Düsseldorfer Entscheidungsnummer: 2976
Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 24. Oktober 2019, Az. 4c O 100/18
- 1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf EUR 300.000,00 festgesetzt - Tatbestand
- Die Klägerin entwickelt, produziert und vertreibt weltweit Zubehörteile für Anhänger und Aufbauten für Nutzfahrzeuge. Die Beklagte entwickelt, produziert und verkauft Zubehör für den Fahrzeugbau und ist ein Tochterunternehmen der A GmbH & Co. KG (nachfolgend: A), die auf dem deutschen Markt im Großhandel mit Lkw-Zubehörteilen tätig ist.
- Die Klägerin nimmt – als eingetragene Inhaberin – die Beklagte wegen Verletzung des europäischen Patents EP 1 378 XXX B1 (vgl. Anlage K 1, in deutscher Übersetzung vorgelegt als Anlage K 2) auf Unterlassung, Auskunftserteilung, Rechnungslegung, Vernichtung, Rückruf sowie Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Schadensersatz in Anspruch. Das Patent wurde unter Inanspruchnahme einer französischen Priorität vom 1. Juli 2002 (FR 0208XXX) am 13. Juni 2003 angemeldet und als Anmeldung am 7. Januar 2004 offengelegt. Der Hinweis auf die Erteilung des Patents wurde am 21. April 2010 bekanntgemacht. Mit rechtskräftiger Entscheidung des Europäischen Patentamtes vom 26. Juni 2013 wurde das Patent auf einen Einspruch der Muttergesellschaft der Beklagten, der A, hin in eingeschränkter Form aufrechterhalten und als EP 1 378 XXX B2 veröffentlicht (vorgelegt als Anlage K 5, in deutscher Übersetzung vorgelegt als Anlage K 6; nachfolgend: Klagepatent). Das Klagepatent steht in Kraft, ist von der Beklagten jedoch mit Nichtigkeitsklage vom 21. Mai 2019 (Az. 1 Ni 18/19, Anlage B 2) angegriffen worden. Nachdem die Klägerin mit Schriftsatz vom 3. Juni 2019 (Anlage K23) und vor Zustellung der Nichtigkeitsklage die vorläufige Streitwertfestsetzung des Bundespatentgerichts (BPatG) als zu niedrig beanstandet hatte, setzte das BPatG den Streitwert mit Beschluss vom 3. Juli 2019 (Anlage B 5) auf EUR 712.000,00 fest. Über die Nichtigkeitsklage ist noch nicht entschieden.
- Das Klagepatent betrifft ein Anschlussstück für eine Vorrichtung zum Aufwickeln eines aufwickelbaren Elements wie zum Beispiel einer Plane oder dergleichen, insbesondere von einem Fahrzeug. Die für den vorliegenden Rechtsstreit maßgeblichen, teils eingeschränkt aufrechterhaltenen Ansprüche 1 und 3 des Klagepatents lauten:
„1. Anschlussstück für eine Vorrichtung zum Aufwickeln eines aufwickelbaren Elements, wie eine Fahrzeugplane, wobei das Anschlussstück zum Bestücken von Anhänger- oder LKW-Aufbauten bestimmt ist, um die Übertragungswelle (4) der Aufwickelvorrichtung und die Aufwickelwelle (2) miteinander zu verbinden, wobei die Aufwickelwelle (2) ein Kupplungsteil (11) an der Außenwand (9) enthält, das dazu bestimmt ist, das aufwickelbare Element zu ergreifen, und das Anschlussstück (1) ein erstes Ende (3), das mit dem Ende der Übertragungswelle (4) zusammenwirkt, und ein zweites Ende (5), das mit dem Ende der Aufwickelwelle (2) zusammenwirkt, umfasst, und das zweite Ende (5) einen Vorsprung (10) umfasst, der mit dem Kupplungsteil (11) der Außenwand (9) des Endes der Aufwickelwelle (2) zusammenwirkt, dadurch gekennzeichnet, dass das zweite Ende (5) Verbindungsmittel (6) umfasst, die aus einem hohlen Abschnitt (7) bestehen, dessen Innenwand (8) mit kreisförmigem Profil komplementär zur Außenwand (9) des Endes der Aufwickelwelle ist, um das Ende der Aufwickelwelle (2) so zu fassen, dass die Drehbewegung der Übertragungswelle (4) auf die Aufwickelwelle (2) übertragen wird, wobei die Innenwand (8), die den Vorsprung (10) umfasst, der dem Kupplungsteil (11) der Außenwand (9) des Endes der Aufwickelwelle (2) entspricht, dazu bestimmt ist, das aufwickelbare Element zu ergreifen, wobei der Vorsprung (10) es erlaubt, die Aufwickelwelle (2) zum Drehen zu bringen, und der Vorsprung aus Vollmaterial, fest mit der Innenwand (8) verbunden, und über die ganze Höhe des hohlen Abschnitts (7) vorgesehen ist, und der Vorsprung ein zum Kupplungsteil (11) an der Außenwand (9) der Aufwickelwelle (2) komplementäres, schlüssellochförmiges Profil aufweist, und der Vorsprung in Profilansicht einen kreisförmigen Abschnitt und einen trapezförmigen Abschnitt umfasst, dessen Grundseite am kreisförmigen Abschnitt der Innenwand (8) befestigt ist.
- 3. Vorrichtung zum Auf-/Abwickeln eines aufwickelbaren Elements wie einer Fahrzeugplane, zum Bestücken von Anhänger- oder LKW-Aufbauten, umfassend einen Antriebsmechanismus, eine Übertragungswelle (4), eine Aufwickelwelle (2) und ein Anschlussstück (1) nach irgendeinem der Ansprüche 1 bis 2.“
- Hinsichtlich des lediglich „insbesondere“ geltend gemachten Patentanspruchs 2 wird auf die Klagepatentschrift verwiesen.
- Die nachstehend wiedergegebenen Figuren sind dem Klagepatent entnommen und zeigen ein erfindungsgemäßes Ausführungsbeispiel aus verschiedenen Perspektiven:
- Figur 1 stellt eine perspektivische Ansicht eines erfindungsgemäßen Anschlussstücks (1) dar, das mit einer an dieses Anschlussstück angepassten Aufwickelwelle (2) verbunden ist/wird. Figur 2 zeigt eine radiale Schnittansicht in Höhe der Verbindung zwischen der Aufwickelwelle (2) und dem Anschlussstück (1) eines erfindungsgemäßen Ausführungsbeispiels.
- Die Beklagte bietet auf ihrer Internetseite www.B.ch unter der Produktnummer XXXXXXXX als Zubehörteil einen Adapter für Rundprofile an. Daneben bietet sie unter der Produktnummer XXXXXXXX.XXXXXXX einen solchen Adapter als Bestandteil eines Sets für Tender (Planenspanner) an (zusammen im Folgenden: angegriffene Ausführungsformen). Das Original eines angegriffenen Anschlussstücks wurde von der Klägerin als Anlage K 16 vorgelegt. Die Beklagte bietet auf ihrer Internetseite auch einen entsprechenden Produktkatalog zum Abruf an, der auszugsweise als Anlage K 17 zur Akte gereicht wurde. Auf der Messe C im September 2018 war zudem ein angegriffenes Anschlussstück auf dem Stand der Firma D und E als Teil einer Gesamtvorrichtung zu sehen (vgl. Anlage K 18). Auf Nachfrage der Klägerin teilte die Firma D mit anwaltlichem Schreiben vom 27. November 2018 (Anlage K 19) mit, dass sie die beanstandeten Adapter von der Beklagten bezogen habe. Nachfolgende Fotografien, die von der Beklagten als Anlagenkonvolut B 1 zur Akte gereicht wurden, zeigen die angegriffene Ausführungsform (Version 2) in zwei perspektivischen Ansichten:
- Dem hiesigen Rechtsstreit vorangegangen sind zwei Verfahren der Klägerin gegen die A (Az. 4c O 46/14) und die Firma F (4c O 18/14), die auf Grundlage der ursprünglich von diesen beiden Firmen vertriebenen und mit den angegriffenen Anschlussstücken nicht vollumfänglich identischen Adaptern geführt wurden und die jeweils mit einer den Anträgen der Klägerin größtenteils stattgebenden Verurteilung der Parteien endeten. Die seitens der A gegen das Urteil der Kammer eingelegte Berufung wurde vom Oberlandesgericht Düsseldorf unter Neufassung des Tenors rechtskräftig zurückgewiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Urteile der Kammer vom 23. April 2015 (Az. 4c O 46/14, Anlage K 7) und 22. Januar 2015 (Az. 4c O 18/14, Anlage K 8) sowie auf das Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 11. Februar 2016 (Az. I-2 U 29/15, Anlage K 9) Bezug genommen. Die in den vorgenannten Verfahren streitgegenständlichen Adapter (Version 1) wiesen eine Ausgestaltung auf, wie sie der nachfolgenden, aus der Klageschrift auf Seite 19 stammenden Fotografie entnommen werden kann:
- Mit Schreiben vom 13. November 2018 (Anlagen K 21 und K 22) mahnte die Klägerin die Beklagte und ihre Muttergesellschaft, die A, wegen des Vertriebs der hier streitgegenständlichen Anschlusstücke ab, woraufhin A eine Unterlassungserklärung nebst Verpflichtung zur Zahlung von Schadensersatz abgab. Eine Reaktion der Beklagten auf die Abmahnung blieb indes aus.
- Die Klägerin ist der Auffassung, die angegriffenen Ausführungsformen verletzten das Klagepatent unmittelbar wortsinngemäß bzw. mit Blick auf die Lieferung des angegriffen Anschlussstücks an die Kunden der Beklagten zudem mittelbar, jedenfalls aber mit äquivalenten Mitteln.
- Mit Blick auf die beanspruchte Schlüssellochform des Vorsprungs gestehe das Klagepatent – wie auch das OLG Düsseldorf in seinem Urteil aus dem vorangegangen Verletzungsprozess gegen die Muttergesellschaft der Beklagten bereits festgestellt habe – dem Fachmann einen Gestaltungsspielraum zu, da es keine Angaben zur Dimensionierung des trapez- und des kreisförmigen Abschnitts mache. Daher könne der kreisförmige Teil auch kleiner sein als der trapezförmige Abschnitt, solange er auf die Aufwickelwelle dergestalt einwirken könne, dass sie mitgenommen werde und den auftretenden Kräften standhalte. Insbesondere müsse der Hohlraum in der Aufwickelwelle durch den kreisförmigen Abschnitt nicht komplett ausgefüllt werden. Ob und inwieweit die Ausgestaltung der angegriffenen Ausführungsformen fertigungsbedingt sei, spiele keine Rolle. Unter Berücksichtigung einer technisch-funktionalen Betrachtungsweise komme es auch nicht darauf an, ob der Vorsprung die gesamte Höhe des hohlen Abschnitts ausfülle. Es genüge vielmehr, dass der Vorsprung in Kombination mit der äußeren Hülle geeignet sei, die auftretenden Kräfte homogen zu verteilen.
- Die von der Beklagten gewählte Ausgestaltung eines kürzeren Vorsprungs sei jedenfalls gleichwirkend im Sinne der Äquivalenz, da Versuche der Klägerin ergeben hätten, dass bei einer Krafteinwirkung von 200 Nm Drehmoment die angegriffenen Anschlussstücke – wie auch das Original der Klägerin – die Aufwickelwelle ohne Verformungen verdrehe. Dies sei mit den aus dem Stand der Technik bekannten Anschlussstücken nicht möglich. Erst bei der Aufbringung von 240 Nm Drehmoment würde sich die Aufwickelwelle bei Benutzung der angegriffenen Ausführungsformen verformen. Gleiches gelte im Übrigen auch für die neue, nicht angegriffene Version 3 (V3). Die Lösung der Beklagten habe für den Fachmann zudem nahegelegen und sei daher auffindbar gewesen. Schließlich sei die Lösung auch gleichwertig.
- Ferner ist die Klägerin der Auffassung, das Klagepatent werde sich in der Entscheidung über die Nichtigkeitsklage der Beklagten als rechtsbeständig erweisen. Der Aussetzungsantrag könne schon deshalb keinen Erfolg haben, da die Beklagte trotz langjähriger Kenntnis vom Klageschutzrecht die Nichtigkeitsklage erst sehr spät erhoben habe, so dass die Nichtigkeitsklage der Klägerin bis zum Ablauf der Replikfrist nicht zugestellt worden sei. Zudem sei das Klagepatent trotz der Inanspruchnahme der Muttergesellschaft der Beklagten sowie verschiedener Wettbewerbe nicht angegriffen und vom Europäischen Patentamt in der geltend gemachten Fassung bestätigt worden.
- Sie beantragt zuletzt,
I. 1. die Beklagte zu verurteilen, - es bei Meldung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,00 – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlungen bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an den jeweiligen gesetzlichen Vertretern der Beklagten zu vollstrecken ist, zu unterlassen,
- a) Anschlussstücke für eine Vorrichtung zum Aufwickeln eines aufwickelbaren Elements, wie eine Fahrzeugplane
- – wobei das Anschlussstück zum Bestücken von Anhänger- oder Lkw-Aufbauten bestimmt ist, um die Übertragungswelle der Aufwickelvorrichtung und die Aufwickelwelle miteinander zu verbinden,
- – wobei die Aufwickelwelle einen Ankopplungsbereich an der Außenwand enthält, der dazu bestimmt ist, das aufwickelbare Element zu ergreifen,
- – wobei das Anschlussstück ein erstes Ende umfasst, das mit dem Ende der Übertragungswelle zusammenwirkt
- – und das Anschlussstück ein zweites Ende umfasst, das mit dem Ende der Aufwickelwelle zusammenwirkt
- – und das zweite Ende einen Vorsprung umfasst, der mit dem Ankupplungsbereich der Außenwand des Endes der Aufwickelwelle zusammenwirkt
- in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
- – bei denen das zweite Ende Verbindungsmittel umfasst, die aus einem hohlen Abschnitt bestehen, dessen Innenwand mit kreisförmigem Profil komplementär zur Außenwand des Endes der Aufwickelwelle ist,
- – um das Ende der Aufwickelwelle so zu fassen, dass die Drehbewegung der Übertragungswelle auf die Aufwickelwelle übertragen wird,
- – wobei die Innenwand, die den Vorsprung umfasst, der dem Ankopplungsbereich der Außenwand des Endes der Aufwickelwelle entspricht, dazu bestimmt ist, das aufwickelbare Element zu ergreifen,
- – wobei der besagte Vorsprung es erlaubt, die Aufwickelwelle zum Drehen zu bringen,
- – und der Vorsprung aus Vollmaterial fest mit der Innenwand verbunden und über die ganze Höhe des hohlen Abschnitts vorgesehen ist
- – und der Vorsprung ein zum Ankopplungsbereich an der Außenwand der Aufwickelwelle komplementäres, schlüssellochförmiges Profil aufweist
- – und der Vorsprung in Profilansicht einen kreisförmigen Abschnitt und einen trapezförmigen Abschnitt umfasst, dessen große Grundseite am kreisförmigen Abschnitt der Innenwand befestigt ist.
(unmittelbare Verletzung von Anspruch 1 der EP 1 378 XXX B2) - insbesondere wenn,
- das Anschlussstück aus einem Material hergestellt ist, das mit demjenigen Material verträglich ist, das zur Herstellung der Aufwickelwelle verwendet wird,
(unmittelbare Verletzung von Anspruch 2 der EP 1 378 XXX B2) - und
- b) Vorrichtungen zum Auf-/Abwickeln eines aufwickelbaren Elements wie einer Fahrzeugplane, zum Bestücken von Anhänger- oder LKW-Aufbauten, umfassend einen Antriebsmechanismus, eine Übertragungswelle (4), eine Aufwickelwelle (2) und ein Anschlussstück nach irgendeinem der Ansprüche 1 bis 2
- in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen;
(unmittelbare Verletzung von Anspruch 3 der EP 1 378 XXX) - 2. die Beklagte zu verurteilen,
- es bei Meldung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250 000 € – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an ihrem Geschäftsführer zu vollziehen ist, zu unterlassen,
- Anschlussstücke gemäß Antrag I.1 im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland anzubieten und/oder an solche zu liefern, welche dazu geeignet sind, Vorrichtungen zum Auf-/Abwickeln eines aufwickelbaren Elements wie einer Fahrzeugplane, zum Bestücken von Anhänger- oder LKW-Aufbauten, umfassend einen Antriebsmechanismus, eine Übertragungswelle (4), eine Aufwickelwelle (2) und ein Anschlussstück nach Antrag I.1 zu bilden;
- 3. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin in einer geordneten Aufstellung unter Vorlage von Belegkopien wie z.B. Rechnungen oder Lieferscheinen oder Quittungen, hinsichtlich der Angaben zu I.1. beziehungsweise I.2. darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die unter I.1. beziehungsweise unter I.2. bezeichneten Handlungen seit dem 01.01.2015 begangen hat, und zwar unter Angabe
- a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen und der jeweiligen Typenbezeichnungen, sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,
- b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen und der jeweiligen Typenbezeichnungen, sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
- c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und -gebiet, im Falle von Internetwerbung der Domain, der Zugriffszahlen auf die Domain und der Schaltungszeiträume jeder Werbung,
- d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
- wobei die Auskünfte nach Ziffer I.3.d) ab dem 01.01.2015 beansprucht werden,
- und
- wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, Namen und Anschriften von nicht-gewerblichen Abnehmern und Angebotsempfängern statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
- 4. die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz und/oder Eigentum befindlichen vorstehend zu I.1. beziehungsweise I.2. bezeichneten Erzeugnisse auf eigene Kosten zu vernichten oder – nach ihrer Wahl – an einen von ihr zu benennenden Treuhänder zum Zwecke der Vernichtung auf ihre (der Beklagten) Kosten herauszugeben;
- 5. die vorstehend zu I.1. beziehungsweise zu I.2. bezeichneten, seit dem 01.01.2015 in Verkehr gebrachten Erzeugnisse gegenüber den gewerblichen Abnehmern unter Hinweis auf den gerichtlich (Urteil des … vom …) festgestellten patentverletzenden Zustand der Sache und mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen und die Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen;
- II. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin für die unter I.1. beziehungsweise I.2. bezeichneten, in der ab dem 01.01.2015 begangenen Handlungen Schadenersatz zu zahlen.
- hilfsweise
- I. 1. die Beklagte zu verurteilen,
- es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,00 – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlungen bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an den jeweiligen gesetzlichen Vertretern der Beklagten zu vollstrecken ist, zu unterlassen,
- a) Anschlussstücke für eine Vorrichtung zum Aufwickeln eines aufwickelbaren Elements, wie eine Fahrzeugplane
- – wobei das Anschlussstück zum Bestücken von Anhänger- oder Lkw- Aufbauten bestimmt ist, um die Übertragungswelle der Aufwickelvorrichtung und die Aufwickelwelle miteinander zu verbinden,
- – wobei die Aufwickelwelle einen Ankopplungsbereich an der Außenwand enthält, der dazu bestimmt ist, das aufwickelbare Element zu ergreifen,
- – wobei das Anschlussstück ein erstes Ende umfasst, das mit dem Ende der Übertragungswelle zusammenwirkt
- – und das Anschlussstück ein zweites Ende umfasst, das mit dem Ende der Aufwickelwelle zusammenwirkt
- – und das zweite Ende einen Vorsprung umfasst, der mit dem Ankupplungsbereich der Außenwand des Endes der Aufwickelwelle zusammenwirkt
- in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
- – bei denen das zweite Ende Verbindungsmittel umfasst, die aus einem hohlen Abschnitt bestehen, dessen Innenwand mit kreisförmigem Profil komplementär zur Außenwand des Endes der Aufwickelwelle ist.
- – um das Ende der Aufwickelwelle so zu fassen, dass die Drehbewegung der Übertragungswelle auf die Aufwickelwelle übertragen wird,
- – wobei die Innenwand, die den Vorsprung umfasst, der dem Ankopplungsbereich der Außenwand des Endes der Aufwickelwelle entspricht, dazu bestimmt ist, das aufwickelbare Element zu ergreifen,
- – wobei der besagte Vorsprung es erlaubt, die Aufwickelwelle zum Drehen zu bringen,
- – und der Vorsprung aus Vollmaterial fest mit der Innenwand verbunden und über ca. 90% der Höhe des gesamten hohlen Abschnitts vorgesehen ist
- – und der Vorsprung ein zum Ankopplungsbereich an der Außenwand der Aufwickelwelle komplementäres, schlüssellochförmiges Profil aufweist
- – und der Vorsprung in Profilansicht einen kreisförmigen Abschnitt und einen trapezförmigen Abschnitt umfasst, dessen große Grundseite am kreisförmigen Abschnitt der Innenwand befestigt ist
- – wenn das zweite Ende des Anschlussstücks ausgestaltet ist wie Anlage 16,
(unmittelbare, äquivalente Verletzung von Anspruch 1 der EP 1 378 XXX B2) - und
- b) Vorrichtungen zum Auf-/Abwickeln eines aufwickelbaren Elements wie einer Fahrzeugplane, zum Bestücken von Anhänger- oder LKW-Auf bauten, umfassend einen Antriebsmechanismus, eine Übertragungswelle (4), eine Aufwickelwelle (2) und ein Anschlussstück nach Klageantrag Ziff. I.1.a
- in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen;
(unmittelbare, äquivalente Verletzung von Anspruch 3 der EP 1 378 XXX) - 2. die Beklagte dazu zu verurteilen,
es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250 000 € – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an ihrem Geschäftsführer zu vollziehen ist, zu unterlassen,
- Anschlussstücke gemäß Antrag I.1 im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland anzubieten und/oder an solche zu liefern, welche dazu geeignet sind, Vorrichtungen zum Auf-/Abwickeln eines aufwickelbaren Elements wie einer Fahrzeugplane, zum Bestücken von Anhänger- oder LKW-Aufbauten, umfassend einen Antriebsmechanismus, eine Übertragungswelle (4), eine Aufwickelwelle (2) und ein Anschlussstück nach Antrag I.1 zu bilden;
- 3. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin in einer geordneten Aufstellung unter Vorlage von Belegkopien wie z.B. Rechnungen oder Lieferscheinen oder Quittungen, hinsichtlich der Angaben zu I.1. beziehungsweise I.2. darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die unter I.1. beziehungsweise unter I.2. bezeichneten Handlungen seit dem 01.01.2015 begangen hat, und zwar unter Angabe
- a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen und der jeweiligen Typenbezeichnungen, sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,
- b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen und der jeweiligen Typenbezeichnungen, sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
- c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und -gebiet, im Falle von Internetwerbung der Domain, der Zugriffszahlen auf die Domain und der Schaltungszeiträume jeder Werbung,
- d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
- wobei die Auskünfte nach Ziffer I.3.d) ab dem 01.01.2015 beansprucht werden,
- und
- wobei der Beklagten Vorbehalten bleibt, Namen und Anschriften von nicht-gewerblichen Abnehmern und Angebotsempfängern statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
- 4. die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz und/oder Eigentum befindlichen vorstehend zu I.1. beziehungsweise I.2. bezeichneten Erzeugnisse auf eigene Kosten zu vernichten oder – nach ihrer Wahl – an einen von ihr zu benennenden Treuhänder zum Zwecke der Vernichtung auf ihre (der Beklagten) Kosten herauszugeben;
- 5. die vorstehend zu I.1. beziehungsweise zu I.2. bezeichneten, seit dem 01.01.2015 im Besitz Dritter befindlichen Erzeugnisse aus den Vertriebswegen zurückzurufen und endgültig zu entfernen, sofern es sich bei den Dritten nicht um private oder gewerbliche Abnehmer handelt;
II. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin für die unter I.1. beziehungsweise I.2. bezeichneten, in der Zeit ab dem 01.01.2015 begangenen Handlungen Schadenersatz zu zahlen.
- Die Beklagte beantragt,
- die Klage abzuweisen;
- hilfsweise
- den Rechtsstreit bis zu erstinstanzlichen Entscheidung über die von der Beklagten gegen das Klagepatent eingereichten Nichtigkeitsklage auszusetzen.
- Sie ist der Auffassung, die angegriffenen Ausführungsformen verletzen das Klagepatent weder wortsinngemäß noch mittelbar und/oder äquivalent.
- Der Vorsprung in den angegriffenen Anschlussstücken verliefe entgegen der Lehre des Klagepatents nicht über die gesamte Höhe des hohlen Abschnitts, da er – insoweit unstreitig – nur 88% der Höhe des Abschnitts aufweise. Der beanspruchten Ausgestaltung des Vorsprungs komme jedoch eine zentrale Bedeutung für die Verwirklichung der Ziele der Erfindung zu, nämlich die auf die Aufwickelwelle einwirkenden Kräfte möglichst homogen zu verteilen. Zudem fehle es an einem schlüssellochartigen Profil des Vorsprungs, da er in der Profilansicht jedenfalls keinen kreisförmigen Abschnitt aufweise. Dieser kreisförmige Abschnitt sei indes erforderlich, um als komplementäres Bauteil mit der Aufwickelwelle zusammenzuwirken. Die produktionsbedingte Ausgestaltung des Vorsprungs in den angegriffenen Ausführungsformen sei jedenfalls auch nicht geeignet, den Hohlraum in der Aufwickelwelle zu füllen. Aus dem Fehlen dieser Merkmale folge auch die Nichtverwirklichung des nebengeordneten Vorrichtungsanspruchs 3, der eine zu dem Vorsprung des Anschlussstücks komplementäre Ausbildung des Profils der Aufwickelwelle vorsehe.
- Die Beklagte rügt die Bestimmtheit der auf die äquivalente Patentverletzung gerichteten Ansprüche, da die Austauschmittel nicht konkret genug bezeichnet worden seien. Im Übrigen habe die Klägerin nicht substantiiert zu den vermeintlichen Austauschmitteln vorgetragen. So fehle es bereits an Vortrag dazu, welche technische Wirkung gerade die streitgegenständlichen Merkmale zur technischen Lehre beitragen würden und welche Mittel gleichwirkend seien. Schließlich sei die Ausgestaltung der angegriffenen Ausführungsformen auch nicht gleichwertig, da der Fachmann ausgehend von der Klagepatentschrift keinen Anlass gehabt habe, den Vorsprung zu verkürzen.
- Das Klagepatent werde sich mit Blick auf die Nichtigkeitsklage als nicht rechtsbeständig erweisen, da seine Lehre nicht neu, jedenfalls aber nicht erfinderisch sei.
- Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze, auf die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.
- Entscheidungsgründe
- Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. D er Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche nicht zu.
- A.
Die Klage ist unbegründet. - I.
Das Klagepatent betrifft ein Anschlussstück für eine Vorrichtung zum Aufwickeln von Wickelgut wie Planen oder Ähnlichem, insbesondere von Kraftfahrzeugen. Es zielt insbesondere darauf ab, im Transportgewerbe Ladeflächen von Lkw oder Anhängern auszurüsten, die für den Gütertransport eingesetzt werden und mit Schutzplanen ausgestattet sind. Bei diesen Lkw-Ladeflächen oder Anhängern werden üblicherweise bewegliche Planen benutzt, die rasch entfernt und angeordnet werden können, insbesondere um das Be- und Entladen von Gütern zu erleichtern. - Zum Stand der Technik führt das Klagepatent in Absatz [0004] aus, dass verschiedene Einrichtungen bekannt seien, von denen eine mit einer Aufrollvorrichtung arbeite, die eine Übertragungswelle, ein Anschlussstück für die Aufrollvorrichtung sowie eine Aufwickelwelle für das genannte aufwickelbare Element umfasse. Bei dieser Art von Einrichtung gewährleiste das Anschlussstück die Verbindung zwischen der Übertragungswelle der Aufrollvorrichtung und der Aufwickelwelle. Es bestehe im Allgemeinen aus einem einzigen Block und beinhalte an seinen beiden Enden Mittel zur Verbindung mit der Übertragungswelle bzw. der Aufwickelwelle, vgl. Absatz [0005].
- Bei den vorbekannten Einrichtungen bestünden die Verbindungsmittel zwischen Anschlussstück und Aufwickelwelle aus einem oder mehreren Stiften, die an der Oberfläche des Anschlussstücks befestigt seien und unter Krafteinwirkung in einen hohlen Teil eingriffen, der über die gesamte Länge der genannten Aufwickelwelle angelegt sei (Absatz [0006]). Dieses, die Verbindung gewährleistende Anschlussstück weise jedoch, so das Klagepatent in Absatz [0007], verschiedene Nachteile auf, u.a. die Notwendigkeit, dass ein hohler Teil in der genannten Aufwickelwelle vorhanden sei, wodurch die Steifigkeit dieser Welle verringert werde. In Erwägung der starken Beanspruchungen, die anlässlich der Drehung dieses Anschlussstücks entstehe und auch aufgrund der Tatsache, dass diese Beanspruchungen im Wesentlichen auf die Enden des Stifts sowie auf die Ränder des hohlen Teils mit halbmondförmigem Profil wirkten, wiesen diese Vorrichtungen Verformungs- und Bruchprobleme auf, die das Auf- und / oder Abwickeln des genannten aufwickelbaren Elements behindern könnten.
- Aus der Druckschrift FR 1 477 239, auf welche das Klagepatent in Absatz [0008] Bezug nimmt, sei eine demontierbare Kupplung bekannt, die dazu bestimmt sei, eine Verbindung zwischen zwei koaxialen Wellen mit zykloidenbogenförmigem Profil herzustellen. Dieses Dokument löse allerdings nicht das Problem der Verbindung zwischen der Transmissionswelle, einer Vorrichtung zum Aufwickeln eines aufwickelbaren Elements und der Aufwickelwelle. Die demontierbare Kupplung weise für jede Welle einen hohlen Teil auf, dessen Innenwand einer der Außenwand mit zykloidenbogenförmigen Profil des Endes der Transmissionswelle ergänzenden Gestalt sei.
- Ausgehend von dem geschilderten Stand der Technik formuliert es das Klagepatent als technische Aufgabe (Absätze [0011]ff.), die vorgenannten Nachteile zu beseitigen und eine homogene Verteilung der Kraft zu ermöglichen, die von dem Anschlussstück auf die genannte Aufwickelwelle ausgeübt wird. Ein weiteres Ziel der Erfindung besteht darin, ein Anschlussstück für die Aufrollvorrichtung eines aufwickelbaren Elements wie einer Plane oder dergleichen anzubieten, das eine rasche Verbindung zwischen diesen beiden Elementen erlaubt. Schließlich ist es ein weiteres formuliertes Ziel der Erfindung, ein Anschlussstück für die Aufrollvorrichtung eines aufwickelbaren Elements wie einer Plane oder dergleichen anzubieten, das eine Reduzierung oder den Wegfall des hohlen Teils erlaubt, der sich innerhalb der genannten Aufwickelwelle befindet.
- Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Klagepatent in seinem eingeschränkt aufrechterhaltenen Patentanspruch 1 eine Vorrichtung mit folgenden Merkmalen vor:
- 1. Anschlussstück für eine Vorrichtung zum Aufwickeln eines aufwickelbaren Elements, wie eine Fahrzeugplane;
2. das Anschlussstück ist zum Bestücken von Anhänger- oder LKW-Aufbauten bestimmt,
2.1. um die Übertragungswelle (4) der Aufwickelvorrichtung und die Aufwickelwelle (2) miteinander zu verbinden;
3. die Aufwickelwelle (2) enthält einen Ankopplungsbereich (11) an der Außenwand (9)
3.1. der Ankopplungsbereich (11) ist dazu bestimmt, das aufwickelbare Element zu ergreifen;
4. das Anschlussstück (1) umfasst ein erstes Ende (3) und ein zweites Ende (5),
4.1. das erste Ende (3) wirkt mit dem Ende der Übertragungswelle (4) zusammen;
4.2. das zweite Ende (5)
a) wirkt mit dem Ende der Aufwickelwelle (2) zusammen;
b) umfasst Verbindungsmittel (6), die aus einem hohlen Abschnitt (7) bestehen;
(1) Die Innenwand (8) des hohlen Abschnitts (7)
(a) ist kreisförmig und komplementär zur Außenwand (9) des Endes der Aufwickelwelle, um das Ende der Aufwickelwelle (2) so zu fassen, dass die Drehbewegung der Übertragungswelle (4) auf die Aufwickelwelle (2) übertragen wird;
(b) umfasst den Vorsprung (10) aus Vollmaterial, der
(b1) es erlaubt, die Aufwickelwelle (2) zum Drehen zu bringen,
(b2) fest mit der Innenwand (8) verbunden ist,
(b3) über die ganze Höhe des hohlen Abschnitts (7) vorgesehen ist,
(b4) dem Ankopplungsbereich (11) der Außenwand (9) des Endes der Aufwickelwelle (2) entspricht und mit diesem zusammenwirkt,
(b5) ein zum Ankopplungsbereich (11) an der Außenwand (9) der Aufwickelwelle (2) komplementäres, schlüssellochförmiges Profil aufweist,
(b6) in Profilansicht einen kreisförmigen Abschnitt und einen trapezförmigen Abschnitt umfasst.
(a) Die große Grundseite des trapezförmigen Abschnitts ist am kreisförmigen Abschnitt der Innenwand (8) befestigt. - II.
Zwischen den Parteien steht im Hinblick auf Anspruch 1 – zu Recht – allein die Verwirklichung der Merkmale 4.2.b)(1)(b)(b3) sowie 4.2.b)(1)(b)(b5) und (b6) in Streit. Diese Merkmale sind indes durch die angegriffenen Ausführungsformen nicht sämtlich unmittelbar wortsinngemäß verwirklicht. - 1.
Die seitens der Klägerin angegriffenen Anschlussstücke verwirklichen das Merkmal 4.2.b)(1)(b)(b3) nicht unmittelbar wortsinngemäß, gemäß dem der Vorsprung über die ganze Höhe des Abschnitts verlaufen soll. - 1.1.
Der im Einspruchsverfahren eingeschränkt aufrechterhaltene Anspruch 1 umfasst nur das Anschlussstück, welches dazu bestimmt ist, mit einer aus dem Stand der Technik bekannten Aufwickelwelle und einer ebensolchen Übertragungswelle zusammenzuwirken. Wie das Oberlandesgericht Düsseldorf in seinem Urteil vom 11. Februar 2016 (Az. I-2 U 29/15) bereits festgestellt hat, führt dies dazu, dass diese beiden Gegenstände (Aufwickel- und Übertragungswelle) für die Auslegung des Anspruchs 1 nur insoweit von Bedeutung sind, als ihre im Anspruch 1 vorausgesetzte Beschaffenheit Rückschlüsse auf die notwendige Ausgestaltung des Anschlussstücks zulässt. Entsprechende Aufwickel- und Überragungswellen müssen indes nicht im Markt existieren (vgl. S. 16, 1. Absatz des Urteils). - Der Anspruch 1 setzt demnach ein Anschlussstück voraus, welches dazu geeignet und bestimmt ist, die Übertragungswelle der Aufwickelvorrichtung mit der Aufwickelwelle zu verbinden (Merkmale 1. und 2.). Die Aufwickelwelle umfasst nach Merkmal 3. einen Ankopplungsbereich, der seinerseits dazu bestimmt ist, das aufwickelbare Element, etwa eine Plane, zu ergreifen. Die Merkmalsgruppe 4. beschreibt sodann die nähere Ausgestaltung des Anschlussstücks, welches über ein erstes, dem Ende der Übertragungswelle zugewandtes, und ein zweites Ende verfügt, welches mit dem Ende der Aufwickelwelle zusammenwirken soll. Dieses, für den hiesigen Rechtsstreit relevante zweite Ende soll einen hohlen Abschnitt als Verbindungsmittel zur Aufwickelwelle aufweisen (Merkmal 4.2.b), wobei das Anschlussstück mit seinem zweiten Ende auf die Aufwickelwelle aufgesteckt wird, d.h. das Ende der Aufwickelwelle wird in den hohlen Abschnitt eingesteckt. Dementsprechend soll die Innenwand des hohlen Abschnitts kreisförmig und komplementär zur Außenwand des Endes der Aufwickelwelle ausgestaltet sein, um das Ende der Aufwickelwelle so zu fassen, dass die Drehbewegung der Übertragungswelle auf die Aufwickelwelle übertragen wird.
- In Streit zwischen den Parteien steht der Vorsprung nach Merkmal 4.2.b)(1)(b), der im Inneren des hohlen Abschnitts angeordnet sein soll, um die Aufwickelwelle zum Drehen zu bringen. Der Vorsprung soll aus Vollmaterial bestehen und fest mit der Innenwand verbunden sein. Darüber hinaus soll er nach Merkmal 4.2.b)(1)(b)(b3) über die ganze Höhe des hohlen Abschnitts (= axiale Tiefe) vorgesehen sein. Schließlich soll er – worauf im nachfolgenden Abschnitt noch eingegangen wird – über ein schlüssellochförmiges Profil verfügen.
- Danach setzt das Klagepatent einen Vorsprung voraus, der sich im Profil vom äußeren Ende/Rand des zweiten Endes bis zum Boden des hohlen Abschnitts des Aufnahmebereichs erstreckt. Mit anderen Worten setzt das Klagepatent einen aus Vollmaterial gebildeten Vorsprung voraus, der bündig mit der Wand bzw. dem Rand des hohlen Abschnitts abschließt, mithin über die gesamte Wand verläuft. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass ein Vorsprung, der nicht über die gesamte Wand verläuft, nicht anspruchsgemäß ist. Dies schließt der Fachmann bereits aus dem Wortlaut des Merkmals, da dort von der „ganzen Höhe des hohlen Abschnitts“ gesprochen wird. In der Angabe „ganze Höhe“ erkennt der Fachmann eine spezifische Festlegung auf eine bestimmte Länge, wie sie etwa vergleichbar ist mit 100% der Höhe. Entsprechendes folgt auch aus dem maßgeblichen französischen Wortlaut des Anspruchs, der insoweit von „toute la hauteur“, mithin von der gesamten Höhe spricht. Aus dieser eindeutigen und klaren Beschreibung des Verhältnisses des Vorsprungs zum hohlen Abschnitt folgt, dass das Klagepatent dem Fachmann keinen Spielraum betreffend die Dimensionierung des Vorsprungs einräumt. Besonders deutlich wird dies auch vor dem Umstand, dass das Klagepatent mit Blick auf die übrige Ausgestaltung des Vorsprungs dem Fachmann sehr wohl einen Gestaltungsspielraum einräumt. So soll – worauf noch einzugehen ist – der Vorsprung über ein schlüssellochförmiges Profil verfügen, wobei dem Fachmann insoweit die Dimensionierung des Profil überlassen wird.
- Unterstützung in diesem Verständnis findet der Fachmann auch in der Beschreibung des Klagepatents. Die Beschreibung des Klagepatents enthält zwar keinen allgemeinen Teil, sondern beschränkt sich auf eine Erläuterung des Ausführungsbeispiels, das nach allgemeinen Grundsätzen die Lehre des Klagepatents nicht beschränken kann. Dennoch liefert es einen Hinweis darauf, wie der Fachmann das Klagepatent zu verstehen hat. In Absatz [0029] heißt es:
- „Um die Festigkeit des besagten Vorsprungs 10 noch weiter zu erhöhen, sollte dieser Vorsprung 10 über die gesamte Höhe des hohlen Teils 7 vorgesehen werden.“
- In Verbindung mit der selbst gestellten technischen Aufgabe der Erfindung, das Bereitstellen eines Anschlussstücks, welches eine homogene Kraftverteilung auf die Aufwickelwelle ermöglicht (vgl. Absatz [0011]), entnimmt der Fachmann der vorgenannten Beschreibungsstelle, dass die gewählte Ausgestaltung des Vorsprungs über die ganze Länge bzw. Höhe des hohlen Abschnitts der Festigkeit des Vorsprungs dient und somit auch eine homogene Kraftübertragung auf die mit dem Vorsprung zusammenwirkende Aufwickelwelle sicherstellt. Der Fachmann kann dieser Beschreibungsstelle insbesondere auch nicht entnehmen, dass diese Ausgestaltung lediglich optional sein soll und ihm insoweit ein Gestaltungsspielraum zusteht.
- Entsprechendes entnimmt der Fachmann auch der nachfolgend verkleinert wiedergegeben Figur 1 des Klagepatents:
- Der (schlüssellochförmige) Vorsprung ist mit der Bezugsziffer 10 gekennzeichnet und verläuft in Figur 1 (teils gestrichelt dargestellt) vom unteren Ende des hohlen Abschnitts (7) an der Innenwand (8) entlang bis zum oberen Ende/Rand des hohlen Abschnitts.
- Zu einem von diesem, dem eindeutigen Wortlaut des Merkmals geschuldeten abweichenden weiteren Verständnis gelangt der Fachmann – entgegen der Ansicht der Klägerin – nicht dadurch, dass er sich im Rahmen der Auslegung auf eine technisch-funktionale Betrachtung beschränkt. Zum einen sind solche Anspruchsmerkmale, die eine räumlich-körperliche oder stoffliche Ausgestaltung betreffen, nach der ganz überwiegenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur nicht allein technisch-funktional auszulegen (vgl. BGH, GRUR 2016, 921, 923 – Pemetrexed; Kühnen, Hdb. der Patentverletzung, 11. Auflage 2019, Kapitel A., Rn. 60), jedenfalls darf eine entsprechende Auslegung den klaren Wortlaut eines Merkmals nicht in sein Gegenteil verkehren. Unter Zugrundelegung einer technisch-funktionalen Betrachtung erkennt der Fachmann, dass die räumliche Ausdehnung des Vorsprungs über die gesamte Höhe des hohlen Abschnitts der Steifigkeit des Vorsprungs und der homogenen Verteilung der auftretenden Kräfte auf die Aufwickelwelle über die gesamte Länge des Vorsprungs dient. Der Fachmann mag – wie die Klägerin meint – dabei auch erkennen, dass es für die Erreichung dieser Ziele nicht zwingend erforderlich sein mag, den Vorsprung über die ganze (100%) der Höhe des hohlen Abschnitts auszubilden, solange der Vorsprung jedenfalls lang genug ist, um sich nicht zu verwinden und die Welle gleichmäßig zu drehen. Er hat aber auch in den Blick zu nehmen, dass sich das Klagepatent auf ein bestimmtes räumlich-körperliches Verhältnis zwischen Vorsprung und hohlem Abschnitt festgelegt hat mit der Folge, dass der Fachmann dieser Vorgabe auch bei Anlegung eines technisch-funktionalen Verständnisses Beachtung schenkt.
- Gleiches gilt auch mit Blick auf das seitens der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vorgebrachte Argument, als hohler Abschnitt im Sinne des Merkmals 4.2.b) sei nur derjenige Bereich des gesamten hohlen Abschnitts zu verstehen, der die Aufwickelwelle fest umschließe, d.h. derjenige Bereich, der im kraftschlüssigen Eingriff mit der Welle stehe. Soweit der hohle Abschnitt an seinem der Aufwickelwelle zugewandten Ende noch weiter verliefe und dort die Aufwickelwelle nicht bzw. nicht fest umfasse, handele es sich um nur einen Einführungsabschnitt, der dazu diene, die Aufwickelwelle in den für die Kraftübertragung relevanten Teil des hohlen Abschnitts einzuführen. Dieser Einführbereich sei indes kein hohler Anschnitt im Sinne des Klagepatents. Gegen diese künstliche Aufsplittung des hohlen Abschnitts in einen für die Lehre des Klagepatents relevanten und einen irrerelevanten Bereich spricht bereits, dass das Klagepatent selbst – weder in seinen Ansprüchen, noch in seiner Beschreibung des Ausführungsbeispiels – dem Fachmann einen Hinweis darauf gibt, dass es einen Einführungsabschnitt/-bereich geben soll. Entsprechendes kann der Fachmann auch nicht oben wiedergegebener Figur 1 entnehmen, da dort nicht zu erkennen ist, dass der hohlen Abschnitt in irgendeiner Form konisch verläuft, d.h. sich in Richtung des geschlossenen Endes verjüngt, so dass erst dort ein kraftschlüssiger Eingriff mit der Aufwickelwelle entsteht.
- Zu einem entsprechend den zuvor gemachten Ausführungen folgenden Verständnis ist auf das Oberlandesgericht Düsseldorf in seinem im vorangegangenen Berufungsverfahren ergangenen Urteil vom 11. Februar 2016 gelangt. Zwar war dort nicht die Beklagte, sondern ihre Muttergesellschaft verklagt und auch ein anderes Anschlussstück angegriffen. Die allgemeinen Ausführungen des Oberlandesgerichts zur Auslegung sind indes auf den hiesigen Fall ohne weiteres übertragbar, da die Klägerin aus dem gleichen Schutzrecht vorgegangen ist und zwar auch in der bereits zum damaligen Zeitpunkt eingeschränkten Fassung. Das OLG hat aus S. 17 seines Urteils insoweit ausgeführt (Hervorhebung hinzugefügt):
- „Um die Drehmomentübertragung auf die Aufwickelwelle (2) sicherzustellen (vgl. Merkmal 4.2. b) (1) (b) (b1)), ist an der Innenwand des hohlen Abschnitts (7) des Anschlussstücks ein Vorsprung (10) vorgesehen, der es erlaubt, die Aufwickelwelle (2) zum Drehen zu bringen (Merkmal (b1)). Damit der Vorsprung seine ihm zugedachte Mitnehmer-Funktion für die Aufwickelwelle wahrnehmen kann, darf er sich weder verformen noch darf er sonst beschädigt oder zerstört werden, weshalb der Vorsprung nicht nur aus Vollmaterial ausgebildet, sondern auch über die ganze Höhe (= axiale Tiefe) des hohlen Abschnitts (7) vorgesehen ist (Merkmale 4.2. b) (1) (b) (b3)), vgl. auch Absätze [0028] f.). Durch die besagte Erstreckung des Vorsprungs ist sichergestellt, dass die Drehmomentübertragung nicht nur in einem kleinen Bereich oder bloß linienförmig, sondern prinzipiell flächenmäßig über die gesamte Tiefe des hohlen Abschnitts erfolgt, was eine vergleichmäßigte, die Bauteile schonende Kraftübertragung zur Folge hat.“
- 1.2.
Ausgehend von diesem Verständnis konnte eine Verwirklichung des Merkmals 4.2.b)(1)(b)(b3) durch die angegriffenen Ausführungsformen vorliegend nicht festgestellt werden. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Vorsprung – wie in der nachfolgend wiedergegebenen Fotografie der angegriffen Ausführungsform klar ersichtlich ist – nicht über die ganze Höhe (= axial Tiefe) des hohlen Abschnitts verläuft, sondern nur bis knapp unter das der Aufwickelwelle zugewandte Ende der Innenwand. - Nach der unbestrittenen Angabe der Beklagten verläuft der Vorsprung nur über 88% der Höhe bzw. axialen Tiefe des hohlen Abschnitts, so dass es sich auch nicht um eine nur geringfügige, ggf. produktionsbedingte Abweichung handelt.
-
2.
Die angegriffenen Ausführungsformen verwirklichen demgegenüber die Merkmale 4.2.b)(1)(b)(b5) und (b6) unmittelbar wortsinngemäß. Danach weist ein klagepatentgemäßer Vorsprung ein zum Ankopplungsbereich an der Außenwand der Aufwickelwelle komplementäres, schlüssellochförmiges Profil auf, wobei der Vorsprung in Profilansicht einen kreisförmigen Abschnitt und einen trapezförmigen Abschnitt umfasst. Dabei ist die große Grundseite des trapezförmigen Abschnitts am kreisförmigen Abschnitt der Innenwand befestigt. - 2.1.
Das Klagepatent setzt somit – in Abgrenzung zum Stand der Technik – einen Vorsprung voraus, der ein bestimmtes Profil besitzt, nämlich das Profil eines Schlüssellochs. Entsprechend der üblichen Ausformung eines Schlüssellochs setzt sich ein entsprechendes Profil aus zwei wesentlichen geometrischen (Grund-)Formen zusammen, einem Kreisabschnitt und einem trapezförmigen Abschnitt. Der Anspruch legt darüber hinaus auch fest, wie das Profil des Vorsprungs in der Gesamtvorrichtung ausgerichtet sein muss, da der trapezförmige Abschnitt an der Innenwand befestigt sein muss. Daraus folgt, dass der kreisförmige Abschnitt am entgegengesetzten Ende des trapezförmigen Abschnitts, d.h. im Hohlraum bzw. in dessen Richtung angeordnet sein muss. Schließlich muss das Profil derart ausgestaltet sein, dass es mit dem Ankopplungsbereich der Aufwickelwelle im Sinne zweier komplementärer Bauteile zusammenwirkt. Keine Angaben macht das Klagepatent dagegen im Hinblick auf die Dimensionierung des Profils, insbesondere macht es keine Vorgaben dazu, dass der kreisförmige Abschnitt gleich groß bzw. größer zu sein hat, wie der trapezförmige Abschnitt. - Entsprechendes folgert der Fachmann bereits aus dem Sinngehalt des Anspruchswortlauts, der nur von einem schlüssellochartigen Profil spricht, ohne nähere Angaben dazu zu machen, dass einer der beiden Abschnitte (Kreis oder Trapez) den anderen Abschnitt in Größe oder Form zu überragen hat. Einzig aus dem Umstand, dass der Vorsprung durch seine zur Aufwickelwelle komplementäre Form mit dieser zusammenwirken soll, entnimmt der Fachmann einen Hinweis darauf, dass das Profil jedenfalls derart dimensioniert sein muss, um in den Ankopplungsbereich zu passen. Es darf daher weder zu klein noch zu groß sein. Nicht erforderlich ist indes, dass das Profil (mit seinem kreisförmigen Abschnitt), den Ankopplungsbereich vollständig bzw. nahezu vollständig ausfüllt.
- Unterstützung in diesem Verständnis findet der Fachmann in den Abätzen [0030]ff. der Beschreibung des Ausführungsbeispiels. Dort führt das Klagepatent aus:
- „[0030] Aus Abbildung 2 ist zu erkennen, dass der genannte Vorsprung 10 ein Profil in Form eines Schlüssellochs aufweist.
- [0031] Anders gesagt umfasst der genannte Vorsprung 10 in der Profilansicht einen kreisförmigen Teil und einen trapezförmigen Teil, dessen Grundseite mit dem kreisförmigen Teil der besagten Innenwand 8 verbunden ist.
- [0032] Diese Form ist komplementär zu Teil 11, das wiederum angepasst ist, um das genannte Kupplungsteil aufzunehmen, das im Allgemeinen eine kreisförmige Form hat.“
- Der Fachmann entnimmt diesen Stellen, dass die Ausgestaltung in Form eines schlüssellochartigen Profils dazu dienen soll, das Anschlussstück über den Vorsprung mit der Aufwickelwelle derart zu koppeln, dass eine Drehung des Anschlussstücks in eine Drehung der Aufwickelwelle umgesetzt wird. Dafür ist es erforderlich, dass der kreisförmige Abschnitt den vom Ankopplungsbereich gebildeten Hohlraum jedenfalls teilweise ausfüllt, so dass er nicht aus diesem Hohlraum herausrutschen kann.
- Dieses Zusammenwirken von Vorsprung und Ankopplungsbereich kann der Fachmann auch der nachfolgend verkleinert wiedergegebene Figur 2 entnehmen:
- Der Fachmann erkennt, dass der Vorsprung (10) aus einem kreisförmigen und einem trapezförmigen Abschnitt besteht, wobei der kreisförmige Abschnitt den (hohlen) Ankopplungsbereich der in das Anschlussstück eingesteckten Aufwickelwelle ausfüllt. Dass im vorliegenden Beispiel der gesamte Ankopplungsbereich ausgefüllt ist, ist unschädlich, da es sich nur um ein Ausführungsbeispiel handelt und das Klagepatent zudem in Absatz [0036] ausdrücklich klarstellt, dass es auch andere Varianten geben kann.
- Zu einem solchen Verständnis des schlüssellochartigen Profils ist auch das Oberlandesgericht Düsseldorf gelangt. So führt es in seinem Berufungsurteil auf Seite 18 aus (Hervorhebung hinzugefügt):
- „Die Bezugnahme auf eine Schlüssellochform lässt desweiteren einen Gestaltungsspielraum auch im Hinblick darauf zu, wie der kreisförmige Teil und der trapezförmige Teil des Schlüssellochs im Verhältnis zueinander dimensioniert sind. Der Patentanspruch verhält sich hierzu nicht limitierend. Jedenfalls in gewissen Grenzen kann der obere, runde Teil deshalb größer ausfallen als der untere, trapezförmige Teil, solange insgesamt die Form eines Schlüssellochs [und die technische Wirkung ihrer Bestandteile (Stützung der Aufwickelwelle, Anschlag- und Mitnahmefunktion)] nicht verloren geht.“
- Weiter führt es auf Seite 20 aus:
- „Vor diesem Hintergrund ist dem Fachmann klar, weshalb der Vorsprung nach der beanspruchten Lehre einen trapezförmigen und einen kreisförmigen Abschnitt aufweisen soll. Denn durch die so definierte Gestaltung des Vorsprungs wird dieser an die Rille einer gegebenen Antriebswelle angepasst (so auch die Einspruchsabteilung, deren Auffassung der Senat als fachkundige Stellungnahme zu berücksichtigen hat; Einspruchsentscheidung Seite 11 unten). Indem das Anschlussstück einen kreisförmigen Vorsprung aufweist, der über die ganze Höhe des hohlen Abschnitts vorgesehen ist, wird der bei der als gegeben vorausgesetzten Aufwickelwelle vorhandene Hohlraum, der in seinem weiteren Verlauf der Aufnahme der Haltestange dient (vgl. Absatz [0032], „barre d‘accrochage“), ausgefüllt, so dass der Hohlraum innerhalb der Aufwickelwelle zumindest reduziert wird (vgl. Absatz [0013]), wodurch die Verformung des in den hohlen Teil (7) der Innenwand (8) des Anschlussstücks hineinragenden Bereichs (11) verhindert wird (vgl. Absatz [0026]).“
- Demzufolge kommt auch das Oberlandesgericht Düsseldorf mit Blick auf den Anspruch zu dem Ergebnis, dass die Ausgestaltung des Vorsprungs in seinen das Schlüssellochprofils betreffenden Dimensionierung in das Belieben des Fachmanns gestellt ist.
- 2.2.
Unter Berücksichtigung dieses Verständnisses machen die angegriffenen Ausführungsformen Gebrauch von den vorgenannten Merkmalen. - Der Vorsprung in den angegriffenen Anschlusstücken weist in seinem Profil die Form eines Schlüssellochs auf, wobei der kreisförmige Abschnitt kleiner ist, als der trapezförmige Abschnitt. Auf die exakte Dimensionierung kommt es dem Klagepaten indes nicht an, sondern nur darauf, dass die Form insgesamt einem Schlüsselloch entspricht. Darauf, dass die Kreisform – wie die Beklagte behauptet – produktionsbedingt sei und daher von der Beklagten nur bedingt beeinflusst werden könne, kommt es nicht an. Entscheidend ist, dass der Vorsprung die beanstandete Form aufweist und nicht, wieso er dies tut. Daneben ist aber auch weder vorgetragen, noch ersichtlich, wieso es der Beklagten unmöglich sein sollte, die Kreisform zu vermeiden. Dies gilt insbesondere mit Blick auf den Stand der Technik, in denen die Vorsprünge ohne kreisförmige Abschnitte ausgebildet waren.
-
III.
Vor dem Hintergrund der zur unmittelbaren wortsinngemäßen Verletzung des Anspruchs 1 gemachten Ausführungen, scheidet vorliegend auch eine unmittelbare Verletzung des Anspruchs 3 aus. Dieser schützt eine Vorrichtung zum Auf-/Abwickeln eines aufwickelbaren Elements wie einer Fahrzeugplane, zum Bestücken von Anhänger- oder LKW-Aufbauten, umfassend einen Antriebsmechanismus, eine Übertragungswelle, eine Aufwickelwelle und ein Anschlussstück nach irgendeinem der Ansprüche 1 bis 2 des Klagepatents. Somit werden von Anspruch 3 nicht nur das Anschlussstück, sondern auch die übrigen Bestandteile der gesamten Aufwickelvorrichtung beansprucht. Indes fehlt es – wie zuvor ausgeführt – bereits an einem Anschlussstück nach Anspruch 1. -
IV.
Im Hinblick auch die hilfsweise von der Klägerin geltend gemachte äquivalente Patentverletzung fehlt es vorliegend bereits an einem hinreichend bestimmten Klageantrag, jedenfalls vermochte die Kammer nicht festzustellen, dass die Voraussetzungen einer äquivalenten Patentverletzung vorliegen. - 1.
Die auf die unmittelbar äquivalente Verletzung der Ansprüche 1 und 3 gerichteten Anträge sind zu unbestimmt. - Gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO müssen die gestellten Anträge bestimmt sein. Kommt eine äquivalente Benutzung des Klagepatents in Betracht, so kann für die Antragsfassung beim Unterlassungsanspruch auf den Anspruchswortlaut des Patents nur insoweit zurückgegriffen werden, wie dessen Merkmale von der angegriffenen Ausführungsform wortsinngemäß verwirklicht werden. Soweit demgegenüber abgewandelte Lösungsmittel verwendet werden, haben im Klageantrag – unter Berücksichtigung der dem Patentanspruch eigenen Abstraktionsebene – diejenigen technischen Ersatzmittel aufzuscheinen, die – trotz ihrer Abweichung vom Wortlaut des Patentanspruchs – unter Äquivalenzgesichtspunkten die Einbeziehung der angegriffenen Ausführungsform in den Schutzbereich des Klagepatents rechtfertigen (vgl. BGH GRUR 2010, 314, 318 – Kettenradanordnung II; Kühnen, a.a.O., Kapitel D. Rn. 350).
- Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind die auf die äquivalente Benutzung des Klagepatents gerichteten Anträge der Klägerin zu unbestimmt. Denn anstelle das bzw. die jeweilige(n) Austauschmittel in geeigneter Weise zu benennen, hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung ihren zunächst angekündigten Antrag, der im Vergleich mit den auf die unmittelbare wortsinngemäße Verletzung gerichteten Anträgen nur um den Zusatz „wenn das zweite Ende des Anschlussstücks ausgestaltet ist wie Anlage 16“ ergänzt war, leicht modifiziert und als Austauschmittel einen fest mit der Innenwand verbunden Vorsprung aus Vollmaterial benannt, der „über ca. 90% der Höhe des gesamten hohlen Abschnitts vorgesehen ist“. Zwar dürfte durch die gestellte Antragsfassung hinreichend deutlich zum Ausdruck kommen, dass das Austauschmittel ein im Verhältnis zur Höhe des hohlen Abschnitts verkürzter Vorsprung sein soll. Indes ist die Angabe „ca. 90% der Höhe“ nicht geeignet, einem auf diesen Antrag hin ergangenen Titel einen vollstreckungsfähigen Inhalt zu geben. Denn durch die ungefähre Angabe von ca. 90% wird nicht hinreichend klar, ab wann ein Vorsprung vom Titel umfasst sein soll und welche Abweichung von den 90% genügen, um aus einer Verletzung herauszukommen. Die Klägerin hätte mit Blick auf die Bestimmtheit einen klar abgrenzbaren Bereich, bspw. 80-90% der Höhe, oder einen bestimmten Wert, bspw. 88%, angeben müssen, damit die Vollstreckung nicht vom Belieben des Vollstreckungsorgans abhängt. Entsprechendes wäre der Klägerin auch ohne weiteres möglich gewesen, da zwischen den Parteien unstreitig ist, dass der Vorsprung in den angegriffenen Anschlussstücken über 88% der Höhe des hohlen Abschnitts verläuft. Auch der Verweis auf die Anlage 16 ist nicht geeignet, dem Antrag die erforderliche Bestimmtheit zu geben. Unabhängig von der Frage, ob in Anträgen bzw. in einem Tenor die Bezugnahme auf Anlagen überhaupt zulässig ist, mag ein entsprechender Zusatz zwar geeignet sein, ein vorher konkret benanntes Austauschmittel noch weiter zu konkretisieren, er kann indes die konkrete Benennung des Austauschmittels nicht ersetzen.
- 2.
Vorliegend hat die Klägerin auch nicht hinreichend dargelegt, dass die Voraussetzungen der Äquivalenz erfüllt sind. - Für eine äquivalente Verletzung müssen nach ständiger Rechtsprechung drei Voraussetzungen erfüllt sein: Die Ausführung muss erstens das der Erfindung zu Grunde liegende Problem mit zwar abgewandelten, aber objektiv gleichwirkenden Mitteln lösen (Gleichwirkung). Zweitens müssen seine Fachkenntnisse den Fachmann befähigen, die abgewandelte Ausführung mit ihren abweichenden Mitteln als gleichwirkend aufzufinden (Auffindbarkeit). Die Überlegungen, die der Fachmann hierzu anstellen muss, müssen schließlich drittens am Sinngehalt der im Patentanspruch unter Schutz gestellten Lehre orientiert sein (Gleichwertigkeit). Sind diese Voraussetzungen erfüllt, ist die abweichende Ausführung mit ihren abgewandelten Mitteln aus fachmännischer Sicht als der wortsinngemäßen Lösung gleichwertige (äquivalente) Lösung in Betracht zu ziehen und damit nach dem Gebot des Art. 2 des Protokolls über die Auslegung des Art. 69 EPÜ bei der Bestimmung des Schutzbereichs des Patents zu berücksichtigen (vgl. BGH, GRUR 2015, 361 – Kochgefäß; GRUR 2011, 701, 704 – Okklusionsvorrichtung; GRUR 2016, 921, 924 – Pemetrexed).
- Die wortsinngemäße Anspruchsverwirklichung der Ansprüche 1 und 3 scheitert – wie zuvor ausgeführt – nur daran, dass der erfindungswesentliche Vorsprung in den angegriffenen Ausführungsformen nicht wie von Merkmal 4.2.b)(1)(b)(b3) gefordert über die ganze Höhe des hohlen Abschnitts verläuft, sondern nur über 88%. Dementsprechend kommt dieser verkürzte Vorsprung als Austauschmittel in Betracht.
- 2.1.
Vorliegend fehlt es jedoch bereits an einer hinreichenden Darlegung dafür, dass der verkürzte Vorsprung mit einem klagepatentgemäßen Vorsprung gleichwirkend ist, mithin die gleichen vom Schutzecht erstrebten Wirkungen zur Lösung des der Erfindung zu Grunde liegenden Problems entfaltet. - Das Klagepatent bezweckt die Bereitstellung eines Anschlussstücks, welches unter anderem dazu dienen soll, die bei Aufbringung einer Kraft zum Drehen der Aufwickelwelle wirkenden Kräfte möglichst homogen auf diese Welle zu übertragen, um etwaige Verformungen zu verhindern. Die für das Vorliegen der zuvor genannten Voraussetzungen darlegungs- und beweisbelastete Klägerin hat unter Bezugnahme auf eigene Untersuchungen vorgetragen, dass sich die im Markt befindlichen Aufwickelwellen bei Einsatz eines aus dem Stand der Technik bekannten Anschlussstücks (mit quadratisch ausgeformten Vorsprung) bereits bei einem Krafteinsatz von 190 Nm verformten, wohingegen die Aufwickelwelle sowohl beim Einsatz des klägerischen Anschlussstücks als auch bei Einsatz der angegriffenen Ausführungsform (und auch der nicht angegriffenen Nachfolgeversion V3) bei einem Kraftaufwand von 200 Nm keine Verwindungen der Aufwickelwelle verursachten. Erst bei einem – im realen Betrieb nicht auftretenden – Kraftaufwand von 240 Nm, würde sich die Aufwickelwelle bei Einsatz der angegriffenen Ausführungsform verwinden, gleichwohl aber mit der Welle fest verbunden bleiben. Dies reiche aus, um die Gleichwirkung feststellen zu können.
- Die Kammer vermocht mangels weiterer Angaben nicht nachzuvollziehen, wieso die Klägerin für die Gleichwirkung einen Kraftaufwand von 200 Nm als zu erfüllenden Wert gewählt hat. Trotz entsprechendes Hinweises der Kammer in der mündlichen Verhandlung, hat die Klägerin zur Wahl des Schwellenwertes keine Angaben mehr gemacht. Selbst wenn man zu Gunsten der Klägerin unterstellt, dass der gewählte Wert den üblicherweise im Einsatz entstehenden Kräften entspricht, vermochte die Kammer nicht zu erkennen, dass die bezweckte Wirkung (homogene Kraftverteilung) gerade durch das Austauschmittel gleichfalls erreicht wird. Denn die Klägerin stellt der angegriffenen Ausführungsform kein Vergleichsmodell mit lediglich verlängertem, anspruchsgemäßen Vorsprung gegenüber, sondern ihre eigenes Produkt, welches neben einem längeren Vorsprung auch über ein anders dimensioniertes Schlüssellochprofil verfügt, wie der Anlage K 14 entnommen werden kann. Das Klagepatent selbst stellt für die Zweckerreichung auch nicht alleine auf den Vorsprung bzw. dessen Höhe, sondern explizit auch auf dessen Form (Schlüssellochprofil im Gegensatz zum vorbekannten quadratische Profil) ab.
- 2.2.
Unabhängig von der Frage der Gleichwirkung lag das Austauschmittel für den Fachmann indes nahe, da es für ihn zum Prioritätszeitpunkt des Schutzrechts auf Grundlage seines Fachwissens auffindbar war, ohne das er dabei erfinderisch tätig sein musste. Dabei gelten für das Naheliegen die gleichen Maßstäbe wie bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit (vgl. Kühnen, a.a.O., Kapitel A., Rn. 124). - Der Fachmann, der sich zum hier maßgeblichen Prioritätszeitpunkt, den 1. Juli 2002, vor der Aufgabe gestellt sah, ein Anschlussstück nach der beanspruchten Art zu schaffen, vermochte ohne weiteres in Erwägung zu ziehen, den Vorsprung nicht über die gesamte Höhe des hohlen Abschnitts auszugestalten, sondern ggf. etwas kürzer, etwa um Material zu sparen. Ihm war dabei bewusst, dass die Wirkung des Vorsprungs nicht zuletzt auch von seiner absoluten Länge und nicht nur von dem Dimensionierungsverhältnis zur Innenwand des Anschlussstücks abhängt. So war es für ihn bereits auf Grund seiner Kenntnisse im Bereich des Werkzeugbaus klar, dass er das Anschlussstück auch dergestalt ausformen kann, dass er einen – etwa im Vergleich mit dem anspruchsgemäßen Anschlussstück der Klägerin – längeren Vorsprung und einem nochmals längeren Wandabschnitt bilden kann.
- 2.3.
Schließlich fehlt es aber neben der Gleichwirkung jedenfalls auch an der Gleichwertigkeit des Austauschmittels. - a)
Gleichwertigkeit setzt voraus, dass diejenigen Überlegungen, die der Fachmann anzustellen hat, um zu der gleichwirkenden Abwandlung zu gelangen, derart am Sinngehalt der im Patentanspruch unter Schutz gestellten Lehre orientiert sind, dass der Fachmann die abweichende Ausführung mit ihren abgewandelten Mitteln als der gegenständlichen Lehre gleichwertig Lösung in Betracht zieht. Es ist mithin nicht ausreichend, dass der Fachmann auf Grund seines Fachwissens eine Lehre als technisch sinnvoll und gleichwirkend zu der in den Patentansprüchen formulierten Lehre erkennt. Vielmehr müssen sich seine Überlegungen an der Patentschrift (und hier genauer an den Ansprüchen) orientieren, wobei sich aus einer objektiven Betrachtung des Patents eine engere Anspruchsfassung ergeben kann, als die nach dem technischen Gehalt der Erfindung und gegenüber dem Stand der Technik geboten wäre. Der Patentanmelder ist an die technische Lehre gebunden, die er unter Schutz hat stellen lassen (vgl. Kühnen, a.a.O., Kapitel A., Rn 125). Es reicht indes nicht aus, die Orientierung isoliert für das abgewandelte Mittel festzustellen; vielmehr muss die angegriffene Ausführungsform in ihrer für die Merkmalsverwirklichung relevanten Gesamtheit eine auffindbar gleichwertige Lösung darstellen (BGH GRUR 2007, 959, 961 – Pumpeneinrichtung). Die vom Patent umfasste technische Lehre muss dabei als sinnhaft hingenommen und darf bei der Suche nach einem Austauschmittel in ihrer sachlichen Berechtigung nicht infrage gestellt werden. Dies bedeutet allerdings nicht, dass die Beschreibung des Klagepatents Ausführungen enthalten müssen, die den Fachmann zu der Abwandlung hinführen; solche Darlegungen können zwar die Annahme der Anspruchsorientierung stützen; sie sind hierfür aber keine notwendige Bedingung (BGH GRUR 2014, 852 – Begrenzungsanschlag; Kühnen, a.a.O., Kapitel A., Rn 125). - Maßgeblich ist, dass der Fachmann auf der Grundlage der Klagepatentschrift und der im Anspruch beschriebene Erfindung die Abwandlung als gleichwirkendes Lösungsmittel auffinden können muss. Daran fehlt es, wenn zwar Anlass zu der Annahme besteht, dass der Fachmann mithilfe seines allgemeinen Wissens erkennt, dass die erfindungsgemäße Aufgabe auch durch die fragliche Abwandlung gelöst wird, der Inhalt der Patenschrift jedoch zu dem Schluss führt, dass des Abwandlung vom Patent nicht erfasst werden sollte. Die Abwandlung darf sich also nicht in Widerspruch zu derjenigen technischen Lehre setzen, die der anhand der Patentbeschreibung ausgelegte Patentanspruch dem Fachmann nun einmal (egal, ob technisch sinnvoll oder nicht) gibt (vgl. Kühnen a.a.O., Kapitel A., Rn. 127). So gilt etwa für den Bereich von in Patentansprüchen enthaltener Zahlen- und Maßangaben, dass eine Gleichwertigkeit bei Unter- bzw. Überschreitung des beanspruchten Bereichs ausscheidet, wenn die Patentschrift dem Fachmann den Eindruck vermittelt, es handele sich um einen kritischen Wert (vgl. Kühnen, a.a.O., Kapitel A., Rn. 190).
- b)
Unter Beachtung dieser Grundsätze sind die Überlegungen, die der Fachmann vorliegend anstellen musste, um zu der Abwandlung zu kommen, nicht an der Lehre des Patentanspruchs orientiert. Denn der Patentanspruch gibt eine bestimmte Dimensionierung zwischen Vorsprung und Innenwand vor, die der Fachmann auch als für die Erreichung der Ziele, Sicherstellung einer homogenen Kraftverteilung und hinreichende Einwirkung auf die Aufwickelwelle, erheblich erkennt. Das Klagepatent legt sich hier – anders als etwa bei der Dimensionierung des Schlüssellochprofils – auf ein bestimmtes Größenverhältnis fest. Der Fachmann hat daher keinen Anlass, eine andere Dimensionierung zur Erreichung des Zwecks in Erwägung zu ziehen. Dies gilt insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass das Klagepatent als Stand der Technik auf solche Anschlusstücke Bezug nimmt, die – wie auch das Oberlandesgericht Düsseldorf in seinem Berufungsurteil vom 11. Februar 2016 ausgeführt hat – über Vorsprünge bzw. vergleichbare Mittel verfügen, die eine geringere Höhe als die Innenwand aufweisen. Das Klagepatent möchte sich von diesen Anschlussstücken jedoch gerade absetzen. Entsprechendes gilt auch für Überlegungen des Fachmanns mit Blick auf den – von der Klägerin angenommenen – Einführungsabschnitt. Es ist nicht ersichtlich, wie der Fachmann – ausgehend von der Patentschrift – auf die Ausbildung eines entsprechenden Abschnitts kommen sollte, zumal das Klagepatent die Einführung der Aufwickelwelle in das Anschlussstück an keiner Stelle als problematisch thematisiert. - V.
Da das unter anderem angegriffene Anschlussstück weder mit Blick auf eine unmittelbare, noch unter dem Gesichtspunkt der Äquivalenz von der Lehre des Klagepatents Gebrauch macht, scheidet vorliegend auch eine mittelbare Patentverletzung des Anspruchs 3 durch Angebot und Lieferung der angegriffenen Ausführungsformen aus. Denn es fehlt insoweit an einem Mittel, das sich auf ein wesentliches Element der Erfindung bezieht, vgl. § 10 Abs. 1 PatG. - B.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO.