Düsseldorfer Entscheidungsnummer: 2984
Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 09. Januar 2020, Az. 4c O 11/19
- I. Die Beklagte wird verurteilt,
- 1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,-, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle mehrfacher Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an dem Geschäftsführer der Beklagten zu vollstrecken ist, zu unterlassen,
- a. Scannersysteme zum 3D-Scannen von Innenflächen
in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen, oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen,
wobei das Scannersystem umfasst: einen sondenförmigen Scanner, der dazu eingerichtet ist, in einen Hohlraum eingebracht zu werden, wobei der sondenförmige Scanner umfasst: mindestens eine Lichtquelle, die dafür ausgelegt ist, strukturiertes Licht zu erzeugen und zu projektieren, das ein Muster auf der Innenfläche eines Objekts produziert, wobei die Lichtquelle Licht von einem Emissionspunkt aus abstrahlt, und mindestens eine Kamera, die dafür ausgelegt ist, 2D-Bilder des Musters aufzuzeichnen, wobei die Kamera Licht an einem Sammelpunkt sammelt; eine Datenumsetzungseinrichtung, die dafür ausgelegt ist, 2D-Bilder in 3D-Realweltkoordinaten umzusetzen, eine Datenverarbeitungseinrichtung, die dazu eingerichtet ist, ein oder mehrere Lücken in den 3D-Realweltkoordinaten zu Gebieten der Innenfläche, wo aufgrund der geometrischen Form der Innenfläche der visuelle Zugang blockiert ist, in Register zu bringen, und Daten bereitzustellen und diese Daten zu verarbeiten, um 3D-Realweltkoordinaten für die Gebiete der Innenfläche, wo der besagte visuelle Zugang blockiert ist, zu erzeugen; - b. Scannersysteme zum Scannen teilweise blockierter Innenflächen, mit einem sondenförmigen Scanner, der eine Achse aufweist, wobei der sondenförmige Scanner umfasst: mindestens eine Lichtquelle, die dazu eingerichtet ist, strukturiertes Licht zu erzeugen und zu projektieren, mindestens eine Kamera, die dazu eingerichtet ist, 2D-Bilder aufzuzeichnen,
in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten oder zu liefern, wenn diese Scannersysteme dazu geeignet sind, in der Bundesrepublik Deutschland zur Benutzung eines Verfahrens verwendet zu werden, welches umfasst: - Einbringen des sondenförmigen Scanners in einen Hohlraum eines Objekts, wobei der Hohlraum durch eine Innenfläche des Objekts begrenzt wird; Erzeugen und Projektieren strukturierten Lichts von der Lichtquelle der Sonde, das ein Muster auf der Innenfläche des Objekts produziert; Aufzeichnen einer Serie von 2D-Bildern der Reflektion des Musters von der Innenfläche unter Verwendung der Kamera; Kombinieren der Serie von 2D-Bildern, um 3D-Realweltkoordinaten der Innenfläche zu erhalten; in Register Bringen eines oder mehrerer Löcher in den 3D-Realweltkoordinaten, die Gebieten der Innenfläche entsprechen, wo aufgrund der geometrischen Form der Innenfläche der visuelle Zugang blockiert ist; und Bereitstellen von Daten und Verarbeiten dieser Daten, um 3D-Realweltkoordinaten für diejenigen Gebiete der Innenfläche zu erzeugen, wo der besagte visuelle Zugang blockiert ist;
- 2. der Klägerin unter Vorlage eines einheitlichen, geordneten Verzeichnisses vollständig darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu Ziff. 1 bezeichneten Handlungen seit dem 02.06.2018 begangen hat und zwar unter Angabe:
a. zu Ziff. 1. a: der Herstellungsmengen und -zeiten
b. der einzelnen Lieferungen und Bestellungen, aufgeschlüsselt nach Liefer- und Bestellmenge, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer und der Verkaufsstellen, für welche die Erzeugnisse bestimmt waren,
c. der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen, sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
d. der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Herstellungs- und Verbreitungsauflage, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
e. der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns, - wobei die Beklagte hinsichtlich der Angaben zu lit. a und b Rechnungen und für den Fall, dass keine Rechnungen vorhanden sind, Lieferscheine vorzulegen hat und
wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte die durch dessen Einschaltung entstehenden Kosten trägt und ihn ermächtigt, der Klägerin auf Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter nichtgewerblicher Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Rechnungslegung enthalten ist; - 3. die vorstehend zu Ziff. I.1a bezeichneten, seit dem 02.06.2018 im Besitz Dritter befindlichen Erzeugnisse aus den Vertriebswegen zurückzurufen, indem diejenigen gewerblichen Abnehmer, denen durch die Beklagte oder mit deren Zustimmung Besitz an den Erzeugnissen eingeräumt wurde, unter Hinweis darauf, dass das Gericht mit dem hiesigen Urteil auf eine Verletzung des Klagepatents EP 2 568 XXX B1 erkannt hat, ernsthaft aufgefordert werden, die Erzeugnisse an die Beklagte zurückzugeben und ihnen für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Rückzahlung des gegebenenfalls bereits gezahlten Kaufpreises sowie die Übernahme der Kosten der Rückgabe verbindlich zugesagt wird.
- II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die unter Ziff. I.1 bezeichneten, seit dem 02.06.2018 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
- III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
- IV. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
- V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, hinsichtlich Ziff. I.1, I.3 und I.4 gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 350.000,00 Euro, hinsichtlich Ziff. I.2 gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 50.000,00 Euro und hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
- Tatbestand
- Die Klägerin ist Inhaberin des europäischen Patents EP 2 568 XXX B1 (Anlage rop 1, deutsche Übersetzung als Anlage rop1a; im Folgenden: Klagepatent). Das Klagepatent betrifft das Scannen von eingeschränkt zugänglichen Hohlräumen. Es wurde am 30.03.2011 unter Inanspruchnahme der Prioritäten der Druckschriften US 318XXX P und DK 201000XXX vom 30.03.2010 angemeldet. Der Hinweis auf die Anmeldung wurde am 20.03.2013 und derjenige auf die Patenterteilung am 02.05.2018 veröffentlicht.
Das Klagepatent steht auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft. Über die seitens der Beklagten zum Bundespatentgericht erhobene Nichtigkeitsklage vom 12.07.2019 (vgl. Anlage VP 3) ist bisher nicht entschieden worden. - Anspruch 1 des Klagepatents lautet in der deutschen Fassung:
- Verfahren zum Scannen teilweise blockierter Innenflächen, wobei das Verfahren umfasst: – Bereitstellen eines sondenförmigen Scanners (101, 102, 1201), der eine Achse aufweist, wobei der sondenförmige Scanner umfasst: mindestens eine Lichtquelle (202), die dazu eingerichtet ist, strukturiertes Licht zu erzeugen und zu projektieren, und; mindestens eine Kamera (205, 505), die dazu eingerichtet ist, zweidimensionale Bilder aufzuzeichnen; – Einbringen des sondenförmigen Scanners in einen Hohlraum eines Objekts (502), wobei der Hohlraum durch eine Innenfläche (502) des Objekts begrenzt wird; – Erzeugen und Projektieren strukturierten Lichts (501) von der Lichtquelle der Sonde, das ein Muster auf der Innenfläche des Objekts produziert; – Aufzeichnen einer Serie zweidimensionaler Bilder der Reflektion des Musters von der Innenfläche unter Verwendung der Kamera; – Kombinieren der Serie zweidimensionaler Bilder, um dreidimensionale Realweltkoordinaten der Innenfläche zu erhalten; – in Register Bringen eines oder mehrerer Löcher in den dreidimensionalen Realweltkoordinaten, die Gebieten der Innenfläche entsprechen, wo aufgrund der geometrischen Form der Innenfläche der visuelle Zugang blockiert ist; und – Bereitstellen von Daten und Verarbeiten dieser Daten, um dreidimensionale Realweltkoordinaten für die Gebiete der Innenfläche zu erzeugen, wo der besagte visuelle Zugang blockiert ist.
- Anspruch 14 des Klagepatents lautet in der deutschen Fassung:
- Scannersystem zum dreidimensionalen Scannen von Innenflächen, wobei das Scannersystem umfasst: – einen sondenförmigen Scanner (101, 102, 1201), der dazu eingerichtet ist, in einen Hohlraum eingebracht zu werden, wobei der sondenförmige Scanner umfasst: mindestens eine Lichtquelle (202), die dafür ausgelegt ist, strukturiertes Licht zu erzeugen und zu projektieren, das ein Muster auf der Innenfläche eines Objekts produziert, wobei die Lichtquelle Licht von einem Emissionspunkt aus abstrahlt; und mindestens eine Kamera (205, 505), die dafür ausgelegt ist, zweidimensionale Bilder des Musters aufzuzeichnen, wobei die Kamera Licht an einem Sammelpunkt sammelt; – eine Datenumsetzungseinrichtung, die dafür ausgelegt ist, zweidimensionale Bilder in dreidimensionale Realweltkoordinaten umzusetzen, – eine Datenverarbeitungseinrichtung, die dazu eingerichtet ist, ein oder mehr Löcher in den dreidimensionalen Realweltkoordinaten zu Gebieten der Innenfläche, wo aufgrund der geometrischen Form der Innenfläche der visuelle Zugang blockiert ist, in Register zu bringen, und Daten bereitzustellen und diese Daten zu verarbeiten, um dreidimensionale Realweltkoordinaten für die Gebiete der Innenfläche, wo der besagte visuelle Zugang blockiert ist, zu erzeugen.
- Bei der Klägerin handelt es sich um ein Unternehmen, das auf die Entwicklung von 3D-Scannern und Software zur visuellen Darstellung und Weiterverarbeitung der Scan-Daten spezialisiert ist; insbesondere im Bereich der Dentaltechnologie.
- Auch die Beklagte ist auf diesem Gebiet tätig und stellt in Korea 3D-Scanner her, welche sie weltweit gemeinsam mit entsprechender Betriebssoftware vertreibt. Ihre Angebote betreffen insbesondere 3D-Mess- und CAD/CAM-Lösungen für Zahnkliniken und -labore. Auf ihrer Website, abrufbar unter der Domain www.A.de bewirbt die Beklagte ihre Produkte, insbesondere den sondenförmigen Handscanner B für Anwendungen im Dentalbereich (im Folgenden: angegriffene Ausführungsform). Sowohl die Startseite der Website als auch die Produktseite für die angegriffene Ausführungsform sind auf Deutsch (Anlagen rop 3, rop 4). Die angegriffene Ausführungsform wird weiterhin in der deutschsprachigen Web-Broschüre (Anlage rop 5) herausgestellt. Weiterhin bietet die Homepage der Beklagten eine direkte Kaufmöglichkeit, indem man Kontaktdaten hinterlassen und sodann ein Angebot der Beklagten erhalten kann. Auch über einen deutschsprachigen Online-Shop (der Beklagten) ist die angegriffene Ausführungsform erhältlich.
- Zusammen mit der angegriffenen Ausführungsform liefert die Beklagte die Software iScan (vgl. Anlage rop 6). Sie wird über eine USB-3-Schnittstelle mit einem PC verbunden und sodann mittels der Software betrieben. In dieser Produktbroschüre heißt es unter Ziff. 1.9 „Optionen zum Füllen von Lücken“; es folgt eine Grafik, welche die drei beschriebenen Optionen der Datenverarbeitung [1. Lücken nicht füllen und nicht zuverlässige Daten ausschließen; 2. Größere Lücken füllen; 3. Alle Lücken füllen und wasserdichtes Modell erstellen] veranschaulicht.
- Auf der sozialen Internetplattform Facebook unterhält die Beklagte eine Gruppe, in der einzelne Funktionen ihrer Geräte, insbesondere der angegriffenen Ausführungsform, und Software erläutert und Fragen von Benutzern erörtert werden (Anlage rop 7). In dem Chatverlauf des Forums diskutieren Anwender die Funktionalitäten der angegriffenen Ausführungsform (Anlage rop 8).
- Ferner beinhaltet der englischsprachige Artikel „C“ der Beklagten Hinweise auf die Funktionen der Software und verweist insbesondere auf die Reliability Map, mittels derer Scandaten in dem erstellten 3D-Modell abhängig von ihrer Verlässlichkeit in grüne und orange Bereiche eingefärbt werden. Grün symbolisiert verlässliche Daten, orange unzuverlässige Daten (vgl. Anlage rop 10). Bereiche der Innenfläche, für die keinerlei Datenmaterial vorliegt, werden transparent dargestellt.
- Exemplarisch wird ein entsprechend gefärbtes 3D-Modell, entnommen aus der Anlage rop 11, Minute 0:18 gezeigt:
- In einem weiteren, als Anlage rop 11 zur Akte gereichtem englischsprachigen Artikel „Using the fill holes option“ wird wieder Bezug genommen auf die drei Auswahlmöglichkeiten, welche sodann in verschiedenen Sequenzen des in dem Artikel eingebetteten Videos durchgespielt werden und zu diesem Zweck mehrere 3D-Modelle gezeigt werden.
- Die den Anlagen rop 6 und rop 11 beschriebene Auswahlmöglichkeit gestaltet sich für den Anwender wie nachfolgend abgebildet, wobei dieses Bild der Anlage rop 6 entnommen worden ist:
- Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte würde unmittelbaren Gebrauch vom Klagepatent im Hinblick auf die angegriffene Ausführungsform sowie mittelbaren Gebrauch hinsichtlich des geschützten Verfahrens machen.
- Unbeschadet des Einsatzes des Poisson-Algorithmus und einer Punktewolke verwirkliche die angegriffene Ausführungsform alle Merkmale der Klagepatentansprüche. Insbesondere würden Lücken von einer Datenverarbeitungseinrichtung registriert und sodann würden Daten bereitgestellt und verarbeitet, um 3D-Realweltkoordinaten für die lückenhaften Bereiche zu erzeugen. Hierzu behauptet die Klägerin, dass in der Unterscheidung zwischen zuverlässigen und unzuverlässigen Daten eine Registrierung liege, denn andernfalls könnte die angegriffene Ausführungsform die verschiedentliche Einfärbung nicht vornehmen. Der Terminus der unzuverlässigen Daten sei, so meint die Klägerin, so zu verstehen, dass aufgrund der visuellen Blockierung nur teilweise Daten vorhanden seien. Auch dies sei erfindungsgemäß. Eine Lücke in den 3D-Realweltkoordinaten im Sinne des Klagepatents liege nämlich nicht erst bei einem Fehlen jeglicher Daten vor. Dies ergebe sich aus den in der Klagepatentschrift benutzten Begriffen „Fehlen“ und „Mangel“.
Die Bereitstellung der drei Optionen hinsichtlich des Umgangs mit Lücken würde der Schließung der Lücken dienen und die Füllung anhand anderweitigen Datenmaterials erfolgen.
Der Ausführung dieser Verfahrensschritte stehe nicht entgegen, dass zunächst ein vollständiges 3D-Modell aufgrund der Punktewolke entwickelt werde. - Der Rechtsstreit sei auch nicht auszusetzen, da das Klagepatent rechtsbeständig sei.
Die erfindungsgemäße Lehre sei nicht durch den intraoralen Scanner des Unternehmens D, Modell E (im Folgenden: E) offenkundig vorbenutzt worden. Die Klägerin erklärt sich bezüglich der Veröffentlichungszeitpunkte der im Anlagenkonvolut VP 5 vorgelegten Dokumente NK 16 – NK 18 mit Nichtwissen. Mit Blick auf die Funktionsweise des E behauptet die Klägerin, dass nicht ersichtlich sei, wie es zur Erstellung des 3D-Modells und zu einer etwaigen Lückenfüllung komme, und dass auch einem im Termin überreichten Screenshot dazu lediglich zu entnehmen sei, dass ein Anwender eine Schaltfläche bediene. - Die erfindungsgemäße Lehre beruhe auf erfinderischer Tätigkeit. Denn den seitens der Beklagten angeführten Entgegenhaltungen sei kein Anlass zu entnehmen, dass Lücken registriert und anhand von bereitgestellten Daten Fülldaten erzeugt werden müssten. Daher fehle es ebenso an einem Anlass, eine Kombination mit einem Dokument vorzusehen.
-
Die Klägerin beantragt,
wie erkannt, mit der Ausnahme, die ebenfalls beantragte Herstellung der angegriffenen Ausführungsform in der Bundesrepublik Deutschland zu untersagen sowie die Beklagte zur Vernichtung der angegriffenen Ausführungsformen zu verurteilen. - Die Beklagte beantragt,
- die Klage abzuweisen,
hilfsweise den Rechtsstreit bis zu einer erstinstanzlichen Entscheidung über die beim Bundespatentgericht gegen den deutschen Teil des Klagepatents EP 2 568 XXX B1 anhängige Nichtigkeitsklage auszusetzen. - Sie meint, weder unmittelbaren noch mittelbaren Gebrauch von der klagepatentgemäßen Lehre zu machen. Hierzu behauptet sie, dass die zur angegriffenen Ausführungsform gehörende Scan-Software mit dem Poisson-Algorithmus arbeite und anhand dessen eine Oberflächenrekonstruktion vornehme. Im Scan-Vorgang auftretende Löcher im Rohbild würden nicht gesondert registriert; vielmehr erstelle der Algorithmus unabhängig davon, wie vollständig gewonnene Daten seien, aus einer Punktewolke ein möglichst originalgetreues dreidimensionales Modell des gescannten Objekts.
Die in der Software vorhandene Funktion, die Art der Lückenfüllung zu wählen, diene nicht der eigentlichen Lückenfüllung, sondern der Identifizierung etwaiger wenig verlässlicher Stellen. Dies ermögliche eine Überprüfung des Modells, ohne tatsächlich aufgetretene Löcher konkret zu berechnen oder wiederzugeben. - Ein streitgegenständliches Registrieren und Identifizieren der Löcher lasse sich auch nicht aus Kommentaren in der Facebook-Gruppe herleiten, da es sich um Aussage technischer Laien handele.
- Jedenfalls sei der Rechtsstreit mangels Rechtsbestandes des Klagepatents auszusetzen. Diesem könne der Einwand der offenkundigen Vorbenutzung entgegengehalten werden. Bereits im Prioritätszeitpunkt habe der E die Erfindung des Klagepatents offenbart (vgl. Anlage VP 5 – Anlagen NK 16, NK 17, NK 18). Alle diese Dokumente seien, wie sich schon ihnen selbst entnehmen lasse, bereits vor dem Prioritätstag des Klagepatentes zugänglich gemacht worden.
Außerdem beruhe es nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Die Lehre des Klagepatents werde durch die Druckschrift US 2003/0164XXX A1 (Anlage NK 5; im Folgenden: NK 5) in Kombination mit allgemeinem Fachwissen, resultierend aus der NK 8 bzw. mit der Druckschrift W003027XXX (Anlage NK 11; im Folgenden: NK 11) nahegelegt. - Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zur Akte gereichten Schriftstücke nebst Anlagen Bezug genommen.
- Entscheidungsgründe
- A.
Die zulässige Klage ist ausgenommen der Benutzungshandlung des Herstellens und des Vernichtungsanspruchs begründet. - I.
Das Klagepatent betrifft das Scannen von eingeschränkt zugänglichen Hohlräumen und stellt dafür sowohl ein System als auch ein Verfahren zur Verfügung. Es sollen hochgenaue 3D-Nachbildungen realer Objekte erstellt werden. Dies gilt speziell für das 3D-Abtasten von Innenflächen oder von Hohlräumen mit begrenzten Abmessungen (Abs. [0001]). - Aus dem Stand der Technik sind Systeme zum optischen 3D-Scannen bekannt. In der Regel umfassen sie eine oder mehrere Lichtquellen, die ein strukturiertes Lichtmuster auf das zu scannende Objekt projizieren, eine oder mehrere Kameras und Datenverarbeitungstechniken, um die aufgezeichneten Bildkoordinaten unter Verwendung von Software in 3D-Koordinaten umzuwandeln. Um eine vollständige Abtastung eines Objektes zu erzeugen, müssen sich Kamera und Lichtquelle relativ zueinander bewegen; denn bei einer einzigen Abtastung wird nur ein Teil des Objekts abgetastet (Abs. [0002]). In vielen Anwendungen dieser im Stand der Technik bekannten Systemen kommt es auf Genauigkeit und Präzision an; dies gilt insbesondere bei Zahnimplantaten.
- In Abs. [0004] nimmt die Klagepatentschrift auf die WO 2002 16865 Bezug, welche eine Umwandlung von Bildkoordinaten in 3D-Realweltkoordinaten betrifft, wo ausreichend genaue Ergebnisse ohne Handhabung äußerst großer Datensätze erhalten werden. Vielmehr wird eine reduzierte Anzahl an Beobachtungen bereitgestellt und mittels Interpolation wird ein Satz an 3D-Realweltkoordinaten erhalten, der eine erhöhte räumliche Auflösung verglichen mit den ursprünglichen Daten aufweist.
- Ferner verweist das Klagepatent in Abs. [0005] auf Wang et al., der ein Verfahren zur Erzeugung von 3D-Modellen realer Kulissen beschreibt, wenn nicht alle Teile der Kulisse aufgrund von reflektierenden Eigenschaften, Verdeckung oder Einschränkung der Zugänglichkeit abgetastet werden.
- Das Klagepatent stellt sich daher die Aufgabe, ein Verfahren und eine Vorrichtung, anwendend das Verfahren, bereitzustellen, um auch teilweise versperrte Innenflächen zu scannen, wobei der visuelle Zugang zu einem Teil der Innenfläche aufgrund der geometrischen Form der Innenfläche blockiert wird (vgl. Abs. [0006]).
- Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Klagepatent in Anspruch 1 ein Verfahren und in Anspruch 14 ein System mit folgenden Merkmalen vor:
- Anspruch 1:
- 1. Verfahren zum Scannen teilweise blockierter Innenflächen, wobei das Verfahren umfasst:
Bereitstellen eines sondenförmigen Scanners (101, 102, 1201), der eine Achse aufweist, wobei der sondenförmige Scanner umfasst:
1.1 mindestens eine Lichtquelle (202), die dazu eingerichtet ist, strukturiertes Licht zu erzeugen und zu projektieren, und
1.2 mindestens eine Kamera (205, 505), die dazu eingerichtet ist, zweidimensionale Bilder aufzuzeichnen;
2. Einbringen des sondenförmigen Scanners in einen Hohlraum eines Objekts (502),
2.1 wobei der Hohlraum durch eine Innenfläche (502) des Objekts begrenzt wird;
3. Erzeugen und Projektieren strukturierten Lichts (501) von der Lichtquelle der Sonde,
3.1 das ein Muster auf der Innenfläche des Objekts produziert;
4. Aufzeichnen einer Serie zweidimensionaler Bilder der Reflektion des Musters von der Innenfläche unter Verwendung der Kamera;
5. Kombinieren der Serie zweidimensionaler Bilder, um dreidimensionale Realweltkoordinaten der Innenfläche zu erhalten;
6. in Register Bringen eines oder mehrerer Löcher in den dreidimensionalen Realweltkoordinaten, die Gebieten der Innenfläche entsprechen, wo aufgrund der geometrischen Form der Innenfläche der visuelle Zugang blockiert ist; und
7. Bereitstellen von Daten und Verarbeiten dieser Daten, um dreidimensionale Realweltkoordinaten für die Gebiete der Innenfläche zu erzeugen, wo der besagte visuelle Zugang blockiert ist. - Anspruch 14:
- 1. Scannersystem zum dreidimensionalen Scannen von Innenflächen, wobei das Scannersystem umfasst:
2. einen sondenförmigen Scanner (101, 102, 1201), der dazu eingerichtet ist, in einen Hohlraum eingebracht zu werden, wobei der sondenförmige Scanner umfasst:
2.1. mindestens eine Lichtquelle (202), die dafür ausgelegt ist, strukturiertes Licht zu erzeugen und zu projektieren,
2.1.1. das ein Muster auf der Innenfläche eines Objekts produziert,
2.1.2. wobei die Lichtquelle Licht von einem Emissionspunkt aus abstrahlt; und
2.2. mindestens eine Kamera (205, 505), die dafür ausgelegt ist, zweidimensionale Bilder des Musters aufzuzeichnen,
2.2.1. wobei die Kamera Licht an einem Sammelpunkt sammelt;
3. eine Datenumsetzungseinrichtung, die dafür ausgelegt ist, zweidimensionale Bilder in dreidimensionale Realweltkoordinaten umzusetzen,
4. eine Datenverarbeitungseinrichtung, die dazu eingerichtet ist,
4.1. ein oder mehr Löcher in den dreidimensionalen Realweltkoordinaten zu Gebieten der Innenfläche, wo aufgrund der geometrischen Form der Innenfläche der visuelle Zugang blockiert ist, in Register zu bringen,
4.2. und Daten bereitzustellen und diese Daten zu verarbeiten, um dreidimensionale Realweltkoordinaten für die Gebiete der Innenfläche, wo der besagte visuelle Zugang blockiert ist, zu erzeugen. -
II.
Ausschließlich das Merkmal 4.1 (Anspruch 14) steht zwischen den Parteien in Streit. Da die übrigen Merkmale zu Recht nicht streitig sind, erübrigen sich Ausführungen zu ihnen. Nachfolgende Ausführungen erfolgen vornehmlich anhand des Vorrichtungsanspruchs; sie gelten aber gleichermaßen für das Verständnis des parallelen Verfahrensanspruchs. - 1.
Merkmal 4.1 lautet: „ein oder mehrere Lücken in den 3D-Realweltkoordinaten zu registrieren, die zu Gebieten der Innenfläche gehören, wo aufgrund der geometrischen Form der Innenfläche der visuelle Zugang blockiert ist“. - Eine registrierfähige Lücke nach der Lehre des Klagepatents liegt vor, wenn für einen Bereich der zu scannenden Oberfläche überhaupt keine oder nur wenige (teilweise) Daten vorhanden sind, um diesen Bereich darstellen zu können.
- Eine Definition dessen, was unter der Registrierung von Lücken zu begreifen ist und wann der visuelle Zugang als blockiert anzusehen ist, gibt das Klagepatent nicht konkret vor. Zwar besagt der Abs. [0009] wörtlich: „Im Kontext der vorliegenden Erfindung bezieht sich der Ausdruck „Lücken in der Oberflächeninformationen“ auf einen Teil der Oberfläche, an dem Daten fehlen, und ein solcher Mangel an Daten tritt auf, wenn der visuelle Zugriff auf die Innenfläche aufgrund der geometrischen Form der Innenfläche blockiert wird.“ Dieser Beschreibungsstelle ist aber der Hinweis zu entnehmen, dass eine Lücke jedenfalls dann vorliegt, wenn Daten fehlen, also keinerlei Datenmaterial für eine bestimmte Stelle des Scanobjekts vom Scanner erfasst werden konnte. Im selben Satz und damit grammatikalisch unter Bezugnahme auf die zuvor beschriebene Lücke und die „fehlenden Daten“ spricht das Klagepatent von einem „Mangel an Daten“.
Allein aus diesem Kontext ergibt sich aber nicht das Verständnis des Datenmangels dahingehend, dass für einen bestimmten Bereich nicht auch teilweise Daten vorhanden sein könnten. Rein philologisch bedeutet „Mangel“ schon das „(teilweise) Fehlen von etwas“. Die Möglichkeit, dass auch nur teilweise Daten für einen Bereich vorhanden sein könnten, um dennoch eine Lücke im Sinne des Anspruchswortlauts darzustellen, entnimmt der Fachmann bereits dem Abs. [0009] selbst. Denn in dessen zweitem Satz wird als vorteilhaft beschrieben, dass Oberflächeninformationen auch dann gewonnen werden können, wenn die Oberfläche nicht sauber ist (Anm.: bezogen auf ein Ohr), was die Konsequenz hat, dass die 2D-Bilder die aufgenommene Oberfläche „nicht korrekt zeigen“. Diese Formulierung impliziert, dass für eine Stelle überhaupt Daten gewonnen werden konnten, aber nicht auf eine so gelungene Weise, dass eine softwarebasierte Nachbearbeitung entbehrlich wäre. Es liegen mithin keine vollständigen Daten vor, vollständig fehlen tun sie indes auch nicht.
Durch die in Abs. [0009] beschriebenen Möglichkeiten, die eine Oberfläche bedecken können wie Ohrenschmalz, Haare oder Insekten, liegt auch ein visuell blockierter Zugang vor. Auch wenn ausdrücklich im Anspruchswortlaut als Grund der Blockierung die geometrische Form der Innenfläche angeführt ist, ist dem Klagepatent über Abs. [0009] zu entnehmen, dass es die Möglichkeit einer teilweisen Datengewinnung kennt. Weshalb diese Möglichkeit bei dem Beruhen einer oder mehrerer Lücken auf einer geometrischen Form nicht auch in Betracht kommen sollte, ist nicht ersichtlich. Denn abhängig von der Gestaltung der Innenfläche ist denkbar, dass für einen Teilbereich Daten erfasst werden können und daher kein vollständiges Leck vorliegt. - Nichts anders ist aus dem Ausdruck „blockierter Zugang“ zu folgern. Auch für diesen hält die Klagepatentschrift keine eigene Definition bereit. Philologisch bedeutet „blockieren“, dass ein Zugang (im Ergebnis) versperrt und demnach unpassierbar ist. Im Kontext der Datengewinnung/eines Bildgebungsverfahrens dürfte darunter aber auch eine eingeschränkte Zugänglichkeit gefasst werden; sodass das Messgerät einen Bereich nicht vollständig, sondern nur partiell erreichen kann. In diesem Verständnis wird der Fachmann durch den Wortlaut des Anspruchs 1 gestützt. Denn das dort gelehrte Verfahren soll sich auf „teilweise“ blockierte Innenflächen beziehen, die gescannt werden. Ebenso spricht Abs. [0006] von „teilweise versperrten“ Innenflächen. Zwar könnte dies auch lediglich so zu verstehen sein, dass ein bestimmter Bereich einer Innenfläche gänzlich versperrt ist und daher die gesamt betrachtete Innenfläche teilweise versperrt ist. Zwingende Anhaltspunkte für dieses Verständnis sind indes nicht vorhanden. Vielmehr sprechen die anderen, oben aufgezeigten Beschreibungsstellen, für das Verständnis der teilweisen Scanmöglichkeit eines bestimmten Teilbereichs einer Innenfläche.
- Der Fachmann wird in dem Verständnis, dass Daten nicht nur vollständig, sondern auch teilweise fehlen können, durch die Beschreibungsstelle in Abs. [0027] bestärkt. Dort werden nämlich beide Ausdrücke „Lücken“ und „fehlende Bereiche“ benutzt und zwar, indem sie einander gegenübergestellt werden. Dieses Verhältnis der Begriffe zueinander ergibt sich aus dem Wort „oder“, welches üblicherweise signalisiert, dass verschiedene Dinge zur Wahl gestellt werden. Wenn das Klagepatent beiden Begriffen denselben Bedeutungsgehalt beimessen würde, hätte es dieser Unterscheidung nicht bedurft. Dieser Differenzierung steht auch nicht entgegen, dass beide Fehlerarten auf demselben Wege, nämlich durch Folgerungen oder Interpolation ausgeglichen werden können. Denn jedenfalls der Umfang der Folgerungen/Interpolation dürfte verschieden groß bzw. aufwändiger sein.
Diese deutsche Übersetzung entspricht dabei vollständig der englischen Originalfassung. Dort werden die Wörter „holes“ und „missing areas“ einander gegenübergestellt.
Der Klagepatentschrift sind keine Anhaltspunkte darauf zu entnehmen, welches Ausmaß die Lücken annehmen müssen, damit der Mechanismus nach der streitgegenständlichen Lehre zur Anwendung kommt. Weder eine Mindest- noch eine Maximalgröße werden vorgegeben. - Auch unter technisch-funktionalen Gesichtspunkten ist sowohl das vollständige Fehlen von Daten als auch nur das teilweise Fehlen als eine Lücke im Sinne des Anspruchs zu begreifen. Denn hinsichtlich der Arbeitsweise der Scanvorrichtung einerseits sowie anschließend der Datenverarbeitungseinrichtung andererseits macht es keinen Unterschied, wie groß der Datenmangel ist. Denn in jedem Fall müssen Daten bereitgestellt und verarbeitet werden, um 3D-Realkoordinaten für diese Bereiche der Innenfläche erzeugen zu können.
- Eine Lücke wird dann registriert, wenn sie von der Datenverarbeitungseinrichtung in ihren Ausmaßen erfasst wurde, um in weiteren Verfahrensschritten Daten bereitzustellen, die in der Lage sind, die Datenlücke aufzufüllen. Inwieweit die Schritte des Feststellens und Behebens derartiger Lücken automatisiert erfolgen, ohne dass der Anwender bewusst eine Entscheidung treffen muss, welche den Vorgang der Fehlerbehebung auslöst, gibt das Klagepatent nicht vor.
- 2.
Für das weiterhin vom Klagepatent beanspruchte Verfahren, das mittels der zuvor erörterten Vorrichtung ausgeführt werden kann, hält die Klagepatentschrift keine detaillierten Beschreibungen der einzelnen Verfahrensschritte bereit. Als entscheidend entnimmt der Fachmann der Klagepatentschrift insoweit aber, dass es einen Verfahrensschritt geben muss, der das Vorhandensein von einer oder mehrerer Lücken feststellt und einen weiteren, der diesen Fehler behebt.
Ausweislich des Anspruchswortlauts werden so in einem ersten Schritt die erfassten 2D-Bilder kombiniert, um 3D-Realweltkoordinaten zu erhalten. Danach werden etwaige Lücken in dieser Bildkombination registriert, welche abschließend dadurch behoben werden, dass anderweitige Daten bereitgestellt und verarbeitet werden, um die lückenhaften Daten zu erzeugen. Abs. [0027] enthält dazu lediglich den Hinweis, dass Lücken oder fehlende Bereiche auf Grundlage vorheriger Abtastungen des Objekts gefolgert oder interpoliert werden können. Dieser Beschreibungsstelle entnimmt der Fachmann somit, dass Bildmaterial der Ausgangspunkt für die rechnerische Füllung der Lücke sein kann; dies wegen des Charakters als eine bevorzugte Ausführungsform aber nicht zwingend sein muss. Dementsprechend heißt es bereits in Abs. [0021], dass Lücken in der Oberfläche durch Kombinieren der Informationen der Bilddaten mit anderen Daten als Bilddaten geschlossen werden können. Dieser Vorgehensweise ist immanent, dass – wie für rechnerische Annäherungen üblich – mit Wahrscheinlichkeitswerten operiert wird. - Einzelne Verfahrensschritte und der Einsatz einzelner Algorithmen werden nicht vorgegeben, sondern dem Belieben des Fachmanns überlassen. Ebenso wenig werden andere Verfahrensschritte vor, zwischen oder nach diesen besagten beiden Arbeitsschritten mitgeteilt. Der Fachmann erkennt keine Anhaltspunkte in der Klagepatentschrift dafür, dass das Verfahren auf diese beiden Schritte beschränkt sein müsste, solange sie Gegenstand der Arbeitsweise der Software sind.
- 3.
Das vorstehende Verständnis berücksichtigend macht die angegriffene Ausführungsform Gebrauch von der erfindungsgemäßen Lehre. Sie registriert Datenlücken und erzeugt basierend auf anderen Daten 3D-Realweltkoordinaten, um diese Lücken aufzufüllen. - Das Erfassen lediglich unzuverlässiger Daten in der angegriffenen Ausführungsform entspricht einem nur teilweisen Erfassen von Daten, weil in diesen Bereichen zwar Daten, aber auch zumindest kleine Löcher vorliegen.
Dass in der angegriffenen Ausführungsform die vorliegenden Daten als zuverlässig bzw. unzuverlässig bezeichnet werden, ist lediglich eine Frage der Terminologie, steht dem Vorliegen von Lücken aber nicht entgegen. Je zuverlässiger die Daten sind, desto weniger besteht Bedarf an einer Lückenfüllung, sofern dann überhaupt Lücken auftreten. Dies entspricht dem erfindungsgemäßen Verfahren, da auch dieses (denknotwendig) nur zur Anwendung kommen muss, wenn Löcher vorhanden sind. - Genügend ihrer Darlegungslast hat die Klägerin die Funktionsweise der angegriffenen Ausführungsform vorgebracht. Sie hat anhand einer Bedienungsanleitung, stammend aus Februar 2019 (Anlage rop 6), aufgezeigt, dass dem Anwender drei Auswahlmöglichkeiten vorgeschlagen werden, wie Löcher gefüllt werden können. Wenngleich es sich bei einem solchen Benutzerhandbuch nicht um ein technisches Dokument im Sinne des Patentrechts handelt und daher nicht alle relevanten technischen Einzelheiten der Vorrichtung dargestellt werden, ist ihm dennoch ein Hinweis auf die grundsätzliche Funktionsweise der angegriffenen Ausführungsform zu entnehmen. Entsprechendes gilt für die als Anlagen rop 7 und rop 8 vorgelegten Auszüge aus Internetseiten, welche von der Beklagten unterhalten werden und dem Austausch der Programmanwender untereinander dienen. Auch diese offenbaren keine technischen Details, können aber gleichwohl als Hinweis auf die allgemeine Funktionsweise herangezogen werden.
Im Benutzerhandbuch werden drei Möglichkeiten vorgeschlagen, mit unzureichenden Daten umzugehen; der Anwender hat die Wahl, dass Löcher nicht gefüllt und unzuverlässige Daten exkludiert werden, dass größere Löcher gefüllt werden oder dass alle Löcher gefüllt werden und ein wasserdichtes Modell erschaffen wird. - In dem diesen Auswahlmöglichkeiten vorgelagerten Erzeugen eines 3D-Modells, welches abhängig von der Verlässlichkeit der gesammelten Daten verschieden gefärbt wird, liegt ein erfindungsgemäßes Registrieren von Lücken, weil durch diese Einfärbung zum Ausdruck kommt, dass die Software eine Bewertung des Datenmaterials (Datenqualität) vorgenommen hat.
- Für die Verwirklichung der erfindungsmäßen Lehre ist nicht entscheidungserheblich, ob zunächst die Darstellung des 3D-Modells mittels einer Punktewolkenkonstruktion erfolgt und dabei schon Lücken als geschlossen dargestellt werden. Denn für die Merkmalsverwirklichung kommt es nur darauf an, dass überhaupt ein Arbeitsschritt ausgeführt wird, der eine Überprüfung von Flächen, mithin ein Registrieren, und ein anschließendes Füllen von Löchern vornimmt; wann dies im Laufe des Verarbeitungsverfahrens, etwa nachdem ein (vorläufiges) Punktewolkenmodell erzeugt wurde, ist nicht maßgeblich.
- Die Beklagte vermochte diesen Darlegungen nicht erheblich entgegenzutreten. Allein der Umstand, dass der Poisson-Algorithmus benutzt wird, steht einer Patentverletzung nicht entgegen. Dabei würde es sich nur um einen der relevanten Registrierung vorgelagerten Schritt handeln. Im Übrigen führt aber auch die Benutzung dieses Algorithmus dazu, dass verschieden gefärbte Flächen abgebildet werden, um die Verlässlichkeit der hinterlegten Daten zu verifizieren. Schon diese Möglichkeit der differenzierten Darstellung zeigt, dass die Datenverarbeitungseinrichtung eine Bewertung (Registrierung) der Daten vornimmt und unzuverlässige Daten, welche zu fehlerhaften Bereichen im 3D-Modell führen, herausfiltern kann. Außerdem trägt die Beklagte selbst vor, dass nach dem Poisson-Algorithmus ein weiterer nicht näher erläuterter Algorithmus angewendet wird (vgl. Bl. 94 GA).
Weshalb außerdem die Ausführungen der Klägerin zur Reliability Map sowie dem Auswahlfenster unzutreffend sein sollen, kann die Beklagte auch nicht im Einzelnen aufzeigen. Insoweit genügt zu ihrer Entlastung jedenfalls nicht der Vortrag, dass es keine technisch getreuen Beschreibungen seien und diese Art der Darstellung lediglich dem besseren Verständnis des Anwenders diene. Wozu es dieser Beschreibung im Prospekt bedarf, obwohl zu dieser Zeit des Verfahrensablaufs überhaupt keine Möglichkeit des Lückenfüllens mehr gibt, wird von der Beklagten nicht erläutert und ist auch sonst nicht ersichtlich. Vielmehr zeigt die erste Auswahloption gerade, dass Lücken registriert und als solche (ungefüllt) auch abgebildet werden, wenn keine Auffüllentscheidung getroffen wird.
Schließlich ist die Bezugnahme der Beklagten auf die zusammengefassten, in dem Termin zur mündlichen Verhandlung überreichten 3D-Modellbilder (Anlage VP 8) nicht geeignet, eine andere Funktionsweise der angegriffenen Ausführungsform zu belegen. Denn abgesehen von den seitens der Beklagten hinzugefügten Bildüber- bzw. -unterschriften wie „ursprüngliche Scandaten“, „Anwendung des Poisson-Algorithmus“, „Berechnung von Löchern“ und „Ergebnis der Löcher-Berechnung“ ist diesen Modellen kein konkreter Hinweis auf das jeweils zugrunde liegende Datenmaterial und auf den konkreten Zeitpunkt ihres Vorliegens zu entnehmen. Das eigene Produktdatenmaterial der Beklagten stellt insoweit nämlich nur anders gestaltete 3D-Modelle bereit, die mit denen der Anlage VP 8 nicht in Einklang gebracht werden können. Auf die entsprechend geäußerte Kritik der Klägerin hat die Beklagte nicht reagiert. - Hinsichtlich des mittelbaren Gebrauchens des Klagepatentanspruchs 14 gem. § 10 PatG stellt die Beklagte die weiteren Voraussetzungen dieser Verletzungsform nicht in Abrede. Mit der angegriffenen Ausführungsform bietet an bzw. liefert die Beklagte Mittel, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen. Denn die angegriffene Ausführungsform ist ein Gegenstand, durch den eine unmittelbare Benutzungshandlung begangen werden kann. Es weist diejenigen technischen Ausstattungsmerkmale auf, die erforderlich das streitgegenständliche Verfahren ausführen zu können. Die angegriffene Ausführungsform ist zur Benutzung der Erfindung auch bestimmt, weil sie von Abnehmern, in der Regel aus dem Bereich der Dentalmedizin, eingesetzt werden, um Zahnflächen darzustellen. Dies ist im Übrigen der einzige Einsatzzweck der angegriffenen Ausführungsform. Dass die angegriffene Ausführungsform gerade zur Durchführung eines Scanvorgangs eingesetzt werden würde, wusste die Beklagte auch.
- III.
Aufgrund rechtswidriger Benutzungshandlung ergeben sich nachstehende Rechtsfolgen.
Die Beklagte hat es gem. Art. 64 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 1 PatG zu unterlassen, die im Tenor aufgeführten Benutzungshandlungen vorzunehmen. Darüber hinaus hat die Klägerin Anspruch auf die begehrten Auskünfte und Rechnungslegung, § 140 b PatG, §§ 242, 259 BGB i.V.m. Art. 64 EPÜ. - Der Anspruch auf Rückruf folgt aus § 140a Abs. 3 PatG i.Vm. Art. 64 EPÜ.
Der Klägerin steht dagegen kein Vernichtungsanspruch gem. § 140a Abs. 1 i.V.m. Art. 64 EPÜ zu, weil sie trotz Hinweises der Kammer in der mündlichen Verhandlung nicht zu inländischem Besitz oder Eigentum der in Korea ansässigen Beklagten vorgetragen hat. Insbesondere war insoweit nicht ausreichend, dass die Beklagte einmal einen Messestand in der Bundesrepublik Deutschland betrieben hat, an welchem ihr auch die hiesige Klage zugestellt wurde. Denn die Beklagte hat die angegriffene Ausführungsform nur vorübergehend ins Inland verbracht, woraus sich kein Besitz im Inland im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung mehr ergibt (OLG Düsseldorf, Urteil vom 06.10.2016 – I-2 U 19/16; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 11. Aufl., Kap. D, Rn. 640, 643). - Der Anspruch auf Schadensersatzfeststellung folgt schließlich aus § 139 Abs. 2 PatG i.V.m. Art. 64 EPÜ. Das gem. § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse besteht, da die Klägerin ohne die begehrten Informationen ohne eigenes Verschulden nicht in der Lage ist, den ihr zustehenden Schadensersatzanspruch zu beziffern. Die Beklagte als gewerblich handelndes Unternehmen hat sich dagegen zumindest dem Fahrlässigkeitsvorwurf gem. § 276 Abs. 2 BGB ausgesetzt. Denn vor Aufnahme von Vertriebshandlungen hat sich eine Fachfirma grundsätzlich über etwaige entgegenstehende Schutzrechte Dritter zu informieren. Hätte die Beklagte dies mit der erforderlichen Sorgfalt getan, wäre sie auf die Rechte der Klägerin aufmerksam geworden.
- IV.
Der Rechtsstreit war nicht auszusetzen.
Nach § 148 ZPO kann das Gericht bei der Vorgreiflichkeit eines anderen Verfahrens einen Rechtsstreit aussetzen, wenn also die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder teilweise vom (Nicht-) Bestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das bereits Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits ist (vgl. BGH, GRUR 2014, 1237, 1238 – Kurznachrichten). Denn eine – vorläufig vollstreckbare – Verpflichtung des Beklagten zu Unterlassung, Auskunft, Rechnungslegung sowie Vernichtung patentgemäßer Erzeugnisse ist regelmäßig nicht zu rechtfertigen, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten steht, dass dieser Verurteilung durch die Nichtigerklärung des Klagepatents die Grundlage entzogen werden wird. - 1.
Die Beklagte kann dem Rechtsbestand des Klagepatents nicht mit Erfolg den Einwand der offenkundigen Vorbenutzung entgegenhalten. - Eine offenkundige Vorbenutzung liegt dann vor, wenn der Öffentlichkeit die technische Lehre des Klagepatents (im Prioritätszeitpunkt) bereits zugänglich gemacht war (Mes PatG § 3 Rn. 51-61, beck-online). Unter Öffentlichkeit ist dabei ein unbegrenzter Personenkreis gemeint, der die Möglichkeit der Kenntnisnahme hat(te). Zugänglichkeit für die Allgemeinheit ist dagegen nicht erforderlich (Schulte, a.a.O., § 3, Rn. 23).
- Diese Voraussetzungen liegen für den E (Chairside Oral Scanner) nicht vor. Dessen technischen Eigenschaften und Funktionsweisen ergeben sich nicht hinreichend deutlich aus den Fachartikeln bzw. Datenblättern (Anlagen NK 16 bis NK 18, vop 5).
- a.
Hinsichtlich der Veröffentlichungsdaten der Entgegenhaltungen NK 16 bis NK 18 hat die Kammer keine Bedenken, dass diese vor dem Prioritätszeitpunkt (30.03.2010) lagen. Dies ist unmittelbar diesen Dokumenten zu entnehmen.
Der Fachartikel in der Anlage NK 16 wurde bereits im Jahr 2008 veröffentlicht. Dies ist der Überschrift zu entnehmen, wo es heißt: „2008 Volume 5 Number 1“. Unschädlich ist daher auf der ersten Seite dieser Anlage der Hinweis auf die erstmalige Veröffentlichung im Internet auf der Website F am 21. November 2015.
Die NK 17 weist im Bereich des Copyright-Vermerks die Angabe „01 (8.2009) auf, womit also auf die Herstellung des Prospekts im Jahr 2009 verwiesen wird.
Schließlich ist auch für die NK 18 deren Veröffentlichung vor dem Prioritätszeitpunkt zu erkennen. In der Fußleiste unterhalb dieses Video befindet sich nämlich der Hinweis „am 31.07.2009 veröffentlicht“. Damit waren diese Informationen ab diesem Tag für jedermann im Internet abrufbar. - b.
Allerdings sind die zwischen den Parteien allein streitigen Merkmale 4.1 und 4.2 nicht unmittelbar und eindeutig offenbart.
Der E registriert zunächst etwaige Löcher und erzeugt sodann fehlende Daten anhand anderen zur Verfügung stehenden Datenmaterials; dies können insbesondere weitere vorhandene Scan-Bilder sein.
Wenngleich die in den NK 16 bis NK 18 beschriebene Funktionsweise darauf abstellt, dass in der 3D-Darstellung sichtbar werdende Löcher in der Innenfläche (allein) durch wiederholtes Scannen der betreffenden Stelle behoben werden können, sehen sie dies nicht als einzige Möglichkeit vor, eine Fehlstelle zu beheben. Abgestellt wird auch auf die Programmsoftware. Jedoch offenbaren diese Entgegenhaltungen nicht hinreichend, wie die Programmsoftware arbeitet. So heißt es in der NK 16, S. 10, linke Spalte nur: „the software patches the hole“. Wie im Einzelnen die Software arbeitet und welche Verfahrensschritte ausgeführt werden, wird in dieser Beschreibungsstelle demnach nicht offenbart. Insbesondere ist nicht bekannt, auf welches Datenmaterial zurückgegriffen wird, um etwaige Löcher zu füllen. Hinzukommt, dass nur auf den Zahnarzt als Anwender des E und als denjenigen abgestellt wird, der etwaige Löcher in einem Scan-Modell registriert und deshalb Anlass hat, die fehlerhaft dargestellte Fläche erneut zu scannen (vgl. S. 10 der NK 16, erster Absatz der linken Spalte). Auch in der NK 17 wird nur auf den Benutzer abgestellt, der fehlendes Bildmaterial durch die Erstellung des 3D-Modells sehen kann (vgl. dort S. 4, Nr. 3). Hinweise darauf, dass die Datenverarbeitungseinrichtung dazu eingerichtet ist, ein oder mehrere Lücken in den 3D-Realweltkoordinaten zu registrieren lassen sich diesen Dokumenten nicht entnehmen. Dies gilt gleichermaßen für das als Anlage NK 18 vorgelegte Video, welches die Anwendung des E nebst Datenverarbeitung an einem PC zeigen soll. Selbst wenn in der Anlage VP 7, beinhaltend einzelne Screenshots des Videos, die Bilder zu Minute 2:17 und Minute 2:19 Unterschiede in der Darstellung des 3D-Modells offenbaren, ergibt sich nicht, worauf, namentlich auf welchen Verfahrensschritten, diese beruhen. Zu sehen ist als etwaige Erklärung in Minute 2:18 nur eine Hand, die ein Bedienfeld auf dem Monitor bedient. Weitere, insbesondere technische Erläuterungen zur Funktionsweise fehlen gänzlich. Im Übrigen finden sich in den Dokumenten NK 16 und NK 17 keinerlei Beschreibungsstellen, passend zu diesen Videosequenzen; dies hätte indes nahegelegen, wenn es sich – wie von der Beklagten behauptet – um dasselbe und sogar einzige Scannermodell zu dieser Zeit von dem Unternehmen 3M gehandelt hat - 2.
Das Klagepatent beruht gegenüber der NK 5 in Kombination mit Fachwissen (in Gestalt der NK 8) bzw. mit der NK 11 auf erfinderischer Tätigkeit. Die Beklagte vermochte nicht zur Überzeugung der Kammer darzulegen, dass die Merkmale 4.1 und 4.2 nahegelegen haben. - Nach § 4 PatG gilt eine Erfindung als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend, wenn sie sich für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt, sodass ein „erfinderischer Schritt“ vorliegt, wenn sich die Erfindung, die Gegenstand des Patents ist, für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt.
Um den Gegenstand einer Erfindung als nahegelegt anzusehen, ist zum einen erforderlich, dass der Fachmann mit seinen durch seine Ausbildung und berufliche Erfahrung erworbenen Kenntnissen und Fähigkeiten in der Lage gewesen ist, die erfindungsgemäße Lösung des technischen Problems aus dem Vorhandenen zu entwickeln. Zum anderen muss der Fachmann Grund gehabt haben, den Weg der Erfindung zu beschreiten. Dazu bedarf es in der Regel zusätzlicher, über die Erkennbarkeit des technischen Problems hinausreichender Anstöße, Anregungen, Hinweise oder sonstiger Anlässe (BGH, GRUR 2018, 716 – Kinderbett, Rn. 25, juris).
Daraus kann man entnehmen, dass es positive Anregungen im Stand der Technik geben muss, in Richtung des Klagepatents weiter zu denken. Der Fachmann muss auf die Problemstellung kommen, die dem Klagepatent zugrunde liegt und er muss Hinweise bekommen, dass man dieses Problem mit Mitteln des Klagepatents löst. - Dies ist auf Grundlage des vorgetragenen Sach- und Streitstandes vorliegend nicht feststellbar.
- Der Fachmann erhält, unbeschadet der Umstände, dass Ursprungsoffenbarungen den NK 5 bereits im Erteilungsverfahren berücksichtigt wurden und wie die technische Lösung dieser Entgegenhaltung zu bestimmen ist, aus der NK 5 jedenfalls keine Anregung für die streitgegenständliche Erfindung. Die NK 5 beschreibt einen Scanner nebst entsprechendem Verfahren für die Bildaufnahme bzw. das Abtasten von Innenflächen, welche mitunter auch schwer zugänglich sein können. Nach dem Erfassen der Daten werden sie zu einem 3D-Modell zusammengefasst, welches als Basis für die Herstellung bspw. eines Ersatzteils herangezogen werden kann.
Die NK 5 thematisiert im Zusammenhang mit der Gewinnung des 3D-Modells anhand der aufgenommenen 2D-Koordinaten nicht das Problem, dass es Löcher/nur ungenau erfasste Bereiche der Innenfläche geben kann. Ein solcher Hinweis ist insbesondere nicht dem Abs. [0064] zu entnehmen. Dieser beschreibt zwar eine von „Okklusionseffekten“ ausgehende Schwierigkeit, Innenflächen zu scannen. Indes wird dieses Problem im Rahmen der „Erzeugung von Lichtmustern“ dargestellt. Das Klagepatent dagegen bezieht sich auf eine andere Situation, nämlich auf Löcher, welche nach Zusammenführung der 2D-Daten in dem 3D-Modell verbleiben. - Hinzukommt, dass in Abs. [0064] direkt eine Lösung für das Erreichen durch von Okklusionseffekten schwer zugänglichen Bereichen bereitgestellt wird, indem die Emissionsrichtung sowie die Aufzeichnung des Lichts besonders ausgewählt werden. Daher hat der Fachmann für diese Fragestellung keinen Anlass mehr, nach einer Lösung zu suchen.
Für die Verarbeitung der gewonnenen Daten geht die NK 5 nicht von mangelnden Daten aus. Dies ergibt sich aus Abs. [0093], der unter der Überschrift „Verarbeitung“ steht und die Zusammenführung einzelner Punktsätze betrifft. Insoweit beschreibt die NK 5 nur, dass die Daten-Kombination mithilfe eines Algorithmus erfolgt und dann eine „endgültige“ Oberfläche das 3D-Modells erhalten wird. Ein etwaiges Erfordernis von Zwischenschritten, um Datenungenauigkeiten/-lücken zu überwinden, ist dort gerade nicht vorgesehen. Dass die NK 5 nicht von bestehenden Problemen während des Scanvorgangs und der anschließenden Datenverarbeitung ausgeht, zeigt auch der Abs. [0037]. Diese Passage beschreibt den abschließenden Teil des Verarbeitungsverfahrens, der das Erstellen eines Teils als Ergebnis vorsieht; etwaige Probleme werden nicht erwähnt. - Aus diesen Ausführungen folgt, dass der Fachmann keinen Anlass hat, die NK 8 hinzuzuziehen. Selbst wenn die in diesem Dokument dargestellten Scan-Techniken im Prioritätszeitpunkt Teil des allgemeinen Fachwissens waren, dürfte es dennoch (wie der NK 8 selbst zu entnehmen ist) Unterschiede zwischen den einzelnen Lösungsansätzen geben. Die Beklagte hat insoweit keine Auswahl vorgenommen, jedoch auch nicht dargelegt, dass alle Vorgehensweisen zum erfindungsgemäßen Ergebnis führen würden.
- Wie schon hinsichtlich der NK 8 hat der Fachmann auch keinen Anlass, die NK 11 heranzuziehen. Aber auch in der Sache würde die NK 11 die fehlenden Merkmale 4.1 und 4.2 nicht nahelegen. Jedenfalls vermag die Kammer diese Feststellung anhand des Vorbringens der Beklagten nicht zu treffen.
Zwar thematisiert die Entgegenhaltung NK 11 das Identifizieren und Füllen von Löchern. Indes werden verschiedene Herangehensweisen für verschiedene Arten von Löchern aufgezeigt, insbesondere abhängig von der Größe der festgestellten Lücke. Die Beklagte trifft keine Auswahl, welche dieser Methoden für die erfindungsgemäße Lehre geeignet wäre bzw. legt nicht dar, dass alle dieser Methoden gleichermaßen in Betracht kämen (vgl. NK 11, S. 39, Z. 22 ff.). Derartiges Vorbringen wäre deshalb erforderlich gewesen, weil in der NK 11 u.a. eine Lösungsmethode vorgesehen ist, wonach der Anwender große oder komplizierte Löcher üblicherweise selbst zu füllen hat. So eine Differenzierung hinsichtlich der Größe der Lücken und dass verschiedene Lösungswege anzuwenden sind, will das Klagepatent jedoch überhaupt nicht vornehmen. Vielmehr soll dieselbe Methode für alle registrierten Lücken benutzt werden. - Auf die seitens der Klägerin geäußerte Kritik, dass diese zu behebenden Flächen ohnehin erst durch den Datenverarbeitungsvorgang und nicht mangels hinreichender Scandaten entstanden seien, geht die Beklagte nicht ein. Ebenso wenig äußert sie sich auf erhebliche Weise zu dem Kritikpunkt, dass triangulierte Polygone kein Ausfluss eines Datenverarbeitungsvorgangs seien, welcher aber für das Erreichen der erfindungsgemäßen Lehre vorhanden sein müsste.
-
B.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 709 ZPO. - Streitwert: 500.000,00 Euro