischen dem ersten Zeitpunkt t1 und dem zweiten Zeitpunkt t2, um den gemessenen Abstand zu ermitteln.
    (abhängiger Patentanspruch 18)
  37. 2. die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000 – ersatzweise Ordnungshaft – oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Fall wiederholter Zuwiderhandlungen bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an dem Geschäftsführer zu vollstrecken ist, zu unterlassen,
  38. Mittel zur Durchführung eines Verfahrens zum Ermitteln, ob auf geschützte Inhalte, die auf einer ersten Kommunikationsvorrichtung gespeichert sind, durch eine zweite Kommunikationsvorrichtung zuzugreifen ist, wobei das Verfahren den Schritt umfasst, eine Abstandsmessung zwischen der ersten und der zweiten Kommunikationsvorrichtung durchzuführen und zu prüfen, ob der genannte gemessene Abstand innerhalb eines vordefinierten Abstandsintervalls liegt
  39. Dritten in der Bundesrepublik Deutschland zur Benutzung in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten oder zu liefern, wenn,
  40. die Abstandsmessung eine authentifizierte Abstandsmessung ist und wenn die erste und die zweite Kommunikationsvorrichtung ein gemeinsames Geheimnis miteinander teilen und das genannte gemeinsame Geheimnis verwendet wird, um die Abstandsmessung durchzuführen und wobei
  41.  die erste Vorrichtung die zweite Vorrichtung authentifiziert, und
  42.  die erste Vorrichtung das gemeinsame Geheimnis gemäß einem Schlüsselverwaltungsprotokoll sicher mit der zweiten Vorrichtung teilt;
  43. (mittelbare Verletzung Patentanspruch 1)
  44. 3. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin in einer gesonderten und geordneten Aufstellung in elektronischer Form, darüber Angaben zu machen, in welchem Umfang sie die in vorstehender Ziffer 1. und Ziffer 2. bezeichneten Handlungen seit dem 30. September 2011 begangen hat, und zwar unter Angabe
  45. a) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
  46. b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen, den jeweiligen Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,
  47. c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen, der jeweiligen Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
  48. d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, im Falle von Internet-Werbung der Domain, den Zugriffszahlen und den Schaltungszeiträumen,
  49. e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
  50. wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht-gewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist, und
  51. wobei zum Nachweis der Angaben zu Ziffer 3 a) und 3 b) – jedoch nur in Bezug auf gewerbliche Abnehmer und mit Ausnahme der Lieferzeiten – Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürfte Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
  52. 4. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die in vorstehender Ziffer 1. und Ziffer 2. bezeichneten Handlungen seit dem 30. September 2011 entstanden ist und noch entstehen wird;
  53. 5. die Beklagte zu verurteilen, die in der vorstehenden Ziffer 1. bezeichneten, im Besitz gewerblicher Endabnehmer befindlichen und seit dem 30. September 2011 auf den Markt gebrachten Erzeugnisse aus den Vertriebswegen zurückzurufen, indem diejenigen gewerblichen Endabnehmer, denen durch die Beklagte oder mit deren Zustimmung Besitz an den Erzeugnissen eingeräumt wurde, unter Hinweis darauf, dass die Kammer mit dem hiesigen Urteil auf eine Verletzung des Klagepatents DE 603 38 XXX.2 (deutscher Teil des EP 1 973 XXX B1) erkannt hat, ernsthaft aufgefordert werden, die Erzeugnisse an die Klägerin zurückzugeben und den gewerblichen Endabnehmern für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Rückzahlung des gegebenenfalls bereits gezahlten Kaufpreises sowie die Übernahme der Kosten der Rückgabe zugesagt wird, und endgültig zu entfernen, indem die Beklagte diese Erzeugnisse wieder an sich nimmt oder die Vernichtung derselben beim jeweiligen Besitzer veranlasst.
  54. Die Beklagte und die Streithelferin beantragen,
  55. die Klage abzuweisen;
  56. hilfsweise
  57. den Rechtsstreit bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die gegen das Klagepatent eingereichten Nichtigkeitsklagen
  58. der A Limited vom 12. Februar 2019 (Az. 5 Ni 4/19 (EP)),
  59. der B GmbH vom 16. Mai 2019 (Az. 5 Ni 12/19 (EP)) und
  60. der Streithelferin sowie der Beklagten vom 6. Juni 2019 (Az. 5 Ni 13/19 (EP))
  61. auszusetzen.
  62. Die Beklagte und die Streithelferin sind der Auffassung, dass die angegriffene Ausführungsform von der Lehre des Klagepatents keinen Gebrauch mache. Sie tragen vor, dass eine Abstandsmessung nicht durchgeführt werde, da die Spezifikation lediglich einen sogenannten E vorsehe, der bei der angegriffenen Ausführungsform als Verzögerungsschleife implementiert sei und weder Zeiten messe, noch mit einem Intervall abgleiche. Außerdem müsse patentgemäß eine physische Distanz im Sinne eines Längenmaßes gemessen werden, was hier nicht der Fall sei. Ferner fehle es an einem Speichern geschützter Inhalte, weil die angegriffene Ausführungsform Inhalte nicht vollständig speichere. Zudem finde die vom Klagepatent geforderte Authentifizierung gemäß der Spezifikation erst nach dem Teilen des Geheimnisses statt, weil erst dann der Abgleich mit der Rückrufliste abgeschlossen sei.
  63. Die Beklagte und die Streithelferin erheben ferner den Einwand der unzulässigen Rechtsdurchsetzung. Sie meinen, dass die Klägerin als ehemalige Lizenznehmerin der DCP an eine Nichtangriffsvereinbarung gebunden sei, die sie an der Rechtsdurchsetzung gegenüber der Beklagten hindere.
  64. Sie erheben ferner den kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwand. Sie meinen, dass es sich bei dem Klagepatent um einen Teil eines de facto-Standards handele, auf den die in der EuGH-Entscheidung Huawei ./. ZTE entwickelten Grundsätze Anwendung fänden. Sie tragen vor, dass die Klägerin auf dem Lizenzvergabemarkt für das hier maßgebliche Patent eine marktbeherrschende Stellung innehabe. Für den Zwangslizenzeinwand komme es auf den nachgelagerten Produktmarkt an, der vorliegend der Markt für Ultra-HD-Streaming-Geräte sei. Dieser Markt sei von dem für HD-Streaming-Geräte abzugrenzen, weil für den Verbraucher ein Ultra-HD-Streaming-Gerät nicht durch ein HD-Streaming-Gerät substituiert werden könne. Ultra-HD-Streaming-Geräte wiederum könnten nur verwendet werden, wenn sie kompatibel mit der HDCP-Spezifikation in der Version 2.2 seien, wofür die Lehre des Klagepatents – nach Auffassung der Klägerin – zwingend verwendet werde. Da das Klagepatent Bestandteil eines de facto-Standards sei, müsse die Klägerin dementsprechend ein Lizenzangebot unterbreiten, das FRAND-Bedingungen entspreche. Zumindest aber seien die mit der Orange-Book-Entscheidung des Bundesgerichtshofs entwickelten Grundsätze anwendbar, nach denen sie – die Beklagte bzw. Streithelferin – zur Unterbreitung eines Angebots auf Abschluss eines Lizenzvertrags verpflichtet sei. Dies habe sie mit dem Angebot auf Zahlung einer Lizenzgebühr in Höhe von 0,01 EUR pro verkauftem Streaming-Gerät getan.
  65. Zudem bestehe eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass das Klagepatent auf Grund der derzeit anhängigen Nichtigkeitsklage vernichtet werde, weil sowohl die Spezifikation „F“ in der Revision 1.0 als auch die WO 97/39XXX die Merkmale der von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche neuheitsschädlich vorwegnähmen.
  66. Entscheidungsgründe
  67. Die zulässige Klage ist unbegründet.
  68. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keine Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Rückruf sowie Schadensersatz dem Grunde nach aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. §§ 139 Abs. 1, 2, 140a Abs. 3, 140b Abs. 1 und 3 PatG, §§ 242, 259 BGB.
  69. I.
    Das Klagepatent betrifft zum einen ein Verfahren zur Durchführung einer authentifizierten Abstandsmessung zwischen zwei Kommunikationsvorrichtungen sowie ein Verfahren zur Feststellung, ob auf geschützte Inhalte von einer zweiten auf eine erste Kommunikationsvorrichtung zugegriffen werden darf. Weiterhin bezieht sich die Erfindung auf eine erste Kommunikationsvorrichtung zur Durchführung einer authentifizierten Abstandsmessung.
  70. Das Klagepatent beschreibt, dass die nicht-autorisierte Verbreitung von digitalen Inhalten einfacher und schneller sei als bei analogen Formaten, weil es typischerweise nicht zu einem merkbaren Verlust der Datenqualität komme, Absatz [0003] (Textstellen ohne Bezugsangabe stammen aus der Klagepatentschrift, Anlage ES3). Vor diesem Hintergrund seien verschiedene Verfahren und Systeme zum Schutz von Inhalten in Form digitaler Daten aufgekommen, Absatz [0004].
  71. Problematisch sei bei den bekannten Kopierschutztechnologien, dass die Industrie sehr restriktiv im Hinblick auf die Übertragung von Medieninhalten sei, Absatz [0006]. Zwar gebe es die Möglichkeit, zur Übertragung verschlüsselter Inhalte einen sicheren authentifizierten Kanal (secure authenticated channel; SAC) zu benutzen, aber die Inhalteindustrie sei sehr restriktiv bei der Übertragung über das Internet. Jedoch sollte es für den Nutzer beispielsweise möglich sein, einen Nachbarn zu besuchen, um dort einen ihm gehörenden Film anzuschauen, Absatz [0007]. Daher bestehe Interesse an einer Möglichkeit, eine authentifizierte Abstandsmessung durchzuführen, wenn darüber entschieden wird, ob Inhalte von einem Gerät geöffnet oder kopiert werden dürfen, Absatz [0009].
  72. Das Klagepatent verweist hinsichtlich des Stands der Technik auf die Patentschrift US5126XXX, die ein System für die sichere Abstandsortung zwischen einem Leser und einem sogenannten Tag, also einer elektronischen Erkennungsmarke, beschreibt. Bis er eine Antwort zurückschickt, wartet der Tag eine variable Zeitspanne ab, die von der Verschlüsselung einer zufälligen Zahl abhängt, siehe Absatz [0030].
  73. Weiterhin verweist das Klagepatent auf die WO 01/93XXX, die ein Verfahren und eine Vorrichtung offenbart, die den Datenaustausch zwischen zwei Geräten in Abhängigkeit der Distanz der beiden Geräte ermöglicht bzw. blockieren kann, siehe Absatz [0031].
  74. Ferner offenbare die WO 97/39XXX ein drahtloses Authentifikationssystem zur Steuerung des Arbeitszustandes beispielsweise eines Computers, basierend auf der Nähe eines autorisierten Nutzers, der einen Token trägt. Dazu werde eine Anfrage an den Token gesendet, der innerhalb einer vorbestimmten Zeit eine korrekte Antwort zurücksenden muss. Erfolgt die Antwort zu spät oder nicht korrekt, werde der Zugang verweigert, siehe Absatz [0032].
  75. Insbesondere aber verweist das Klagepatent auf den Aufsatz „G“ von H und I, der die Integration von Distanz-beschränkten Protokollen mit Identifikationsmechanismen für öffentliche Schlüssel beschreibt, siehe Absatz [0010]. Daran wird jedoch als nachteilig beschrieben, dass diese keinen Authentifizierungskonformitätstest eines Geräts ermöglichten und nicht effizient seien, wenn zwei Geräte sich gegenseitig authentifizieren müssen, Absatz [0010].
  76. Vor diesem Hintergrund liegt dem Klagepatent die Aufgabe zugrunde (technisches Problem), eine Lösung des Problems bei der Durchführung einer sicheren Übertragung von Inhalten innerhalb einer begrenzten Distanz zur Verfügung zu stellen. Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Klagepatent mit dem von der Klägerin geltend gemachten Anspruch 1 ein Verfahren mit den folgenden Merkmalen vor:
  77. 1.1 Verfahren zum Ermitteln, ob auf geschützte Inhalte, die auf einer ersten Kommunikationsvorrichtung gespeichert sind, durch eine zweite Kommunikationsvorrichtung zuzugreifen ist,
  78. 1.2 wobei das Verfahren den Schritt umfasst, eine Abstandsmessung zwischen der ersten und der zweiten Kommunikationsvorrichtung durchzuführen und zu prüfen, ob der genannte gemessene Abstand innerhalb eines vordefinierten Abstandintervalls liegt,
  79. 1.3 wobei die Abstandsmessung eine authentifizierte Abstandsmessung ist und
  80. 1.4 wobei die erste und die zweite Kommunikationsvorrichtung ein gemeinsames Geheimnis miteinander teilen und das genannte gemeinsame Geheimnis verwendet wird, um die Abstandsmessung durchzuführen, und
  81. 1.5 wobei die erste Vorrichtung die zweite Vorrichtung authentifiziert, und die erste Vorrichtung das gemeinsame Geheimnis gemäß einem Schlüsselverwaltungsprotokoll sicher mit der zweiten Vorrichtung teilt.
  82. Ferner schlägt das Klagepatent mit dem von der Klägerin geltend gemachten Anspruch 16 eine Kommunikationsvorrichtung mit den folgenden Merkmalen vor:
  83. 16.1 Erste Kommunikationsvorrichtung, konfiguriert zum Ermitteln, ob auf geschützte Inhalte, die auf der ersten Kommunikationsvorrichtung gespeichert
    sind, durch eine zweite Kommunikationsvorrichtung zuzugreifen ist,
  84. 16.2 wobei die erste Vorrichtung Mittel zum Durchführen einer Abstandsmessung zwischen der ersten und der zweiten Kommunikationsvorrichtung und zum Prüfen, ob der genannte gemessene Abstand innerhalb eines vordefinierten Abstandsintervalls liegt, umfasst,
  85. 16.3 wobei die Abstandsmessung eine authentifizierte Abstandsmessung ist und
  86. 16.4 wobei die erste Vorrichtung einen Speicher umfasst, in dem ein gemeinsames Geheimnis gespeichert ist, welches auch auf der zweiten Kommunikationsvorrichtung gespeichert ist, wobei das gemeinsame Geheimnis verwendet wird, um die Abstandsmessung durchzuführen,
  87. 16.5 wobei die erste Vorrichtung konfiguriert ist, um die zweite Vorrichtung zu authentifizieren und dann das Geheimnis mit der zweiten Vorrichtung sicher zu teilen.
  88. Das erfindungsgemäße Verfahren kombiniert ein Distanzmessungsprotokoll mit einem Authentifikationsprotokoll. Dies soll laut Patentbeschreibung ein authentifiziertes Testen der Gerätekonformität ermöglichen und sei effizient, da ohnehin ein sicherer Kanal benötigt werde, um eine sichere Kommunikation zwischen den Geräten zu gewährleisten, siehe Absatz [0014]. Da das gemeinsame Geheimnis für die Durchführung der Abstandsmessung verwendet werde, könne sichergestellt werden, dass bei der Messung der Distanz zwischen der ersten und der zweiten Kommunikationsvorrichtung die Distanz zwischen den richtigen Geräten gemessen werde, Absatz [0013]. So werde sichergestellt, dass nicht die Distanz zu einer dritten Kommunikationsvorrichtung gemessen werde, Absatz [0017].
  89. II.
    Vorab bedarf das Klagepatent hinsichtlich des Merkmals 16.2 bzw. 1.2 der Auslegung.
  90. 1.
    Das Merkmal 16.2 verlangt, dass die erfindungsgemäße Vorrichtung Mittel zum Durchführen einer Abstandsmessung sowie zum Prüfen, ob der genannte gemessene Abstand innerhalb eines vordefinierten Abstandsintervalls liegt, aufweist.
  91. Merkmal 16.2 verwendet Zweck- oder Funktionsangaben, um das Mittel der ersten Kommunikationsvorrichtung zu beschreiben. Die Mittel müssen daher geeignet sein, die genannte Funktion oder den geforderten Zweck zu erfüllen (BGH, Urt. v. 7.6.2006 – X ZR 105/04, GRUR 2006, 923 Rn. 15; Urt. v. 28.5.2009 – Xa ZR 140/05, GRUR 2009, 837 Rn. 15; Urt. v. 24.1.2012 – X ZR 88/09, GRUR 2012, 475 Rn. 17; Urt. v. 24.4.2018 – X ZR 50/16, GRUR 2018, 1128 Rn.12). Nach dem Wortlaut des Anspruchs müssen die Mittel hier zweierlei leisten können: Sie müssen zum einen eine Abstandsmessung durchführen können und zum anderen prüfen können, ob der genannte gemessene Abstand innerhalb eines vordefinierten Abstandsintervalls liegt.
  92. a)
    Die Vorrichtung muss zum einen Mittel aufweisen, um eine Abstandsmessung durchzuführen.
  93. aa)
    Der Begriff des Abstands ist weit gefasst und nicht auf den Längenabstand im Sinne einer gradlinigen Entfernung beschränkt. Dies ergibt sich bereits aus der Verwendung des Begriffs „Abstand“ (distance) im Gegensatz zum „physikalischen Abstand“ (physical distance) in Absatz [0045]. Letzterer ist enger gefasst und macht im Umkehrschluss deutlich, dass sich der Wortlaut des Patentanspruchs nicht auf den physikalischen Abstand beschränkt.
  94. Zudem beschreibt das Klagepatent sowohl in Unteranspruch 18 als auch in den Absätzen [0016] und [0017], dass die Abstandsmessung in Form einer Zeitmessung eines Hin- und Rückwegs eines Signalaustauschs erfolgen könne, um die gemessene Distanz festzustellen (round trip time measurement). Danach kann die Abstandsmessung durchgeführt werden, indem die erste Kommunikationsvorrichtung zu einem Zeitpunkt t1 ein Signal an die zweite Kommunikationsvorrichtung sendet, welches diese wiederum empfängt und in modifizierter Form als zweites Signal an die erste Kommunikationsvorrichtung zurücksendet. Die erste Kommunikationsvorrichtung empfängt das zweite Signal zum Zeitpunkt t2 und ermittelt die Zeitdifferenz zwischen dem ersten Zeitpunkt t1 und dem zweiten Zeitpunkt t2, um wiederum den gemessenen Abstand ermitteln zu können.
  95. Damit kann auch eine Zeitmessung eine Abstandsmessung darstellen.
  96. Hinsichtlich der Größenordnung des Abstands ist die erfindungsgemäße Lehre nicht festgelegt. In Betracht kommt jeglicher Abstand, durch den eine weltweite Verbreitung über das Internet unterbunden wird.
  97. bb)
    Auch wenn es im Ergebnis nicht darauf ankommt, einen physikalischen Abstand zu messen, muss die Messung jedoch im Ergebnis zu einem konkreten Messwert führen.
  98. Dies kann man zum einen dem Wortsinn des Begriffs „Messung“ entnehmen, da eine Messung immer mit dem Ziel erfolgt, einen bestimmten Messwert in einer bestimmten Maßeinheit zu ermitteln. Vor allem aber ergibt sich dies aus einer Zusammenschau mit der ebenfalls in Merkmal 16.2 genannten Prüfung. Denn für die Durchführung dieser Prüfung wird der „genannte gemessene Abstand“ verwendet. Insofern reicht es nicht aus, wenn die Messung sich in einer bloßen Tätigkeit erschöpft. Vielmehr muss ein konkreter gemessener Abstand vorliegen, der Grundlage der Prüfung sein kann.
  99. Nichts anderes ergibt sich aus den Unteransprüchen und den Ausführungsbeispielen, auch wenn diese letztlich eine einschränkende Auslegung nicht zu begründen vermögen. Der „genannte gemessene Abstand“ wird – für den Fall, dass die Abstandsmessung in Form einer Zeitmessung erfolgt – in Unteranspruch 18 näher beschrieben.
    Wie bereits erläutert, erfolgt die Abstandsmessung in dem Fall derart, dass die Zeitdifferenz zwischen dem Zeitpunkt des ausgehenden Signals zu einem Zeitpunkt t1 und des eingehenden Signals zu einem Zeitpunkt t2 ermittelt wird. In Merkmal 18.4 heißt es, dass die Zeitdifferenz ermittelt werde, um den gemessenen Abstand zu ermitteln. Daraus folgt in diesem Fall, dass bei der Abstandsmessung in Form einer Zeitmessung der „genannte gemessene Abstand“ mit der ermittelten Zeitdifferenz gleichgesetzt wird. Die Messung erschöpft sich also nicht in der bloßen Feststellung, dass die erste Kommunikationseinrichtung das zweite Signal empfangen hat. Dies steht auch in Einklang mit der Beschreibung. So heißt es in Absatz [0038]: „Das erste Gerät XXX misst die Zeit zwischen dem Signalausgang und dem Signaleingang (…).“ Auch in Absatz [0045] ist von einer „Messung der Zeit“ die Rede, womit sogar die Maßeinheit festgelegt wird.
  100. Die Messung darf also nicht ergebnislos bleiben, sondern muss einen „genannten gemessenen Abstand“ zum Ergebnis haben, der Grundlage der weiteren Prüfung sein kann.
  101. Der „genannte gemessene Abstand“ darf sich gerade nicht in der Feststellung erschöpfen, dass sich eine Signallaufzeit innerhalb oder außerhalb einer das Abstandsintervall repräsentierenden Timerlaufzeit bewegt. Würde man die Messung darauf reduzieren, fehlte es an der sich anschließenden Prüfung. Denn mit Abschluss der Messung stünde bereits fest, ob der gemessene Abstand innerhalb eines vordefinierten Abstandsintervalls liegt oder nicht.
  102. cc)
    Nicht erforderlich ist, dass der „genannte gemessene Abstand“ in eine Längeneinheit umgerechnet wird.
  103. Dieses Erfordernis wird weder in den Patentansprüchen, noch der Patentbeschreibung an irgendeiner Stelle aufgestellt. Es erscheint für den Fachmann auch nicht notwendig, da der Wert allein als Grundlage für die sich anschließende Prüfung dient, ob der Wert innerhalb eines bestimmten Intervalls liegt. Insofern erscheint es sinnvoll, den Grenzwert in der Maßeinheit festzulegen, in welcher auch der Abstand gemessen wurde, statt zunächst eine Umrechnung in eine andere Maßeinheit vorzunehmen und den so ermittelten Wert dann mit einem dieser Maßeinheit entsprechenden Grenzwert abzugleichen. Denn eine solche Umrechnung wäre eine unnötige und keinen Vorteil bringende Verschwendung von Ressourcen, die der Fachmann zu vermeiden sucht.
  104. So beschreibt es auch das Patent als optional, ob eine derartige Umrechnung stattfindet. In Absatz [0045] heißt es dazu: „Die Zeitdifferenz zwischen der Übertragungszeit und der Empfangszeit kann dann verwendet werden, um den physikalischen Abstand zwischen der ersten und der zweiten Vorrichtung zu bestimmen.“ Die Verwendung von „kann“ verdeutlicht, dass dies kein zwingender Schritt ist.
  105. b)
    Die Vorrichtung muss zum anderen Mittel aufweisen, um anhand des durch die Abstandsmessung ermittelten genannten gemessenen Abstands zu prüfen, ob dieser innerhalb eines vordefinierten Abstandsintervalls liegt.
  106. Das Abstandsintervall gibt vor, in welchem Bereich sich eine zweite Kommunikationsvorrichtung noch nah genug an der ersten Kommunikationsvorrichtung befindet, um einen Zugriff auf geschützte Inhalte zu erhalten.
  107. Mathematisch gesehen setzt sich ein Intervall aus einer Ober- und einer Untergrenze zusammen, so dass hier zu prüfen wäre, ob der gemessene Abstand innerhalb der durch diese Grenzen festgelegten Teilmenge liegt. Geht man aber davon aus, dass die Untergrenze schlichtweg bei 0 liegt, kann das Intervall mit einer Obergrenze bzw. einem Grenzwert gleichgesetzt werden. Geht man von einem abstrakten Zahlenwert aus, läuft die Prüfung auf einen Vergleich des „genannten gemessenen Abstands“, der auch ein zeitlicher Wert sein kann, mit einem bestimmten Grenzwert hinaus.
  108. c)
    Das Erfordernis des Vorliegens einer „Messung“, eines „genannten gemessenen Abstands“ und einer „Prüfung“ wird nicht durch ein sogenanntes Timeout verwirklicht.
  109. aa)
    Ein Timeout bezeichnet eine Zeitspanne, die eine Vorrichtung beispielsweise bis zum Empfang eines Signals abwartet, bevor das Protokoll abgebrochen wird. Ein solches Timeout unterscheidet sich von einer Abstandsmessung dadurch, dass nicht eine Zeitdifferenz ermittelt wird. Vielmehr läuft ein Timer ab und es wird geprüft, ob der Empfang des erwarteten Signals innerhalb des Ablaufs des Timers erfolgt. Ist dies der Fall, wird das Protokoll fortgesetzt; ist dies nicht der Fall, wird das Protokoll abgebrochen.
  110. Sieht man, wie oben bereits erläutert, eine reine Tätigkeit nicht als Messung an, reicht es nicht aus, festzustellen, ob das Signal eingegangen ist. Vielmehr müsste ermittelt werden, zu welchem Zeitpunkt – oder bei der Verwendung von Verzögerungsschleifen, nach wie vielen dieser Verzögerungsschleifen – das Signal empfangen wird. Nur dann liegt eine Messung und im Ergebnis ein „genannter gemessener Abstand“ vor.
  111. Selbst wenn man für eine Messung die Feststellung als ausreichend erachten würde, dass ein Signal vor Ablauf einer gewissen Zeitspanne eingegangen ist, wäre die erfindungsgemäße Lehre nicht verwirklicht. Das wird bereits dadurch deutlich, dass nach Ablauf der vorgegebenen Zeitspanne das Protokoll schlichtweg abgebrochen wird. In diesem Fall wird nicht einmal mehr festgestellt, ob noch ein Signal eingeht.
  112. Außerdem fehlt es immer an der sich anschließenden Prüfung. Denn mit Eingang des Signals innerhalb des noch laufenden Timers ist die Frage nach der Einhaltung des Abstandsintervalls bereits beantwortet. Einer darüber hinausgehenden Prüfung bedarf es nicht mehr.
  113. bb)
    In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass ein Timeout aus dem Stand der Technik bereits bekannt war, ohne dass dies in der Klagepatentschrift als Möglichkeit einer Abstandsmessung und Prüfung angesehen wird.
  114. i)
    Ein Timeout wird in der in Absatz [0032] genannten WO 97/39XXX bereits erwähnt. In der WO 97/39XXX wird ein drahtloses Authentifizierungssystem offenbart, bei dem der Zugang zu einem Knoten in Abhängigkeit von der räumlichen Nähe eines autorisierten Nutzers zu dem Knoten gewährt wird. In den Knoten ist dabei eine Sicherheitsvorrichtung implementiert, die mit einem Token zur Authentifizierung eines Nutzers kommuniziert. Die Figur 5 sieht dabei einen Timeout-Wert für den Eingang der vom Token an den Knoten gesendeten Antwortnachricht vor.
  115. Daraus ergibt sich jedoch nicht, dass der Zeitwert so gewählt werden soll, dass damit eine räumliche Einschränkung des Tokens gegenüber dem Knoten erreicht wird. Mit anderen Worten wird das Timeout nicht für eine Abstandsmessung verwendet. Ebenso wenig greift die klagepatentgemäße Lehre den Gedanken auf, ein Timeout für die Abstandsmessung zu verwenden. Daher ist in der Klagepatentschrift hinsichtlich der WO 97/39XXX auch nur die Rede von einer Steuerung „basierend auf der Nähe [proximity] eines autorisierten Nutzers“, nicht aber – wie beim übrigen Stand der Technik – von einem Abstand oder gar einer Abstandsmessung.
  116. ii)
    Vielmehr baut die im Klagepatent beschriebene erfindungsgemäße Lehre im Hinblick auf die Distanzmessung auf dem Aufsatz „G“ von H und I auf. Dieser Aufsatz wird in Absatz [0010] genannt und davon ausgehend wird in Absatz [0011] die der Erfindung zu Grunde liegende Aufgabe formuliert.
  117. Der Aufsatz „G“ beschreibt die Verwendung von Distanz-beschränkten Protokollen, bei denen Distanzmessungen auf der Grundlage von Zeitmessungen durchgeführt werden. Dieser Aufsatz verweist darauf, dass sich Licht nur mit 30cm pro Nanosekunde bewegt und davon ausgehend der tatsächliche Abstand zwischen zwei Vorrichtungen gemessen werden kann.
  118. iii)
    Auch in der in Absatz [0031] genannten WO 01/93XXX wird eine Distanzmessung dahingehend beschrieben, dass zwei Zeitpunkte, zum einen das Senden einer Nachricht und zum anderen der Empfang einer Antwort, als eine erste und eine zweite Zeit markiert werden und dann die Differenz zwischen diesen beiden Zeitpunkten bestimmt wird. Von der Zeitmessung des Hin- und Rückwegs wird dann die für die Verarbeitung benötigte Verzögerung (processing delay) abgezogen und die Hälfte der verbleibenden Zeit mit der Geschwindigkeit, die die Datenübertragung benötigt, multipliziert, siehe S. 5, Z. 31 – S. 6, Z. 10.
  119. iv)
    Zwar umfasst die erfindungsgemäße Lehre nicht mehr den Schritt der Umrechnung in eine konkrete Länge. Aber abgesehen davon ist nicht ersichtlich, dass von der grundlegenden Vorgehensweise der Abstandsmessung, wie sie in dem Aufsatz „G“ von H und I sowie in der WO 01/93XXX beschrieben wird, abgewichen werden und jegliche Art von Timeout genügen sollte.
  120. 2.
    Anspruch 1 beschreibt ein Verfahren und ist weitgehend deckungsgleich mit den Merkmalen des Anspruchs 16. Das Merkmal 1.2 ist inhaltlich identisch zum Merkmal 16.2, so dass in diesem Zusammenhang auf die Ausführungen unter Ziff. 1 verwiesen werden kann.
  121. III.
    Die angegriffene Ausführungsform macht von der Lehre des Klagepatents keinen Gebrauch, da es an der Verwirklichung der Merkmale 1.2 und 16.2 fehlt.
  122. Von der Beklagten unbestritten macht die angegriffene Ausführungsform von der Spezifikation Gebrauch. Insofern ist das Klagepatent verletzt, wenn die Spezifikation die Verwirklichung aller Merkmale der geltend gemachten Patentansprüche voraussetzt. Das ist hier aber nicht der Fall.
  123. 1.
    Anspruch 16 des Klagepatents wird nicht verletzt, weil es an einer Verwirklichung des Merkmals 16.2 fehlt.
  124. a)
    Die Spezifikation sieht in Ziffer 2.3 einen sogenannten „J“ vor. Dabei sendet der HDCP Transmitter, der als die erste Kommunikationsvorrichtung im Sinne des Klagepatents anzusehen ist, eine Nachricht K an den HDCP Receiver, der als zweite Kommunikationsvorrichtung im Sinne des Klagepatents anzusehen ist. Zugleich wird der E auf 20ms gestellt. Der J schlägt fehl, wenn der E nach 20ms abläuft, bevor der HDCP Transmitter die Antwortnachricht L von dem HDCP Receiver erhalten hat:
  125. […] the HDCP Transmitter
  126. • Initiates J by sending K message containing a 64-bit pseudo-random nonce rn to the HDCP Receiver.
    • Sets its E to 20 ms. The L message must be received by the transmitter within 20ms from the time the transmitter finishes writing the K message parameters to the HDCP Receiver. J fails if the E expires before the last byte of the L message is received by the transmitter.
  127. (siehe Spezifikation, Anlage ES 5b, Abschnitt 2.3, S. 16)
  128. aa)
    Der Verwirklichung des Merkmals 16.2 steht es grundsätzlich nicht entgegen, wenn keine physikalische Länge gemessen wird, sondern eine Zeitmessung erfolgt. Auch ist eine Umrechnung in eine Längeneinheit nicht erforderlich.
  129. bb)
    Jedoch sieht die Spezifikation nicht die nach der erfindungsgemäßen Lehre geforderte Messung vor, die im Ergebnis zu einem genannten gemessenen Abstand führt.
  130. Denn die Spezifikation wählt einen anderen Weg. Sie sieht vor, dass mit dem Absenden der Nachricht durch den HDCP Transmitter ein Timer mit einer maximalen Wartezeit läuft. Dazu ist eine Verzögerungsschleife eingerichtet mit einer Dauer von X ms. Das bedeutet, dass die Antwortnachricht innerhalb von 20/X Wiederholungen der Verzögerungsschleife empfangen worden sein muss, innerhalb derer der Transmitter den Empfangsstatus betreffend die Antwortnachricht abfragt.
  131. Geht die Antwort in der vorgegebenen Zeit ein, wird das in der Nachricht L enthaltene Geheimnis vom HDCP Transmitter mit dem eigens gespeicherten Geheimnis verglichen und das Protokoll fortgesetzt.
  132. i)
    Die Spezifikation beschreibt keine Messung mit dem Ergebnis, dass ein genannter gemessener Abstand ermittelt wird.
  133. Das Senden der Nachricht K an den HDCP Receiver ist keine Messung, da sich das Senden in einer reinen Tätigkeit erschöpft und zu keinem Messergebnis im Sinne eines genannten gemessenen Abstands führt. Ebenso wenig kann in dem Ablaufen des Timers eine Messung gesehen werden, da auch dieses kein Messergebnis zur Folge hat.
  134. Selbst wenn man davon ausginge, dass eine Messung in der Bestimmung liegt, ob die Laufzeit eines Signalpaares größer oder kleiner als 20ms ist, fehlte es jedenfalls an dem sich anschließenden Prüfen. Es wird keine Prüfung dahingehend vorgenommen, ob eine Antwort innerhalb von 20ms empfangen wurde. Denn diese Frage ist mit dem Eingang des Signals vor oder nach Ablauf des Timers, also mit der Messung, bereits beantwortet.
  135. Das Fehlen einer Messung wird insbesondere in dem Fall deutlich, dass der Timer erfolglos abläuft. Dann steht auch ohne Empfang der Antwortnachricht bereits fest, dass diese nicht innerhalb der vorgegebenen Zeit empfangen wurde und der Vorgang ist fehlgeschlagen. Für diese Feststellung muss der Empfang der Antwortnachricht gar nicht mehr abgewartet werden.
  136. Insofern stellt die Spezifikation eine andere Lösung als das Klagepatent bereit. Während das Merkmal 16.2 eine Vorgehensweise bestehend aus Messung und Prüfung vorsieht, um feststellen zu können, ob der Grenzwert eingehalten wurde oder nicht, steht dies nach der Spezifikation bei Empfang der Antwortnachricht L, die der HDCP Receiver an den HDCP Transmitter schickt, bereits fest. Denn entweder läuft der E bei Empfang der Nachricht noch, was wiederum bedeutet, dass der Grenzwert von 20ms nicht überschritten wurde, oder aber der E ist bereits abgelaufen, was bedeutet, dass der Grenzwert überschritten wurde.
  137. Daran ändern auch die von der Klägerin in Form der Anlage ES 6 eingereichten Messergebnisse nichts, die neben einem Zeitstempel die entsprechende HDCP Nachricht und deren Parameter zeigen. Der Übersicht lässt sich schon nicht entnehmen, dass die Zeitstempel von der angegriffenen Ausführungsform gesetzt wurden. Abgesehen davon ist nicht erkennbar, dass die Zeitstempel als Grundlage für irgendeine Art der Messung – beispielsweise zur Berechnung einer Zeitdifferenz – genutzt werden.
  138. ii)
    Die Kammer verkennt bei der Bewertung des Sachverhalts nicht, dass die Spezifikation im Ergebnis dieselbe Funktion erfüllt wie die erfindungsgemäße Lehre.
    Denn auch das in der Spezifikation verwendete Timeout stellt im Ergebnis sicher, dass das Protokoll nur fortgesetzt wird, wenn die zum Signalempfang maximal zur Verfügung stehende Zeit eingehalten wurde.
  139. Doch auch wenn es sich um einen ähnlichen Lösungsgedanken handelt, ist der zu diesem Ergebnis führende Weg aus den oben genannten Gründen ein anderer als der von dem Patent gewählte.
  140. 2.
    Da Merkmal 16.2 und 1.2 identisch sind, fehlt es aus den oben unter Ziff. 1 genannten Gründen auch an einer Verwirklichung des Merkmals 1.2.
  141. IV.
    Die Entscheidung über die Kosten folgt aus §§ 91 Abs. 1 S. 1, 101 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 S. 1 und 2 ZPO.
  142. V.
    Der Streitwert wird auf 500.000,00 EUR festgesetzt.

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