4b O 121/18 – Walzenmantel

Düsseldorfer Entscheidungsnummer: 3017

Landgericht Düsseldorf

Urteil vom 18. Juni 2020, Az. 4b O 121/18

  1. I. Die Beklagte wird verurteilt,
  2. 1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfalle bis zu zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an dem jeweiligen Vorstand der Beklagten zu vollziehen ist, zu unterlassen,
  3. Walzenmäntel zur Behandlung einer Papier-, Karton-, Tissue- oder einer anderen Faserstoffbahn in einer Maschine zur Herstellung und/oder Veredelung derselben bestehend aus mehreren Kunststoffschichten, von denen wenigstens eine kompressibel ausgebildet ist, und zumindest einem Trägerelement in Form eines Gewebes oder Fadengeleges, wobei wenigstens ein Trägerelement in eine kompressible Kunststoffschicht eingebettet ist und wobei wenigstens eine der Kunststoffschichten inkompressibel ist,
  4. in der Bundesrepublik Deutschland herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
  5. bei denen die Außenseite des Walzenmantels Rillen und/oder Blindbohrungen aufweist und von einer inkompressiblen Kunststoffschicht gebildet ist, wobei die Rillen und/oder Blindbohrungen sich vollständig innerhalb der inkompressiblen Kunststoffschicht befinden.
  6. 2. der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie die vorstehend zu I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 18. Juni 2011 begangen hat, und zwar unter Angabe
  7. a) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
    b) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
    c) der Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden;
  8. wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
  9. 3. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die vorstehend zu I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 18. Juni 2011 begangen hat, und zwar unter Angabe
  10. a) der Herstellungsmengen und -zeiten,
    b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen,
    -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,
    c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen,
    -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
    d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
    e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
  11. wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
  12. 4. die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder in ihrem Eigentum befindlichen, vorstehend zu I.1. bezeichneten Erzeugnisse an einen von der Klägerin zu benennenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten herauszugeben oder nach ihrer Wahl selbst zu vernichten;
  13. 5. die unter I.1. bezeichneten, in Verkehr gebrachten Erzeugnisse gegenüber den gewerblichen Abnehmern unter Hinweis auf den gerichtlich festgestellten patentverletzenden Zustand der Sache und mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen und die Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen.
  14. II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die vorstehend zu I.1. bezeichneten und seit dem 18. Juni 2011 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
  15. III. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
  16. IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 1.000.000,00 EUR, wobei für die Vollstreckung der einzelnen titulierten Ansprüche folgende Teilsicherheiten festgesetzt werden:
  17. Ziff. I. 1., 4., 5.: 700.000 EUR
    Ziff. I. 2., 3.: 200.000 EUR
    Ziff. VI.: 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
  18. Tatbestand
  19. Die Klägerin ist Teil der Voith-Unternehmensgruppe. Sie nimmt die Beklagte wegen Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents EP 1 971 XXX (nachfolgend: Klagepatent) auf Unterlassung, Auskunft, Rechnungslegung, Vernichtung, Rückruf sowie Feststellung der Schadensersatzpflicht in Anspruch.
  20. Als Inhaberin des Klagepatents ist im Patentregister die A GmbH eingetragen, die das Klagepatent am 8. November 2006 unter Inanspruchnahme einer Priorität vom 17. Dezember 2005 anmeldete. Der Hinweis auf die Erteilung des Klagepatents wurde am 18. Mai 2011 veröffentlicht. Das Klagepatent steht in Kraft. Gegen das Klagepatent wurde am 13. August 2019 Nichtigkeitsklage erhoben, über die noch nicht entschieden wurde.
  21. Das in deutscher Verfahrenssprache erteilte Klagepatent betrifft einen Walzenmantel zur Behandlung einer Papier-, Karton-, Tissue- oder einer anderen Faserstoffbahn in einer Maschine zur Herstellung und/oder Veredelung derselben. Der von der Klägerin geltend gemachte Patentanspruch 1 lautet:
  22. „Walzenmantel (3) zur Behandlung einer Papier-, Karton-, Tissue- oder einer anderen Faserstoffbahn (1) in einer Maschine zur Herstellung und/oder Veredelung derselben bestehend aus mehreren Kunststoffschichten (6, 7, 8), von denen wenigstens eine kompressibel (6) ausgebildet ist und zumindest einem Trägerelement (5) in Form eines Gewebes, oder Fadengeleges, wobei wenigstens ein Trägerelement (5) in eine kompressible Kunststoffschicht (6) eingebettet ist und wobei wenigstens eine der Kunststoffschichten (6, 7, 8) inkompressibel (7, 8) ist, dadurch gekennzeichnet, dass die Außenseite des Walzenmantels (3) Rillen und/oder Blindbohrungen aufweist und von einer inkompressiblen Kunststoffschicht (7) gebildet ist, wobei die Rillen (9) und/oder Blindbohrungen sich vollständig innerhalb der inkompressiblen Kunststoffschicht (7) befinden.“
  23. Hinsichtlich der „insbesondere“ geltend gemachten Unteransprüche wird auf die Klagepatentschrift verwiesen.
    Die folgenden Zeichnungen stammen aus der Klagepatentschrift. Figur 1 zeigt einen Walzenmantel mit inkompressibler Außenschicht und Figur 2 einen Walzenmantel mit inkompressibler Innen- und Außenschicht:
  24. Einen schematischen Querschnitt durch eine Pressanordnung zeigt Figur 3:
  25. Mit Vereinbarung vom 30. September 2004 übertrug die B GmbH & Co. KG, später firmierend unter C GmbH & Co. KG der E GmbH das Recht,
  26. „[…] (to) prepare all patent and utility model applications for each jurisdiction where such industrial property right protection is sought; prosecute the same; maintain all said industrial property rights on a current basis as required by the applicable laws of each jurisdiction in which such protection has been afforded.”
    (Ziffer 1.1 der Anlage K 1)
  27. Weiter vereinbarten die Vertragsparteien in Ziffer 2.3 der Vereinbarung:
  28. „On consultation with D (B GmbH & Co. KG) shall decide whether infringements of its industrial property rights shall be prosecuted or not. In the affirmative, VPPG shall be responsible for the performance of such prosecution.”
  29. Hinsichtlich des weiteren Inhalts der Vereinbarung wird auf die Anlage K 1 Bezug genommen.
  30. Am 26. September 2018 unterzeichneten die Prokuristen E und F für die C GmbH & Co. KG und die Prokuristen E und G für die A GmbH eine Vereinbarung, wonach
  31. „die A GmbH die C GmbH & Co. KG vorsorglich [ermächtigt], alle Ansprüche, die durch die Verletzung des europäischen Patents EP 1 971 XXX durch die H Aktiengesellschaft entstanden sind und in Zukunft entstehen werden im eigenen Namen gerichtlich geltend zu machen. Etwaige Ansprüche der A GmbH (z.B. Schadensersatz, Auskunftserteilung, Rechnungslegung), die infolge der Verletzung des vorstehend genannten Patents durch die H AG bei der A GmbH entstanden sind, tritt die A GmbH zusätzlich hiermit an die C GmbH & Co. KG ab, die diese Abtretung hiermit annimmt.“
  32. Hinsichtlich des weiteren Inhalts dieser Vereinbarung wird auf die Anlage K 4 Bezug genommen.
  33. Die Beklagte, früher firmierend unter H AG, ist ein in Düren ansässiges Unternehmen, dessen Geschäftsbetrieb unter anderem auf die Herstellung und den Vertrieb von Walzen und Walzenmänteln gerichtet ist. Die Beklagte stellt unterschiedliche Walzenmäntel her, die sie als Schuhpressmäntel („shoe press belts“) bezeichnet. Sie bietet diese unter anderem unter der Bezeichnung „J“ wie folgt an:
  34. Nachfolgend sind mikroskopische Aufnahmen eines Schnitts und 3-dimensionale µ-Computertomografische Untersuchungen eines von der Klägerin untersuchten Musters eines Schuhpressmantels wiedergegeben, wobei Herkunft und Behandlung des Musters zwischen den Parteien streitig sind.
  35. (Seite 18 der Klageschrift)
  36. (Anlage K 11)
  37. (Anlage K 16)
  38. Die Schuhpressmäntel werden sowohl mit glatter Oberfläche als auch mit Rillen oder Blindbohrungen und schließlich in einer Kombination von Blindbohrung und Rillen angeboten. Mit der Klage angegriffen sind sämtliche Varianten des Typs „J“ mit Ausnahme der mit glatter Oberfläche, die Lufteinschlüsse wie die von der Klägerin untersuchten aufweisen.
  39. Die Beklagte hat ihrerseits Rückstellmuster von Schuhpressmänteln des Typs „J“ untersucht. Nachstehend sind µ-Computertomografische Untersuchungen der Probe 615 wiedergegeben. Die ersten Abbildungen zeigen drei Schnittansichten (quer, längs und horizontal) der Probe (Bl. 23 von der Beklagten vorgelegten Gutachtens gemäß Anlage MB 10).
  40. Weiterhin sind zwei 3D-Ansichten durch den Walzenmantel der angegriffenen Ausführungsform abgebildet (Bl. 38 des von der Beklagten vorgelegten Gutachtens gemäß Anlage MB 10)
  41. in einer vollständigen Darstellung mit Poren und Fadenlage in gleicher Farbe:
  42. und in einer Darstellung der Poren ohne die Fadenlage:
  43. Die Klägerin behauptet, die in der Vereinbarung vom 30. September 2004 genannte E GmbH habe später umfirmiert in A GmbH, die im Patentregister als Inhaberin des Klagepatents eingetragene Gesellschaft. Bei der ebenfalls in der Vereinbarung genannten K GmbH & Co. KG handele es sich um die Rechtsvorgängerin der Klägerin. Nach zwei – insofern unstreitigen – Umfirmierungen in C GmbH & Co. KG sei diese Gesellschaft durch Anwachsung auf die Klägerin übergegangen, wobei die Klägerin – insofern unstreitig – durch Ausscheiden der einzigen Kommanditistin als einzige Gesellschafterin verblieben sei. Die Klägerin ist der Ansicht, bei der Vereinbarung vom 30. September 2004 handele es sich um einen Treuhandvertrag. Die A GmbH habe lediglich die Aufgabe, die Schutzrechte der Voith-Gruppe zu halten und zu verwalten. Materiell-rechtliche Inhaberin am Klagepatent sei jedoch sie, die Klägerin, und daher sowohl prozessführungsbefugt als auch aktivlegitimiert. Ungeachtet dessen habe die A GmbH am 26. September 2018 aber eine weitere Prozessstandschaftserklärung zugunsten der C GmbH & Co. KG abgegeben (vorgelegt als Anlage K 4), wobei die wirksame Vertretung letzterer von der Beklagten mit Nichtwissen bestritten wird.
  44. Die Klägerin ist der Auffassung, die angegriffene Ausführungsform verwirkliche sämtliche Merkmale des Anspruchs 1 des Klagepatents. Es handele sich um einen Walzenmantel für den Einsatz in einer Maschine zur Herstellung und/oder Veredelung der Faserstoffbahn. Dieser bestehe aus zwei Kunststoffschichten und weise ein Trägerelement auf. Die untere Kunststoffschicht sei kompressibel. Sie weise eine Vielzahl von kleineren dunklen Löchern in der Struktur auf. Es handele sich dabei um Luftbläschen, die zu einer mikrozelligen Struktur dieser Schicht führten und bewirkten, dass die Schicht kompressibel ausgebildet sei. Insofern genüge es, dass die kompressible Kunststoffschicht geeignet sei, Belastungen auf das Trägermaterial zumindest teilweise zu reduzieren. Wie und in welchem Umfang, lasse der Klagepatentanspruch offen. Das Trägerelement bestehe aus einer Fadenverstärkung, die quer zur Umfangsrichtung, also in Längsrichtung des Walzenmantels verlaufe. Diese Fäden seien in die kompressible Kunststoffschicht eingebettet. Die Außenseite des Walzenmantels sei indes von einer inkompressiblen Kunststoffschicht gebildet und weise Rillen oder Blindbohrungen oder eine Kombination von beidem auf, wobei sich die Rillen oder Blindbohrungen vollständig innerhalb der inkompressiblen Kunststoffschicht befänden. Dazu behauptet die Klägerin, sie habe eine Probe einer angegriffenen Ausführungsform untersucht. Der zugehörige Walzenmantel sei von der Beklagten hergestellt und nach China an den Kunden L&M Guangdong geliefert, am 1. Juni 2017 installiert und bis zum 2. November 2017 verwendet worden. Danach sei die Probe gezogen und von der PWT Prüf- und Werkstofftechnik GmbH und auch von ihr, der Klägerin selbst, untersucht worden. Aus diesen Untersuchungen stammten auch die vorgelegten Abbildungen (Blatt 71 der Akte sowie Anlagen K 10, K 11 und K 16).
  45. Die Klägerin beantragt,
  46. – wie erkannt –
  47. hilfsweise zum Antrag zu II., die der A GmbH entstandenen Schäden zu ersetzen.
  48. Die Beklagte beantragt,
  49. die Klage abzuweisen,
  50. hilfsweise, den Rechtsstreit gemäß § 148 ZPO bis zur erstinstanzlichen Entscheidung in dem gegen das Klagepatent DE 50 2006 009 XXX anhängigen Nichtigkeitsverfahren (Az. 4 Ni 55/19) auszusetzen.
  51. Die Beklagte ist der Auffassung, sie verletze das Klagepatent nicht. Die angegriffene Ausführungsform weise ein einheitliches Material (Polyurethan) sowie eine einheitliche Härte dieses Materials und eine einheitliche Kompressibilität auf. Dadurch erweise sich die angegriffene Ausführungsform als wesentlich formstabiler bzw. resistenter gegen Verformungen. Es werde bei der Herstellung auf sämtliche Maßnahmen verzichtet, die klagepatentgemäß erforderlich seien, um das aus Sicht des Klagepatents „inkompressible“ Polyurethan-Material „kompressibel“ zu machen.
  52. Herstellungsbedingt sei nicht zu 100% auszuschließen und sei es technisch unvermeidbar, dass sich in seltenen Einzelfällen um das CD-Trägerelement herum Luftblasen bildeten. Diese entständen wahrscheinlich wegen der Feuchtigkeit in der Umgebungsluft. Die CD-Fäden verhielten sich insofern aufgrund ihrer Vorbehandlung offensichtlich anders als MD-Fäden. Die Bläschen hätten aber keine Auswirkungen auf die Kompressibilität des einheitlichen PU-Materials. Es fehle somit jedenfalls an einer kompressiblen Kunststoffschicht sowie an einem Trägerelement, das in eine kompressible Kunststoffschicht eingebettet sei.
  53. Was die Untersuchungen der Klägerin angehe, bestreitet die Beklagte, die von der Klägerin untersuchten Muster in dieser Form in irgendeiner Weise hergestellt, angeboten, vertrieben oder benutzt zu haben. Weiter bestreitet sie, dass die Probe unmanipuliert sei, ordnungsgemäß gelagert und fachmännisch untersucht worden sei.
    Schließlich ist die Beklagte der Ansicht, dass sich das Klagepatent als nicht rechtsbeständig erweisen werde. Die erfindungsgemäße Lehre stelle sich gegenüber dem Stand der Technik nicht als neu dar und beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
  54. Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
  55. Entscheidungsgründe
  56. Die Klage ist zulässig und begründet.
  57. A
    Die Klage ist zulässig.
  58. Die Klägerin ist prozessführungsbefugt gemäß § 51 ZPO Auch wenn sie nicht im Patentregister eingetragen ist, ergibt sich die Prozessführungsbefugnis aufgrund gewillkürter Prozessstandschaft.
  59. I.
    Bei der Prozessführungsbefugnis handelt es sich um eine das Verfahren betreffende Voraussetzung, die in jeder Lage des Verfahrens, also auch in der Revisionsinstanz, von Amts wegen nach den zum Zeitpunkt der Entscheidung geltenden Regeln zu überprüfen ist. Die Prozessführungsbefugnis ist gegeben, wenn der Kläger berechtigt ist, über das behauptete (streitige) Recht einen Prozess als Partei im eigenen Namen zu führen (BGH, GRUR 2005, 502, 503 – Leistungsschutzrechte der Mitglieder des Bayreuther Festspielorchesters, m.w.N.). Die Berechtigung zur Prozessführungsbefugnis ergibt sich im Patentrecht aus der Eintragung im Patentregister, vgl. § 30 Abs. 3 S. 2 PatG. Danach gilt der eingetragene Patentinhaber nach Maßgabe des Gesetzes als berechtigt und verpflichtet. Aus dieser formalen Stellung folgt somit eine Legitimationswirkung; der genannte Patentinhaber gilt als Berechtigter, und zwar auch für den Verletzungsprozess (Benkard/Schäfers, PatG, 11. Auflage 2015, § 30 Rn. 8a).
  60. 1.
    Im vorliegenden Fall macht die Klägerin, indem sie sich auf die materiell-rechtliche Inhaberschaft am Klagepatent beruft, ein eigenes Recht in eigenem Namen geltend. Dies ist insofern zutreffend, weil die Klägerin materiell-rechtliche Inhaberin des Klagepatents ist. Zwar wurde die A GmbH durch den Erteilungsakt am 18.05.2011 unmittelbar Inhaberin des Klagepatents. Eine „juristische Sekunde“ darauf wurde jedoch die Klägerin aufgrund der Vereinbarungen im Intellectual Property Service Agreement vom 30. September 2004 materiell-rechtliche Inhaberin am Klagepatent.
  61. a)
    Berechtigte und Verpflichtete aus dem Intellectual Property Service Agreement vom 30. September 2004 sind die im Patentregister eingetragene A GmbH und die Klägerin. Soweit die Beklagte die Umfirmierung der in der Vereinbarung genannten E GmbH in die A GmbH und die Wirksamkeit der Anwachsung der B GmbH & Co. KG, später firmierend unter C GmbH & Co. KG, auf die Klägerin mit Nichtwissen bestritten hat, hat die Klägerin diese Umstände durch die als Anlagen K 2 und K 3 vorgelegten Handelsregisterauszüge belegt.
  62. b)
    Bei dem Intellectual Property Service Agreement vom 30. September 2004 handelt es sich um einen Treuhandvertrag, mit dem die A GmbH zwar formal Inhaberin des gesamten von der Klägerin bzw. ihrer Rechtsvorgängerin bestehenden oder zukünftig erworbenen oder entwickelten geistigen Eigentums werden sollte, allerdings nur zu den in der Vereinbarung genannten Zwecken, nämlich zur Anmeldung, Aufrechterhaltung und rechtlichen Durchsetzung von Schutzrechten (vgl. Ziffer 1.1 und 2.3 der Anlage K 1). Gleichwohl sollte die Klägerin allein verfügungsberechtigte Inhaberin an sämtlichen von der Vereinbarung erfassten Rechte an ihrem geistigem Eigentum bleiben, insbesondere auch Einnahmen aus diesen Rechten einschließlich Schadensersatzzahlungen erhalten (vgl. Ziffer 2.2 und 2.5 der Anlage K 1). Ausdrücklich wurde die A GmbH als Treuhänderin bezeichnet (Ziffer 2.4 der Anlage K 1). Da sich die Vereinbarung auch auf zukünftige Schutzrechtspositionen bezieht (vgl. Ziffer 1.1 der Vereinbarung), ist die Regelung in Ziffer 2.2 der Vereinbarung, wonach die Klägerin materiell-rechtliche Inhaberin ihres geistigen Eigentums bleiben sollte, nach ihrem Sinn und Zweck als Vorausverfügung der A GmbH hinsichtlich solcher Schutzrechte auszulegen, an denen sie infolge Anmeldung und Erteilung zunächst selbst die Inhaberschaft erhielt. Demnach behielt die Klägerin nicht nur ihr Recht auf das Patent, sondern erhielt nach der Erteilung des Klagepatents infolge der Vorausverfügung auch materiell-rechtlich das Recht am Patent, während bei der A GmbH nur die formale Registerposition verblieb. Die sachliche Berechtigung am Patent kann insofern von der formellen getrennt sein (BGH, GRUR 2013, 713, Rn. 52 f. – Fräsverfahren; Benkard/Schäfers a.a.O. Rn. 17 m.w.N.).
  63. 2.
    Allerdings ist die Klägerin nicht im Patentregister als Inhaberin des Klagepatents eingetragen. Damit kann sie ihre Prozessführungsbefugnis nicht unmittelbar aus der materiell-rechtlichen Inhaberschaft am Klagepatent ableiten, weil es an der weiter erforderlichen Eintragung im Patentregister fehlt.
  64. II.
    Zur Prozessführung berechtigt ist die Klägerin aufgrund gewillkürter Prozessstandschaft. Diese ist zulässig, wenn der Prozessführende vom Rechtsinhaber zu dieser Art der Prozessführung ermächtigt worden ist und er ein eigenes schutzwürdiges Interesse an ihr hat. Das schutzwürdige Eigeninteresse ist gegeben, wenn die Entscheidung Einfluss auf die eigene Rechtslage des Prozessführungsbefugten hat. Es kann auch durch ein wirtschaftliches Interesse begründet werden (BGH, NJW 2017, 486, Rn. 5 m.w.N.). So liegt es hier.
  65. 1.
    Die Klägerin ist gemäß der Vereinbarung vom 26. September 2018 durch die eingetragene Patentinhaberin ermächtigt worden, „alle Ansprüche, die durch die Verletzung des europäischen Patents EP 1 971 XXX durch die H Aktiengesellschaft entstanden sind und in der Zukunft entstehen werden, im eigenen Namen gerichtlich geltend zu machen.“ Diese Ermächtigung ist im Hinblick auf die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche wirksam (vgl. BGH a.a.O Rn. 7, wonach die gewillkürte Prozessstandschaft in der Regel die Abtretbarkeit des geltend zu machenden Rechts voraussetzt). Soweit die Beklagte die Wirksamkeit der Vertretung der C GmbH & Co. KG beim Abschluss dieser Vereinbarung mit Nichtwissen bestreitet, hat die Klägerin diesen Umstand durch den als Anlage K 3 vorgelegten Handelsregisterauszug belegt. Danach hatten E und F Gesamtprokura gemeinsam mit einem anderen Prokuristen. Gleiches gilt für die A GmbH und die Vertretung durch ihre Prokuristen E und G (Anlage K 2). Soweit es sich bei der Unterzeichnung durch E um ein unzulässiges In-Sich-Geschäft handeln sollte, wurde dies jedenfalls von beiden Seiten mit Vereinbarung vom 15. März 2019 (Anlage K 14) genehmigt und bestätigt.
  66. 2.
    Soweit die Klägerin vorliegend die auf Unterlassung, Rückruf und Vernichtung gerichteten Ansprüche geltend macht, ist sie diesbezüglich wirksam durch die A GmbH ermächtigt worden. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist geklärt, dass ein Anspruch unter Umständen auch dann im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft geltend gemacht werden kann, wenn er nicht abtretbar ist Dies wurde bejaht für den Grundbuchberichtigungsanspruch nach § 894 BGB und für den Herausgabeanspruch nach § 985 BGB. Angenommen wurde dies weiterhin für den Unterlassungsanspruch des Eigentümers aus § 1004 BGB und für den Anspruch wegen Besitzstörung aus § 862 BGB (BGH a.a.O Rn. 7 m.w.N.). Der Unterlassungsanspruch kann ebenfalls in eigenem Namen für Rechnung des ermächtigten Patentinhabers geltend gemacht werden (Grabinski/Zülch in Benkard, Patentgesetz a.a.O. § 139 Rn. 18). Die Ermächtigung bezieht sich auch auf die Ansprüche auf Auskunft, Rechnungslegung und Schadensersatz. Einer Abtretung und Klarstellung in den Anträgen, dass es sich um Schäden der A GmbH handelt, bedurfte es nicht, weil die Klägerin als materiell-rechtlich Berechtigte am Klagepatent unmittelbar selbst Inhaberin dieser Ansprüche wurde. Der Ermächtigung bedarf es nur zur Überwindung der fehlenden Eintragung im Register.
  67. Einer gewillkürten Prozessstandschaft stehen § 30 Abs. 3 S. 2 PatG und das grundsätzliche Erfordernis der Registereintragung nicht entgegen. Denn der materiell-berechtigte Patentinhaber darf hinsichtlich der Prozessführungsbefugnis nicht schlechter gestellt werden als ein lediglich einfacher Lizenznehmer, dessen Rechtsposition im Vergleich um ein Vielfaches schwächer ausgestaltet ist. Zudem sind vorliegend nicht die Übertragungsakte an sich sondern die Wirksamkeit der Prozessstandschaftserklärung streitig. Übertragungsakte, von deren Prüfung das Gericht nach Sinn und Zweck von § 30 Abs. 3 S. 2 PatG entlastet werden sollen, stehen vorliegend nicht in Rede. Schließlich steht auch eine gesetzliche Prozessstandschaft, wie sie etwa § 30 Abs. 3 S. 2 PatG konstituiert, einer weiteren gewillkürten Prozessstandschaft nicht entgegen. So sind Fälle der Rückermächtigung im Zivilprozess nicht ausgeschlossen, etwa wenn der Nachlassverwalter den Erben ermächtigt, Nachlassansprüche im eigenen Namen geltend zu machen, oder der Insolvenzverwalter den Insolvenzschuldner zur Geltendmachung eines zur Masse gehörenden Rechts (Zöller/Althammer, ZPO 33. Aufl.: Vorbem. zu §§ 50-58 Rn 46). Es ist nicht ersichtlich, warum dies im Verhältnis der formell im Patentregister eingetragenen Person zum materiell-berechtigten Inhaber des Patents anders sein sollte.
  68. 3.
    Die Voraussetzungen der gewillkürten Prozessstandschaft im Übrigen liegen vor. Das schutzwürdige Eigeninteresse des Prozessstandschafters muss sich auf das Recht beziehen, zu dessen Geltendmachung er ermächtigt worden ist. Geht es um die Beeinträchtigung eines Rechts, muss es in der Beseitigung der eingetretenen Beeinträchtigung bestehen. Das ist auch für die Anerkennung eines wirtschaftlichen Eigeninteresses erforderlich und bedeutet, dass nicht jedes wirtschaftliche Eigeninteresse des Prozessstandschafters ausreichend ist. Auch dieses muss sich aus der Beziehung zu dem fremden Recht ergeben. Die Zulässigkeit der klageweisen Geltendmachung eines fremden Rechts im eigenen Namen, bei der es sich um einen Ausnahmetatbestand handelt, findet nur dann ihre Rechtfertigung, wenn das Interesse des Prozesstandschafters auf die Verwirklichung gerade dieses Rechts gerichtet ist (BGH, a.a.O. Rn. 10).
  69. Vorliegend ergibt sich das schutzwürdige Eigeninteresse der Klägerin aus ihrer Stellung innerhalb des Konzernverbundes. Die Klägerin hat die dem Patent zugrundeliegende Erfindung gemacht und verwertet diese im Rahmen ihres operativen Geschäfts. Sie ist materiell-rechtliche Inhaberin des Klagepatents. Sie ist zur Nutzung berechtigt und ihr stehen aufgrund der Vereinbarung mit der A GmbH die Erträge aus der Nutzung einschließlich Schadensersatzzahlungen zu. Sie hat damit ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Verfolgung von Rechtsverletzungen bezogen auf das hier streitgegenständliche Patent. Schutzwürdige Belange der Beklagten stehen nicht entgegen.
  70. B.
    Die Klage ist zudem begründet.
  71. Die Klägerin hat gegen die Beklagte Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Vernichtung und Rückruf sowie Schadensersatz dem Grunde nach aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. §§ 139 Abs. 1, 2, 140a Abs. 1 und 3, 140b Abs. 1 und 3 PatG, §§ 242, 259 BGB.
  72. I.
    Die Klägerin ist anspruchsberechtigt. In der Vereinbarung vom 26. September 2018 ist eine Vorausverfügung zu sehen, wonach die Klägerin auch materiell-rechtlich Inhaberin des Klagepatents geworden ist. Auf die Ausführungen zur Prozessführungsbefugnis wird verwiesen.
  73. II.
    Die Erfindung betrifft einen Walzenmantel zur Behandlung einer Papier-, Karton-, Tissue- oder einer anderen Faserstoffbahn in einer Maschine zur Herstellung und/oder Veredelung derselben bestehend aus einer oder mehreren Kunststoffschichten, von denen wenigstens eine kompressibel ausgebildet ist und zumindest einem Trägerelement in Form eines Gewebes, Fadengeleges o.ä.
  74. In der Klagepatentschrift wird ausgeführt, dass derartige flexible Walzenmäntel zur Entwässerung oder Glättung von Faserstoffbahnen gegenwärtig aus einer Polyurethan-Matrix bestehen, die mit einem Gewebe oder Fadenelement verstärkt sei (Abs. [0002]; Textstellen ohne Bezugsangabe stammen aus der Klagepatentschrift). Die Walzenmäntel würden zur Bildung eines Presspalts von einem Anpresselement zu einer Gegenwalze gedrückt. Durchläuft dabei ein Batzen den Pressspalt, könne es zu einer bleibenden Verformung oder einem Bruch des Gewebes oder Fadengeleges kommen (Abs. [0004]). Grund hierfür sei, dass Polyurethan zwar sehr verschleißfest, jedoch auch inkompressibel sei und daher das Material bei Druckbeaufschlagung zur Seite ausweiche (Abs. [0007]). Daher müsse das Gewebe den wesentlichen Teil der Belastung in Form von Zugspannungen aufnehmen. (Abs. [0008]).
  75. Im Stand der Technik seien Pressbänder mit porösen und/oder kompressiblen Schichten bekannt; so beispielsweise aus der US 4,701,XXX, der EP 1 293 XXX, der EP 0 859 XXX, der EP 1 162 XXX und der US 4,552,XXX (Abs. [0009]). Davon ausgehend liegt der Erfindung die Aufgabe (das technische Problem) zugrunde, die Belastung des Tragelements zu vermindern (Abs. [0006]).
  76. Zur Lösung des Problems schlägt das Klagepatent einen Walzenmantel mit den Merkmalen des Anspruchs 1 vor, die nachstehend in gegliederter Form wiedergegeben sind:
  77. 1. Walzenmantel (3) zur Behandlung einer Papier-, Karton-, Tissue- oder einer anderen Faserstoffbahn (1) in einer Maschine zur Herstellung und/oder Veredelung derselben bestehend aus:
    2. mehreren Kunststoffschichten (6, 7, 8), von denen wenigstens eine kompressibel (6) ausgebildet ist, und
    3. zumindest einem Trägerelement (5) in Form eines Gewebes oder Fadengeleges,
    3.1 wobei wenigstens ein Trägerelement (5) in eine kompressible Kunststoffschicht (6) eingebettet ist und
    4. wobei wenigstens eine der Kunststoffschichten (6, 7, 8) inkompressibel (7, 8) ist;
    5. wobei die Außenseite des Walzenmantels (3) Rillen (9) und/oder Blindbohrungen aufweist und von einer inkompressiblen Kunststoffschicht (7) gebildet ist,
    5.1 wobei die Rillen (9) und/oder Blindbohrungen sich vollständig innerhalb der inkompressiblen Kunststoffschicht befinden.
  78. III.
    Ein erfindungsgemäßer Walzenmantel besteht aus mehreren Kunststoffschichten, von denen nach Merkmal 2 wenigstens eine kompressibel ausgebildet sein soll. In diese kompressible Kunststoffschicht soll nach Merkmal 3.1 zumindest ein Trägerelement in Form eines Gewebes oder Fadengeleges eingebettet sein. Insofern bedarf der Anspruch im Hinblick auf den Streit der Parteien der Auslegung.
  79. 1.
    Eine Schicht ist im Sinne des Klagepatents kompressibel, wenn sie infolge von Druckeinwirkung komprimiert, also ihr Volumen verringert bzw. ihre Dichte erhöht wird. In Abgrenzung dazu zeichnet sich eine inkompressible Kunststoffschicht nach der Lehre des Klagepatents dadurch aus, dass das Material – wie etwa Polyurethan – bei Druckbeaufschlagung zur Seite ausweicht (Abs. [0007]). Ein unmittelbarer Zusammenhang der Kompressibilität mit der physikalischen Härte des Materials ist dem Klagepatent hingegen nicht zu entnehmen.
  80. Nach der Beschreibung des Klagepatents war im Stand der Technik das Material Polyurethan als inkompressibel bekannt, so dass das Gewebe den wesentlichen Teil der Belastung in Form von Zugspannungen aufnehmen muss (Abs. [0007] und [0008]). Ausgehend hiervon weist das Klagepatent den Fachmann an, die Kompressibilität der Kunststoffschicht vorzusehen. Die Funktion der Kompressibilität besteht darin, die auf das Trägerelement einwirkenden Zugkräfte zu minimieren. Aufgrund ihrer Elastizität soll sie einen großen Teil einer Druckbeaufschlagung abfangen können (Abs. [0010]). Dies erhöht die Langlebigkeit des Walzenmantels. Ein gewisses Maß an Kompressibilität fordert der Klagepatentanspruch hingegen nicht. Denn nach dem Wortlaut des Klagepatentanspruchs handelt es sich bei der Kompressibilität um ein räumlich-körperliches Merkmal des erfindungsgemäßen Walzenmantels; der Anspruch selbst nennt kein Maß für die Kompressibilität oder für die Eignung zur Druckaufnahme. Die flächig ausgestaltete Schicht muss lediglich einen Beitrag dazu leisten, den üblicherweise auf den Walzenmantel zur Behandlung von Faserstoffbahnen lastenden Druck abzufangen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem bereits erwähnten Absatz [0010], der lediglich davon spricht, dass ein großer Teil einer Druckbeaufschlagung abgefangen werden kann. Die Lehre des Klagepatents ist aber nicht nur auf solche Walzenmäntel beschränkt, die tatsächlich einen Großteil der Druckbeaufschlagung abfangen.
  81. Der Begriff der Kompressibilität trifft nach der Lehre des Klagepatents keine Aussage über die Materialhärte der betreffenden Schicht. Der Wortlaut des Klagepatents stellt hierauf nicht ab; der Begriff hat keinen Eingang in die Patentschrift gefunden. Der Fachmann hat darüber hinaus auch keine Veranlassung den Begriff der Kompressibilität dahingehend auszulegen. Das Klagepatent trifft nach dem Wortlaut lediglich eine Unterscheidung zwischen kompressibler und inkompressibler Kunststoffschicht, wobei Polyurethan als inkompressibel gilt (Abs. [0007]). Der Härtegrad dieses Materials findet keine Erwähnung. Vielmehr beschreibt das Klagepatent in Absatz [0010] die Elastizität sowie in den Absätzen [0017] und [0023] die Kompressibilität und das Stauchungsverhalten der betreffenden Schicht. Soweit die Kompressibilität und die Härte eines Materials miteinander verknüpfte Eigenschaften sein können, stellt das Klagepatent hierauf nicht ab; der Fachmann wird zudem nicht angewiesen, einen bestimmten Materialaufbau der kompressiblen Kunststoffschicht vorzusehen. Verweise der Beklagten auf die DIN EN ISO 868:2003 und Definitionen in Lexika sind unbehelflich. Die Patentschrift stellt insoweit ihr eigenes Lexikon dar.
  82. Wie die Kompressibilität der Kunststoffschicht im Einzelnen hergestellt ist, lässt das Klagepatent offen. Nach einer bevorzugten Ausführung wird diese dadurch erreicht oder verstärkt, dass die betreffende Kunststoffschicht über eine porige, insbesondere mikrozellige Struktur verfügt. Dabei sind mikrozellige Strukturen, welche von geschlossenen, zelligen Blasen innerhalb der Kunststoffschicht gebildet werden, besonders geeignet. Das Klagepatent schlägt vor, diese kompressible Kunststoffschicht von einem Elastomer, insbesondere einem Polyurethan, auszubilden (Abs. [0019]). Durch Zugabe von Wasser im Vernetzer, die infolge einer chemischen Reaktion zur Bildung feinster Kohlendioxidbläschen führt, kann diese Struktur erreicht werden; alternativ weist das Klagepatent den Fachmann an, Luft oder ein inertes Gas beim Herstellen des Elastomers zuzumischen (Abs. [0020] und [0021]).
  83. 2.
    Weiterhin soll das Trägerelement nach Merkmal 3.1 in die kompressible Kunststoffschicht eingebettet sein. Dabei muss sich das Fadengelege erfindungsgemäß innerhalb der Schicht befinden. Der Wortlaut des Klagepatents lässt offen, wie dies im Einzelnen umzusetzen ist, insbesondere ob sich die Schicht auch oberhalb und unterhalb des Fadengeleges befinden muss.
  84. Funktional betrachtet soll das Trägerelement den Walzenmantel verstärken und dessen Langlebigkeit erhöhen. Im Stand der Technik wurde unter anderem inkompressibles Polyurethan für den Walzenmantel eingesetzt, was bei einer Druckbeaufschlagung dazu führte, dass das Trägerelement nahezu die gesamte Belastung in Form von Zugspannung aufnehmen musste (Abs. [0008]). Die Einbettung des Trägerelements in eine kompressible Kunststoffschicht hat nach der Lehre des Klagepatents den Vorteil, dass bereits diese Schicht einen Großteil der Druckbeaufschlagung abfangen kann und das Trägerelement entlastet wird (Abs. [0010]). Dabei ist die erfindungsgemäße Kunststoffschicht als ein flächenmäßiges Gebilde zu sehen, das sich über den Umfang des Walzenmantels erstreckt und in Höhenrichtung einen Abschnitt des Walzenmantels bildet. Für die Kompressibilität dieser Schicht, genügt es daher nicht, dass diese an irgendeiner Stelle komprimiert werden kann. Indes muss sie nicht zwingend homogen sein. Ausgehend von der Funktion, die Krafteinwirkung auf das Trägerelement zu verringern, muss die Kompressibilität flächenmäßig so vorhanden sein, dass sie einen Betrag dazu leistet, die Dehnung des Materials abzufangen. Das „eingebettet sein“ verlangt dafür nicht, dass das Trägerelement von allen Seiten von der kompressiblen Kunststoffschicht umgeben ist. Es ist lediglich erforderlich, dass die vom Klagepatent beschriebene Funktion erfüllt wird. Das kann auch schon dadurch geschehen, dass sich Materialbereiche seitlich neben dem Trägerelement komprimieren lassen mit der Folge, dass Kunststoffmaterial in diese Bereich ausweichen kann und so die Zugkräfte auf das Trägerelement verringert. Dabei ist, worauf die Klägerin in der mündlichen Verhandlung zu Recht hingewiesen hat, zu berücksichtigen, dass die Krafteinwirkung nicht einfach von der Presswalze senkrecht auf das Trägerelement geleitet wird. Vielmehr nimmt sowohl der Batzen Energie auf und auch die inkompressible Schicht verteilt die Kräfte so, dass sie auch in der Fläche, also seitlich wirken.
  85. IV.
    Mit Angebot und Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform macht die Beklagte von der Lehre des Klagepatentanspruchs 1 wortsinngemäß Gebrauch.
  86. 1.
    Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht unstreitig die Merkmale 1, 3 und 4. Bei der angegriffenen Ausführungsform handelt es sich um einen als „Schuhpressmantel“ bezeichneten Walzenmantel gemäß Merkmal 1, der zur Verwendung in der Papierindustrie angeboten wird. Die angegriffene Ausführungsform weist ferner zwei Kunststoffschichten und jedenfalls ein Trägerelement auf gemäß Merkmal 3. Zudem ist wenigstens eine der Kunststoffschichten – nämlich die äußere – inkompressibel.
  87. 2.
    Die angegriffene Ausführungsform weist ferner mit der innengelegenen Schicht eine kompressible Kunststoffschicht auf gemäß Merkmal 2. Dies ergibt sich aus den von den Parteien vorgelegten Abbildungen und Untersuchungen. Das Bestreiten der Kompressibilität dieser inneren Schicht durch die Beklagte ist letztlich nicht erheblich.
  88. a)
    Es kann dahinstehen, ob die von der Klägerin durchgeführten Untersuchungen und die vorgelegten Abbildungen tatsächlich von einer Probe einer angegriffenen Ausführungsform stammen, die die Beklagte in irgendeiner Weise in den Verkehr brachte, und ob diese Probe überhaupt noch Eigenschaften aufzeigt, die dem ursprünglichen Walzenmantel entsprechen. Entscheidend ist der Vortrag der Klägerin, dass die angegriffene Ausführungsform unter anderem zwei Schichten aufweise und in der unteren Schicht ein Trägerelement in Form von CD-Fäden eingelassen sei, die von Gasbläschen umgeben seien, die die Schicht kompressibel machten. Dass die angegriffene Ausführungsform so aufgebaut ist und tatsächlich Gaseinschlüsse in der Umgebung der CD-Fäden aufweisen, hat die Beklagte nicht bestritten. Sie hat sogar zugestanden, dass sich um das CD-Trägerelement herum Luftblasen bilden könnten, die wahrscheinlich wegen der Feuchtigkeit in der Umgebungsluft und aufgrund der Vorbehandlung der CD-Fäden entstehen. Abbildungen einer Probe der angegriffenen Ausführungsform, die in den vorgenannten Eigenschaften den von der Klägerin vorgelegten Abbildungen entspricht (Probe 615), hat die Beklagte sogar mit dem Gutachten des Instituts für Kunststoffverarbeitung (IKV) der RWTH Aachen vom 20. Februar 2020 (Anlage MB 10) vorgelegt. Beide Proben sind in Schichtaufbau und Anordnung der Lufteinschlüsse völlig vergleichbar (vgl. S. 37 f. der Anlage MB 10 mit Anlage K 16 sowie S. 23 der Anlage MB 10 mit Anlage K 11). Der Aufbau der angegriffenen Ausführungsform ist insofern als unstreitig anzusehen.
  89. Dass die Beklagte auch Proben von Walzenmänteln untersucht hat, die in der unteren Schicht keine Lufteinschlüsse aufweisen, ist unbeachtlich. Zum einen stammen diese Proben von Rückstellmustern aus dem Jahr 2019 und damit aus einer Zeit nach Klageerhebung, so dass nicht ausgeschlossen ist, dass die Produktionsbedingungen angepasst wurden. Ungeachtet dessen sind ausgehend von dem Vortrag der Klägerin nur solche Walzenzmäntel als streitgegenständlich anzusehen, die die entsprechenden Lufteinschlüsse aufweisen.
  90. b)
    Dem von der Beklagten vorgelegten Gutachten des IKV vom 20. Februar 2020 ist zu entnehmen, dass die angegriffene Ausführungsform unterschiedlich ausgestaltete flächenmäßige Gebilde aufweist. Diese sind – im Querschnitt betrachtet – als übereinander angeordnet erkennbar. Es handelt sich folglich um Schichten im Sinne des Klagepatents. Zudem hat die Beklagte unstreitig vorgetragen, dass sich die Kunststoffschichten der angegriffenen Ausführungsform in zwei Schritten aufbauen, zunächst die innere Schicht mit den CD-Fäden, anschließend die äußere Schicht mit den MD-Fäden. Dabei wird für beide Schichten unstreitig dasselbe Material, nämlich eine Polyurethanmatrix verwendet.
  91. Die beiden Schichten unterscheiden sich unter anderem dadurch, dass die angegriffene Ausführungsform umfangreiche Gaseinschlüsse im Bereich der unteren Fadenlage, also der CD-Fäden und damit in der unteren Kunststoffschicht aufweist. Die Bläschen sind um die CD-Fäden konzentriert, befinden sich aber auch teilweise unterhalb und zwischen den Querfäden. Dies ergibt sich nicht nur aus den von der Klägerin vorgelegten Abbildungen (Blatt 31 der Akte sowie Anlagen K 10, K 11 und K 16), sondern auch aus den Abbildungen der Probe des Rückstellmusters 615 in dem von der Beklagten eingeholten Gutachten des IKV vom 20. Februar 2020 (S. 36-38 der Anlage MB 10).
  92. Die Existenz der Lufteinschlüsse im Bereich der CD-Fäden führt zwangsläufig zur Kompressibilität der innenliegenden Kunststoffschicht, während die darüber liegende Kunststoffschicht inkompressibel ist. Denn bei einem entsprechenden Druck lässt sich das in der unteren Schicht eingeschlossene Gas komprimieren, das heißt das Volumen der Lufteinschlüsse wird kleiner. Damit geht unweigerlich eine Verringerung des Volumens in diesem Bereich der Kunststoffschicht bzw. eine Erhöhung der Dichte einher. Damit ist die Kunststoffschicht im Bereich der CD-Fäden kompressibel. Genau solche Lufteinschlüsse schlägt auch das Klagepatent in Absatz [0017] zur Erzielung der Kompressibilität vor. Dabei kommt es nicht darauf an, in welchem Umfang die Kunststoffschicht komprimiert werden kann. Ebenso ist es nach zutreffender Auslegung unbeachtlich, dass die Kunststoffschicht nicht über ihre gesamte Ausdehnung homogen kompressibel ist. Auch die Art und Weise, wie die Luftbläschen in der Schicht entstehen, ändert nichts an der Merkmalsverwirklichung. Für die Verletzung eines Vorrichtungsanspruchs genügt es, wenn das angegriffene Produkt die patentgemäß geforderten räumlich-körperlichen Eigenschaften aufweist ungeachtet dessen, wie diese hergestellt oder erzielt wurden. Vor allem ist das Klagepatent nicht auf die Herstellung der Lufteinschlüsse beschränkt, wie sie in Absatz [0020] oder [0021] vorgeschlagen wird. Selbst wenn die Bläschen zufällig und ungewollt entstehen, führt dies nicht aus der Lehre des Klagepatents heraus. Es hat ohnehin den Anschein, dass es der Beklagten ohne weiteres möglich ist, Walzenmäntel ohne Lufteinschlüsse herzustellen, wie die Untersuchungen der weiteren Proben zeigen.
  93. c)
    Die Beklagte hat nicht darzulegen vermocht, dass die Ausbildung von Luftbläschen in der angegriffenen Ausführungsform auf die Kompressibilität des Materials ohne Einfluss ist.
  94. Soweit die Beklagte Stauchungsversuche hat durchführen lassen, hat sie diese am Walzenmantel insgesamt durchgeführt, nicht jedoch an den betreffenden Schichten. Eine Aussage über die Kompressibilität der einzelnen Kunststoffschichten lässt sich so nicht treffen. Abgesehen davon wurde mit dem Stauchungsversuch nicht die Kompressibilität der angegriffenen Ausführungsform gemessen, da Dichte- und Volumenänderungen unbeachtet blieben. Es wurde letztlich nur das Stauchungsmodul ermittelt (vgl. S. 3 f. und 5 f. der Anlage MB 10), das mit dem Elastizitätsmodul insofern in einem unmittelbaren Zusammenhang steht, dass sich der eine Wert auf die Stauchung, der andere auf die Dehnung der Probe bezieht (vgl. S. 8 der Anlage K 18). Beide physikalischen Werte lassen jedoch keinen unmittelbaren Rückschluss auf die Kompressibilität zu. Die Beklagte hat insofern anhand entsprechender physikalischer Formeln belegt, dass es zwar einen Zusammenhang zwischen der Kompressibilität und dem Elastizitätsmodul (und insofern auch mit dem Stauchungsmodul) gibt, wobei die Stärke dieser Abhängigkeit jedoch von der Poissonzahl ν bestimmt wird (vgl. S. 9 f. der Anlage K 18). Das Stauchungs- oder Elastizitätsmodul lässt keine Rückschlüsse auf die Kompressibilität zu.
  95. Soweit der Beklagten nach Schluss der mündlichen Verhandlung nachgelassen war, zu diesem Vortrag und insbesondere zur Poissonzahl Stellung zu nehmen, hat sie nicht dargelegt, dass die Poissonzahl für das Material der unteren Schicht mit den Lufteinschlüssen von der Poissonzahl für das Material der oberen Schicht abweicht und insofern beide Materialien eine unterschiedliche (In-)Kompressibilität aufweisen. Der von der Beklagten vorgelegte Bericht des IKV vom 14.05.2020 (Anlage MB 15) vermag solche Unterschiede in der Poissonzahl nicht zu belegen. Zwar lässt sich dem Bericht entnehmen, dass nunmehr die obere und untere Schicht der Proben gesondert umfangreichen Dehnungsversuchen unterzogen wurden, um die Poissonzahl zu ermitteln. Wie jedoch in dem Bericht selbst konstatiert wird, haben die CD- und MD-Fäden in den Schichten einen erheblichen Einfluss auf die Poissonzahl, da sie die Längs- oder Querdehnung behindern (S. 2 der Anlage MB 15). Eine zuverlässige Bestimmung der Poissonzahl für die beiden Schichten der angegriffenen Ausführungsform ist also so nicht möglich. Soweit der Bericht auch Dehnungsversuche für Proben ohne Fäden enthält, sind deren Ergebnisse unergiebig und damit unerheblich. Dem Bericht lässt sich entnehmen, dass dem IKV seitens der Beklagten auch Proben in Form von Vollmaterialien ohne Fäden bereitgestellt wurden, die vom Anfang bzw. Ende eines Walzenmantelgießprozesses entnommen wurden, und zwar unter anderem von dem Walzenmantel 615. Dem Bericht lässt sich aber nicht entnehmen, dass diese Proben Lufteinschlüsse enthalten. Etwas anderes behauptet auch die Beklagte nicht. Von Lufteinschlüssen im Vollmaterial kann auch deshalb nicht ausgegangen werden, weil die Beklagte selbst vorträgt, die Luftblasen entstünden wahrscheinlich durch Feuchtigkeit an den CD-Fäden im Herstellungsprozess, können mithin nicht entstehen, wenn keine Fäden in das Material eingelassen seien. Für die Poissonzahl und damit die Kompressibilität der Kunststoffschicht mit Luftbläschen sagen die Untersuchungsergebnisse daher nichts aus.
  96. Soweit der Bericht des IKV vom 12. Mai 2020 auch Ergebnisse für Druckversuche in einer Stahlvorrichtung aufführt, vermögen auch diese keine belastbare Poissonzahl für die beiden Kunststoffschichten der angegriffenen Ausführungsform zu liefern. Bei den Untersuchungen wurden die obere und untere Schicht getrennt geprüft und zwar so, dass trotz der Stauchung in axialer Richtung das Material seitlich nicht ausweichen konnte. Auch wenn der Bericht zu dem Ergebnis kommt, dass sich ein durch die Blasen in der unteren Schicht des Walzenmantels 615 abweichendes Verhalten im Vergleich zu anderen Schichten – der oberen Schicht des Walzenmantels 615 bzw. den Schichten eines Walzenmantels ohne Lufteinschlüsse – nicht erkennen lasse (vgl. S. 6 der Anlage MB 15), sind die Ergebnisse nicht geeignet zu zeigen, dass die Lufteinschlüsse in der unteren Schicht der angegriffenen Ausführungsform keine Auswirkungen auf die Kompressibilität haben. Denn auch diese Versuche wurden durchweg mit Material durchgeführt, das die CD- bzw. MD-Fäden noch aufwies. Es lässt sich daher nicht zuverlässig bestimmen, inwieweit die Kompression durch die Lufteinschlüsse oder doch durch das Trägermaterial beeinflusst wurde. Das gilt erst Recht, soweit die Materialien von unterschiedlichen Walzenmänteln stammen. Soweit die Beklagte im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 9. Juni 2020 vorträgt, die eingebetteten Trägerelemente beeinflussten das Versuchsergebnisse der Druckversuche nicht, ist dies ohne jede Substanz und schon deswegen nicht richtig, weil Gegenstand der Untersuchung eben nicht allein das Material der Kunststoffschicht ist, sondern das Material zusammen mit dem Trägerelement. Von letzterem unmittelbar auf die Materialeigenschaften der PU-Matrix mit Lufteinschlüssen ohne Trägermaterial zu schließen, verbietet sich.
  97. Die weiterhin durchgeführte Materialhärtemessung (S. 4 und 6 der Anlage MB 10) trifft ebenfalls – nach der hier maßgeblichen Auslegung – keine Aussage zur Kompressibilität der betreffenden Schichten. Gleiches gilt für den Vortrag, für die Herstellung der angegriffenen Ausführungsform werde durchweg Polyurethan gleicher Härte verwendet. Soweit die Dichte der Probekörper ermittelt wurde, erfolgte dies unabhängig von Kompressionsversuchen (S. 4. und 7 der Anlage MB 10).
  98. Nach alledem kann auf Grundlage der mikroskopischen und der µ-Computertomografischen Aufnahmen nur davon ausgegangen werden, dass die unzweifelhaft nicht nur in geringfügiger Menge vorhandenen Lufteinschlüsse zwangsläufig eine Kompressibilität der unteren Schicht der angegriffenen Ausführungsform in diesem Bereich bewirken, die die obere Schicht in diesem Umfang nicht aufweist. Dies genügt für die Verwirklichung von Merkmal 2.
  99. 3.
    Die Trägerelemente sind in die kompressible Kunststoffschicht der angegriffenen Ausführungsform eingebettet gemäß Merkmal 3.1. Denn aus den von beiden Parteien vorgelegten Untersuchungen ist erkennbar, dass sich die Luftbläschen im Wesentlichen in unmittelbarer Nähe der CD-Fäden des Trägerelements befinden, überwiegend daneben, teilweise darunter und seitlich darüber sowie ein wenig zwischen den einzelnen Fäden. Das Trägerelement in Form der CD-Fäden ist somit nach der hier maßgeblichen Auslegung auch in die kompressible Kunststoffschicht eingebettet.
  100. 4.
    Schließlich verwirklicht die angegriffene Ausführungsform auch die Merkmalsgruppe 5. Dagegen wendet sich die Beklagte allein mit dem Argument, Merkmal 5 enthalte eine und/oder Verknüpfung, die mehrere selbstständige Varianten der technischen Lehre des Klagepatents begründe, für die die Klägerin nicht im vollen Umfang die Verletzung vorgetragen habe. Dem vermag die Kammer nicht zu folgen. Unstreitig gibt es Walzenmäntel des Typs „J“ sowohl mit Rillen, als auch mit Blindbohrungen sowie mit Rillen und Blindbohrungen in der äußeren, inkompressiblen Kunststoffschicht. Sämtliche Varianten hat die Klägerin mit der Klage angegriffen, so dass der Vortrag der Klägerin dahingeht, dass sämtliche Varianten auch die mit den Abbildungen gezeigten Lufteinschlüsse aufweisen. Dem ist die Beklagte nicht erheblich entgegengetreten. Dass die Darstellung der einzelnen Varianten der angegriffenen Ausführungsform in Internet nicht sämtliche Merkmale des Klagepatentanspruchs zeigt, spielt keine Rolle. Nach dem Vorbringen zur Entstehung der Lufteinschlüsse – nämlich durch Feuchtigkeit an den CD-Fäden beim Aufbau der unteren Kunststoffschicht – ist ohnehin davon auszugehen, dass sämtliche Varianten der Walzenmäntel mit der Bezeichnung „J“ auch Schichten aufweisen, die entlang der CD-Fäden Lufteinschlüsse aufweisen und insofern kompressibel sind.
  101. V.
    Da die Beklagte die Erfindung gemäß § 9 S. 2 Nr. 1 PatG unberechtigt benutzt, ohne dazu berechtigt zu sein, ergeben sich die nachstehenden Rechtsfolgen.
  102. 1.
    Die Beklagte ist der Klägerin zur Unterlassung verpflichtet, Art. 64 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 1 PatG, da sie zur Benutzung der patentgemäßen Lehre nicht berechtigt ist.
  103. 2.
    Die Klägerin hat gegen die Beklagte dem Grunde nach einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ, § 139 Abs. 1 und 2 PatG.
  104. Das für die Zulässigkeit des Feststellungsantrags gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich daraus, dass die Klägerin derzeit nicht in der Lage ist, den konkreten Schaden zu beziffern und ohne eine rechtskräftige Feststellung der Schadensersatzpflicht die Verjährung von Schadensersatzansprüchen droht.
  105. Die Beklagte ist zum Schadensersatz verpflichtet, weil sie die Patentverletzung schuldhaft beging. Als Fachunternehmen hätte sie die Patentverletzung bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt zumindest erkennen können, § 276 BGB. Es ist auch nicht unwahrscheinlich, dass der Klägerin durch die Patentverletzung ein Schaden entstanden ist, zumal bereits patentverletzende Erzeugnisse in den Verkehr gebracht wurden.
  106. 3.
    Der Klägerin steht gegen die Beklagte auch ein Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ, § 140b Abs. 1 PatG, §§ 242, 259 BGB zu.
  107. Der Anspruch auf Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der angegriffenen Ausführungsform ergibt sich aufgrund der unberechtigten Benutzung des Erfindungsgegenstands unmittelbar aus § 140b Abs. 1 PatG, der Umfang der Auskunftspflicht aus § 140b Abs. 3 PatG.
  108. Die weitergehende Auskunftspflicht und die Verpflichtung zur Rechnungslegung folgen aus §§ 242, 259 BGB, damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadensersatzanspruch zu beziffern. Die Klägerin ist auf die tenorierten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt, und die Beklagte wird durch die von ihr verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet.
  109. 4.
    Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückruf der patentverletzenden Erzeugnisse aus den Vertriebswegen und Vernichtung gemäß Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 140a Abs. 1 und 3 PatG. Anhaltspunkte dafür, dass dieser Anspruch vorliegend unverhältnismäßig ist, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
  110. C.
    Der Rechtsstreit ist nicht bis zur erstinstanzlichen Entscheidung des Bundespatentgerichts über den Rechtsbestand des Klagepatents auszusetzen.
  111. I.
    Es ist nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass das BPatG das Klagepatent wegen fehlender Neuheit in Bezug auf die Entgegenhaltungen MB 3 oder MB 4 vernichten wird.
  112. 1.
    MB 3 offenbart einen Walzenmantel in Form eines Papierherstellungsbandes, der so ausgestaltet ist, dass er die fortschreitende Rissbildung in den Mantel hinein verhindern soll („A papermaking belt capable of preventing a crack from progressing into the belt…“). Um dies zu erreichen sieht die Erfindung zwar verschiedene (elastische) Schichten vor. Diese weisen eine unterschiedliche Dicke sowie unterschiedliche Härtegrade auf. Allerdings lässt sich der Entgegenhaltung nicht unmittelbar und eindeutig entnehmen, dass es Kunststoffschichten verschiedener Kompressibilität geben soll mit wenigstens einem Trägerelement eingebettet in die kompressible Kunststoffschicht. Differenziert wird zwischen den Schichten nach unterschiedlichen Härtegraden. Aus Sicht des Fachmanns kann aber die Härte eines Materials physikalisch nicht mit dessen Kompressibilität gleichgesetzt werden. Elastisch sollen im Übrigen alle Schichten sein. Daher wird man auch dem Hinweis in der Entgegenhaltung, die Zwischenschicht verhalte sich wie ein Polstermedium, keine Offenbarung von Merkmal 2 entnehmen können.
  113. 2.
    Die Aufgabe, Rissbildung zu vermeiden oder eine Verstärkung bestehender Rissbildung zu verhindern, formuliert auch die Entgegenhaltung MB 4. Gegenstand der Erfindung ist ein Walzenmantel in Form eines Papiermaschinenbandes, der ein verstärkendes Substrat umfasst, das in eine thermoplastische Polyurethanschicht eingebracht ist. Zur möglichen Kompressibilität der betreffenden Schichten verhält sich diese Erfindung indes nicht. Der Fachmann wird insoweit lediglich angewiesen, eine entsprechend zusammengesetzte Polyurethanschicht vorzusehen.
  114. II.
    Die Lehre des Klagepatents ergibt sich nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik.
  115. 1.
    Es ist nicht anzunehmen, dass die Lehre des Klagepatents ausgehend von der Entgegenhaltung MB 6 in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen nahegelegen hat. Diese Entgegenhaltung ist bereits im Erteilungsverfahren gewürdigt worden und findet im Klagepatent selbst Erwähnung, so dass sie eine Aussetzung nicht zu rechtfertigen vermag.
  116. 2.
    Ebenso wenig ist die erfindungsgemäße Lehre ausgehend von der Entgegenhaltung US 4,978,428 (Anlage MB 5, deutsche Übersetzung MB 5a) in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen nahegelegt. Die MB 5 betrifft ein Tragband („bearing blanket“) für eine Langspaltpresse, das hinsichtlich seiner Schichten besonders ausgestaltet ist. Dieses Tragband läuft zusammen mit einem Filz und einer geformten Bahn durch einen Langspalt („nip“), der von einer drehbaren Presswalze und einem mitwirkenden hydraulisch belasteten Schuh begrenzt wird (Spalte 1, Zeile 13 bis 17). Ein Walzenmantel im Sinne des Klagepatents wird nicht offenbart. Im Übrigen verhält sich das Patent nicht zur Kompressibilität der einzelnen Schichten dieses Tragmantels sondern nur zu verschiedenen Härtegraden. Ausgehend von dieser Entgegenhaltung hat der Fachmann keine Veranlassung, Überlegungen anzustellen, die zur Erfindung des Klagepatents führen.
  117. D.
    Die Schriftsätze der Beklagten vom 26. Mai 2020 und 9. Juni 2020 sowie der Schriftsatz der Klägerin vom 4. Juni 2020 gaben – wie bereits ausgeführt – keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.
  118. E.
    Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
  119. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 und 2 ZPO.

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