Düsseldorfer Entscheidungsnummer: 2961
Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil vom 13. Oktober 2019, Az. I – 2 U 11/18
Vorinstanz: 4b O 47/16
- A.
Die Berufung der Beklagten gegen das am 1. Februar 2018 verkündete Urteil der 4b Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, - dass sich die Verpflichtung zum Rückruf auf Produkte beschränkt, deren Mindesthaltbarkeitsdatum im Verhandlungsschlusszeitpunkt (17. Oktober 2019) noch nicht abgelaufen ist
- und dass der landgerichtliche Tenor a.E. dahingehend ergänzt wird, dass es hinter Ziff. II. a.E. heißt:
- „III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.“
- B.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte. - C.
Das Urteil und das Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar. - Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung der Klägerinnen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 2.000.000,- € abwenden, wenn nicht die Klägerinnen vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
- D.
Die Revision wird nicht zugelassen. - E.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 2.000.000,- € festgesetzt, wobei auf jede der Klägerinnen 1.000.000,- € entfallen. - Gründe:
- I.
- Die Klägerinnen nehmen die Beklagte wegen Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents EP 1 449 XXX XX (nachfolgend: Klagepatent) auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Rechnungslegung, Rückruf, Vernichtung sowie auf Feststellung der Schadenersatzpflicht dem Grunde nach in Anspruch.
- Das Klagepatent, dessen eingetragene Inhaberin die Klägerin zu 1) ist, wurde am 21. November 2002 unter Inanspruchnahme der Priorität der RU 2001131571 vom 23. November 2001 sowie der RU 2002121670 vom 14. August 2002 in englischer Verfahrenssprache angemeldet. Die Offenlegung der Patentanmeldung erfolgte am 25. August 2004. Der Hinweis auf die Erteilung des Klagepatents wurde am 9. Juni 2010 veröffentlicht. Das Klagepatent ist in Kraft. Eine durch die Beklagte erhobene Nichtigkeitsklage (Az.: 3 Ni 57/16) wies das Bundespatentgericht mit Urteil vom 2. Oktober 2018 ab. Hinsichtlich des vollständigen Inhalts dieser Entscheidung wird auf die Anlage B 43 Bezug genommen.
- Das Klagepatent trägt die Bezeichnung „B“ („B“). Sein Patentanspruch 1 wie folgt formuliert:
- „An L-amino acid producing bacterium belonging to the genus Escherichia wherein the L-amino acid production by said bacterium is enhanced as compared to an unmodified strain by enhancing the activity of a protein as defined in the following (A) or (B) in a cell of said bacterium, by transformation of said bacterium with DNA coding for the protein as defined in (A) or (B) or by introducing multiple copies of the DNA coding for a protein
as defined in (A) or (B) into a bacterial chromosome, or the L-amino acid production by said bacterium is enhanced by locating said DNA under the control of an expression regulation sequence that is more potent than the sequence shown in SEQ ID NO:9: - (A) a protein which comprises the amino acid sequence shown in SEQ ID NO:2 in Sequence listing;
- (B) a protein which comprises an amino acid sequence including deletion, substitution, insertion or addition of one to 30 amino acids in the amino acid sequence shown in SEQ ID NO:2 in Sequence listing, and which has an activity of making bacterium have resistance to L-phenylalanine, p-fluoro-phenylalanine or 5-fluoro-DL-tryptophan.”
- Und in der eingetragenen deutschen Übersetzung:
- „L-Aminosäure produzierendes Bakterium der Gattung Escherichia, wobei die L-Aminosäureproduktion durch das Bakterium im Vergleich zu einem nicht modifizierten Stamm erhöht ist, indem die Aktivität eines in (A) oder (B) definierten Proteins in einer Zelle des Bakteriums durch Transformation des Bakteriums mit für das in (A) oder (B) definierte Protein kodierender DNA oder durch Einführen mehrfacher Kopien von für das in (A) oder (B) definierte Protein kodierender DNA in ein Bakterienchromosom erhöht ist, oder die L-Aminosäureproduktion durch das Bakterium ist erhöht, indem die DNA unter die Kontrolle einer Expressionsregulationssequenz, die stärker ist als die in SEQ ID Nr. 9 gezeigte Sequenz, gestellt wird:
- (A) ein Protein, das die in SEQ ID Nr:2 des Sequenzprotokolls gezeigte Aminosäuresequenz umfasst;
- (B) ein Protein, das eine Aminosäuresequenz, einschließlich Deletion, Substitution, Insertion oder Addition von einer bis 30 Aminosäuren in der in SEQ ID Nr:2 des Sequenzprotokolls gezeigten Aminosäuresequenz umfasst und die Fähigkeit hat, ein Bakterium gegen L-Phenylalanin, p-Fluorphenylalanin oder 5-Fluor-DL-tryptophan resistent zumachen.“
- Patentanspruch 4 lautet:
- „The bacterium according to any one of claims 1 to 3, wherein said bacterium is Escherichia coli.“
- In der eingetragenen deutschen Übersetzung weist Patentanspruch 4 folgende Formulierung auf:
- „Bakterium nach einem der Ansprüche 1 bis 3, worin das Bakterium Escherichia coli ist.“
- Schließlich ist Patentanspruch 5 wie folgt gefasst:
- „A method for producing L-tryptophan or L-phenylalanine, which comprises cultivating the bacterium according to any of claims 1 to 4 in a culture medium and collecting from the culture medium the L-amino acid to be produced and accumulated in the medium.”
- Und in der eingetragenen deutschen Übersetzung:
- „Verfahren zur Produktion von L-Tryptophan oder L-Phenylalanin, welches das Kultivieren des Bakteriums nach einem der Ansprüche 1 bis 4 in einem Kulturmedium und das Gewinnen der herzustellenden und in dem Medium anzuhäufenden L-Aminosäure aus dem Kulturmedium umfasst.“
- Im vorliegenden Rechtsstreit machen die Klägerinnen die Patentansprüche 1, 4 und 5 ausschließlich in Kombination geltend.
- Bei der Klägerin zu 2) handelt es sich um eine Tochtergesellschaft der C Group, Inc. (nachfolgend: „C“), die wiederum eine 100%-ige Tochtergesellschaft der Klägerin zu 1) ist. Die Klägerin zu 2) firmierte zu Beginn des Berufungsverfahrens unter der Bezeichnung „D S.A.S.“. Mit Beschluss vom 19. September 2018 wurde ihre Firma mit Wirkung zum 31. Oktober 2018 identitätswahrend in „C EUROPE“ geändert.
- Die Beklagte gehört zur südkoreanischen Unternehmensgruppe „E“ Group. Die „F“ Corporation betreibt das Lebensmittel- und Biotechnologiegeschäft dieser Gruppe. Die Beklagte ist ihre deutsche Vertriebsniederlassung. Die PT G Indonesia ist Lizenznehmerin der „F“ Corporation und stellt Futtermittelzusatzstoffe her, unter anderem L-Tryptophan.
- Die Klägerin zu 1) schloss mit der „C“ am 1. November 2011 einen technischen Li-zenzvertrag (Anlagenkonvolute FBD 1, 1a, FBD 19, 19a nachfolgend Hauptlizenzvertrag I). Dieser Vertrag wird ergänzt durch einen Lizenzvertrag vom 23./26. Juni 2017 (Anlagen FBD 26, 26a, nachfolgend Hauptlizenzvertrag II). Dort heißt es unter anderem (in deutscher Übersetzung):
- „1. Dieser Lizenzvertrag stellt den bestehenden Lizenzvertrag, hinsichtlich des Gebiets Deutschlands und des Europäischen Patents 1 449 XXX klar und ergänzt ihn. Die Bestimmungen des Unterlizenzvertrages verdrängen abweichende oder entgegenstehende Bestimmungen des bestehenden Lizenzvertrages.
- 2. In Klarstellung von Artikel 7 (1) des bestehenden Lizenzvertrages wird die H [Anm.: die Klägerin zu 1)] an „C“ erteilte exklusive Lizenz an dem deutschen Teil des Europäischen Patents EP 1 449 XXX rückwirkend gültig ab dem 1. November 2011.
- 3. In Klarstellung von Artikel 2 des bestehenden Lizenzvertrages erteilt H der „C“ gegen Gebühren eine exklusive Lizenz für den deutschen Teil des Europäischen Patents EP 1 449 XXX, mit dem Recht, Unterlizenzen insbesondere an H’s Tochtergesellschaft I S.A.S. zu erteilen.
- […]
- 6. Dieser Lizenzvertrag unterliegt deutschem materiellem Recht und ist gemäß diesen Rechts auszulegen. Die Anwendung der Vorschriften des Kollisionsrechts ist ausgeschlossen.“
- Als Unterzeichner sind auf der Vertragsurkunde Herr K (General Manager Business Strategy & Planning Department) für die Klägerin zu 1) und Herr L (President) für die „C“ angegeben.
- Die „C“ wiederum schloss mit Wirkung zum 1. November 2011 mit der Klägerin zu 2) einen Unterlizenzvertrag (Anlagenkonvolut FBD 1, 1a, nachfolgend Unterlizenzvertrag I). Dieser Vertrag wird ergänzt durch einen Lizenzvertrag vom 23./26. Juni 2017 (Anlagen FBD 27, 27a, nachfolgend Unterlizenzvertrag II). Dort heißt es unter anderem (in deutscher Übersetzung):
- „1. Dieser Unterlizenzvertrag stellt den bestehenden Unterlizenzvertrag, hinsichtlich des Gebiets Deutschlands und des Europäischen Patents 1 449 XXX klar und ergänzt ihn. Die Bestimmungen des Unterlizenzvertrages verdrängen abweichende oder entgegenstehende Bestimmungen des bestehenden Unterlizenzvertrages.
- 2. In Klarstellung von Artikel 1 (1.1 (a)) des bestehenden Unterlizenzvertrages wird die von „C“ an „M“ (Anm.: die Klägerin zu 2)) erteilte exklusive Unterlizenz an dem deutschen Teil des Europäischen Patents EP 1 449 XXX rückwirkend gültig ab dem 1. November 2011.
- 3. In Klarstellung von Artikel 2 des bestehenden Unterlizenzvertrages erteilt „C“ der „M“ gegen Gebühr eine exklusive Unterlizenz für den deutschen Teil des Europäischen Patents EP 1 449 XXX.
- […]
- 6. Dieser Unterlizenzvertrag unterliegt deutschem materiellem Recht und ist gemäß diesen Rechts auszulegen. Die Anwendung der Vorschriften des Kollisionsrechts ist ausgeschlossen.
- Unterzeichnet wurde dieser Vertrag ausweislich der Vertragsurkunde durch Herrn K, Herrn „L“ sowie Herrn N als President der Klägerin zu 2).
- Für die Einzelheiten wird auf den Inhalt der Anlagen FBD 1, 1a, 26, 26a, 27, 27a verwiesen.
- Mit Rechnung vom 5. Februar 2015 (Anlage FBD 7) verkaufte die Beklagte 1.000 kg L-Tryptophan (nachfolgend: angegriffene Ausführungsform) an einen Abnehmer in Cuxhafen und lieferte es am 9. Februar 2015 dorthin. Eine Probe der Lieferung be-findet sich als Anlage FBD 8 bei der Akte. Auf den gelieferten Säcken der angegrif-fenen Ausführungsform, die der Charge 2ACAC141111 entstammen, wird die PT G Indonesia als Herstellerin genannt. Diese stellt die angegriffene Ausführungsform in Lizenz für die „F“ Corporation her. Die Herstellung erfolgt mit Hilfe von Mikroorganismen im Rahmen eines Fermentationsprozesses. Dabei wandeln die Mikroorganismen in einem Kulturmedium Zucker in L-Tryptophan um. Das im Kulturmedium angesammelte L-Tryptophan wird aus der Fermentationsbrühe kristallisiert und dann getrocknet, bevor es verkauft wird.
- Nach Auffassung der Klägerinnen stellen das Angebot und der Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform in der Bundesrepublik Deutschland eine unmittelbare Verletzung des Klagepatents dar. Bei der Herstellung der angegriffenen Ausführungsform seien die verwendeten Produktionsstämme durch Einfügung einer Mutation im Promotor so zielgerichtet manipuliert worden, dass damit das klagepatentgemäße Verfahren durchgeführt werde. Dementsprechend handele es sich bei der angegriffenen Ausführungsform um ein unmittelbares Verfahrenserzeugnis i.S.v. § 9 S. 2 Nr. 3 PatG.
- Die Beklagte, die um Klageabweisung, hilfsweise um Aussetzung gebeten hat, hat sowohl eine Verletzung des Klagepatents als auch dessen Rechtsbestand in Abrede gestellt und zugleich die Aktivlegitimation der Klägerin zu 2) bestritten.
- Sie hat erstinstanzlich insbesondere die Auffassung vertreten, durch das Klagepatent werde eine gezielte Modifikation des yddG-Gens durch das Einfügen eines heterologen Promotors geschützt. Vom Schutzbereich nicht erfasst sei dabei eine Punktmutation am Genom. Die Durchführung einer gezielten Punktmutation sei im Prioriätszeitpunkt kein Standardverfahren gewesen.
- Die angegriffene Ausführungsform gehe auf einen in mehreren Arbeitsschritten zur Aminosäureproduktion optimierten Ausgangsstamm („BioMND“) zurück. Die Veränderungen hätten allesamt außerhalb des yddG-Gens und dessen Expressionsregulationssequenzen liegende Bereiche betroffen. Der Ausgangsstamm für die Produktion der angegriffenen Ausführungsform sei durch Zufallsmutation gewonnen worden, die auch die streitgegenständliche Punktmutation im yddG-Gen betroffen habe. Die „F“ Corporation habe den Stamm BioMND im Zuge eines Fermentationsstamm- und Technologietransfer-Vertrages im November 2004 von der O Co. Ltd., die seit dem Jahr 2007 nicht mehr existiere, erworben. Der Stamm BioMND resultiere aus dem Wildtyp-Stamm WG3110, der mit der mutagenen Chemikalie Ethylmethansulfonat („EMS“) behandelt worden sei. Die Behandlung habe zu insgesamt 423 Einzelnukleotid-Polymorphysmen geführt (sog. SNPs, single nucleotide polymorphisms). Diese Veränderungen beträfen zu 98 % den GT-AT Übergang. Eine anderweitige Erzeugung einer gezielten Punktmutation sei realitätsfern.
- Des Weiteren sei auch kein Promotor ausgetauscht worden. Für das „Unter-die-Kontrolle-einer stärkeren-Expressionsregulationssequenz-Stellen“ müsse die angegriffene Ausführungsform in der Upstream-Region des yddG-Gens großflächige Abweichungen in zahlreichen Nukleotiden aufweisen. Die nach wie vor vorhandene native Upstream-Sequenz, die lediglich eine Punktmutation aufweise, sei in Funktion und Wechselwirkung im Genom unklar und für den Fachmann nicht vorhersehbar gewesen. Selbst unter Zugrundelegung der Auslegung der Klägerinnen liege kein gezielter gentechnologischer Eingriff vor, weil die angegriffene Ausführungsform nicht durch einen Bakterienstamm erzeugt worden sei, dessen Upstream-Region des yddG-Gens gezielt gentechnologisch geändert worden sei. Die Punktmutation sei das Ergebnis einer Zufallsmutation. Bei der Punktmutation handele es sich um ein zufälliges Ergebnis neben zahlreichen anderen Mutationen im Genom, die unberechenbare Folgen für das Verhalten der Mikroorganismen mit sich brächten und nach der Lehre des Klagepatents unerwünscht seien. Dass es sich um eine Zufallsmutation außerhalb des yddG-Gens handele, zeige die Untersuchung des Genoms eines Nachfolgestamms (4217), der das gleiche charakteristische Mutationsmuster aufweise (genetischer Fingerabdruck), sowie eine weitere Untersuchung der angegriffenen Ausführungsform mit ihrer vollständigen Genom-Sequenz. In Ermangelung eines Mikroorganismus‘ könne es sich daher auch nicht um ein unmittelbares Verfahrensprodukt handeln.
- Mit Urteil vom 1. Februar 2018 hat das Landgericht Düsseldorf eine Verletzung der Patentansprüche 1, 4 und 5 in Kombination bejaht und wie folgt erkannt:
- „I. Die Beklagte wird verurteilt,
- 1. es jeweils bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,00 – ersatzweise Ordnungshaft – oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an dem gesetzlichen Vertreter der Beklagten zu vollziehen ist, zu unterlassen, das durch ein Verfahren zur Produktion von L-Tryptophan unmittelbar herge-stellte L-Tryptophan in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Ver-kehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken ent-weder einzuführen oder zu besitzen, wenn das Verfahren ein Kultivieren eines L-Aminosäure produzierenden Bakteriums der Art Escherichia coli in einem Kulturmedium und das Gewinnen der herzustellenden und in dem Medium anzuhäufenden L-Aminosäure aus dem Kulturmedium umfasst, wobei die L-Aminosäureproduktion durch das Bakterium im Vergleich zu einem nicht modifizierten Stamm erhöht ist, indem die Aktivität eines Proteins, das die in SEQ ID Nr. 2 des Sequenzprotokolls gezeigte Aminosäuresequenz umfasst, in einer Zelle des Bakteriums erhöht ist, indem die DNA unter die Kontrolle einer Expressionsregulations-sequenz, die stärker ist als die in SEQ ID Nr. 9 gezeigte Sequenz, gestellt wird;
- 2. den Klägerinnen Auskunft zu erteilen – der Klägerin zu 1) über die gem. Zif-fer I. 1. seit dem 9. Juni 2010 begangenen Handlungen und der Klägerin zu 2) über die seit dem 1. November 2011 begangenen Handlungen –
- und zwar unter Angabe
- a) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
- b) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
- c) der Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden,
- wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
- 3. den Klägerinnen Rechnung zu legen, – der Klägerin zu 1) über die gem. Zif-fer I. 1. seit dem 9. Juli 2010 begangenen Handlungen und der Klägerin zu 2) über die seit dem 1. November 2011 begangenen Handlungen –
- und zwar unter Angabe
- a) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer sowie der bezahlten Preise,
- b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen,
-zeiten und -preisen (und gegebenenfalls Typenbezeichnungen), sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer einschließlich der Verkaufsstellen, für welche die Erzeugnisse bestimmt waren, - c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen,
-zeiten und -preisen (und gegebenenfalls Typenbezeichnung) sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger, - d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
- e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
- wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt den Kläge-rinnen einem von den Klägerinnen zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansäs-sigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, den Klägerinnen auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
- die Beklagte zum Nachweis der Angaben zu a) und b) die entsprechenden Einkaufs- und Verkaufsbelege (Rechnungen hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen hat, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
- 4. die im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder ihrem Eigentum befindlichen Erzeugnisse nach Ziffer I.1. an einen von den Klägerinnen zu benennenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung des gesamten kommerziellen Produkts auf ihre – der Beklagten – Kosten herauszugeben oder – nach Wahl der Beklagten – die Erzeugnisse selbst zu vernichten.
- 5. die unter Ziffer I. 1. bezeichneten, seit dem 9. Juni 2010 – für die Klägerin zu 2) seit dem 1. November 2011 – in Verkehr gebrachten Erzeugnisse gegen-über den gewerblichen Abnehmern unter Hinweis auf den gerichtlich festgestellten patentverletzenden Zustand der Sache und mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen, sowie die Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen.
- II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte jeweils verpflichtet ist, den Klägerinnen allen Schaden zu ersetzen, der der Klägerin zu 1) durch die gem. Ziffer I. 1. seit dem 9. Juli 2010 von der Beklagten begangenen Handlungen und der Klägerin zu 2) durch die seit dem 1. November 2011 von der Beklagten begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
- Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt:
- Die Klägerinnen seien aktivlegitimiert. Dies gelte insbesondere auch für die Klägerin zu 2). Sie sei aufgrund einer exklusiven Unterlizenz nutzungsberechtigt, die ihr durch die exklusive Lizenznehmerin „C“ vermittelt worden sei, die wiederum ihr Nutzungsrecht von der Klägerin zu 1) wirksam ableite. Maßgeblich für die Beurteilung, ob die Klägerin zu 2) über die „C“ von der Klägerin zu 1) wirksam ihre Unterlizenz ableite, seien der Hauptlizenzvertrag I und der Unterlizenzvertrag I, da diese bereits wirksam zustande gekommen seien und der Klägerin zu 2) ein originäres Nutzungsrecht vermittelten, welches sie im Klagewege geltend zu machen berechtigt sei. Insofern komme es auf die (Unter-) Lizenzverträg(e) II nicht an.
- Bei der angegriffenen Ausführungsform handele es sich um ein unmittelbares Verfahrenserzeugnis i.S.v. § 9 S. 2 Nr. 3 PatG. Sie stelle das Ergebnis der Anwendung des mit dem in Kombination der Ansprüche 1 und 4 geltend gemachten Patentanspruchs 5 dar.
- Die angegriffene Ausführungsform sei in der Region stromaufwärts des Gens gegenüber der in SEQ ID Nr. 9 gezeigten Wildtyp-Sequenz gentechnisch modifiziert. Im stromaufwärts gelegenen Teil des yddG-Gens, der die Promoter-Region umfasse, befinde sich eine Punktmutation. An der Stelle 1078 finde sich statt Cytosin im Wildtyp die Base Thymin. Damit werde das yddG-Gen unter die Kontrolle einer Expressionsregulationssequenz gestellt, die stärker als die in SEQ ID Nr. 9 gezeigte Sequenz sei. Dass die Punktmutation nach den Ausführungen der Beklagten nicht zielgerichtet durchgeführt wurde, sei unerheblich. Nach dem eigenen Vortrag der Beklagten sei der Stamm BioMND, auf den die angegriffene Ausführungsform zurückgehe, mit der mutagenen Chemikalie EMS behandelt worden. Hierdurch sei – für eine Verwirklichung der beanspruchten technischen Lehre ausreichend, unabhängig davon, ob es sich um eine Zufallsmutagenese handele – eine Punktmutation hervorgerufen worden. Dass darüber hinaus noch weitere Mutationen im Bakterienstamm aufgetreten seien, sei für die Verletzung unerheblich. Schließlich hätten die Klägerinnen nachgewiesen, dass sich die genannte Erhöhung der Genexpression um das 60-fache in einer tatsächlich erhöhten Tryptophan-Produktion in Höhe von 13 % niedergeschlagen habe.
- Für eine Aussetzung des Rechtsstreits bestehe keine Veranlassung.
- Gegen dieses, ihren Prozessbevollmächtigten am 1. Februar 2018 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 27. Februar 2018 Berufung eingelegt, mit der sie ihr vor dem Landgericht erfolglos gebliebenes Klageabweisungsbegehren weiter verfolgt.
- Sie wiederholt und ergänzt ihr erstinstanzliches Vorbringen und macht insbesondere geltend:
- Das Landgericht habe bei seiner Auslegung einseitig einem Merkmal („expression regulation sequence“) gegenüber anderen, hiermit im Kontext stehenden Merkmalen der gleichen Merkmalsgruppe („locating“) den unbedingten Vorrang gegeben. Die Auslegung des Begriffes „locating“ sei jedoch entscheidungserheblich. Zu klären sei, ob Bakterienstämme, die mit weitreichenden Änderungen im Genom mittels genomweiter Zufallsmutagenese entstanden seien, in den Schutzbereich des Klagepatents fallen. Um einen derartigen Bakterienstamm handele es sich bei der angegriffenen Ausführungsform. Das Landgericht habe außer Acht gelassen, dass der Verfahrensschritt „locating“ die strukturellen Eigenschaften des Mikroorganismus bedinge. Das Merkmal „locating“ umfasse eine Handlung, nämlich den Austausch eines einzelnen Nucleotids. Weshalb dieses „Austauschen“, insbesondere angesichts des klaren Wortlauts und Kontextes zu den beiden anderen im Anspruch genannten Methoden, keinen Verfahrensschritt darstellen solle, erläutere das Landgericht nicht. Es löse sich insoweit – ohne angemessene Begründung – sowohl vom Wortlaut als auch vom Sinnzusammenhang der Merkmale von Patentanspruch 1. Auch die Klägerin zu 1) als Patentinhaberin habe sowohl in dem das Klagepatent betreffenden Erteilungsverfahren als auch im parallelen ITC-Verfahren selbst eingeräumt, dass die drei im Anspruch genannten Herstellungsvarianten Methoden seien. Die für den Fachmann offenkundige Erkenntnis, dass es sich um Verfahrensschritte handele, sei auch in der ITC-Entscheidung in der 1. und 2. Instanz bestätigt worden.
- Überdies habe das Landgericht hinsichtlich des Merkmals „locating“ auch keine funktionsorientierte Auslegung vorgenommen. Es habe in seiner Auslegung letztlich zwei verschiedene Ursachen für das Vorliegen einer Punktmutation unter den Anspruch fallen lassen: Einerseits den gezielten Austausch eines Nucleotids und andererseits die genomweite Zufallsmutagenese. Hierbei handele es sich jedoch um grundsätzlich unterschiedliche Sachverhalte. Der Austausch eines einzelnen Nucleotids sei, nach Auffassung des Landgerichts, eine plan- und ausführbare Methode zur gezielten Veränderung auf der Ebene konkreter Teilbereiche eines Gens, mit dem Ziel, eine bestimmte, gewünschte Nucleotidabfolge zu erzeugen. Die genomweite Zufallsmutagenese richte sich jedoch nicht auf die gentechnologisch relevante Ebene der Nucleotidsequenz, sondern auf die makroskopische Ebene des Phänotyps. Gezielte oder gar steuerbare Einwirkungen auf der Ebene des Genoms oder gar der Ebene der einzelnen Nucleotide seien mit ihr überhaupt nicht möglich. Ein plan- oder steuerbarer Zugriff auf das vom Patent konkret in den Fokus genommene Protein und die zugehörige Gensequenz sei mit dieser Methode nicht ausführbar. Eine funktionsorientierte Auslegung könne jedoch denknotwendig nicht solche Varianten umfassen, die eine planbare, nacharbeitbare Lehre nicht zulassen.
- Des Weiteren habe das Landgericht ohne nähere Begründung offengelassen, ob es sich bei Patentanspruch 1 um einen product-by-process-Anspruch handele. Dies sei rechtsfehlerhaft und zeige ein weiteres Auslegungsdefizit. Das Landgericht habe verkannt, dass die in Patentanspruch 1 genannten Methoden determinierten, welche strukturellen Eigenschaften der resultierende Mikroorganismus aufweise.
- Darüber hinaus habe das Landgericht Art. 69 EPÜ rechtsfehlerhaft angewandt. Es verkenne das Spannungsverhältnis dieser Norm zur für die Fragen der Aussetzung und Rechtsbeständigkeit als maßgeblich erachteten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur hinreichenden Offenbarung. Die Beklagte hätte umfassend dargelegt und unter Beweis gestellt, dass die Auslegung des Patentanspruchs auch dadurch (und im konkreten Fall entscheidungserheblich) gekennzeichnet sei, dass einige der erörterten Auslegungsvarianten gar nicht oder nur mit unzumutbarem Aufwand ausführbar seien. Diese Erwägungen habe das Landgericht jedoch übergangen und zudem die Grund-sätze der BGH-Rechtsprechung bei der Prüfung der Rechtsbeständigkeit und Aussetzung unrichtig angewandt. Es sei unzulässig, den Anspruch im Verletzungsverfahren über den unstreitig ausführbaren Bereich hinaus schrankenlos breit zu verstehen und sich dann für die Frage der Rechtsbeständigkeit und Aussetzung damit zufrieden zu geben, dass ein einziger Weg – dieser dann wieder im unstreitig ausführbaren Bereich – zur Ausführung genannt sei. Vielmehr müssten sich die Auslegung im Rechtsbestands- und Verletzungsverfahren decken.
- Abgesehen davon beruhe das landgerichtliche Urteil auch auf unvollständigen Tatsachenfeststellungen. Dies betreffe zum einen die grundsätzlichen Unterschiede zwischen gezielten gentechnologischen Eingriffen in vitro einerseits und großflächigen ungestörten Einwirkungen auf das Genom in vivo andererseits und damit letztlich das korrekte Verständnis der Grundprinzipien gentechnologischen Arbeitens und insbesondere die Abgrenzung zwischen einer gezielten Punktmutation und der genomweiten Zufallsmutagenese. Es sei auch für den Nichtfachmann unmittelbar erkennbar, dass das vom Klagepatent gelehrte Vorgehen einen „chirurgischen Eingriff“, gerichtet auf ein konkretes Gen, lehre. Kein Fachmann werde einen über viele Schritte aufgebauten Mikroorganismus mit der genomweiten Zufallsmutagenese bearbeiten, die zum einen überhaupt keine gezielten Veränderungen einer gewünschten Stelle zulasse und zum anderen die bisher eingeführten Veränderungen zerstören könne. Daneben unterliege das Landgericht auch Fehlvorstellungen darüber, welche Art der gentechnologischen Veränderung der Fachmann zum Prioritätszeitpunkt als anspruchsgemäß ansehen würde. Dies betreffe insbesondere die Unterscheidung zwischen Manipulationen des nativen Promoters gegenüber dem zum Prioritätszeitpunkt üblichen Austausch der nativen Sequenz durch bekannte starke Promotoren.
- Im Übrigen habe das Landgericht auch zu Unrecht die Aktivlegitimation der Klägerin zu 2) bejaht. Ermessensfehlerhaft habe es zunächst die mehrfach angeregte Anordnung zur Vorlage nicht geschwärzt und vollständig übersetzter Urkunden gemäß § 142 Abs. 1, 3 ZPO gänzlich außer Acht gelassen und hierdurch jeweils eigenständige Verfahrensfehler begründet. Die Mitglieder des Gerichts seien zudem des Japanischen nicht mächtig gewesen, weshalb die Einholung einer Übersetzung von Amts wegen geboten gewesen sei. Ebenso habe das Gericht die Anträge gemäß §§ 423 ff. ZPO nicht geprüft.
- Das Landgericht habe aus den vorgelegten Urkunden rechtsfehlerhaft auf zureichende Vertretungsbefugnisse der Unterzeichner der Lizenzverträge geschlossen. Es habe insofern bereits den Umfang des Bestreitens verkannt. Das Landgericht stütze seine Überlegungen ferner auf unbelegte Annahmen außerhalb des Parteivortrags und untaugliche Urkunden. Auch habe es die Reichweite von § 25 HGB (Japan) und § 349 Gesellschaftsgesetz (Japan) unzutreffend beurteilt. Beide Vorschriften verböten allein den Vertragsparteien die Einwendung bestehender Beschränkungen der Vertretungsmacht im Innenverhältnis, um so den Dritten zu schützen. Diesem Dritten sei es aber unbenommen, die Wirksamkeit des jeweiligen Vertrages selbst geltend zu machen und insoweit den Nachweis entsprechender Vertretungsmacht zu verlangen. Derartige Unterlagen seien jedoch in keinem Fall vorgelegt worden, so dass der Nachweis bestehender Vertretungsmacht im Zeitpunkt des jeweiligen Vertragsschlusses nicht erbracht sei.
- Schließlich habe das Landgericht die Lizenzverträge (auch nach deutschem Recht) fehlerhaft ausgelegt, wobei die Auslegung zudem auf nur teilweise offengelegten Lizenzverträgen beruhe.
- Die Beklagte beantragt,
- die Klage unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Düsseldorf vom 1. Februar 2018, Az.: 4b 47/16, abzuweisen;
- hilfsweise:
den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Entscheidung in dem den deutschen Teil des Klagepatents EP 1 449 XXX (DE 602 36 684) betreffenden Nichtigkeitsverfahren (X ZR 15/19) auszusetzen. - Die Klägerinnen beantragen,
- die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 1. Februar 2018, Az.: 4b O 47/16 zurückzuweisen.
- Sie verteidigen das angefochtene Urteil und treten den Ausführungen der Beklagten unter Wiederholung und Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vorbringens entgegen.
- Zu Recht sei das Landgericht davon ausgegangen, dass die Klagepatentschrift die technische Umsetzung der Erfindung nicht auf bestimmte Einflussmethoden beschränke. Insbesondere würden erfindungsgemäß weder Verfahren der Zufallsmutagenese ausgeschlossen noch werde der Schutzbereich auf den vollständigen Austausch des Promotors reduziert.
- Ausgehend von einem solchen Verständnis der Erfindung mache die angegriffene Ausführungsform wortsinngemäß von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch. Unbestritten vertreibe die Beklagte L-Tryptophan, welches die PT G Indonesia unter Lizenz der „F“ Corporation herstelle und das von einem im Vergleich zum Wildtyp genetisch abgewandelten E. coli-Bakterienstamm produziert werde. Der Produktionsstamm weise an Position 52 eine Punktmutation (von Cytosin nach Thymin) in dem Promotor seines yddG-Gens auf. Diese Punktmutation erhöhe die Expression des yddG-Gens um den Faktor 60, so dass die Aktivität des YddG-Proteins ebenfalls erhöht sei. Daraus resultiere eine gesteigerte L-Tryptophanproduktion. Selbst wenn die konkrete Mutation in dem Produktionsstamm durch Zufallsmutagenese produziert worden sein sollte – was die Klägerinnen weiter mit Nichtwissen bestreiten – ändere sich an dieser Feststellung nichts.
- Ebenso rechtsfehlerfrei habe das Landgericht festgestellt, dass die Klägerin zu 2) als Exklusivlizenznehmerin des Klagepatents aktivlegitimiert sei. Dies folge bereits aus einer konkludenten Lizenzierung, weswegen sämtliche Einwände der Beklagten irrelevant seien, sowie aus schriftlichen Lizenzverträgen. Davon abweichender Parteivortrag der Beklagten sei neu und daher nicht zuzulassen.
- Die Klägerin zu 2) sei mindestens seit 2011 Inhaberin einer Exklusivlizenz am Klagepatent. Dahingehend habe sie sich mit der Klägerin zu 1) konkludent geeinigt. Dies ergebe der gemeinsame Wille der beteiligten Vertragsparteien der C1-Gruppe. Die Klägerin zu 1) habe als Patentinhaberin und damit als Berechtigte das ausschließliche Nutzungsrecht an dem Klagepatent mittels schlüssiger Einigung an die Klägerin zu 2) übertragen. Sie habe die Klägerin zu 2) das Klagepatent in der fraglichen Zeit ab November 2011 und schon viele Jahre zuvor benutzen und auf dieser Grundlage in Europa und insbesondere auch in Deutschland nach der Lehre des Klagepatents hergestelltes Tryptophan vertreiben lassen. Dass dies einvernehmlich erfolgt und beabsichtigt gewesen sei, belege die mehrfache ausdrückliche Lizenzierung in den Jahren 2011 und 2017, worin auch eine nachträgliche Genehmigung der üblichen Praxis zu sehen sei. Dies trage dem Umstand Rechnung, dass die Lizenznehmerin faktisch ohnehin schon dieselbe Stellung gehabt habe wie später unter Geltung der ausschließlichen Lizenzverträge. Diese Ausschließlichkeitsstellung rechtfertige es, den Lizenznehmer auch als zur Geltendmachung in diesen Zeitraum fallender Schadensersatzansprüche legitimiert anzusehen. Die Gewährung einer ausschließlichen Lizenz sei somit der gemeinsame Wille der Vertragsparteien der C1-Gruppe gewesen.
- Auch die schriftlichen Lizenzverträge räumten der Klägerin zu 2) eine exklusive Lizenz am Klagepatent ein. Unter Berücksichtigung des nach dem Schutzlandprinzip maßgeblichen deutschen Rechts hätten sich die Klägerin zu 1) als berechtigte Patentinhaberin und die C Group Inc. („C“) unstreitig geeinigt, der „C“ eine Lizenz zu erteilen. Ebenso unstreitig habe sich die „C“ mit der Klägerin zu 2) geeinigt, Letzterer eine Unterlizenz an dem Klagepatent zu erteilen. Streitig sei allein, ob die Unterlizenz Exklusivcharakter habe und ob die Unterzeichner Vertretungsmacht gehabt hätten, um wirksame Verträge abzuschließen. Beides habe das Landgericht rechtsfehlerfrei bejaht.
- Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze der Parteien und der von ihnen vorgelegten Anlagen sowie auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
- II.
Die Berufung der Beklagten ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Jedenfalls nachdem die Klägerinnen ihr Vorbringen ergänzt haben, lässt sich ihre Aktivlegitimation hinreichend feststellen. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht zudem die angegriffene Ausführungsform als unmittelbares Verfahrenserzeugnis im Sinne von § 9 S. 2 Nr. 3 PatG angesehen und die Beklagte davon ausgehend zur Unterlassung, Auskunftserteilung und Rechnungslegung, zur Vernichtung, zum Rückruf sowie zum Schadenersatz verurteilt. Den Klägerinnen stehen entsprechende Ansprüche aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. §§ 139 Abs. 1 und 2, 140a Abs. 1 und 3, 140b Abs. 1 und 3 PatG i.V.m. §§ 242, 259 BGB zu. Allerdings ist der Umfang der Verpflichtung zum Rückruf aus Verhältnismäßigkeitsgründen wie aus dem Tenor ersichtlich beschränkt (§ 140a Abs. 4 S. 1 PatG). Für eine Aussetzung besteht nach der erstinstanzlichen Aufrechterhaltung des Klagepatents im Nichtigkeitsverfahren kein Anlass. - 1.
Die Klägerinnen sind zur Geltendmachung der streitgegenständlichen Ansprüche berechtigt. - a)
Hinsichtlich der Klägerin zu 1) ergibt sich die Aktivlegitimation bereits aus ihrer Stellung als eingetragene Inhaberin des Klagepatents. Nachdem die Beklagte die diesbezüglichen Feststellungen des Landgerichts im Berufungsverfahren nicht beanstandet hat, kann insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts verwiesen werden, die sich der Senat zu Eigen macht. - b)
Neben der Klägerin zu 1) ist auch die Klägerin zu 2) aktivlegitimiert. - aa)
Dass ein ausschließlicher Lizenznehmer – im Gegensatz zum Inhaber einer einfachen Lizenz – ein eigenes Klagerecht hat, steht zwischen den Parteien im Berufungsverfahren zu Recht nicht in Streit. Der ausschließliche Lizenznehmer kann selbstständig die Ansprüche aus §§ 139 ff. PatG wegen der Beeinträchtigung seines ausschließlichen Nutzungsrechts geltend machen. Er ist damit nicht auf eine Abtretung von Ansprüchen angewiesen und kann Ersatz seines eigenen, durch die Verletzungshandlungen entstandenen Schadens verlangen (BGH, GRUR 2004, 758, 763 – Flügelradzähler; GRUR 2009, 896, 899 – Tintenpatrone I; OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.04.2011, Az.: I-2 U 146/09, BeckRS 2011, 20931; Urt. v. 12.06.2014, Az.: I-2 U 86/09, BeckRS 2014, 14418; Urt. v. 20.12.2017, Az.: I-2 U 39/16, BeckRS 2017, 137480). - bb)
Voraussetzung für eine auf einem ausschließlichen Lizenzrecht gegründete Aktivlegitimation der Klägerin zu 2) ist naturgemäß, dass es sich bei der Klägerin zu 2) tatsächlich um die Inhaberin einer derartigen ausschließlichen Lizenz am Klagepatent handelt. Dies ist vorliegend der Fall. - (1)
Für die Einräumung und die Übertragung eines ausschließlichen Lizenzrechts an einem deutschen Patent oder dem deutschen Teil eines europäischen Patents gilt nach dem sog. „Schutzlandprinzip“ deutsches Recht. - Das Schutzlandprinzip (lex fori protectionis) gilt nicht nur für die Voraussetzungen und Folgen einer Schutzrechtsverletzung, sondern ebenso für die Entstehung, die Rechteinhaberschaft, den Bestand und die Übertragung eines Patents (OLG Düsseldorf, Urt. v. 12.06.2014, Az.: I-2 U 86/09, BeckRS 2014, 14418; Urt. v. 24.09.2015, Az.: I-2 U 30/15, BeckRS 2015, 18754; Urt. v. 17.12.2015, Az.: I-2 U 54/04, BeckRS 2016, 03307; Urt. v. 25.10.2018, Az.: I-2 U 30/16, BeckRS 2018, 34555, Rz. 71; Kühnen, GRUR 2014, 137, 142; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 11. Aufl., Kap. D Rz. 145). Die Anknüpfung an das Schutzlandprinzip ist insoweit zwingend und einer abweichenden Rechtswahl der Parteien nicht zugänglich. Sie bedeutet, dass für die Anforderungen an die Übertragung eines Patents das Recht desjenigen Staats heranzuziehen ist, in dem das Patent seinen territorialen Schutz entfaltet. Bei deutschen Patenten und deutschen Teilen europäischer Patente ist dies Deutschland. Die lex fori protectionis gilt uneingeschränkt auch dann, wenn in demselben Vertragswerk neben dem deutschen Patent noch weitere ausländische Schutzrechte übertragen werden (OLG Düsseldorf, Urt. v. 12.06.2014, Az.: I-2 U 86/09, BeckRS 2014, 14418; Urt. v. 24.09.2015, Az.: I-2 U 30/15, BeckRS 2015, 18754; Urt. v. 17.12.2015, Az.: I- 2 U 54/04, BeckRS 2016, 3307; Urt. v. 25.10.2018, Az.: I-2 U 30/16, BeckRS 2018, 34555, Rz. 71; OLG München, GRUR-RR 2006, 130; Kühnen, GRUR 2014, 137, 142). Für die – hier in Rede stehende – Einräumung einer ausschließlichen Lizenz an dem Patent gilt nichts anderes. Da die Einräumung einer ausschließlichen Lizenz als dinglicher Rechtsakt im Sinne einer beschränkten Übertragung bzw. Teilrechtsabspaltung vom Mutterrecht zu verstehen ist, ist auf die Einräumung einer solchen Lizenz wie bei einer Vollübertragung zwingend das Schutzlandprinzip anzuwenden (OLG Düsseldorf, Urt. v. 12.06.2014, Az.: I- 2 U 86/09, BeckRS 2014, 14418; Urt. v. 24.09.2015, Az.: I-2 U 30/15, BeckRS 2016, 03307; Urt. v. 20.12.2017, Az.: I-2 U 39/16, BeckRS 2017, 137480; Urt. v. 25.10.2018, Az.: I-2 U 30/16, BeckRS 2018, 34555, Rz. 71; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, a.a.O.). Für die Einräumung einer ausschließlichen Lizenz an einem deutschen Patent oder an dem deutschen Teil eines europäischen Patents gilt damit deutsches Recht.
- Das deutsche Recht sieht – abgesehen vom Vorliegen übereinstimmender Willenserklärungen von Lizenzgeber und Lizenznehmer (OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.10.2018, Az.: I-2 U 30/16, BeckRS 2018, 34555) – für den Abschluss eines Lizenzvertrages keine besondere Form vor (OLG Düsseldorf, Urt. v. 20.12.2017, Az.: I-2 U 39/16, BeckRS 2017, 137480; Urt. v. 25.10.2018, Az.: I-2 U 30/16, BeckRS 2018, 34555, Rz. 71; Benkard/Ullmann/Deichfuss, PatG, 11. Aufl., § 15 Rz. 75). Entsprechendes gilt für das – zum nationalen Recht gehörende – europäische Patentrecht. Das Schriftformerfordernis des Art. 72 EPÜ bezieht sich allein auf die rechtsgeschäftliche Übertragung von europäischen Patentanmeldungen (Benkard/Ullmann/Deichfuss, a.a.O., § 15 Rz. 75). Das deutsche Recht kennt auch keine sonstigen Beschränkungen (OLG Düsseldorf, Urt. v. 20.12.2017, Az.: I-2 U 39/16, BeckRS 2017, 137480; Urt. v. 25.10.2018, Az.: I-2 U 30/16, BeckRS 2018, 34555). Die nach § 30 Abs. 4 PatG mögliche Eintragung der ausschließlichen Lizenz in das Patentregister ist für die Gültigkeit des Erwerbs der Lizenz nicht erforderlich. Eine Eintragung der Lizenz in das Patentregister hat für die Rechtsbeziehungen der Vertragspartner – wie auch diejenigen des Lizenznehmers gegenüber Dritten – keine materiell-rechtliche Bedeutung (OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.10.2018, Az.: I-2 U 30/16, BeckRS 2018, 34555; Benkard/Ullmann/Deichfuss, a.a.O., § 15 Rz. 78). Die Eintragung der Lizenz an einer europäischen Patentanmeldung (Art. 73 EPÜ) in das europäische Patentregister ist ebenfalls nicht Voraussetzung für eine wirksame Lizenzeinräumung; sie hat nur eine Legitimationswirkung (OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.10.2018, Az.: I-2 U 30/16, BeckRS 2018, 34555; Benkard/Ullmann/Deichfuss, a.a.O., § 15 Rz. 78). Nach dem maßgeblichen deutschen Recht kann ein Lizenzvertrag damit auch formlos abgeschlossen werden. Möglich ist hierbei auch eine stillschweigende Lizenzerteilung (OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.10.2018, Az.: I-2 U 30/16, BeckRS 2018, 34555; Benkard/Ullmann/Deichfuss, a.a.O., § 15 Rz. 78).
- (2)
Davon zu unterscheiden ist die Frage nach dem Inhalt der jeweiligen Erklärungen. Ob die Parteien tatsächlich die Einräumung einer ausschließlichen und nicht lediglich einer einfachen Lizenz vereinbart haben, bestimmt sich nach dem Vertragsstatut, das zugleich auch darüber entscheidet, ob handelnde Bevollmächtigte mit Wirkung für und gegen ihren Geschäftsherrn agiert haben (Kühnen, GRUR 2014, 137; zur Patentübertragung: Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 11. Aufl., Abschn. D, Rz. 122). - (a)
Mit Blick auf die das Vertragsstatut festlegenden Kollisionsnormen bedarf es für den europäischen Rechtsraum der Differenzierung: Für alle seit dem 17. Dezember 2009 abgeschlossenen Verträge ist die Rom I-VO anwendbar, während es für alle übrigen ihr nicht unterfallenden Sachverhalte (außerhalb und/oder zeitlich vor Inkrafttreten der Rom I-VO) bei den Art. 27, 28 EGBGB a.F. bleibt (OLG Düsseldorf, Urt. v. 20.01.2017, Az.: I-2 U 41/12, BeckRS 2017, 102029). Im Streitfall ist vor dem Hintergrund des Zeitpunktes des durch die Klägerinnen behaupteten Vertragsschlusses im Jahr 2011 auf die Rom-I-VO abzustellen (Art. 1 Abs. 1, Art. 28 Rom I-VO). - (b)
Die Frage, welcher Sinngehalt den Regelungen des „Technischen Lizenzvertrages“ sowie des „Unterlizenzvertrages für Technologie“ (vgl. Anlagen FBD 1/1a sowie FBD 19/19a) nach dem japanischen Recht zukommt, bedarf keiner Entscheidung mehr, soweit die Parteien dieser Verträge das Vertragswerk mit ergänzenden Verträgen (ungeschwärzt vorgelegt als Anlagen FBD 26/26a sowie FBD 27/27a) in Bezug auf den deutschen Anteil des Klagepatents bzw. auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland dem deutschen Recht unterstellt haben. Eine solche nachträgliche Änderung der Rechtswahl ist zulässig. Nach Art. 3 Abs. 1 und 2 der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlamentes und des Rates über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I-VO) unterliegt ein Vertrag mit europäischem Auslandsbezug dem von den Parteien gewählten Recht, wobei den Vertragsparteien die Möglichkeit offensteht, die Vertragswahl für den ganzen Vertrag oder nur für einen Teil desselben zu treffen und diese Rechtswahl auch nachträglich ganz oder teilweise zu verändern. Gründe, weshalb die Vertragsparteien im Streitfall ausnahmsweise an die – zumindest in Art. 16 des „Lizenzvertrages für Technologie“ ursprünglich ausdrücklich getroffene – Rechtswahl gebunden sein sollten, sind nicht ersichtlich (so bereits: OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.04.2011, Az.: I-2 U 146/09, BeckRS 2011, 20931). Insbesondere steht Art. 3 Abs. 2 S. 2 der Rom I-VO, der lediglich bestimmt, dass Rechte Dritter durch eine nach Vertragsschluss erfolgende Änderung der Bestimmung des anzuwendenden Rechts nicht berührt werden, der Wirksamkeit der getroffenen Rechtswahl nicht entgegen. - (c)
In Anwendung dieser Rechtsgrundsätze ist neben der Klägerin zu 1) auch die Klägerin zu 2) aktivlegitimiert. - (aa)
Der als Anlagen FBD 26/26a vorgelegte „(Haupt-) Lizenzvertrag“ räumt der „C“ unter Ziffer 3. ausdrücklich eine ausschließliche Lizenz an dem deutschen Teil des Klagepatents ein und stattet sie zugleich mit dem Recht aus, an die Klägerin zu 2) Unterlizenzen zu erteilen. Davon hat die „C“ in dem als Anlagen FBD 27/27a vorgelegten Unterlizenzvertrag unter Ziffer 3. Gebrauch gemacht. Diese Verträge unterliegen ausweislich der unter Ziffer 6. jeweils getroffenen Rechtswahl deutschem Recht. Soweit die in den Verträgen aus dem Jahr 2011 enthaltenen Regelungen durch die ergänzenden Verträge ersetzt bzw. modifiziert werden, ist der Bedeutungsgehalt der jeweiligen Regelung somit allein nach dem deutschen Recht zu ermitteln. Angesichts des klaren Wortlauts („exklusive Lizenz“, „exklusive Unterlizenz“) besteht kein Anlass, am Bestehen einer ausschließlichen Lizenz zu zweifeln. Abweichendes lässt sich den beiden Vereinbarungen nicht entnehmen. Damit ist – vorausgesetzt, die Verträge wurden tatsächlich jeweils wirksam geschlossen – die Klägerin zu 2) zumindest ab dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses (26.06.2017) aktivlegitimiert. - (bb)
Sowohl die zugunsten der „C“ erteilte Hauptlizenz als auch die die Klägerin zu 2) legitimierende Unterlizenz gelten jeweils gemäß Ziffer 2. der getroffenen Vereinbarungen rückwirkend für die Zeit ab dem 1. November 2011. - Zwar verleiht die ausschließliche Lizenz dem Lizenzinhaber im Rahmen des Vertrages ein gegen jedermann wirkendes Ausschlussrecht, das sowohl das positive Benutzungsrecht als auch das negative Verbietungsrecht umfasst (Schulte/Moufang, PatG, 11. Aufl., § 15 Rz. 33; vgl. auch Benkard/Ullmann/Deichfuß, PatG, 11. Aufl., § 15 Rz. 89 m.w.N.). Dieser gegenüber jedermann wirkende Charakter der ausschließlichen Lizenz schließt es aus, die ausschließliche Lizenz durch eine spätere Vereinbarung zwischen dem Lizenzgeber und dem Lizenznehmer rückwirkend in eine einfache Lizenz umzuwandeln (OLG Düsseldorf, Urt. v. 01.02.2018, Az.: I-2 U 33/15, GRUR-RS 2018, 11286, Rz. 166). Nichts anderes kann grundsätzlich für den umgekehrten Fall der rückwirkenden Umwandlung einer einfachen Lizenz in eine ausschließliche Lizenz gelten (Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 11. Aufl., Abschn. D, Rz. 149). Insoweit fehlt den Parteien des Lizenzvertrags die Dispositionsbefugnis.
- Eine rückwirkende Erteilung einer ausschließlichen Lizenz ist jedoch unbedenklich, wenn der Lizenznehmer sie in dem erfassten Zeitraum faktisch ohnehin im Einverständnis mit dem Schutzrechtsinhaber als Solche ausgeübt und von der unter Schutz gestellten technischen Lehre Gebrauch gemacht hat. In einem solchen Fall bringt die nachträgliche „Erteilung“ einer ausschließlichen Lizenz die bereits ohnehin faktisch bestehende Sachlage letztlich nur in Papierform. Die nachträgliche Lizenzierung entspricht dann einer nachträglichen Genehmigung der bis dahin geübten Praxis, die dem Umstand Rechnung trägt, dass der Lizenznehmer faktisch ohnehin schon dieselbe Stellung hatte wie später unter der Geltung des ausschließlichen Lizenzvertrages. Diese Ausschließlichkeitsstellung rechtfertigt es, ihn auch als zur Geltendmachung in diesem Zeitraum fallender Schadensersatzansprüche legitimiert anzusehen (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.04.2011, Az.: I-2 U 146/11, BeckRS 2011, 20931).
- So liegt der Fall hier. Die Klägerinnen haben erstinstanzlich mit Schriftsatz vom 11. Dezember 2017 (Bl. 327 GA II) zur Begründung der Aktivlegitimation der Klägerin zu 2) vorgetragen, die Klägerin zu 2) sei mindestens seit 2011 als exklusive Lizenznehmerin aktivlegitimiert. Sie habe das Klagepatent sowohl in der fraglichen Zeit ab November 2011 als auch schon viele Jahre davor benutzt und auf dieser Grundlage in Europa und insbesondere auch in Deutschland nach der Lehre des Klagepatents hergestelltes Tryptophan vertrieben. Dieses Vorbringen zum Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform durch die Klägerin zu 2) hat die Beklagte erstinstanzlich nicht bestritten. Das erstmalige Bestreiten in der Berufungsinstanz ist verspätet und in Ermanglung eines Zulassungsgrundes (§§ 529 Abs. 2, 531 ZPO) nicht zu berücksichtigen. Damit hatte die Klägerin zu 2) zumindest seit 2011 unabhängig vom Inhalt der geschlossenen Verträge faktisch die Stellung eines ausschließlichen Lizenznehmers; die 2017 geschlossenen Verträge bilden somit lediglich die bereits bestehende Sachlage ab. Dementsprechend können diese Verträge auch nicht ein vermeintliches Recht der Beklagten beeinträchtigen. Es kann sich daher von vornherein weder um einen Vertrag zu Lasten Dritter handeln noch werden Rechte Dritter i.S.v. Art. 3 Abs. 2 S. 2 Rom I-VO berührt.
- cc)
Vor dem Hintergrund, dass die als Anlagen FBD 26/26a sowie FBD 27/27a vorgelegten Lizenzverträge lediglich den bereits im Zeitpunkt der Klageerhebung bestehenden faktischen Zustand normieren, steht der Zulässigkeit der Klage der Klägerin zu 2) nicht entgegen, dass der Lizenznehmer seine Rechtsstellung vom Schutzrechtinhaber und aus dessen Schutzrecht ableitet. Zwar kann der Patentinhaber dem Lizenznehmer, soweit es um das gegenüber Dritten wirksame Ausschließlichkeitsrecht geht, keine Rechtsposition verschaffen, die ihm nicht zuvor als Bestandteil seines (noch nicht um eine solche abgeleitete Berechtigung geschmälerten) Patentrechts zusteht. Auch ist der ausschließliche Lizenznehmer (Teil-) Rechtsnachfolger des Patentinhabers i.S.v. § 265 ZPO, wenn die Einräumung einer ausschließlichen Lizenz vor Eintritt der Rechtskraft, jedoch nach Eintritt der Rechtshängigkeit erfolgt (BGH, GRUR 2013, 1269, 1270 – Wundverband). Ist das frühere Recht bereits Gegenstand eines Prozesses des Patentinhabers, kann der ausschließliche Lizenznehmer seine vom Patentinhaber abgeleiteten Ansprüche nicht mehr weiter einklagen (BGH, a.a.O.; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 11. Aufl., Abschn. D, Rz. 130). Davon zu unterscheiden ist jedoch der vorliegende Fall, bei dem der Patentinhaber von Anfang an zusammen mit dem Inhaber einer faktischen ausschließlichen Lizenz klagt, die im weiteren Prozessverlauf lediglich in die Form eines schriftlichen Lizenzvertrages gebracht wird. Bei einer solchen Konstellation ist für eine Anwendung der §§ 265, 325 ZPO kein Raum. Vielmehr hat der ausschließliche Lizenznehmer angesichts der Möglichkeit einer formlosen und konkludenten Erteilung einer ausschließlichen Lizenz seine Stellung bereits mit Prozessbeginn inne. Der Patentinhaber und der ausschließliche Lizenznehmer gehen auch bei einer gemeinsamen Klage von Anfang an jeweils aus ihrer Position heraus selbstständig gegen den Patentverletzer vor. - dd)
Unter Berücksichtigung der durch die Klägerinnen vorgelegten Unterlagen ist der Senat davon überzeugt, dass die Parteien der für die hier zu beantwortende Frage der Aktivlegitimation allein maßgeblichen ergänzenden Verträge beim Abschluss dieser Verträge wirksam vertreten wurden. Auch wenn diese Verträge aufgrund der getroffenen Rechtswahl deutschem Recht unterliegen, bestimmt sich die Wirksamkeit der Vertretung nach dem Gesellschaftsstatut und damit dem Recht, dem die jeweilige Gesellschaft unterliegt. - (1)
Bei der Klägerin zu 2) handelt es sich um eine S.A.S. (société par actions simplifiée) und damit um eine Vereinfachte Aktiengesellschaft. Sie wird gemäß Art. L227-6 Abs. 2 S. 1 des Code de Commerce durch einen gemäß den Regeln in den Statuten bestimmten Präsidenten vertreten. Dieser hat die umfassendsten Befugnisse, in allen Umständen im Namen der Gesellschaft zu handeln. Präsident war im Zeitpunkt der Unterzeichnung des als Anlage FBD 27/27a vorgelegten Unterlizenzvertrages im Juni 2017 ausweislich der als Anlagenkonvolut FBD 30 vorgelegten Registerauszüge und dem Anhang zum Amtsblatt der französischen Republik Nr. 28B v. 24. März 2015 N. Davon ausgehend hat der Senat keinen Grund, an dessen Vertretungsmacht zu zweifeln. Zwar ist die organschaftliche Vertretungsmacht des Vorstands durch den Gesellschaftszweck begrenzt. Auch erstreckt sich die dem Präsidenten verliehene organschaftliche Vertretungsmacht nicht auf Entscheidungen, die laut Gesetz oder Satzung den Gesellschaftern vorbehalten sind. Jedoch ist die Gesellschaft gleichwohl nicht nur an Handlungen des Vorsitzenden, die den Gesellschaftszweck überschreiten, gebunden. Vielmehr entfalten in der Satzung enthaltene Beschränkungen der Befugnisse des Vorsitzenden gegenüber Dritten keine Wirkung (Basuyaux, Delpech/de Labrouhe in: Wegen/Spahlinger/Barth, Gesellschaftsrecht des Auslands, 2. EL Januar 2018, Frankreich, Rz. 132). Der Vorlage einer schriftlichen Vollmacht bedarf es angesichts der gegenüber Dritten bestehenden umfassenden organschaftlichen Vertretungsmacht des Präsidenten somit nicht. - (2)
Der Lizenzvertrag vom 26. Juni 2017 (Anlagen FBD 26/26a) wurde ebenso wie der als Anlage FBD 27/27a vorgelegte Unterlizenzvertrag auf Seiten der „C“ durch Herrn „L“ unterzeichnet. Bei diesem handelt es sich ausweislich des als Anlage FBD 32 II vorgelegten Registerauszugs des Tokyoer Büros für Rechtsangelegenheiten vom 15. Juni 2017 sowie dem ergänzend vorgelegten Zertifikat der vollständigen Registrierungsdatensätze mit der Referenz-Nr. 122221 vom 6. Juli 2017 (Anlagenkonvolut FBD 47) seit dem 28. Juni 2016 um den bevollmächtigten Direktor (P) der C Group, Inc, wobei er am 26. Juni 2017 wiederbestellt wurde. Dass der bevollmächtigte Direktor einer solchen Gesellschaft grundsätzlich berechtigt ist, die Gesellschaft wirksam zu vertreten, folgt aus Art. 349 Abs. 1 und 4 des japanischen Gesellschaftsgesetzes (Nr. 86 von 2005), der ausweislich der als Anlagen FBD 45/45a vorgelegten anwaltlichen Stellungnahme 2017 unverändert in Kraft war. Seine Stellung als Präsident und bevollmächtigter Direktor der „C“, zu deren Geschäftszweck auch die Lizenzierung von Patenten gehörte (vgl. Anlage FBD 32II, S. 2, Nr. 8 und Anlagenkonvolut FBD 51), bestätigte Herr „L“ ergänzend in der als Anlage FBD 50 vorgelegten Erklärung. - Auch wenn die Vertretungsmacht des Vertretungsberechtigten nach japanischem Recht beschränkt werden kann und das Handelsregister etwaige Beschränkungen der Vertretungsmacht nicht ausweist (vgl. Burian/Shinkawa in: Wegen/Spahlinger/Barth, Gesellschaftsrecht des Auslands, 2. EL Januar 2018, Rz. 119), fehlt es für eine derartige Beschränkung vorliegend an Anhaltspunkten. Gemäß Art. 28 Abs. 2 S. 1 der Satzung der „C“ (Anlage FBD 51) wird die Gesellschaft vom Präsidenten und damit im Zeitpunkt des Abschlusses der in Rede stehenden Verträge von Herrn „L“ vertreten. Anhaltspunkte für eine Beschränkung der Vertretungsmacht lassen sich weder der Satzung selbst noch den als Anlagen FBD 48 und FBD 49 vorgelegten Protokollen der außerordentlichen Sitzungen des Verwaltungsrates vom 28. Juni 2016 sowie vom 26. Juni 2017 sowie der Geschäftsordnung des Verwaltungsrates (Anlagenkonvolut FBD 52) entnehmen.
- Einer wirksamen Vertretung der „C“ durch Herrn „L“ steht § 10 Ziff. 31 der Geschäftsordnung des Verwaltungsrates (Anlage FBD 52, nachfolgend: GO) nicht entgegen. Zwar bedarf es für den Abschluss, die Überarbeitung und die Aufhebung wichtiger Verträge eines Beschlusses des Verwaltungsrates, an dem es hier fehlt. Die Klägerinnen haben jedoch anhand der als Anlage FBD 62 auszugsweise in deutscher Übersetzung vorgelegten Global Governance-Regelungen (nachfolgend: GGR) nachvollziehbar dargelegt, dass es nach den internen Regelungen im Konzern der Klägerinnen für den Abschluss des hier relevanten Lizenz- sowie des Unterlizenzvertrages (Anlagen FBD 26/26a sowie 27/27a) keines Beschlusses des Verwaltungsrates bedurfte; es handelt sich um kein wichtiges Geschäft im Sinne von § 10 Ziff. 31 GO.
- Gemäß Art. 3, 47 Abs. 2 der GGR i.V.m. Anlage 2 zu den GGR (Anlage FBD 63) gehört die „C“, für die die GGR dementsprechend auch ohne einen ausdrücklichen Hinweis in der Geschäftsordnung des Verwaltungsrates ausdrücklich gelten, der Stufe 2 entsprechend der den Globalen Governance-Regelungen zu Grunde liegenden Stufenstruktur an. Hierfür bestimmt Art. 24 GGR, dass die Entscheidungen für Angelegenheiten der Klasse v (vgl. Art. 21 GGR) durch den Inhaber einer Position mit delegierter Entscheidungsfindungsbefugnis, erteilt durch den Leiter der konkreten Konzerngesellschaft, getroffen werden können.
- Dass der Lizenz- sowie der Unterlizenzvertrag vom 26. Juni 2017 hierunter fallen, ergibt sich aus Art. 47 Abs. 1 GGR i.V.m. Anlage 1 zu den GGR, welche die Klägerinnen als Anlage FBD 64 auszugsweise zur Akte gereicht haben. Der vorgelegte Auszug betrifft die ID 20, welche sich mit der Übertragung von Rechten des geistigen Eigentums sowie der Erteilung bzw. dem Erhalt einer Lizenz bzw. eines Rechts zur Nutzung solchen geistigen Eigentums und damit mit dem hier relevanten Bereich befasst.
- Soweit die Beklagte darüber hinaus die Vorlage der entsprechenden Unterlagen betreffend die ID 21 (Aufgabe von Rechten geistigen Eigentums) sowie die ID 22 (Rechtsstreitigkeiten usw. hinsichtlich Rechten geistigen Eigentums) begehrt, besteht für die durch die Beklagte angestrebte Vorlageanordnung unter Berücksichtigung der ihre Unternehmensinterna betreffenden Geheimhaltungsinteressen der Klägerinnen kein Anlass. Die entsprechenden ID-Ziffern sind von vornherein nicht einschlägig. Für eine Aufgabe geistigen Eigentums fehlt es an Anhaltspunkten. Soweit die Beklagten die mögliche Anwendbarkeit der ID 22 damit begründen, dass der Lizenzvertrag ebenso wie der Unterlizenzvertrag vorliegend aus Anlass eines Rechtsstreits abgeschlossen wurden, ist auch dies kein Grund für eine entsprechende Vorlageanordnung. Die Einräumung von Lizenzen fällt, gleich aus welchem Anlass, ausdrücklich unter die ID 20. Soweit die ID 22 von „Rechtsstreitigkeiten hinsichtlich Rechten geistigen Eigentums“ spricht, betrifft dies augenscheinlich die Führung von Rechtsstreitigkeiten an sich, nicht aber die speziell in der ID 20 geregelte Lizenzierung, mag sie auch durch einen Prozess veranlasst sein.
- Anlage 1 der GGR ordnet mögliche Rechtsgeschäfte zunächst drei Unterkategorien zu, mit denen jeweils eine bestimmte Klassifizierung i.S.v. Art. 21 GGR korrespondiert. Während die ID 20-3 die Übertragung von Rechten geistigen Eigentums von weniger als 1 Million JPY erfasst, erfolgt die Einordnung der übrigen Rechtsgeschäfte anhand ihrer Wichtigkeit. Wichtige Rechtsgeschäfte unterfallen der ID 20-1, sind unter „i“ klassifiziert und bedürfen einer Entscheidungsfindung durch die zentrale Hauptgeschäftsstelle GHG (vgl. hierzu: Art. 21 GGR). Die übrigen Rechtsgeschäfte unterfallen der Klasse iv. Die Entscheidungsfindung liegt dementsprechend bei der jeweiligen Gesellschaft der Stufe 2; die GHG besitzt lediglich ein Prüfungsrecht.
- Diese Regelungen werden jedoch in der Rubrik „Richtlinien und Verfahren, Zusammenfassung“ auf der rechten Seite der Aufstellung näher konkretisiert. Gemäß Ziffer III-2-5 unterliegen den Verfahren für die Klasse v „Lizenz/Recht zur Nutzung von zwischen C1 Co., Inc. und dem konsolidierten Tochtergesellschaften der „Stufe 2“ oder der „Stufe 3“ gewährtem/erlangtem geistigen Eigentum, das als unbedeutend gilt (z. B. Verlängerung/Erneuerung einer bestehenden Vereinbarung, Hinzufügen/Verlängern geistigen Eigentums usw.).“
- Damit unterfällt die konzerninterne Verlängerung bzw. Erneuerung einer bestehenden Lizenzierungsvereinbarung der Kategorie v, so dass die Entscheidungsbefugnisse gemäß Art. 24 GGR bei Unternehmen der Stufe 2 bei dem Inhaber einer durch den Leiter der konkreten Konzerngesellschaft erteilten delegierten Entscheidungsfindungsbefugnis und damit hier bei „L“ als bevollmächtigtem Direktor der „C“ liegt.
Ein solches Verständnis von Ziffer III-2-5 der „Entscheidungshilfefindungskriterien“ steht auch nicht im Widerspruch zu den übrigen Regelungen der Anlage 1 zu den Globale Governance-Regelungen. Vielmehr werden die dort aufgestellten Grundregeln lediglich für einige wenige, eng umgrenzte Sonderfälle, etwa die Verlängerung oder Erneuerung einer bestehenden konzerninternen Lizenzierung, dahingehend konkretisiert, dass derartige Rechtsgeschäfte ausnahmsweise der Kategorie v zugewiesen werden. Im Übrigen gilt die entsprechende, der linken Seite der Übersicht zu entnehmende und bereits dargestellte Verteilung. - Entgegen der Auffassung der Beklagten behält auch die unter Ziffer III-2-3 der „Entscheidungsfindungskriterien“ zu findende Wertgrenze ihre Bedeutung. Ziffer III-2-3 betrifft die Übertragung geistigen Eigentums von den konsolidierten Tochtergesellschaften der Stufen 2 und 3 auf die Klägerin zu 1). Eine solche Übertragung ist der Klasse v nur dann zugeordnet, wenn die entsprechende Wertgrenze nicht überschritten wurde. Demgegenüber betrifft Ziffer III-2-5 lediglich die Einräumung von Lizenzen zwischen der Klägerin zu 1) und den entsprechenden konsolidierten Tochtergesellschaften der nachgelagerten Stufen, soweit es sich um die Verlängerung bzw. Erneuerung einer bestehenden Vereinbarung handelt. Liegt eine Solche vor, fällt die entsprechende Vereinbarung wertunabhängig in die Klasse v. Im Fall der Übertragung geistigen Eigentums auf die Klägerin zu 1) ist demgegenüber stets die unter Ziffer III-2-3 zu findende Wertgrenze zu beachten.
- Der Anwendung der vorstehend in Bezug genommenen unternehmensinternen Regelungen des Konzerns der Klägerinnen zur Bestimmung der Reichweite von § 10 Nr. 31 der Geschäftsordnung des Verwaltungsrates (Anlage FBD 52) steht Art. 362 Abs. 4 des Gesellschaftsgesetzbuches Japans nicht entgegen. Danach darf der Verwaltungsrat die Entscheidung über die Durchführung wichtiger Geschäfte, wie beispielsweise die Veräußerung und Annahme der Übertragung wichtiger Vermögenswerte, nicht an die Direktoren delegieren. Auch wenn es sich bei dieser Vorschrift ausweislich des durch die Beklagte als Anlagen B 53/53a zur Akte gereichten Rechtsgutachtens zum japanischen Recht um zwingendes, nicht dispositives Recht handelt, ist nicht ersichtlich, dass der vorliegende Fall unter das Delegationsverbot im Sinne dieser Vorschrift fällt. Die Lizenzierung bzw. Unterlizenzierung eines Schutzrechts ist keine Veräußerung eines wichtigen Vermögensgegenstandes, so dass sie nicht unter das Regelbeispiel gemäß Art. 362 Abs. 4 (i) fällt. Das Delegationsverbot greift dementsprechend nur dann, wenn es sich gleichwohl um ein wichtiges Geschäft handelt. Ob somit im konkreten Einzelfall ein wichtiges Geschäft im Sinne dieser Vorschrift vorliegt, bedarf dementsprechend einer Einzelfallbetrachtung. Soweit das vorgelegte Rechtsgutachten von einem solchen wichtigen Geschäft ausgehen will, findet dort nur unzureichend Berücksichtigung, dass es vorliegend nicht – wie angenommen – um die Lizenzierung hunderter Patente für mindestens 39 verschiedene Länder geht. Gegenstand sowohl des Lizenz- als auch des Unterlizenzvertrages ist vielmehr allein die Einräumung einer ausschließlichen Lizenz zu Gunsten der „C“ bzw. der Klägerin zu 2) für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. Dass es sich gleichwohl um ein wichtiges, der Zustimmung des Verwaltungsrates bedürfendes Geschäft handelt, vermag der Senat nicht festzustellen. Hinzu kommt, ohne dass dies streitentscheidend wäre, dass die entsprechenden Lizenzverträge, wie bereits im Einzelnen ausgeführt, lediglich den bereits im Zeitpunkt der Klageerhebung bestehenden faktischen Zustand normieren. Dass es sich hierbei gleichwohl um ein dem in Art. 362 Abs. 4 des japanischen Gesellschaftsgesetzbuches normierten Delegationsverbot unterfallendes wichtiges Geschäft handelt, ist weder hinreichend vorgetragen noch ersichtlich und erschließt sich insbesondere auch nicht aus dem vorgelegten Rechtsgutachten.
- An der Berücksichtigung der durch die Klägerinnen mit Schriftsatz vom 23. April 2019 vorgelegten Unterlagen ist der Senat auch nicht deshalb gehindert, weil es sich um neues tatsächliches Vorbringen im Sinne von § 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO handelt. Das Landgericht hat die mit der Aktivlegitimation verbundenen Probleme offensichtlich übersehen und es dementsprechend unterlassen, die diesbezüglich notwendigen Hinweise zu erteilen, so dass die entsprechenden Hinweise nunmehr im Berufungsverfahren zu erteilen waren und, als Konsequenz, das entsprechende Vorbringen nunmehr gemäß § 531 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO im Berufungsverfahren zu berücksichtigen ist. Ebenso scheidet eine Verspätung nach § 296 Abs. 1 ZPO aus.
- Die durch die zur Erläuterung ihrer betriebsinternen Entscheidungsregelungen vorgelegten Unterlagen sind unter Berücksichtigung der Geheimhaltungsinteressen der Klägerinnen auch ausreichend, um die Reichweite des in § 10 der Geschäftsordnung des Verwaltungsrates verankerten Beschlusserfordernisses zu bestimmen. Weshalb es, wie die Beklagte meint, der Offenlegung weiterer Regelungen bedürfen soll, ist nicht ersichtlich und wird durch die Beklagte auch nur unzureichend erläutert. Der abstrakte Hinweis auf den „unmittelbaren Bezug zur streitigen Rechtsfrage“ genügt insoweit nicht. Soweit sich die Beklagte ergänzend darauf bezieht, nach den Satzungsbestimmungen sei der der ersten Stufe angehörende Verwaltungsrat zuständig, weshalb der Entscheidungsprozess für die „Stufe 1“ vollständig offenzulegen sei, fehlt dem bereits von vornherein die Grundlage, nachdem es – wie ausgeführt – für den Abschluss der hier relevanten Verträge gerade keiner Zustimmung des Verwaltungsrates bedarf.
- Entgegen der Auffassung der Beklagten bedürfen die vorgelegten Unterlagen schließlich auch nicht zwingend einer Apostille. Liegt eine Solche vor, entspricht die Beweiskraft der jeweiligen, mit einer Apostille versehenen Unterlagen derjenigen von öffentlichen Urkunden (BGH, NJW-RR 2007, 1006; Zöller/Geimer, ZPO, 31. Aufl., § 438 Rz. 2). Die vorgelegten Handelsregisterauszüge begründen mit einer solchen Apostille den vollen Beweis der darin bezeugten Tatsachen (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 31.07.2017, Az.: I-2 U 71/16, BeckRS 2017, 129336). Dies ist für die notwendige Überzeugungsbildung aber keine Voraussetzung. § 286 Abs. 1 ZPO ordnet an, dass das Gericht nach freier Überzeugung darüber zu befinden hat, ob es eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr erachtet, wobei es den gesamten Inhalt der Verhandlungen und das Ergebnis einer etwaigen Beweisaufnahme zu berücksichtigen hat. Aus der Formulierung „etwaigen“ folgt hierbei, dass der erforderliche Beweis im Einzelfall auch ohne eine förmliche Beweisaufnahme nach Maßgabe der §§ 371 ff. ZPO als geführt angesehen werden kann. Die gerichtliche Überzeugungsbildung kann sich folglich – wie hier – allein auf die Schlüssigkeit des Sachvortrages einer Partei und/oder auf deren Prozessverhalten und/oder das des Gegners stützen (OLG Düsseldorf, Urt. v. 20.12.2017, Az.: I-2 U 39/16, BeckRS 2017, 137480 – Rauchartikel mit verringerter Entzündungsneigung).
- (3)
Unterzeichner des Lizenzvertrages vom 26. Juni 2017 (Anlage FBD 26/26a) war auf Seiten der Klägerin zu 1) Herr K, der den vorgenannten Vertrag als „General Manager AminoScience Division Business Strategy & Planning Department“ unterzeichnet hat. Anhaltspunkte dafür, dass Herr K diese Stellung im Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung nicht innehatte, sind nicht ersichtlich. Vielmehr deckt sich diese Angabe mit den in den als Anlagen FBD 56 und FBD 57 vorgelegten Zeitungsberichten zu findenden Informationen. Unabhängig vom Erscheinungsdatum der Artikel wird Herr K dort als „General Manager of AminoScience Business Strategy & Planning Department, AminoScience Division“ bzw. „General Manager der Abteilung Geschäftsstrategie und -planung des Geschäftsbereichs AminoScience“ bezeichnet. Schließlich bestätigt Herr K in der als Anlage FBD 58 vorgelegten Erklärung seine Stellung als „General Manager der Abteilung für Geschäftsstrategie und -planung für den Geschäftsbereich AminoScience“ der C1 Co. Inc. Der ergänzenden Vernehmung der durch die Klägerinnen für die Stellung von Herrn K angebotenen Zeugen (vgl. Schriftsatz v. 26.02.2019, S. 17) bedarf es vor diesem Hintergrund nicht. - Die Berechtigung zum Abschluss des in Rede stehenden Vertrages folgt aus Art. 14 Abs. 1 des Japanischen Gesellschaftsgesetzes. Danach ist jeder Mitarbeiter, dem eine bestimmte Art von Angelegenheit oder eine konkrete Angelegenheit in Verbindung mit dem Unternehmen übertragen wird, befugt, alle außergerichtlichen Handlungen im Zusammenhang mit dieser Angelegenheit vorzunehmen (vgl. Anlage FBD 46, S. 2). Eine Bestätigung, dass diese Regelung 2017 in Kraft stand, findet sich in der als Anlagen FBD 45/45a vorgelegten anwaltlichen Stellungnahme.
- Gemäß Art. 26 der Betriebsordnung des Unternehmens der Klägerin zu 1) (Anlage FBD 54) unterliegt die Abteilungsstruktur und die Verantwortung jeder Organisationseinheit und jeder anderen Sparte den Vorschriften über die Abteilungsorganisation. Konkret zur Stellung des General Managers bestimmt Art. 29 Nr. 1 der Betriebsordnung weiter, dass dieser die Geschäfte in Übereinstimmung mit den Bestimmungen der Vorschriften über die Abteilungsorganisation zu führen hat.
- Soweit Art. 10 Nr. 38 der Betriebsordnung der Klägerin zu 1) (nachfolgend: BO) für den Abschluss, die Überarbeitung oder Aufhebung wichtiger Verträge einen Beschluss des Verwaltungsrates fordert, steht dies einer wirksamen Vertretung der Klägerin zu 1) durch Herrn K nicht entgegen. Dessen alleinige Vertretungsberechtigung folgt aus Art. 25 GGR i.V.m. Art. 47 Abs. 1 GGR i.V.m. Anlage 1 zu den GGR. Selbst für Entscheidungen, die unter die ID 20-1 fallen, ist in Anlage 1, was sich aus der Legende (*1) ergibt, keine Vorlage (und damit auch kein Beschluss) des Verwaltungsrates erforderlich, so dass es insoweit bei der Vertretungsberechtigung von Herrn K bleibt.
- Dieser steht auch nicht Art. 29 BO entgegen. Soweit Art. 29 Abs. 1 BO bestimmt, dass der General Manager jeder Organisationseinheit Anweisungen von einer zuständigen Führungskraft der Konzernleitung und unter Aufsicht jedes Dienstgrades erhält und die Geschäfte in Übereinstimmung mit den Bestimmungen der Vorschriften über die Abteilung Organisation zu führen hat, handelt es sich bei der Abteilung… „Abteilung für Geschäftsstrategie & -planung für Amino-Science“ gemäß Art. 5 Abs. 1 der Vorschriften für die Abteilungsorganisation (Anlage FBD 55) um eine Organisationseinheit im vorgenannten Sinne. Art. 49 der Vorschriften über die Abteilungsorganisation konkretisiert den Geschäftsbereich der Abteilung für Geschäftsstrategie und -planung dahingehend, dass sich diese mit Fragen der Gesamtleitung des Geschäftsbereichs AminoScience sowie der regionalen Hauptgeschäftsstellen und Vertretungen, für die der Geschäftsbereich AminoScience zuständig ist, befasst. Hierzu zählt nach Art. 49 Abs. 2 Nr. 6 der Vorschriften über die Abteilungsorganisation u.a. die Gesamtleitung der „C“ einschließlich der Koordination zwischen dieser Tochtergesellschaft und der Klägerin zu 1).
- Die 2017 geschlossenen Verträge (Anlagen FBD 26/26a und FBD 27/27a) nehmen bereits in ihrer Präambel Bezug auf das Geschäft mit Aminosäuren und haben damit einen konkreten Bezug zu dem Geschäftsbereich AminoScience. Ferner geht es in den Lizenzverträgen um eine Lizenzierung zwischen der Klägerin zu 1) und der „C“ als deren Tochterunternehmen, weshalb der Abschluss eines derartigen Vertrages in den Zuständigkeitsbereich der Abteilung Geschäftsstrategie und -planung im Geschäftsbereich AminoScience fällt, für die Herr K als General Manager und Leiter zuständig war. Dass der Abschluss von Lizenzverträgen, wie sie hier in Rede stehen, gemäß Art. 49 Abs. 1 und 2 Nr. 2 der Vorschriften über die Abteilungsorganisation in seine Zuständigkeit fiel, bestätigt Herr K in seiner als Anlage FBD 58 vorgelegten Erklärung selbst. Vor diesem Hintergrund hat der Senat keinen Grund, an der aus Art. 14 Abs. 1 des Japanischen Gesellschaftsgesetzes erwachsenden Vertretungsmacht von Herrn Herr K für den Abschluss des hier in Rede stehenden Lizenzvertrages zu zweifeln.
- In Bezug auf die in Art. 29 Abs. 1 BO zusätzlich angesprochene „Han“ lässt sich Art. 24 Abs. 2 BO entnehmen, dass es sich hierbei um eine temporäre Organisation handelt. Anhaltspunkte dafür, dass eine solche Organisationseinheit vorliegend für den hier betroffenen Bereich eingerichtet war, sind nicht ersichtlich. Einer entsprechenden Vorlageanordnung fehlt dementsprechend die Grundlage.
- Auch Art. 29 Abs. 2 BO steht der Vertretungsberechtigung von Herrn K nicht entgegen. Danach hat jeder General Manager einer Organisationseinheit im Voraus eine Entscheidung nach den Global-Governance-Vorschriften herbeizuführen. Da es sich bei Herrn K um den General Manager handelt, entscheidet dieser gemäß Art. 25 GGR im Fall eines Entscheidungsprozesses der Klasse v selbst. Dass der Abschluss des Lizenzvertrages in diese Klasse fällt, hat der Senat bereits im Einzelnen dargelegt. Auf die diesbezüglichen Ausführungen wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.
- 2.
Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht im Angebot und Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform in der Bundesrepublik Deutschland eine wortsinngemäße Benutzung der in Kombination geltend gemachten Patentansprüche 1, 4 und 5 des Klagepatents gesehen und die Beklagte wegen unmittelbarer Patentverletzung zur Unterlassung, Auskunftserteilung und Rechnungslegung, zum Rückruf, zur Vernichtung sowie zum Schadenersatz verurteilt. Der Klägerin stehen entsprechende Ansprüche aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. §§ 139 Abs. 1 und 2, 140a Abs. 1 und 3, 140b Abs. 1 und 3 PatG i.V.m. §§ 242, 259 BGB zu, wobei der Umfang der Rückrufverpflichtung allerdings aus Verhältnismäßigkeitsgründen wie aus dem Tenor ersichtlich beschränkt ist, § 140a Abs. 4 S. 1 PatG.a)
Das Klagepatent betrifft unter anderem ein Verfahren zur Herstellung von L-Tryptophan durch Fermentation sowie insbesondere ein von dem Bakterium Escherichia coli abgeleitetes, für die Steigerung der L-Tryptophan-Produktivität nützliches Gen. - Nach den Erläuterungen in der Klagepatentschrift werden L-Aminosäuren industriell durch Fermentationsverfahren hergestellt. Im Rahmen dieser Verfahren kommen Stämme von Mikroorganismen zum Einsatz, die entweder aus natürlichen Quellen erhalten werden oder mutiert wurden, um die L-Aminosäureproduktivität zu steigern (Abs. [0002]).
- Im Stand der Technik waren für eine solche Produktionssteigerung bereits verschiedene Techniken bekannt. Hierzu zählt die Transformation von rekombinanter DNA, also die Übertragung von fremder DNA in Bakterienzellen. Mit den bekannten Methoden wurde entweder die Aktivität der an der Aminosäurebiosynthese beteiligten Enzyme erhöht oder die Zielenzyme wurden gegenüber der Rückkopplungshemmung („feedback inhibition“) unempfindlich gemacht (Abs. [0003]).
- Ein weiterer, im Stand der Technik vorbeschriebener Ansatzpunkt für eine Produktionssteigerung sind Gene, die für sog. „Efflux-Proteine“ kodieren, die für die Ausscheidung („Sekretion“) der L-Aminosäuren verantwortlich sind (Abs. [0004]). Das Klagepatent beschreibt verschiedene vorbekannte Gene von Efflux-Proteinen für unterschiedliche L-Aminosäuren. Hierzu gehören etwa rhtB, rhtC, yahN, yeaS, yfiK und yggA (Abs. [0005]). Ebenfalls vorbekannt war das von dem rhtA-Gen kodierte RhtA-Protein (Abs. [0007]). Auch hierbei handelt es sich um ein Efflux-Protein, das für Threonin und Homoserin relevant ist. Wie der Fachmann Abs. [0009] der Klagepatentbeschreibung entnimmt, gibt es mindestens 10 Nukleotidsequenzen, die zu RhtA homolog sind. Eine davon ist das yddG-Gen, das als mutmaßlich kodierende DNA-Sequenz bekannt war, die für ein funktionell unbekanntes Protein kodieren könnte (Abs. [0009] a.E.).
- Vor dem geschilderten Hintergrund ist es als Aufgabe der Erfindung anzusehen, die Produktivität eines L-Tryptophan produzierenden Stammes zu steigern und ein Verfahren zur Herstellung von L-Tryptophan unter Verwendung des Stammes bereitzustellen.
- Zur Lösung dieser Aufgabe stellen die Patentansprüche 1, 4 und 5 folgende Merkmalskombination unter Schutz:
- 1. Verfahren zur Produktion von L-Tryptophan oder L-Phenylalanin.
- 2. Das Verfahren umfasst
2.1. das Kultivieren eines L-Aminosäure produzierenden Bakteriums in einem Kulturmedium
- und
- 2.2. das Gewinnen der herzustellenden und in dem Medium anzuhäufenden L-Aminosäure aus dem Kulturmedium.
- 3. Das [zu kultivierende] Bakterium ist Escherichia coli.
- 4. Die L-Aminosäureproduktion ist durch das Bakterium – in Bezug auf die Merkmale 4.1. und 4.2. im Vergleich zu einem nicht modifizierten Stamm – erhöht, indem
- 4.1. die Aktivität eines in (A) oder (B) definierten Proteins in einer Zelle des Bakteriums durch Transformation des Bakteriums mit für das in (A) oder (B) definierte Protein kodierender DNA erhöht ist,
- oder
- 4.2. die Aktivität eines in (A) oder (B) definierten Proteins in einer Zelle des Bakteriums durch Einführen mehrfacher Kopien von für das in (A) oder (B) definierte Protein kodierender DNA in ein Bakteriumchromosom erhöht ist
- oder
- 4.3. die DNA unter die Kontrolle einer Expressionsregulationssequenz gestellt wird, die stärker ist als die in SEQ ID Nr: 9 gezeigte Sequenz.
- 5. (A) ist ein Protein.
- 5.1. Das Protein umfasst die in SEQ ID Nr: 2 des Sequenzprotokolls gezeigte Aminosäuresequenz.
- 6. (B) ist ein Protein.
- 6.1. Das Protein umfasst eine Aminosäuresequenz, einschließlich Deletion, Substitution, Insertion oder Addition von einer bis 30 Aminosäuren in der in SEQ ID Nr: 2 des Sequenzprotokolls gezeigten Aminosäuresequenz.
- 6.2. Das Protein hat die Fähigkeit, ein Bakterium gegen L-Phenylalanin, p-Fluorphenylalanin oder 5-Fluor-DL-tryptophan resistent zu machen.
- b)
Vor dem Hintergrund des Streits der Parteien bedarf die für das vorliegende Verfahren maßgebliche Kombination der Ansprüche 1, 4 und 5 einer näheren Erläuterung. - aa)
Patentanspruch 5 stellt ein Herstellungsverfahren unter Schutz, an dessen Ende ein Erzeugnis, nämlich L-Tryptophan oder L-Phenylalanin, steht. Hierfür umfasst das Verfahren zwei wesentliche Schritte: - 1. Kultivieren des Bakteriums nach einem der Ansprüche 1 bis 4 in einem Kulturmedium.
- 2. Gewinnen der herzustellenden und in dem Medium anzuhäufenden L-Aminosäure aus dem Kulturmedium.
- Das in den Patentansprüchen 1 bis 4 beanspruchte Bakterium gewinnt in dem in Patentanspruch 5 geschützten Verfahren somit insoweit an Bedeutung, als es sich um denjenigen Gegenstand handelt, den es zu kultivieren gilt. Den Hintergrund dieser Anordnung hat die Klägerin bereits in ihrer Klageschrift im Einklang mit Abs. [0002] der Klagepatentbeschreibung nachvollziehbar erläutert. Es sind diese Bakterien, die den in dem Kulturmedium enthaltenen Zucker aufnehmen und in L-Tryptophan umwandeln (vgl. Klageschrift, S. 10 Mitte). Bei den zu kultivierenden Bakterien handelt es sich somit letztlich um das „Werkzeug“, um unter anderem L-Tryptophan herzustellen.
- bb)
Welches Bakterium im Rahmen des beanspruchten Herstellungsverfahrens zum Einsatz kommen soll, erfährt der Fachmann aus den Patentansprüchen 1 bis 4. Solange das Bakterium den dort aufgestellten Anforderungen genügt, ist seine weitere technische Gestaltung dem Fachmann überlassen. - cc)
Wendet sich der Fachmann davon ausgehend den für das vorliegende Verfahren entscheidenden Patentansprüchen 1 und 4 zu, führt ihn dies zu der Erkenntnis, dass es sich bei dem zu kultivierenden Bakterium um Escherichia coli handeln muss (Unteranspruch 4). Damit allein ist es jedoch nicht getan. Denn ein Escherichia coli-Bakterium ist zwar für sich genommen bereits dazu geeignet, L-Aminosäure zu produzieren (Abs. [0015]), es besitzt mithin die Fähigkeit, die L-Aminosäure in einem Medium zu produzieren und zu kumulieren, wenn es in dem Medium kultiviert wird (Abs. [0016]). Damit jedoch tatsächlich, wie angestrebt (Abs. [0010]), die Produktivität eines L-Tryptophan produzierenden Stammes gesteigert werden kann, bedarf es weiterer Maßnahmen, die in Patentanspruch 1 näher konkretisiert werden. - (1)
Patentanspruch 1 ist dabei vom Ergebnis her formuliert, indem er auf die Erhöhung der L-Aminosäureproduktion durch das Bakterium im Vergleich zu einem nicht modifizierten Stamm abstellt. Bei einer Zusammenschau der Patentansprüche 1 und 4 ist das im Rahmen des durch Patentanspruch 5 geschützten Herstellungsverfahrens zu kultivierende Bakterium durch zwei Eigenschaften gekennzeichnet: - 1. Es handelt sich um das Bakterium Escherichia coli.
- 2. Dieses liegt nicht als der ebenfalls in der Klagepatentbeschreibung angesprochene (Abs. [0016]) Wildstamm vor. Vielmehr ist seine Fähigkeit, L- Aminosäure zu produzieren, gesteigert.
- Dem Einsatz dieses Bakteriums kommt somit entscheidende Bedeutung zu, weil die erfindungsgemäße Mutation der DNA dazu führt, dass die L-Aminosäureproduktion gesteigert wird.
- (2)
Wie der Fachmann Patentanspruch 1 weiter nimmt, stehen anspruchsgemäß drei gleichwertige Wege zur Verfügung, um die gesteigerte Aminosäureproduktion zu erreichen: - 1. Transformation des Bakteriums mit DNA, welche für das in den Merkmalsgruppen 5. und 6. näher umschriebene Protein kodiert.
- 2. Einführen mehrfacher Kopien von DNA, die für das in den Merkmalsgruppen 5. und 6. näher umschriebene Protein kodiert, in das Bakterienchromosom.
- 3. Stellen der DNA unter die Kontrolle einer Expressionsregulationssequenz, die stärker ist als die in SEQ ID Nr: 9 gezeigte Sequenz.
- Bei der Ermittlung des Sinngehalts dieser Anordnungen darf der Fachmann zunächst nicht aus dem Blick verlieren, dass es sich bei Patentanspruch 1 – anders als bei Patentanspruch 5 – um einen Sach- und keinen Verfahrensanspruch handelt. Zudem ist Patentanspruch 1 entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht als product-by-process-Anspruch formuliert. Derartige Ansprüche zeichnen sich dadurch aus, dass der Patentschutz zwar auf eine Sache gerichtet, die patentgeschützte Sache jedoch – insgesamt oder teilweise – durch das Verfahren zu seiner Herstellung umschrieben ist (BGH, GRUR 2015, 361 – Kochgefäß; GRUR 2005, 749, 750 f. – Aufzeichnungsträger; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 11. Aufl., Abschn. A, Rz. 116; Cepl, Mitt. 2013, 62). Daran fehlt es hier jedoch. Abgesehen davon, dass auch die Beklagte den aus ihrer Sicht in Patentanspruch 1 angegebenen Herstellungswegen – was charakteristisch für einen product-by-process-Anspruch wäre – über die ohnehin in Patentanspruch 1 genannte Erhöhung der L-Aminosäureproduktion hinaus keine sich aus dem (vermeintlich) angegebenen Herstellungsweg bedingten Merkmale des daraus erhaltenen Erzeugnisses beimisst, die das Erzeugnis als anspruchsgemäß charakterisieren (vgl. BGH, Urt. v. 29.09.2016, Az.: X ZR 58/14, BeckRS 2016, 117599; GRUR 2005, 749, 750 f. – Aufzeichnungsträger; GRUR 2001, 1129, 1133 – Zipfelfreies Stahlband; OLG Düsseldorf, Urt. v. 15.03.2018, Az.: I-2 U 24/17, BeckRS 2018, 7207), enthält Patentanspruch 1 ohnehin keine Verfahrensmerkmale. Vielmehr nennt er drei konkrete Wege zur Erhöhung der L-Aminosäureproduktion. Damit ein Bakterium in den Schutzbereich von Patentanspruch 1 fällt, muss die Erhöhung der L-Aminosäureproduktivität auf einem der in den Merkmalen 4.1. bis 4.3. genannten Maßnahmen beruhen.
- Die vorgenannten Merkmale beschreiben mithin keine Verfahrensschritte, sondern jeweils einen Zustand, aufgrund dessen die L-Aminosäureproduktion des Bakteriums erhöht ist („is enhanced“, Hervorhebung hinzugefügt). Da die in den Merkmalen 4.1. bis 4.3. beschriebenen Maßnahmen jeweils das Mittel zur Erhöhung der L-Aminosäureproduktion sind, das beanspruchte Bakterium jedoch zugleich dadurch gekennzeichnet ist, dass die L-Aminosäureproduktion bereits erhöht ist (Unterstreichung hinzugefügt), kann kein Zweifel daran bestehen, dass die Merkmale 4.1. bis 4.3. jeweils bei einer Zusammenschau mit Merkmal 4. einen Zustand (und kein Verfahren) beschreiben. Bei einer Kombination der Merkmale 4. und 4.1. ist die Aminosäureproduktion durch das Bakterium dadurch erhöht, dass die Aktivität des in den Merkmalsgruppen 5. und 6. genannten Proteins in einer Zelle des Bakteriums durch Transformation des Bakteriums mit für das in den Merkmalsgruppen 5. und 6. definierte Protein kodierender DNA erhöht ist („…the L-amino acid production by said bacterium is enhanced […] by enhancing the activity of a protein […] by transformation of said bacterium with DNA coding for the protein …”). In der durch die Merkmale 4. und 4.2. geschützten Alternative beruht die Erhöhung der Aktivität der L-Aminosäureproduktion des Bakteriums auf einer Erhöhung der Aktivität des vorgenannten Proteins in einer Zelle des Bakteriums auf der Einführung mehrfacher Kopien von für das vorgenannte Protein kodierender DNA in ein Bakteriumchromosom („…the L-amino acid production […] is enhanced […] by enhancing the activity of a protein […] by introducing multiple copies of the DNA coding for a protein …“).
- Nichts anderes gilt für die für das vorliegende Verfahren entscheidende Kombination der Merkmale 4. und 4.3. Da die L-Aminosäureproduktion durch das Bakterium bereits erhöht ist, ist klar, dass auch Merkmal 4.3. einen Zustand und kein Verfahren beschreibt. Nur dann, wenn die DNA bereits unter der Kontrolle einer Expressionsregulationssequenz steht, die stärker ist als die in SEQ ID Nr: 9 gezeigte Sequenz, ist die L-Aminosäureproduktion durch das Bakterium erhöht. Letzteres ist jedoch ein zwingendes Merkmal des beanspruchten Bakteriums. Soweit die Beklagte nunmehr im Berufungsverfahren zur Begründung ihrer abweichenden Auffassung auf die für die Bestimmung des Schutzbereichs maßgebliche englische Anspruchsfassung abstellen will, folgt daraus nichts anderes. Auch dort stellt der Patentanspruch auf einen Zustand ab. Die L-Aminosäureproduktion des Bakteriums ist dadurch erhöht, dass die DNA unter die Kontrolle einer stärkeren Expressionsregulationssequenz gestellt wird („…the L-amino acid production by said bacterium is enhanced by locating said DNA under the control of an expression regulation sequence…“). Es ist somit die in Merkmal 4.3. beschriebene Mutation, die zu der angestrebten gesteigerten Aminosäureproduktion führt.
- (3)
Dazu, wie die DNA unter die Kontrolle einer solchen Expressionsregulationssequenz, wie sie in Merkmal 4.3 genannt ist, gestellt werden soll, verhält sich Patentanspruch 1 nicht. Die konkrete Ausgestaltung steht somit im Belieben des Fachmanns, solange das Ergebnis, die Kontrolle der DNA durch eine Expressionsregulationssequenz, die stärker ist als die in SEQ ID Nr: 9 gezeigte Sequenz, realisiert ist. - Eine Möglichkeit der Realisierung einer solchen Gestaltung wird dem Fachmann in dem in Abs. [0052] ff. beschriebenen Beispiel 4 offenbart. Danach wurde, um die yddG-Gen-Expression zu steigern, die frühere PL-Promotorregion des Phagen Lambda mit der Schine-Dalgarno-Sequenz des lacZ Gens von E. coli upstream der yddG kodierenden Region in das Chromoson des E. coli Stamms BW 25113 durch bestimmte, näher beschriebene Verfahren integriert. Dass bei einem solchen Vorgehen die nativen, stromaufwärts gelegenen Regionen des yddG-Gens entfernt und durch einen anderen Promotor ersetzt werden, lässt nicht den Schluss zu, die durch Patentanspruch 1 beanspruchte technische Lehre sei in der Variante gemäß Merkmal 4.3. auf ein solches Vorgehen beschränkt. Hierbei handelt es sich vielmehr lediglich um ein bevorzugtes Ausführungsbeispiel. Es dient der Beschreibung von Möglichkeiten der Verwirklichung des Erfindungsgedankens und erlaubt mit diesem Inhalt grundsätzlich keine einschränkende Auslegung des die Erfindung allgemein kennzeichnenden Patentanspruchs (BGHZ 160, 204, 210 = GRUR 2004, 1023 – Bodenseitige Vereinzelungseinrichtung; BGHZ 172, 88 = GRUR 2007, 778, 779, 780 – Ziehmaschinenzugeinheit; GRUR 2008, 779, 783 – Mehrgangnabe; OLG Düsseldorf, Urt. v. 23.11.2017, Az.: I-2 U 81/16; NJOZ 2016, 1014, 1019; Urt. v. 20.01.2011, Az.: I-2 U 92/09, BeckRS 2011, 08600).
- Vor diesem Hintergrund ist der Austausch der Promotorsequenz für eine Verwirklichung der durch Patentanspruch 1 unter Schutz gestellten technischen Lehre somit ausreichend, aber nicht notwendig. Für die Verwirklichung von Merkmal 4.3. reicht es unter Berücksichtigung der Formulierung des Patentanspruchs aus, wenn die DNA unter die Kontrolle eines Promotors gestellt wird, der – wie und warum auch immer – stärker als der native Promotor ist (Abs. [0028]). Mit anderen Worten muss die DNA unter die Kontrolle einer „stärkeren“ Expressionsregulationssequenz gestellt werden. Dies kann, wie in Beispiel 4 (Abs. [0052] ff.) beschrieben, durch den (vollständigen) Austausch des Promotors erfolgen, indem die Promotorsequenz durch eine andere ersetzt wird. Ebenso vom Schutzbereich umfasst ist jedoch auch jede andere Maßnahme, die eine patentgemäßes Expressionswerkzeug hervorbringt und somit die bloße Veränderung des nativen, stromaufwärts des yddG-Gens gelegenen Promotors, etwa durch eine Punkt- oder Zufallsmutation, soweit an deren Ende letztlich eine „stärkere“ Expressionsregulationssequenz steht.
- Nachdem Patentanspruch 1 ausschließlich auf das Ergebnis – Stellen der DNA unter die Kontrolle einer Expressionsregulationssequenz, die stärker als die in SEQ ID Nr: 9 gezeigte Sequenz ist – abstellt, vermag der Senat der durch das Bundespatentgericht im Nichtigkeitsverfahren vertretenen Auffassung, unter den Begriff „Expressionsregulationssequenz“ würden lediglich bekannte heterologe oder homologe Promotoren von Escherichia, nicht aber die Erzeugung neuer homologer Promotoren mittels einer genomweiten Zufallsmutagenese fallen (vgl. Urteil BPatG, S. 20 unten – S. 21 oben), nicht zu folgen. Für ein solches einengendes Verständnis bietet der lediglich vom Ergebnis her formulierte Patentanspruch 1 keinen Anknüpfungspunkt. Bei den in Abs. [0028] – ggf. i.V.m. der in dem dort genannten Aufsatz von Deutschle et. al. – genannten Promotoren handelt es sich bloß um Möglichkeiten, wie die DNA unter die Kontrolle einer entsprechenden Expressionsregulationssequenz i.S.v. Merkmal 4.3. gestellt werden kann. Für die Reichweite des Schutzbereichs ist gleichwohl allein die Formulierung des Patentanspruchs entscheidend, der lediglich verlangt, dass die DNA unter die Kontrolle einer „stärkeren“ Expressionsregulationssequenz i.S.d. Klagepatents gestellt wird; der Weg hierzu ist dem Fachmann überlassen.
- Aus der Verwendung des Begriffes „locating“, auf den die Beklagte im Berufungsverfahren nunmehr maßgeblich abstellen will, folgt nichts anderes. Dieser ist im Gesamtzusammenhang des Patentanspruchs 1 zu lesen. Danach ist die L-Aminosäureproduktion des Bakteriums erhöht, indem die DNA unter die Kontrolle einer Expressionsregulationssequenz gestellt wird, die stärker als die in SEQ ID Nr: 9 gezeigte Sequenz ist. Mit anderen Worten soll die DNA, die das Protein kodiert, unter die Kontrolle einer stärkeren Expressionsregulationssequenz gestellt werden. Dies funktioniert, worauf die Klägerin zutreffend hinweist, nur, wenn die Veränderung genau dort vorgenommen wird, wo sie funktional ist, also die verstärkte Genexpression bewirkt. Es genügt dementsprechend nicht, dass die DNA unter die Kontrolle irgendeiner stärkeren Expressionsregulationssequenz gestellt wird; es muss sich vielmehr um den Bereich handeln, der auf das yddG-Gen regulatorisch einwirkt. Genau diese Ortsbezogenheit bringt Patentanspruch 1 zum Ausdruck, wenn er in der für die Auslegung maßgeblichen englischen Verfahrenssprache davon spricht, dass „the L-amino acid production by said bacterium is enhanced by locating said DNA under the control of an expression regulation sequence“.
- Bei den durch die Beklagte zur Begründung ihrer abweichenden Auffassung herangezogenen Aufsätzen von Park und Lee (Anlage B 3, Nr. 1003) und Doroshenko et al. (Anlage B 8, Nr. 1026) handelt es sich um nachveröffentlichten Stand der Technik und daher bereits von vornherein um kein zulässiges Auslegungsmaterial. Abgesehen davon mag es sein, dass die Zufallsmutagenese in den vorgenannten Artikeln als nachteilig bezeichnet wird. Allerdings stellt Patentanspruch 1 – wie ausgeführt – lediglich auf das Ergebnis – Erhöhung der L-Aminosäureproduktion dadurch, dass die DNA unter eine „stärkere“ Expressionsregulationssequenz gestellt wird – ab. Wie er zu diesem Ergebnis gelangt, ist somit dem Fachmann überlassen, so dass die Artikel auch inhaltlich für die Ermittlung des Schutzbereichs des Klagepatents unergiebig sind.
- (4)
Der in Abs. [0028] a. E. zu findende Hinweis, der bei der vorliegenden Erfindung zum Einsatz kommende Promotor sei ausgewählt aus PL-Promotor des lambda Phagen, lac-Promotor, trp-Promotor und trc-Promotor, rechtfertigt keine andere Bewertung. Bei seinem Streben, den Sinngehalt von Patentanspruch 1 zu erfassen, darf der Fachmann nicht aus dem Auge verlieren, dass es sich bei der in Abs. [0028] a.E. genannten Auswahl des Promotors genau um diejenige Maßnahme handelt, die in Unteranspruch 3 unter Schutz gestellt ist. Zwar kann die Ermittlung des Sinngehalts eines Unteranspruchs grundsätzlich zur richtigen Auslegung des Hauptanspruchs eines Patents beitragen. Dabei ist jedoch zu beachten, dass Unteransprüche regelmäßig den Gegenstand des Hauptanspruchs nicht einengen, sondern nicht anders als Ausführungsbeispiele lediglich – gegebenenfalls mit einem zusätzlichen Vorteil verbundene – Möglichkeiten seiner Ausgestaltung aufzeigen (BGH, GRUR 2016, 1031 – Wärmetauscher). Der Hauptanspruch ist regelmäßig so gefasst, dass er die beanspruchte Erfindung in ihrer allgemeinsten Form umschreibt, während die Unteransprüche besondere Ausführungsformen dieser allgemeinen Lehre beschreiben, die weitere Merkmale aufweisen. Dieses Verhältnis von Haupt- und Unteranspruch ist bei der Bestimmung des Schutzbereichs zu berücksichtigen. Es ist grundsätzlich unzulässig, den Hauptanspruch im Wege der Auslegung um Merkmale zu ergänzen, die nur in einem Unteranspruch enthalten sind, und ihn dadurch einzuschränken (BGH, GRUR 1955, 244, 245 – Repassiernadel II; Urt. v. 29.07.2014, Az.: X ZR 5/13, BeckRS 2014, 17436; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 11. Aufl., Abschn. A, Rz. 25). Dasselbe gilt für Beschreibungsstellen, die die besondere technische Variante eines Unteranspruchs reflektieren. - (5)
Entgegen der Auffassung der Beklagten lässt sich auch aus der das Klagepatent betreffenden Erteilungsakte kein Argument für ein abweichendes Ergebnis herleiten. - (a)
Bei der Erteilungsakte handelt es sich von vornherein um kein zulässiges Auslegungsmaterial, weil sie in Art. 64 EPÜ nicht erwähnt und auch nicht allgemein veröffentlicht ist (vgl. BGHZ 208, 182 – Glasfasern II; BGH, GRUR 2010, 602 – Gelenkanordnung; BGH, GRUR 2002, 511, 513 f. – Kunststoffrohrteil; OLG Düsseldorf, Urt. v. 01.02.2018, Az.: I-2 U 33/15, GRUR-RS 2018, 11286, Rz. 86; GRUR 2015, 875, 876 – Rotorelemente; GRUR-RR 2014, 185, 196 – WC-Sitzgelenk; Kühnen, GRUR 2012, 664; Schulte/Rinken, Patentrecht, 10. Aufl., § 14 Rn. 54). Allenfalls kann die Erteilungsakte Anhaltspunkte dafür geben, was ein bestimmter Begriff der Patentschrift besagt. Insofern können Äußerungen des Patentinhabers ebenso wie diejenigen des Patentprüfers während des Erteilungsverfahrens ein Indiz dafür sein, wie der Fachmann das betreffende Merkmal begreift (vgl. BGH, NJW 1997, 3377, 3380 – Weichvorrichtung; OLG Düsseldorf, Urt. v. 01.02.2018, Az.: I-2 U 33/15, GRUR-RS 2018, 11286, Rz. 86; Urt. v. 20.07.2017, Az.: I-15 U 61/16, Rz. 51; Urt. v. 07.04.2016, Az.: I-2 U 79/13, BeckRS 2016, 11229, Rz. 46; Urt. v. 05.03.2015, Az.: I-2 U 16/14, GRUR-RS 2015, 05649 – Antifolat; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 11. Aufl., Abschn. A, Rz. 84). Die durch die Beklagte in Bezug genommenen Ausführungen lassen derartige Schlüsse jedoch nicht zu. - In dem als Anlagen B 22/B 22a vorgelegten Bescheid vom 6. November 2007 äußert sich das Europäische Patentamt nicht zu dem aus seiner Sicht „richtigen“ Verständnis der damaligen Patentansprüche 2 und 4, wonach die Fähigkeiten des in (A) oder (B) definierten Proteins durch Transformation des Bakteriums mit für das in (A) oder (B) definierte Protein kodierender DNA oder durch Änderung der Expressionsregulationssequenzen der chromosomalen DNA des Bakteriums erhöht (Patentanspruch 2) und der native Promotor der genannten DNA-Sequenz durch einen stärkeren Promotor substituiert ist (Patentanspruch 4). Vielmehr werden beide Ansprüche ohne weitere Begründung unter den Gesichtspunkten der mangelnden Klarheit und Offenbarung (Art. 84, 83 EPÜ) beanstandet, da technische Merkmale, die die Expressionsregulationssequenz der DNA definieren, die für ein Protein nach SEQ ID Nr: 2 kodiert, fehlen würden.
- Darauf erwiderte die Klägerin zu 1) als Patentinhaberin in ihrer Eingabe vom 26. Februar 2008 (Anlagen B 23/B 23a), es sei für durchschnittliche Fachleute einfach, eine Expressionsregulationssequenz und/oder eine native Promotorsequenz eines Gens, das für das Protein kodiert, zu identifizieren, indem eine derartige Sequenz in der stromaufwärts gelegenen Region der CDS des Gens gesucht werde, da Konsensussequenzen von Bakterien, wie etwa E. coli, zum Regulieren der Expression eines Proteins Fachleuten wohl bekannt seien. Dann könnten durchschnittliche Fachleute die Expressionsregulationssequenz leicht modifizieren, um die Expression des Gens zu erhöhen. In Bezug auf den im damaligen Patentanspruch 4 zu findenden Begriff des „stärkeren Promotors“ verwies die Patentinhaberin lediglich pauschal auf die in der Patentschrift genannten Promotoren (vgl. Anlage B 23a, S. 3 unten). Zu dem für eine Verwirklichung der beanspruchten technischen Lehre erforderlichen Umfang der Änderung der Expressionsregulationssequenz äußerte sich die Patentinhaberin nicht.
- Auch in dem sodann ergangenen Bescheid vom 6. Februar 2009 (Anlagen B 6/B 6a) legt das Europäische Patentamt nicht näher dar, wie es die Patentansprüche 2 und 4 verstehen will, sondern beanstandet diese erneut unter dem Gesichtspunkt der mangelnden Klarheit und Offenbarung (Art. 84, 83 EPÜ) unter Verweis auf die aus seiner Sicht fehlende Identifizierbarkeit der Expressionsregulationssequenz. Die vorliegende Erfindung stelle technische Stütze und Offenbarung für eine Expressionsregulationssequenz für das durch SEQ ID Nr. 2 definierte Protein bereit, nämlich die durch SEQ ID Nr: 9 definierte. Die Identifikation von jeglichen anderen Regulationsequenzen und von Modifikationen hiervon mit dem Zweck, die Expression der gewünschten DNA-Sequenz zu erhöhen, stelle für den Durchschnittsfachmann einen unzumutbaren experimentellen Aufwand dar (Anlage B 6a, Ziff. 2.2.). Damit die Ansprüche den Anforderungen der Art. 84, 83 EPÜ genügen, sollten sie auf die auf Seite 11 f. der Klagepatentbeschreibung genannten Verfahren konkretisiert werden (Anlage B 6a, Ziff. 2.1.).
- Soweit die Patentinhaberin daraufhin Patentanspruch 1 wie nunmehr beansprucht dahingehend ergänzt hat, dass die DNA unter die Kontrolle einer Expressionsregulationssequenz gestellt wird, die stärker ist als die in SEQ ID Nr. 9 gezeigte Sequenz (vgl. Anlagen B 25/B 25a), lassen die zugehörigen Ausführungen in dem Schriftsatz vom 30. Juni 2009 (Anlagen B 10/B 10a) nicht erkennen, dass die Patentinhaberin den Schutzbereich von Patentanspruch 1 dahingehend verstehen will, dass nur die Einführung eines heterologen Promotors in das Chromosom des Mikroorganismus in den Schutzbereich des Klagepatents fallen soll. Zwar stellt die Patentinhaberin im Rahmen der Offenbarungs- und Klarheitsdiskussion auf bereits bekannte (potente) Promotoren und Verfahren zur Bewertung der Stärke eines Promotors ab und verweist dabei auch konkret auf bestimmte Verfahren zur Einbringung bestimmter Promotoren (vgl. Anlage B 10a, S. 2 unten – S. 3 oben). Daraus folgt jedoch nicht im Umkehrschluss, dass nach Auffassung der Patentinhaberin lediglich und ausschließlich derartige, heterologe Promotoren in den Schutzbereich des Klagepatents fallen sollen. Denn Offenbarung und Schutzbereich haben unmittelbar nichts miteinander zu tun, wie sich schon daran zeigt, dass in der Patentschrift nicht offenbarte, sondern anhand des Patentanspruchs nur naheliegende Abwandlungen unter Äquivalenzgesichtspunkten in den Schutzbereich einbezogen werden.
- (b)
Wollte man – wofür es allerdings keinerlei Anlass gibt – dies anders sehen, käme einer solchen Äußerung im Verletzungsverfahren gleichwohl keine Bedeutung zu. - Erklärt der Patentanmelder im Einspruchsverfahren für eine bestimmte Ausführungsform keinen Patentschutz zu begehren, und macht er im Verletzungsstreitverfahren gleichwohl gegenüber einem am Einspruchsverfahren Beteiligten Ansprüche aus dem Patent wegen dieser Ausführungsform geltend, so verstößt er gegen die Grundsätze von Treu und Glauben unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Rechtsausübung (venire contra factum proprium), wenn seine Erklärung Grundlage für die Erteilung des Patents oder dessen Fassung war und wenn der in Anspruch Genommene auf die Redlichkeit und Zuverlässigkeit des Patentanmelders vertrauen durfte (NJW 1997, 3377, 3379 f.). Derartiges kommt naturgemäß für die Korrespondenz zwischen dem Patentsucher und dem Patentprüfer im Erteilungsverfahren, in die der (vermeintliche) Patentverletzer nicht involviert war, nicht in Betracht.
- (6)
Zu Recht hat das Landgericht den (vermeintlich) Parallelpatente betreffenden Entscheidungen der United States International Trade Commission (Anlagen B 20/B20a; B 35/B 35) keine Bedeutung zugemessen. - Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes haben die deutschen Gerichte Entscheidungen, die die Instanzen des Europäischen Patentamtes oder Gerichte anderer Vertragsstaaten des Europäischen Patentübereinkommens getroffen haben und die eine im Wesentlichen gleiche Fragestellung betreffen, zu beachten und sich gegebenenfalls mit den Gründen auseinanderzusetzen, die bei der vorangegangenen Entscheidung zu einem abweichenden Ergebnis geführt haben (vgl. BGH, GRUR 2010, 950 – Walzenformgebungsmaschine). Unterlässt ein Gericht die hiernach gebotene Auseinandersetzung mit der Entscheidung eines anderen Gerichts, kann darin eine Verletzung des rechtlichen Gehörs liegen (BGH, GRUR 2015, 199, 200 – Sitzplatznummerierungseinrichtung). Hintergrund hierfür ist, dass in solchen Fällen für die Beurteilung in der Regel inhaltlich übereinstimmende materiell-rechtliche Vorschriften maßgeblich sind, so dass eine Berücksichtigung bereits ergangener, paralleler Entscheidungen bereits aus Harmonisierungsgründen gerechtfertigt erscheint (vgl. BGH, GRUR 2010, 950, 951 – Walzenformmaschine; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 11. Aufl., Abschn. A, Rz. 215).
- Ein solcher Harmonisierungsgedanke greift jedoch, wovon bereits das Landgericht zutreffend ausgegangen ist, nicht bei einem US-Verfahren, das eigenen Regeln folgt, so dass sich daraus nicht ohne Weiteres Rückschlüsse auf den Schutzbereich des Klagepatents ziehen lassen. Bei den entsprechenden Ausführungen der US-Trade-Commission handelt es sich somit allenfalls um sachverständige Äußerungen, die der Senat unter dieser Prämisse zur Kenntnis zu nehmen hat, die sich jedoch in der Regel nicht auf die Art. 64 EPÜ folgende Auslegung europäischer Patente übertragen lassen.
- Abgesehen davon sind die den Gegenstand des US-Verfahrens betreffenden Patentansprüche mit der vorliegend in Streit stehenden Anspruchsformulierung auch inhaltlich nicht vergleichbar. In den maßgeblichen Patentansprüchen 9 und 15 heißt es jeweils in deutscher Übersetzung (vgl. Anlage B20a, S. 5, Hervorhebungen hinzugefügt):
- „…wobei die Aktivität des Proteins erhöht wird, indem das Bakterium mit einer für das Protein kodierenden DNA transformiert wird, um das Protein in dem Bakterium zu exprimieren, indem der native Promotor, der der DNA auf dem Bakterienchromosom vorausgeht, durch einen stärkeren Promotor ersetzt wird oder indem mehrere Kopien der für dieses Protein kodierenden DNA in das Bakterienchromosom eingeführt werden, um das Protein in diesem Bakterium zu exprimieren.“
- Ein derartiges „Ersetzen des nativen Promotors durch einen stärkeren Promotor“ verlangt Patentanspruch 1 gerade nicht, sondern lässt es ausreichen, dass die DNA unter die Kontrolle einer Expressionsregulationssequenz gestellt wird, die stärker als die in SEQ ID Nr: 9 gezeigte Sequenz ist. Soweit die US-Trade-Commission daher lediglich eine Gestaltung, bei der die native, stromaufwärts gelegene Region des yddG-Gens entfernt und ein anderer Promotor insertiert wird (vgl. Anlage B 20a, S. 20, 3. Abs.)“, als vom Schutzbereich erfasst angesehen hat, lassen sich daraus für das vorliegende Verfahren keine Schlüsse ziehen. Denn anders als das US-Patent verlangt der streitgegenständliche Patentanspruch kein Ersetzen der nativen Sequenz, sondern lässt offen, wie genau die DNA unter die Kontrolle einer Expressionsregulationssequenz gestellt werden soll.
- (7)
Ein abweichendes Verständnis des streitgegenständlichen Patentanspruchs ist auch nicht mit Blick auf die grundsätzlich im Rechtsbestandsverfahren zu prüfende (mangelnde) Ausführbarkeit gerechtfertigt. - Entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung ist es unerheblich, ob die Auslegung zu einem Ergebnis führt, bei dem der Patentanspruch auch Ausgestaltungen erfasst, die der Fachmann im Prioritätszeitpunkt möglicherweise als nicht ausführbar angesehen hätte. Der Bundesgerichtshof hat bereits im Zusammenhang mit der unzulässigen Erweiterung entschieden, dass dem Patentanspruch nicht deshalb ein bestimmter Sinngehalt beigelegt werden darf, weil sein Gegenstand andernfalls gegenüber den Ursprungsunterlagen unzulässig erweitert wäre (BGH, GRUR 2012, 1124, 1126, Rz. 28 – Polymerschaum). Ebenso wenig darf ein Patentanspruch nach Maßgabe dessen ausgelegt werden, was sich nach Prüfung des Stands der Technik als patentfähig erweist (BGHZ 156, 179, 186 = GRUR 2004, 47 – blasenfreie Gummibahn I; GRUR 2012, 1124, 1126, Rz. 28 – Polymerschaum). Grundlage der Auslegung ist vielmehr allein die Patentschrift.
- Nichts anderes kann im Verletzungsverfahren gelten. Auch hier verbietet es sich, ein bestimmtes, durch die Auslegung des Patentanspruchs unter Heranziehung der Klagepatentbeschreibung und den Patentzeichnungen entwickeltes Verständnis allein unter Hinweis darauf, unter Zugrundelegung eines solchen Verständnisses werde sich das Klagepatent nicht als rechtsbeständig erweisen (so auch Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 11. Aufl., Abschn. A, Rz. 14), zu verwerfen. Den Einwand der fehlenden Rechtsbeständigkeit hat das Verletzungsgericht vielmehr, soweit im konkreten Fall relevant, allein im Rahmen seiner Aussetzungsentscheidung zu berücksichtigen.
- Abgesehen davon ist der durch die Beklagte erhobene Einwand auch nicht in der Sache gerechtfertigt. Ein Patentanspruch ist insgesamt ausführbar offenbart, wenn die offenbarte Ausführungsform überhaupt praktisch ausgeführt werden kann. Das ist hier zumindest im Hinblick auf die in Beispiel 4 (Abs. [0052]) beschriebene Vorgehensweise unstreitig der Fall. Damit steht es der Ausführbarkeit nicht entgegen, wenn die Auffindung anderer Varianten ggf. eine erfinderische Tätigkeit erfordern sollten (vgl. BGH, GRUR 2017, 493, 496 – Borrelioseassey).
- (8)
Da Patentanspruch 1 somit lediglich auf das Ergebnis – die DNA wird unter die Kontrolle einer Expressionsregulationssequenz gestellt, die stärker als die in SEQ ID Nr: 9 gezeigte Sequenz ist – abstellt, ist es für die Verwirklichung des Anspruchs nicht entscheidend, welche Art der gentechnologischen Veränderung dem Fachmann im Prioritätstag bekannt war. Ebenso unbeachtlich ist, ob dem Fachmann im Prioritätszeitpunkt die Möglichkeit eines einzelnen Nucleotid-Austauschs bekannt war oder ob dieser im Prioritätszeitpunkt auch eine gezielte Punkt- und/oder eine Zufallsmutation als Mittel zur Herbeiführung des genannten Zustandes in Betracht gezogen hätte. Die durch die Beklagte zu diesen Fragen eingereichten umfangreichen Privatgutachten bedurften dementsprechend keiner näheren Erörterung. - c)
Ausgehend von diesen Überlegungen hat das Landgericht die angegriffene Ausführungsform zutreffend als ein unmittelbares Verfahrenserzeugnis im Sinne von § 9 S. 2 Nr. 3 PatG angesehen. - Das Landgericht hat auf der Grundlage des durch die Klägerinnen als Anlagen FBD 10/FBD 10a vorgelegten Toyobo-Reports festgestellt, dass die angegriffene Ausführungsform in der Region stromaufwärts des Gens gegenüber der in SEQ ID Nr. 9 gezeigten Wildtyp-Sequenz gentechnisch modifiziert ist. Im stromaufwärts gelegenen Teil des yddG-Gens, der die Promotor-Region umfasst, befindet sich bei der angegriffenen Ausführungsform eine Punktmutation; an der Stelle 1078 ist das im Wildtyp vorhandene Cytosin durch die Base Thymin ersetzt. Zugleich hat das Landgericht festgestellt, dass dadurch eine etwa 60-fach erhöhte Expression des yddG-Gens gemessen wurde (vgl. auch: C1, Report, Anlage FBD 13a, S. 7; Gutachten Prof. Krämer v. 27.01.2016, Anlage FBD 11, S. 9). Schließlich hätten die Klägerinnen nachgewiesen, dass sich diese Erhöhung der Genexpression um das 60-fache in einer tatsächlich erhöhten Tryptophan-Produktion im Größenumfang von ca. 13 % niedergeschlagen habe.
- Nachdem diese Feststellungen im Berufungsverfahren unangegriffen geblieben sind, hat sie der Senat gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO seiner Entscheidung zugrundezulegen. Konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der vorgenannten Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten, hat die Beklagte nicht vorgetragen.
- Es kann dahinstehen, ob die damit vorhandene Punktmutation, wie von der Beklagten behauptet, durch eine genomweite Zufallsmutagenese entstanden ist. Ebenso wenig kommt es für die Beurteilung der Verletzungsfrage darauf an, ob mit einer solchen Zufallsmutagenese gezielte oder gar steuerbare Einwirkungen auf der Ebene des Genoms oder der Ebene der einzelnen Nucleotide möglich sind und ob, wie von der Beklagten vorgetragen, ein planbarer oder steuerbarer Zugriff auf das vom Patent konkret in den Fokus genommene Protein und die zugehörige Gensequenz tatsächlich mit der Zufallsmutagenese nicht ausführbar ist. Auch ist unerheblich, ob, wie von der Beklagten behauptet, der Austausch eines Nukleotids zu einer charakteristischen Struktur des resultierenden Mikroorganismus führt, die sich von den Strukturen der anderen möglichen Ursachen unterscheidet. Wie der Senat bereits im Rahmen der Auslegung des Klagepatents im Einzelnen dargestellt hat, ist für eine Verwirklichung des in Streit stehenden Merkmals 4.3. allein das Ergebnis entscheidend: Die DNA muss, wenn sie für das Herstellungsverfahren zum Einsatz kommt, unter der Kontrolle einer Expressionsregulationssequenz stehen, die stärker ist als die in SEQ ID Nr:9 gezeigte Sequenz und damit letztlich stärker als die natürlich vorhandene Sequenz. Das ist bei den durch die Beklagte zur Herstellung von L-Tryptophan eingesetzten Bakterien, bei denen die Expression des yddG-Gens durch die unstreitig vorhandene Punktmutation an der Stelle 1078 etwa 60-fach erhöht ist, der Fall. Daraus resultiert zugleich die von Merkmal 4. geforderte erhöhte L-Aminosäureproduktion.
- d)
Dass die Beklagte im Hinblick auf die vorstehend dargelegte Schutzrechtsverletzung zur Unterlassung, Auskunftserteilung und, weil sie das Klagepatent schuldhaft verletzt hat, zum Schadenersatz verpflichtet ist und den Klägerinnen, um ihnen eine Berechnung ihrer Schadensersatzansprüche zu ermöglichen, über den Umfang ihrer Benutzungs- und Verletzungshandlungen Rechnung zu legen hat, hat das Landgericht im angefochtenen Urteil ebenso zutreffend dargelegt wie die darüber hinausgehende Pflicht der Beklagten zum Rückruf sowie zur Vernichtung. - Allerdings ist der Umfang der Rückrufverpflichtung aus Verhältnismäßigkeitsgründen (§ 140a Abs. 4 S. 1 PatG) wie aus dem Tenor ersichtlich beschränkt. Dem steht der durch die Klägerinnen erhobene Verspätungseinwand nicht entgegen, da die Beschränkung allein auf rechtlichen Erwägungen, nicht aber auf streitigen Tatsachenbehauptungen beruht.
- aa)
Dass für eine solche Beschränkung der lediglich allgemein gehaltene Hinweis der für die Unverhältnismäßigkeit darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten, ein Rückruf für Lieferungen „an weit entfernte Abnehmer sowie für Lieferungen ohne jeden Inlandsbezug“ sei unverhältnismäßig, da die insoweit entstehenden Rückrufkosten die Interessen der Klägerinnen an der Beseitigung einer Patentverletzung im Inland überwiegen, mangels weiterer Substantiierung nicht ausreichend sein kann, liegt auf der Hand und bedarf keiner weiteren Erläuterung. Weshalb der Rückruf von außerhalb der EU gelieferten Waren, wie von der Beklagten behauptet, bei ihr einen außerordentlichen Aufwand verursachen soll, ist nicht ersichtlich und wird durch die Beklagte auch lediglich pauschal behauptet. - bb)
Daneben hat die Beklagte den Unverhältnismäßigkeitseinwand im Berufungsverfahren jedoch auch für Produkte erhoben, deren Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen ist und bei denen der übliche, dreimonatige Lieferzyklus mindestens um das Dreifache überschritten ist (vgl. hierzu: Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 11. Aufl., Abschn. D, Rz. 683). Anknüpfungspunkt dieses Unverhältnismäßigkeitseinwandes sind § 17 Abs. 2 Nr. 1 a) LFGB sowie Art. 15 Abs. 1 und 2 VO (EG) 178/2002, wonach es verboten ist, Futtermittel herzustellen, die geeignet sind, das Tierwohl zu beeinträchtigen. Diese Gefahr könnte durchaus bei der Verwendung abgelaufener Zutaten bestehen, soweit diese verderblich sind. In einem solchen Fall ist davon auszugehen, dass die Hersteller abgelaufene Produkte sicher nicht mehr verwenden. - In diesem Zusammenhang ist entscheidend, dass die angegriffene Ausführungsform nicht an Letztverbraucher, sondern an Futtermittelhersteller geliefert wird. Diese unterliegen insbesondere der Futtermittelverordnung (VO 767/2009 v. 13.07.2009). Dort bestimmt Art. 3 Abs. 2 lit. q), dass Futtermittel nur ein einziges Mindesthaltbarkeitsdatum aufweisen, das sich aus der Mindesthaltbarkeitsdaten der einzelnen Bestandteile des betreffenden Futtermittels ergibt. Der Einsatz abgelaufenen L-Tryptopans würde dementsprechend dazu führen, dass das Mindesthaltbarkeitsdatum des jeweiligen Futtermittels bereits bei dessen Herstellung abgelaufen wäre. Das entsprechende Produkt wäre in diesem Fall unverkäuflich, denn nach § 17 Abs. 3 LFGB ist es verboten, Futtermittel zu verfüttern, die geeignet sind, die Qualität der von Nutztieren gewonnenen Lebensmittel oder sonstigen Produkte zu beeinträchtigten (vgl. auch Art. 15 Abs. 1 und 2 VO (EG) 178/2002). Hinzu kommt, dass Futtermittel nach Art. 4 Abs. „L“it. a) VO (EG) 767/2009) nur in Verkehr gebracht werden dürfen, wenn sie sicher sind. Ferner haben Futtermittelhersteller sicherzustellen, dass die Futtermittel, die sie in Verkehr bringen, unverdorben, echt, unverfälscht, zweckgeeignet und von handelsüblicher Beschaffenheit sind (Art. 4 Abs. 2 lit. a) VO (EG) 767/2009). Da zugleich davon auszugehen ist, dass sich die Futtermittelhersteller unter Berücksichtigung der Risiken des Inverkehrbringens nicht diesen Anforderungen entsprechender Produkte rechts-treu verhalten, ist der Rückruf auf Produkte zu beschränken, deren Mindesthaltbarkeitsdatum (nach dem bestrittenen Beklagtenvortrag in der Regel drei Jahre ab Herstellung) noch nicht abgelaufen ist.
- Allerdings entfällt der Rückrufanspruch auf der Grundlage der vorstehenden Ausführungen nicht vollständig, sondern ist – wie ausgeführt – lediglich auf die Produkte zu beschränken, deren Mindesthaltbarkeitsdatum noch nicht abgelaufen ist. Es mag sein, dass die Beklagte gewerbliche Abnehmer in der Futtermittelherstellung just-in-time beliefert, so dass sich ein dreimonatiger Lieferzyklus entwickelt hat. Selbst dies schließt es jedoch nicht aus, dass einzelne Abnehmer vorübergehend entsprechende Produkte doch gelagert haben, die dementsprechend zurückzurufen sind. Die Beklagte räumt selbst ein, die letzte Lieferung sei vor „über 12 Monaten“ erfolgt. Ist dem so, ist zumindest hinsichtlich dieser Produkte davon auszugehen, dass das Mindesthaltbarkeitsdatum noch nicht abgelaufen ist. Allein der seit der letzten Lieferung vergangene Zeitraum rechtfertigt es somit nicht, den Rückrufanspruch vollständig entfallen lassen.
- III.
- Für eine Aussetzung der Verhandlung besteht keine Veranlassung, § 148 ZPO.
- 1.
Wenn das Klagepatent mit einem Einspruch oder – wie hier – mit einer Patentnichtigkeitsklage angegriffen ist, verurteilt das Verletzungsgericht, wenn es eine Verletzung des in Kraft stehenden Patents bejaht, grundsätzlich nur dann wegen Patentverletzung, wenn es eine Nichtigerklärung nicht für (überwiegend) wahrscheinlich hält; andernfalls hat es die Verhandlung des Rechtsstreits nach § 148 ZPO auszusetzen, bis jedenfalls erstinstanzlich über die Nichtigkeitsklage entschieden ist (BGH, GRUR 2014, 1237, 1238 – Kurznachrichten). Denn eine – vorläufig vollstreckbare – Verpflichtung des Beklagten zur Unterlassung, Auskunftserteilung, Rechnungslegung, zum Rückruf sowie zur Vernichtung patentgemäßer Erzeugnisse ist regelmäßig nicht zu rechtfertigen, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten steht, dass dieser Verurteilung durch die Nichtigerklärung des Klagepatents die Grundlage entzogen werden wird. Der aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) in Verbindung mit den Grundrechten folgende und damit verfassungsrechtlich verbürgte Justizgewährungsanspruch gebietet es, dem Verletzungsbeklagten wirkungsvollen Rechtsschutz zur Verfügung zu stellen, wenn er sich gegen den Angriff aus dem Klagepatent mit einem Gegenangriff auf den Rechtsbestand dieses Patents zur Wehr setzen will. Dies erfordert nicht nur eine effektive Möglichkeit, diesen Angriff selbst durch eine Klage auf Nichtigerklärung bzw. durch Erhebung eines Einspruchs führen zu können, sondern auch eine angemessene Berücksichtigung des Umstands, dass in diesem Angriff auch ein – und gegebenenfalls das einzige – Verteidigungsmittel gegen die Inanspruchnahme aus dem Patent liegen kann. Wegen der gesetzlichen Regelung, die für die Ansprüche nach §§ 139 ff. PatG lediglich ein in Kraft stehendes Patent verlangt und für die Beseitigung dieser Rechtsposition nur die in die ausschließliche Zuständigkeit des Patentgerichts fallende Nichtigkeitsklage zur Verfügung stellt, kann der Angriff gegen das Klagepatent anders als in anderen Rechtsordnungen nicht als Einwand im Verletzungsverfahren oder durch Erhebung einer Widerklage auf Nichtigerklärung geführt werden. Dies darf indessen nicht dazu führen, dass diesem Angriff jede Auswirkung auf das Verletzungsverfahren versagt wird. Die Aussetzung des Verletzungsstreits ist vielmehr grundsätzlich, aber auch nur dann geboten, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass das Klagepatent dem erhobenen Einspruch/der anhängigen Nichtigkeitsklage nicht standhalten wird (BGH, GRUR 2014, 1237, 1238 – Kurznachrichten). - Wurde das Klagepatent bereits in einem Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren bestätigt, so hat das Verletzungsgericht grundsätzlich die von der zuständigen Fachinstanz (DPMA, EPA, BPatG) nach technisch sachkundiger Prüfung getroffene Entscheidung über die Aufrechterhaltung des Klagepatents hinzunehmen.
- Grund, die parallele Rechtsbestandsentscheidung in Zweifel zu ziehen und von einer Verurteilung vorerst abzusehen, besteht nur dann, wenn das Verletzungsgericht die Argumentation der Einspruchs- oder Nichtigkeitsinstanz für nicht vertretbar hält oder wenn der Angriff auf den Rechtsbestand nunmehr auf (z. B. neue) erfolgversprechende Gesichtspunkte gestützt wird, die die bisher mit der Sache befassten Stellen noch nicht berücksichtigt und beschieden haben (OLG Düsseldorf, Urt. vom 06.12.2012, Az.: I – 2 U 46/12, BeckRS 2013, 13744; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 11. Aufl., Abschn. E, Rz. 720). Im Regelfall ist es nicht angängig, den Verletzungsrechtsstreit trotz der erstinstanzlichen Aufrechterhaltung des Schutzrechts auszusetzen und von einer Verurteilung (vorerst) abzusehen, indem das Verletzungsgericht seine eigene Bewertung des technischen Sachverhaltes an die Stelle der ebenso gut vertretbaren Beurteilung durch die zuständige Einspruchs- oder Nichtigkeitsinstanz setzt (zum Verfügungsverfahren: OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.02.2016, Az.: I-2 U 55/15, BeckRS 2016, 06345; Urt. vom 18.12.2014, Az.: I – 2 U 60/14, BeckRS 2015, 01029; Urt. vom 10.11.2011, Az.: I-2 U 41/11; Urt. vom 31.08.2017, Az.: I-2 U 71/16, BeckRS 2017, 129336). Geht es nicht darum, dass z.B. Passagen einer Entgegenhaltung von der Einspruchsabteilung oder dem Bundespatentgericht übersehen und deshalb bei seiner Entscheidungsfindung überhaupt nicht in Erwägung gezogen worden sind, sondern dreht sich der Streit der Parteien darum, welche technische Information dem im Bestandsverfahren gewürdigten Text aus fachmännischer Sicht zu entnehmen ist und welche Schlussfolgerungen der Durchschnittsfachmann hieraus aufgrund seines allgemeinen Wissens zu ziehen imstande gewesen ist, sind die Rechtsbestandsinstanzen aufgrund der technischen Vorbildung und der auf dem speziellen Fachgebiet gegebenen beruflichen Erfahrung ihrer Mitglieder eindeutig in der besseren Position, um hierüber ein Urteil abzugeben. Es ist daher prinzipiell ausgeschlossen, dass sich das Verletzungsgericht mit (notwendigerweise laienhaften) eigenen Erwägungen über das Votum der technischen Fachleute hinwegsetzt. Soweit der Nichtigkeitskläger seinen Angriff auf das Klagepatent nicht, ohne dass der Nachlässigkeitsvorwurf angebracht ist, auf neue, von den mit der Sache befassten Stellen bisher unberücksichtigte und erfolgversprechende Gesichtspunkte stützt, ist an eine Aussetzung des Rechtsstreits bis zum Abschluss des Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahrens lediglich dann zu denken, wenn das Verletzungsgericht zu der Überzeugung gelangt, dass die im Rechtsbestandsverfahren ergangene Entscheidung ersichtlich unrichtig ist und das Verletzungsgericht diese Unrichtigkeit verlässlich erkennen kann, weil ihm die auftretenden technischen Fragen zugänglich sind und von ihm auf der Grundlage ausreichender Erfahrung in der Beurteilung technischer und patentrechtlicher Sachverhalte abschließend beantwortet werden können (OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2008, 329, 331; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 11. Aufl., Abschn. E, Rz. 720).
- 2.
Ausgehend von diesen Grundsätzen kommt eine Aussetzung des Rechtsstreits bis zum rechtskräftigen Abschluss eines eventuellen Nichtigkeitsberufungsverfahrens vorliegend nicht in Betracht. - a)
Das fachkundig besetzte Bundespatentgericht hat sich eingehend mit den durch die Beklagte gegen die Rechtsbeständigkeit des Klagepatents erhobenen Einwänden der mangelnden Ausführbarkeit sowie der unzulässigen Erweiterung befasst und insbesondere in Bezug auf das Klagepatent in der hier streitgegenständlichen Fassung auch mit einer ausführlichen Begründung die erfinderische Tätigkeit bejaht. Neue Einwände gegen den Rechtsbestand des Klagepatents im hier streitgegenständlichen Umfang hat die Beklagte nicht erhoben, so dass es bei der Einschätzung des Bundespatentgerichts sein Bewenden hat. - b)
Dem steht nicht entgegen, dass das Bundespatentgericht Merkmal 4.3., wonach die DNA unter die Kontrolle einer Expressionsregulationssequenz gestellt wird, die stärker ist als die in SEQ ID Nr: 9 gezeigte Sequenz, enger als der Senat auslegt und eine genomweite Zufallsmutagenese nicht vom Schutzbereich des Klagepatents erfasst ansehen will (vgl. Urt. des BPatG, S. 20 unten – S. 21 oben). - aa)
Auch unter Zugrundelegung der Auslegung des Senats beruht der streitgegenständliche Patentanspruch nicht auf einer unzulässigen Erweiterung. Wie bereits das Bundespatentgericht zutreffend und mit ausführlicher Begründung festgestellt hat, entnimmt der Fachmann den ursprünglichen Anmeldeunterlagen (vgl. Anlage NiK 31) nicht nur, dass die Aktivität der Proteine durch eine veränderte Expressionsregulationssequenz erhöht werden kann (Anspruch 2). Vielmehr erschließt sich dem Fachmann unter Berücksichtigung von Beispiel 4 auch, dass das yddG-Gen durch die Einführung einer neuen Expressionsregulationssequenz eine stärkere Expression als unter der SEQ ID Nr: 9 erfährt (Urt. BPatG, S. 21 unten – S. 22 oben m.w.N.). Damit ist Merkmal 4.3. auch unter Zugrundelegung der Auslegung des Senats, wonach es allein auf genau das vorgenannte Ergebnis ankommt, hinreichend offenbart. -
bb)
Für die Ausführbarkeit der Erfindung ist entscheidend, dass es dem Fachmann ohne erfinderisches Zutun und ohne unzumutbare Schwierigkeiten möglich ist, die Erfindung anhand der Offenbarung praktisch zu verwirklichen (so auch BPatG, S. 22, vorletzter Abs; vgl. auch Schulte/Moufang, Patentgesetz mit EPÜ, 11. Aufl., § 34 Rz. 338). Hierfür reicht es, wenn ihm ein Weg zur Ausführung der Erfindung im gesamten beanspruchten Bereich aufgezeigt wird (Schulte/Moufang, Patentgesetz, 11. Aufl., § 34 Rz. 397). - Dass dem Fachmann durch das Klagepatent zumindest ein gangbarer Weg aufgezeigt wird, wie er den nativen Promotor durch einen stärkeren Promotor ersetzen kann, hat das Bundespatentgericht im Nichtigkeitsverfahren ausführlich dargelegt (vgl. Urt. des BPatG, S. 22 Mitte – S. 25). Ob der Fachmann davon ausgehend erfinderisch tätig werden muss, um die in Merkmal 4.3. angesprochene Expressionsregulationssequenz etwa im Wege der Zufallsmutagenese zu erhalten, ist für die Ausführbarkeit nicht entscheidend. Hierfür reicht es, dass die offenbarte Ausführungsform überhaupt praktisch brauchbar ist (vgl. BGH, GRUR 2017, 494, Rz. 34 – 36 – Borrelioseassay; Urt. BPatG, S. 24). Dies ist vorliegend der Fall, da dem Fachmann zumindest der durch das Bundespatentgericht detailliert beschriebene Weg über den Ersatz der SEQ ID Nr: 9 durch einen bekannten heterologen Promotor zur Verfügung steht, um das angestrebte Ziel, die DNA unter die Kontrolle einer Expressionsregulationssequenz zu stellen, die stärker ist als die in SEQ ID Nr. 9 gezeigte Sequenz ist, zu erreichen.
- Wie bereits das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, lässt sich die hinreichende Offenbarung auch nicht mit der Begründung verneinen, die Merkmale 4. und 4.3. seien allein funktional formuliert. Derartige funktionale Merkmale sind zulässig, wenn die darin liegende Verallgemeinerung – wie hier – dem berechtigten Anliegen Rechnung trägt, die Erfindung im vollen Umfang zu erfassen (BGH, GRUR 2013, 1210, 1211 – Dipeptidyl-Peptidase-Inhibitoren). Dem steht nicht entgegen, dass eine funktionelle Fassung des Merkmals die Verwendung noch unbekannter Möglichkeiten umfasst, die möglicherweise erst zukünftig bereitgestellt oder erfunden werden, wenn nur so ein angemessener Schutz gewährt wird (BGH, a.a.O.). Auch in einem solchen Fall ist die Erfindung grundsätzlich bereits dann ausreichend offenbart, wenn sie dem Fachmann mindestens einen Weg zu ihrer Ausführung eindeutig aufzeigt (BGH, a.a.O.). Dem ist in der Klagepatentschrift, wie ausgeführt, genüge getan.
- cc)
Die Ausführungen des Bundespatentgerichts zur erfinderischen Tätigkeit, die maßgeblich darauf abstellen, dass dem Fachmann im Stand der Technik konkrete Angaben zu einem Exporter-Gen für die aromatische Aminosäuren L-Tryptophan und L-Phenylalanin fehlen und es insbesondere an der Offenbarung von YddG als Exporter für die aromatischen Aminosäuren L-Tryptophan und L-Phenylalanin fehlt (vgl. Urt. BPatG, S. 28 unten – S. 31 oben), verlieren durch das Verständnis des Senats von der Reichweite der beanspruchten Erfindung nicht an Bedeutung, so dass auch unter diesem Gesichtspunkt für eine Aussetzung des Rechtsstreits kein Anlass besteht. - III.
- Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO i. V. m. § 97 ZPO. Für die Anwendung von § 95 ZPO betreffend die Kosten des Verhandlungstermins am 4. April 2019 fehlt es an Raum, da sich das dafür erforderliche Verschulden der Klägerinnen nicht feststellen lässt.
- Die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeben sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.
- Für eine Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung, weil die in § 543 ZPO aufgestellten Voraussetzungen dafür ersichtlich nicht gegeben sind. Es handelt sich um eine reine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung, mit der der Bundesgerichtshof auch nicht im Interesse einer Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung befasst werden muss (§ 543 Abs. 2 ZPO).
- Der Schriftsatz der Klägerinnen vom 9. Oktober 2019 enthielt keinen neues, entscheidungserhebliches Vorbringen zu Lasten der Beklagten, so dass es insoweit keiner Gewährung einer Schriftsatzfrist bedurfte.