Düsseldorfer Entscheidungsnummer: 2981
Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil vom 23. Januar 2020, Az. I-2 U 3/19
Vorinstanz: 4b O 71/17
- I. Die Berufung der Beklagten gegen das am 20. Dezember 2018 verkündete Urteil der 4b Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass es im Tenor unter Ziff. I.1. und I.2. jeweils
- statt „das Verbundoxid eine spezifische Oberfläche von nicht weniger als 50 m2/g besitzt“ nunmehr heißt „das Verbundoxid eine spezifische Oberfläche von 50 m2/g bis 120 m2/g besitzt“
und
- statt „das Verbundoxid in der Lage ist, selbst nach dem Erhitzen bei 1.100°C über 6h eine spezifische Oberfläche von nicht weniger als 20 m2/g aufrechtzuerhalten“ nunmehr heißt „das Verbundoxid in der Lage ist, selbst nach dem Erhitzen bei 1.100°C über 6h eine spezifische Oberfläche von 20 m2/g bis 30 m2/g aufrechtzuerhalten“
- heißt.
- II. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
- III. Das Urteil und das Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar.
- Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 200.000,- € abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
- IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
- V. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 200.000,- € festgesetzt.
- Gründe
- I.
- Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents EP 0 955 XXA (nachfolgend: Klagepatent) zuletzt auf Auskunftserteilung und Rechnungslegung, Rückruf sowie auf Feststellung der Schadenersatzpflicht dem Grunde nach in Anspruch.
- Das Klagepatent wurde am 24. Dezember 1997 unter Inanspruchnahme der Priorität einer japanischen Schrift vom 27. Dezember 1996 in englischer Verfahrenssprache angemeldet. Die Offenlegung der Patentanmeldung erfolgte am 10. November 1999. Der Hinweis auf die Erteilung des Klagepatents wurde am 3. September 2003 veröffentlicht. Im Rahmen eines Nichtigkeitsverfahrens wurde das Klagepatent in eingeschränktem Umfang aufrechterhalten. Der deutsche Teil des Klagepatents (DE 697 24 XXB) ist am 24. Dezember 2017 durch Zeitablauf erloschen. Über eine durch die Beklagte erhobene Nichtigkeitsklage hat das Bundespatentgericht bisher noch nicht entschieden.
- Eingetragene Inhaberin des Klagepatents ist die „B“, Ltd. Diese schloss zum 1. Januar 2012 („Effective Date“) mit der Klägerin einen Patentlizenzvertrag, hinsichtlich dessen vollständigen Inhalts auf die Anlage HL (D) 6 Bezug genommen wird.
- Das Klagepatent trägt die Bezeichnung „Zirconium-cerium composite oxide, method for preparing the same, and co-catalyst for purifying exhaust gas“ (Zirkonium-Cerium-Verbundoxid, Verfahren zur Herstellung und Cokatalysator zur Reinigung von Abgas). Sein Patentanspruch 1 ist wie folgt gefasst:
- „A zirconium-cerium composite oxide comprising zirconium and cerium at a weight ratio in a range of 51 to 95:49 to 5 in terms of zirconium oxide and ceric oxide, said composite oxide having a specific surface area of not smaller than 50 m2/g, wherein said composite oxide is capable of maintaining a specific surface area of not smaller than 20 m2/g even after heating at 1100°C for 6 hours.“
- Und in der eingetragenen deutschen Übersetzung:
- „Zirconium-Cer-Verbundoxid enthaltend Zirconium und Cer in einem Gewichtsverhältnis in einem Bereich von 51 bis 95:49 bis 5 als Zirconiumoxid und Ceroxid, wobei das Verbundoxid eine spezifische Oberfläche von nicht weniger als 50 m2/g besitzt und wobei das Verbundoxid in der Lage ist, selbst nach dem Erhitzen bei 1.100°C über 6 h eine spezifische Oberfläche von nicht weniger als 20 m2/g aufrechtzuerhalten.“
- Patentanspruch 7 weist in seiner eingetragenen Fassung folgende Formulierung auf:
- „A co-catalyst for purifying exhaust gas comprising powders of a zirconium-cerium composite oxide comprising zirconium and cerium at a weight ratio of 51 to 95 : 49 to 5 in terms of zirconium oxide and ceric oxide, said composite oxide having a specific surface area of not smaller than 50 m2/g, wherein said composite oxide is capable of maintaining a specific surface area of not smaller than 20 m2/g even after heating at 1100°C for 6 hours.”
- In der eingetragenen deutschen Übersetzung lautet Patentanspruch 7:
- „Cokatalysator zum Reinigen von Abgas, der Pulver eines Zirconium-Cer-Verbundoxides enthält, das Zirconium und Cer in einem Gewichtsverhältnis von 51 bis 95 : 49 bis 5 als Zirconiumoxid und Ceroxid umfasst, wobei das Verbundoxid eine spezifische Oberfläche von nicht weniger als 50 m2/g besitzt und das Verbundoxid in der Lage ist, selbst nach dem Erhitzen bei 1.100°C über 6 h eine spezifische Oberfläche von nicht weniger als 20 m2/g aufrechtzuerhalten.“
- Hinsichtlich der Formulierung der lediglich im Wege von „insbesondere, wenn“ – Anträgen geltend gemachten Unteransprüche 2 und 8 wird auf die Klagepatentschrift Bezug genommen.
- Die Beklagte ist eine Gesellschaft mit Sitz im Vereinigten Königreich. Sie gehört zu der in den Vereinigten Staaten ansässigen „C“-Gruppe, die u.a. Produkte aus seltenen Erden und Metallen herstellt. Die Herstellung und die Lieferungen der Mischoxidprodukte erfolgen über eine chinesische Gesellschaft der Unternehmensgruppe, die „D“ Co., Ltd. („D“). Die Beklagte vertreibt in der Bundesrepublik Deutschland die von „D“ hergestellten Mischoxidprodukte. Sie lieferte u.a. mehrere Chargen des Mischoxidprodukts CZO 5XC (angegriffene Ausführungsform I) in die Bundesrepublik Deutschland (vgl. Anlage HL (D) 2, HL (D) 14). Die Eigenschaften des Produkts und die Einzelheiten seiner Zusammensetzung sind dem Analysezertifikat (Certificate of Analysis, „I“) zu entnehmen (Anlage HL (D) 10). In der Zeit von Januar 2013 bis September 2017 lieferte die Beklagte mindestens 29.400 kg des Produkts CZO 5XD (angegriffene Ausführungsform II) in die Bundesrepublik Deutschland (Anlage HL (D) 14). Die Eigenschaften des Produkts und die Einzelheiten seiner Zusammensetzung sind dem entsprechenden „I“ zu entnehmen (Anlage HL (D) 12).
- Im Januar 2017 erging in den Niederlanden eine Beschlagnahmeanordnung. Im Rahmen der am 19. Januar 2017, 31. Januar 2017 und 10. März 2017 durchgeführten Beschlagnahmen wurden jeweils drei Proben von sechs verschiedenen Produkten der Beklagten, insgesamt 18 Proben, sowie zugehörige (Liefer-) Unterlagen („Seized Documents“) beschlagnahmt. Im Anschluss wurden Laboruntersuchungen der Proben bei dem Analyseinstitut Delft Solutions BV in Auftrag gegeben. Die untersuchten Proben wurden mit durchlaufenden Ziffern und dem Buchstabenkürzel „„E““ gekennzeichnet. Das Sample 12-“E“ stammt von dem Produkt „CZO 5XD“, also der angegriffenen Ausführungsform II, wie sich aus dem Analysebericht ergibt (Anlage HL (D) 15).
- Die Klägerin sieht im Angebot und im Vertrieb der angegriffenen Ausführungsformen in der Bundesrepublik Deutschland eine unmittelbare (Patentanspruch 1) bzw. mittelbare (Patentanspruch 7) Verletzung des Klagepatents.
- Die Beklagte, die um Klageabweisung, hilfsweise um Aussetzung gebeten hat, hat bereits erstinstanzlich eine Verletzung des Klagepatents in Abrede gestellt. Nach ihrer Auffassung liegt eine mittelbare Verletzung von Patentanspruch 7 des Klagepatents nicht vor. Es fehlten bereits die objektiven Voraussetzungen hierfür. Für die Beurteilung der objektiven Eignung komme es auf die Eigenschaften des Verbundoxids im hergestellten Cokatalysator und nicht auf diejenigen im Zeitpunkt der Lieferung an. Es fehle zudem am doppelten Inlandsbezug sowie an den subjektiven Voraussetzungen in Gestalt der Verwendungsbestimmung. Abgesehen davon seien die streitgegenständlichen Ansprüche, soweit sie Verletzungshandlungen aus der Zeit vor 2014 betreffen, verjährt.
- Schon erstinstanzlich haben die Parteien den ursprünglich ebenfalls geltend gemachten Unterlassungsanspruch übereinstimmend für erledigt erklärt. Darüber hinaus hat die Klägerin die Klage in der mündlichen Verhandlung vom 6. Dezember 2018 im Hinblick auf Lieferungen von Zirconium-Cer-Verbundoxiden an „F“ in der Zeit vom
1. Januar 2014 bis zum 24. Dezember 2017 mit Zustimmung der Beklagten zurückgenommen. - Mit Urteil vom 20. Dezember 2018 hat das Landgericht Düsseldorf eine unmittelbare (Patentanspruch 1) sowie eine mittelbare (Patentanspruch 7) Verletzung des Klagepatents bejaht und wie folgt erkannt:
- I. Die Beklagte wird verurteilt,
- 1. der Klägerin unter Vorlage eines einheitlichen, chronologisch geordneten Verzeichnisses Auskunft zu erteilen und Rechnung darüber zu legen, in welchem Umfang die Beklagte in der Zeit vom 1. Juli 2007 bis zum 24. Dezember 2017 Zirconium-Cer-Verbundoxide in der Bundesrepublik Deutschland angeboten, in Verkehr gebracht, gebraucht oder zu den genannten Zwecken eingeführt oder besessen hat,
- wenn das Zirconium-Cer-Verbundoxid Zirconium und Cer in einem Gewichtsverhältnis in einem Bereich von 51 bis 95:49 bis 5 als Zirconiumoxid und Ceroxid enthält
- und das Verbundoxid eine spezifische Oberfläche von nicht weniger als 50 m2/g besitzt,
- und das Verbundoxid in der Lage ist, selbst nach dem Erhitzen bei 1.100°C über 6h eine spezifische Oberfläche von nicht weniger als 20 m2/g aufrechtzuerhalten;
- (EP 0 955 XXA, Anspruch 1)
- mit Ausnahme derjenigen Zirconium-Cer-Verbundoxide, die im Zeitraum vom 1. Januar 2014 bis zum 24. Dezember 2017 an Unternehmen der „F“-Gruppe geliefert wurden;
- 2. der Klägerin weiter unter Vorlage eines einheitlichen, chronologisch geordneten Verzeichnisses Auskunft zu erteilen und Rechnung darüber zu legen, in welchem Umfang die Beklagte in der Zeit vom 1. Juli 2007 bis zum 24. Dezember 2017, Dritten in der Bundesrepublik Deutschland Zirconium-Cer-Verbundoxide zur Benutzung angeboten oder geliefert hat, die geeignet sind für
- Cokatalysatoren zum Reinigen von Abgas, die Pulver eines Zirconium-Cer-Verbundoxides enthalten, das Zirconium und Cer in einem Gewichtsverhältnis von 51 bis 95:49 bis 5 als Zirconiumoxid und Ceroxid umfasst,
- wobei das Verbundoxid eine spezifische Oberfläche von nicht weniger als 50 m2/g besitzt
- und das Verbundoxid in der Lage ist, selbst nach dem Erhitzen bei 1.100°C über 6 h eine spezifische Oberfläche von nicht weniger als 20 m2/g aufrechtzuerhalten;
(EP 0 955 XXA, Anspruch 7) - mit Ausnahme derjenigen Zirconium-Cer-Verbundoxide, die im Zeitraum vom 1. Januar 2014 bis zum 24. Dezember 2017 an Unternehmen der „F“-Gruppe geliefert wurden;
- jeweils unter Angabe
- a) der Menge der ausgelieferten (und gegebenenfalls erhaltenen oder bestellten) Erzeugnisse, der Namen und Anschriften der Hersteller (und gegebenenfalls Lieferanten und anderer Vorbesitzer, insbesondere Transport- und Lagerunternehmen), sowie der bezahlten Preise;
- b) der einzelnen Lieferungen und Bestellungen, aufgeschlüsselt nach Liefer- und Bestellmengen, -zeiten und -preisen und der jeweiligen Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer einschließlich der Verkaufsstellen, für welche die Erzeugnisse bestimmt waren;
- c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen und der jeweiligen Typenbezeichnungen, sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger;
- d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet;
- im Falle von Werbung im Internet der Internetadresse, der Zugriffszahlen/Klickraten und der Dauer der jeweiligen Werbekampagne/Schaltungszeiträume;
- e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Kosten und des erzielten Gewinns;
- wobei
- es der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer nicht-gewerblichen Abnehmer und ihrer Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage darüber Auskunft zu erteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder ein bestimmter Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
- die Beklagte hinsichtlich der Angaben zu I. 1. a) und I. 1. b) sowie l. 2. a) und l. 2. b) Belege (Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine, gegebenenfalls in Kopie) vorzulegen hat, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen.
- II. Die Beklagte wird verurteilt, die unter I. 1. bezeichneten, zwischen dem 1. Juli 2007 und dem 24. Dezember 2017 in Verkehr gebrachten Erzeugnisse gegenüber den gewerblichen Abnehmern unter Hinweis auf den gerichtlich („Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 20.12.2018, Az. 4b O 71/17″) festgestellten, patentverletzenden Zustand der Sache und mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen und die erfolgreich zurückgerufenen Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen.
- III. Es wird festgestellt, dass die Beklagte dazu verpflichtet ist, der Klägerin sämtlichen Schaden zu ersetzen, der
- 1. der „B“, Ltd. (vormals: „G“ Co., Ltd.) durch die zu I. bezeichneten, in der Zeit vom 1. Juli 2007 bis zum 31. Dezember 2011 begangenen Handlungen und
- 2. der Klägerin durch die zu I. bezeichneten, seit dem 1. Januar 2012 bis zum 24. Dezember 2017 begangenen Handlungen
- entstanden ist.
- Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt:
- Patentanspruch 7 sei so zu verstehen, dass das erfindungsgemäße Zirkonium-Cer-Verbundoxid mit den Merkmalen des Patentanspruchs 1 des Klagepatents zur Herstellung der Cokatalysatoren verwendet wurde. Nicht erforderlich sei hingegen, dass der Cokatalysator nach seiner Herstellung die in Patentanspruch 1 genannten Eigenschaften bewahre. Der Cokatalysator sei von dem Pulver eines Zirconium-Cer-Verbundoxids zu unterscheiden. Das Klagepatent gehe davon aus, dass das Verbundoxid mittels eines Kalzinierungsschrittes behandelt werde, bevor es in Pulverform Bestandteil des Cokatalysators werde.
- Vor diesem Hintergrund machten die angegriffenen Ausführungsformen (unstreitig) von der technischen Lehre des Patentanspruchs 1 unmittelbar wortsinngemäß Gebrauch. Daneben stelle der Vertrieb der angegriffenen Ausführungsformen durch die Beklagte in der Bundesrepublik Deutschland auch eine mittelbare Verletzung von Patentanspruch 7 des Klagepatents dar. Insbesondere seien die angegriffenen Ausführungsformen auch für die Benutzung der durch diesen Patentanspruch unter Schutz gestellten technischen Lehre geeignet und bezögen sich auf ein wesentliches Element der Erfindung. Denn die angegriffenen Ausführungsformen verwirklichten Patentanspruch 1 unmittelbar, der den Kern von Patentanspruch 7 darstelle.
- Auch der „doppelte Inlandsbezug“ sei zu bejahen. Die angegriffene Ausführungsform I sei jedenfalls vor 2014 nach Deutschland an die „F“ GmbH geliefert worden. In Bezug auf angegriffene Ausführungsform II lasse sich eine Lieferung an die in Deutschland ansässige „H“ AG und Co. KG feststellen. Beide Unternehmen verwendeten die angegriffenen Ausführungsformen als Cokatalysator für die Produktion von Katalysatoren in Deutschland.
- Des Weiteren seien die angegriffenen Ausführungsformen auch dazu bestimmt, für die Benutzung der Erfindung verwendet zu werden, wobei die Verwendungsbestimmung nach den Umständen offensichtlich sei. Die Beklagte entwickle die Mischoxidprodukte in Zusammenarbeit mit ihren Kunden. So zeigten die Analysezertifikate („I“), dass die angegriffenen Ausführungsformen nach Kundenspezifikationen hergestellt worden seien. Außerdem würden die Produkte als „supported catalysts“ angeboten. Jedenfalls die Website des Unternehmens „H“ zeige zudem, dass das Unternehmen Katalysatoren in Deutschland (und für den entsprechenden Markt) herstelle. Die Beklagte liefere die angegriffenen Ausführungsformen demnach an Unternehmen, die Katalysatoren herstellten, ohne dass ersichtlich wäre, welcher Verwendung die angegriffenen Ausführungsformen sonst zugeführt werden sollten.
- Davon ausgehend stünden der Klägerin die zuletzt noch geltend gemachten Ansprüche auf Auskunftserteilung und Rechnungslegung, Rückruf und Schadenersatz zu. Insbesondere seien die Ansprüche im Zusammenhang mit Benutzungshandlungen vor dem 1. Januar 2014 nicht verjährt. Die Klägerin habe erst 2016 (angegriffene Ausführungsform I) bzw. 2018 (angegriffene Ausführungsform II) von den streitgegenständlichen Produkten Kenntnis erlangt. Anhaltspunkte für eine grobe Fahrlässigkeit der Klägerin seien weder ersichtlich noch vorgetragen.
- Für eine Aussetzung bestehe kein Anlass. Weder unter dem Gesichtspunkt der fehlenden Neuheit noch im Hinblick auf das Fehlen der erfinderischen Tätigkeit sei eine Vernichtung des Klagepatents wahrscheinlich. Gleiches gelte hinsichtlich der durch die Beklagte daneben angesprochenen Frage der mangelnden Offenbarung.
- Gegen dieses, ihren Prozessbevollmächtigten am 20. Dezember 2018 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit anwaltlichem Schriftsatz vom 21. Januar 2019 Berufung eingelegt, mit der sie ihr vor dem Landgericht erfolglos gebliebenes Begehren auf Klageabweisung und hilfsweise Aussetzung weiterverfolgt.
- Sie wiederholt und ergänzt ihr erstinstanzliches Vorbringen und macht insbesondere geltend:
- Das Klagepatent verstehe das Verbundoxid als Cokatalysator. Jedenfalls aber werde erfindungsgemäß vorausgesetzt, dass das Verbundoxid in einem Cokatalysator die patentgemäßen Eigenschaften aufweise, insbesondere, dass dort die spezifische Oberfläche aufrechterhalten bleibe.
- Vor diesem Hintergrund fehle es am Vorliegen der Voraussetzungen einer mittelbaren Patentverletzung. Auch wenn sich das Verbundoxid nicht mit einem Cokatalysator gleichsetzen ließe, habe die Klägerin mitnichten aufgezeigt, dass das Verbundoxid im Cokatalysator die patentgemäßen Eigenschaften aufweise. Die Beklagte habe keinerlei Informationen über die Eigenschaften der von ihren Abnehmern vertriebenen Cokatalysatoren. Sie bestreite daher insofern mit Nichtwissen, dass die angegriffenen Ausführungsformen (Verbundoxide) im Cokatalysator die erforderlichen Eigenschaften aufweisen. Insoweit habe die Klägerin nicht substantiiert, dass das Verbundoxid auch im Cokatalysator die patentgemäßen Eigenschaften aufweise. Sie verlasse sich lediglich auf die vermeintliche Verwirklichung des Merkmals nach der Herstellung des Verbundoxids, was jedoch nach dem Verständnis des Klagepatents nicht ausreiche. Darüber hinaus fehle es auch an den subjektiven Voraussetzungen einer mittelbaren Patentverletzung.
- Schließlich sei der Rechtsstreit jedenfalls bis zu einer Entscheidung über die Rechtsbeständigkeit des Klagepatents auszusetzen. Die Klägerin habe bereits über diverse andere Verfahren die Auskunfts- und Rechnungslegungsinformationen erhalten. Hinzu komme, dass der Unterlassungsanspruch wegen Zeitablaufs ohnehin gegenstandslos sei. In diesem Fall sei für die Aussetzungsfrage in zweiter Instanz von einem großzügigeren Aussetzungsmaßstab auszugehen.
- Die Beklagte beantragt,
- das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 20. Dezember 2018, Az.: 4b O 71/17, aufzuheben und die Klage abzuweisen;
- hilfsweise:
den Rechtsstreit bis zum rechtskräftigen Abschluss der Nichtigkeitsklage betreffend das Klagepatent vor dem Bundesgerichtshof (Az.: 3 Ni 1/18) auszusetzen. - Die Klägerin beantragt,
- die Berufung zurückzuweisen mit der Maßgabe, dass es im Tenor unter Ziff. I.1. und I.2. jeweils
- 1. statt „das Verbundoxid eine spezifische Oberfläche von nicht weniger als 50 m2/g besitzt“ nunmehr heißt „das Verbundoxid eine spezifische Oberfläche von 50 m2/g bis 120 m2/g besitzt“
- und
- 2. statt „das Verbundoxid in der Lage ist, selbst nach dem Erhitzen bei 1.100°C über 6h eine spezifische Oberfläche von nicht weniger als 20 m2/g aufrechtzuerhalten“ nunmehr heißt „das Verbundoxid in der Lage ist, selbst nach dem Erhitzen bei 1.100°C über 6h eine spezifische Oberfläche von 20 m2/g bis 30 m2/g aufrechtzuerhalten“.
- heißt;
hilfsweise:
die Berufung zurückzuweisen. - Sie verteidigt das angefochtene Urteil und tritt den Ausführungen der Beklagten unter Wiederholung und Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vorbringens entgegen.
- Für die durch Patentanspruch 7 unter Schutz gestellte technische Lehre sei entscheidend, dass das erfindungsgemäße Zirconium-Cer-Verbundoxid mit den Merkmalen des Patentanspruchs 1 zur Herstellung des Cokatalysators verwendet werde. Nicht erforderlich sei demgegenüber, dass der fertige Cokatalysator diese Merkmale aufweise bzw. nach Herstellung die Eigenschaften nach Patentanspruch 1 bewahre. Das Klagepatent setzte das Pulver eines erfindungsgemäßen Verbundoxids auch nicht mit einem Cokatalysator gleich.
- Zutreffend habe das Landgericht die objektiven Voraussetzungen der mittelbaren Patentverletzung bejaht. Insbesondere ergebe sich der doppelte Inlandsbezug vorliegend bereits daraus, dass die Beklagte die angegriffenen Ausführungsformen unbestritten an Abnehmer in Deutschland liefere, die diese für die Produktion von Katalysatoren in Deutschland verwenden, die sie ihrerseits an die deutsche Automobilindustrie liefern.
- Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze der Parteien und der von ihnen vorgelegten Anlagen sowie auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
- II.
Die Berufung der Beklagten ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das Landgericht in dem Angebot und dem Vertrieb der angegriffenen Ausführungsformen in der Bundesrepublik Deutschland eine unmittelbare sowie eine mittelbare wortsinngemäße Benutzung des Klagepatents gesehen und die Beklagte wegen unmittelbarer sowie mittelbarer Patentverletzung zur Auskunftserteilung und Rechnungslegung, zum Rückruf sowie zum Schadenersatz verurteilt. Der Klägerin stehen entsprechende Ansprüche aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. §§ 139 Abs. 2, 140a Abs. 3 S. 1, 140b Abs. 1 und 3 PatG i.V.m. §§ 242, 259 BGB zu. Das Vorbringen der Beklagten im Berufungsverfahren bietet für eine abweichende Beurteilung keinen Anlass. Soweit sich die Klägerin schriftsätzlich zusätzlich auf Auslandslieferungen bezogen hat, hat sie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat klargestellt, dass sie hierzu keine Entscheidung des Senats erwartet. Diese sind daher kein Gegenstand der Entscheidung und fallen dementsprechend insbesondere auch nicht unter den Tenor. - 1.
Das Klagepatent betrifft ein Zirconium-Cer-Verbundoxid, welches eine ausgezeichnete Hitzefestigkeit besitzt und unter anderem für Katalysatoren sowie insbesondere als Cokatalysator zur Reinigung des Abgases von Fahrzeugen geeignet ist. Daneben stellt das Klagepatent ein Verfahren zur Herstellung eines derartigen Verbundoxids sowie einen Cokatalysator unter Schutz (Abs. [0001], wobei sich die folgenden Zitate jeweils auf die T2-Schrift beziehen, soweit nichts anderes angegeben ist). - Katalysatoren zum Reinigen des Abgases von Fahrzeugen bestehen aus einem katalytischen Metall (etwa Platin, Palladium oder Rhodium) und einem Cokatalysator zum Verbessern der katalytischen Wirkung des Metalls, wobei beide auf einer Katalysatormatrix gelagert sind. Als derartiger Cokatalysator finden Ceroxid-enthaltende Materialien Verwendung, die eine, vom Ceroxid stammende Sauerstoffabsorptions- und
-desorptionsfähigkeit besitzen. Dadurch reinigen die Ceroxid-enthaltenden Materialien Abgase von Schadstoffen, wie Kohlenwasserstoffe, Kohlenmonoxid und Kohlendioxid, mit einem ausgezeichneten Wirkungsgrad. Die Ceroxid-enthaltenden Materialien finden daher in großem Umfang als Cokatalysator Verwendung. Die Eigenschaften von Ceroxid werden durch Zirkoniumoxid weiter verbessert. Daher stellt Zirconium-Cer-Verbundoxid heutzutage einen weitverbreiteten Cokatalysator dar, dessen Verbrauch zugenommen hat (Abs. [0002]). - Zur Aktivierung der Funktion eines aus dem Verbundoxid bestehenden Cokatalysators ist es kritisch, den Cokatalysator auf einer hohen Temperatur zu halten. Eine niedrige Temperatur des Abgases, beispielsweise beim Start eines Motors, führt jedoch zu einem geringeren Reinigungsgrad. Wird das Katalysatorsystem zur Lösung dieser Problematik – wie im Stand der Technik – nah am Motor angeordnet, um das heiße Abgas unmittelbar nach seiner Abgabe vom Motor in das Katalysatorsystem einzuführen, stellt sich jedoch das Problem der Hitzefestigkeit des Katalysators. Generell ist die Wirksamkeit der Abgasbehandlung proportional zum Kontaktbereich zwischen der aktiven Phase des Katalysators und dem Abgas, sodass der Cokatalysator eine ausreichend große spezifische Oberfläche besitzen muss. Partikel aus herkömmlichem Zirconium-Cer-Verbundoxid wachsen jedoch, wenn sie über einen langen Zeitraum der Hochtemperatur-Betriebsumgebung ausgesetzt sind, was zu einer reduzierten spezifischen Oberfläche führt. Das herkömmliche Verbundoxid ist somit in Bezug auf die Hitzefestigkeit nicht zufriedenstellend. Es werden Cokatalysatoren benötigt, die in der Lage sind, eine große spezifische Oberfläche auf stabile Weise aufrechterhalten (Abs. [0003] f.).
- Im Stand der Technik sind aus mehreren, in der Klagepatentschrift im Einzelnen genannten japanischen Schriften verschiedene Verfahren zur Herstellung von Mischoxiden bekannt (Abs. [0006] – [0009]). Bei all diesen Verfahren benötigt die Herstellung des gewünschten Oxides jedoch einen erheblichen Zeitaufwand (Abs. [0010]). Zudem wird die spezifische Oberfläche des durch diese herkömmlichen Verfahren hergestellten Oxides beträchtlich reduziert, wenn eine Kalzinierung bei einer hohen Temperatur in einem Bereich von 900 °C oder mehr stattfindet, sodass sich eine schlechte Hitzefestigkeit ergibt. Daher ist ein derartiges Oxid nicht zum Einsatz als Cokatalysator geeignet, der einer hohen Betriebstemperatur ausgesetzt sein muss (Abs. [0011]).
Vor dem geschilderten Hintergrund liegt dem Klagepatent die Aufgabe zugrunde, ein Zirconium-Cer-Verbundoxid zu schaffen, das eine ausgezeichnete Hitzefestigkeit besitzt, eine Eignung als Cokatalysator für die Abgasreinigung ermöglicht und in der Lage ist, selbst bei einem Einsatz in einer Umgebung mit hoher Temperatur eine große spezifische Oberfläche aufrechtzuerhalten. Ferner sollen ein Verfahren zur Herstellung eines derartigen Verbundoxids und ein Cokatalysator zum Reinigen von Abgas geschaffen werden (Abs. [0012]).
- Zur Lösung dieser Problemstellung sieht Patentanspruch 1 in der durch die Klägerin nunmehr zum Gegenstand ihres Hauptantrages gemachten Fassung eine Kombination der folgenden Merkmale vor:
- 1. Zirconium-Cer-Verbundoxid
- 1.1. enthaltend Zirconium und Cer in einem Gewichtsverhältnis in einem Bereich von 51 bis 95 : 49 bis 5 als Zirconiumoxid und Ceroxid.
- 2. Das Verbundoxid besitzt eine spezifische Oberfläche von 50 m2/g bis 120 m2/g.
- 3. Das Verbundoxid ist in der Lage, selbst nach dem Erhitzen bei 1.100°C über 6 h eine spezifische Oberfläche von 20 m2/g bis 30 m2/g aufrechtzuerhalten.
- Die Merkmale des durch die Klägerin im Hauptantrag daneben geltend gemachten Patentanspruchs 7 lassen sich wie folgt gliedern:
- 1. Cokatalysator zum Reinigen von Abgas.
- 2. Der Cokatalysator enthält Pulver eines Zirconium-Cer-Verbundoxides,
- 2.1. das Zirconium und Cer in einem Gewichtsverhältnis von 51 bis 95 : 49 bis 5 als Zirconiumoxid und Ceroxid umfasst.
- 2.2. Das Verbundoxid besitzt eine spezifische Oberfläche von 50 m2/g bis 120 m2/g.
- 2.3. Das Verbundoxid ist in der Lage, selbst nach dem Erhitzen bei 1.100°C über 6 h eine spezifische Oberfläche von 20 m2/g bis 30 m2/g aufrechtzuerhalten.
- Die Abweichungen zur eingetragenen Fassung der Patentansprüche sind vorstehend durch Unterstreichungen gekennzeichnet.
- 2.
Vor dem Hintergrund der Auseinandersetzung sieht sich der Senat zu folgenden Ausführungen zum Schutzbereich des Klagepatents veranlasst: - Patentanspruch 7 stellt einen Cokatalysator zum Reinigen von Abgas unter Schutz, der Pulver eines sodann näher beschriebenen Zirconium-Cer-Verbundoxids enthält. Bereits aus der Formulierung des nach Art. 69 Abs. 1 S. 1 EPÜ für die Ermittlung der Reichweite des Schutzbereichs stets maßgeblichen Patentanspruchs (vgl. hierzu: BGH, GRUR 2004, 1023, 1024 – Bodenseitige Vereinzelungsvorrichtung; GRUR 2007, 309, 311 – Schussfädentransport; GRUR 2007, 778, 780 – Ziehmaschinenzugeinheit; GRUR 2011, 701, 703 – Okklusionsvorrichtung; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 12. Aufl., Abschn. A, Rz. 8) geht somit klar hervor, dass das Zirconium-Cer-Verbundoxid in diesem Zusammenhang nicht mit dem Cokatalysator gleichzusetzen ist. Das Zirconium-Cer-Verbundoxid ist vielmehr im Cokatalysator enthalten, muss jedoch nicht dessen alleiniger Bestandteil sein. Für die durch die Beklagte angesprochene Gleichsetzung des Cokatalysators mit dem Zirconium-Cer-Verbundoxid fehlt es dementsprechend bereits nach dem Wortlaut des Patentanspruchs an Raum.
- Aus der Klagepatentbeschreibung ergibt sich nichts anderes. Im Gegenteil differenziert auch Abs. [0015] ausdrücklich zwischen dem Zirconium-Cer-Verbundoxid und dem, Pulver desselben enthaltenden Cokatalysator, indem es dort heißt:
- „According to the present invention, there is provided a zirconium-cerium composite oxide and a co-catalyst for purifying exhaust gas comprising powders of the composite oxide.“
- [Hervorhebung hinzugefügt]
- Und in deutscher Übersetzung (= Abs. [0016] der T2-Schrift):
- „Erfindungsgemäß werden ein Zirconium-Cer-Verbundoxid und ein Cokatalysator zum Reinigen von Abgas, der Pulver des Verbundoxids enthält, zur Verfügung gestellt.“
- [Hervorhebung hinzugefügt]
- Vergleichbares entnimmt der Fachmann den einleitenden Bemerkungen in Abs. [0001]. Zwar findet sich dort zunächst ein Hinweis auf die Eignung des Zirconium-Cer-Verbundoxids als Cokatalysator zur Reinigung des Abgases von Fahrzeugen. Die Erfindung betrifft jedoch ferner einen Cokatalysator zum Reinigen des Abgases von Fahrzeugen (engl.: „The present invention also relates to a process […] and a co-catalyst for purifying vehicle exhaust gas.“; Hervorhebung jeweils hinzugefügt). Damit korrespondierend benennt Abs. [0011] (= Abs. [0012] der T2-Schrift) zunächst als ein Ziel der Erfindung die Schaffung eines Zirconium-Cer-Verbundoxids, das unter anderem eine Eignung als Cokatalysator für die Abgasreinigung besitzt. Ferner soll auch ein Cokatalysator zum Reinigen von Abgas geschaffen werden (engl.: „It is therefore an object of the present invention to provide a zirkonium-cerium composite oxide […] and a co-catalyst for purifying exhaust gas“, Hervorhebung jeweils hinzugefügt). Auch insoweit differenziert das Klagepatent somit ausdrücklich zwischen dem Zirconium-Cer-Verbundoxid und dessen Eignung als Cokatalysator einerseits und dem Cokatalysator an sich, wie er in Patentanspruch 7 beschrieben ist. Mit anderen Worten handelt es sich bei dem im Cokatalysator gemäß Patentanspruch 7 zum Einsatz kommenden Zirconium-Cer-Verbundoxid um das Material, dem die cokatalytische Funktion zukommt. Nichtsdestotrotz kann der Cokatalysator im Sinne des Patentanspruchs 7 neben dem Zirconium-Cer-Verbundoxid weitere Stoffe beinhalten, denen möglicherweise auch eine andere Funktion zukommt.
- Eine Bestätigung dieser Auslegung findet der Fachmann in Abs. [0025]. Dort heißt es in deutscher Übersetzung unter anderem:
- „Bei der Anwendung dieses Verbundoxides [Anmerkung: und damit des Zirconium-Cer-Verbundoxids] für einen Cokatalysator ist es das Ceroxid, das die Sauerstoffabsorptions- und die Sauerstoffdesorptionsfähigkeit besitzt, während das Zirkoniumoxid die Hitzefestigkeit des Ceroxides erhöht, so dass dieses die Sauerstoffabsorptions- und die Sauerstoffdesorptionsfähigkeit über einen breiten Temperaturbereich aufrechterhalten kann.“
- (Hervorhebung hinzugefügt)
- Neben dem Anspruchswortlaut differenziert somit auch die Klagepatentbeschreibung an verschiedenen Stellen ausdrücklich zwischen dem Zirconium-Cer-Verbundoxid einerseits und dem Cokatalysator, in dem das Zirconium-Cer-Verbundoxid (aufgrund seiner Fähigkeit, als Cokatalysator zu wirken) zum Einsatz kommt. Letzteren stellt Patentanspruch 7 unter Schutz.
- Nichts anderes lässt sich den durch die Beklagte zur Begründung ihrer abweichenden Auffassung angesprochenen Abs. [0002] und [0040] f. entnehmen. Zwar handelt es sich nach Abs. [0002] heutzutage bei Zirconium-Cer-Verbundoxid um einen weitverbreiteten Cokatalysator. Allein dies lässt jedoch nicht den Schluss zu, das Klagepatent setze den Cocatalysator und das Zirconium-Cer-Verbundoxid stets gleich. Die durch die Beklagte zur Begründung ihrer abweichenden Auffassung ebenfalls in Bezug genommenen Abs. [0040] f. beschreiben demgegenüber lediglich die Pulverisierung des Verbundoxids nach der Kalzinierung und den Einsatz des pulverisierten Produktes als Cokatalysator. Nicht gesagt ist damit jedoch, dass ein derartiger Cokatalysator zwingend ausschließlich Zirconium-Cer-Verbundoxid enthält. Nur in einem solchen Fall wäre es jedoch gerechtfertigt, die Begriffe „Zirconium-Cer-Verbundoxid“ und „Cokatalysator“ stets gleichzusetzen.
- 3.
Dass die angegriffenen Ausführungsformen unmittelbar wortsinngemäß von der technischen Lehre des Klagepatentanspruchs 1 Gebrauch machen, steht zwischen den Parteien nicht in Streit. Nachdem die Parteien im Berufungsverfahren auch nicht auf die erstinstanzlich diskutierte Frage der Verwertbarkeit der „I“ zurückgekommen sind, kann insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen vollumfänglich auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts Bezug genommen werden. - 4.
Daneben hat die Beklagte den deutschen Teil des Klagepatents aber auch dadurch mittelbar verletzt, dass sie die angegriffenen Ausführungsformen in Deutschland Abnehmern angeboten und geliefert hat, die ihrerseits zur Anwendung des durch das Klagepatent geschützten Verfahrens nicht berechtigt gewesen sind (Art. 64 EPÜ i.V. mit §§ 10, 9 Nr. 2 PatG). Nach § 10 PatG ist es jedem Dritten verboten, ohne Zustimmung des Patentinhabers in der Bundesrepublik Deutschland anderen als zur Benutzung der patentierten Erfindung berechtigten Personen Mittel, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen, zur Benutzung der Erfindung im Geltungsbereich dieses Gesetzes anzubieten oder zu liefern, wenn der Dritte weiß oder wenn es aufgrund der Umstände offensichtlich ist, dass diese Mittel dazu geeignet und bestimmt sind, für die Benutzung der Erfindung verwendet zu werden. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. - a)
Die angegriffenen Ausführungsformen sind Mittel, die objektiv dazu geeignet sind, von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch zu machen. - aa)
Der in § 10 PatG normierte Gefährdungstatbestand der mittelbaren Patentverletzung bezweckt, die unberechtigte Benutzung der geschützten Erfindung bereits im Vorfeld zu verhindern (BGHZ 115, 204 = GRUR 1992, 40 – beheizbarer Atemluftschlauch; BGHZ 159, 76 = GRUR 2004, 758, 760 – Flügelradzähler; BGHZ 168, 124 = GRUR 2006, 839, 841 – Deckenheizung; BGH, GRUR 2007, 773, 775 – Rohrschweißverfahren). Er verbietet deshalb schon das Anbieten und das Liefern von Mitteln, die den Belieferten in den Stand versetzen, die geschützte Erfindung unberechtigt zu benutzen. Der Tatbestand der mittelbaren Patentverletzung setzt deshalb voraus, dass es sich bei dem Mittel um ein Solches handelt, das geeignet ist, zur Benutzung der Erfindung verwendet zu werden. Ob das Mittel die erforderliche Eignung besitzt, beurteilt sich nach der objektiven Beschaffenheit des Gegenstandes, der angeboten oder geliefert wird (BGH, GRUR 2005, 848, 850 – Antriebsscheibenaufzug; GRUR 2007, 679, 683 – Haubenstretchautomat; GRUR 2007, 773, 775 – Rohrschweißverfahren). Das Mittel muss so ausgebildet sein, dass eine unmittelbare Benutzung der geschützten Lehre mit allen ihren Merkmalen durch die Abnehmer möglich ist (BGHZ 115, 205, 208 = GRUR 1992, 40 – beheizbarer Atemluftschlauch; BGH, a.a.O. – Rohrschweißverfahren). Das trifft jedenfalls auf Vorrichtungen zu, mit denen ein patentgeschütztes Verfahren praktiziert werden kann (BGH, a.a.O. – Rohrschweißverfahren). - bb)
Dies vorausgeschickt hat das Landgericht die objektive Eignung der angegriffenen Ausführungsformen zum Einsatz in einem durch Patentanspruch 7 geschützten Cokatalysator zutreffend bejaht. - Dass es sich bei den angegriffenen Ausführungsformen um Pulver eines Zirkonium-Cer-Verbundoxids mit den in Patentanspruch 7 im Einzelnen aufgezählten Eigenschaften handelt, hat die Beklagte nicht in Abrede gestellt, sondern den Standpunkt vertreten, das Verbundoxid müsse (auch) im Cokatalysator die patentgemäßen Eigenschaften aufweisen. Dem vermag der Senat nicht zu folgen.
- Patentanspruch 7 verlangt, dass der Cokatalysator Pulver eines Zirkonium-Cer-Verbundoxides umfasst. Dieses Zirkonium-Cer-Verbundoxid wird sodann dahingehend näher charakterisiert, dass es Zirkonium und Cer in einem Gewichtsverhältnis von 51 bis 95 : 49 bis 5 als Zirkoniumoxid umfasst. Zudem soll das Verbundoxid nach der im Hauptantrag streitgegenständlichen Anspruchsfassung eine spezifische Oberfläche von 50 m2/g bis 120 m2/g besitzen und in der Lage sein, selbst nach dem Erhitzten bei 1.100 °C über 6 h eine spezifische Oberfläche von 20 m2/g bis 30 m2/g aufrechtzuerhalten. Die in Patentanspruch 7 genannten Eigenschaften charakterisieren somit das im Katalysator enthaltene Pulver näher, welches bei der Herstellung des Cokatalysators Verwendung findet. Weder ist erforderlich, dass der fertige Cokatalysator diese Merkmale aufweisen muss noch, dass er diese Eigenschaften nach seiner Herstellung bewahrt.
- Dass dem so sein muss, erschließt sich dem Fachmann bereits mit Blick auf die Systematik der Patentansprüche und wird durch die Patentbeschreibung bestätigt. Denn die in Patentanspruch 7 genannten Eigenschaften sind identisch zu denjenigen des in Patentanspruch 1 beanspruchten Zirkonium-Cer-Verbundoxids. Wie der Fachmann Abs. [0016] entnimmt, enthält der Cokatalysator Pulver des Verbundoxides, welches die in den Patentansprüchen 1 genannten Eigenschaften aufweist. Genau dieses Verbundoxid weist die klagepatentgemäß angestrebte Reinigungswirkung bei gleichzeitiger Hitzebeständigkeit auf (vgl. [0012] und [0041]). Erfindungsgemäß kommt es darauf an, eine große spezifische Oberfläche auf stabile Weise aufrechtzuerhalten (Abs. [0005] a.E.). Diesem Erfordernis ist dann Rechnung getragen, wenn das Verbundoxid in der Lage ist, selbst nach dem Erhitzten bei 1.100 °C über 6 Stunden eine spezifische Oberfläche von nicht weniger als 20 m2/g (bzw. nunmehr: von 20 m2/g bis 30 m2/g) aufrechtzuerhalten (vgl. Abs. [0041]). Es ist somit das Verbundoxid, das bestimmte Eigenschaften, namentlich eine bestimmte Hitzebeständigkeit, bezogen auf seine Oberfläche, aufweisen muss. Der Fachmann hat somit keinen Grund zu der Annahme, die in Patentanspruch 7 genannten Eigenschaften bezögen sich nicht auf den Zeitpunkt der Herstellung der angegriffenen Ausführungsformen, sondern auf den „fertigen“ Cokatalysator.
- b)
Nachdem das eingesetzte Verbundoxid, wie bereits das Landgericht zutreffend festgestellt hat, den Kern der durch Patentanspruch 7 unter Schutz gestellten technischen Lehre bildet, sind die angegriffenen Ausführungsformen naturgemäß auch Mittel im Sinne des § 10 Abs. 1 PatG, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen. - c)
Die Abnehmer der Beklagten sind zur Anwendung des durch das Klagepatent geschützten Verfahrens nicht berechtigt. - Untersagt wird im Rahmen der mittelbaren Patentverletzung nur das Anbieten oder Liefern an Personen, die zur Benutzung der patentierten Erfindung im Sinne von
§ 9 S. 2 Nr. 1 bis 3 PatG nicht berechtigt sind. Zur Benutzung der patentierten Erfindung nicht berechtigt sind Personen, denen der Patentinhaber die Benutzung der Erfindung nicht erlaubt hat und denen auch sonst kein Recht zur Benutzung der Erfindung zusteht (BGH, GRUR 2007, 773, 776 f. – Rohrschweißverfahren; OLG Düsseldorf, Urt. v. 11.07.2018, Az.: I-2 U 46/15, BeckRS 2018, 23979, Rz. 66; Benkard/Scharen, PatG/GebrMG, 11. Aufl., § 10 PatG Rz. 17), wobei Benutzung der Erfindung die Vornahme der in § 9 Satz 2 Nr. 1 bis 3 PatG genannten Handlungen meint. Die „Berechtigung“ kann sich z. B. aus einer Lizenz ergeben. Dafür, dass ihre Abnehmer – abgesehen von den im Zeitraum 1. Januar 2014 bis 24. Dezember 2017 an Unternehmen der „F“-Gruppe gelieferten Zirkonium-Cer-Verbundoxide – über eine derartige Berechtigung verfügen, hat die Beklagte nichts dargetan und hierfür ist auch nichts ersichtlich. - d)
Nach den unangegriffen gebliebenen Feststellungen des Landgerichts (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) wurde die angegriffene Ausführungsform I jedenfalls vor 2014 an die „F“ GmbH und damit nach Deutschland geliefert. In Bezug auf die angegriffene Ausführungsform II hat die Kammer eine Lieferung an die „H“ AG und Co. KG festgestellt. Beide Unternehmen verwenden die angegriffenen Ausführungsformen als Cokatalysator für die Produktion von Katalysatoren in Deutschland und liefern die hergestellten Katalysatoren sodann an die deutsche Automobilindustrie. Davon ausgehend hat das Landgericht den für eine mittelbare Patentverletzung erforderlichen „doppelten Inlandsbezug“ zutreffend bejaht. - e)
Des Weiteren sind auch die subjektiven Voraussetzungen für eine mittelbare Patentverletzung im Sinne des § 10 Abs. 1 PatG ebenfalls gegeben. - Der Tatbestand des § 10 Abs. 1 PatG setzt in subjektiver Hinsicht voraus, dass der Dritte weiß oder dass es auf Grund der Umstände offensichtlich ist, dass die angebotenen oder gelieferten Mittel dazu geeignet und bestimmt sind, für die Benutzung der geschützten Erfindung verwendet zu werden. Damit sind zwei Alternativen eröffnet, um das nach dem gesetzlichen Tatbestand erforderliche subjektive Moment festzustellen. Entweder ist dem Dritten bekannt, dass der Abnehmer die Mittel zur patentgemäßen Benutzung bestimmt hat, oder aus der Sicht des Dritten ist bei objektiver Betrachtung nach den Umständen mit hinreichender Sicherheit zu erwarten (ist „offensichtlich“), dass der Abnehmer die angebotenen oder gelieferten Mittel zur patentverletzenden Verwendung bestimmen wird (BGHZ 168, 124 = GRUR 2006, 839, 841 – Deckenheizung; BGH, GRUR 2007, 679, 683 – Haubenstretchautomat; OLG Düsseldorf, Urt. v. 10.03.2015, Az.: I-2 U 41/15).
- Zumindest an Letzterem kann vorliegend kein Zweifel bestehen. Die Beklagte räumt selbst eine enge Zusammenarbeit mit ihren Kunden bei der Entwicklung von Produkten ein. Damit korrespondierend zeigen auch die „I“, dass die angegriffenen Ausführungsformen nach Kundenspezifikationen hergestellt wurden („Customer’s Spec“, Anlagen HL (D) 10 und HL (D) 12, jeweils zweite Spalte von links). Außerdem werden die Produkte als „supportet catalysts“ angeboten (vgl. Anlage HL (D) 12). Selbst wenn die Zusammenarbeit, wie von der Beklagten behauptet, allein auf der Ebene der Entwicklung der Produkte stattfindet und die Frage nach dem Ort und dem Gegenstand des Einsatzes dieser Produkte kein Gegenstand der Zusammenarbeit sein sollte, kann der Beklagten unter Berücksichtigung der Produktionsabläufe in der Automobilindustrie nicht entgangen sein, dass die durch sie unstreitig an „F“ und „H“ gelieferten Verbundoxide bei der Herstellung von Katalysatoren Verwendung finden, die dann ihrerseits an die (unter anderem auch zahlreich mit Produktionsstätten in Deutschland vertretene) Automobilindustrie geliefert werden. „F“ hat Produktions-, Entwicklungs- und Vertriebsstandorte in „J“ und in „K“. „H“ produziert Katalysatoren in Bad Säckingen und Rheinfelden und hat einen ihrer Hauptstandorte für die Forschung an Abgaskatalysatoren in Hanau. Da die Beklagte die gemeinsam mit ihren Abnehmern entwickelten Produkte teilweise auch selbst direkt an diese Produktions- und Entwicklungsstandorte liefert, lässt sich daraus für die Beklagte kein anderer Schluss ziehen, als dass die durch sie gelieferten Verbundoxide sodann auch in der Katalysatorproduktion Verwendung finden. Dies gilt umso mehr, da es sich bei den angegriffenen Ausführungsformen um Zirkonium-Cer-Verbundoxide handelt, die unstreitig heutzutage weit verbreitete Cokatalysatoren zum Reinigen von Abgasen in Fahrzeugen darstellen.
- 5.
Dass die Beklagte im Hinblick auf die vorstehend dargelegte Schutzrechtsverletzung zur Auskunftserteilung sowie zum Rückruf und, weil sie das Klagepatent schuldhaft verletzt hat, zum Schadenersatz verpflichtet ist und der Klägerin, um ihr eine Berechnung ihrer Schadensersatzansprüche zu ermöglichen, über den Umfang ihrer Benutzungs- und Verletzungshandlungen Rechnung zu legen hat, hat das Landgericht im angefochtenen Urteil zutreffend dargelegt. - Der durch die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat in Bezug auf den Rückrufanspruch erstmals unter Verweis auf den Ablauf des Klagepatents 2017 erhobene Unverhältnismäßigkeitseinwand (§ 140a Abs. 4 S. 1 PatG) kann keinen Erfolg haben. Weshalb ein Rückruf patentverletzender Gegenstände allein aufgrund der seit Patentablauf verstrichenen Zeit unverhältnismäßig sein soll, ist nicht ersichtlich und wurde durch die Beklagte auch nicht hinreichend erläutert. Insbesondere ist mit dem Rückruf kein bestimmter Erfolg, sondern lediglich eine Handlung in Gestalt einer ernsthaften Aufforderung an den jeweiligen gewerblichen Besitzer des patentverletzenden Erzeugnisses, entweder dieses zur Verfügung zu halten und nicht weiter zu vertreiben oder, sofern der Störungszustand dadurch nicht hinreichend beseitigt würde, das Erzeugnis freiwillig zurückzugeben (BGH, GRUR 2017, 785 – Abdichtsystem; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 25.11.2019, Az.: I-2 W 15/19, Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 12. Aufl., Abschn. D, Rz. 691 – 693), geschuldet. Eine diesen Anforderungen entsprechende Aufforderung ist der Beklagten trotz des zeitablaufbedingten Erlöschens des Klagepatents möglich und zumutbar. Ihr fehlt insbesondere auch nicht von vornherein die Erfolgsaussicht, weil es sich etwa um einen verderblichen Gegenstand handelt, von dem aufgrund gesetzlicher Bestimmungen sicher davon auszugehen ist, dass keine entsprechenden Gegenstände mehr bei den gewerblichen Abnehmern der Beklagten vorhanden sind (vgl. hierzu: OLG Düsseldorf, Urt. v. 17.10.2019, Az.: I-2 U 11/18, BeckRS 2019, 31342).
- 6.
Ohne Erfolg hat die Beklagte in Bezug auf Verletzungshandlungen aus der Zeit vor dem 1. Januar 2014 die Einrede der Verjährung erhoben. - Nach Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 141 S. 1 PatG i.V. m. § 195 BGB verjähren Ansprüche wegen Patentverletzung in drei Jahren; die Verjährung beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Verletzte die anspruchsbegründenden Umstände und die Verantwortlichkeit der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin kannte oder ohne grobe Fahrlässigkeit kennen musste, § 141 S. 1 PatG
i.V. m. § 199 Abs. 1 BGB. Das setzt voraus, dass dem Verletzten die relevanten Tatsachen so vollständig und sicher bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt sind, dass sie einen zwar nicht risikolosen, aber doch einigermaßen aussichtsreichen Erfolg einer Klage versprechen und dem Verletzten daher bei verständiger Würdigung der Sachlage eine Klage zuzumuten ist (vgl. BGH, GRUR 2012, 1279 Rz. 53 – DAS GROSSE RÄTSELHEFT; OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.04.2019, Az.: I-2 U 50/17, BeckRS 2019, 25285; OLG Karlsruhe, Urt. v. 09.11.2016, Az.: 6 U 37/15, GRUR-RS 2016, 21121; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 12. Aufl., Abschn. E, Rz. 724). - Nachdem die Klägerin unstreitig erst Mitte 2016 (angegriffene Ausführungsform I) bzw. im Januar 2018 (angegriffene Ausführungsform II) Kenntnis der streitgegenständlichen Produkte erlangte, die insbesondere auch nicht Gegenstand der Beschlagnahme 2011 waren, kann die durch die Beklagte erhobene Verjährungseinrede von vornherein keinen Erfolg haben. Zu Recht ist die Beklagte daher darauf in zweiter Instanz nicht mehr zurückgekommen.
- 7.
Auch wenn sich der Unterlassungsanspruch zwischenzeitlich durch Ablauf der Schutzdauer des Klagepatents erledigt und die Klägerin möglicherweise über verschiedene andere Verfahren Auskunfts- und Rechnungslegungsinformationen erhalten hat, besteht kein hinreichender Anlass, den entscheidungsreifen Verletzungsprozess zumindest bis Erledigung des Nichtigkeitsverfahrens auszusetzen, § 148 ZPO. - a)
Wenn das Klagepatent – wie hier – mit einer Patentnichtigkeitsklage angegriffen ist, verurteilt das Verletzungsgericht, wenn es eine Verletzung des in Kraft stehenden Patents bejaht, grundsätzlich nur dann wegen Patentverletzung, wenn es eine Nichtigerklärung nicht für (überwiegend) wahrscheinlich hält; andernfalls hat es die Verhandlung des Rechtsstreits nach § 148 ZPO auszusetzen, bis jedenfalls erstinstanzlich über die Nichtigkeitsklage entschieden ist (BGH, GRUR 2014, 1237 Rz. 4 – Kurznachrichten). Denn eine – vorläufig vollstreckbare – Verpflichtung des Beklagten zu Unterlassung, Auskunft, Rechnungslegung sowie Vernichtung patentgemäßer Erzeugnisse ist regelmäßig nicht zu rechtfertigen, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten steht, dass dieser Verurteilung durch die Nichtigerklärung des Klagepatents die Grundlage entzogen werden wird. Der aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) in Verbindung mit den Grundrechten folgende und damit verfassungsrechtlich verbürgte Justizgewährungsanspruch gebietet, dem Verletzungsbeklagten wirkungsvollen Rechtsschutz zur Verfügung zu stellen, wenn er sich gegen den Angriff aus dem Klagepatent mit einem Gegenangriff gegen den Rechtsbestand dieses Patents zur Wehr setzen will. Dies erfordert nicht nur eine effektive Möglichkeit, diesen Angriff selbst durch eine Klage auf Nichtigerklärung bzw. durch Erhebung eines Einspruchs führen zu können, sondern auch eine angemessene Berücksichtigung des Umstands, dass in diesem Angriff auch ein – und gegebenenfalls das einzige – Verteidigungsmittel gegen die Inanspruchnahme aus dem Patent liegen kann. Wegen der gesetzlichen Regelung, die für die Ansprüche nach §§ 139 ff. PatG lediglich ein in Kraft stehendes Patent verlangt und für die Beseitigung dieser Rechtsposition nur die in die ausschließliche Zuständigkeit des Patentgerichts fallende Nichtigkeitsklage zur Verfügung stellt, kann der Angriff gegen das Klagepatent anders als in anderen Rechtsordnungen nicht als Einwand im Verletzungsverfahren oder durch Erhebung einer Widerklage auf Nichtigerklärung geführt werden. Dies darf indessen nicht dazu führen, dass diesem Angriff jede Auswirkung auf das Verletzungsverfahren versagt wird. Die Aussetzung des Verletzungsstreits ist vielmehr grundsätzlich, aber auch nur dann geboten, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass das Klagepatent dem erhobenen Einspruch bzw. der erhobenen Nichtigkeitsklage nicht standhalten wird (BGH, GRUR 2014, 1237 Rz. 4 – Kurznachrichten; st. Rspr. des Senats, vgl. Urt. v. 25.10.2018, Az.: I-2 U 30/16, Rz. 213). - b)
Davon kann vorliegend keine Rede sein. Die durch die Beklagte erhobenen Einwände gegen den Rechtsbestand des Klagepatents vermögen eine derartige hinreichende Erfolgswahrscheinlichkeit der Nichtigkeitsklage nicht zu begründen. - aa)
Dass der Aufsatz „Preparation, Sintering, Microstructure, and Thermal Stability of Y2O – and CeO2 – Tetragonal Zirconia Ceramics“ (Anlage B 1 /K 5) die technische Lehre nicht neuheitsschädlich vorwegnimmt, hat das Landgericht ebenso nachvollziehbar festgestellt wie die fehlende Wahrscheinlichkeit einer Vernichtung wegen Fehlens der erfinderischen Tätigkeit unter Zugrundelegung einer Kombination der US 5,626,826 (Anlage B 1 / K 6) mit der WO 97/02213 (Anlage B1 / K 7). Nachdem die Beklagte im Berufungsverfahren hiergegen auch nichts erinnert hat, verbleibt es bei den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts, die sich der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen zu eigen macht. Im Hinblick auf eine Kombination der B 1 / K 6 mit der B 1 / K 7 kommt hinzu, dass auch nicht ersichtlich ist, weshalb der Fachmann eine Veranlassung dazu haben soll, einen Verarbeitungsschritt (Erhitzen auf 1.100 °C über 6 h) gezielt einzeln aus der B 1 / K 7 zu extrahieren und auf das Produkt der B 1/K 7 zu übertragen. Der Fachmann konnte aufgrund der unterschiedlichen Ausgangsstoffe nicht wissen, ob das in der B 1 / K 6 offenbarte Verfahren überhaupt mit den Materialien der B 1 / K 7 funktioniert, wenn die Ausgangsmaterialien, wie in der B 1 / K 7 beschrieben, entsprechend erhitzt werden. Insofern fehlt es dem Fachmann, ohne eine stets unzulässige rückschauende Betrachtung zu verfallen, auch an einer Veranlassung, die Ausgangsmaterialien der B 1 / K 6 wie in der B 1 / K 7 beschrieben zu erhitzen. - Die erst mit Schriftsatz vom 15. Januar 2020 und damit nur eine Woche vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung zur Akte gereichten Anlagen B 12 / K 6a und B 12 / K 8 vermögen dem Aussetzungsbegehren der Beklagten schließlich schon deshalb nicht zum Erfolg zu verhelfen, weil sie lediglich in französischer Sprache und ohne hinreichende Erläuterung ihres Offenbarungsgehalts zur Akte gereicht wurden. Abgesehen davon räumt die Beklagte im Nichtigkeitsverfahren selbst ein, dass der Inhalt der nunmehr vorgelegten Anlage B 12 / K 6a im Wesentlichen mit demjenigen der Anlage B 12 / K 6a identisch ist, so dass die vorstehenden Ausführungen auch insoweit Geltung beanspruchen. Die Entgegenhaltung B 12 / K 8 offenbart schließlich nach den Ausführungen der Beklagten wie die B 1 / K 7 „das übliche Thermohydrolyse-Verfahren zur Herstellung von Zirkonium/Cer-Mischoxiden, bei dem die Ausgangsstoffe zunächst gemischt und einer thermischen Behandlung unterzogen werden, um anschließend durch Zugabe einer Base auf einen alkalischen pH-Wert gebracht zu werden.“ Dass die vorstehend bereits im Einzelnen gegen eine Kombination der Entgegenhaltungen B 1 / K 6 und B 1 / K7 aufgeführten Gründe nicht auch einer Kombination der B 1 / K 6 bzw. B 12 / K 6a mit der B 12 / K 8 entgegenstehen, vermag der Senat davon ausgehend jedenfalls nicht festzustellen.
- bb)
Soweit die Patentansprüche 1 und 7 des Klagepatents in ihrer eingetragenen Fassung für die spezifische Oberfläche jeweils lediglich in eine Richtung begrenzte Wertebereiche vorsehen, rechtfertigt auch dies kein Abwarten der erstinstanzlichen Entscheidung des Bundespatentgerichts im Nichtigkeitsverfahren. - Der Senat verkennt nicht, dass der Bundesgerichtshof in jüngster Zeit derartige einseitig begrenzte Wertebereiche im Zusammenhang mit Ansprüchen, die Cer-Zirkonium-Mischoxide zum Gegenstand hatten, für nicht ausführbar erachtet hat. So hat der 10. Zivilsenat in der Entscheidung „Cer-Zirkonium-Mischoxid I“ (BGH, GRUR 2019, 713, 715, Rz. 39 ff.) die Formulierung „Nach sechs Stunden Kalzinieren bei 800 °C beträgt die spezifische Oberfläche mindestens 30 m²/g.“ als nicht so offenbart angesehen, dass ein Fachmann sie ausführen kann. Damit vergleichbar hat der Bundesgerichtshof in einem Urteil vom 6. August 2019 (Az.: X ZR XE) auch das Merkmal „Nach sechs Stunden Kalzinieren bei 1.000 °C beträgt die spezifische Oberfläche mindestens 25 m²/g.“ unter demselben Gesichtspunkt beanstandet. Schließlich fand in der Entscheidung „Cer-Zirkonium-Mischoxid II“ (BGH, GRUR 2019, 718, 720, Rz. 20 ff.) auch die Formulierung „Das Gesamtporenvolumen beträgt mindestens 0,6 cm3/g.“ unter dem Gesichtspunkt der Ausführbarkeit nicht die Billigung des 10. Zivilsenates.
- Auch wenn die Patentansprüche 1 und 7 zu findenden Vorgaben zur spezifischen Oberfläche des Verbundoxids (nicht weniger als 50 m2/g bzw. nicht weniger als 20 m2/g nach Erhitzen) damit durchaus vergleichbar sind, sodass die streitgegenständlichen Patentansprüche im Nichtigkeitsverfahren in ihrer derzeitigen Fassung wohl keinen Bestand haben werden, besteht kein Grund, zunächst den Ausgang des Nichtigkeitsverfahrens abzuwarten. In allen vorgenannten Verfahren hat der Bundesgerichtshof die eingetragenen Patentansprüche zwar als nicht ausführbar beanstandet. Er hat die zunächst beanstandeten Formulierungen jedoch stets nach Einfügung einer Obergrenze für zulässig erachtet. So wurde die spezifische Oberfläche in der Entscheidung „Cer-Zirkonium-Mischoxid I“ letztlich auf einen Bereich von 30 m2/g bis 57 m2/g beschränkt. Bei dem den Gegenstand des Verfahrens X ZR XE bildenden Patent wurde eine Obergrenze von 51 m2/g eingefügt. Schließlich verlangt das der Entscheidung „Cer-Zirkonium-Mischoxid II“ zugrundeliegende Patent nunmehr ein Gesamtporenvolumen im Bereich von 0,6 cm³/g bis 1,5 cm³/g.
- Vor diesem Hintergrund ist die Erwartung gerechtfertigt, dass auch das Klagepatent das Nichtigkeitsverfahren letztlich nach Einfügung solcher Obergrenzen überstehen wird. Dem hat die Klägerin mit ihren zuletzt gestellten Anträgen Rechnung getragen.
- Die nunmehr durch die Klägerin in ihre Anträge aufgenommene Obergrenze von 120 m2/g entspricht der Offenbarung in Sp. 5, Z. 19 – 21 der Offenlegungsschrift. In Sp. 5, Z. 27 f. derselben ist außerdem im Zusammenhang mit einer Erhitzung auf 1.100 °C über 6 Stunden ein Bereich von 20 bis 30 m2/g als bevorzugte Ausgestaltung angesprochen, so dass gegen die nunmehr dem Hauptantrag zugrundeliegende Anspruchsfassung unter dem Gesichtspunkt der hinreichenden Offenbarung keine Bedenken bestehen. Insbesondere hatte die Klägerin unter Berücksichtigung der vorstehend angesprochenen Offenbarung keinen Anlass, den Schutzbereich darüber hinausgehend auf die in Tabelle 1, Beispiel 2 offenbarten Werte zu beschränken.
- Dass sämtliche, dem durch die Klägerin erhobenen Verletzungsvorwurf zugrundeliegenden (Mess-)werte außerhalb des nunmehr beschränkten Schutzbereichs liegen, behauptet auch die Beklagte nicht. Von daher besteht kein Grund, zunächst die erstinstanzliche Entscheidung im Nichtigkeitsverfahren abzuwarten. Es ist mit hinreichender Sicherheit absehbar, dass die angegriffenen Ausführungsformen auch nach der im Nichtigkeitsverfahren zu erwartenden Einschränkung des Schutzbereichs unter das Klagepatent fallen. Über die Berufung der Beklagten konnte daher bereits jetzt abschließend entschieden werden.
- III.
- Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
- Die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeben sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.
- Für eine Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung, weil die in § 543 ZPO aufgestellten Voraussetzungen dafür ersichtlich nicht gegeben sind. Es handelt sich um eine reine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung, mit der der Bundesgerichtshof auch nicht im Interesse einer Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung befasst werden muss (§ 543 Abs. 2 ZPO).