Düsseldorfer Entscheidungsnummer: 3008
Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 30. Juni 2020, Az. 4a O 83/17
I. Die Beklagte wird verurteilt,
- 1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,00
– ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft hinsichtlich der Beklagten an ihren Geschäftsführern zu vollziehen ist, zu unterlassen, - ein Regal aus einem knickbaren, flächigen Material wie Pappe oder dergleichen mit einem Regalträger und mindestens einem einsteckbaren Regalboden
- in der Bundesrepublik Deutschland herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,wobei der Regalboden mindestens eine über eine Knickkante gelenkig mit dem Regalboden verbundene Lasche zum Einstecken in einen Schlitz im Regalträger aufweist, wobei der Regalboden eine Grundfläche sowie mit der Grundfläche über Knickkanten verbundene Wandteile aufweist, wobei die Lasche an einem der Wandteile oder einer Verlängerung eines der Wandteile angeordnet ist und wobei der Schlitz bei aufgestelltem Regal oberhalb eines durch die Grundfläche definierten Niveaus liegt, wobei der Schlitz an einer Stelle ist, an welcher der Träger mindestens zweilagig ist, so dass die Lasche in eingestecktem Zustand zwischen zwei Lagen liegt, wobei der Regalboden mindestens zwei Laschen an seitlichen Wandteilen oder Verlängerungen seitlicher Wandteile aufweist, wobei der Regalträger eine Rückwand und zwei Seitenwände aufweist, wobei beide Seitenwände jeweils einen bei aufgestelltem Regal oberhalb des durch die Grundfläche definierten Niveaus liegenden Schlitz zur Aufnahme einer Lasche aufweisen,
- wobei die Laschen an einer in Richtung der Rückwand versetzten Stelle in den Regalträger eingehängt werden können, wobei der Regalboden im aufgebauten Zustand des Regals an die Rückwand anstößt;
- 2. der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang die Beklagte die zu Ziffer 1. bezeichneten Handlungen seit dem 14.08.2008 begangen hat, und zwar unter Angabe
- a) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
- b) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
- c) der Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden, wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
- 3. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagte die zu Ziffer I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 14.08.2008 begangen hat, und zwar unter Angabea) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,
- b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
- c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
- d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
- wobei es der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der Angebotsempfänger und der nicht gewerblichen Abnehmer statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder ein bestimmter Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
- 4. die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder in ihrem Eigentum befindlichen, unter Ziffer I.1. bezeichneten Erzeugnisse an einen von der Klägerin zu benennenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf ihre – der Beklagten – Kosten herauszugeben oder – nach ihrer Wahl – selbst zu vernichten;
- 5. die unter Ziffer I.1. bezeichneten, seit dem 14.08.2008 in Verkehr gebrachten Erzeugnisse gegenüber den gewerblichen Abnehmern unter Hinweis auf den gerichtlich festgestellten patentverletzenden Zustand der Sache und mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen und die Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen;
- 6. die Klägerin von einer Vergütungsforderung ihrer Rechts- und Patentanwälte A in Höhe von € 12.253,80 freizustellen.
- II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der der Klägerin durch die zu Ziffer I. 1. bezeichneten, seit dem 24.07.2019 begangenen Handlungen und der Herrn B durch die zu Ziffer I. 1. bezeichneten, in der Zeit vom 14.08.2008 bis 23.07.2019 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
- III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
- IV. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
- V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von € 1 Mio.
- Daneben sind die Ansprüche auf Unterlassung, Vernichtung und Rückruf (Ziffern I. 1., I. 4. und I. 5. des Tenors) gemeinsam gesondert vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von € 750.000,00. Ferner sind die Ansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung (Ziffern I. 2. und I. 3. des Tenors) gemeinsam gesondert vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von € 200.000,00. Der Freistellungsanspruch (Ziffer I. 6. des Tenors) ist gesondert vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von € 15.000,00. Die Kostenentscheidung (Ziffer IV. des Tenors) ist gesondert vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
- Tatbestand
- Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents EP 1 459 XXX B1 (Anlage K2, nachfolgend: Klagepatent) auf Unterlassung, Auskunft, Rechnungslegung, Rückruf, Vernichtung, Feststellung der Schadensersatzpflicht sowie Freistellung von außergerichtlichen Rechts- und Patentanwaltskosten in Anspruch.
- Das Klagepatent wurde am 18.03.2004 unter Inanspruchnahme einer Priorität vom 18.03.2003 angemeldet. Die Anmeldung wurde am 22.09.2004 veröffentlicht, der Hinweis auf die Patenterteilung wurde am 29.08.2007 bekanntgemacht. Der deutsche Teil des Klagepatents steht in Kraft.
- Eingetragener Inhaber des Klagepatents ist Herr B (nachfolgend auch „Patentinhaber“ genannt).
- Auf eine von der Beklagten erhobene Nichtigkeitsklage hin hat das Bundespatentgericht mit Urteil vom 21.05.2019 (Anlage B9) das Klagepatent dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass es eine eingeschränkte Fassung erhalten hat. Gegen das Urteil des Bundespatentgerichts haben sowohl die Beklagte als auch der Patentinhaber Berufung eingelegt.
- Das Klagepatent betrifft ein Regal aus einem knickbaren Material wie Pappe. Der von der Klägerin geltend gemachte Klagepatentanspruch 1 lautet in der eingeschränkten Fassung nach der Entscheidung des Bundespatentgerichts:
- „Regal aus einem knickbaren, flächigen Material wie Pappe oder dergleichen mit einem Regalträger (1) und mindestens einem einsteckbaren Regalboden (2), wobei der Regalboden (2) mindestens eine über eine Knickkante gelenkig mit dem Regalboden (2) verbundene Lasche (10) zum Einstecken in einen Schlitz (11) im Regalträger (1) aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass der Regalboden (2) eine Grundfläche (8) sowie mit der Grundfläche (8) über Knickkanten verbundene Wandteile (9) aufweist, dass die Lasche (10) an einem der Wandteile (9) oder einer Verlängerung eines der Wandteile (9) angeordnet ist und dass der Schlitz (11) bei aufgestelltem Regal oberhalb eines durch die Grundfläche (8) definierten Niveaus liegt, wobei der Schlitz (11) an einer Stelle ist, an welcher der Träger (1) mindestens zweilagig ist, so dass die Lasche (10) in eingestecktem Zustand zwischen zwei Lagen liegt, wobei der Regalboden (2) mindestens zwei Laschen (10) an seitlichen Wandteilen (9) oder Verlängerungen seitlicher Wandteile (9) aufweist, wobei der Regalträger (1) eine Rückwand (3) und zwei Seitenwände (4) aufweist, wobei beide Seitenwände (4) jeweils einen bei aufgestelltem Regal oberhalb des durch die Grundfläche (8) definierten Niveaus liegenden Schlitz (11) zur Aufnahme einer Lasche (10) aufweisen, wobei die Laschen (10) an einer in Richtung der Rückwand versetzten Stelle in den Regalträger eingehängt werden können, wobei der Regalboden (2) im aufgebauten Zustand des Regals an die Rückwand (3) anstößt.“
- Nachfolgend werden in verkleinerter Darstellung die Fig. 4 und 9 des Klagepatents eingeblendet. Fig. 4 zeigt eine Ausführungsform eines Regals mit einem zusätzlich abgebildeten weiteren Regalboden. Fig. 9 zeigt eine weitere Ausführungsform mit vier verschiedenen Regalböden in Seitenansicht.
Die Beklagte stellt her und vertreibt ein auch als „C“ bezeichnetes Regal (angegriffene Ausführungsform). Nachfolgend werden zwei der Klageschrift entnommenen Abbildungen der angegriffenen Ausführungsform eingeblendet: - Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin wandten sich mit Schreiben vom 21.04.2017 (Anlage K4) mit dem Vorwurf der Patentverletzung an die patentanwaltlichen Vertreter der Beklagten. Die Beklagte lehnte die Abgabe der von der Klägerin geforderten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung jedoch ab.
- Die Klägerin trägt vor, sie sei ausschließliche Lizenznehmerin an dem Klagepatent und damit aktivlegitimiert. Jedenfalls mit der Vorlage der notariellen Urkunde vom 24.07.2019 (Anlage K12) habe sie dafür den vollen Beweis erbracht.
- Die angegriffene Ausführungsform mache von der Lehre des Klagepatentanspruchs 1 in seiner nach dem Urteil des Bundespatentgerichts eingeschränkten Fassung unmittelbar wortsinngemäß Gebrauch. Insbesondere könnten die Laschen, wie es das Klagepatent fordere, an einer in Richtung der Rückwand versetzten Stelle in den Regalträger eingehängt werden. Hierfür sei lediglich erforderlich, dass der Mittelpunkt des Schlitzes zur Aufnahme der Lasche – und entsprechend der Mittelpunkt der Knickkante der Lasche – gegenüber der Mitte der Grundfläche in Richtung der Rückwand versetzt sei.
- Der Regalboden der angegriffenen Ausführungsform stoße im aufgebauten Zustand des Regals auch an dessen Rückwand an. Ein Anstoßen erfordere lediglich einen Kontakt zwischen Regalboden und Rückwand. Abgesehen davon sei es eine physikalische Tatsache, dass bei der angegriffenen Ausführungsform der Regalboden bei Belastung gegen die Rückwand gedrückt werde. Die Rückwand halte den belasteten Regalboden davon ab, nach hinten zu schwingen. Die zusätzlich vorhandenen Zungenlaschen seien insoweit ohne Bedeutung.
- Eine Aussetzung des Rechtsstreits sei mit Blick auf die Entscheidung des Bundespatentgerichts nicht geboten.
- Ursprünglich hat die Klägerin unter anderem den Ersatz des Schadens verlangt, der ihr und/oder dem Patentinhaber durch seit dem 29.09.2007 begangene Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird. In der Sitzung vom 18.06.2019 hat sie – neben weiteren Modifikationen – den Anspruch dahingehend beschränkt, dass nur ihr Schaden ab dem 14.08.2008 zu ersetzen ist. In der Sitzung vom 16.06.2020 hat die Klägerin klargestellt, dass auch die Ansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung erst ab dem 14.08.2008 geltend gemacht werden.
- Die Klägerin beantragt nunmehr,
- I. die Beklagte zu verurteilen,
- 1.– 4. wie erkannt,
- 5. die unter Ziffer 1. bezeichneten, seit dem 29.08.2007 in Verkehr gebrachten Erzeugnisse gegenüber den gewerblichen Abnehmern unter Hinweis auf den gerichtlich festgestellten patentverletzenden Zustand der Sache und mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen und die Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen;
- 6. wie erkannt,
- II. festzustellen,
- dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu Ziffer I. 1. bezeichneten, seit dem 14.08.2008 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
- Hilfsweise macht die Klägerin die Ansprüche auf Auskunft, Rechnungslegung und Schadensersatz für die Zeit vor dem 24.07.2019 aus abgetretenem Recht geltend.
- Die Beklagte beantragt,
- die Klage (Haupt- und Hilfsantrag) abzuweisen;
- hilfsweise,
- den Rechtsstreit bis zum rechtskräftigen Abschluss des Nichtigkeitsverfahrens auszusetzen.
- Die Beklagte trägt vor, die Anträge der Klägerin seien im Hinblick auf die Formulierung „wobei die Lasche an einem der Wandteile oder einer Verlängerung der Wandteile angeordnet ist“ unbestimmt und damit nach § 253 ZPO unzulässig. Wenn der Patentanspruch alternative Gestaltungsformen umfasse, müsse im Klageantrag deutlich werden, welche dieser Alternativen Gegenstand des Verfahrens sei.
- Die Klägerin habe ihre Aktivlegitimation nicht nachgewiesen. Die notarielle Bestätigung (Anlage K12) begründe weder selbst die Aktivlegitimation der Klägerin noch tauge sie als Nachweis dafür, dass die ursprünglich vorgelegte Erklärung (Anlage K1) diese begründet habe. Dass die unter Nr. 2 und Nr. 3 der notariellen Urkunde aufgestellten Tatsachenbehauptungen der Wahrheit entsprechen, werde bestritten. Mit Nr. 4 der Bestätigung, wonach die Lizenzvereinbarung unverändert fortgelte, hätten die Parteien der notariellen Urkunde erkennbar keinen Vertrag schließen wollen, sondern nur eine tatsächliche Behauptung aufgestellt. Die in der Bestätigung enthaltene eidesstattliche Versicherung sei rechtlich wirkungslos.
- Die angegriffene Ausführungsform mache von der Lehre des Klagepatents keinen Gebrauch. So wiesen die Seitenwände des Regalbodens der angegriffenen Ausführungsform entgegen der Behauptung der Klägerin keine Verlängerungen auf.
- Die Laschen könnten auch nicht an einer in Richtung der Rückwand versetzten Stelle in den Regalträger eingehängt werden. Der Begriff „versetzt“ sei im Lichte der Beschreibung so auszulegen, dass die Lasche weiter hinten angeordnet sei als es im Stand der Technik bekannt gewesen sei. Dies habe die Klägerin nicht vorgetragen und es sei auch nicht der Fall.
- Ferner reiche für ein Anstoßen des Regalbodens an die Rückwand ein bloß loser Kontakt nicht aus. Es sei ein Über- oder Ineinandergreifen von Rückwand und Regalwand erforderlich. Ferner lege der Patentinhaber im Nichtigkeitsverfahren selbst das Klagepatent so aus, dass ein Anstoßen des Regalbodens an die Rückwand verlange, dass die Rückwand eine gewisse Belastung (Kraft) vom Regalboden aufnehme, und zwar bei der üblichen Belastung durch aufgestellte Ware. Die nach hinten versetzten Laschen müssten nach der dortigen Argumentation eine Zugwirkung auf den Realboden haben und korrespondierend dazu der Regalboden gegen die Rückwand stoßen. Diese Zug-Stoß-Kombination sei nach der Argumentation des Patentinhabers der Kern der patentgemäßen Lehre. Vor dem Hintergrund dieser Argumentation habe das Bundespatentgericht das Klagepatent in eingeschränkter Fassung aufrechterhalten. Auch im Nichtigkeitsberufungsverfahren argumentiere der Patentinhaber zudem, dass das Anstoßen des Regalbodens an der Rückwand den Vorteil habe, dass das Gewicht des Regalbodens und der aufliegenden Ware nicht ausschließlich von der Lasche getragen werden müsse, sondern die Berührung an der Rückwand nach dem Prinzip „Zug und Stoß“ dazu führe, dass die Rückwand selbst zum tragenden Teil werde.
- Die Rückwand der angegriffenen Ausführungsform nehme keine Kräfte derart auf, dass sie selbst zum tragenden Teil werde. Der Regalboden schwinge entgegen der Behauptung der Klägerin bei bestimmungsgemäßer Belastung nicht nach hinten in Richtung der Rückwand. Vielmehr nutze die angegriffene Ausführungsform das Prinzip „fixierte Schaukel“, welche insgesamt vier statt zwei Laschen aufweise. Die auf den Regalboden lastenden (Gewichts-) Kräfte würden dabei durch zwei untere Laschen in die Seitenwände abgetragen.
- Jedenfalls sei der Rechtsstreit gemäß § 148 ZPO auszusetzen, da sich das Klagepatent im Berufungsverfahren gegen das erstinstanzliche Urteil des Bundespatentgerichts als nicht rechtsbeständig erweisen werde.
- Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird ergänzend auf die ausgetauschten Schriftsätze samt Anlagen sowie auf die Protokolle der mündlichen Verhandlung vom 18.06.2019 und vom 16.06.2020 Bezug genommen.
- Entscheidungsgründe
- Die Klage ist zulässig und überwiegend begründet.
- A.
Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist der Unterlassungsantrag der Klägerin hinreichend bestimmt, § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der uneingeschränkte Rückgriff auf den Wortlaut des Patentanspruchs ist, auch soweit dieser mehrere gleichwertige Benutzungsalternativen enthält, von denen nach dem Vorbringen des Klägers nur eine verwirklicht ist, nicht zu beanstanden (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 20.01.2017 – I-2 U 41/12, GRUR-RS 2017, 102029 Rn. 32; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 12. Auflage 2020, Abschnitt D Rn. 373). - B.
Die Klage ist auch überwiegend begründet. - Die Aktivlegitimation der Klägerin lässt sich überwiegend feststellen (dazu unter I.). Die angegriffene Ausführungsform macht von Anspruch 1 in der geltend gemachten eingeschränkten Fassung unmittelbar wortsinngemäß Gebrauch (dazu unter II.). Die Klägerin hat aufgrund der patentverletzenden Handlungen der Beklagten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft, Rechnungslegung, Rückruf, Vernichtung, Schadensersatz dem Grunde nach sowie Freistellung von vorgerichtlichen Rechts- und Patentanwaltskosten aus Art. 64 EPÜ i. V. m. §§ XXX Abs. 1 und 2, 140a Abs. 1, Abs. 3, 140b PatG, §§ 242, 259, 398 BGB (dazu unter III.). Eine Aussetzung ist nicht veranlasst (dazu unter IV.).
- I.
Die Aktivlegitimation der Klägerin lässt sich – mit Ausnahme des nur im Rahmen des Rückrufanspruchs geltend gemachten Zeitraums vor dem 14.08.2008 – feststellen. - 1.
Für den Unterlassungs- und den Vernichtungsanspruch sowie ab dem 24.07.2019 auch für den Auskunfts-, Rechnungslegungs- und Rückrufanspruch ist die Klägerin als ausschließliche Lizenznehmerin aus eigenem Recht aktivlegitimiert (vgl. BGH, GRUR 1996, 109 – Klinische Versuche I; GRUR 2004, 758 – Flügelradzähler; GRUR 2008, 896 – Tintenpatrone I; GRUR 2011, 711 – Cinch-Stecker; Pitz, in: BeckOK Patentrecht, 16. Edition Stand: 15.04.2020, § XXX Rn. 22). - a)
Die insoweit darlegungspflichtige Klägerin hat behauptet, sie sei seit einem unbestimmten Tag vor dem 14.08.2008 ausschließliche Lizenznehmerin an dem Klagepatent. Jedenfalls sei, wie der Klägervertreter in der Sitzung vom 16.06.2020 ausgeführt hat, mit der notariellen Beurkundung am 24.07.2019 für die Zukunft eine ausschließliche Lizenz erteilt worden, falls die Erklärung für die Vergangenheit keinen Bestand haben sollte. - b)
Den ihr ebenfalls obliegenden Beweis für diese von der Beklagten bestrittene Behauptung hat die Klägerin erbracht, soweit es die Erteilung einer ausschließlichen Lizenz am 24.07.2019 betrifft. Eine frühere Lizenzerteilung hat die Klägerin dagegen nicht bewiesen. - aa)
Die Erteilung einer Lizenz bereits vor dem 24.07.2019 hat die Klägerin nicht bewiesen. - (1)
Als Beweismittel kommt insoweit die notarielle Urkunde vom 24.07.2019 (Anlage K12), insbesondere im Hinblick auf die dortigen Erklärungen zu Nr. 2 und Nr. 3, nicht in Betracht. - (a)
Bei der von der Klägerin vorgelegten notariellen Urkunde handelt es sich um eine öffentliche Urkunde im Sinne von § 415 ZPO. Solche Urkunden erbringen vollen Beweis darüber, dass die Erklärung mit dem niedergelegten Inhalt so, wie beurkundet, abgegeben wurde (BGH, Urteil vom 10.06.2016 – V ZR 295/15, Rn. 6 bei juris m. w. N.; Feskorn, in: Zöller, 33. Auflage 2020, § 415 Rn. 5). Von dieser sogenannten formellen Beweiskraft wird auch die Identität des Erklärenden erfasst (Feskorn, a. a. O., § 415 Rn. 5). Von der Beweiswirkung nicht erfasst ist die inhaltliche Richtigkeit. Eine derartige materielle Beweiskraft kommt nur öffentlichen Urkunden im Sinne von § 418 Abs. 1 ZPO zu (Feskorn, a. a. O., Vor § 415 Rn. 7). Um eine solche handelt es sich jedoch vorliegend nicht. - Darüber hinaus besteht zwar für die über ein Rechtsgeschäft aufgenommene – nicht nur notarielle – Urkunde die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit (BGH, Urteil vom 10.06.2016 – V ZR 295/15, Rn. 6 bei juris m. w. N.). Diese gilt aber nur zwischen den Vertragsparteien, nicht gegenüber Dritten (BGH, Urteil vom 29.11.1989 – VIII ZR 228/88, Rn. 11 bei juris; Feskorn, a. a. O., Vor § 415 Rn. 7).
- Die eidesstattliche Versicherung kann als Beweismittel nur im Rahmen des Freibeweises berücksichtigt werden, der aber nur in bestimmten Fällen eröffnet ist (Foerste, in: Musielak/Voit, ZPO, 17. Auflage 2020, § 284 Rn. 5). Daneben kann die eidesstattliche Versicherung als Mittel zur Glaubhaftmachung herangezogen werden, § 284 Abs. 1 ZPO. Vorliegend ist indes weder eine Glaubhaftmachung ausreichend noch ist der Freibeweis eröffnet. Die vor dem Notar abgegebene Versicherung an Eides statt ist daher für die Beweisführung unerheblich.
- (b)
Nach diesen Grundsätzen umfasst die Beweiskraft der notariellen Urkunde die Erteilung einer ausschließlichen Lizenz vor dem 24.07.2019, insbesondere am oder vor dem 14.08.2008, nicht. - In Nr. 2 der notariellen Urkunde erklären die Herren D und E für die Klägerin sowie der Patentinhaber (nachfolgend gemeinsam auch: „die Vertragsparteien“), bereits vor dem 14.08.2008 eine ausschließliche Lizenz mit näher bestimmtem Inhalt vereinbart zu haben. Von der Beweiswirkung des § 415 ZPO erfasst ist jedoch nur die am 24.07.2019 abgegebene Erklärung selbst. Dass tatsächlich vor dem 14.08.2008 eine Vereinbarung der dort genannten Art getroffen wurde, ist eine Frage der inhaltlichen Richtigkeit, die von der Beweiskraft der notariellen Urkunde nicht erfasst ist.
- In Nr. 3 der Vereinbarung erklären die Vertragsparteien, dass die Anlage 2 zur notariellen Urkunde, die Anlage K1 entspricht, den Zweck gehabt habe, die in Nr. 2 erwähnte Lizenzvereinbarung gegenüber Dritten zu bestätigen. Die Beweiskraft des § 415 ZPO umfasst auch insoweit nur die Tatsache, dass die Vertragsparteien diese Erklärungen am 24.07.2019 abgegeben haben. Die inhaltliche Richtigkeit dieser Erklärungen und insbesondere die Erteilung einer ausschließlichen Lizenz vor dem 14.08.2008 wird damit nicht bewiesen.
- (2)
Soweit die Klägerin im Schriftsatz vom 01.08.2019 Beweis durch Zeugnis des Notars F sowie der Herren G, D und/oder E anbietet, war dem nicht nachzugehen. Der dortige Beweisantritt bezieht sich auf die Vertretungsberechtigung der Herren D und E für die Klägerin sowie die Abgabe der Erklärungen vor dem Notar. Diese Tatsachen sind jedoch – wie der Beklagtenvertreter in der Sitzung vom 16.06.2020 klargestellt hat – nicht bzw. nicht mehr streitig. - (3)
Auch dem Beweisantritt der Klägerin im Schriftsatz vom 05.10.2018, mit dem sie Herrn G als Zeugen für die Erteilung einer ausschließlichen Lizenz benannt hat, war nicht nachzugehen. Auch auf den Hinweis der Kammer im Beschluss vom 16.07.2019 hat die Klägerin das entsprechende Beweisangebot nicht konkretisiert. - bb)
Bewiesen hat die Klägerin jedoch ihre hilfsweise vorgebrachte Behauptung, mit der Abgabe der Erklärungen in der notariellen Urkunde sei eine ausschließliche Lizenz am 24.07.2019 erteilt worden. - Nr. 4 der notariellen Urkunde (Anlage K12) ist dahingehend auszulegen, dass die Vertragsparteien auch erklären, es solle eine ausschließliche Lizenz für die Zukunft vereinbart werden. Mit der Erklärung, die Lizenzvereinbarung gelte unverändert fort, haben die Vertragsparteien zum Ausdruck gebracht, zwar von einer Wirksamkeit der Lizenzerteilung in der Vergangenheit auszugehen. Aus dem für die Auslegung hier maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB) haben sie für den Fall einer nicht wirksamen oder nicht erweislichen Lizenzerteilung in der Vergangenheit diese aber mit dem Inhalt der in Nr. 2 wiedergegebenen Vereinbarung zugleich für die Zukunft neu abgeschlossen. Die Parteien wollten sich mit der Formulierung in Nr. 4 erkennbar auch für die Zukunft binden und die Wirkung einer ausschließlichen Lizenz für sich eintreten lassen, womit ein ausreichender Rechtsbindungswille für einen solchen Neuabschluss zutage getreten ist. Es geht zudem bereits aus Nr. 3 der Urkunde hervor, dass es den Parteien bei Abgabe der Erklärungen um eine Bestätigung der ausschließlichen Lizenz für den Fall ging, dass ein von der Klägerin wegen einer Patentverletzung in Anspruch genommener Dritter ihre Eigenschaft als ausschließliche Lizenznehmerin bestreitet. Vor diesem Hintergrund ist mit der sich anschließenden Bestätigung des unveränderten Fortgeltens der Lizenzvereinbarung in Nr. 4 der Wille der Vertragsparteien erkennbar geworden, diese vorsorglich zu wiederholen.
- Diese von der Beweiskraft des § 415 ZPO umfassten Erklärungen der Vertragsparteien begründen den vollen Beweis der Erteilung einer ausschließlichen Lizenz am 24.07.2019. Indem der Patentinhaber auf der einen und die Klägerin, handelnd durch ihre vertretungsberechtigten Personen, auf der anderen Seite derartige übereinstimmende Willenserklärungen abgegeben haben, ist die Vereinbarung über die Erteilung einer ausschließlichen Lizenz zustande gekommen.
- 2.
Für den Zeitraum vom 14.08.2008 bis zum 23.07.2019 folgt die Aktivlegitimation der Klägerin hinsichtlich des Auskunfts-, Rechnungslegungs- und Rückrufanspruchs aus abgetretenem Recht des Patentinhabers, § 398 BGB. - a)
Weil die Klägerin, wie unter 1. dargelegt, die Erteilung einer ausschließlichen Lizenz vor dem 24.07.2019 nicht bewiesen hat, scheiden Ansprüche aus eigenem Recht für diesen Zeitraum aus. - b)
Der Klägerin ist jedoch der Beweis ihrer hilfsweise vorgebrachten, von der Beklagten bestrittenen Behauptung gelungen, wonach der Patentinhaber seit dem 14.08.2008 entstandene Ansprüche an sie abgetreten habe. - Die von Nr. 4 der notariellen Urkunde (Anlage K12) ausgehende Beweiskraft des § 415 ZPO umfasst auch die Abtretung der Ansprüche für die Vergangenheit. Indem die Parteien der Urkunde erklärt haben, „die Lizenzvereinbarung“ gelte unverändert fort, haben sie auf Nr. 2 der Urkunde Bezug genommen, in der der Inhalt der Lizenzvereinbarung wiedergegeben wird. Darin ist, wie auch in der Bestätigung vom 14.08.2008 (Anlage K1 bzw. Anlage 2 zu Anlage K1), die Abtretung von Ansprüchen für die Vergangenheit ausdrücklich genannt. Aus der Sicht eines objektiven Empfängers ist damit auch der Wille zum Ausdruck gekommen, vorsorglich die Abtretung von Ansprüchen für die Zeit vor dem Neuabschluss der ausschließlichen Lizenz zu wiederholen.
- c)
Soweit die Klägerin den Rückrufanspruch auch für den Zeitraum zwischen dem 29.08.2007 und dem 13.08.2008 geltend macht, war die Klage abzuweisen. Die Klägerin behauptet zwar die Erteilung einer ausschließlichen Lizenz an einem unbestimmten Tag vor dem 14.08.2008. Sie hat dies jedoch nicht näher konkretisiert und sich vielmehr – wie in der Beschränkung der übrigen Ansprüche zum Ausdruck gekommen ist – selbst auf den 14.08.2008 gestützt. Dass Ansprüche auch für den Zeitraum vor dem 14.08.2008 abgetreten worden sind, lässt sich damit nicht feststellen. - 3.
Hinsichtlich des Anspruchs auf Freistellung von den vorgerichtlichen Rechts- und Patentanwaltskosten ist die Klägerin aus eigenem Recht aktivlegitimiert. Sie hat die Beauftragung der Rechts- und Patentanwälte selbst vorgenommen. - II.
Die angegriffene Ausführungsform macht von der Lehre des Klagepatentanspruchs 1 in seiner nach dem Urteil des Bundespatentgerichts eingeschränkten Fassung unmittelbar wortsinngemäß Gebrauch. - 1.
Das Klagepatent (nachfolgend genannte Absätze ohne Quellenangabe sind solche des Klagepatents) betrifft ein Regal aus einem knickbaren Material wie Pappe. - Nach den einleitenden Bemerkungen des Klagepatents finden gattungsgemäße Regale Verwendung als Warenauslage oder zu anderen Zwecken, wenn niedrige Material- und Herstellungskosten, eine leichte Aufstellbarkeit oder eine gute Entsorgung gewünscht ist (Absatz [0002]).
- Aus der DE 198 60 XXX A1 ist, so das Klagepatent, ein derartiges Regal bekannt. Bei diesem Regal weist der Regalträger neben einer Rückwand zwei Seitenwände auf, zwischen denen Regalböden eingehängt sind. Dabei sind die Seitenwände annähernd genauso tief wie die Regalböden, so dass durch die Seitenwände seitlich geschlossene Regalfächer entstehen. Die Konstruktion erfordert ausgesprochen große Mengen an Material, sowohl flächenmäßig als auch bezogen auf für eine hinreichende Stabilität erforderliche Wandstärken. Auch entsteht der Gesamteindruck eines sehr geschlossenen Regals, dem es an einer gerade für Warenauslagen gewünschten Transparenz mangelt (Absatz [0002]).
- Davon ausgehend bezeichnet es das Klagepatent als seine Aufgabe, ein gattungsgemäßes Regal zu entwerfen, das gegenüber einem Regal nach dem Stand der Technik unter Vermeidung von Stabilitätseinbußen mit geringeren Mengen an Material auskommt, wobei die Regalböden zur Erzielung eines transparenten Gesamteindrucks auch seitlich möglichst zugänglich sein sollen (Absatz [0003]).
- 2.
Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Klagepatent ein Regal aus einem knickbaren, flächigen Material wie Pappe oder dergleichen vor, dessen vorliegend geltend gemachter Anspruch 1 in seiner eingeschränkten Fassung sich – im Wesentlichen entsprechend der Merkmalsgliederung des Bundespatentgerichts – wie folgt gliedern lässt: - 1.1 Regal aus einem knickbaren, flächigen Material wie Pappe oder dergleichen
- 1.2 mit einem Regalträger (1) und
- 1.3 mindestens einem einsteckbaren Regalboden (2), wobei
- 1.4 der Regalboden (2) mindestens eine über eine Knickkante gelenkig mit dem Regalboden (2) verbundene Lasche (10) zum Einstecken in einen Schlitz (11) im Regalträger (1) aufweist,
- 1.5 der Regalboden (2) eine Grundfläche (8) sowie mit der Grundfläche (8) über Knickkanten verbundene Wandteile (9) aufweist,
- 1.6 die Lasche (10) an einem der Wandteile (9) oder einer Verlängerung eines der Wandteile (9) angeordnet ist und
- 1.7 der Schlitz (11) bei aufgestelltem Regal oberhalb eines durch die Grundfläche (8) definierten Niveaus liegt,
- 1.8 der Schlitz (11) an einer Stelle ist, an welcher der Träger (1) mindestens zweilagig ist, so dass die Lasche (10) in eingestecktem Zustand zwischen zwei Lagen liegt,
- 1.9 der Regalboden (2) mindestens zwei Laschen (10) an seitlichen Wandteilen (9) oder Verlängerungen seitlicher Wandteile (9) aufweist,
- 1.10 der Regalträger (1) eine Rückwand (3) und zwei Seitenwände (4) aufweist,
- 1.11 beide Seitenwände (4) jeweils einen bei aufgestelltem Regal oberhalb des durch die Grundfläche (8) definierten Niveaus liegenden Schlitz (11) zur Aufnahme einer Lasche (10) aufweisen,
- 1.12 die Laschen (10) an einer in Richtung der Rückwand versetzten Stelle in den Regalträger eingehängt werden können,
- 1.13 der Regalboden (2) im aufgebauten Zustand des Regals an die Rückwand (3) anstößt.
- 3.
Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht die Merkmale 1.6, 1.9, 1.12 und 1.13 des geltend gemachten Anspruchs 1 in seiner nach dem Urteil des Bundespatentgerichts eingeschränkten Fassung. Die Verwirklichung der übrigen Merkmale ist zwischen den Parteien zu Recht unstreitig, so dass es dazu keiner Ausführungen bedarf. - a)
Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht ebenfalls die Merkmale 1.9 und 1.6. - aa)
Nach Merkmal 1.9 weist der Regalboden mindestens zwei Laschen an seitlichen Wandteilen oder Verlängerungen seitlicher Wandteile auf. Merkmal 1.6 hat demgegenüber keine eigenständige Bedeutung. Es bestimmt hinsichtlich einer einzelnen Lasche, dass diese an einem der Wandteile oder einer Verlängerung eines der Wandteile angeordnet ist. - Die Laschen dienen dazu, in Schlitze in den Seitenwänden des Regalträgers eingesteckt zu werden (vgl. Absätze [0025], [0028]). Diese Konstruktion ermöglicht es, dass die Regalböden im Wesentlichen an den Laschen hängen (vgl. Absatz [0026]). Dies wiederum ermöglicht eine transparente Bauweise, bei der die Seitenwände eine deutlich geringere Tiefe als die Regalböden haben und trotz der Verwendung von Pappe eine hohe Stabilität erreicht wird (vgl. Absatz [0026]). Die transparente Bauweise sorgt zudem dafür, dass die Regalböden auch seitlich gut zugänglich sind (vgl. Absatz [0026]).
- Die Wandteile des Regalbodens sind mit der Grundfläche, etwa über eine Knickkante, verbunden (vgl. Absatz [0025]). Eine bestimmte Form oder sonstige Ausgestaltung der Wandteile gibt das Klagepatent nicht vor. Der Fachmann versteht die mit der Knickkante verbundenen seitlichen Begrenzungen des Regalbodens deshalb bei einer einstückigen Ausgestaltung insgesamt als Wandteile. Weisen sie demgegenüber einen mehrstückigen Aufbau auf, betrachtet der Fachmann sie im Sinne der Merkmale 1.6 und 1.9 als Wandteile mit Verlängerungen. An der Verlängerung eines Wandteils ist die Lasche dann angeordnet, wenn sie nicht an dem Teil des mehrstückigen Aufbaus anliegt, der mit der Grundfläche verbunden ist und damit in diesem Fall das Wandteil bildet.
- Die Laschen können nach den Merkmalen 1.6 und 1.9 optional an den Wandteilen oder an den Verlängerungen seitlicher Wandteile des Regalbodens angeordnet sein. Bereits die Verwirklichung einer der genannten Variante verwirklicht die Merkmale.
- bb)
Diese Auslegung zugrunde gelegt, verwirklicht die angegriffene Ausführungsform die Merkmale 1.6 und 1.9. - Die angegriffene Ausführungsform weist Laschen auf, die an den seitlichen Wandteilen des Regalbodens angeordnet sind. Die seitlichen Wandteile sind einstückig ausgebildet und die Lasche jeweils an ihrem oberen Ende positioniert.
- b)
Auch Merkmal 1.12 wird durch die angegriffene Ausführungsform verwirklicht. - aa)
Nach Merkmal 1.12 können die Laschen an einer in Richtung der Rückwand versetzten Stelle in den Regalträger eingehängt werden. Bei der in Bezug genommenen „Stelle“ handelt es sich um die Position des Schlitzes, in den die Lasche eingesteckt und auf diese Weise in den Regalträger eingehängt werden kann. - Funktion der in Merkmal 1.12 bestimmten Anordnung ist es, Seitenwände des Regalträgers in ihrer Tiefe zu reduzieren (vgl. Absatz [0006]). Ermöglicht wird die Reduzierung der Tiefe neben der Anordnung der Lasche und des Schlitzes im Sinne des Merkmals 1.12 auch durch die Positionierung des Schlitzes im Sinne des Merkmals 1.7 (vgl. Absatz [0005]).
- Mit einer in Richtung der Rückwand versetzten Stelle bezieht sich das Merkmal auf die Grundfläche des Regalbodens oder genauer auf eine gedachte parallele Fläche oberhalb dieser Grundfläche. Bezogen auf die Grundfläche des Regalbodens befindet sich die Lasche in Richtung der Rückwand versetzt, wenn sie jedenfalls jenseits der Mitte der Grundfläche auf der der Rückwand näher gelegenen Seite angeordnet ist (vgl. auch Urteil des Bundespatentgerichts, Seite 11).
- Zwar bezeichnet das Klagepatent in Absatz [0005] eine Positionierung des Schlitzes und damit der zu seiner Aufnahme dienenden Lasche im zur Rückwand hin letzten Drittel des Regalbodens bzw. der Grundfläche des Regalbodens oder sogar über die Grundfläche hinaus in Richtung Regalträger versetzt als realistisch. Diese Positionierung hat jedoch keinen Eingang in den Anspruchswortlaut gefunden.
- Die dargestellte Funktion des Merkmals erfordert ebenfalls keine Positionierung der Lasche im letzten Drittel der Grundfläche. Eine beträchtliche Reduzierung der Tiefe der Seitenwände wird im Zusammenwirken der Merkmale 1.7 und 1.12 bereits dadurch erzielt, dass die Lasche nicht – wie im Stand der Technik bekannt – an einer seitlichen Berandung der Grundfläche und auf Höhe der Grundfläche angeordnet ist (vgl. Absatz [0005]).
- bb)
Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht das so verstandene Merkmal 1.12. Die Laschen der Regalböden können an einer in Richtung der Rückwand versetzten Stelle in den Regalträger eingehängt werden, nämlich an einem in den Seitenwänden des Regalträgers befindlichen Schlitz. Die Lasche und der zu ihrer Aufnahme dienende Schlitz sind so positioniert, dass sie sich jeweils jenseits der Mitte einer gedachten Fläche oberhalb der Grundfläche des Regalbodens befinden, und zwar in Richtung der Rückwand des Regalträgers. - c)
Schließlich ist Merkmal 1.13 verwirklicht. - aa)
Nach Merkmal 1.13 stößt der Regalboden im aufgebauten Zustand des Regals an die Rückwand an. - Das Klagepatent verwendet den Begriff des „Anstoßens“, wie es auch dem üblichen Sprachgebrauch entspricht, im Sinne eines zwischen Regalboden und Rückwand entstehenden berührenden Kontakts. Dass das Klagepatent von einem solchen Verständnis ausgeht, wird in Absatz [0020] deutlich. Dort heißt es: (…)
- Das Klagepatent setzt somit das Anstoßen des Regalbodens mit einer Berührung von Regalboden und Rückwand gleich und bringt das dargestellte Verständnis zum Ausdruck.
- Dass in den Ausführungsbeispielen eine Verklebung des Regalbodens mit der Rückwand oder die Befestigung mittels weiterer Laschen erwähnt wird (Absatz [0028], [0036]), beschränkt den Patentanspruch nicht (vgl. BGH, GRUR 2008, 779 – Mehrgangnabe). Auch das Bundespatentgericht geht in seinem Urteil vom 21.05.2019 nicht von einer anderen Auslegung aus. Soweit dort Vorrichtungen für einen Anschlag an der Rückwand erwähnt werden (Seite 18, 2. Absatz des Urteils), wird damit eine Befestigung nicht vorausgesetzt. Die dort genannten Vorrichtungen Krempelrand 17, Klebelasche 13 oder Schlitze 18 für Laschen 14 werden lediglich für die Offenbarung des Anstoßens herangezogen, womit über die Notwendigkeit einer Befestigung keinerlei Aussage getroffen wird. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass der vom Bundespatentgericht erwähnte Krempelrand 17 des Regalbodens an der Rückwand befestigt wird.
- Ein Anstoßen erfordert auch nicht, dass die Rückwand einen relevanten Teil der Kraft, die auf dem mit Waren gefüllten Regalboden lastet, aufnimmt. Die vom Klagepatent erwähnte Aufnahme von durch die Belastung des Regalbodens verursachten Gewichtskräften durch die Rückwand wird mit Hilfe weiterer Laschen gesteuert (Absätze [0018], [0019]). Diese weiteren Laschen werden entweder in einen zusätzlichen Schlitz in der Rückwand eingesteckt oder an der Rückwand angeklebt, wodurch eine stabilere und belastbarere Verbindung des Regalbodens mit dem Regalträger erreicht wird (vgl. Absatz [0018]). Das Anstoßen des Regalbodens an die Rückwand sieht das Klagepatent zwar als vorteilhafte Ausgestaltung für die Ausbildung derartiger Laschen, selbst aber nicht als Mittel einer solchen Kraftübertragung an.
- Soweit der Patentinhaber bereits im Nichtigkeitsverfahren im Zusammenhang mit Merkmal 1.13 ausgeführt hat, dass die auf dem Regalboden lastende Gewichtskraft dadurch, dass der Regalboden bei Belastung gegen die Rückwand gedrückt wird, verteilt wird (vgl. Seite 11 der Widerspruchsbegründung vom 01.02.2018, Anlage B10) und die dahingehende Argumentation im Nichtigkeitsberufungsverfahren wiederholt und vertieft (vgl. Seiten 8 f. der Berufungserwiderung vom 18.05.2020, Anlage B14), ergibt sich daraus nichts anderes. Dieser Äußerung kommt nur eine indizielle Bedeutung zu, die nicht zu einer abweichenden Beurteilung führt. Mehr als indizielle Bedeutung haben Äußerungen im Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren nur in einer einzigen – hier nicht vorliegenden – Sonderkonstellation, nämlich dann, wenn der Patentinhaber (z. B. in Bezug auf eine bestimmte mögliche Ausführungsform der Erfindung) schutzbereichsbeschränkende Erklärungen abgegeben hat, die Beschränkung Grundlage für die Aufrechterhaltung des Patents war und der spätere Verletzungsbeklagte bereits am Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren teilgenommen hat (vgl. BGH, GRUR 1993, 886, 888 – Weichvorrichtung I; BGH, NJW 1997, 3377, 3379 – Weichvorrichtung II; OLG Düsseldorf, Urteil vom 20.12.2017 – I-2 U 39/16, Rn. 127 ff. bei juris).
- Den vorstehenden Ausführungen entsprechend ist das Vorsehen zusätzlicher Mittel nicht ausgeschlossen, die bei einer bestimmungsgemäß auf die Fläche des Regalbodens verteilten Belastung den wesentlichen Teil der auf den Regalboden einwirkenden Kraft auf die Seitenwände und nicht auf die Rückwand übertragen.
- bb)
Bei der angegriffenen Ausführungsform besteht unstreitig ein Kontakt zwischen den Regalböden und der Rückwand des Regalträgers, womit Merkmal 1.13 verwirklicht ist. - Dass die angegriffene Ausführungsform an den Seiten des Regalbodens zungenförmige Laschen aufweist, mittels derer nach dem Vorbringen der Beklagten sichergestellt wird, dass bei einer bestimmungsgemäßen Belastung des Regalbodens der wesentliche Teil der Kraft auf die Seitenwände statt auf die Rückwand wirkt, ist nach obiger Auslegung jedenfalls unerheblich. Es kann deshalb offen bleiben, ob dieses Vorbringen zutrifft und ob und in welchem Umfang ferner die Rückwand der angegriffenen Ausführungsform bei bestimmungsgemäßem Gebrauch Kräfte aufnimmt.
- III.
Aufgrund der festgestellten Patentverletzung ergeben sich die nachfolgenden Rechtsfolgen. - 1.
Gemäß Art. 64 EPÜ i. V. m. § XXX Abs. 1 PatG ist die Beklagte der Klägerin zur Unterlassung verpflichtet. - 2.
Des Weiteren hat die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Schadensersatz dem Grunde nach (Art. 64 EPÜ i. V. m. § XXX Abs. 2 PatG sowie bis zum 23.07.2019 i. V. m. § 398 BGB). - Als Fachunternehmen hätte die Beklagte die Patentverletzung durch die angegriffene Ausführungsform bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt erkennen können, § 276 BGB.
- Die genaue Schadenshöhe steht derzeit noch nicht fest. Da es jedoch ausreichend wahrscheinlich ist, dass der Klägerin durch die rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten ein Schaden entstanden ist, der von der Klägerin noch nicht beziffert werden kann, weil sie ohne eigenes Verschulden in Unkenntnis über den Umfang der Verletzungshandlungen ist, ist ein rechtliches Interesse der Klägerin an einer Feststellung der Schadenersatzverpflichtung dem Grunde nach anzuerkennen, § 256 ZPO.
- Soweit der Anspruch aus abgetretenem Recht des Patentinhabers folgt, war im Tenor klarzustellen, dass in dem entsprechenden Zeitraum dessen Schäden zu ersetzen sind.
- 3.
Der Anspruch auf Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der angegriffenen Ausführungsform ergibt sich aufgrund der unberechtigten Benutzung des Erfindungsgegenstands unmittelbar aus Art. 64 EPÜ i. V. m. § 140b Abs. 1 PatG, der Umfang der Auskunftspflicht aus Art. 64 EPÜ i. V. m. § 140b Abs. 3 PatG, bis zum 23.07.2019 jeweils i. V. m. § 398 BGB. - Damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, ihren festgestellten Schadensersatzanspruch zu beziffern, steht ihr gegen die Beklagte ein Anspruch auf Auskunft im zuerkannten Umfang aus Art. 64 EPÜ i. V. m. §§ 242, 259 und (bis zum 23.07.2019) 398 BGB zu. Die Klägerin ist auf die Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt; die Beklagte wird durch die von ihr verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet.
- 4.
Weiterhin hat die Klägerin gegen die Beklagte ab dem 14.08.2008 einen Anspruch auf Rückruf der schutzrechtsverletzenden Erzeugnisse aus den Vertriebswegen gemäß Art. 64 EPÜ i. V. m. § 140a Abs. 3 PatG sowie bis zum 23.07.2019 i. V. m. § 398 BGB. Daneben hat sie einen Anspruch auf Vernichtung der streitgegenständlichen Erzeugnisse aus Art. 64 EPÜ i. V. m. § 140a Abs. 1 PatG. Für die Unverhältnismäßigkeit der Ansprüche bestehen keine Anhaltspunkte. - 5.
Schließlich hat die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Freistellung von den ihr durch die Abmahnung entstandenen Rechts- und Patentanwaltskosten in Höhe von € 12.253,80 aus Art. 64 EPÜ i. V. m. § XXX Abs. 2 PatG. - a)
Die Klägerin hat die Beklagte mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 21.04.2017 (Anlage K4) abgemahnt. Die Abmahnung enthält entgegen der Auffassung der Beklagten auch einen eindeutigen Hinweis auf die Unterlassungspflicht, und zwar unter Nennung der §§ XXX, 9 PatG. - b)
Es sind die vorgerichtlich entstandenen Kosten sowohl der Rechtsanwälte als auch der Patentanwälte erstattungsfähig. Insbesondere ist die Einschaltung von Patentanwälten nach den Umständen des Einzelfalls als notwendig anzusehen (vgl. dazu Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 12. Auflage 2020, Abschnitt C Rn. 46). Die Patentanwältin Dr. R hat in der Sitzung vom 18.06.2019 dargelegt, dass das Abmahnschreiben gemeinsam erarbeitet worden sei und derartige Sachen diskutiert würden. Damit lässt sich hinreichend feststellen, dass sie Aufgaben entfaltet hat, die zum Arbeitsgebiet eines Patentanwalts gehören (vgl. BGH, GRUR 2011, 754, 756 – Kosten des Patentanwalts II). - c)
Der Höhe nach ist für die Gebühren der Rechtsanwälte der Ansatz einer 1,3-fachen Geschäftsgebühr aus Nr. 2X des Vergütungsverzeichnisses aus einem Gegenstandswert von € 1 Mio. (€ 6.126,90) nicht zu beanstanden. Die Auslagenpauschale wird nicht geltend gemacht. - Die Belastung der Klägerin mit einer Verbindlichkeit für die Abmahnung gehört zu dem nach § XXX Abs. 2 PatG zu ersetzenden Schaden. Sofern die Beklagte darauf abstellt, dass die geltend gemachten Kosten nicht entstanden seien, greift dies nicht durch. Der Freistellungsanspruch wird mit Eingehung der Verbindlichkeit, von der freizustellen ist, sofort fällig. Insbesondere hängt der Freistellungsanspruch nicht davon ab, dass dem Abmahnenden bereits eine die Fälligkeit des anwaltlichen Honoraranspruchs begründende Rechnung vorliegt (BGH, NJW 2011, 2509, 2511 Rn. 18).
- Die Kosten der Patentanwältin konnten in einer den gesetzlichen Gebühren der Rechtsanwälte entsprechenden Höhe abgerechnet werden (vgl. Rojahn/Rektorschek, in: Hasselblatt, MAH Gewerblicher Rechtsschutz, 5. Auflage 2017, § 10 Rn. 40; v. Seltmann, in: BeckOK RVG, 47. Edition Stand: 01.03.2020, § 1 Rn. 7). Einer Honorarvereinbarung bedurfte es hierfür nicht.
- IV.
Im Rahmen des der Kammer nach § 148 ZPO zustehenden Ermessens wird das Verfahren im Hinblick auf die gegen das Urteil des Bundespatentgerichts eingelegte Berufung nicht ausgesetzt. - 1.
Nach § 148 ZPO kann das Gericht bei Vorgreiflichkeit eines anderen Verfahrens einen Rechtsstreit aussetzen. Die Erhebung einer Nichtigkeitsklage stellt allerdings ohne weiteres noch keinen Grund dar, den Verletzungsrechtsstreit auszusetzen. Die Patenterteilung ist auch für die (Verletzungs-) Gerichte bindend. Wegen der gesetzlichen Regelungen, die für die Ansprüche nach §§ XXX ff. PatG lediglich ein in Kraft stehendes Patent verlangen und für die Beseitigung dieser Rechtsposition nur die in die ausschließliche Zuständigkeit des Patentgerichts fallende Nichtigkeitsklage und den Einspruch vor dem jeweiligen Patentamt zur Verfügung stellen, kann der Angriff gegen das Klagepatent nicht als Einwand im Verletzungsverfahren geführt werden. Jedoch darf dies nicht dazu führen, dass diesem Angriff jede Auswirkung auf das Verletzungsverfahren versagt wird. Die Aussetzung des Verletzungsstreits im Rahmen der nach § 148 ZPO zu treffenden Ermessenentscheidung ist vielmehr grundsätzlich, aber auch nur dann geboten, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass das Klagepatent der erhobenen Nichtigkeitsklage oder dem erhobenen Einspruch nicht standhalten wird (BGH, GRUR 2014, 1237 – Kurznachrichten; OLG Düsseldorf, GRUR-RS 2015, 18679). - Eine Aussetzung kommt regelmäßig nicht in Betracht, wenn der dem Klagepatent entgegengehaltene Stand der Technik demjenigen entspricht, der bereits im Erteilungsverfahren oder in einem erfolglos durchgeführten Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren berücksichtigt worden ist oder vom Erfindungsgegenstand noch weiter abliegt als der schon geprüfte Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 12. Auflage 2020, Abschnitt E Rn. 786).
- Dies gilt erst recht, wenn das Patent erstinstanzlich aufrechterhalten worden ist. Diese – unter Beteiligung technischer Fachleute zustande gekommene – Entscheidung hat das Verletzungsgericht aufgrund der gesetzlichen Kompetenzverteilung grundsätzlich hinzunehmen. Im Rahmen der Aussetzungsentscheidung ist es nicht Sache des Verletzungsgerichts, das Einspruchsbeschwerde- bzw. Nichtigkeitsberufungsverfahren in allen Einzelheiten vorweg zu nehmen. Immer dann, wenn die Argumentation im Rechtsbestandsverfahren möglich und mit guten Gründen vertretbar erscheint, hat es vielmehr bei der getroffenen Einspruchs- oder Nichtigkeitsentscheidung zu verbleiben, so dass, wenn nicht im Einzelfall ganz besondere Umstände vorliegen, für eine Aussetzung des Verletzungsrechtsstreits keine Veranlassung besteht. Sie ist erst dann geboten, wenn die Rechtsbestandsentscheidung auf für das Verletzungsgericht nachweisbar unrichtigen Annahmen oder einer nicht mehr vertretbaren Argumentation beruht oder wenn mit dem Rechtsmittel gegen die Rechtsbestandsentscheidung, ohne dass insoweit ein Nachlässigkeitsvorwurf angebracht ist, weiterer Stand der Technik präsentiert wird, der, weil er der Erfindung näher kommt als der bisher gewürdigte Stand der Technik, mit Wahrscheinlichkeit eine Vernichtung des Klagepatents erwarten lässt (OLG Düsseldorf, Urteil vom 07.07.2011 – I-2 U 66/10 – Hybrid-Aufblasvorrichtung; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 12. Auflage 2020, Abschnitt E Rn. 787).
- 2.
Daran gemessen ist eine Aussetzung nicht veranlasst. - a)
Dies gilt zunächst im Hinblick auf eine unzulässige Erweiterung bzw. Schutzbereichserweiterung durch die Aufnahme zusätzlicher Merkmale in den eingeschränkten Anspruch. - aa)
Die Kammer vermag nicht festzustellen, dass die Annahme des Bundespatentgerichts, die Aufnahme von Merkmal 1.12 stelle auch ohne den Begriff „deutlich“ keine unzulässige Erweiterung dar, nicht auf einer vertretbaren Argumentation beruht. - Zwar erläutert die Beschreibung in Absatz [0005], dass die Lasche an einer „deutlich in Richtung der Rückwand versetzten Stelle“ in den Regalträger eingehängt werden kann, während Merkmal 1.12 von einer „in Richtung der Rückwand versetzten Stelle“ spricht. Das Bundespatentgericht hat jedoch mit nachvollziehbaren Erwägungen begründet, dass das Weglassen des Begriffs „deutlich“ nicht zu einer unzulässigen Erweiterung führt. Es hat hierzu ausgeführt, dass – ausgehend von der offenbarten technischen Lehre – „deutlich“ kein wesentliches, den offenbarten Gegenstand einschränkendes Merkmal sei, so dass sein Weglassen nicht zu einer Erweiterung des Gegenstands führe (Seite 18 des Urteils). Es lässt sich nicht feststellen, dass diese Beurteilung, die entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht ohne Begründung erfolgt ist, nicht vertretbar ist.
- Soweit die Beklagte darauf abstellt, ein beliebig geringer – somit nicht „deutlicher“ – Versatz der Lasche in Richtung der Rückwand könne nicht die in Absatz [0005] beschriebene Aufgabe lösen, einen Regalträger mit gegenüber dem Stand der Technik deutlich verringerter Tiefe zu verwenden, greift dies nicht durch. Zum einen ist auch nach Merkmal 1.12 die Anordnung der Lasche „an einer in Richtung der Rückwand versetzten Stelle“ erforderlich, was voraussetzt, dass die Lasche jenseits der Mitte der Grundfläche auf der der Rückwand näher gelegenen Seite angeordnet ist (siehe bereits oben unter II. 3. b) aa); vgl. auch Urteil des Bundespatentgerichts, Seite 11). Zum anderen ist neben Merkmal 1.12 auch die Positionierung des Schlitzes im Sinne von Merkmal 1.7 für die Abgrenzung zum Stand der Technik verantwortlich, wie aus Absatz [0005] hervorgeht. Der Versatz der Lasche ist deshalb nicht das alleinige Abgrenzungskriterium gegenüber dem Stand der Technik, weshalb der Fachmann die von der Beklagten beschriebene Überlegung auch aus diesem Grund nicht anstellen würde.
- bb)
Gleiches gilt für die Aufnahme von Merkmal 1.13 in den eingeschränkten Anspruch, wonach der Regalboden im aufgebauten Zustand des Regals an die Rückwand anstößt. - Die Argumentation des Bundespatentgerichts, wonach die Fig. 2 bis 4 und 8 an den Regalböden Vorrichtungen für einen Anschlag an der Rückwand zeigen und damit das Anstoßen des Regalbodens an der Rückwand offenbart ist, erscheint als mit guten Gründen vertretbar.
- Das Argument der Beklagten, ein Anstoßen des Regalbodens sei nur für bestimmte Ausführungsformen, nämlich Steck- und Klebelaschen, offenbart, nicht aber für die vom Bundespatentgericht ebenfalls als mögliche Vorrichtung für einen Anschlag an der Rückwand genannten Krempelränder, greift nicht durch. Dass die Krempelränder 17 in Absatz [0036] als „die Grundflächen 8 begrenzende Wände“ beschrieben werden, schließt einen Anschlag des Krempelrands an die Rückseite nicht aus. Auf ein Ineinandergreifen mit der Rückwand wie bei den in der mittigen Ausführungsform der Fig. 8 gezeigten zusätzlichen Laschen und Schlitzen oder eine feste Verbindung wie bei den in der rechten Ausführungsform der Fig. 8 gezeigten Klebelaschen ist das Anstoßen im Sinne von Merkmal 1.13 nicht beschränkt (siehe oben unter II. 3. c) aa)).
- cc)
Schließlich ist nicht feststellbar, dass der Schutzbereich dadurch unzulässig erweitert wird, dass nach Merkmal 1.10 der Regalträger eine Rückwand und zwei Seitenwände aufweist, das Merkmal aber nicht vorgibt, dass diese miteinander verbunden sein müssen. - Das Bundespatentgericht hat seine Auffassung insoweit mit den Grundsätzen begründet, die der Bundesgerichtshof in der Entscheidung „Spleißkammer“ (BGH, GRUR 1990, 432; siehe auch BGH, GRUR 2008, 60, 64 – Sammelhefter II; GRUR 2005, 316, 319 – Fußbodenbelag) aufgestellt hat. Danach hat es der Patentinhaber in der Hand, ob er sein Patent durch die Aufnahme einzelner oder sämtlicher Merkmale beschränkt, wenn die in der Beschreibung eines Ausführungsbeispiels genannten Merkmale der näheren Ausgestaltung der unter Schutz gestellten Erfindung dienen, die je für sich, aber auch zusammen den durch die Erfindung erreichten Erfolg fördern. In Anwendung dieser Grundsätze hat das Bundespatentgericht sodann angenommen, dass der erteilte Anspruch dahingehend beschränkt werden konnte, dass der Regalträger aus einer Rückwand und zwei Seitenwänden besteht (Seite 17 des Urteils). Diese Argumentation erscheint der Kammer nachvollziehbar und gut vertretbar, womit es nach den dargestellten Grundsätzen dabei zu verbleiben hat. Unerheblich ist dabei, ob sich die Offenbarung an nur einer einzelnen Stelle oder an zahlreichen Stellen des Klagepatents wiederfindet.
- b)
Eine mangelnde Klarheit des Merkmals 1.12 lässt sich ebenfalls nicht feststellen. Die entsprechende Argumentation des Bundespatentgerichts erscheint der Kammer gut vertretbar und nachvollziehbar. Entgegen der Auffassung der Beklagten fehlt es auch nicht an einer Ausführung dazu, wo die in Richtung der Rückwand versetzte Stelle zu finden ist. In seiner Begründung zur ausreichenden Klarheit (Seite 19 des Urteils) nimmt das Bundespatentgericht auf die bereits vorgenommene Auslegung Bezug. Dort wurde ausgeführt, dass die „versetzte Stelle“ so auszulegen ist, dass die Lasche in der zur Rückwand gerichteten Hälfte des Regalbodens an den Wandteilen angeordnet ist (Seite 11 des Urteils). Wie auch bereits unter II. 3. b) aa) gesehen, lässt sich somit im Wege der Auslegung insbesondere der von der Beklagten als fehlend beanstandete Ausgangs- oder Bezugspunkt für den Versatz ermitteln. - c)
Schließlich ist eine Aussetzung nicht im Hinblick auf eine fehlende erfinderische Tätigkeit ausgehend von der US 3,XXX,192 (Anlage K-9 zur Anlage K6; nachfolgend: K-9) veranlasst. - Das Bundespatentgericht hat in seinem Urteil ausgeführt, der Fachmann habe keine Anregung zu einer Umgestaltung von verklebten Laschen hin zu eingesteckten Laschen gehabt. Selbst wenn ein solcher Umbau möglich gewesen sein mag, sind die entsprechenden Ausführungen der dortigen Klägerin und hiesigen Beklagten hierzu, so das Bundespatentgericht, in Kenntnis des Klagepatents erfolgt (Seite 23 des Urteils). Diese Ausführungen erscheinen der Kammer gut vertretbar. Sie gelten zudem unabhängig davon, ob der überlappende Bereich der Seitenwände verklebt oder auf eine andere Weise fest verbunden ist, und zwar selbst dann, wenn die Art der Verbindung ein Einstecken von Laschen grundsätzlich zulassen würde.
- Soweit die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 02.03.2020 ergänzend ausführt, warum der Fachmann auf den Einsatz von Laschen zurückgegriffen hätte, gebietet dies keine abweichende Beurteilung. Es handelt sich auch insoweit um eine rückschauende Betrachtungsweise.
- C.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 269 Abs. 3 S. 2 ZPO. - Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO. Auf Antrag der Klägerin sind Teilsicherheiten für die gesonderte vorläufige Vollstreckung festgesetzt worden.