4b O 81/18 – Halterungssystem für Führungsrinne

Düsseldorfer Entscheidungsnummer: 3024

Landgericht Düsseldorf

Urteil vom 12. März 2020 2020, Az. 4b O 81/18

  1. I. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlungen bis zu insgesamt zwei Jahren, zu unterlassen,
  2. 1. Halterungssysteme mit einer Halterung zur seitlichen Befestigung einer Führungsrinne für Energieführungsketten an einem Aufbau und mit einer Führungsrinne für Energieführungsketten
    in der Bundesrepublik Deutschland herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
    wobei die Halterung eine Abstützung für einen Bodenbereich der Führungsrinne und eine Lagefixierung für die Führungsrinne aufweist, sich die Halterung mit einem Höhenabschnitt seitlich eines vorgesehenen Aufnahmeraumes für die Führungsrinne erstreckend anordenbar ist, wobei in dem Höhenabschnitt erste Befestigungsmittel zur Festlegung der Halterung in Höhe des Höhenabschnittes seitlich an dem Aufbau vorgesehen sind, und die Halterung zweite Befestigungsmittel aufweist, die in einer Höhenrichtung von der Abstützung weg beabstandet zur Abstützung angeordnet sind und die ausgelegt sind, form- und/oder kraftschlüssig an der Führungsrinne anzugreifen, und wobei mittels der zweiten Befestigungsmittel eine Klemmverbindung mit der Führungsrinne herstellbar ist und die zweiten Befestigungsmittel als Klemmaufnahme für einen sich seitlich von der Führungsrinne erstreckenden ersten Vorsprung der Führungsrinne und als Klemmelement zum Einklemmen des ersten Vorsprunges in der Klemmaufnahme in einer Klemmlage ausgebildet sind, wobei die Klemmaufnahme zur Aufnahme eines hakenförmig ausgebildeten ersten Vorsprunges der Führungsrinne zumindest mit einer Komponente in Höhenrichtung geöffnet ausgebildet ist und das Klemmelement in einer Klemmrichtung in die Klemmaufnahme unter Einklemmung des ersten Vorsprunges einschiebbar ist;
  3. 2. Halterungssysteme mit einer Halterung zur seitlichen Befestigung einer Führungsrinne für Energieführungsketten an einem Aufbau und mit einer Führungsrinne, die einen Boden, zwei über den Boden verbundene, parallel beabstandete Seitenwände und einen ersten hakenförmig ausgebildeten Vorsprung aufweist
    in der Bundesrepublik Deutschland herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
    wobei die Führungsrinne mittels der Halterung außenseitlich einer ihrer Seitenwände an einem Aufbau halterbar ist, wobei die Halterung eine Abstützung für einen Bodenbereich der Führungsrinne und eine Lagefixierung für die Führungsrinne aufweist, sich die Halterung mit einem Höhenabschnitt seitlich eines vorgesehenen Aufnahmeraumes für die Führungsrinne erstreckend anordenbar ist, wobei in dem Höhenabschnitt erste Befestigungsmittel zur Festlegung der Halterung in Höhe des Höhenabschnittes seitlich an dem Aufbau vorgesehen sind, und die Halterung zweite Befestigungsmittel aufweist, die in einer Höhenrichtung von der Abstützung weg beabstandet zur Abstützung angeordnet sind und die ausgelegt sind, form- und/oder kraftschlüssig an der Führungsrinne anzugreifen, und wobei mittels der zweiten Befestigungsmittel eine Klemmverbindung mit der Führungsrinne herstellbar ist und die zweiten Befestigungsmittel als Klemmaufnahme für einen sich seitlich von der Führungsrinne erstreckenden ersten Vorsprung der Führungsrinne und als Klemmelement zum Einklemmen des ersten Vorsprunges in der Klemmaufnahme in einer Klemmlage ausgebildet sind, wobei die Klemmaufnahme zur Aufnahme eines hakenförmig ausgebildeten ersten Vorsprunges der Führungsrinne zumindest mit einer Komponente in Höhenrichtung geöffnet ausgebildet ist.
  4. II. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang die Beklagte die zu I. 1. und I. 2. bezeichneten Handlungen seit dem 11. April 2018 begangen hat, und zwar unter Angabe:
    1. der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
    2. der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren
    3. der Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden;
    wobei zum Nachweis der Angaben entsprechende Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen.
  5. III. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin darüber Rechnung zulegen, in welchem Umfang die Beklagte die zu I. 1. und I. 2. bezeichneten Handlungen seit dem 12. April 2014 begangen hat, und zwar unter Angabe:
    1. der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, -preisen und der jeweiligen Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,
    2. der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, zeiten, -preisen und der jeweiligen Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
    3. der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, im Falle von Internet-Werbung der Domain, der Zugriffszahlen und der Schaltungszeiträume,
    4. der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
    wobei
    – die Angaben zu 4. nur für die Zeit seit dem 11. Mai 2018 zu machen sind;
    – der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist.
  6. IV. Die Beklagte wird verurteilt, die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz und/oder im Eigentum befindlichen, vorstehend zu I. 1. und I. 2. bezeichneten Erzeugnisse an einen von der Klägerin zu benennenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf ihre – der Beklagten – Kosten herauszugeben, wobei der Beklagten eingeräumt wird, nach ihrer Wahl die Erzeugnisse auch selbst zu vernichten.
  7. V. Die Beklagte wird verurteilt, die unter I. 1. und I. 2. bezeichneten in Verkehr gebrachten Erzeugnisse gegenüber den gewerblichen Abnehmern unter Hinweis auf den gerichtlich (Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 12.05.2020) festgestellten patentverletzenden Zustand der Sache und mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen und die Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen.
  8. VI. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist,
    1. der Klägerin für die unter I. 1. und I. 2. bezeichneten, in der Zeit vom 12. April 2014 bis zum 10. Mai 2018 begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen und
    2. der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu I. 1. und I. 2. bezeichneten und seit dem 11. Mai 2018 begangenen Handlungen entstanden sind und noch entstehen werden.
  9. VII. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 40 % und die Beklagte zu 60 %.
  10. VIII. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 300.000 EUR und für die Beklagte in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages, wobei für die teilweise Vollstreckung des Urteils folgende Teilsicherheiten festgesetzt werden:
    Ziffer I., IV. und V. des Tenors: 210.000,00 EUR
    Ziffer II. und III. des Tenors: 60.000,00 EUR
    Ziffer VIII. des Tenors: 110 % des jeweils zu voll-
    streckenden Betrages
  11. Tatbestand
  12. Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents 2 705 XXX B1 (nachfolgend: Klagepatent) in Anspruch.
  13. Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des Klagepatents, das am 3. Mai 2012 unter Inanspruchnahme einer Priorität vom 5. Mai 2011 angemeldet wurde. Die Anmeldung wurde am 12. März 2014 veröffentlicht, der Hinweis auf die Erteilung des Klagepatents am 11. April 2018. Das Klagepatent steht in Kraft. Auf den Einspruch der Beklagten hat die Einspruchsabteilung beim Europäischen Patentamt das Klagepatent mit Entscheidung vom 8. Januar 2020 teilweise widerrufen.
  14. Das in deutscher Verfahrenssprache erteilte Klagepatent betrifft ein Halterungssystem mit einer Halterung zur seitlichen Befestigung einer Führungsrinne für Energieführungsketten. Die von der Klägerin geltend gemachten Patentansprüche 1 und 14 lauten in der von Einspruchsabteilung eingeschränkt aufrechterhaltenen Fassung:
  15. 1. Halterungssystem (B) mit einer Halterung (1) zur seitlichen Befestigung einer Führungsrinne (F) für Energieführungsketten an einem Aufbau und mit einer Führungsrinne (F) für Energieführungsketten, wobei die Halterung (1) eine Abstützung (2) für einen Bodenbereich (3) der Führungsrinne (F) und eine Lagefixierung für die Führungsrinne (F) aufweist, sich die Halterung (1) mit einem Höhenabschnitt (4) seitlich eines vorgesehenen Aufnahmeraumes (5) für die Führungsrinne (F) erstreckend anordenbar ist, wobei in dem Höhenabschnitt erste Befestigungsmittel (6) zur Festlegung der Halterung (1) in Höhe des Höhenabschnittes (4) seitlich an dem Aufbau vorgesehen sind, und die Halterung (1) zweite Befestigungsmittel (7) aufweist, die in einer Höhenrichtung (h) von der Abstützung weg beabstandet zur Abstützung (2) angeordnet sind und die ausgelegt sind, form- und/oder kraftschlüssig an der Führungsrinne (F) anzugreifen, und wobei mittels der zweiten Befestigungsmittel (7) eine Klemmverbindung mit der Führungsrinne (F) herstellbar ist und die zweiten Befestigungsmittel (7) als Klemmaufnahme (8) für einen sich seitlich von der Führungsrinne (F) erstreckenden ersten Vorsprung (9) der Führungsrinne (F) und als Klemmelement (10) zum Einklemmen des ersten Vorsprunges (9) in der Klemmaufnahme (8) in einer Klemmlage ausgebildet sind, wobei die Klemmaufnahme (8) zur Aufnahme eines hakenförmig ausgebildeten ersten Vorsprunges (9) der Führungsrinne (F) zumindest mit einer Komponente in Höhenrichtung (h) geöffnet ausgebildet ist und das Klemmelement (10) in einer Klemmrichtung (k) in die Klemmaufnahme (8) unter Einklemmung des ersten Vorsprunges (9) einschiebbar ist.
  16. und
  17. 14. Halterungssystem (B) mit einer Halterung (1) zur seitlichen Befestigung einer Führungsrinne (F) für Energieführungsketten an einem Aufbau und mit einer Führungsrinne (F), die einen Boden (F.1), zwei über den Boden (F.1) verbundene, parallel beabstandete Seitenwände (F.2) und einen ersten hakenförmig ausgebildeten Vorsprung (9) aufweist, wobei die Führungsrinne (F) mittels der Halterung (1) außenseitlich einer ihrer Seitenwände (F.2) an einem Aufbau halterbar ist, wobei die Halterung (1) eine Abstützung (2) für einen Bodenbereich (3) der Führungsrinne (F) und eine Lagefixierung für die Führungsrinne (F) aufweist, sich die Halterung (1) mit einem Höhenabschnitt (4) seitlich eines vorgesehenen Aufnahmeraumes (5) für die Führungsrinne (F) erstreckend anordenbar ist, wobei in dem Höhenabschnitt erste Befestigungsmittel (6) zur Festlegung der Halterung (1) in Höhe des Höhenabschnittes (4) seitlich an dem Aufbau vorgesehen sind, und die Halterung (1) zweite Befestigungsmittel (7) aufweist, die in einer Höhenrichtung (h) von der Abstützung weg beabstandet zur Abstützung (2) angeordnet sind und die ausgelegt sind, form- und/oder kraftschlüssig an der Führungsrinne (F) anzugreifen, und wobei mittels der zweiten Befestigungsmittel (7) eine Klemmverbindung mit der Führungsrinne (F) herstellbar ist und die zweiten Befestigungsmittel (7) als Klemmaufnahme (8) für einen sich seitlich von der Führungsrinne (F) erstreckenden ersten Vorsprung (9) der Führungsrinne (F) und als Klemmelement (10) zum Einklemmen des ersten Vorsprunges (9) in der Klemmaufnahme (8) in einer Klemmlage ausgebildet sind, wobei die Klemmaufnahme (8) zur Aufnahme eines hakenförmig ausgebildeten ersten Vorsprunges (9) der Führungsrinne (F) zumindest mit einer Komponente in Höhenrichtung (h) geöffnet ausgebildet ist.
  18. Die folgenden Zeichnungen stammen aus der Klagepatentschrift. Sie geben eine erste perspektivische Ausführungsform eines erfindungsgemäßen Halterungssystems mit Halterung und Führungsschiene (Figur 1) sowie eine Seitenansicht des Halterungssystems gemäß Figur 1, jedoch mit anderer Halterung (Figur 8) wieder.
  19. Die Beklagte stellt Halterungen und Führungsrinnen her, bietet sie an und vertreibt sie unter anderem unter der Bezeichnung „A“, das sie etwa in verschiedenen Broschüren – abrufbar auch auf dem Internetauftritt der Beklagten – vorstellt und bewirbt (Anlagen K 6 und K 8). Das „A“ umfasst verschiedene Kombinationen von Kanalhaltern und dazu passenden Rinnen, nämlich die Varianten A, B und C. In jeder Variante können die Kanalhalter XXX und XXX zum Einsatz kommen. Die Kanalhalter können mit verschiedenen Rinnen kombiniert werden, die sich in ihren Eigenschaften, insbesondere ihren Maßen voneinander unterscheiden. So werden für die Variante A und B jeweils 20 Kombinationen und für die Variante C sechs Kombinationen beworben. Nachdem die Klägerin mit der Klage zwischenzeitlich sämtliche Varianten beanstandet hatte, werden nach Rücknahme der Klage bezüglich der Variante B nur noch die Varianten A und C angegriffen (nachfolgend: angegriffene Ausführungsform A bzw. C). Nachfolgend sind technische Zeichnungen der Varianten A und C wiedergegeben sowie die zugehörigen Kanalhalter XXX und XXX. Wegen der Einzelheiten der unterschiedlichen Bemaßungen wird auf die Anlage K 8 Bezug genommen (Seite 48 f. für die Variante A, S. 52 für die Variante C, und S. 54 für die beiden Kanalhalter).
  20. Variante A (stehend ohne Einhausung):
  21. Variante C (seitlich liegend):
  22. Kanalhalterungen:
  23. Die Klägerin ist der Ansicht, Angebot und Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform stellten eine Verletzung des Klagepatents dar. So komme es für die Abstützung für den Bodenbereich der Rinne nicht darauf an, dass die Rinne auf der Abstützung aufliegen müsse. Es genüge vielmehr ein seitliches Abfangen beziehungsweise Anliegen an der Rinne, wie dies bei den angegriffenen Ausführungsformen der Fall sei. Das gelte insbesondere auch für die Variante C, selbst wenn dort der Boden der Rinne wenige Millimeter unterhalb der Unterkante der Abstützung liege. Nachdem das Klagepatent im Einspruchsverfahren zudem eingeschränkt aufrechterhalten worden sei, bestehe für eine Aussetzung der Verhandlung kein Anlass.
  24. Die Klägerin beantragt,
  25. – wie erkannt –
  26. Die Beklagte beantragt,
  27. die Klage abzuweisen,
  28. hilfsweise den Rechtsstreit bis zum rechtskräftigen Abschluss des vor dem Europäischen Patentamt anhängigen Einspruchsverfahrens gegen das Klagepatent auszusetzen.
  29. Die Beklagte ist der Ansicht, das Klagepatent werde durch die angegriffenen Ausführungsformen nicht verletzt. Die Klagepatentansprüche setzten für den Bodenbereich der Führungsrinne eine Abstützung voraus, welche die Rinne zumindest teilweise untergreife. Das sei bei den angegriffenen Ausführungsformen nicht der Fall. Selbst wenn man ein Untergreifen nicht verlangen wollte, sei der Bodenbereich im Sinne des Klagepatents auf den Boden der Führungsrinne beschränkt, so dass eine Abstützung am oder auf Höhe des Bodens erfolgen müsse. Dies leiste weder die Variante A noch die Variante C der angegriffenen Ausführungsformen. Abgesehen davon werde sich das Klagepatent als nicht rechtsbeständig erweisen. Die nunmehr eingeschränkte technische Lehre der Klagepatentansprüche sei weder neu, noch erfinderisch. Zudem beruhe sie auf einer unzulässigen Erweiterung, die auch das Deutsche Patent- und Markenamt im Rahmen des Löschungsverfahrens betreffend das parallele Gebrauchsmuster bejaht habe.
  30. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schrift-
    sätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.
  31. Entscheidungsgründe
  32. Die zulässige Klage ist begründet.
  33. A
    Die Klägerin hat gegen die Beklagte Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Rückruf und Vernichtung sowie Feststellung der Entschädigungspflicht und der Schadensersatzpflicht aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. §§ 139 Abs. 1 und 2, 140a Abs. 1 und 3, 140b Abs. 1 PatG, Art. II § 1 Abs. 1 IntPatÜG, §§ 242, 259 BGB.
  34. I.
    Die Erfindung betrifft ein Halterungssystem mit einer Halterung zur seitlichen Befestigung einer Führungsrinne für Energieführungsketten an einem Aufbau und eine solche Führungsrinne.
  35. In der Klagepatentschrift wird ausgeführt, dass im Stand der Technik bekannte Halterungen ausgebildet seien, um zur Befestigung einer Rinne an einem Aufbau, wie beispielsweise an dem Träger eines mit einer Laufkatze versehenen Krans, seitlich angebracht zu werden. Dafür könne eine Reihe von voneinander in Längsrichtung des Trägers bzw. der Führungsrinne beabstandeten Halterungen vormontiert werden, die zur sicheren Aufnahme der Führungsrinne in der Regel als Konsolen ausgebildet seien und die Führungsrinne über ihre gesamte Quererstreckung unterstützen und halten könnten. Anschließend könnten die Führungsrinnen in die Halterung eingelegt und zur Lagefixierung an derselben verschraubt werden. Dafür müssten an den Führungsrinnen entsprechende Schraublöcher vorgesehen sein. Diese Art der Befestigung kritisiert das Klagepatent als aufwändig und im Betrieb störanfällig.
  36. Zum druckschriftlichen Stand der Technik wird in der Klagepatentschrift ausgeführt, dass in der FR 2 682 XXX A eine Halterung bzw. ein Halterungssystem beschrieben werde. Es sei vorgesehen, dass die Halterung zur Festlegung der Führungsrinne als zweite Befestigungsmittel eine seitlich geöffnete Klemmaufnahme aufweise, in die die Führungsrinne mit einem seitlich von ihr erstreckenden Vorsprung eingeschoben, ausgerichtet und mittels einer Schraubverbindung festgeklemmt werde. Zusätzlich würden Profilleisten so mit der Halterung verschraubt, dass sie die Aufnahme übergriffen und die Führungsrinne gegen ein seitliches Verschieben sicherten. Konstruktion, Herstellung und Montage dieser Halterung bzw. dieses Halterungssystems sieht das Klagepatent als aufwändig an.
  37. Weiterhin werde in der FR 2 758 XXX A eine Halterung zur seitlichen Befestigung einer Führungsrinne offenbart, wobei die Halterung zur Festlegung der Führungsrinne eine bodenseitige Aufnahme und oberseitig eine nach unten geöffnete Klemmaufnahme mit einem Schwenkhebel aufweise, der die Führungsrinne in Klemmposition übergreifend in der Klemmaufnahme halte. Aus der FR 2 840 XXX A könne eine Halterung zur seitlichen Befestigung einer Führungsrinne entnommen werden, die unterseitig über ihre gesamte Breite durch die Halterung abgestützt werde und oberseitig in eine nach unten geöffnete Aufnahme eingreifend gehalten werde.
  38. Vor diesem Hintergrund sieht das Klagepatent die Aufgabe der Erfindung (das technische Problem) darin, ein gattungsgemäßes System mit einer Halterung bereitzustellen, die einfacher aufgebaut sei, mittels derer die Führungsrinne einfacher montierbar sei und im Betrieb sicher gehalten werden könne.
  39. Zur Lösung dieser Aufgabe (des technischen Problems) schlägt das Klagepatent zwei Halterungssysteme mit den Merkmalen des Anspruchs 1 bzw. des Anspruchs 14 vor, die nachstehend in gegliederter Form wiedergegeben sind.
  40. 1. Halterungssystem (B)
    1.1 mit einer Halterung (1) zur seitlichen Befestigung einer Führungsrinne (F) für Energieführungsketten an einem Aufbau und
    1.2 mit einer Führungsrinne (F) für Energieführungsketten;
    2. die Halterung (1) weist eine Abstützung (2) für einen Bodenbereich (3) der Führungsrinne (F) auf;
    3. die Halterung (1) weist eine Lagefixierung für die Führungsrinne (F) auf;
    4. die Halterung (1) ist sich mit einem Höhenabschnitt (4) seitlich eines vorgesehenen Aufnahmeraumes (5) für die Führungsrinne (F) erstreckend anordenbar;
    5. in dem Höhenabschnitt sind erste Befestigungsmittel (6) zur Festlegung der Halterung (1) in Höhe des Höhenabschnittes (4) seitlich an dem Aufbau vorgesehen;
    6. die Halterung (1) weist zweite Befestigungsmittel (7) auf,
    6.1 die in einer Höhenrichtung (h) von der Abstützung weg beabstandet zur Abstützung (2) angeordnet sind und
    6.2 die ausgelegt sind, form- und/oder kraftschlüssig an der Führungsrinne (F) anzugreifen,
    6.3 wobei mittels der zweiten Befestigungsmittel (7) eine Klemmverbindung mit der Führungsrinne (F) herstellbar ist und
    6.4 wobei die zweiten Befestigungsmittel (7) als Klemmaufnahme (8) für einen sich seitlich von der Führungsrinne (F) erstreckenden ersten Vorsprung (9) der Führungsrinne (F) und als Klemmelement (10) zum Einklemmen des ersten Vorsprunges (9) in der Klemmaufnahme (8) in einer Klemmlage ausgebildet sind,
    6.4.1 wobei die Klemmaufnahme (8) zur Aufnahme eines hakenförmig ausgebildeten ersten Vorsprunges (9) der Führungsrinne (F) zumindest mit einer Komponente in Höhenrichtung (h) geöffnet ausgebildet ist und
    6.4.2 das Klemmelement (10) in einer Klemmrichtung (k) in die Klemmaufnahme (8) unter Einklemmung des ersten Vorsprunges (9) einschiebbar ist.
  41. und
  42. 1. Halterungssystem (B)
    1.1 mit einer Halterung (1) zur seitlichen Befestigung einer Führungsrinne (F) für Energieführungsketten an einem Aufbau und
    1.2 mit einer Führungsrinne (F), die einen Boden (F.1), zwei über den Boden (F.1) verbundene, parallel beabstandete Seitenwände (F.2) und einen ersten hakenförmig ausgebildeten Vorsprung (9) aufweist, wobei die Führungsrinne (F) mittels der Halterung (1) außenseitlich einer ihrer Seitenwände (F.2) an einem Aufbau halterbar ist;
    2. die Halterung (1) weist eine Abstützung (2) für einen Bodenbereich (3) der Führungsrinne (F) auf;
    3. die Halterung (1) weist eine Lagefixierung für die Führungsrinne (F) auf;
    4. die Halterung (1) ist sich mit einem Höhenabschnitt (4) seitlich eines vorgesehenen Aufnahmeraumes (5) für die Führungsrinne (F) erstreckend anordenbar;
    5. in dem Höhenabschnitt sind erste Befestigungsmittel (6) zur Festlegung der Halterung (1) in Höhe des Höhenabschnittes (4) seitlich an dem Aufbau vorgesehen;
    6. die Halterung (1) weist zweite Befestigungsmittel (7) auf,
    6.1 die in einer Höhenrichtung (h) von der Abstützung weg beabstandet zur Abstützung (2) angeordnet sind und
    6.2 die ausgelegt sind, form- und/oder kraftschlüssig an der Führungsrinne (F) anzugreifen,
    6.3 wobei mittels der zweiten Befestigungsmittel (7) eine Klemmverbindung mit der Führungsrinne (F) herstellbar ist und
    6.4 wobei die zweiten Befestigungsmittel (7) als Klemmaufnahme (8) für einen sich seitlich von der Führungsrinne (F) erstreckenden ersten Vorsprung (9) der Führungsrinne (F) und als Klemmelement (10) zum Einklemmen des ersten Vorsprunges (9) in der Klemmaufnahme (8) in einer Klemmlage ausgebildet sind,
    6.4.1 wobei die Klemmaufnahme (8) zur Aufnahme eines hakenförmig ausgebildeten ersten Vorsprunges (9) der Führungsrinne (F) zumindest mit einer Komponente in Höhenrichtung (h) geöffnet ausgebildet ist.
  43. II.
    Die angegriffenen Ausführungsformen verwirklichen sämtliche Merkmale der Klagepatentansprüche 1 und 14. Das ist für alle Merkmale mit Ausnahme des jeweiligen Merkmals 2 der beiden Patentansprüche zwischen den Parteien zu Recht unstreitig. Jedoch weisen die angegriffenen Ausführungsformen auch eine Abstützung für einen Bodenbereich der Führungsrinne auf.
  44. 1.
    Merkmal 2 von Patentanspruch 1 und 14 verlangt, dass die Halterung eine Abstützung für einen Bodenbereich der Führungsrinne aufweist. Dies setzt nach der Lehre des Klagepatents nicht zwingend voraus, dass die Führungsrinne von der Halterung untergriffen wird. Es genügt, wenn die Führungsrinne in ihrem unteren Bereich, mithin in der Nähe ihres Bodens, seitlich an der Halterung abgestützt wird.
  45. a)
    Ein Untergreifen oder Unterfangen des Bodens oder eines Teils des Bodens der Führungsrinne wird vom Wortlaut der beiden Klagepatentansprüche weder explizit, noch implizit verlangt. Es ist lediglich eine Abstützung für einen Bodenbereich der Führungsrinne gefordert.
  46. Unter einer Führungsrinne kann allgemein ein längliches Bauteil mit einem Boden und Seitenwänden verstanden werden, das nach oben offen ist – so auch ausdrücklich Klagepatentanspruch 14 mit Merkmal 1.2. Ob der Klagepatentanspruch 1 auch andere Gestaltungen zulässt, kann dahinstehen, solange die Führungsrinne einen Boden, also eine geschlossene Unterseite aufweist.
  47. Von dem Boden der Führungsrinne ist der Bodenbereich zu unterscheiden, von dem im Merkmal 2 die Rede ist. Grammatikalisch kann unter einem Bodenbereich ein Abschnitt eines Bodens verstanden werden. Der Begriff lässt aber auch ein – hier vorzugswürdiges – Verständnis zu, wonach mit dem Bodenbereich der untere Abschnitt der Führungsrinne im Sinne eines Bereichs in der Nähe des Bodens der Rinne gemeint ist. Ein so verstandener Bodenbereich umfasst auch Abschnitte der Seitenwand der Führungsrinne, sofern sie sich in der Nähe des Bodens der Rinne befinden.
  48. Unter einer Abstützung für einen Bodenbereich der Führungsrinne kann demnach nicht nur eine vertikale Kraftaufnahme verstanden werden, die sich ergibt, wenn die Halterung die Führungsrinne ganz oder teilweise untergreift und von unten stützt. Eine Abstützung kann auch seitlich erfolgen, indem die Halterung im unteren Bereich der Führungsrinne – mithin im Bodenbereich – seitlich wirkende Kräfte aufnimmt. Weder aus dem unbestimmten Artikel „einen Bodenbereich“, noch aus der Präposition „für“ lässt sich zwingend entnehmen, dass sich die Abstützung auf einen Teil des Bodens bezieht und vertikal erfolgen muss. Letztlich geht es immer um die Abstützung der Führungsrinne, wobei der Ansatz der Bodenbereich ist, der als unterer Teil der Führungsrinne aufzufassen ist.
  49. b)
    Die Funktion der Abstützung besteht darin, zusammen mit den zweiten Befestigungsmitteln die Führungsrinne an zwei höhenbeabstandeten Punkten sicher und stabil zu halten (Abs. [0008]; Absätze ohne Herkunftsangabe sind solche der Klagepatentschrift, Anlage K 2). Diese Funktion wird auch dann erfüllt, wenn die Halterung die Führungsrinne lediglich in ihrem unteren Bereich seitlich stützt. Insofern ist zunächst anzumerken, dass die Klagepatentschrift lediglich von zwei höhenbeabstandeten Punkten spricht, die für eine sichere und stabile Halterung genügen. Eine Abstützung in vertikaler Richtung ist damit nicht zwingend verbunden.
  50. Bei den beiden höhenbeabstandeten Punkten, an denen die Führungsrinne sicher und stabil gehalten werden soll, handelt es sich patentgemäß zum einen um die Abstützung für einen Bodenbereich der Führungsrinne gemäß Merkmal 2 und zum anderen um eine Lagefixierung für die Führungsrinne gemäß Merkmal 3. Letztere beschreiben die Klagepatentansprüche in der Merkmalsgruppe 6 als in der Höhenrichtung beabstandet zur Abstützung angeordnete zweite Befestigungsmittel. Die zweiten Befestigungsmittel sollen unter anderem als nach oben geöffnete Klemmaufnahme ausgebildet sein, in der ein hakenförmig ausgebildeter erster Vorsprung der Führungsrinne aufgenommen und mittels eines Klemmelements form- und/oder kraftschlüssig gehalten werden kann, Merkmalsgruppe 6. Aufgrund der Beabstandung von Abstützung und zweiten Befestigungsmitteln weist die Führungsrinne in einem oberen Bereich den hakenförmigen Vorsprung auf, mit dem sie in die nach oben offene Aufnahme der zweiten Befestigungsmittel eingehängt und verklemmt werden kann. Durch diese einseitige Befestigung im oberen Bereich der Führungsrinne entsteht aufgrund der seitlichen Ausdehnung und des Gewichts der Rinne zwangsläufig ein Drehmoment, das im unteren Bereich der Führungsrinne, also etwa senkrecht zu den zweiten Befestigungsmitteln, zunächst in seitliche Richtung wirkt. Dieses Drehmoment wird durch die Abstützung für einen Bodenbereich der Führungsrinne bereits dann aufgenommen, wenn die Führungsrinne in ihrem unteren Bereich nur seitlich abgestützt wird.
  51. Dem Klagepatent lässt sich nicht entnehmen, dass für ein sicheres und stabiles Halten (vgl. Abs. [0008]) mehr zu verlangen ist. Dementsprechend wird auch die Aufgabe des Klagepatents gelöst, wonach eine Halterung bereitgestellt werden soll, die einfacher aufgebaut ist, mittels derer die Führungsrinne einfacher montierbar ist und im Betrieb sicher gehalten werden kann (Abs. [0006]). Diese Aufgabe wird nach den Ausführungen in der Klagepatentschrift bereits dadurch gelöst, dass die Klemmaufnahme zur Aufnahme eines hakenförmig ausgebildeten ersten Vorsprunges der Führungsrinne zumindest mit einer Komponente in Höhenrichtung geöffnet ist (Abs. [0007]). Kern der Erfindung ist also die Gestaltung der Klemmaufnahme, mit der die Aufgabe gelöst werden soll. Ungeachtet dessen ergibt sich aus der Beschreibung des Klagepatents kein Maß für ein sicheres und stabiles Halten der Führungsrinne. Selbst wenn daher verlangt wird, dass die Abstützung für den Bodenbereich an der Lösung der Aufgabe mitwirkt, geschieht dies bereits durch ein seitliches Abstützen des unteren Abschnitts der Führungsrinne.
  52. c)
    Aus der Würdigung des Standes der Technik durch das Klagepatent ergibt sich ebenfalls nicht, dass die Abstützung für einen Bodenbereich der Führungsrinne zwingend mit einem Untergreifen des Bodens und somit mit einer vertikalen Abstützung einhergehen muss. Es ist richtig, dass sämtliche im Stand der Technik bekannten Konsolen, soweit sie in der Klagepatentschrift einleitend beschrieben werden, eine vertikale Abstützung der Führungsrinne vorsehen. Allerdings folgt aus dem gewürdigten Stand der Technik nicht zwangsläufig, dass jede konstruktive Einzelheit in den Patentanspruch hineininterpretiert werden darf, die beim Stand der Technik verwirklicht ist. Von Belang sind von vornherein nur solche Gestaltungsdetails, die für die erfindungsgemäße Lehre Bedeutung haben und dementsprechend in einem Merkmal des Patentanspruchs aufscheinen. Ob aber das Patent eine bestimmte vorbekannte Konstruktion als vorteilhaft ansieht und für die Erfindung beibehalten will oder einen bestimmten Stand der Technik nur formal als Ausgangspunkt für die Darstellung der Erfindung nimmt, ohne dass der Schluss gerechtfertigt ist, dass sich das Patent damit auf die im Stand der Technik bekannte Gestaltung festlegen wollte, ist durch Auslegung zu ermitteln (vgl. Kühnen, Hb. d. Patentverletzung, 11. Aufl.: Kap. A Rn 65).
  53. Zunächst ist festzuhalten, dass das Klagepatent am Stand der Technik die Lagefixierung der Führungsrinne mittels Verschraubung (Abs. [0002]) und den Aufwand für Konstruktion, Herstellung und Montage der für die Festlegung der Führungsrinne vorgesehenen zweiten Befestigungsmittel (Abs. [0003]) als nachteilig ansieht. Insofern grenzt sich das Klagepatent insbesondere über die zweiten Befestigungsmittel von dem gewürdigten Stand der Technik ab. Auf die Abstützung für den Bodenbereich kommt es hingegen nicht an. Soweit im Stand der Technik vorgesehen war, die Führungsrinne über ihre gesamte Breite abzustützen (Abs. [0005]), behält das Klagepatent diese Gestaltung ausdrücklich nicht bei. Vielmehr heißt es in der Beschreibung, die Abstützung des Aufnahmeraums kann die Führungsrinne bodenseitig zumindest teilweise begrenzen. Es ist nicht notwendig, dass die Abstützung mit dem Stützbereich den Aufnahmeraum für die Führungsschiene bodenseitig vollständig begrenzt. Vielmehr kann vorgesehen sein, dass der Stützbereich der Abstützung kleiner als eine bodenseitige Erstreckung des Aufnahmeraums in Querrichtung ist (Abs. [0013]). Nach alledem kann aus dem gewürdigten Stand der Technik nicht zwingend hergeleitet werden, dass die Abstützung für einen Bodenbereich der Führungsrinne ein Unterfangen der Führungsrinne erfordert, wie es im Stand der Technik bekannt war. Die Klagepatentansprüche haben nicht einmal eine Wortwahl, wie sie bei der Würdigung des Standes der Technik zum Ausdruck kommt (Abs. [0002]: „über ihre gesamte Quererstreckung unterstützen“; Abs. [0004]: „bodenseitige Aufnahme“; Abs. [0005]: „unterseitig über ihre gesamte Breite durch die Halterung abgestützt“), sondern verwenden mit der „Abstützung für einen Bodenbereich der Führungsrinne“ eine abweichende Begrifflichkeit.
  54. d)
    Die Beschreibung und die Zeichnungen des Klagepatents liefern ebenfalls keinen Beleg dafür, dass mit dem Merkmal 2 jedenfalls ein teilweises Untergreifen des Bodens der Führungsrinne verlangt ist. Vielmehr ergibt sich daraus, dass auch ein seitliches Abstützen im unteren Bereich der Führungsrinne genügt.
  55. Soweit das Klagepatent darauf hinweist, dass die Abstützung in Abgrenzung des Aufnahmeraums über einen Stützbereich in Querrichtung von dem Höhenabschnitt weg vorkragen kann, um so die Abstützung des Aufnahmeraums bodenseitig zumindest teilweise zu begrenzen (Abs. [0013]), schließt dies ein Verständnis von Merkmal 2 im Sinne einer nur seitlichen Abstützung nicht aus. Denn zum einen liegt das Augenmerk dieser Textstelle auf eine vom Höhenabschnitt vorkragende Abstützung, die sich so im Wortlaut der Klagepatentansprüche nicht wiederfindet. Weiterhin ist von einem Bodenbereich in diesem Zusammenhang keine Rede, sondern nur von einem Stützbereich, der den Aufnahmeraum bodenseitig begrenzt. Darüber hinaus ist die dargestellte Gestaltung durch die fortlaufende Verwendung des Wortes „kann“ (Sp. 4 Z. 14, 16, 26, 28 und 32) nur eine Gestaltungsmöglichkeit. Dementsprechend findet sich die dargestellte Gestaltungsmöglichkeit auch erst in den Unteransprüchen 3 bis 5. Insofern ist zu beachten, dass Unteransprüche regelmäßig den Gegenstand des Hauptanspruchs nicht einengen, sondern, nicht anders als Ausführungsbeispiele, lediglich – gegebenenfalls mit einem zusätzlichen Vorteil verbundene – Möglichkeiten seiner Ausgestaltung aufzeigen (BGH Urt. v. 10.05.2016 – X ZR 114/13 – Wärmetauscher). Rückschlüsse auf das Merkmal 2 lassen sich aus dem Unteranspruch 3 insoweit ziehen, als der Hauptanspruch 1 jedenfalls kein Vorkragen der Abstützung verlangt, ohne ein solches Vorkragen aber auch ein bodenseitiges vertikales Unterfangen der Führungsrinne schwerlich vorstellbar ist.
  56. e)
    Das Klagepatent schlägt in seiner Beschreibung als Alternative zur vorerwähnten bodenseitigen Begrenzung des Aufnahmeraums oder zusätzlich dazu vor, die Abstützung als Nut auszubilden, die zur Aufnahme eines vorgesehenen zweiten Vorsprungs der Führungsrinne in Höhenrichtung geöffnet ist (Abs. [0014]). Insbesondere kann sich der zweite Vorsprung außenseitig von der Führungsrinne in Querrichtung weg erstrecken. Er kann in der Nut verrasten, wodurch ein fester Sitz der Führungsrinne an der Halterung weiter verbessert werden kann (Abs. [0014]). Zeichnerische Darstellungen dieser Ausführungsform finden sich in Figur 9 bis 16 (mit nach oben geöffneter Nut der Abstützung).
  57. Bemerkenswert ist zunächst, dass der zweite Vorsprung, soweit er sich außenseitig in Querrichtung von der Führungsrinne weg erstreckt, nicht mehr Teil des Bodens der Führungsrinne ist. Dies ist eine weitere Bestätigung dafür, dass der im Merkmal 2 erwähnte Bodenbereich nicht auf den Boden der Führungsrinne oder einen Abschnitt dieses Bodens beschränkt ist, sondern einen Teil der Führungsrinne im Bereich des Bodens meint, allgemein also den unteren Bereich der Führungsrinne.
  58. Schließlich kann ausgehend von diesem Ausführungsbeispiel auch die im Merkmal 2 genannte Abstützung nicht dahingehend verstanden werden, dass sie zumindest auch in vertikaler Richtung wirken muss, also die Führungsrinne in irgendeiner Weise unterfangen oder untergreifen muss. Denn in der Figur 16 ist eine Gestaltung gezeigt, in der die Führungsrinne mit den zweiten Befestigungsmitteln der Halterung lagefixiert ist und im Bodenbereich keine vertikale Abstützung mehr erfährt. Der sich seitlich vom Boden der Führungsrinne erstreckende zweite Vorsprung der Führungsrinne befindet sich in der die Abstützung bildenden Nut, ohne dass er – wie dies ggf. in Figur 15 gezeigt ist – den Nutgrund bzw. seine vertikale Endposition in der Nut erreicht (vgl. auch Abs. [0036]). In dieser Anordnung wird die Führungsrinne im Bodenbereich allein in seitlicher Richtung abgestützt. Demnach ist eine Abstützung in vertikaler Richtung nicht zwingend erforderlich. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Unteranspruch 6, der lediglich dieses Ausführungsbeispiel zum Gegenstand hat und im Übrigen nicht geeignet ist, den Klagepatentanspruch 1 darüber hinaus einzuschränken.
  59. f)
    Im Übrigen enthält die Klagepatentschrift keinen eindeutigen Hinweis darauf, dass die Abstützung für einen Bodenbereich der Führungsrinne zwingend als Unterfangen der Führungsrinne mit einer Abstützung in vertikaler Richtung verstanden werden muss. Soweit in der Beschreibung des Klagepatents von einer Abstützung gegen Höhenrichtung die Rede ist (vgl. Abs. [0015]), handelt es sich um eine alternative Ausführungsform, auf die die Auslegung der Klagepatentansprüche nicht beschränkt werden darf. Gleiches gilt für den Unteranspruch 7, der ausschließlich auf den Unteranspruch 6 rückbezogen ist, der lediglich die Abstützung in Form einer in Höhenrichtung geöffneten Nut zum Gegenstand hat, wie sie beispielhaft auch in den bereits angesprochenen Zeichnungen 15 und 16 dargestellt ist.
  60. Soweit das Klagepatent einen Stützbereich in Form einer L-förmigen Ausnehmung vorschlägt, in der sich die Führungsrinne im Bodenbereich seitlich abstützt (Abs. [0031]), kann letztlich dahinstehen, ob damit eine Abstützung in seitlicher Richtung gemeint ist oder nur ein auf eine Seite der Führungsrinne beschränktes Unterfangen der Rinne. Auch hier handelt es sich lediglich um ein Ausführungsbeispiel, das nicht geeignet ist, die weiter gefassten Patentansprüche zu beschränken.
  61. g)
    Schließlich lässt sich auch nicht mit den Äußerungen der Klägerin im Erteilungsverfahren eine Auslegung begründen, nach der die Abstützung zwingend ein vertikales Unterfangen des Bodens der Führungsrinne umfasst. Im Streifall erfolgten die Äußerungen anlässlich des Einwands mangelnder Klarheit, ohne dass damit zwingend ein beschränkendes Verständnis von Merkmal 2 einherging, zumal Äußerungen des Anmelders im Erteilungsverfahren lediglich indiziellen Charakter haben und die Auslegung durch das Verletzungsgericht grundsätzlich nicht beschränken, auch wenn sie einen Hinweis darauf liefern können, wie der Fachmann einen bestimmten Begriff oder ein bestimmtes Merkmal verstehen wird. Im Streitfall gibt es keinen zwingenden Grund dafür, dass die Abstützung für einen Bodenbereich der Führungsrinne immer auch ein bodenseitiges Unterfangen der Rinne umfassen muss. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Hinweis der Einspruchsabteilung in der Einspruchsentscheidung zum Klarheitseinwand (Ziff. 5.3 der Anlage K 12), der Begriff des Bodenbereichs sei unverändert im erteilten Anspruch und im Hilfsantrag III enthalten. Eine bestimmte Bewertung der Ausführungen der Klägerin im Erteilungsverfahren geht damit ebenso wenig einher wie ein bestimmtes Verständnis des Begriffs „Bodenbereich“.
  62. 2.
    Gemäß dieser Auslegung verwirklichen die angegriffenen Ausführungsformen das Merkmal 2 der beiden Klagepatentansprüche.
  63. a)
    Bei der angegriffenen Ausführungsform A befindet sich an der Halterung ein sich seitlich erstreckender Vorsprung, an dem die Rinne in ihrem unteren Bereich anliegt. Es handelt sich um eine Abstützung für einen Bodenbereich der Führungsrinne. Dass die Unterkante des Vorsprungs 1,5 mm oberhalb der Unterkante der Führungsrinne liegt (oder 4,38 mm, wenn die Rundung an der Unterseite des Vorsprungs einbezogen wird), ist unschädlich, weil die Abstützung im unteren Bereich der Führungsrinne und damit für den Bodenbereich erfolgt. Trotz der unterschiedlichen Maße der Führungsrinnen sind die Seitenwände aller für die Variante A beworbenen Führungsrinnen, an denen sie in die Klemmaufnahme eingehängt werden, für alle Größen und Untervarianten der angegriffenen Ausführungsform A gleich lang, so dass der Versatz zwischen der Unterkante des Vorsprungs und der Unterkante der Führungsrinne immer gleich ist. Etwas anderes behauptet die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 5. Mai 2020 auch nicht. Die beiden Kanalhalter der angegriffenen Ausführungsformen unterscheiden sich nur dahingehend voneinander, dass der Kanalhalter XXX anders als der Kanalhalter XXX unterhalb des Vorsprungs weitere erste Befestigungsmittel zu Befestigung am Aufbau aufweist. An der Verwirklichung des Merkmals 2 durch die angegriffene Ausführungsform ändert dies nichts.
  64. b)
    Die Ausführungen zur angegriffenen Ausführungsform A gelten für die angegriffene Ausführungsform C in gleicher Weise. Dass die Variante C in liegender Position montiert werden soll, ist unbeachtlich. Ungeachtet ihrer Verwendung verwirklicht die angegriffene Ausführungsform C sämtliche Merkmale der beiden Klagepatentansprüche wortsinngemäß. Unstreitig ließe sich die Variante C auch in aufrechter Position verwenden. Weiterhin ist unschädlich, dass die Unterkante des sich seitlich vom Kanalhalter erstreckenden Vorsprungs sogar etwa einen Zentimeter oberhalb der Unterkante der Führungsrinne liegt (oder 11,48 cm, wenn wieder die Rundung an der Unterseite des Vorsprungs einbezogen wird). Denn auch dann erfolgt die Abstützung im unteren Bereich der Führungsrinne, mithin für einen Bodenbereich der Führungsrinne.
  65. III.
    Durch Angebot und Vertrieb der angegriffenen Ausführungsformen macht die Beklagte von der Lehre des Klagepatents unberechtigt Gebrauch. Daraus ergeben sich die nachstehenden Rechtsfolgen.
  66. 1.
    Die Beklagte ist der Klägerin gemäß Art. 64 Abs. 1 EPÜ, § 139 Abs. 1 PatG zur Unterlassung verpflichtet, da die Benutzung des Erfindungsgegenstands ohne Berechtigung erfolgt.
  67. 2.
    Weiterhin hat die Klägerin gegen die Beklagte dem Grunde nach einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ, § 139 Abs. 1 und 2 PatG, weil die Beklagte die Patentverletzung schuldhaft beging. Als Fachunternehmen hätte sie die Patentverletzung bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt zumindest erkennen können, § 276 BGB. Es ist auch nicht unwahrscheinlich, dass der Klägerin als Inhaberin des Klagepatents durch die Patentverletzung ein Schaden entstanden ist. Das für die Zulässigkeit des Feststellungsantrags gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich daraus, dass die Klägerin derzeit nicht in der Lage ist, den konkreten Schaden zu beziffern und ohne eine rechtskräftige Feststellung der Schadensersatzpflicht die Verjährung von Schadensersatzansprüchen droht.
  68. 3.
    Ebenso besteht dem Grunde nach ein Anspruch auf Zahlung einer angemessenen Entschädigung aus Art. II § 1 Abs. 1 IntPatÜG. Die Klägerin benutzte den Gegenstand der europäischen Patentanmeldung, obwohl sie jedenfalls wissen musste, dass die von ihr benutzte Erfindung Gegenstand der Anmeldung war.
  69. 4.
    Der Klägerin steht gegen die Beklagte auch ein Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ, § 140b Abs. 1 PatG, §§ 242, 259 BGB zu. Der Anspruch auf Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der angegriffenen Ausführungsform ergibt sich aufgrund der unberechtigten Benutzung des Erfindungsgegenstands unmittelbar aus § 140b Abs. 1 PatG, der Umfang der Auskunftspflicht aus § 140b Abs. 3 PatG. Die weitergehende Auskunftspflicht und die Verpflichtung zur Rechnungslegung folgen aus §§ 242, 259 BGB, damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadensersatzanspruch zu beziffern. Die Klägerin ist auf die tenorierten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt, und die Beklagte wird durch die von ihr verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet.
  70. 5.
    Weiterhin hat die Klägerin gegen die Beklagte aufgrund der unberechtigten Benutzung des Klagepatents einen Anspruch auf Vernichtung der angegriffenen Ausführungsformen sowie ihren Rückruf und die Entfernung aus den Vertriebswegen gemäß Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 140a Abs. 1 und 3 PatG.
  71. B
    Eine Aussetzung der Verhandlung ist nicht veranlasst. Es ist nicht hinreichend wahrscheinlich, dass das Klagepatent abweichend von der Entscheidung der Einspruchsabteilung des EPA von der Beschwerdekammer widerrufen wird.
  72. Ist eine erstinstanzliche Einspruchsentscheidung ergangen, hat das Verletzungsgericht diese Entscheidung grundsätzlich hinzunehmen. Ist die Argumentation im Rechtsbestandsverfahren nachvollziehbar und vertretbar, besteht für eine Aussetzung keine Veranlassung. Sie ist erst dann geboten, wenn die Rechtsbestandsentscheidung auf für das Verletzungsgericht nachweisbaren unrichtigen Annahmen oder einer nicht mehr vertretbaren Argumentation beruht oder wenn mit dem Rechtsmittel gegen die Rechtsbestandsentscheidung weiterer Stand der Technik präsentiert wird, der mit der gebotenen Wahrscheinlichkeit eine Vernichtung des Klagepatents erwarten lässt (Kühnen, Hb. d. Patentverletzung, 12. Aufl.: Kap. E Rn 787). Davon ist im Streitfall nicht auszugehen, nachdem die Einspruchsabteilung des EPA das Klagepatent auf den Hilfsantrag III eingeschränkt aufrechterhalten hat.
  73. Die Beklagte hat, nachdem die Begründung der Einspruchsentscheidung verfügbar war, nicht aufgezeigt, in welcher Hinsicht die Entscheidung nach ihrer Auffassung auf unrichtigen Annahmen oder einer unvertretbaren Argumentation beruht. Auch neuen Stand der Technik hat sie nicht präsentiert, der einen Widerruf des Klagepatents in der beschränkt aufrechterhaltenden Fassung wahrscheinlich macht. Die Beklagte hat sich zunächst überhaupt nur gegen die erteilte Fassung des Klagepatents gewandt. Erstmals mit der Triplik hat sie unter Berufung auf den Zwischenbescheid des Deutschen Patent- und Markenamtes (DPMA) im Löschungsverfahren zum parallelen Gebrauchsmuster die Ansicht vertreten, die Einspruchsabteilung habe das Klagepatent in der Fassung des Hilfsantrags III zu Unrecht aufrechterhalten. Dies vermag eine Aussetzung der Verhandlung nicht zu begründen, zumal bislang unklar ist, ob die Beklagte gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung überhaupt Beschwerde eingelegt hat oder einlegen wird.
  74. I.
    Es ist nicht ersichtlich, dass die Einspruchsabteilung den von der Beklagten erhobenen Einwand der unzulässigen Erweiterung, den das DPMA im parallelen Löschungsverfahren für erfolgreich erachtet, übersehen oder fehlerhaft beschieden hat.
  75. 1.
    Die Beklagte hat hinsichtlich Anspruch 1 in der erteilten Fassung geltend gemacht, der Wechsel von einer Halterung, die sich „mit einem Höhenabschnitt seitlich eines vorgesehenen Aufnahmeraumes für die Führungsrinne erstreckt“, zu einer Halterung, die sich „mit einem Höhenabschnitt seitlich eines vorgesehenen Aufnahmeraumes für die Führungsrinne erstreckend anordenbar ist“, begründe eine unzulässige Erweiterung. Dieser Einwand ist nunmehr unbeachtlich, weil der Anspruch 1 in der erteilten Fassung widerrufen wurde und Anspruch 1 in der Fassung des Hilfsantrags III maßgebend ist. Abgesehen davon hat sich die Einspruchsabteilung mit dem Einwand der unzulässigen Erweiterung auseinandergesetzt und zutreffend ausgeführt, Anspruch 1 in der erteilten Fassung beziehe sich allein auf die Halterung, die Merkmale der Führungsrinne seien lediglich Zweckangaben und keine strukturellen Merkmale, so dass die Erstreckung des Höhenabschnitts seitlich des Aufnahmeraums auch kein strukturelles Merkmal der Halterung sei. Soweit das DPMA in dem Zwischenbescheid im Löschungsverfahren zum parallelen Gebrauchsmuster mit dem wortlautidentischen Schutzanspruch 1 erklärt hat, der erteilte Anspruch 1 des Klagepatents umfasse auch die Möglichkeit, dass die Halterung nicht seitlich eines Aufnahmeraumes angeordnet sei, vermag dies aus den vom EPA genannten Gründen nicht zu überzeugen.
  76. Dass der nunmehr vom EPA erstinstanzlich aufrechterhaltene Anspruch 1 in der Fassung des Hilfsantrags III auch die Führungsrinne umfasst, führt letztlich zu keinem anderen Ergebnis. Aus der Gesamtheit der Anmeldeunterlagen, von denen mangels Vorlage der Patentanmeldung angenommen wird, dass sie mit der Beschreibung des Klagepatents weitgehend identisch ist, ergibt sich, dass Halterung und Führungsrinne zwei getrennte Bauteile sind. Insofern muss nicht nur die Führungsrinne in die Halterung einsetzbar, also anordenbar sein, sondern von der Abstützung für den Bodenbereich der Führungsrinne sind die zweiten Befestigungsmittel auch in Höhenrichtung beabstandet, was zwangsläufig dazu führt, dass sich die Halterung immer seitlich des vorgesehenen Aufnahmeraumes für die Führungsrinne erstreckt.
  77. 2.
    Soweit die Beklagte geltend macht, es stelle eine unzulässige Erweiterung dar, weil es im Merkmal 6.4.2 nunmehr „einschiebbar“ statt „einführbar“ heiße, ist nicht ersichtlich, dass dieser Einwand überhaupt in das Einspruchsverfahren eingeführt wurde. Abgesehen davon trägt die Beklagte selbst nicht vor, welchen Bedeutungsunterschied es zwischen den beiden Begriffen geben soll, der eine unzulässige Erweiterung begründen könnte. Die Beklagte stützt sich vielmehr allein auf den Zwischenbescheid des DPMA im Löschungsverfahren zum parallelen Gebrauchsmuster, der keine weiter gehende Begründung enthält.
  78. II.
    Die Klägerin hat zuletzt gestützt auf den Zwischenbescheid des DPMA noch einmal auf die E4 (DE 201 11 XXX U1) als neuheitsschädlichen Stand der Technik abgestellt. Die E4 lag jedoch im Einspruchsverfahren vor und ist daher kein neuer Stand der Technik. Zu Recht hat sich die Einspruchsabteilung mit der E4 nicht näher befasst, weil sie weiter von der erfindungsgemäßen Lösung entfernt ist als die von der Einspruchsabteilung im Einzelnen behandelten Entgegenhaltungen.
  79. Die E4 offenbart keine zweiten Befestigungsmittel im Sinne der Merkmalsgruppe 6. Denn die zweiten Befestigungsmittel sind patentgemäß als Klemmaufnahme und Klemmelement ausgebildet, wobei die Klemmaufnahme in Höhenrichtung geöffnet ausgebildet ist. Ein sich seitlich von der Führungsrinne erstreckender erster hakenförmiger Vorsprung soll von dieser Klemmaufnahme aufgenommen und mit dem Klemmelement in der Klemmaufnahme in einer Klemmlage ausgebildet sein. Bei der E4 kommen als zweite Befestigungsmittel nur das obere L-Profil 60 und das Klemmelement 96 in Betracht. Es begegnet bereits Zweifeln, das L-Profil 60 als eine in Höhenrichtung geöffnet ausgebildete Klemmaufnahme anzusehen. Jedenfalls aber dient das Klemmelement 96 nicht dazu, den hakenförmigen Vorsprung der Dachrinne, die auf diesem oberen L-Profil 60 eingehängt wird, in der Klemmaufnahme in einer Klemmlage einzuklemmen. Das Klemmelement 96 befindet sich stattdessen unterhalb des oberen L-Profils und klemmt den unteren hakenförmigen Vorsprung der Rinne gegen das untere L-Profil 62 der Halterung. Das untere L-Profil 62 kann mit dem Klemmelement 96 nicht als zweite Befestigungsmittel angesehen werden, weil es die Abstützung für den Bodenbereich bildet und nicht von ihr höhenbeabstandet ist. Das Klemmelement kann auch nicht einfach oberhalb des oberen L-Profils 60 angeordnet werden, weil es dort nicht geklemmt werden kann.
  80. C
    Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1 S. 1, 269 Abs. 3 S. 2 ZPO. Die Kostenquote ergibt sich aus der Teilklagerücknahme hinsichtlich der ursprünglich angegriffenen Ausführungsform B.
  81. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 und 2 ZPO.

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