Düsseldorfer Entscheidungsnummer: 2968
Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 17. November 2019, Az. 4b O 112/16
- I. Das Versäumnisurteil vom 16. Dezember 2016 wird aufgehoben.
- II. Die Klage wird abgewiesen.
- III. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
- IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
- Tatbestand
- Die Klägerin nimmt die Beklagte aus dem deutschen Teil des europäischen Patents 1 979 XXX B1 (Klagepatent, Anlage K1) auf Unterlassung, Rechnungslegung, Rückruf patentverletzender Erzeugnisse sowie Feststellung der Schadensersatzpflicht in Anspruch.
- Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des Klagepatents, das am 12. Januar 2007 unter Inanspruchnahme einer Priorität vom 18. Januar 2006 angemeldet wurde. Die Anmeldung wurde am 15. Oktober 2008 veröffentlicht, der Hinweis auf die Patenterteilung am 29. September 2010. Das Klagepatent steht in der Bundesrepublik Deutschland in Kraft.
- Das Klagepatent trägt die Bezeichnung „Schaumstoffe auf Basis thermoplastischer Polyurethane“. Seine Ansprüche 10 bis 12 und 14 lauten wie folgt:
- 10. Verfahren zur Herstellung von expandiertem thermoplastischen Polyurethan, dadurch gekennzeichnet, dass man ein thermoplastisches Polyurethan mit einer Shore-Härte zwischen A 44 und A 84 gegebenenfalls zusammen mit Zusatzstoffen zu einem Granulat mit einem mittleren Durchmesser von 0,2 bis 10 mm extrudiert, das Granulat mit 0,1 bis 40 Gew.-%, bezogen auf das Gesamtgewicht des Granulats, eines Treibmittels unter Druck bei Temperaturen im Bereich von 100 bis 150°C imprägniert und anschließend entspannt.
- 11. Verfahren zur Herstellung von expandiertem thermoplastischen Polyurethan, dadurch gekennzeichnet, dass man ein thermoplastisches Polyurethan mit einer Shore-Härte zwischen A 44 und A 84 zusammen mit 0,1 bis 40 Gew.-%, bezogen auf das Gesamtgewicht des Granulats, eines Treibmittels gegebenenfalls mit Zusatzstoffen auf einem Extruder aufschmilzt und die Schmelze ohne Vorrichtungen, die ein Aufschäumen verhindert, granuliert.
- 12. Expandiertes thermoplastisches Polyurethan erhältlich durch ein Verfahren gemäß einem der Ansprüche 10 und 11.
- 14. Verfahren zur Herstellung von Schaumstoff auf der Basis von thermoplastischem Polyurethan, dadurch gekennzeichnet, dass man expandiertes thermoplastisches Polyurethan gemäß Anspruch 14 mittels Wasserdampf mit einer Temperatur zwischen 100 Grad Celsius und 140 Grad Celsius zu einem Formkörper verschweißt.“
- Die Beklagte ist ein chinesischer Anbieter von Polymeren und speziell von thermoplastischen Polyurethanen (nachfolgend: TPU). Die Beklagte war im Zeitraum vom 19. bis zum 26. Oktober 2016 auf der in C stattfindenden Messe „B“ mit einem Stand vertreten. Auf ihrem Stand bewarb sie unter der Sammelbezeichnung „D“ expandierte thermoplastische Polyurethane (nachfolgend: eTPU). Zu den beworbenen Produkten zählte insbesondere eTPU mit den Produktbezeichnungen E (angegriffene Ausführungsform 1) und F (angegriffene Ausführungsform 2), zudem waren Muster des eTPU-Granulats am Stand der Beklagten ausgestellt. Auf ihrem Stand bewarb die Beklagte dabei nicht allein das eTPU, sondern auch hieraus erhältliche Schaumstoffformteile (angegriffene Ausführungsform 3), wie etwa Schuhzwischensohlen. Die angegriffenen Ausführungsformen finden sich auch in einem als Anlage K 7 vorgelegten Katalog der Beklagten, auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird.
-
Die Klägerin sieht in dem Messeauftritt der Beklagten ein patentverletzendes Angebot der angegriffenen Ausführungsformen.
Die angegriffenen Ausführungsformen hätten eine Shore-Härte im Bereich von A 44 bis A 84. Dies habe – so die Behauptung der Klägerin – ein Mitarbeiter der Beklagten, Herr G, auf konkrete Nachfrage zu den angegriffenen Ausführungsformen mitgeteilt. Weiterhin behauptet die Klägerin, sie habe die angegriffene Ausführungsform 1 in China erworben, erwärmt und zu einem Spritzgussteil geformt, so dass eine Shore-Härte-Prüfung habe durchgeführt werden können. Die Shore-Härte betrage A 81 (15 s) bzw. A 82 (3 s).
Hinsichtlich der weiteren Merkmale ist die Klägerin der Ansicht, es handele sich um das Erzeugnis indirekt definierende Verfahrensschritte, die sich nicht räumlich-körperlich niederschlagen würden. So beeinflusse der Treibmittelanteil die Expandierbarkeit der eTPU und ihre Schüttdichte nach der Entspannung. Dieser Effekt zeige sich aber – wie von ihr durchgeführte Untersuchungen an dem klägerischen Produkt H bewiesen – nur bis zu einem Treibmittelanteil von etwa 35 Gew.-%. Ein höherer Treibmittelanteil wirke sich auf die eTPU nicht aus. Wenn die Partikel nicht kollabierten, diffundiere überschüssiges Treibmittel heraus und entweiche. Der abweichende Vortrag der Beklagten sei nicht glaubhaft. Er laufe auf eine Verschwendung von Treibmittel heraus. Soweit die Beklagte vortrage, die angegriffene Ausführungsform nach der chinesischen Patentanmeldung CN 107325XXX A (nachfolgend: CN XXX A) herzustellen, stehe eine Rückprallelastizität der angegriffenen Ausführungsform von 55 % dazu im Widerspruch. Denn nach der CN XXX hätten Produkte aus dem Stand der Technik eine solche Rückprallelastizität.
Der mittlere Durchmesser des Ausgangsgranulats lasse sich aus der Dichte dieses Granulats und des eTPU errechnen. Er liege mit 6 bis 9 mm im beanspruchten Bereich.
Soweit es darauf noch ankomme, sei der Beklagte aufzugeben, das angegriffene TPU bzw. eTPU sowie das Herstellungsdatenblatt nach §§ 142, 144 ZPO vorzulegen und ggf. mit Hilfe eines Sachverständigen zu begutachten. - Die Klägerin hat ursprünglich gestützt auf die Kombination der Ansprüche 12 und 11 sowie 14, 12 und 11 beantragt, die Beklagte zur Unterlassung von Angebot, Vertrieb, Gebrauch, Einfuhr und Besitz der durch Verfahren nach den Patentansprüchen 11 und 12 bzw. 11, 12 und 14 hergestellten eTPU und Schaumstoffe, Auskunft über den Umfang der Verletzungshandlungen, Rückruf, Entfernung und Vernichtung der hergestellten Erzeugnisse zu verurteilen sowie die Schadensersatzpflicht der Beklagten festzustellen.
- Nach Rücknahme der Anträge auf Entfernung aus den Vertriebswegen und Vernichtung hat die Kammer die Beklagte im schriftlichen Vorverfahren mit Versäumnisurteil vom 16. Dezember 2016, der Beklagten zugestellt am 2. April 2018, antragsgemäß verurteilt. Gegen das Versäumnisurteil hat die Beklagte mit einem am 9. April 2018 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Einspruch eingelegt.
- Die Klägerin beantragt nunmehr,
- das Versäumnisurteil vom 16. Dezember 2016 mit der Maßgabe aufrechtzuerhalten
- I. die Beklagte zu verurteilen,
- 1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 Euro – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an ihrem Geschäftsführer zu vollziehen ist, zu unterlassen,
- a) expandiertes thermoplastisches Polyurethan
- in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
- erhalten durch ein Verfahren zur Herstellung von expandiertem thermoplastischen Polyurethan, bei dem man ein thermoplastisches Polyurethan mit einer Shore-Härte zwischen A 44 und A 84 gegebenenfalls zusammen mit Zusatzstoffen zu einem Granulat mit einem mittleren Durchmesser von 0,2 bis 10 mm extrudiert, das Granulat mit 0,1 bis 40 Gew.-%, bezogen auf das Gesamtgewicht des Granulats, eines Treibmittels unter Druck bei Temperaturen im Bereich von 100 bis 150°C imprägniert und anschließend entspannt;
- b) Schaumstoff
- in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
- wobei der Schaumstoff auf der Basis von thermoplastischem Polyurethan hergestellt ist, durch ein Verfahren, bei dem man expandiertes thermoplastisches Polyurethan gemäß Ziffer I. 1. a) mittels Wasserdampf mit einer Temperatur zwischen 100 und 140°C zu einem Formkörper verschweißt;
- 2. der Klägerin schriftlich in einer geordneten, nach Kalendervierteljahren sortierten und jeweils Zusammenfassungen enthaltenden Aufstellung darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagte die unter Ziffer I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 29. Oktober 2010 vorgenommen hat, und zwar unter Angabe
- a) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden, sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
- b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer, sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
- c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
- d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, im Falle von Internetwerbung, der Domain, der Zugriffszahlen und der Schaltungszeiträume,
- e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
- wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Belege (Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) vorzulegen sind;
- wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
- 3. die vorstehend unter Ziffer I. 1. bezeichneten, seit dem 29. Oktober 2010 im Besitz gewerblicher Abnehmer befindlichen Erzeugnisse aus den Vertriebswegen zurückzurufen, indem diejenigen Dritten, denen durch die Beklagte oder mit deren Zustimmung Besitz an den Erzeugnissen eingeräumt wurde, unter Hinweis auf die Verletzung des Klagepatents ernsthaft aufgefordert werden, die Erzeugnisse an die Beklagte zurückzugeben, und den Dritten für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Rückzahlung des gegebenenfalls bereits gezahlten Kaufpreises sowie die Übernahme der Kosten der Rückgabe zugesagt wird;
- II. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr seit dem 29. Oktober 2010 durch die zu Ziffer I. 1. bezeichneten Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
- Die Beklagte beantragt,
- das Versäumnisurteil vom 16. Dezember 2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
-
Die Beklagte hält die Klage für unzulässig. Es fehle an der internationalen und örtlichen Zuständigkeit. Sie – die Beklagte – habe die angegriffenen Ausführungsformen zwar im Jahr 2016 auf der Messe „C“ ausgestellt. Es handele sich dabei aber nicht um ein Anbieten im patentrechtlichen Sinne. Der Messeauftritt habe nur der Information über die Leistungsfähigkeit der Beklagten und als Plattform für Geschäfts- und Unternehmenskommunikation gedient. Weiterhin widerspricht die Beklagte der Klageänderung.
Im Übrigen ist sie der Ansicht, die angegriffenen Ausführungsformen machten von der Lehre des Klagepatents keinen Gebrauch. Sie behauptet, die Shore-Härte der angegriffenen Ausführungsformen liege bei A 85 oder höher. Andere Aussagen seien auf der Messe „C“ nicht getätigt worden oder hätten sich auf ein anderes Produkt bezogen, das aber nicht aus TPU bestehe. Konkret betrage die Shore-Härte der angegriffenen Ausführungsform 1 A 87 +/- 1 in Abhängigkeit von Fertigungstoleranzen. Aus der Rückprallelastizität der angegriffenen Ausführungsform könne nicht auf abweichende Shore-Härten geschlossen werden. Die angegriffenen Ausführungsformen würden jedenfalls nach der CN XXX A hergestellt. Dabei werde auch ein Treibmittelanteil über 40 Gew.-% verwendet, bei der angegriffenen Ausführungsform nämlich ein Anteil von 55 bis 65 Gew.-%. Dass dies durchaus möglich sei, ergebe sich nicht nur aus der CN XXX A, sondern auch aus der WO 94/20XXX der Klägerin selbst. Soweit die Klägerin Versuche durchgeführt habe, um zu belegen, dass sich ein Treibmittelanteil von (nun) über 35 Gew.-% nicht auswirke, seien diese nicht aussagekräftig. Es sei nur ein Produkt geprüft worden; es gebe keine Kontrollversuche; zudem sei bei den verschiedenen Versuchen die Temperatur verändert worden, was durchaus Auswirkungen auf die Schüttdichte habe.
Was die Berechnungen des mittleren Durchmessers des Ausgangsgranulats angehe, seien diese nicht haltbar. Es sei nicht nachvollziehbar, woher die Ausgangsdaten stammten.
Im Übrigen löse die Ausstellung von eTPU und des Produktkatalogs auf der Messe „C“ keine Erstbegehungs- oder Wiederholungsgefahr aus, so dass ein Unterlassungsanspruch nicht bestehe. Auch ein Anspruch auf Rückruf aus den Vertriebswegen bestehe nicht, weil die Klägerin selbst nicht behaupte, dass die angegriffenen Ausführungsformen in der Bundesrepublik Deutschland in den Verkehr gebracht worden seien. Selbst das Angebot solcher Produkte genüge für sich genommen dafür nicht und auch nicht für die Feststellung eines Schadensersatzanspruchs. - Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
- Entscheidungsgründe
- Durch den form- und fristgerecht eingelegten Einspruch ist der Prozess in die Lage zurückversetzt, in der er sich vor Eintritt der Versäumnis befand, § 342 ZPO. Nach mündlicher Verhandlung und Übergang in das schriftliche Verfahren ist das Versäumnisurteil vom 16. Dezember 2016 allerdings aufzuheben und die Klage abzuweisen, § 343 ZPO. Denn die Klage ist zwar zulässig, aber unbegründet.
-
A
Die Klage ist zulässig. - I.
Das Landgericht Düsseldorf ist für die Entscheidung des Rechtsstreits international und örtlich zuständig. - Die internationale sowie örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Düsseldorf folgt aus § 32 ZPO. Letztere regelt vorbehaltlich vorrangiger internationaler Vereinbarungen auch die internationale Zuständigkeit. Internationale Vereinbarungen über die internationale Gerichtszuständigkeit bestehen im Verhältnis der Volksrepublik China und Deutschland nicht. Insofern folgt die internationale Zuständigkeit aus der örtlichen Zuständigkeit des Landgerichts Düsseldorf. Diese wiederum ergibt sich aus dem Vortrag der Klägerin, die Beklagte habe auf der internationalen Messe „C“ in Düsseldorf die angegriffenen Ausführungsformen gemäß § 9 S. 2 Nr. 1 und 3 PatG angeboten und dadurch eine Patentverletzung begangen. Nach ihrem Vortrag liegen Handlungs- und Erfolgsort einer deliktischen Handlung im Landgerichtsbezirk Düsseldorf.
- Soweit die Beklagte dagegen einwendet, die Handlungen der Beklagten auf der Messe C stellten kein Anbieten im Sinne von § 9 S. 2 Nr. 1 und 3 PatG dar, führt dies nicht dazu, dass nunmehr die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Düsseldorf zu verneinen ist. Ob das Verhalten der Beklagten nämlich eine Patentverletzung darstellt, ist zugleich eine Frage der materiell-rechtlichen Anspruchsbegründung. Ergibt sich aber die Zuständigkeit zugleich aus den zur Begründung des erhobenen Anspruchs vorgebrachten Tatsachen (so genannte doppeltrelevante Tatsachen), ist zur Begründung der örtlichen Zuständigkeit lediglich erforderlich, dass der Kläger schlüssig Tatsachen behauptet, aus denen sich das Vorliegen einer im Gerichtsbezirk begangenen unerlaubten Handlung ergibt. Werden diese Tatsachen nicht erwiesen, ist die Klage unbegründet, nicht etwa nur unzulässig (Zöller/Schultzky, ZPO 32. Aufl.: § 32 Rn 22). Andernfalls könnte gegen den Kläger insoweit kein Sachurteil an einem besonderen Gerichtsstand ergehen (Zöller/Schultzky, ZPO 32. AUfl.: § 12 Rn 14).
- II.
Streitgegenständlich sind die zuletzt von der Klägerin gestellten Klageanträge. Die Änderung der Klageanträge gegenüber den ursprünglich angekündigten, dem Versäumnisurteil vom 16. Dezember 2016 zugrundeliegenden Klageanträgen ist zulässig. Ob die den Ansprüchen 10, 12 und 14 angepasste Antragsänderung bereits gemäß § 264 ZPO zulässig ist, kann dahinstehen, da sie jedenfalls sachdienlich ist im Sinne von § 263 ZPO. Es ist der Klägerin überlassen zu entscheiden, welche Patentansprüche sie gegen die Beklagte geltend macht. Dies kann auch einen Austausch der zugrundeliegenden Ansprüche bedeuten, wenn es aus dem Prozessverlauf nach Auffassung der Klägerin notwendig erscheint. Dies ist prozessökonomisch, wenn – wie hier – dadurch ein weiterer Prozess vermieden wird und die bisherigen Prozessergebnisse jedenfalls teilweise verwertet werden können. Der Klagegrund, die Ausstellung der angegriffenen Ausführungsform auf der Messe „C“, hat sich durch die angepasste Antragsfassung aber nicht geändert und Patentanspruch 10 unterscheidet sich von Anspruch 11 nur marginal. -
B
Die Klage ist unbegründet. - Die Klägerin hat gegen die Beklagte keine Ansprüche auf Unterlassung, Rechnungslegung, Rückruf und Schadensersatz. Sie ergeben sich nicht aus Art. 64 EPÜ i.V.m. §§ 139 Abs. 1 und 2, 140a Abs. 3, 140b Abs. 1 PatG, §§ 242, 259 BGB. Angebot und Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform stellen keine unmittelbare Verletzung von Anspruch 12 und 10 bzw. 14, 12 und 10 des Klagepatents dar.
-
I.
Die dem Klagepatent zugrundeliegende Erfindung betrifft expandierbares TPU und Verfahren zu seiner Herstellung, expandiertes TPU und Verfahren zu seiner Herstellung sowie Schaumstoff auf der Basis von TPU und Verfahren zu seiner Herstellung. - Das Klagepatent führt zum Stand der Technik aus, dass Schaumstoffe, insbesondere Partikelschaumstoffe, seit langem bekannt und in der Literatur vielfach beschrieben seien, zum Beispiel in Ullmanns „Encyklopädie der technischen Chemie“, 4. Aufl., Bd. 20, S. 416 ff. In der DE XXX5714 A1 seien glasfaserverstärkte TPU-Schaumstoffe erwähnt, die auf einer Spritzgießmaschine hergestellt würden. In den Ausführungsbeispielen seien Dichten von 800 g/L und größer angegeben. Es handele sich um geschäumte TPU-Platten, nicht um Partikelschaumstoffe.
- Partikelschaumstoffe auf Basis von TPU seien in der WO 94/20XXX offenbart. Die Klagepatentschrift sieht als Nachteil dieser Schaumstoffe den hohen Energieaufwand bei der Herstellung und Verarbeitung an. Es werde ein Wasserdampfdruck von 4,5 bar bis 7 bar angewendet, also eine Temperatur von 145°C bis 165°C.
- Weiterhin beschreibe die WO 94/20XXX expandierte, d.h. aufgeschäumte TPU-Partikel, die zu Formteilen verarbeitet werden könnten. Diese TPU-Schaumpartikel würden bei Temperaturen von 150°C und höher hergestellt und hätten in den Ausführungsbeispielen eine Schüttdichte zwischen 55 und 180 g/L, was bei Transport und Lagerung dieser Partikel wegen des erhöhten Raumbedarfs von Nachteil sei.
- Vor dem Hintergrund besteht die Aufgabe (das technische Problem) des Klagepatents darin, einen TPU-Partikelschaumstoff zu entwickeln, der sich bei niedrigen Temperaturen herstellen lässt und gleichzeitig gutes Elastizitäts- und Temperaturverhalten besitzt, sowie expandierbare TPU-Partikel und expandierte TPU-Schaumpartikel sowie Verfahren zu ihrer Herstellung zu entwickeln, die sich bei niedrigen Temperaturen herstellen und verarbeiten lassen.
- Diese Aufgaben werden unter anderem gelöst durch expandiertes, partikelförmiges TPU und Schaumstoff aus solchem expandiertem TPU mit den Merkmalen der Ansprüche 12 und 10 bzw. 14, 12 und 10, die wie folgt gegliedert werden können:
- Ansprüche 12 und 10:
- 1. Expandiertes thermoplastisches Polyurethan, erhältlich durch ein Verfahren zur Herstellung von expandiertem thermoplastischen Polyurethan;
2. dabei wird ein thermoplastisches Polyurethan
2.1 mit einer Shore-Härte zwischen A 44 und A 84
2.2 gegebenenfalls zusammen mit Zusatzstoffen
2.3 zu einem Granulat mit einem mittleren Durchmesser von 0,2 bis 10 mm
extrudiert;
3. das Granulat wird
3.1 mit 0,1 bis 40 Gew.-%, bezogen auf das Gesamtgewicht des Granulats, eines Treibmittels
3.2 unter Druck bei Temperaturen im Bereich 100 bis 150°C
imprägniert und
4. anschließend wird das Granulat entspannt. - Ansprüche 14, 12 und 10:
- 1. Verfahren zur Herstellung von Schaumstoff auf der Basis von thermoplastischem Polyurethan;
2. dabei verschweißt man expandiertes thermoplastisches Polyurethan mittels Wasserdampf mit einer Temperatur zwischen 100°C und 140°C zu einem Formkörper;
3. das expandierte thermoplastische Polyurethan ist erhältlich durch ein Verfahren,
3.1 bei dem ein thermoplastisches Polyurethan
3.1.1 mit einer Shore-Härte zwischen A 44 und A 84
3.1.2 gegebenenfalls zusammen mit Zusatzstoffen
3.1.3 zu einem Granulat mit einem mittleren Durchmesser von 0,2 bis 10 mm
extrudiert;
3.2 das Granulat wird
3.2.1 mit 0,1 bis 40 Gew.-%, bezogen auf das Gesamtgewicht des Granulats, eines Treibmittels
3.2.2 unter Druck bei Temperaturen im Bereich 100 bis 150°C
imprägniert und
3.3. anschließend wird das Granulat entspannt. - II.
Die in den beiden Kombinationen geltend gemachten Ansprüche 10 und 12 bzw. 10, 12 und 14 bedürfen im Hinblick auf den Streit der Parteien der Auslegung. - 1.
Patentanspruch 12 betrifft ein eTPU, das durch ein Verfahren gemäß einem der Ansprüche 10 und 11 erhältlich ist. Aufgrund dieses Rückbezugs auf den Anspruch 10 stellt die geltend gemachte Anspruchskombination einen product-by-process-Anspruch dar. - a)
Product-by-process-Ansprüche zeichnen sich dadurch aus, dass zur Gewinnung eines Erzeugnisses im Patentanspruch ein bestimmtes Verfahren vorgeschlagen wird. Ist – wie im Streitfall – ein Sachanspruch (teilweise) nicht unmittelbar durch räumlich-körperliche oder funktional umschriebene Sachmerkmale definiert, sondern insoweit ein Verfahren benannt, ist durch Auslegung des Patentanspruchs zu ermitteln, ob und inwieweit sich aus dem angegebenen Verfahren durch dieses bedingte Merkmale des daraus erhaltenen Erzeugnisses ergeben, die das Erzeugnis als anspruchsgemäß qualifizieren (BGH Mitt. 2005, 357 – Aufzeichnungsträger; Benkard/Scharen, PatG 11. Aufl.: § 14 Rn 46). Regelmäßig geht der Sinngehalt jedenfalls dahin, dass zu den Sachmerkmalen dieses Anspruchs die körperlichen und funktionalen Eigenschaften des Erzeugnisses gehören, die sich aus der Anwendung des Verfahrens bei dessen Herstellung ergeben (BGH GRUR 2001, 1129, 1133 – zipfelfreies Stahlband). Ob unabhängig davon, mit welcher Formulierung der Hinweis auf das Verfahren erfolgt ist, insoweit umfassender Erzeugnisschutz besteht oder ob in der Formulierung eine Beschränkung auf die Erzeugnisse zum Ausdruck kommt, die tatsächlich mittels des Verfahrens hergestellt worden sind, ist durch Auslegung im Einzelfall zu ermitteln (Benkard/Scharen, PatG 11. Aufl.: § 14 Rn 46; BGH GRUR 2001, 1129, 1133 – zipfelfreies Stahlband). - Demnach muss unter Heranziehung von Beschreibung und Zeichnungen ermittelt werden, ob Gründe für ein beschränktes Schutzbegehren bestehen und deshalb mit der Wortwahl, mit der das Verfahren zur Kennzeichnung des Erzeugnisses erhoben worden ist, eine Aussage gemacht ist, dass patentgemäß nur dasjenige Erzeugnis ist, das mittels des Verfahrens hergestellt ist (Benkard/Scharen, PatG 11. Aufl.: § 14 Rn 46). Grundsätzlich kann davon ausgegangen werden, dass bei einem Vorrichtungspatent die Herstellungsart im Patentanspruch im Allgemeinen nur der Beschreibung der Eigenschaften und der Gestaltung des fertigen Erzeugnisses dient (BGH GRUR 1960, 478, 480 – Blockpedale).
- b)
Nach diesen Grundsätzen ist die Lehre des Klagepatentanspruchs 12 dahingehend auszulegen, dass erfindungsgemäßes eTPU nicht zwingend durch das in Bezug genommene Verfahren gemäß Klagepatentanspruch 10 hergestellt worden sein muss, sondern lediglich die körperlichen und funktionalen Eigenschaften aufweisen muss, die sich aus der Anwendung des Verfahrens ergeben. Das Klagepatent lässt nicht erkennen, dass es zwingend auf die Durchführung des durch den Anspruch 10 geschützten Verfahrens ankommt, um eTPU nach Anspruch 12 zu erhalten. Bereits die Verwendung des Begriffes „erhältlich“ im Anspruch weist darauf hin, dass das Verfahren gemäß Anspruch 10 nur eine Möglichkeit zum Erhalt der erfindungsgemäßen eTPU darstellt. Gleiches ergibt sich auch daraus, dass Anspruch 12 auf Anspruch 10 und Anspruch 11 gleichermaßen rückbezogen ist. Dem Klagepatent geht es um den Schutz des eTPU im Allgemeinen, wie es sich mit Verfahren nach Anspruch 10 und 11 gewinnen lässt, nicht um speziell mit diesen Verfahren gewonnenes eTPU. Dem Klagepatent kommt es auf die Sacheigenschaften des (e)TPU an, die es erlauben, Temperaturen und Drücke bei der Herstellung und Weiterverarbeitung geringer zu halten (Abs. [0008]; Textstellen ohne Bezugsangabe stammen aus der Klagepatentschrift). Insofern kann etwa verlangt werden, dass das Ausgangsgranulat eine bestimmte Shore-Härte aufweist und sich bei Temperaturen im Bereich von 100 bis 150°C imprägnieren lässt. Ob dies tatsächlich geschieht, ist für das erfindungsgemäße eTPU irrelevant. - c)
Welche körperlichen und funktionalen Eigenschaften eines eTPU sich aus der Anwendung des Verfahrens gemäß Klagepatentanspruch 10 ergeben, ist durch Auslegung des Patentanspruchs zu ermitteln. Maßgebend ist dabei, wie der angesprochene Fachmann die Angaben zum Herstellungsweg versteht und welche Schlussfolgerungen er hieraus für die erfindungsgemäße Beschaffenheit der auf diesem Wege herstellbaren Sache zieht (BGH GRUR 2001, 1129 – Zipfelfreies Stahlband; OLG Düsseldorf, Urt. v. 15.03.2018 – I-2 U 24/17 m.w.N.). - aa)
Das mit den Ansprüchen 10 und 12 geschützte eTPU soll aus einem Granulat mit den Eigenschaften gemäß der Merkmalsgruppe 2 hergestellt werden. Da die einzelnen Merkmale keine Verfahrensschritte, sondern Sacheigenschaften des Ausgangsgranulats vorgeben, gehen die Parteien zu Recht davon aus, dass bereits das Ausgangsgranulat die entsprechenden Eigenschaften aufweisen muss. Denn die Eigenschaften des Ausgangsgranulats bedingen die Eigenschaften des patentgemäßen eTPU. Das gilt vor allem für die Shore-Härte von A 44 bis A 84, bei der es sich um eine Materialeigenschaft handelt, die auch dem eTPU noch innewohnt. - Das Klagepatent enthält eine konkrete Vorgabe, wie die Shore-Härte zu bestimmen ist. Dies ist nicht dem Fachmann überlassen. Stattdessen verweist das Klagepatent ausdrücklich auf die DIN 53 505, um die Shore-Härte von PU-Elastomeren, zu denen auch das Ausgangsgranulat gemäß der Merkmalsgruppe 2 gehört, zu bestimmen (Abs. [0069]; Textstellen ohne Bezugsangabe stammen aus der Klagepatentschrift). Die Shore-Härte-Prüfung nach der genannten DIN verlangt unter anderem, dass die Härte 3 s nach der Berührung zwischen der Auflage des Härteprüfgeräts und des Probekörpers abzulesen ist. Bei Probekörpern mit deutlichen Fließeigenschaften kann auch nach 15 s abgelesen werden (vgl. Ziff. 7.4 der Anlage B 8). Soweit die genannte DIN teilweise auf die EN ISO 868 verweist, kommt dieser Verweis im Streitfall nicht zum Tragen, weil sich die DIN auf Elastomere bezieht, die EN ISO aber auf Kunststoffe und Kautschuk. Da im Streitfall Elastomere betroffen sind, kommt es auf die EN ISO nicht an.
- bb)
Das Verfahren zur Herstellung der eTPU zeichnet sich gemäß der Merkmalsgruppe 3 weiterhin dadurch aus, dass das Granulat mit 0,1 bis 40 Gew.-% eines Treibmittels, bezogen auf das Gesamtgewicht des Granulats, unter einem Druck bei Temperaturen von 100 bis 150°C imprägniert wird. - (1)
Die Menge des Treibmittels hat Bedeutung für die Expandierbarkeit des Ausgangsgranulats und die Schüttdichte des eTPU. Dies ist zwischen den Parteien unstreitig. Bei der Expandierbarkeit und der Schüttdichte handelt es sich um Sacheigenschaften des erfindungsgemäßen eTPU, die unter anderem durch den Treibmittelanteil, den Imprägnierdruck und den Temperaturbereich von 100 bis 150°C bedingt sind. - Allgemein gilt, je höher der Treibmittelanteil, desto stärker kann expandiert werden und desto geringer fällt die Schüttdichte des eTPU aus. Welche Dichte sich bei welchem Treibmittelanteil im Einzelnen einstellt, hängt unter anderem vom verwendeten Ausgangsgranulat und dem verwendeten Treibmittel, von Druck und Temperatur beim Imprägnieren und gegebenenfalls von der Entspannungsphase ab. Das Klagepatent führt zum Imprägnierschritt aus, dass sich je nach Menge und Art des Treibmittels sowie nach der Höhe der Temperatur im verschlossenen Reaktor ein Druck (Imprägnierdruck) einstellt, der im Allgemeinen 2 bis 100 bar (absolut) beträgt. Erforderlichenfalls kann der Druck durch ein Druckregelventil oder Nachpressen von Treibmittel reguliert werden. Bei solchen Imprägnierbedingungen (erhöhte Temperatur und Überdruck) diffundiert das Treibmittel in die Polymergranulatpartikel hinein (Abs. [0035]).
- Diese Zusammenhänge werden im Klagepatent auch mit Bezug auf das Verschäumen der (e)TPU noch einmal ausdrücklich angesprochen: Wird mit Wasserdampf verschäumt, hängt die Einstellung des Dampfdrucks von der Art und Menge von TPU und Treibmittel und der gewünschten Dichte des herzustellenden Schaums ab (Abs. [0050]). Dass es dem Klagepatent gerade auch auf die Schüttdichte der eTPU ankommt, ergibt sich nicht nur aus dem Hinweis, dass höhere Drücke beim Verschäumen mit Wasserdampf geringere Dichten des verschäumten TPU ergeben (vgl. Abs. [0050]). Auch die Tabelle 2 macht noch einmal unter ausdrücklichem Hinweis in der Patentbeschreibung (Abs. [0071]) deutlich, dass die erhaltenen Schüttdichten von den Imprägnierbedingungen abhängig sind.
- Die Schüttdichten sind auch deshalb für die Lehre des Klagepatents von Bedeutung, weil die aus der WO 94/20XXX bekannten eTPU Schüttdichten zwischen 55 und 180 g/l aufwiesen, was – so das Klagepatent – bei Transport und Lagerung dieser Partikel wegen des erhöhten Raumbedarfs von Nachteil ist (Abs. [0005]). Dieses Problem lässt sich über die Einstellung der Imprägnierbedigungen lösen. Insbesondere versteht der Fachmann, dass ein höherer Treibmittelanteil für eine geringere Schüttdichte der eTPU sorgt. Damit stellt die Schüttdichte der eTPU eine körperliche Eigenschaft des eTPU dar, die auch durch die Parameter des Herstellungsverfahrens – genauer: unter anderem durch den Treibmittelanteil im Imprägnierschritt – bedingt ist.
- Welche Schüttdichten sich im Einzelnen in Abhängigkeit von den eingesetzten Materialien und den Imprägnierbedingungen ergeben, hat die Klägerin nicht näher bestimmt.
- (2)
Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass oberhalb eines Treibmittelanteils von 40 Gew.-% Treibmittel ungenutzt herausdiffundiert und eine weitere Expansion des Ausgangsgranulats nicht mehr stattfindet, so dass sich jenseits eines Treibmittelanteils von 40 Gew.-% ohnehin keine geringeren Schüttdichten mehr erzielen lassen. Die Beklagte hat den entsprechenden Sachvortrag der Klägerin bestritten. Eine Substantiierung des klägerischen Vortrags fand nicht statt. Die obere Grenze von einem Treibmittelanteil von 40 Gew.-% ist daher nicht unbeachtlich. - Das Klagepatent selbst sieht den Treibmittelanteil von 0,1 bis 40 Gew.-% als bevorzugt an (Abs. [0032]). Demnach scheint ein höherer Treibmittelanteil mit Auswirkungen auf die Eigenschaften des eTPU, insbesondere seine Schüttdichte, nicht ausgeschlossen. Dies geht auch aus der von der Klägerin angemeldeten WO 94/20XXX hervor, wonach der Treibmittelanteil „üblicherweise 5 bis 50 Gew.-%, bezogen auf den polymeren Einsatzstoff,“ beträgt (S. 8 Z. 40 f. der Anlage B1). Zwar betrifft die WO 94/20XXX eTPU mit einem Härtegrad von Shore A 85 und höher. Ob und in welcher Weise sich aber gerade bedingt durch den Härtegrad des TPU die Fähigkeit des Granulats zur Aufnahme eines bestimmten Treibmittelanteils verändert, zeigt die Klägerin nicht auf.
- Soweit die Klägerin Versuche durchgeführt hat, um zu belegen, dass oberhalb eines Treibmittelanteils von 35 Gew.-% die Schüttdichte nicht weiter verringert wird, sind die Versuche nicht geeignet, eine solche Obergrenze zu belegen. Die Versuche wurden nur an einem einzigen Produkt, nämlich dem Produkt I der Klägerin durchgeführt. Dieses Produkt hat eine Shore A-Härte von 79 (vgl. Anlage K 12). Allerdings ist die patentgemäße Lehre weder auf (e)TPU des Typs J beschränkt, noch auf TPU mit einer Shore A-Härte von 79. Die Klägerin äußert sich auch nicht dazu, ob nicht andere TPU mit anderen Zusatzstoffen mit einer Shore A-Härte bis 84, imprägniert mit einem Treibmittelanteil oberhalb von 35 bzw. 40 Gew.-%, geringere Schüttdichten aufweisen können. Weiterhin hat die Beklagte unter Verweis auf Tabelle 2 des Klagepatents darauf hingewiesen, dass die Schüttdichte des eTPU auch maßgeblich von der Temperatur beim Imprägniervorgang abhänge; eine sinkende Temperatur führe zu einer höheren Schüttdichte. Nach den von der Klägerin vorgelegten Versuchsdaten sei aber nicht ausgeschlossen, dass die steigende Schüttdichte trotz des höheren Treibmittelanteils gerade auf den sinkenden Imprägniertemperaturen beruhe. Dem ist auch die Klägerin nicht mehr entgegengetreten.
- Nach alledem kann nicht davon ausgegangen werden, dass sämtliche eTPU unabhängig von ihrer Schüttdichte vom Gegenstand des Klagepatents erfasst sind. Es ist nicht im Einzelnen dargelegt, dass ein Treibmittelanteil oberhalb von 40 Gew.-% keine Auswirkungen auf die Schüttdichte mehr hat.
- bb)
Das Granulat soll unter einem Druck bei Temperaturen im Bereich von 100 bis 150°C imprägniert werden. Zusammen mit der bereits erörterten Shore-Härte des Ausgangsgranulats wird der erfindungsgemäße Vorteil erzielt, dass TPU mit einer niedrigeren Härte, niedrigerem Schmelzpunkt und besserer Fließfähigkeit verwendet werden, wodurch Temperaturen und Drücke bei der Herstellung der eTPU geringer gehalten werden können (Abs. [0008]). Auch damit unterscheidet sich die patentgemäße Lehre vom Stand der Technik, der mit der WO 94/20XXX eTPU offenbarte, die bei Temperaturen von 150°C und höher hergestellt werden (Abs. [0005]). - 2.
Für die Kombination der Ansprüche 10, 12 und 14 gelten die vorstehenden Ausführungen zur Kombination der Ansprüche 10 und 12 in gleicher Weise. Bei Anspruch 14 handelt es sich zwar um einen Verfahrensanspruch. Ausgangsmaterial des Verschweißvorgangs ist jedoch eTPU gemäß der Ansprüche 10 und 12, deren Kombination – wie ausgeführt – einen product-by-process-Anspruch bildet, so dass das zu verschweißende eTPU die Merkmale dieses Anspruchs aufweisen muss. Insofern wird uneingeschränkt auf die vorherigen Ausführungen verwiesen. - III.
Es lässt sich nicht feststellen, dass die Beklagte von der technischen Lehre der Ansprüche 10 und 12 bzw. 10, 12 und 14 Gebrauch macht. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die angegriffenen Ausführungsformen sämtliche Merkmale der geltend gemachten Anspruchskombinationen verwirklichen. - 1.
Der Vortrag der Klägerin lässt nicht die Feststellung zu, dass bei der angegriffenen Ausführungsform 1 ein eTPU Verwendung findet, das mit einem Treibmittelanteil von 0,1 bis 40 Gew.-% imprägniert wurde, jedenfalls aber Eigenschaften – wie eine Schüttdichte – aufweist, die sich bei der Verwendung eines solchen Treibmittelanteils ergeben. - a)
Der Klägerin ist nicht bekannt, mit welchem Treibmittelanteil die eTPU der angegriffenen Ausführungsform 1 imprägniert wurden. Die Beklagte hat ihrerseits vorgetragen, der Treibmittelanteil, mit dem das Ausgangsgranulat imprägniert werde, betrage 55 bis 65 Gew.-%. Der Vortrag der Klägerin, es werde mit einem Treibmittelanteil unterhalb von 40 Gew.-% imprägniert, beruht auf Annahmen, die letztlich nicht zwingend sind und sich daher als bloße Vermutungen herausstellen. Ein Vortrag, der die Feststellung zuließe, dass ein Treibmittelanteil zwischen 0,1 und 40 Gew.-% bestehe, fehlt. Weiterer Vortrag der Beklagten im Wege der sekundären Darlegungslast war nicht zu verlangen. - aa)
Von einem Treibmittelanteil unterhalb von 40 Gew.-% kann nicht bereits deshalb ausgegangen werden, weil bei einem höheren Anteil ohnehin kein Treibmittel in das TPU-Granulat diffundiert, sondern der überschießende Anteil ungenutzt entweicht. Wie bereits im Rahmen der Auslegung der Merkmalsgruppe 3 der Ansprüche 10 und 12 ausgeführt, ist nicht dargelegt, dass die Verwendung eines Treibmittelanteils von 40 Gew.-% technisch keine Auswirkungen auf das eTPU hat. Infolgedessen verbietet sich die Annahme, ein Treibmittelanteil von über 40 Gew.-% werde per se nicht verwendet. Dabei war die Beklagte nicht gehalten, eigene Versuche durchzuführen, da sich bereits die klägerischen Versuche aus den genannten Gründen als nicht ergiebig erwiesen. - Auch die wirtschaftlichen Erwägungen der Klägerin, ein höherer Treibmittelanteil gehe mit höheren Kosten einher und sei daher regelmäßig ausgeschlossen, greifen aus diesem Grund nicht durch. Es sind durchaus andere Gründe denkbar, die die Beklagte veranlassen könnten, die mit einem höheren Treibmittelanteil verbundenen Kosten, die ohnehin nicht näher spezifiziert wurden, in Kauf zu nehmen.
- Schließlich argumentiert die Klägerin, die Behauptung der Beklagten, sie stelle die angegriffene Ausführungsform gemäß der CN XXX A her, könne nicht richtig sein, weil die angegriffene Ausführungsform 1 eine Rückprallelastizität von 55 % habe (vgl. Anlage K 7), die aber genau dem in der CN XXX A angegebenen Wert der aktuell auf dem Markt erhältlichen Produkte entspreche (vgl. Abs. [0089] der Anlage B 2/B 2Ü). Dieser Schluss ist aber keineswegs zwingend. Die CN XXX A ist nicht auf die in der Tabelle genannten Ausführungsbeispiele beschränkt, so dass nach der CN XXX A hergestellte eTPU mit einer Rückprallelastizität von 55 % nicht ausgeschlossen sind. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Rückprallelastizität überhaupt in einem eindeutigen Zusammenhang mit dem verwendeten Treibmittelanteil steht. So wird im Ausführungsbeispiel 6 ein Treibmittelanteil von 60 Gew.-% verwendet und das eTPU weist eine eher niedrige Rückprallelastizität von 65 % auf. Die Ausführungsbeispiele 11 und 12 weisen mit 20 bzw. 30 Gew.-% deutlich geringere Treibmittelanteil auf, zeigen aber die gleiche Rückprallelastizität. Auch ein eindeutiger Zusammenhang mit den sich ergebenden Schüttdichten und Shore-Härten des Ausgangsgranulats ist nicht ohne weiteres auszumachen. All dies belegt allenfalls, dass einzelne physikalische Eigenschaften von eTPU von dem Zusammenspiel vieler einzelner Herstellungsbedingungen abhängen. Damit verbietet es sich aber, von einer bestimmten Rückprallelastizität oder Schüttdichte der angegriffenen Ausführungsform 1 auf die Verwendung eines bestimmten Treibmittelanteils zu schließen.
- bb)
Die Klägerin kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, die Beklagte habe den klägerischen Vortrag nicht substantiiert bestritten bzw. sei gehalten, der Klägerin gewisse Informationen zur Erleichterung ihrer Beweisführung zu bieten, insbesondere Tatsachen näher zu spezifizieren. - Will ein Beklagter im Patentverletzungsrechtsstreit geltend machen, dass der Kläger die angegriffene Ausführungsform in ihren konstruktiven Einzelheiten unzutreffend beschrieben habe, darf er sich nicht darauf beschränken, den Sachvortrag des Klägers zur Ausgestaltung des vermeintlichen Verletzungsgegenstandes lediglich pauschal zu bestreiten. Er ist vielmehr gehalten, zu den einzelnen relevanten Behauptungen der klagenden Partei Stellung zu nehmen und sich über die diesbezüglichen tatsächlichen Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß zu erklären (§ 138 Abs. 1 und 2 ZPO). Dies bedeutet zwar nicht, dass der Beklagte von sich aus das Gericht und den Kläger über den wirklichen Verletzungstatbestand zu unterrichten hätte. Der Beklagte kann sich auf das Bestreiten bestimmter vom Kläger behaupteter technischer Merkmale beschränken. Allerdings darf dieses Bestreiten nicht pauschal bleiben, sondern muss substantiiert sein. Kein erhebliches Bestreiten stellt es dar, wenn sich der Beklagte darauf beschränkt, am Sachvortrag des Klägers lediglich zu bemängeln, dessen Ausführungen zum Verletzungstatbestand seien unsubstantiiert. Zwingend erforderlich ist vielmehr zunächst die wahrheitsgemäße Angabe, ob und gegebenenfalls welches konkrete Merkmal der technischen Lehre des Klagepatents denn nicht verwirklicht sein soll. Dies kann – je nach Substantiierungsgrad des klägerischen Vortrages – (zunächst) in pauschaler Weise erfolgen. Hat ein Kläger im Einzelnen ausgeführt, aufgrund welcher Untersuchungen er zu welchen die Patentverletzung bestätigenden Ergebnissen gelangt ist, muss der Beklagte seinerseits in erheblicher Weise dartun, weshalb das bestrittene Merkmal nicht verwirklicht sein soll. Dies bedeutet in der Regel, dass der Beklagte, wenn der Kläger eigene Untersuchungsberichte und/oder Privatgutachten vorgelegt hat, seinerseits eigene Untersuchungen und/oder Gutachten beibringen muss (OLG Düsseldorf, I-2 U 87/09, Urteil vom 04. August 2009; Kühnen, Handbuch des Patentrechts, 11. Aufl.: Kap. E Rn. 145 ff.).
- Im Streitfall fehlt es schon an einem substantiierten Vortrag der Klägerin. Ein bestimmter Treibmittelanteil wird von der Klägerin nicht dargelegt, stattdessen wird lediglich aufgrund verschiedener Umstände angenommen, der Treibmittelanteil müsse im beanspruchten Bereich liegen. Dass diese Annahmen nicht zutreffen bzw. den Schluss auf einen Treibmittelanteil unterhalb von 40 Gew.-% nicht zwingend zulassen, ist bereits gezeigt worden. Im Ergebnis bleibt es damit bei der bloßen Behauptung der Klägerin, der Treibmittelanteil liege im beanspruchten Bereich. Dies hat die Beklagte nicht nur bestritten, sondern auch den von ihr verwendeten Treibmittelanteil mit 55 bis 65 Gew.-% angegeben. Im Übrigen konnte sie sich darauf beschränken darzulegen, warum die von der Klägerin getroffenen Annahmen und daraus gezogenen Schlüsse nicht zutreffen.
- Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung „Blasenfreie Gummibahn II“ des Bundesgerichtshofes (GRUR 2004, 268). Demnach kann sich zwar nach den Grundsätzen von Treu und Glauben eine Verpflichtung der nicht beweisbelasteten Partei ergeben, dem Gegner gewisse Informationen zur Erleichterung seiner Beweisführung zu bieten, wozu namentlich die Spezifizierung von Tatsachen gehören kann, wenn und soweit diese der mit der Beweisführung belasteten Partei nicht oder nur unter unverhältnismäßigen Erschwerungen zugänglich sind, während ihre Offenlegung für den Gegner sowohl ohne weiteres möglich als auch zumutbar erscheint. Im Streitfall hat die Beklagte aber die für die patentgemäße Lehre erforderlichen physikalischen Eigenschaften wie die Shore A-Härte und den Treibmittelanteil benannt. Es gibt keinen Grund, von der Beklagten weiteren Vortrag dahingehend zu verlangen, diese Angaben weiter zu substantiieren, insbesondere zur Sinnhaftigkeit eines höheren Treibmittelgehalts vorzutragen, nachdem die Beklagte den Treibmittelanteil konkret benannt hat. Die Klägerin hat keine Umstände dargetan, die durchgreifende Zweifel am Wahrheitsgehalt dieser Angaben begründen. Die sekundäre Darlegungslast geht nicht so weit, von der Beklagten Vortrag zu verlangen, der die Feststellung der Nicht-Verletzung des Klagepatents zur vollen Überzeugung des Gerichts und der Klägerin zulässt.
- Demnach kann die Klägerin auch nicht mit Erfolg verlangen, dass die Beklagte sämtliche Produktionsparameter benennt, die eine Begutachtung durch einen Sachverständigen gemäß §§ 144 Abs. 1 und 2 ZPO erlauben würden. Ebenso wenig war die Vorlage eines ohnehin nicht konkretisierten Spezifikationsblattes des Herstellungsprozesses gemäß § 142 Abs. 1 und 2 ZPO anzuordnen, um die Richtigkeit der Angaben der Beklagten überprüfen zu können. Es bestehen schlicht nicht hinreichende Anhaltspunkte für eine Patentverletzung, die eine solche Vorlageanordnung oder Sachverständigenbegutachtung rechtfertigen könnten.
- b)
Ungeachtet der Frage, ob die Beklagte das im Anspruch 10 genannte Verfahren tatsächlich anwendet, hat die Klägerin auch nicht dargelegt, dass die angegriffene Ausführungsform 1 jedenfalls die körperlichen Eigenschaften – darunter die Schüttdichte – aufweist, die sich bei einer Anwendung des Verfahrens nach Anspruch 10 einstellen würden. Es lassen sich schon nicht die konkreten Sacheigenschaften der eTPU benennen, die durch die Anwendung des Herstellungsverfahrens nach Anspruch 10 im Einzelnen bedingt sind. Dementsprechend hat auch die Klägerin nicht behauptet, dass die angegriffene Ausführungsform 1 diese Merkmale aufweisen würde. - 2.
Hinsichtlich der angegriffenen Ausführungsform 2 lässt sich eine Patentverletzung ebenfalls nicht feststellen. Nachdem die Beklagte die Verwirklichung der einzelnen Merkmale – die Shore A-Härte und den Treibmittelanteil – der angegriffenen Ausführungsformen bestritten hatte, ist die Klägerin auf die angegriffene Ausführungsform 2 nicht mehr zurückgekommen. - Die Klägerin hat ursprünglich lediglich vorgetragen, das Ausgangsgranulat der angegriffenen eTPU – angegriffene Ausführungsform 1 und 2 – habe eine Shore-Härte in einem Bereich von A 44 bis A 84. Damit beschränkt sich der Vortrag der Klägerin auf die einfache Behauptung, das Merkmal sei verwirklicht. Eine konkrete Shore A-Härte wird nicht genannt. Die Beklagte hat diesen Vortrag bestritten. Eine weitere Substantiierung durch die Klägerin hat lediglich hinsichtlich der angegriffenen Ausführungsform 1 stattgefunden, indem sie – von der Beklagten bestritten – vorgetragen hat, diese in China erworben und die Shore A-Härte mit 81 (später 82) gemessen zu haben. Für die angegriffene Ausführungsform 2 erfolgte ein solcher Vortrag nicht, so dass es angesichts des erheblichen Bestreitens der Beklagten an einem substantiierten Vortrag der Klägerin fehlt.
- 3.
Für die angegriffene Ausführungsform 3 gilt gleiches wie für die angegriffene Ausführungsform 2. Hinzu kommt, dass für diese angegriffene Ausführungsform auch nicht vorgetragen ist, ob sie mit eTPU des Typs der angegriffenen Ausführungsform 1 oder 2 hergestellt wurde. Daher kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die angegriffene Ausführungsform mit einem Treibmittelanteil zwischen 0,1 bis 40 Gew.-% hergestellt wurde, jedenfalls aber die daraus resultierenden Sacheigenschaften aufweist. -
C
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. § 344 ZPO war nicht anzuwenden, weil das Versäumnisurteil mangels ordnungsgemäßer Zustellung der verfahrenseinleitenden Verfügung an die Beklagte nicht in ordnungsgemäßer Weise ergangen war. - Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 und 2 ZPO.