Düsseldorfer Entscheidungsnummer: 2986
Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 19. Dezember 2019, Az. 4c O 77/18
- 1. Die Beklagten werden jeweils verurteilt, es bei Meidung eines für jeden einzelnen Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,-, an dessen Stelle im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ordnungshaft bis zu sechs Monaten tritt, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an dem Geschäftsführer zu vollstrecken ist, zu unterlassen,
- Halterahmen für einen Steckverbinder zur Aufnahme gleichartiger und/oder unterschiedlicher Module, mit einem Grundabschnitt zur Fixierung eines aufgenommenen Moduls in einer Ebene und einem Verformungsabschnitt, der einen Einführzustand und einen Haltezustand annehmen kann, wobei der Einführzustand ein Einführen wenigstens eines Moduls in einer Richtung quer zur Ebene in den Halterahmen erlaubt und ein aufgenommenes Modul im Halterahmen fixiert ist,
- in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen oder – nur in Bezug auf die Beklagte zu 1. – herzustellen, dadurch gekennzeichnet, dass
- der Grundabschnitt und der Verformungsabschnitt wenigstens aus unterschiedlichen Werkstoffen gebildet sind, dass der Grundabschnitt als Grundrahmen und der Verformungsabschnitt als wenigstens ein Wangenteil am Grundrahmen ausgeführt sind, dass der Grundrahmen aus Zinkdruckguss besteht und starr ist, dass der Grundrahmen mit einem im wesentlichen rechteckigen Querschnitt und zwei Stirnflächen sowie zwei rechtwinklig dazu einander parallel gegenüberliegenden Seitenteilen ausgeführt ist, wobei an die Stirnflächen jeweils ein rechtwinklig dazu abstehender Flansch angeformt ist, wobei jeder Flansch zwei Schraubbohrungen aufweist, dass der Halterahmen einen Schutzerdungs-Kontakt (PE-Kontakt) aufweist oder zumindest mit einem solchen bestückt ist, dass das mindestens eine Wangenteil am Grundrahmen durch Verrasten befestigt ist, dass das mindestens eine Wangenteil aus federelastischem Blech ist, und dass das mindestens eine Wangenteil an zumindest einer Biegekante um 180° gefaltet ist;
- 2. der Klägerin in einer gesonderten und geordneten Aufstellung, hinsichtlich der Angaben a. und b. unter Vorlage von Rechnungen oder Lieferscheinen oder Quittungen darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie die zu Ziff. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 04. November 2018 begangen haben, und zwar unter Angabe:
a. der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
b. der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen, den jeweiligen Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,
c. der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen der jeweiligen Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
d. der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, im Falle von Internet-Werbung der Domain, den Zugriffszahlen und den Schaltungszeiträumen,
e. der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
wobei es den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht gewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist. - 3. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die in Ziff. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 04. November 2018 entstanden ist und noch entstehen wird.
- 4. Die Beklagten zu 1. und 2. werden verurteilt,
- a. die in vorstehender Ziff. 1. bezeichneten, im Besitz gewerblicher Endabnehmer befindlichen und seit dem 04. November 2019 auf den Markt gebrachten Erzeugnisse aus den Vertriebswegen zurückzurufen, indem diejenigen gewerblichen Endabnehmer, denen durch die Beklagten oder mit deren Zustimmung Besitz an den Erzeugnissen eingeräumt wurde, unter Hinweis darauf, dass die Kammer mit dem hiesigen Urteil auf eine Verletzung des Klagegebrauchsmusters DE 20 2014 011 XXX U1 erkannt hat, ernsthaft aufgefordert werden, die Erzeugnisse an die Beklagten zurückzugeben und den gewerblichen Endabnehmern für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Rückzahlung des gegebenenfalls bereits gezahlten Kaufpreises sowie die Übernahme der Kosten der Rückgabe zugesagt wird, und endgültig zu entfernen, indem die Beklagten die Erzeugnisse wieder an sich nehmen oder die Vernichtung derselben beim jeweiligen Besitzer veranlassen;
- b. die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz und/oder Eigentum befindlichen unter Ziff. 1 bezeichneten Erzeugnisse auf eigene Kosten zu vernichten oder nach ihrer Wahl an einen von ihnen zu benennenden Treuhänder oder einem Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf ihre – der Beklagten zu 1. und 2. – Kosten herauszugeben.
- 5. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten.
- 6. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 250.000,00 Euro.
- Tatbestand
- Die Klägerin macht gegen die Beklagten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft, Rechnungslegung, Rückruf, Vernichtung und Feststellung der Schadensersatzpflicht geltend. Sie stützt sich auf das deutsche Gebrauchsmuster DE 20 2014 011 XXX U1 (Anlage KC 3; im Folgenden: Klagegebrauchsmuster C).
- Die Klägerin ist eingetragene und alleinverfügungsberechtigte Inhaberin des Klagegebrauchsmusters C, welches am 11.12.2014 unter Inanspruchnahme der jeweiligen Priorität der DE 10 2013 113 XXX und der DE 10 2013 113 XXX (im Folgenden: DE´XXX) vom 12.12.2013 angemeldet wurde. Der Hinweis auf die Eintragung wurde am 04.10.2018 veröffentlicht (Anlage KA 3). Das Klagegebrauchsmuster C steht in Kraft und betrifft Halterahmen für einen Steckverbinder.
- Anspruch 1 des Klagegebrauchsmusters C lautet:
Halterahmen für einen Steckverbinder zur Aufnahme gleichartiger und/oder unterschiedlicher Module (3), mit einem Grundabschnitt zur Fixierung eines aufgenommenen Moduls (3) in einer Ebene und einem Verformungsabschnitt, der einen Einführzustand und einen Haltezustand annehmen kann, wobei der Einführzustand ein Einführen wenigstens eines Moduls (3) in einer Richtung quer zur Ebene in den Halterahmen erlaubt und ein aufgenommenes Modul (3) im Haltezustand fixiert ist, dadurch gekennzeichnet, dass der Grundabschnitt und der Verformungsabschnitt wenigstens teilweise aus unterschiedlichen Werkstoffen gebildet sind, dass der Grundabschnitt als Grundrahmen (1) und der Verformungsabschnitt als wenigstens ein Wangenteil (2,2′) am Grundrahmen (1) ausgeführt sind, dass der Grundrahmen (1) aus Zinkdruckguss besteht und starr ist, dass der Grundrahmen (1) mit einem im wesentlichen rechteckigen Querschnitt und zwei Stirnflächen (11,11′) sowie zwei rechtwinklig dazu einander parallel gegenüberliegenden Seitenteilen (12,12′) ausgeführt ist, wobei an die Stirnflächen (11,11′) jeweils ein rechtwinklig dazu abstehender Flansch (13,13′) angeformt ist, wobei jeder Flansch (13,13′) zwei Schraubbohrungen (131,131′) aufweist, dass der Halterahmen einen Schutzerdungs-Kontakt (PE-Kontakt) (33′) aufweist oder zumindest mit einem solchen bestückt ist, dass das mindestens eine Wangenteil (2,2′) am Grundrahmen (1) durch Verrasten befestigt ist, dass das mindestens eine Wangenteil (2,2′) aus federelastischem Blech ist, und dass das mindestens eine Wangenteil (2,2′) an zumindest einer Biegekante (B,B‘) um 180° gefaltet ist. - Nachfolgende Figuren sind der Klagegebrauchsmusterschrift entnommen und beziehen sich auf ein Ausführungsbeispiel. Die Figur 1 zeigt einen Grundrahmen, die Figuren 2a und 2b ein erstes Wangenteil aus zwei verschiedenen Perspektiven und die Figuren 4a und 4b sodann einen Halterahmen mit einem eingefügten PE-Modul aus zwei verschiedenen Perspektiven.
- Die Beklagte zu 1. hat unter dem 27.02.2019 beim DPMA einen Löschungsantrag gegen das Klagegebrauchsmuster C im Umfang des Schutzanspruchs 1 eingelegt (Anlage CBH 3), über den bisher noch nicht entschieden worden ist.
- Die Beklagten gehören zur A-Gruppe. Die Beklagte zu 1. ist ein deutsches Unternehmen, das Komponenten, Systeme und Lösungen auf den Gebieten Elektrotechnik, Elektronik und Automation anbietet und herstellt. Der Beklagte zu 3. ist einer der Geschäftsführer der Beklagten zu 1. Er ist dort seit dem Jahr 2001 für Marketing und Produktentwicklung sowie Innovations- und Technologie-Management zuständig. Zu seinen Aufgabenbereichen zählen insbesondere die Leitung der internationalen Forschungs- und Entwicklungszentren der Unternehmensgruppe sowie in der Position des Chief Technology Officer auch die Technologie- und Prozessverantwortung (vgl. Anlage KA 1f).
Bei der Beklagten zu 2. handelt es sich um die deutsche Vertriebstochter der A-Gruppe, welche ausweislich ihrer Homepage für den Vertrieb an deutsche Kunden zuständig ist (Anlage K 1d, 1e). Alleiniger Geschäftsführer der Beklagten zu 2. ist der Beklagte zu 4. (vgl. Anlage KA 1e). - Bei Aufrufen der Website der Beklagten zu 1. unter der Domain www.A.com (vgl. Anlage K 2, K 2a), und auswählen der Kategorie „Unser Angebot“ sowie der weiteren Unterkategorie „Produktbereich anzeigen“ und der Landeswahl „Deutschland“ erscheint die Kategorie Produkte/Steckverbinder etc. Unter dieser Rubrik werden Halterahmen angeboten. In den Baugrößen B6, B10, B16 sowie B24 werden verschiedene Modelle solcher Halterahmen angeboten (Anlagen K 2b; im Folgenden: angegriffene Ausführungsformen), welche auch unmittelbar über diese Website zu bestellen sind. Die Beklagte zu 2. wird im Impressum gehörend zu dieser Website genannt (Anlage K 2c); sie ist Ansprechpartnerin für den Vertrieb dieser angegriffenen Ausführungsformen und liefert die bestellten Produkte an deutsche Kunden aus.
Außerdem bewerben die Beklagten diese Produkte in ihrem Produktkatalog „Produktkatalog 2: Sensor-/Aktor-Verkabelung und Steckverbinder“, welcher auch online auf der Website der Beklagten zu 2. unter der Kategorie „Produkte/Produktkataloge“ abrufbar ist (Anlage K 2d). Gleichermaßen werden in dem Produktkatalog mögliche Module, die in die angegriffenen Ausführungsformen eingebracht werden können, abgebildet (vgl. S. 585).
Die einzelnen Modelle der angegriffenen Ausführungsformen sind im Wesentlichen baugleich ausgestaltet; sie unterscheiden sich in der jeweiligen Größe.
Die Klägerin führte über einen deutschen Elektronikhändler Testkäufe der angegriffenen Ausführungsformen durch. Die unter dem 17. September 2018 im Online-Shop der Beklagten bestellten Produkte wiesen die Beklagte zu 1. als Herstellerin aus und wurden von der Beklagten zu 2. an den Elektronikhändler ausgeliefert (Anlage K 2e). - Zwischen den Parteien des hiesigen Verfahrens sind vor der Kammer drei weitere Klagen anhängig, wobei das Verfahren zum Az. 4c O 68/XX das Klageschutzrecht EP 3 080 XXX B1, das Verfahren zum Az. 4c O 76/XX das Klageschutzrecht DE 20 2014 011 XXX U1 sowie das Verfahren zum Az. 4c O 78/18 das Klageschutzrecht DE 10 2013 113 XXX B4 betrifft. Außerdem hat die Kammer die Beklagten zu 1. und 2. bereits mit Urteil vom 05. September 2019 im Wege eines einstweiligen Verfügungsverfahrens beruhend auf dem DE ´XXX zur Unterlassung verurteilt. Die Beklagten haben gegen dieses Urteil Berufung zum Oberlandesgericht Düsseldorf eingelegt, über die bisher nicht entschieden worden ist.
- Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Beklagten wortsinngemäß Gebrauch von der erfindungsgemäßen Lehre machen würden. Die untere Kante der Wangenteile der angegriffenen Ausführungsformen sei gefaltet. Das Ergebnis seien zwei einander parallel gegenüberliegende Schenkel des Wangenteils. Nicht erforderlich sei nach der Lehre des Klagegebrauchsmusters C, dass diese Schenkel nach der Faltung aufeinanderliegen. Dem Fachmann sei aus dem Stand der Technik bekannt, dass „Falten“ mehrere konkrete Ausgestaltungsmöglichkeiten zulasse, gerade zur Verstärkung der Randbereiche von Blechen.
- Außerdem meint die Klägerin, dass auch der Beklagte zu 4. jedenfalls als Störer persönlich für etwaige von der Beklagten zu 2. begangene Rechtsverletzungen einzustehen habe. Dies ergebe sich aus seiner Stellung als – unstreitig – alleiniger Geschäftsführer der Beklagten zu 2.
- Das Klagegebrauchsmuster C sei schließlich schutzfähig und der Rechtsstreit daher nicht auszusetzen. Ihm könne nicht erfolgreich aufgrund von Kombinationen verschiedener Dokumente der Einwand der mangelnden erfinderischen Tätigkeit entgegengehalten werden.
-
Die Klägerin beantragt,
wie erkannt. - Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen;
hilfsweise, den Rechtsstreit bis zur erstinstanzlichen Entscheidung über den Löschungsantrag betreffend das Klagegebrauchsmuster C auszusetzen. - Sie sind der Ansicht, dass der Beklagte zu 4. nicht passivlegitimiert sei, da er mit entsprechenden Aufgaben hinsichtlich der angegriffenen Ausführungsformen bei der Beklagten zu 2. nicht betraut sei.
- Sie meinen, die angegriffenen Ausführungsformen würden keinen Gebrauch von der Lehre des Klagegebrauchsmusters C machen. Dazu behaupten die Beklagten, die Wangenteile der angegriffenen Ausführungsformen seien nicht um 180° um eine Kante gefaltet, sondern gefalzt. Daher würde die umgebogene Kante nicht, was unstreitig ist, unmittelbar an den Wangenteilen anliegen, sondern zu diesen beabstandet sein, was die Aufnahme des Grundrahmens in diesem unteren Bereich ermögliche. Daher diene das Umbiegen der unteren Kante des Wangenteils auch einem anderen als dem erfindungsgemäßen Zweck; es werde nämlich die Verbindung des Wangenteils mit dem Grundrahmen bewirkt.
- Die Beklagten sind ferner der Ansicht, dass das Klagegebrauchsmuster C nicht schutzfähig und der Rechtsstreit jedenfalls auszusetzen sei. Ausgehend von dem Katalog „B“ (im Folgenden: E13) mit Fachwissen werde vollständig die Erfindung nahegelegt; gleiches gelte für die Kombination von dem Dokument US 4,659,XXX (im Folgenden: E14) bzw. der WO2011/69522 A1 (im Folgenden: E12) mit Fachwissen. Als Ausgangspunkt für die Erfindung komme weiterhin der Katalog „C“ der D, S.p.A. (im Folgenden: E3) in Betracht. Aufgrund seines Fachwissens sei dem Fachmann die erfindungsgemäße Lehre nahegelegt gewesen. Insoweit kämen auch weitere Kombinationen mit den Dokumenten US 4 032 XXX (im Folgenden: E1), DE 298 12XXX U1 (im Folgenden: E2) und US 5 532 XXX (im Folgenden: E4) bzw. diesen Dokumenten untereinander in Betracht.
- Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zur Akte gereichten Schriftstücke nebst Anlagen Bezug genommen.
- Entscheidungsgründe
- A.
Die zulässige Klage ist begründet. - I.
Das Klagegebrauchsmuster C betrifft Halterahmen für einen Steckverbinder (Abs. [0001]).
Im Stand der Technik waren bereits Halterahmen, welche benötigt werden, um mehrere gleichartige oder unterschiedliche Module aufzunehmen und außerdem gemäß der Steckverbinder-Norm eine Schutzerdung insbesondere für das Einbringen des bestückten Halterahmens in metallische Steckverbindergehäuse aufweisen (Abs. [0003]f.), bekannt. - Das Klagegebrauchsmuster C nimmt in Abs. [0005] Bezug auf die EP 0 860 XXX B1, welche einen Halterahmen zur Halterung von Steckverbindermodulen und zum Einbau in Steckverbindergehäuse bzw. zum Anschrauben an Wandflächen offenbart. Die Steckverbindermodule werden in den Halterahmen eingesetzt und wirken mit Halterungsmittel an den Steckverbindermodulen mit an gegenüberliegenden Wandteilen das Halterahmens vorgesehenen Ausnehmungen zusammen. Dabei sind die Ausnehmungen als allseitig geschlossene Öffnungen in den Seitenteilen des Halterahmens ausgebildet.
- Ausgehend von der EP 2 581 XXX A1 beschreibt das Klagegebrauchsmuster C in Abs. [0006] einen Halterahmen für Steckverbindermodule, der zwei Rahmenhälften aufweist, die durch Linearverschieben der einen relativ zur anderen Rahmenhälfte miteinander verrastbar sind. An den Rahmenhälften sind jeweils zueinander korrespondierende Rastmittel vorgesehen, die aufgrund des Linearverschiebens die Rahmenhälften in zwei verschiedene Raststellungen verbringen können. Dies bewirkt eine Beabstandung der Rahmenhälften zueinander.
- Hieran kritisiert das Klagegebrauchsmuster C insbesondere, dass solche Halterahmen bei der Montage eine sehr aufwändige Bedienung erfordern. Denn der gesamte Rahmen muss zur Lösung/Entrastung auch nur eines Moduls aus dem Steckverbinder gelöst werden. Dabei ist möglich, dass weitere Module herausfallen, obwohl deren Entnahme nicht erwünscht ist (Abs. [0008]).
- Als weiteren Stand der Technik würdigt das Klagegebrauchsmuster C in Abs. [0008] die EP 1 801 XXX (im Folgenden: EP XXX) als vorbekannt, welche einen Halterahmen, bestehend aus einem einteiligen Kunststoffspritzteil, offenbart. Der Rahmen ist als umlaufender Kragen ausgebildet und verfügt an seiner Steckseite über mehrere durch Schlitze getrennte Wandsegmente. Je zwei gegenüberliegende Wandsegmente bilden einen Einfügebereich für ein Steckermodul. Dabei weisen die Wandsegmente fensterartige Öffnungen auf, um an den Schmalseiten der Module vorgesehene Vorsprünge aufzunehmen. Außerdem ist an den Wandsegmenten eine Führungsnut vorgesehen, oberhalb der Öffnungen und geformt mittels eines nach außen versetzten Fenstersteges, der seinerseits an der Innenseite abgeschrägt ist. An den Schmalseiten der Steckermodule sind zudem Rastarme ausgestaltet, die unterhalb der seitlichen Krangenwand verrasten. Es existieren somit zwei unabhängige Rastmittel, die die Steckermodule im Halterahmen fixieren.
- An diesem Stand der Technik kritisiert es das Klagegebrauchsmuster C als nachteilig, dass der gattungsmäßig aus Kunststoff gebildete Halterahmen nicht zur Schutzerdung und damit nicht zum Einbau in metallische Gehäuse geeignet ist. Außerdem ist die Herstellung von Kunststoffrahmen im Spritzgussverfahren schwierig und erfordert hohen Aufwand. Ebenfalls aufgrund der Materialbeschaffenheit ist die Hitzebeständigkeit nicht immer ausreichend, z.B. bei einer speziellen Anwendung in der Nähe eines Hochofens (vgl. Abs. [0009]).
- Das Klagegebrauchsmuster C stellt sich daher, wie es in Abs. [0010] formuliert, die Aufgabe, eine Bauform für einen Halterahmen anzugeben, die eine gute Hitzebeständigkeit und eine hohe mechanische Robustheit aufweist und die insbesondere auch beim Einbau in ein metallisches Steckverbindergehäuse eine entsprechende Schutzerdung, insbesondere Protection Earth („PE“), ermöglicht. Außerdem soll eine komfortable Bedienbarkeit, insbesondere beim Auswechseln einzelner Module, gewährleistet werden.
- Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Klagegebrauchsmuster C in seinem Anspruch 1 eine Vorrichtung vor, die folgende Merkmale aufweist:
- 1.1. Halterahmen für einen Steckverbinder zur Aufnahme gleichartiger und/oder unterschiedlicher Module (3, 3‘),
1.1.1. mit einem Grundabschnitt (1) zur Fixierung eines aufgenommenen Moduls (3, 3‘) in einer Ebene und
1.1.2. einem Verformungsabschnitt, der einen Einführzustand und einen Haltezustand annehmen kann, wobei
1.2. der Einführzustand ein Einführen wenigstens eines Moduls (3, 3‘) in einer Richtung quer zur Ebene in den Halterahmen erlaubt und
1.3. ein aufgenommenes Modul (3, 3′) im Haltezustand fixiert ist,
dadurch gekennzeichnet, dass
1.4. der Grundabschnitt (1) und der Verformungsabschnitt wenigstens teilweise aus unterschiedlichen Werkstoffen gebildet sind,
1.5. der Grundabschnitt als Grundrahmen (1) und
1.6. der Verformungsabschnitt als wenigsten ein Wangenteil (2,2′) am Grundrahmen (1 ) ausgeführt sind,
1.7. der Grundrahmen (1) aus Zinkdruckguss besteht und starr ist,
1.8. der Grundrahmen (1) mit einem im wesentlichen rechteckigen Querschnitt und zwei Stirnflächen (11,11′) sowie zwei rechtwinklig dazu einander parallel gegenüberliegenden Seitenteilen (12,12′) ausgeführt ist,
1.9. wobei an die Stirnflächen (11,11′) jeweils ein rechtwinklig dazu abstehender Flansch (13,13′) angeformt ist, wobei jeder Flansch (13,13′) zwei Schraubbohrungen (131,131′) aufweist,
1.10. dass der Halterahmen einen Schutzerdungs-Kontakt (PE-Kontakt) (33′) aufweist oder zumindest mit einem solchen bestückt ist,
1.11.1 dass das mindestens eine Wangenteil (2,2′) am Grundrahmen (1) durch Verrasten befestigt ist,
1.11.2 dass das mindestens eine Wangenteil (2,2′) aus federelastischem Blech ist, und
1.11.3 dass das mindestens eine Wangenteil (2,2′) an zumindest einer Biegekante (B,B‘) um 180° gefaltet ist. -
II.
Zwischen den Parteien ist zurecht nur das Merkmal 1.11.3 streitig, weshalb sich Ausführungen zu den weiteren Merkmalen erübrigen. Die Kammer vermag auch die Verwirklichung dieses Merkmals festzustellen. - 1.
Das Klagegebrauchsmuster C sieht in Merkmal 1.11.3 vor, dass das mindestens eine Wangenteil an zumindest einer Biegekante um 180° gefaltet ist. - Unter dem Begriff „Falten“ versteht das Klagegebrauchsmuster C ein stufenweises Biegen von geraden Schenkeln um einen gemeinsamen Punkt oder entlang einer gemeinsamen Linie, was von der Länge der zu biegenden Kante abhängt. Die Winkelangabe dient dem Fachmann als Hinweis auf die finale Lage des gebogenen Schenkels, etwa in Abgrenzung von lediglich 90°-Biegungen. Als Ergebnis des Biegevorgangs um 180° ist nicht auch erforderlich, dass die beiden Schenkel lückenlos aufeinanderliegen.
- Das Klagegebrauchsmuster C hält keine Definition dieses Merkmals bereit. Das ausgezeigte Verständnis folgt aber aus dessen Auslegung.
So ist schon dem Wortlaut des Anspruchsmerkmals unmittelbar zu entnehmen, dass um eine „Biege“kante herum „gefaltet“ wird. Das Klagegebrauchsmuster C greift damit zur Beschreibung der Vorrichtung sowohl auf die Begriffe „Biegen“ als auch „Falten“ zurück und sieht daher einen inhaltlichen Zusammenhang, zumindest aber keinen gegenseitigen Ausschluss, zwischen diesen Begriffen. Die Begriffswahl hält das Klagegebrauchsmuster C in Abs. [0054] und [0075] aufrecht. So ist ein Falten immer auch ein Biegen, ein Biegen jedoch nicht immer zugleich ein Falten. Diese Differenzierung ist bereits Gegenstand des allgemeinen Fachwissens des Fachmanns; er weiß, dass ein fertigungsgerechtes Biegen etwa auch eine Form des Aufrollens sein kann (vgl. Anlage E8.3 zu Anlage CBH 3, S. 22).
Dem Fachmann sind im Stand der Technik überhaupt unterschiedliche Umformungstechniken bekannt, um Bleche zu verarbeiten/anzupassen. Dies gilt auch explizit für den Randbereich von Blechen, für die eine fertigungsgerechte Versteifung erforderlich sein kann. Der Fachmann entnimmt indes der Falttechnik ihrem allgemeinen Begriffsverständnis nach aber nicht die Vorgabe, dass ein Aufeinanderliegen der umgebogenen Fläche auf der verbleibenden Fläche bewirkt werden muss. Die zur Akte gereichten Auszüge aus der Fachliteratur zeigen, dass dies zwar möglich (Anlage E8 zu Anlage CBH 3, S. 22), jedoch nicht zwingend ist. Vielmehr können die Blechränder zur Versteifung auf verschiedene Weisen gestaltet werden und so auch nur in einem Winkel von 90° gefaltet werden. - Ferner fehlen konkrete Hinweise darauf, dass eine hinreichende Versteifung der Blechränder nur durch eine Faltung, die das Aufeinanderliegen der Schenkel bewirkt, bewerkstelligt werden kann. Zwar ist in Abs. [0054] der Klagegebrauchsmusterschrift als bevorzugtes Ausführungsbeispiel beschrieben, dass die untere Kante des Bleches zwischen Biegelinie und den Befestigungsausnehmungen zum Liegen kommt. Aus dem ersten Satz dieser Beschreibungsstelle wird durch die Benutzung des Wortes „damit“ auch ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen einer Faltung um 180° und einer Verstärkung des Bereichs hergestellt. Dem könnte der Fachmann entnehmen, dass diese Verstärkung nur bei einer Biegung um 180° führend zu einem Anliegen der Schenkel vorhanden ist. Indes hat das Erfordernis des Anliegens keinen Eingang in den Anspruchswortlaut gefunden. Der Fachmann kennt außerdem den Charakter des Abs. [0054] als bevorzugtes Ausführungsbeispiel, das den Bedeutungsgehalt eines Anspruchs nicht einzuschränken vermag. Das Anliegen der unteren Kante ist daher nicht zwingend. Die Verstärkung des Bereichs ist daher schon Folge einer Biegung um 180° überhaupt. Andere Hinweise auf eine Beabstandung der Schenkel und ein etwaiges zulässiges Höchstmaß des Abstandes, bis zu welchem eine hinreichende Verstärkung noch gewährt wird, sind der Klagegebrauchsmusterschrift nicht zu entnehmen.
Insoweit ergibt sich auch aus Abs. [0058] nichts anderes. Darin ist die besondere Stabilität der Befestigung der Wangenteile an dem Grundrahmen beschrieben, welche dadurch bewirkt wird, dass die gefaltete untere Kante direkt mit dem entsprechenden Seitenteil des Grundrahmens abschließt. Veranschaulicht wird dieses bevorzugte Ausführungsbeispiel durch die Figur 4. Der Fachmann erkennt zwar, dass zwischen dem gebogenen Blech und dem Wangenteil allenfalls ein geringer Abstand liegt. Er findet indes in der Klagegebrauchsmusterschrift keine Angaben, wonach das Erreichen der „besonderen Stabilität“, wobei es sich ohnehin nur ein bevorzugtes Ausführungsbeispiel handelt, nur bei enganliegenden Schenkeln möglich ist. - Unter der im Stand der Technik bekannten und zum Fachwissen gehörenden Umformtechnik des Falzens versteht der Fachmann dagegen ein Fügeverfahren, mittels dessen zwei Elemente (zwei dünnwandige Bleche) an ihren jeweiligen Randbereichen durch einen Formschluss verbunden werden. Im Ergebnis greifen die Randbereiche ineinander und sind nicht erst im Wege eines Einsteckvorgangs miteinander zu verbinden. Jedenfalls offenbaren die Auszüge aus der Fachliteratur keine entsprechenden Hinweise.
- Der Fachmann erkennt, dass es sich bei dem zumindest einen Wangenteil um einen flächigen Körper handelt, sodass eine Biegung entlang einer Linie und nicht nur entlang eines Punktes erfolgen muss, zumal das Wangenteil über die gesamte Breite hinweg gefaltet werden soll und nicht nur in einem bestimmten Teilbereich.
- Auf die konkrete Art der Herstellung der unteren umgebogenen Kante des Wangenteils kommt es im Übrigen auch deshalb nicht an, weil es sich um einen Vorrichtungs- und nicht um einen Verfahrensanspruch handelt.
- In vorstehendem Verständnis wird der Fachmann bei Berücksichtigung der technisch-funktionalen Gesichtspunkte bestärkt. Denn die technische Funktion dieses Merkmals in den Blick nehmend entnimmt der Fachmann den bereits zitierten Beschreibungen des Klagegebrauchsmusters C, dass durch die Faltung um 180° das Wangenteil im unteren Endbereich gestärkt werden soll. Dies ist nach der erfindungsgemäßen Lehre nämlich derjenige Bereich, der mit dem Grundabschnitt in Berührung kommt und sich dort abstützen können muss. Insoweit ist jedoch nicht ersichtlich, dass zur Funktionserreichung zwingend ein Anliegen der Flächen nötig ist und andernfalls eine Beeinträchtigung der Verstärkung des Endbereichs vorläge.
Dieses Erfordernis ist insbesondere nicht schon der Winkelangabe zu entnehmen. Diese Angabe besagt für den Fachmann nur, wie weit die untere Kante eingebogen werden soll; dadurch resultiert zumindest eine parallele Ausrichtung im Verhältnis zum Wangenteil. Ob die Teile nach der Faltung aufeinanderliegen, hängt jedoch nicht davon ab, ob um einen gemeinsamen Punkt gefaltet wurde, sondern davon, wie ausladend (wie stark u-förmig) der Biegebereich gestaltet ist. Dieser kann auch bei der vorgegebenen Winkelangabe stärker oder weniger stark u-förmig ausgeprägt sein. Wenngleich das Klagegebrauchsmuster C uneinheitlich von einer Biegekante (vgl. Wortlaut) und einer Biegelinie (vgl. Abs. [0054]) spricht, was gegen die Annahme einer eindeutigen Faltkante sprechen könnte, ist eine solche klare Biegekante jedenfalls auch bei einem „Biegebereich“ vorhanden. Denn mit Biegelinie/-kante ist der Scheitelpunkt, d.h. ein höchster Punkt, gemeint. - Da das Klagegebrauchsmuster C nicht voraussetzt, dass die untere Kante des Wangenteils und dessen gerader Teil voneinander beabstandet sind, ist nicht ausgeschlossen, dass von diesem Abstand der Grundrahmen aufgenommen wird.
- Nicht behilflich, um das Verständnis eines um 180° gefalteten Wangenteils zu ermitteln, ist indessen der Verweis auf das dritte von Abs. [0078] beschriebene Ausführungsbeispiel, wonach der Grundabschnitt zumindest einen Teil des Verformungsabschnitts wenigstens teilweise umschließt und/oder wenigstens ein Teil des Verformungsabschnitts außen am Grundbereich angeordnet ist – unbeschadet dessen, ob dieser Anspruch bereits in der Ursprungsanmeldung enthalten war. Denn dieses Ausführungsbeispiel nimmt die Ausgestaltung des Grundabschnitts in den Blick, während Merkmal 1.11.3 diejenige des Verformungsabschnitts, namentlich des Wangenteils, betrifft. Dementsprechend ist eine Ausformung, wie von Merkmal 1.11.3 vorgesehen, auch gesondert als 12. Ausführungsbeispiel dargestellt.
2.
Die Kammer vermag unter Zugrundelegung des Verständnisses eine Verwirklichung des streitgegenständlichen Merkmals durch die angegriffenen Ausführungsformen festzustellen. - Unstreitig sind die angegriffenen Ausführungsformen so gestaltet, dass die untere Kante des Wangenteils um 180° umgebogen wurde; es verläuft innenseitig parallel zum äußeren Teil des Wangenteils. Insbesondere ist eine Biegekante auszumachen, welche von den Parteien selbst in die Ablichtung eines Wangenteils einer angegriffenen Ausführungsform eingezeichnet wurde.
Durch die Ausgestaltung der angegriffenen Ausführungsformen wird auch eine Verstärkung der Wangenteile im unteren Bereich bewirkt. Selbst wenn die angegriffene Ausformung in erster Linie den Zweck hat, eine Verbindung des Wangenteils mit dem Grundrahmen herzustellen, haben die Beklagten nicht auf erhebliche Weise in Abrede gestellt, dass diese Konstruktion zugleich einer Verstärkung des Blechs dient. - Die Kammer kann schließlich nicht feststellen, worin eine Falzung im Gegensatz zur Faltung der unteren Kante, wie von den Beklagten behauptet, liegen soll. Nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten handelt es sich bei einem Falzverfahren, um eine solche Fügetechnik, mittels derer zwei Bleche unmittelbar miteinander verbunden werden. Daran fehlt es bei den angegriffenen Ausführungsformen.
- III.
Das Klagegebrauchsmuster C ist nicht löschungsreif; ihm fehlt nicht der erfinderische Schritt, §§ 15 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 GebrMG. - Um den Gegenstand einer Erfindung als nahegelegt anzusehen, ist zum einen erforderlich, dass der Fachmann mit seinen durch seine Ausbildung und berufliche Erfahrung erworbenen Kenntnissen und Fähigkeiten in der Lage gewesen ist, die erfindungsgemäße Lösung des technischen Problems aus dem Vorhandenen zu entwickeln. Zum anderen muss der Fachmann Grund gehabt haben, den Weg der Erfindung zu beschreiten. Dazu bedarf es in der Regel zusätzlicher, über die Erkennbarkeit des technischen Problems hinausreichender Anstöße, Anregungen, Hinweise oder sonstiger Anlässe (BGH, GRUR 2018, 716 – Kinderbett, juris, Rn. 25).
Daraus kann man entnehmen, dass es positive Anregungen im Stand der Technik geben muss, in Richtung des Klagepatents weiter zu denken. Der Fachmann muss auf die Problemstellung kommen, die dem Klagepatent zugrunde liegt und er muss Hinweise bekommen, dass man dieses Problem mit Mitteln des Klagepatents löst. Dies ist auf Grundlage des vorgetragenen Sach- und Streitstandes im vorliegenden Fall nicht feststellbar. - 1.
Selbst wenn unterstellt wird, dass die E 13 vor dem hier maßgeblichen Prioritätstag veröffentlicht war und darin nur das Merkmal 1.11.3 nicht offenbart wird, ist dieses Dokument kein geeigneter Ausgangspunkt zur Herleitung der erfindungsgemäßen Vorrichtung. Denn jedenfalls das Merkmal 1.11.3 hat nicht aufgrund der Kombination E13 mit Fachwissen nahegelegen.
Bei der E 13 handelt es sich um einen Produktkatalog aus dem Hause der Klägerin, welcher den Steckverbinder namens „E“ betrifft. Das E System weist ein Gehäuse auf, das entsprechende E Module aufnehmen kann. Der prinzipielle Aufbau eines Gehäuses dieser Steckverbinderreihe ist wie nachfolgend eingeblendet ausgestaltet (wobei die Figur der Klageerwiderung entnommen wurde): - .
- Ausgehend von dieser Konstruktion betrachten die Beklagten den Steckeinsatz zusammen mit den vorstehenden Rastelementen (Anm.: in der E 13 als Metallklammern bezeichnet) als klagegebrauchsmustergemäßen Verformungsabschnitt bzw. als Wangenteil.
- Die Beklagten vermochten insoweit aber nicht aufzuzeigen, welche Anregung der Fachmann der E 13 entnimmt, um eine um 180° gefaltete untere Kante des Wangenteils vorzusehen. Zwar ist den Beklagten zuzugeben, dass die E 13 in ihren Eckbereichen um 90° gebogene Biegekanten aufweist. Dies ist indes kein hinreichender Ausgangspunkt, um ein Bedürfnis für eine Faltung des Steckeinsatzes auch um 180° anzunehmen. Denn eine andere Faltung des Steckeinsatzes, das heißt um eine andere Gradzahl als die offenbarte 90°, würde zu einem Fehlgehen der dortigen Lehre führen, weil der komplementär zum Steckeinsatz ausgestaltete Stecker nicht mehr eingesetzt werden könnte.
Im Übrigen ist in der E 13 durch die Einbettung und damit auch Haltung des Steckeinsatzes innerhalb des Gehäuserahmens nicht ersichtlich, dass er eines – durch eine Faltung um 180° – gestärkten unteren Endbereichs bedürfte, worin gerade das Ziel des Klagegebrauchsmusters C im Hinblick auf die gefaltete Unterkante des Wangenteils liegt.
Überhaupt fehlt dem Fachmann ein Anlass, an einer solchen Gehäusekonstruktion, wie von der E 13 offenbart, eine Faltung um 180° vorzusehen. Dies würde allenfalls auf ein gänzlich anderes System eines Halterahmens hinauslaufen, welcher indes seinerseits keine Ähnlichkeit mit demjenigen aus der E 13 mehr aufweisen würde und daher kein Ausgangspunkt für die erfindungsgemäße Lehre mehr sein kann. -
2.
Auch im Hinblick auf die E 14 lag es nicht nahe, dass das mindestens eine Wangenteil an zumindest einer Biegekante um 180° gefaltet ist (Merkmal 1.11.3). Die E 14 betrifft ein US-Patent, das ein Mehrfachkontakt-Steckverbindergehäuse und eine Vorrichtung zur Verriegelung des Kontaktträgers im Gehäuse unter Schutz stellt. Ein Ausführungsbeispiel dieser Lehre zeigt die Figur 1 (Anm.: der Klageerwiderung entnommen und von den Beklagten koloriert): - Diese Figur in den Blick nehmen sehen die Beklagten den blau markierten Bereich als Wangenteil im Sinne des Klagegebrauchsmusters C an, welches in Hinterschneidungen des Grundrahmens eingreift; die hervorstehende, grün gefärbte Verriegelungslasche diene der Verriegelung des einzusetzenden Moduls, sodass das Wangenteil die Haltefunktion ausüben könne.
Wie schon bezüglich der E 13, handelt es sich bei der von der E 14 gelehrten Vorrichtung eines Halterahmens für Steckverbinder um eine gegenüber der erfindungsgemäßen Lehre grundlegend anderes ausgestaltete Konstruktion. Die E 14 weist zwar ein Wangenteil mit einer Biegekante von 90° auf. Allein daraus vermag der Fachmann indes kein Erfordernis einer Faltung um 180° abzuleiten. Er entnimmt der E 14 keine Anhaltspunkte, den freistehenden Rand des Wangenteils an der Unterkante durch eine 180°-Faltung zu versteifen. Unbeschadet dessen, dass die Biegung um 90° schon in einem anderen Bereich als die beabsichtigte 180°-Faltung liegt, nämlich in den Seitenbereichen und nicht an der unteren Kante des Bauteils, liegt das Wangenteil auch hier vollständig in dem Halterahmen an und weist keine untere Kante auf, die stabilisiert werden müsste.
Mangels Naheliegen des Merkmals 1.11.3 kommt es nicht mehr darauf an, ob die Merkmale 1.7 und 1.10 offenbart wären und ob die Beklagten insofern erfolgreich zur Begründung des Naheliegens dieser Merkmale auf das als Anlage A 13 der Anlage CBH 3 zur Akte gereichte Gutachten des Prof. Wibbeke Bezug nehmen können. -
3.
Schließlich vermögen die Beklagten der erfindungsgemäßen Lehre nicht erfolgreich den Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit ausgehend von der E 12 entgegenzuhalten. Die E 12 stellt einen Steckverbinder bereit, der ausweislich der in der Entgegenhaltung gezeigten Figuren 1 und 3b nachfolgend wiedergegebenen Aufbau hat (Anm.: Die Darstellungen sind der Klageerwiderung entnommen und die Einfärbung wurde von den Beklagten vorgenommen): - Nach Auffassung der Beklagten sei der Steckeinsatz 30 als Verformungsabschnitt im Sinne der erfindungsgemäßen Lehre zu betrachten. Durch die grün markierten Laschen könne das Modul in den Halterahmen eingeführt und im Haltezustand dort verrastet werden. Auch hier habe das Merkmal 1.11.3 aufgrund der bereits vorhandenen Biegung des Steckeinsatzes um 90° nahegelegen. Dieser Ansicht vermag die Kammer nicht beizutreten. Vielmehr liegt dieses Merkmal aus den parallelen Gründen, wie sie bereits zu den Druckschriften E 13 und E 14 erörtert wurden, gerade nicht nahe.
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IV.
Aufgrund rechtswidriger Benutzungshandlung ergeben sich nachstehende Rechtsfolgen.
Die Beklagten haben es gem. § 24 Abs. 1 GebrMG zu unterlassen, die im Tenor aufgeführten Benutzungshandlungen vorzunehmen. Darüber hinaus hat die Klägerin Anspruch auf die begehrten Auskünfte und Rechnungslegung, § 24 b GebrMG, §§ 242, 259 BGB. - Der Anspruch auf Schadensersatzfeststellung folgt aus § 24 Abs. 2 GebrMG. Das gem. § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse besteht, da die Klägerin ohne die begehrten Informationen ohne eigenes Verschulden nicht in der Lage ist, den ihr zustehenden Schadensersatzanspruch zu beziffern. Die Beklagten zu 1. und 2. als gewerblich handelnde Unternehmen haben sich dagegen zumindest dem Fahrlässigkeitsvorwurf gem. § 276 Abs. 2 BGB ausgesetzt. Denn vor Aufnahme von Vertriebshandlungen hat sich eine Fachfirma grundsätzlich über etwaige entgegenstehende Schutzrechte Dritter zu informieren. Hätten die Beklagten zu 1. und 2. dies mit der erforderlichen Sorgfalt getan, wäre sie auf die Rechte der Klägerin aufmerksam geworden.
- Nur die Beklagten zu 1. und 2.:
Die Ansprüche der Klägerin auf Vernichtung und Rückruf folgen aus § 24a Abs. 1, Abs. 2 GebrMG. -
V.
Aufgrund der Ausführungen zur Schutzfähigkeit, auf welche umfassend verwiesen wird, hat die Kammer keine Zweifel am Bestand des Klagegebrauchsmusters C, sodass der Rechtsstreit nicht gem. § 148 ZPO auszusetzen war. - B.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO. - Streitwert: 250.000,00 Euro
- In Höhe von 50.000,00 Euro, entfallend auf Ziff. 3 des Tenors, haften die Beklagten als Gesamtschuldner.